Ethanol aus Zuckerrohr
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Ethanol aus Zuckerrohr
D O K U M E N T A T I O N ETHANOL AUS ZUCKERROHR ALS PERSPEKTIVE FÜR AKP- UND LDC-LÄNDER DOKUMENTATION DER DIALOGVERANSTALTUNG IV IN BONN AM 24. MAI 2006 Kerstin Lanje und Cornelia Römling Impressum Redaktion: Kerstin Lanje, Cornelia Römling Fotos: Dörte Bernhardt Herausgeber: Germanwatch e.V. Büro Bonn Dr. Werner-Schuster-Haus Kaiserstr. 201 D-53113 Bonn Telefon 0228/60492-0, Fax -19 Büro Berlin Voßstr. 1 D-10117 Berlin Telefon 030/288 8356-0, Fax -1 Internet: http://www.germanwatch.org E-mail: info@germanwatch.org Juni 2006 Bestellnr.: 06-1-09 ISBN 3-9806280-2-7 Diese Publikation kann im Internet abgerufen werden unter: http://www.germanwatch.org/tw/zudoet06.htm Dieses Projekt wird finanziell von der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Ansichten und Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen. ETHANOL AUS ZUCKERROHR ALS PERSPEKTIVE FÜR AKP- UND LDC-LÄNDER DOKUMENTATION DER DIALOGVERANSTALTUNG IV IN BONN AM 24. MAI 2006 Kerstin Lanje und Cornelia Römling 4 Germanwatch Inhalt Vorwort .............................................................................................................................. 5 Einleitung........................................................................................................................... 7 Ethanol aus Zuckerrohr - eine neue Perspektive für AKP-Staaten und LDCLänder? .............................................................................................................................. 9 ...beurteilt aus ökonomischer Perspektive - Beispiel Brasilien.................................... 23 ...beurteilt aus Sicht der Nachhaltigkeit........................................................................ 33 ...beurteilt aus der Klimaperspektive ............................................................................ 36 ...beurteilt aus Sicht des Umweltschutzes...................................................................... 49 Technische Möglichkeiten aus bäuerlicher Perspektive.............................................. 54 Programm: Dialogveranstaltung IV 24.05.06............................................................... 62 Teilnehmerliste ................................................................................................................ 63 Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Vorwort "Ethanol aus Zuckerrohr als Perspektive für AKP- und LDC-Länder", so das Thema der 4. Dialogveranstaltung des Zuckerdialogprojektes von Germanwatch, die am 24. Mai 2006 in Bonn stattfand. Teilnehmer waren Vertreter der Wissenschaft, der Umwelt-, Klima- und Entwicklungsorganisationen sowie der Zuckerwirtschaft. Innerhalb eines Tages wurde versucht, sich über die Möglichkeiten und Chancen, aber auch die Risiken und Ungewissheiten der Ethanolerzeugung für AKP- und LDC-Länder1 klar zu werden. Die Veranstaltung gliedert sich ein in die Reihe von Zusammenkünften innerhalb des Zuckerdialogprojektes "Süßer Sprengstoff für die entwicklungspolitische und ökologische Debatte". In diesem Projekt hat Germanwatch mit Akteuren aus Entwicklungspolitik, Landwirtschaft, Umwelt- und Verbraucherschutz die Folgen der EU-Zuckerpolitik in den Entwicklungsländern und in NRW aufgedeckt. Gemeinsam wurde die Notwendigkeit der Umgestaltung der Zuckermarktordnung (ZMO) aufgezeigt und Reformvorschläge von Seiten der verschiedenen Akteure diskutiert. Ziel des Projektes ist es, Vorschläge für einen Zuckermarkt zu entwickeln, der entwicklungs-, umwelt- und agrarpolitisch nachhaltig ist. In dieser Veranstaltung wurde sich speziell auf die Perspektiven der Entwicklungsländer zur Ethanolerzeugung konzentriert, nachdem auf den vorherigen Tagungen die Auswirkungen der jetzigen Politik, die Folgen der reformierten ZMO und die Folgen für Landwirte in NRW und deren alternativen Handlungsmöglichkeiten Themen waren. Die Referenten beleuchteten die Möglichkeiten und Gefahren für AKP- und LDCLänder aus verschiedenen Perspektiven. Einer eingehende Analyse des globalen Ethanolmarktes folgte eine Darstellung des erfahrensten und größten Ethanolherstellers Brasilien. Nachhaltigkeit, Klima-, Umweltschutz und die Steigerung der Wertschöpfung für die Landwirtschaft waren weitere Schwerpunkte in der Diskussion des Potenzials der Ethanolerzeugung für Entwicklungsländer. Besonders deutlich wurde bei der Tagung, welcher immense Forschungsbedarf noch bei der Ethanolerzeugung in den AKP- und LDC-Ländern besteht. Gerade auch der Aspekt, ob ein Einstieg in die Ethanolerzeugung mit Gewinn auch die Situation der armen Menschen in diesem Land verbessert und nicht nur große Unternehmen diesen Gewinn einfahren, ist besonders fraglich. Das Beispiel Brasilien zeigt deutlich, dass es sowohl Verbesserungen der Schwachpunkte im Bezug auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit gibt, viele Kritikpunkte in bestimmten Regionen des Landes aber auch aufrechterhalten werden können. Be1 AKP: Die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks. LDC: Wirtschaftlich am wenigsten entwickelte Länder (Least Developed Countries) 5 6 Germanwatch sonders der immense Flächenverbrauch für Ethanol aus Zuckerrohr ist einer der Problempunkte, für den sich noch keine angemessene Lösung findet. Die Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau in Ländern, die zu wenig Nahrungsmittel für ihre Bevölkerung haben, ist nicht zu befürworten. Klimatisch gesehen ist die Erzeugung von Biokraftstoffen zwar nicht die erstbeste Lösung der Klimaproblematik. Es ist aber eine Alternative, die zu unterstützen ist und wo in Innovationen investiert werden sollte. Danken möchten wir den Referenten für die gelungenen Beiträge zum Thema und allen Teilnehmern, die durch sehr aktive Beteiligung, konstruktive Diskussionsbeiträge und zusätzlich gegebene Informationen zu dieser erfolgreichen Veranstaltung beigetragen haben. Das Zuckerdialogprojekt wird von der Nordrhein-Westfälischen Stiftung für Umwelt und Entwicklung finanziert. Kerstin Lanje Referentin für Welthandel und Ernährung Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Einleitung Kerstin Lanje, Germanwatch Der Germanwatch Zuckerdialog „Süßer Sprengstoff für die entwicklungspolitische und ökologische Debatte“ Ziele: • Mögliche Konflikte zwischen der ökologisch - sozialen Dimension in Deutschland und der entwicklungspolitischen Dimension aufarbeiten. • Gemeinsam mit den Betroffenen eine nachhaltige Position zur Reform der ZMO erarbeiten bzw. zu deren Umsetzung / Auswirkungen. Dazu zählt auch die Suche nach möglichen Alternativen wie Ethanol. • Erstellen eines gemeinsamen policy papers und einbringen in den politischen Prozess. Koordination: Kerstin Lanje 1 Beteiligung und Focus Beteiligt: • Landwirtschaft (D, EU, AKP, LDCs) • Zuckerindustrie • Verwaltung • Politik • Wissenschaft • Nichtregierungsorganisationen Focus Nordrhein-Westfalen: • NRW ist ein bedeutendes Zuckerrübenanbaugebiet. • Über 4 Millionen t Zuckerrüben werden hier geerntet (1/5 der deutschen Zuckerrüben = 7000 Landwirte). • Drei große Firmen (Pfeifen und Langen, Südzucker, Zuckerfabrik Jülich). 2 7 8 Germanwatch Dialoge und Studien Auftakt Veranstaltungen, Vorträge (Auswahl) Die Zukunft des Zuckers Optionen für eine entwicklungspolitisch und ökologisch nachhaltige Zuckerwirtschaft“ 21.09.2005 in Düsseldorf „Faire Woche“, Landeskonferenz Eine Welt Netz NRW, Okt. 05 „Ethanol aus Zucker? Aus ökologischer und sozialer Perspektive“, Bielefeld, Juni 05 Konsultationen und Studien Auswirkungen der internationalen Zuckerregelungen auf die Kleinbauern im Süden Präferenzerosion am Bsp. Zucker, Hong Kong, Dezember 05 Alternativen für die Zuckerrübenanbauer in Deutschland, fokussiert auf NRW Alternative Verwendungsmöglichkeiten von Zucker: die Erstellung von Biosprit und deren Möglichkeit für LDC und AKP Abschlusskonferenz „Die Zukunft des Zuckers - Optionen für eine entwicklungspolitisch und ökologisch nachhaltige Zuckerwirtschaft - Ergebnisse des Dialogprozesses“ Oktober 06 in Düsseldorf Pressearbeit, Zeitungsbeilage 3 An wen gehen die Ergebnisse? Die Handlungsempfehlungen aus den Veranstaltungen, Studien und dem Policy Paper werden in den öffentlichen und politischen Prozess eingebracht. Sprich in Entscheidungsprozesse innerhalb der EUKommission, bei WTO-Verhandlungen, in Ministerien auf Bundes- und Länderebene und sie dienen der Entscheidungsfindung der beteiligten Akteure. 4 Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Ethanol aus Zuckerrohr - eine neue Perspektive für AKP-Staaten und LDCLänder? Thomas Breuer, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik Bonn Thomas Breuer gab in seinem einleitenden Vortrag einen Überblick über den momentanen Ethanolmarkt. Er zeigte auf, dass die globalen Rahmenbedingungen aktuell für ein großes Potenzial der Ethanolerzeugung sprechen. Dies gilt auch für AKP- und LDC-Länder. Die Ethanolerzeugung bietet in vielen Bereichen positive Auswirkungen auf Umwelt, Wirtschaft und Landwirtschaft. Zum Beispiel kann die Erzeugung von Ethanol dazu genutzt werden, die Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern zu verringern. Im Bereich der Umwelt werden Treibhausgasemissionen eingespart und Wirtschaft und Landwirtschaft können Beschäftigungseffekte und Einkommenseffekte erwarten. Durch die notwendige Veredelung in den Anbauregionen aufgrund der hohen Transportkosten bietet Bioethanol die Möglichkeit einer hohen Wertschöpfung der Bauern. Weiter stellte er die herausragende Position Brasiliens bei der Produktion heraus, die Weltkostenführer und größter Produzent sind. Für die AKP- und LDC-Staaten bietet sich die Möglichkeit, von der langen Erfahrung in der Zucker- und Ethanolherstellung zu lernen. Brasilien selbst bietet auch von sich aus den TechnologieTransfer an, da sie Kritik an ihrer Monopolstellung entgegenwirken wollen. Als Zwischenfazit gibt Thomas Breuer deshalb eine durchweg positive Aussicht für die Ethanolerzeugung in diesen Staaten. Vor allem weil sowohl in der EU als auch in den USA Biokraftstoffe in zunehmenden Maße gefördert werden. Er stellt bei seinem Vortrag und der anschließenden Diskussion heraus, dass es einen sehr großen Forschungsbedarf gibt, der bis jetzt nur in Hinsicht auf Brasilien erfüllt ist und sich bei anderen Staaten auch wesentlich schwieriger gestaltet. Dabei sind verschiedene Aspekte von besonderer Wichtigkeit: • die Entwicklung der Energiepolitik in den Industrieländern, • die jeweiligen Potenziale der einzelnen Länder in Bezug auf Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt • die Absatzchancen auf dem Inlandsmarkt 9 10 Germanwatch • die Auswirkungen des Einstieg in die Ethanolerzeugung auf die Agrarlandschaften und • die Verteilung des Profit. Diese vielfältigen Fragen zeigen, dass es sehr schwer ist, generelle Aussagen für die Staaten zu treffen, da man sehr regionen- und länderspezifisch entscheiden muss. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 11 12 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 13 14 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 15 16 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 17 18 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 19 20 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 21 22 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 ...beurteilt aus ökonomischer Perspektive Beispiel Brasilien Jens Giersdorf, Lateinamerikainstitut der FU Berlin Jens Giersdorf gibt in seinem Vortrag einen generellen Einblick in die Bioethanolerzeugung Brasiliens. Deutlich wird, dass Brasilien schon eine sehr lange Tradition des Zuckeranbaus und der Ethanolherstellung hat und es deshalb vielen anderen Ländern gegenüber einen Vorteil besitzt. Zum Beispiel waren schon in den Achtzigerjahren über die Hälfte aller Neuwagen ethanolbetrieben. Dieser Einstieg in die Ethanolherstellung wurde schon immer stark von Subventionen unterstützt, die sich mit der Zeit in indirekte Subventionen gewandelt haben. Ein Beispiel ist die Zulassung der Verschuldung des Sektors. Hauptanbaugebiet ist die Region um Sao Paulo mit etwa 60 % der Zucker- und Ethanolproduktion. Eine zweite große Region ist im Nordosten zu finden. Die Zucker- und Ethanolerzeugung steigert sich von Jahr zu Jahr und gerade beim Ethanol ist nur ein geringer Anteil für den Export bestimmt. Sowohl bei den Produktionskosten für Zucker als auch bei denen für Ethanol ist Brasilien äußerst konkurrenzfähig. Die Ethanol- und Zuckererzeugung in Brasilien hatte verschiedene Seiten. Es gibt viele positive Effekte aber auch viele negative Auswirkungen. Diese sind in sich oft sehr widersprüchlich, was auch in der Diskussion nachher herausgestellt werden konnte. Es gibt positive Beschäftigungseffekte, aber es wird auch teilweise Arbeit zu unmenschlichen Bedingungen angeboten. Außerdem sind die relativen Beschäftigungseffekte sehr gering aufgrund der starken Mechanisierung. Gleiches gilt für Auswirkungen auf die Umwelt. Führt die Nutzung von Bioethanol zu einem geringeren Ausstoß von CO2, so hat der intensive Anbau durch Gewässerverschmutzung, hohen Wasserverbrauch und Waldrodungen starke negative Auswirkungen. Dies kann aber alles nicht pauschal gesagt werden, da teilweise durch Innovationen zum Beispiel der Wasserverbrauch eingeschränkt werden konnte. Tendenziell sind die eher besseren Bedingungen in der Region um Sao Paolo zu finden und die schlechteren im Nordosten. Es wurde auch die Frage nach der Veränderung der Agrarlandschaft durch den steigenden Zuckeranbau aufgeworfen. Einmal in Hinsicht auf Nahrungsmittel, da zunehmend Flächen für den Zuckerrohranbau genutzt werden. Dies hat zur Folge, dass der Nahrungsmittelanbau aufgegeben wird, so dass dies zu einer Nahrungsmittelknappheit führen kann oder bestehende Knappheiten verschärft. Außerdem kann es zu Standortverlagerungen des Sojaanbaus oder anderer Kulturen kommen, 23 24 Germanwatch wenn vermehrt Zucker auf ehemaligen Sojaflächen angebaut wird. Wenn diese Verdrängung in den Regenwald hinein stattfindet, löst die erhöhte Zuckererzeugung indirekt Waldrodungen aus. Insgesamt macht der Vortrag deutlich, dass der Anbau von Zucker und die Erzeugung von Ethanol in Brasilien immer von zwei Seiten gesehen werden kann. Positive Auswirkungen müssen zu negativen Auswirkungen in Verhältnis gesetzt werden, um zu einer abschließenden Beurteilung zu kommen. Die Diskussion kehrte insbesondere heraus, dass man keine pauschalen Urteile über das gesamte Land fällen kann, sondern dass man regionenspezifisch zu verschiedenen Urteilen kommt. Katholische Landjugendbewegung Deutschlands, GERMANWATCH Dialogrunde IV: Reform der europäischen Zuckermarktordnung 24. Mai 2006, Bonn Ethanol aus Zuckerrohr als Perspektive für AKP- und LDCLänder? …beurteilt aus ökonomischer Perspektive – Das Beispiel Brasilien Jens Giersdorf, Promotionsstudent Lateinamerikainstitut der FU Berlin Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Bioethanol in Brasilien • • • • • • • Geschichte des Alkoholprogramms Politischer Rahmen Struktur der Bioethanolindustrie Ökonomie der Bioethanolindustrie Beschäftigungseffekte Was spricht für Ethanol? Was spricht gegen Ethanol? 25 Germanwatch Geschichte des Alkoholprogramms • 1973: Ölkrise: Hohe Öl- und niedrige Zuckerpreise • 1975: PROÁLCOOL: 20% anhydriertes Ethanol zu Benzin • 1979: Entwicklung eines Nur-Alkohol-Motors (hydriertes Ethanol) • 80er: 4 Mio. verkaufte Ethanolautos (55% aller Neuwagen), Produktion von ca. 11 Mrd. l Ethanol jährlich • 1989: Versorgungslücke mit Ethanol, Vetrauensverlust • 90er: 20-25% Beimischung von anhydriertem Ethanol, Absatz von hydriertem Ethanol geht stetig zurück • 2003: Einführung von Flex-Fuel-Autos (60% aller verkauften Neuwagen 2005), neuer Boom durch hohen Ölpreis Bioethanolverbrauch 18 16 14 12 10 8 Hydriertes Ethanol 6 4 2 Anhydriertes Ethanol Quelle: UNICA 2006, CONAB 2006, eigene Darstellung 2005 2004 2003 2002 2001 2000 1999 1998 1997 1996 1995 1994 1993 1992 1991 1990 1989 1988 1987 1986 1985 1984 1983 1982 1981 0 1980 Produktion in Mrd. l 26 Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Politischer Rahmen (bis 1999) • Am Anfang große Kreditsubventionen für Zucker-und Alkoholindustrie und für Anlagenhersteller • Seit 1975 kontinuierlich Beimischungszwang von 20-25% Ethanol zum Benzin • Zucker- und Alkoholinstitut (IAA) lenkte bis 1990 Gewinne aus Zuckerproduktion in Ethanolproduktion um • Bis 1997/99 Preisgestaltung der Kraftstoffe durch Regierung -> Quersubventionierung durch staatliches Mineralölunternehmen PETROBRÁS Politischer Rahmen (heute) • Keine direkten Subvention, aber Verschuldung des Sektors • Mineralölsteuerbefreiung für Ethanolkraftstoff • Geringerer Mehrwertsteuersatz und niedrigere Sozialabgaben • Steuerlastquote von Ethanol nur 30-70% (Benzin: ca. 100%) • Hoher Importzoll für Benzin 27 28 Germanwatch Struktur der Bioethanolindustrie • Ca. 320 Zucker- und Alkoholfabriken, 40 neue geplant • 1,5 Mio. t Zuckerrohr/Fabrik, 10 große Anlagen 3,6-6,8 Mio. t pro Fabrik • Ethanol wird sowohl aus Molasse als auch aus Zuckerrohrsaft direkt hergestellt • Produktionsverhältnis Zucker:Ethanol kann flexibel geändert werden • Ca. 50% des Zuckerrohrs werden zu Ethanol verarbeitet • Seit PROÁLCOOL > 60% der Zucker- und Ethanolproduktion im Bundesstaat Sao Paulo konzentriert • 5,5 Mio. ha Zuckerrohranbau (ca. 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche) Zuckerrohranbau in Brasilien Quelle: USDA 2001 Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Zucker- und Ethanolproduktion Jahr Zuckerrohr (Mio. t) 2000/01 2001/02 2002/03 2003/04 2004/05 257,6 293,0 320,7 356,5 382,2 Zucker (Mio. t) 16,2 19,2 22,6 24,9 26,5 Davon Export 7,1 7,6 8,4 9,6 11,6 10,6 11,5 12,6 14,8 15,3 0,3 0,6 0,6 2,1 2,5 Ethanol (Mrd. l) Davon Export Quelle: ÚNICA 2005, MDIC 2006, eigene Darstellung Ökonomie • Effiziente Zucker-und Alkoholfabriken Sao Paulo • Produktionskosten für Zucker von 5,5 US-cts/lb (120 US$/t) • EU 600 US$/t, Jamaika: 500 US$/t, Thailand: 160 US$/t • Produktionskosten für Ethanol von 0,23 US$/l (36,5 US$/b) • USA (Mais): 0,43 US$/l, EU (Zuckerrüben): 0,63-0,90 US$/l • -> Ethanol in Brasilien ab Rohölpreis von 32 US$-b konkurrenzfähig • Zuckerproduktion verspricht aber in der Regel höhere Erlöse als Ethanolproduktion -> Opportunitätskosten 29 30 Germanwatch R o h ö l ( U S $ /b ) 8 0 K r a f t s to ff (E th a n o l) 7 0 In d i f f e r e n z l i n i e M a i 2 0 0 6 6 0 D e ze m b e r 2 0 0 5 A p r il 2 0 0 5 5 0 4 0 A u g u st 2 0 0 0 3 0 A n d e re l a n d w ir t s c h a f t l ic h e P ro d u k te 2 0 Z u c k e r M a i 1 9 9 9 1 0 0 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 1 1 12 1 3 1 4 1 5 16 1 7 1 8 19 2 0 2 1 2 2 23 2 4 2 5 Z u c k e r ( U S - c t s / lb ) Quelle: Nitsch/Giersdorf/da Fonseca Beschäftigungseffekte • Ca. 750.000 Beschäftigte in Zucker- und Alkoholproduktion • Von 450.000 Beschäftigten in Zuckerrohranbau sind ca. 50% nur temporär beschäftigt • Arbeitskräfteeinsatz mit 0,1 AK/ha relativ gering • Mechanisierungstendenz v.a. in Sao Paulo • Löhne bei Zuckerrohrernte und bei Verarbeitung überdurchschnittlich hoch (zumindest Sao Paulo) • Akkord- und vereinzelt auch Sklavenarbeit kommen aber vor Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Was spricht für Ethanol in Brasilien? • Im internationalen Vergleich niedrige Produktionskosten • Durch Rohölsubstitution Deviseneinsparung von ca. 60 Mrd. US$ (US$ 2004) seit 1976 • Beschäftigungseffekte in Zuckerrohranbau und -verarbeitung • Gute Fossilenergiebilanz, CO²-Emissionen können um bis zu 80% reduziert werden • Bessere Luftqualität in Großstädten • Ethanol als Additiv kann Bleizusätze ersetzen • Bei niedrigen Zuckerpreisen gibt es ein alternatives Produkt Was spricht gegen Ethanol in Brasilien? • Subventionen in Form von Steuerverzichten (1-2 Mrd. US$/a) • Verzicht auf Zuckerexporterlöse • Geringe relative Beschäftigungseffekte • verfestigt nicht-nachhaltige Mobilitätsmuster • Veredelung von Nahrungsmitteln problematisch • Ethanol als Energie-commodity folgt Rohölpreisen -> Ethanol wird als „saubere“ Energie in Industrieländer exportiert • Substitutionsbedarf gering seit Selbstversorgung mit Rohöl • Zuckerrohrmonokulturen expandieren Richtung Mittelwesten 31 32 Germanwatch Literatur • Aßmann, Dirk and Niklas Sieber (2005): Transport in Developing Countries: Renewable Energy versus Energy Reduction? –In: Transport Reviews, Vol. 25, N° 6, 719-738, London. • Borges, Uta / Freitag, Heiko / Hurtienne, Thomas / Nitsch, Manfred (1984): Proálcool. Analyse und Evaluierung des brasilianischen Biotreibstoffprogramms, Saarbrücken - Fort Lauderdale: Breitenbach. • Carvalho Macedo, Isaias de e Luiz Horta Nogueira (2005): Avaliação da expansão da produção do etanol no Brasil. –In: Cadernos NAE, N° 2, Seção 2, Brasília. • Henke, Jan M. (2005): Biokraftstoffe – eine weltwirtschaftliche Perspektive, Kiel (Institut für Weltwirtschaft, Kieler Arbeitspapier Nr. 1236). • International Energy Agency (2004): Biofuels for Transport. An international perspective, Paris. • Nitsch, Manfred und Jens Giersdorf (2005): Biotreibstoffe in Brasilien. –In: Berger / Prieß (Hg.): Bio im Tank: Chancen - Risiken – Nebenwirkungen, , 42-61. Preprint als Diskussionsbeiträge des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, Nr. 12/2005, Volkswirtschaftliche Reihe. • World Bank (2005): Potential for Biofuels for Transport in Developing Countries, Washington D.C. • Worldwatch Institute (2006): Biofuels for Transportation: Global Potential and Implications for Sustainable Agriculture and Energy in the 21 st Century, prepared for the German Ministry of Food, Agriculture and Consumer Protection (BMELV) in coordination with the German Agency for Technical Cooperation (GTZ) and the German Agency of Renewable Resources (FNR), Washington, DC. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 ...beurteilt aus Sicht der Nachhaltigkeit Gerald Knauf, Forum Umwelt und Entwicklung, Bonn Gerald Knauf stellt in seinem Vortrag vor allem die Wichtigkeit der Nachhaltigkeit der Ethanolerzeugung in AKP-Staaten heraus, da die Möglichkeit, am Ethanolboom der nächsten Jahre teilzunehmen, auf jeden Fall gegeben ist und man sich deshalb eher Gedanken um das "Wie" machen muss. Ausgewählte Kriterien in Bezug auf Schutz der Umwelt, Förderung der Wirtschaft und Abwendung negativer sozialer Entwicklungen sollen die Grundlage bilden für Instrumentarien, die insgesamt dann die Nachhaltigkeit fördern. Diese Kriterien müssen aber auf jedes Land im einzelnen zugeschnitten sein und können nicht pauschalisiert werden. Außerdem dürfen sie auch nicht zu Hemmnissen für die AKP-Staaten werden. Die Diskussion warf die Frage auf, ob die kleinbäuerlichen Strukturen, die als ein Kriterium gefördert werden sollten, per se nachhaltiger sind oder ob dies kritisch untersucht werden muss. Zuvor war auch schon die Frage aufgeworfen worden, ob die These, dass beim Zuckerrohranbau die Großanbaustruktur die bessere Alternative ist, bewahrheitet werden kann. Es wurde vermutet, dass die Arbeitsbedingungen unter Umständen in Großanbaustrukturen besser sind, da dort eine größere Mechanisierung der Ernte besteht. In diesem Bereich existiert aber weiterer Aufklärungsbedarf, welche Anbauart aus sozialer und ökologischer Sicht, die zu bevorzugende wäre. Ethanol aus Zuckerrohr- eine neue Perspektive für AKP-Staaten und LDC-Länder? …beurteilt aus Sicht der Nachhaltigkeit χ Bis auf einige wenige Länder, wie z.B. Brasilien, werden, kurz- oder mittelfristig, alle größeren Ethanol produzierenden Länder zu Nettoimporteuren von Biokraftstoffen bzw. werden die produzierten Biokraftstoffe zur Deckung ihres eigenen Bedarfs verwenden. o Dazu gehören auch Länder wie Indien, China, USA und EU. χ Dieser Trend wird sich mit zunehmendem Ausbau der globalen Ethanolproduktion fortsetzen χ Aus diesem Grund werden in absehbarer Zeit geeignete Flächen auch in AKP Ländern für den globalen Kraftstoffbedarf benötigt. Dabei spielt nicht nur Zuckerrohr eine Rolle, sondern alle möglichen Energiepflanzen, wie z.B. Ölsaaten und Getreidearten. 33 34 Germanwatch χ Es geht also weniger darum, wie viel AKP Staaten von einem globalen Ethanolboom abbekommen können, sondern vielmehr darum, wie nachhaltig sich die Produktion von Ethanol aus Zuckerrohr in diesen Ländern entwickeln wird. χ Ausgehend von derzeitigen Erfahrungen wird die Nachfrage auch die AKP Staaten erreichen, klar ist aber nicht, wie groß der langfristige Vorteil für die einzelnen Staaten aussehen wird. χ Eins sollte auch klar sein: Die Produktion von Bioenergie, und das trifft auch auf Zuckerrohr zu, ist nicht gleichzusetzen mit nachhaltiger Entwicklung, oft eher sogar das Gegenteil. NACHHALTIGKEIT χ Klassisches Modell der drei Säulen: ökonomische – soziale – ökologische Nachhaltigkeit χ Ökonomische und soziale Aspekte sind für AKP Staaten und erst recht für LDCs entscheidend für die Motivation sich mit der Ethanolproduktion (Biokraftstoffe) zu beschäftigen. Ich möchte nicht die NH des ZR Anbaus beurteilen, sondern vielmehr die Bedeutung einer nachhaltigen Prod. von Ethanol FÜR AKP Länder ansprechen. χ Um eine nachhaltige Produktion von Ethanol in AKP Staaten zu ermöglichen, bedarf es „Schutzmechanismen“. χ Es reicht nicht aus, nur Technologie und Wissen zu transferieren, sondern es muss auch vermieden werden, dass AKP Staaten Rohstofflieferanten für Industrieländer werden und dadurch eine neue Abhängigkeit vom Weltmarkt entsteht. o z.B. EU Biomass Action Plan der den Auftrag an die Mitgliedstaaten erteilt, auch in Entwicklungsländern Bioenergie zu fördern. χ Die oben genannten Schutzmechanismen basieren auf Nachhaltigkeitskriterien, die mit verschiedenen Instrumentarien umgesetzt werden können. χ Es gibt eine ganze Reihe von Instrumentarien, auf die ich im Detail nicht weiter eingehen will, einige davon sind: χ o freiwillige Zertifizierungssysteme o gesetzlichen Rahmenbedingungen o ordnungsrechtliche Instrumente Anstatt über verschiedene Zertifizierungssysteme und deren Ausgestaltung zu diskutieren, ist es m.E. viel wichtiger, wie die Kriterien aussehen können, die die Grundlage für Diskussion über mögliche Instrumentarien bilden müssen? FUE Ergebnisse χ Das Forum Umwelt & Entwicklung hat in den vergangenen Jahren an der Entwicklung möglicher Kriterien aufgenommen und besonders mit NRO in Deutschland vertieft. Dabei wurden verschiedene Akteure aus dem Wälder-, Klima-, Landwirtschafts- Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 und Handelsspektrum einbezogen. Ein Ergebnis dieser Diskussion ist die Broschüre: „Weltmarkt für Bioenergie zwischen Klimaschutz und Entwicklungspolitik – Eine NRO-Standpunktbestimmung“. χ Als nächster Schritt wird das Forum Umwelt & Entwicklung die internationale Diskussion suchen. KRITERIEN Hier nun ein Auswahl wichtige Kriterien: 1. Eine lokale oder regionale Wertschöpfung muss strukturell ermöglicht und gefördert werden. 2. Kleinbäuerliche Strukturen sollen unterstützt und/oder die Einbindung von Kleinproduzenten in die Produktion von Ethanol gewährleistet werden. 3. Förderung eines vielfältigen Energiepflanzenanbaus, mit einem niedrigen Einsatz von Produktionsmitteln sowie einer geringen Intensität der Bodenbearbeitung. 4. Verbot des Einsatzes von genetisch manipulierten Organismen. 5. Der Anbau und Export von Bioenergieträgern darf keinesfalls die Nahrungsmittelproduktion eines Landes gefährden. 6. Die Energiebilanz muss durch Life Cycle Assessment ermittelt werden. Dadurch kann der beste Energieertrag ermittelt werden, wie z.B. bei Nutzung der Bagasse für die nötige Prozesswärme. Werden die Ergebnisse berücksichtigt, ergibt sich ein schnellerer Rückgang der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern 7. Ermittlung der CO2 Bilanz. Dies hilft nicht nur potentielle Investoren aus Industrieländer anzulocken, die CO2 Reduktion einkaufen wollen, sondern kann u.U. auch vor Rodungen und Abholzung von Wäldern und Primärvegetation schützen. Die CO2 Bilanz für z.B. Ethanol wird i.d.R. negativ, wenn Primärvegetation gerodet wird. 8. Genauso können im sozialen Bereich entsprechende Arbeitsplatzbilanzen oder soziale Verträglichkeitsuntersuchungen hilfreich sein, um eine möglichst sozialverträgliche Produktion von Ethanol zu gewährleisten. Hier kann viel aus den oft negativen Erfahrungen Brasiliens gelernt werden. Fazit χ In jedem Land sind die Voraussetzungen für die Biokraftstoffproduktion unterschiedlich, deshalb wird es kaum eine global gültige Kriterienliste geben. Trotzdem wird es wichtig seine, ein paar globale Kriterien als Leitplanken zu etablieren. χ Eine Quantifizierung und Qualifizierung der Kriterien ist dringend notwendig, wird aber zum Teil nur auf regionaler oder nationaler Ebene möglich sein. χ Wichtig ist es, dass die Kriterien so weiter entwickelt werden, dass sie Chancen und Nachhaltigkeitspotentiale in Entwicklungsländern stärken und nicht schwächen. Viele Fragen sind noch offen und vielleicht sind auch einige gar nicht zu beantworten 35 36 Germanwatch ...beurteilt aus der Klimaperspektive Christoph Bals, Germanwatch, Bonn Die klimapolitische Perspektive zeigt, dass die Erzeugung von Bioethanol nur die zweitbeste oder drittbeste Lösung ist, um das Klima zu schonen. Vorzuziehen ist immer eine komplette Einsparung von Energieressourcen oder die Steigerung der Energieeffizienz. Dabei kann man nicht alle Biokraftstoffe generalisieren, da sie in Energiebilanzen und Treibhausbilanzen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Zuckerrohr bildet dabei eine gute Möglichkeit, wenn die Nachhaltigkeit des Anbaus gewährleistet ist und zum Beispiel keine Waldrodungen zum Anbau durchgeführt werden. Dabei muss man auch Folgereaktionen beachten wie zum Beispiel die Rodung von Waldgebieten durch die Verdrängung zuvor angebauter Kulturen wie Soja oder Palmöl, die dann in den Regenwald ausweichen. Eine der neusten Entwicklungen stellen die Biomass-to-liquid-Verfahren dar, die noch weiter die Möglichkeit bieten, Treibhausgasemissionen zu verringern und auch den Vorteil der Flexibilität der Zusammensetzung haben. In der anschließenden Diskussion wurde angemerkt, dass es sich für die Industrie eher lohnt, auf Bioethanol umzusteigen als den Verbrauch der Autos zu senken. Dies ist nicht auf einer Linie mit der Einsparung von Energie vor der Nutzung von Ethanol. Außerdem ist auch wichtig, dass schnellwachsende Hölzer aus energetischer Sicht und bei Betrachtung der Treibhausbilanz die beste Lösung sind, dabei aber das Problem existiert, dass gerade diese Hölzer die Böden extrem schnell auslaugen. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Ethanol - eine klimapolitische Perspektive • Christoph Bals • Germanwatch 1. Biomasse, die Braunkohle / Kohle ersetzt, hat immer eine deutlich bessere Klimabilanz als solche, die Öl oder Gas ersetzt. 37 38 Germanwatch 2. Angesichts der steigenden Ölpreise und ungesicherten Ölquellen ist aber der schnellste Nutzungsanstieg beim Ersatz von Öl zu erwarten. 3. In den beiden letzten Jahren war der Anstieg der Ölpreise der dominierende Faktor für die Ethanol- und Zuckerpreise (zunehmend auch für Weizen und Roggen). Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Institut für Energetik und Umwelt, 2005: 301 Institut für Energetik und Umwelt, 2005: 322 39 40 Germanwatch Institut für Energetik und Umwelt, 2005: 319 4. „Weltweit hat die Zuckerproduktion allein von der Erntesaison 2004-05 bis zur Erntesaison 2005-2006 um 50% zugenommen. Ein wesentlicher Grund für diese Zunahme dürften die Biokraftstoffe sein. Der Handel mit Bioethanol hat noch steilere Zuwächse verzeichnet.“ (GTZ/Worldwatch: 2006). Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 UBS biofuels index goes live London, 9 March 2006: Switzerland's UBS and Lausanne-based Diapason Commodities Management launched the first commoditybased biofuels index on Tuesday. Its launch is in response to investor interest in an anticipated rise in the value of the commodities that go into making the two major forms of alternative fuel – ethanol and biodiesel – such as sugar, corn, wheat rapeseed and canola, the companies said. The UBS Diapason Global Biofuel Index is composed of futures contracts on 10 commodities that are used to make the two fuels. It is denominated in US dollars, euros, Swiss francs and Yen and is available as a price return index, an excess return index and a total return index. The companies said the weightings of the index reflect the importance of different feedstocks used in ethanol and biodiesel production as well as the liquidity of the underlying futures contracts. At its launch, the two biofuel groups have respective weights of 83.01% for ethanol and 16.99% for biodiesel. "Global commodity inventories in wheat, sugar and corn are falling and that's combined with long-term global production worries like water scarcity and soil erosion," Frederic Hervoet, global head of sales at Diapason told Environmental Finance magazine. "Supply cannot meet demand in these commodities and we want to give investors the chance to profit from a bull market," he added. 5. Weg vom Öl: Energiesparen (Aus- und Umsteigen) sowie gesteigerte Effizienz der Autos ist die klimapolitisch beste Lösung. Æ Es wäre Unsinn, Effizienzregulierungen (oder freiwillige Verpflichtung) abzuschwächen wegen zunehmenden Einsatzes von Biosprit. 41 42 Germanwatch 6. Qualitative Ergebnisse für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse sind richtungssicher: Vorteile bei Energieund Treibhausgasbilanzen gegenüber Benzin / Diesel; ÆAber Ergebnisse differieren stark zwischen den Biokraftstoffen und je nach Umständen. Zum Teil nur geringe Klimavorteile. (FVV 2004, 23) Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 7. Die Erzeugung von Bioethanol aus Stroh verzeichnet aufgrund des verwendeten Ausgangsstoffs und der geringen erforderlichen fossilen Prozessenergie die geringsten Klimagasemissionen. Entsprechend hoch sind die Treibhausgaseinsparungen. Aber auch Zuckerrohr ist eine sehr interessante Option.(Wenn nachhaltig angebaut und keine Waldrodung). Figure 5.1.5-1: WTW fossil energy requirement and GHG emissions for ethanol pathways (2010+ vehicles) (CONCAWE/EUCAR/JRC 2006, 35) 43 44 Germanwatch 8. Derzeit werden neue Biomass-toLiquid-Verfahren zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen entwickelt, die geringere Treibhausgasemissionen verursachen, aber immer noch einen hohen Energieeinsatz erfordern. • Biomasse wie Gartenschnitt, Gras, Stroh, Dung, Hausmüll wird zunächst zu Synthesegas übergeführt. Choren macht daraus synthetischen Dieselkraftstoff. • Das gesamte Material wird eingesetzt, nicht nur die Früchte. • Der Clou: Die Kraftstoffe lassen sich maßschneidern, also vorhandenen oder künftigen Motoren anpassen. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 • Saubere Verbrennung, hohe Effizienz: "Der Flächenertrag ist dreimal so hoch wie beim Biodiesel“ (Choren) "Pro Hektar und Jahr sind es 4000 statt 1300 Liter". Gegenüber mineralischem Kraftstoff könnte man rund 90 Prozent CO2 einsparen. • Choren / Shell: erste industrielle Prototypanlage mit einer Jahrekapazität von 15 000 Tonnen. Anfang 2007 soll sie in Betrieb gehen (Für Großtechnik noch Entwicklungsbedarf). 9. Fallbeispiel Tansania (GTZ/ Worldwatch): Die derzeit (2004/2005) von der Rohrzuckerindustrie in Tansania erzeugte Edelmasse (rund 90 000 Tonnen) könnte zu mehr als 20 Mio l Ethanol pro Jahr verarbeitet werden. Das würde zu 10%iger Beimischung zu Benzin ausreichen und entspräche energetischem Anteil am nationalen Benzinverbrauch von knapp 7%. 45 46 Germanwatch Æ Im August 2005 lag der Endverbraucherpreis für Benzin in Daressalam bei 1120 TZS/ l. Bei diesem Preis wäre Ethanol bei einem Endverbrauchspreis von 729 TZS/l oder rund 0,64 USD/l wettbewerbsfähig. „Bei gleichbleibenden Mineralölpreisen ist demnach davon auszugehen, dass in Tansania erzeugtes Ethanol im Vergleich zu Benzin konkurrenzfähig ist.“ • Vertreter des Ministeriums für Energie und Mineralien befürworten entschieden die Einsetzung einer hochrangigen Arbeitsgruppe für Biokraftstoffe in Tansania. Sie soll einen an die tans. Gegebenheiten angepassten Politikund Regelrahmen für den Biokraftsektor beratend gestalten. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 10. Je stärker Bäuer/-innen an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette - Produktion, Verarbeitung und Nutzung - von Biokraftstoffen beteiligt werden, desto eher profitieren sie davon. 11. Größte Gefahr für den Regenwald durch Palmöl und Sojaöl Von Land zu Land anschauen! 47 48 Germanwatch Zusammenfassung • Ethanol-Einsatz aus klimapolitischer Sicht (als zweit- oder drittbeste Teillösung) interessant • Ethanol auf Zuckerrohrbasis klimapolitisch sinnvoller als Zuckerrübe - aber bei konstant hohem Ölpreis auch diese rentabel. • BTL (Nutzung des gesamten Materials) vielversprechend • Biosprit: Wichtig ist ein zwingend vorgeschriebenes Zertifizierungssystem für importierten und heimischen Biosprit. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 ...beurteilt aus Sicht des Umweltschutzes Werner Paczian, Rettet den Regenwald, Hamburg Die umweltpolitische Sicht beinhaltet nach Meinung von Werner Paczian auch immer die ethische, also soziale Seite, so dass er in seinem Vortrag sowohl auf die aus Umweltsicht zu schützenden Aspekte eingeht als auch die sozialen Auswirkungen beachtet. Aus seiner Sicht ist besonders die Verdrängung von Nahrungsmitteln für den Zuckeranbau einer der problematischsten Bereiche des Ausbaus der Ethanolerzeugung. Die Entwicklung ist zu erwarten, da die Autobesitzer zahlungskräftigere Kunden sind als die Menschen, die in den Entwicklungsländern Nahrungsmittel benötigen. Aus Umweltsicht ist ein Desaster zu befürchten, da dieser massive Anstieg der Ethanolerzeugung zu großen Zerstörungen des Regenwaldes führen wird, da man immense Flächen zum Anbau der zur Ethanolerzeugung benötigten Pflanzen braucht. Außerdem kommt es durch die Anwendung von Pflanzengiften zu Verunreinigungen der Böden und der Wasserverbrauch zur Säuberung ist sehr hoch. Deshalb ist der Ansatz falsch, die fossilen Energieträger durch andere zu ersetzen, da dadurch nur die negativen Folgen der CO2-Emissionen eingedämmt werden, nicht aber andere Folgen, wie hoher Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung und hohes Verkehrsaufkommen. Deshalb ist aus der umweltpolitischen Sicht der Individualverkehr an sich nicht zukunftsfähig und die Energie- und Verkehrspolitik muss grundlegend geändert werden. Diese Ansicht stand in der Diskussion der Position gegenüber, auch die zweitbeste oder drittbeste Lösung zu akzeptieren, die nicht alle umweltpolitische und klimapolitische Ziele erreicht. Die Möglichkeit, dass die Entwicklungsländer im Bereich der Umwelt einen komplett anderen Weg einschlagen als die Industrieländer dies bei ihrer Entwicklung getan haben - mit einer Abkehr vom Individualverkehr - ist nicht zu erwarten, deshalb sind die Alternativen zu Atom und Kohlekraftwerken in Form von Biokraftstoffen vorzuziehen. 49 50 Germanwatch "Ethanol aus Zuckerrohr als Perspektive für AKP- und LDC-Länder" – aus Sicht des Umweltschutzes Die Europäische Union will den Einsatz von biogenen Treibstoffen auf sechs Prozent bis zum Jahr 2010 steigern und auf 20 Prozent bis 2020. Schon das EU-Ziel von 20 Prozent Biokraftstoff verschlänge jegliches Acker- und Weideland zum Beispiel in Großbritannien. Wenn dies in allen Ländern Europas passieren würde, wären die Folgen für die Welternährung eine Katastrophe. Wenn, wie das auch manche Umweltschützer fordern, so genannte Biokraftstoffe weltweit eingesetzt würden, dann würden die meisten landwirtschaftlichen Nutzflächen der Erde nur noch dazu dienen, Autos zu ernähren und nicht Menschen. Bereits heute hungern 800 Millionen Menschen. Glaube niemand, dass die Weltgemeinschaft sich zunächst daran machen würde, diese 800 Millionen Menschen zu ernähren und danach erst so genannte Biokraftstoffe produzieren würde. Der Weltmarkt reagiert auf Geld, auf Profite, nicht auf Bedürfnisse. Menschen, die Autos fahren, haben mehr Geld als Menschen, die hungern. In einem Wettbewerb zwischen der Nachfrage nach Treibstoff und der Nachfrage der Armen nach Lebensmitteln wird der Autobesitzer immer gewinnen. Etwas Ähnliches passiert ja jetzt schon. Obwohl 800 Millionen Menschen hungern, wird das globale Wachstum im Getreideanbau genutzt, um Tiere zu füttern: Die Anzahl des Viehs hat sich seit 1950 verfünffacht. Der Grund liegt darin, dass diejenigen, die Fleisch und Milchprodukte kaufen, mehr Kaufkraft haben, als diejenigen, die sich nur Getreide leisten können. „Bio“treibstoffe sind nicht nur ein humanitäres Desaster; sie können auch ein Umweltdesaster sein. Diejenigen, die sich vor den Auswüchsen der heutigen, industriellen Landwirtschaft fürchten, sollten sich vor Augen halten, wie die Landwirtschaft aussähe, wenn sie von der Öl-Industrie bestimmt wird. Mehr noch. Wenn wir einen Markt für RapsölDiesel in Europa aufbauen, dann entwickeln wir gleichzeitig auch einen Markt für Kahlschlag-Diesel aus Palmöl und Sojaöl. Ölpalmen können viermal mehr Diesel je Hektar produzieren als Raps, und sie werden an Orten angebaut, wo Arbeitskraft billig ist. Schon jetzt ist der Ölpalmanbau eine der Hauptursachen für die Regenwaldzerstörung. Soja wiederum hat zwar eine geringere Ölausbeute als Raps, aber das Öl ist Nebenprodukt der Tierfutterherstellung. Ein neuer Markt für das Sojaöl würde eine Agro-Industrie fördern, die bereits jetzt den größten Teil des brasilianischen Trockenwaldes (Cerrado) und große Teile des Regenwaldes vernichtet hat. Es gibt heute tatsächlich grüne Wissenschaftler, die den Klimawandel bremsen und Afrika wirtschaftlich helfen wollen – das ganze in einem Atemzug, indem Afrika in eine Produktionszone für „Bio“treibstoffe umgewandelt wird. Diese Strategie führt dazu, dass mehr Menschen verhungern werden und die tropischen Wälder in Afrika vernichtet werden. Was wir brauchen, ist eine Lösung für die globale Erwärmung verursacht durch die Autos. „Bio“kraftstoffe sind nicht die Lösung. Wenn die Produktion von „Bio“treibstoffen angeblich in der Lage ist, weltweit die Klimaänderung positiv zu beeinflussen, dann ist sie auch in der Lage, ein globales Verhungern zu verursachen. Um die Folgen speziell von Ethanol-Produktion einschätzen zu können, lohnt ein Blick nach Brasilien, dem mit den USA weltweit größten Ethanol-Produzenten. Bereits in den 80er Jahren hat die dortige Regierung vehement auf Alkohol aus Zuckerrohr als Benzinersatz gesetzt. Dafür wurden fruchtbare Böden aber auch Regenwaldflächen dem Auto geopfert, während gleichzeitig im armen Nordosten von Brasilien Menschen verhungerten. Noch heute ist es so, dass Brasilien zu den größten Agrarexportländern der Welt ge- Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 hört, bei Soja zum Beispiel an 2. Stelle, aber fast die Hälfte der Bevölkerung Mangelerscheinungen hat, weil sie sich eine ausgewogene, gesunde Ernährung nicht leisten kann. Die Empörung über die skrupellose Naturzerstörung in seinem Heimatland war größer als sein Wille, weiter zu leben: Am 12. November 2005 übergoss sich der 65jährige Francisco Anselmo de Barros mit Benzin und verbrannte sich selbst. Die verzweifelte Protestaktion in Campo Grande im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul richtete sich gegen den Bau von neuen Zuckerrohrplantagen und Alkoholfabriken im Becken des Alto Paraguai. Barros war Präsident der 1980 gegründeten Umweltstiftung für Naturschutz in Mato Grosso do Sul. In einem Abschiedsbrief schrieb er: „Ich musste es tun, um die Menschen wach zu rütteln, damit sie die ökologische Bedrohung begreifen.“ 1982 noch hatte Francelmo im Verbund mit vielen anderen brasilianischen Umweltschutzorganisationen ein Gesetz durchsetzen können, dass die aufgrund ihrer giftigen Abwässer umweltschädlichen Ethanolfabriken nicht mehr im Bereich der rund 180.000 Quadratkilometer großen Süßwasserwildniss im Länderdreieck Brasilien, Bolivien und Paraguay errichtet werden dürften. Doch genau dieses will der Gouverneur des brasilianischen Bundesstaates Mato Grosso kippen, um auch am Boom des „Bio“sprits für den Autoverkehr sowie für den Export zu profitieren. Und tatsächlich hat die schreckliche Selbstverbrennung nicht nur landesweit Schlagzeilen erzeugt. Elf Tage nach seinem Tod lehnte eine Regierungskommission den Bau der geplanten Ethanolfabriken im Becken des oberen Rio Paraguay ab. Das zum Teil als Unesco-Biosphärenreservat erklärte Pantanal mit seinem extremen Tierreichtum bleibt vom Biotreibstoffboom verschont – vorerst. Bereits heute ist Brasilien ein riesiger Produzent von Ethanol. Seine Zuckerrohranbaufläche ist auf rund 5,7 Millionen Hektar angewachsen mit einer jährlichen Produktion von rund 15 Milliarden Liter Alkohol sowie 26,5 Millionen Tonnen Zucker, so die Zahlen des brasilianischen Landwirtschaftsministeriums. Schon seit langem fahren Brasiliens Autos zu etwa 44 Prozent mit diesem in Europa nun als „Biotreibstoff“ propagierten Ethanol, der dort zum einen als reiner Alkohol oder als Benzin-Alkoholgemisch getankt werden kann. Rund 2,5 Milliarden Liter seiner Ethanolproduktion aus Zuckerrohr exportiert Brasilien bereits vor allem in die USA und nach Indien. Die brasilianischen Zucker- und Ethanolindustrie könnte und will noch viel mehr Ethanol exportieren - vor allem nach Europa, wenn es die EU zulässt. Schließlich könne Brasilien den „Biosprit“ um mehr als 50 Prozent billiger produzieren als die EU, so das Worldwatch Institute. Zuckerrohr als Monokultur zerstört den Boden und die Umwelt Alkohol als „Bio“treibstoff verursacht zwar weniger CO2-Ausstoß, aber die Folgen eines großflächigen Anbaus der Treibstoff liefernden Pflanzen bleiben dennoch äußerst problematisch. Zuckerrohr oder Getreide in großen Mengen angebaut, fügen dem Planeten zusätzlich großen Schaden zu, denn die Methoden reduzieren die Artenvielfalt und zerstören die Böden. Tatsächlich ist der Ruf von Ethanol viel besser, als er eigentlich sein sollte. Untersuchungen zu den Auswirkungen des Biosprits zeigen verschiedene Umweltgefahren: - Allein das Abfackeln von geernteten Zuckerrohrfeldern – vor allem im Nordosten noch immer eine gängige Methode um die Felder zu säubern - bringt die angrenzende Vegetation in große Gefahren. - Zuckerrohr wird unter Einsatz zahlreicher Agrargifte und Düngemittel angebaut. - Das Reinigen der Pflanzen verbraucht große Mengen von Wasser. Bis zu 3.900 Liter Wasser werden zur Säuberung von einer Tonne Zuckerrohr benötigt. Im Süden Brasiliens fällt die Ernte des Zuckers regelmäßig auch in die Trockenzeit. - Die Abwässer bedrohen die Ökologie umliegender Flüsse und Bäche. 51 52 Germanwatch Fazit: Einer der größten Energie-Verschwender ist der Individualverkehr. Das Auto für jeden, so das Worldwatch Institute, „führt nicht in ein zukunftsfähiges Jahrhundert.“ Es ist zu kurz gegriffen und der falsche Ansatz, wenn wir lediglich fossile Treibstoffe durch andere austauschen, aber trotzdem immer mehr Autos in die Welt setzen und immer mehr Lastwagen quer durch Europa schicken. Ressourcen- und Flächenverbrauch werden dadurch nicht geringer, die Luft nicht wirklich besser. Und die verstopften Straßen werden auch nicht leerer, nur weil die Tankstellen Palm- und Rapsöl, Ethanol, oder Biodiesel statt Benzin und Diesel verkaufen. Wer Ethanol als Treibstoff forciert, wird Kahlschlag-Diesel ernten Der weltweite Palmölboom ist einer der größten Flüche für die Regenwälder und ihre Bewohner. Waldzerstörung, Vergiftung von Böden, Wasser und Luft durch Agrargifte sowie Landkonflikte und Verarmung der betroffenen Menschen sind die Folgen. Auch die Habitate von Ausrottung bedrohter Arten wie Orang Utans, Waldelefanten und Tiger auf Sumatra und Borneo fallen in atemberaubender Geschwindigkeit dem Kahlschlag für Palmöl-Plantagen zum Opfer. Gerade die vergangenen etwa 15 Jahre haben bewiesen, dass praktisch für jede neue Anlage von Palmöl-Plantagen Wald zerstört wird und die Palmöl-Branche dabei häufig gezielt Regenwald per Brandrodung zerstört, um neue Flächen zu gewinnen. Die teilweise von westlichen Banken finanzierte Palmölindustrie gehört damit zu den größten Regenwaldvernichtern in Indonesien. Laut der indonesischen NGO Sawit Watch ist eine ökologisch und sozial nachhaltige Produktion auf großen Palmöl-Plantagen grundsätzlich nicht möglich. Als Folge der bisherigen Entwicklung gibt es heute auf Sumatra und Borneo kaum noch Tieflandregenwald. Deswegen hat jetzt der Run auf die verbliebenen Bergwälder und Nationalparks begonnen. Indonesien ist schon heute der zweitgrößte Produzent von Palmöl. Akut droht nun die enorme Ausweitung der Plantagenflächen nur für die Produktion von Palmöl-Diesel im Zuge eines weltweiten Booms so genannter Biotreibstoffe wie Ethanol oder Diesel aus ölhaltigen pflanzen. Deswegen lehnen wir die Herstellung von Treibstoff aus Palmöl auf Kosten von Primärwäldern und standortgerechter naturnaher Waldökosysteme grundsätzlich ab. Das Beispiel der indonesischen Zellstoffproduktion zeigt, wohin ein Boom führt. Unter anderem mit deutschen Staatsbürgschaften und Krediten deutscher Banken gepuscht, hat die indonesische Zellstoffindustrie seit den 90er Jahren ihre Kapazitäten um das Achtfache gesteigert. Allein auf der Insel Sumatra wurden dafür über 830.000 Hektar Regenwälder – vielfach illegal - vernichtet. Dass Banken, Industrie und Politiker bei uns jetzt auf Treibstoffe auch aus Palmöl setzen, zeigt lediglich, dass sie aus dem Desaster mit der indonesischen Papierindustrie nichts dazu gelernt haben oder bewusst davor die Augen schließen. Im Zuge der explosionsartigen Expansion der indonesischen Papierindustrie wurde Regenwald großflächig vernichtet, und die Anlage von Holzplantagen war mangelhaft. Finanziell endete für viele westlichen Banken das Engagement in der indonesischen Papierindustrie ebenfalls in einem Desaster. Trotz solcher Erfahrungen forcieren EU und Bundesregierung derzeit die großindustrielle Produktion biogener Kraftstoffe, darunter auch aus tropischen Waldregionen. Der Anbau von tropischen Ölsaaten für biogene Treibstoffe wird erhebliche Flächen wertvollen Regenwaldes vernichten. Schon der illegale Holzeinschlag in den indonesischen Wäldern ist nur schwer kontrollierbar. Für neue Plantagen werden unter anderem neue Straßen angelegt. Diese ziehen noch mehr illegale Holzfäller an. Mit ihrer Politik ist die EU mitverantwortlich, dass für angeblich „erneuerbaren“ Treibstoff die letzten Regenwälder zerstört werden. Damit wälzen wir durch unseren Konsum Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 verursachte Umweltprobleme auf Regenwaldländer ab. Die vermeintlich neutrale Klimabilanz der Energiegewinnung aus Palmöl ist eine Milchmädchenrechnung, die nicht berücksichtigt, wo die nachwachsenden Rohstoffe angebaut werden. So sind die Sumpfund Torfwälder auf Sumatra und Borneo bedeutende CO2-Senken. Genau diese Wälder werden per Brandrodung vernichtet und die Flächen für Palmöl-Plantagen genutzt. Damit verschwinden nicht nur wichtige Ökosysteme, auch der Vorteil durch die Nutzung biogener Treibstoffe relativiert sich mit der Vernichtung der CO2-Senken. Vor diesem Hintergrund müssen für den Einsatz von Kraftstoffen aus Pflanzen strenge Kriterien gelten. Biogene Treibstoffe aus „Abfällen“ europäischer Landwirtschaft oder aus biologischem Anbau auf Brachflächen von zum Beispiel Raps sind akzeptabel. Statt lediglich Erdöl teilweise durch Biokraftstoffe zu ersetzen, brauchen wir eine grundlegende Änderung unserer Energie- und Verkehrspolitik Dazu gehören vor allem: - die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs zu Lasten des PKW- und Flugverkehrs - konsequente Energiesparmaßnahmen wie zum Beispiel die gesetzliche Festschreibung des maximalen Treibstoffverbrauchs auf zunächst drei, später ein Liter pro 100 Kilometer für PKW - der konsequente Ausbau von Erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft Gemeinsam mit Umwelt- und Menschenrechtsorganisation in Indonesien wie Sawit Watch oder Walhi fordern wir, dass beim Einsatz tropischer Produkte für unseren Energiehunger strenge Kriterien eingehalten werden müssen. Dazu gehören vor allem: - Keine Umwandlung von Primärwald in Plantagen - Kein Abbrennen von Wald für die Anlage von Plantagen - Keine Zertifizierung von Palmöl-Plantagen, da eine Palmöl-Monokultur nicht ökologisch nachhaltig bewirtschaftet werden kann und für die Menschen vor Ort eher Probleme als nachhaltigen Nutzen bringt - Respektierung traditioneller Rechte und Landrechte - Keine Gewalt, Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Polizei- und Militäreinsätze - Einhaltung ratifizierter internationaler Abkommen in Anbauländern wie Indonesien (u.a. zu Indigenen, Biodiversität, Arbeiterrechten, Schutz von Plantagenarbeitern, Gesundheit) - Keine Finanzierung und Hermes-Versicherung Natur zerstörender Projekte - Keine tropischen Lebensmittelpflanzen zur ausschließlich Energiegewinnung - Keine Flächen-Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion in den Anbauländern - Förderung von biologischem Anbau ohne Einsatz von Kunstdünger und Agrargiften - Förderung kleinbäuerlicher Strukturen in den Anbauländern 53 54 Germanwatch Technische Möglichkeiten aus bäuerlicher Perspektive Prof. Dr. Jens Born, Fachhochschule Flensburg Prof. Dr. Jens Born bietet in seinem Vortrag verschiedene Möglichkeiten für Landwirte an, ihren Wertschöpfungsanteil zu erhöhen, welcher als Grundstoffproduzenten der Nahrungsmittelindustrie nur bei 2,5 % liegt. Die Möglichkeiten liegen in der Installation von Biogasanlagen oder der lokalen Biodieselerzeugung. Dadurch, dass die Bauern bis zur Stufe der Veredelung an der Wertschöpfung beteiligt sind, können sie diesen Anteil steigern. Dieses Konzept der dezentralen Wertschöpfung lässt sich auch problemlos auf AKP- und LDC-Staaten übertragen, wo so die Bauern auch ihre Einkommen und die Involvierung in die Veredelung steigern können. Innovationen in diesem Bereich tragen auch dazu bei, dass diese Dezentralisierung eine immer bessere Möglichkeit für die Landwirte bietet. Diese Einsicht des Versuchs der Dezentralisierung der Wertschöpfungskette stieß im Teilnehmerkreis auf breite Zustimmung im Rahmen der Möglichkeiten, die Lage der Landwirte zu verbessern. Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 55 56 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 57 58 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 59 60 Germanwatch Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 61 62 Germanwatch Programm: Dialogveranstaltung IV 24.05.06 10:30 - 10:45 Begrüßung und Einführung Kerstin Lanje, Germanwatch, Bonn I Eckpfeiler der Diskussion: 10:45 - 11:15 Ethanol aus Zuckerrohr- eine neue Perspektive für AKP-Staaten und LDC-Länder? Thomas Breuer, Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik, Bonn 11:15 – 11:45 ....beurteilt aus ökonomischer Perspektive – Beispiel Brasilien Jens Giersdorf, Lateinamerika- Institut der FU Berlin 11:45 – 12:15 ....beurteilt aus Sicht der Nachhaltigkeit Gerald Knauf, Forum Umwelt und Entwicklung, Bonn 12:30 – 13:30 Mittagspause 13:30 – 14:00 ....beurteilt aus der Klimaperspektive Christoph Bals, Germanwatch Bonn 14:00 – 14:30 ....beurteilt aus Sicht des Umweltschutzes Werner Paczian, Rettet den Regenwald, Hamburg 14:30 – 15:00 Technische Möglichkeiten aus bäuerlicher Perspektive Prof. Dr. Jens Born, Fachhochschule Flensburg II Handlungsempfehlungen: 15:30 – 16:45 Diskussion und Erarbeiten von Handlungsempfehlungen 16:45 – 17:00 Schlußbemerkungen Kerstin Lanje, Bonn Ethanol aus Zuckerrohr - Dokumentation vom 24.5.06 Teilnehmerliste Folgende Personen haben an der Dialogveranstaltung IV am 24. Mai 2006 in Bonn mitgewirkt: Name Sven Anemüller Christoph Bals Dörte Bernhardt Prof Dr. Jens Born Kirsten Bredenbeck Thomas Breuer Ruth Delzeit Jens Giersdorf Dr.-Ing. Manuel Gottschick Wilhelm Grote Dr. Bernd Kämmerling Dr. Gerold Kier Gerald Knauf Stefan Kreutzberger Wolfgang Kühr Kerstin Lanje Dr. Marlise Meer-Rohbeck Klaus Milke Ugo Miretti Eberhard Neugebohrn Werner Paczian Cornelia Römling Manfred Treber Eckhard Volkmann Organisation Germanwatch Germanwatch Germanwatch Fachhochschule Flensburg Kooperation Brasilien e.V. Institut für Lebensmittel- und Ressourcenökonomik, Universität Bonn Universität Bonn Lateinamerika-Institut der FU Berlin Universität Hamburg BMU Pfeifer & Langen Germanwatch Forum Umwelt und Entwicklung freier Journalist Klimaschutz e.V. Bonn Germanwatch Pfeifer & Langen Germanwatch Germanwatch Nordrheinwestfälische Stiftung für Umwelt und Entwicklung Rettet den Regenwald Germanwatch Germanwatch GTZ ... Sie fanden diese Publikation interessant und hilfreich? Wir stellen unsere Veröffentlichungen zum Selbstkostenpreis zur Verfügung, zum Teil auch unentgeltlich. Für unsere weitere Arbeit sind wir jedoch auf Spenden und Mitgliedsbeiträge angewiesen. Spendenkonto: 32 123 00, Bank für Sozialwirtschaft AG, BLZ 10020500 Informationen zur Mitgliedschaft finden Sie auf der Rückseite dieses Hefts. Vielen Dank für Ihre Unterstützung! 63 Germanwatch Wir sind eine gemeinnützige, unabhängige und überparteiliche Nord-Süd-Initiative. Seit 1991 engagieren wir uns in der deutschen, europäischen und internationalen Nord-Süd-, Handels- und Umweltpolitik. Ohne strukturelle Veränderungen in den Industrieländern des Nordens ist eine sozial gerechte und ökologisch verträgliche Entwicklung weltweit nicht möglich. Wir setzen uns dafür ein, die politischen Rahmenbedingungen am Leitbild der sozialen und ökologischen Zukunftsfähigkeit für Süd und Nord auszurichten. Unser Engagement gilt vor allem jenen Menschen im Süden, die von den negativen Auswirkungen der Globalisierung und den Konsequenzen unseres Lebens- und Wirtschaftsstils besonders betroffen sind. Wir treten dafür ein, die Globalisierung ökologisch und sozial zu gestalten! Germanwatch arbeitet an innovativen und umsetzbaren Lösungen für diese komplexen Probleme. Dabei stimmen wir uns eng mit Organisationen in Nord und Süd ab. Wir stellen regelmäßig ausgewählte Informationen für Entscheidungsträger und Engagierte zusammen, mit Kampagnen sensibilisieren wir die Bevölkerung. Darüber hinaus arbeiten wir in gezielten strategischen Allianzen mit konstruktiven Partnern in Unternehmen und Gewerkschaften zusammen, um intelligente Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen. Zu den Schwerpunkten unserer Arbeit gehören: • Verantwortungsübernahme für Klimaschutz und Klimaopfer durch wirkungsvolle, gerechte Instrumente und ökonomische Anreize • Gerechter Welthandel und faire Chancen für Entwicklungsländer durch Abbau von Dumping und Subventionen im Agrarhandel • Einhaltung sozialer und ökologischer Standards durch multinationale Unternehmen • Ökologisches und soziales Investment Möchten Sie uns dabei unterstützen? Für unsere Arbeit sind wir auf Spenden und Beiträge von Mitgliedern und Förderern angewiesen. Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar. 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