Erstattung von Schülerbeförderungskosten beim Besuch von

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Erstattung von Schülerbeförderungskosten beim Besuch von
Erstattung von
Schülerbeförderungskosten beim
Besuch von Privatschulen, die
nicht Waldorfschulen sind
(Grundschule)
1. Die den Trägern der Schülerbeförderung obliegende Pflicht, die Schüler der 1. - 10. Schuljahrgänge der
allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur nächstgelegenen Schule der gewählten Schulform,
die den verfolgten Bildungsgang anbietet, zu befördern, besteht entsprechend auch gegenüber Schulen in freier
Trägerschaft.
2. Der Anspruch auf Beförderung oder Erstattung der notwendigen Aufwendungen setzt voraus, dass die infrage
stehende Schule einen eigenständigen Bildungsgang anbietet.
3. Als Bildungsgang in schülerbeförderungsrechtlichem Sinne ist die besondere fachliche Schwerpunktbildung in
einem schulischen Angebot anzusehen, die sich im allgemeinen zugleich in einer besonderen Gestaltung des
Abschlusses auswirkt.
4.
Das Festhalten am Erfordernis des Abschlusses ist erforderlich, um bei der Schülerbeförderung die
Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der Allgemeinheit auszuschließen.
5. Bietet eine Schule in freier Trägerschaft lediglich die Grundschule an, so fehlt es an dem Erfordernis des
Abschlusses und mithin auch an einem eigenständigen Bildungsgang.
6. Wird die Grundschule jedoch mit gleichartigem pädagogischen Konzept in der Sekundarstufe I fortgeführt, ist
dort der erforderliche Abschluss möglich, mit der Folge, dass der Beförderungsanspruch nicht nur für die
Sekundarstufe, sondern auch für die Grundschule besteht. Dies gilt ebenso wie bei den Waldorfschulen auch für
andere Schulen in freier Trägerschaft.
(amtliche Leitsätze)
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht
Urteil vom 5.3.2003 - 13 L 4066/00
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Erstattung von Schülerbeförderungskosten.
Die Tochter D. der in E. wohnenden Kläger wurde am 26. Januar 1998 in die „Freie Schule F.“, eine Grundschule
in freier Trägerschaft, eingeschult. Die Schule befand sich zunächst in G. in einer Entfernung von 16 km zur
Wohnung der Kläger. Seit dem 1. Februar 2001 beträgt die Entfernung 27,2 km, weil seitdem der Schulbetrieb in
H. durchgeführt wird. Die öffentliche Grundschule, die die Tochter der Kläger hätte besuchen können, hätte
einen deutlich kürzeren Schulweg erfordert.
D. wurde im Schuljahr 1997/1998 ein knappes halbes Jahr vor Beginn der eigentlichen Schulpflicht eingeschult,
so dass sie die Klassen 1 bis 4 der Grundschule vom Schuljahr 1998/1999 bis 2001/2002 durchlaufen hat. Seit dem
Schuljahr 2002/2003 besucht sie die Klasse 5 der inzwischen an der „Freien Schule F.“ eingerichteten
Sekundarstufe I.
Unter dem 16. Februar 1998 beantragten die Kläger die Beförderung ihrer Tochter zu dieser Schule, bzw. die
Erstattung der für den Schulweg notwendigen Aufwendungen...
Entscheidungsgründe
Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Die Kläger begehren nunmehr, da ihre Tochter D. bereits in die 5. Klasse der Sekundarstufe I aufgerückt ist,
die Grundschule mithin nicht mehr besucht, die Erstattung der in der Grundschule durch die Beförderung
entstandenen notwendigen Aufwendungen für den Schulweg. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruches sind § 114
Abs. 1, Abs. 3 NSchG iVm der Satzung über die Schülerbeförderung im Landkreis O. vom 7. Juli 1997 (AmtsBl.
Reg.-Bez. Weser-Ems Nr. 31 vom 1.8.1997 S. 39 ff). Nach § 7 Abs. 1 der Schülerbeförderungssatzung ist der
Anspruch auf Ersatz der notwendigen Aufwendungen für den Schulweg bis zum 31. Oktober eines jeden Jahres für
das abgelaufene Schuljahr beim Landkreis geltend zu machen. Diese verfahrensrechtliche Voraussetzung erfüllen
die Kläger lediglich für den Anspruchszeitraum des Schuljahres 1997/98. Bei der Antragsfrist handelt es sich
jedoch, was die Schülerbeförderungssatzung in § 7 Abs. 1 klarstellt, um eine Ausschlussfrist, die die Kläger
hinsichtlich der Schuljahre ab 1998/99 versäumt haben. Ohne Erfolg berufen sie sich darauf, dass ihr Antrag vom
16. Februar 1998 nicht auf das laufende Schuljahr beschränkt gewesen sei. Die Entscheidung über die Gewährung
der Schülerbeförderung kann vom zuständigen Träger nur schuljahresweise getroffen werden. Dies ergibt sich
schon daraus, dass für jedes Schuljahr gesondert zu prüfen ist, ob die Anspruchsvoraussetzungen (weiterhin)
gegeben sind. Die streitbefangenen Bescheide sind demzufolge - auch ohne dass dies darin ausdrücklich
herausgehoben ist - lediglich für das Schuljahr 1997/98 ergangen. Die Klage, mit der die Kläger gleichwohl die
Kostenerstattung für die gesamte Grundschulzeit erstreben, ist mithin außer für das Schuljahr 1997/98
unzulässig, weil sie insoweit weder die Beförderung ihrer Tochter beim Beklagten beantragt haben, noch
entsprechende Bescheide ergangen und auch Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden sind (§§ 68 ff VwGO).
Hinsichtlich des Schuljahres
Beförderungskosten nicht.
Nach § 114 Abs. 1,
1997/98
besteht
der
geltend
gemachte
Anspruch
auf
Erstattung
notwendiger
Abs. 3 NSchG hat der Beklagte als Träger der Schülerbeförderung u.a. die Schüler der 1. bis
10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur nächstgelegenen Schule der
gewählten Schulform, die den verfolgten Bildungsgang anbietet, zu befördern oder die notwendigen Aufwendungen
für den Schulweg zu erstatten. Gemäß § 141 Abs. 3 NSchG gilt dies entsprechend auch für Schulen in freier
Trägerschaft, wie die hier in Rede stehende „Freie Schule F.“. Deshalb ist die von den Klägern begehrte
Beförderung ihrer Tochter bzw. eine Kostenerstattung aber auf den Besuch der nächstgelegenen Schule des
gewählten Bildungsganges mit der Folge zu begrenzen, dass weitergehende Kosten von den Eltern selbst getragen
werden müssen. Mit den angefochtenen Bescheiden wurde vom Beklagten der geltend gemachte Anspruch mit der
Begründung abgelehnt, die von der Tochter der Kläger seit der Einschulung im Januar 1998 besuchte Grundschule
in freier Trägerschaft biete gegenüber öffentlichen Grundschulen, insbesondere also auch gegenüber der
Grundschule, die wesentlich näher zur Wohnung der Schülerin gelegen ist und von ihr besucht werden konnte,
einen eigenständigen Bildungsgang nicht an. Dem ist das Verwaltungsgericht gefolgt. Zwar hat es „fraglos
gegebene Besonderheiten
in der eigenen Prägung
der Ersatzschule“ ausdrücklich festgestellt,
einen
eigenständigen Bildungsgang im Sinne des § 114 NSchG indessen verneint. Diese Auffassung teilt der Senat für
den Zeitraum, in dem die „Freie Schule F.“ lediglich die Grundschule war.
Der Begriff des Bildungsganges ist weiterhin weder im Niedersächsischen Schulgesetz noch in anderen
Vorschriften gesetzlich definiert. Es dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass das NSchG nach der
inzwischen
erfolgten
Bereinigung
den
Begriff
des
Bildungsganges
nicht
mehr
mit
unterschiedlichen
Begriffsinhalten verwendet (vgl. Woltering/Bräth, NSchG, 3. Aufl., § 59 RdNr. 4 und 4. Aufl., ebenda). Der
Senat
hat
in
seiner
grundlegenden
Entscheidung
zum
Begriff
des
Bildungsganges
im
Sinne
des
Schülerbeförderungsrechts (Senatsurteil vom 20.12.1995 - 13 L 7880/94 - NVwZ-RR 1996, 656) unter
Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen der Schülerbeförderung und unter
Abgrenzung zu den im Niedersächsischen Schulgesetz verwendeten Begriffen der „Schulform“ und des
„Bildungsweges“ erkannt, dass der „Bildungsgang“ im hier interessierenden Sinne das abstrakte Bildungsangebot
einer Fachrichtung kennzeichnet, während der „Bildungsweg“ den individuellen Weg des einzelnen Schülers von
seiner Aufnahme in die Schule bis zu dem angestrebten oder erreichten Abschluss meint. Unter Hinweis auf seine
ständige Rechtsprechung hat der Senat ferner daran festgehalten, dass als „Bildungsgang“ die besondere
fachliche Schwerpunktbildung in einem schulischen Angebot anzusehen ist, die sich im allgemeinen zugleich in
einer besonderen Gestaltung des Abschlusses auswirkt (aaO, m.w.N.). In Anwendung dieser Definition hat der
Senat in der genannten Entscheidung das Bestehen eines besonderen Bildungsganges innerhalb der Klassen 5 und 6
eines privaten Gymnasiums gegenüber der Orientierungsstufe verneint, weil beide in gleicher Weise ohne
besonderen (Zwischen-)Abschluss die Fertigkeiten und Kenntnisse zum Besuch aller (danach möglicher)
weiterführenden Schulformen vermitteln. Der Schulbesuchsempfehlung am Ende der O-Stufe sei dabei Bedeutung
nicht beizumessen. In jenem Verfahren wiesen allerdings - im Unterschied zu dem jetzt zu entscheidenden Fall weder die Bildungsinhalte noch das pädagogische Konzept der Klassen 5 und 6 des privaten Gymnasiums
Besonderheiten gegenüber der Orientierungsstufe auf.
Die Annahme, dass der „Bildungsgang“ mit dem Erwerb einer bestimmten weiterführenden Qualifikation abschließe,
und somit nicht nur durch die fachliche Schwerpunktbildung, sondern auch durch diesen spezifischen Abschluss
geprägt sei, hat der Senat unter anderem auf die (damaligen) Regelungen in §§ 8 Abs. 2, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2
NSchG a.F. gestützt. Diese Vorschriften, die die Abschlüsse und den Unterricht in den Schulformen der
allgemeinbildenden Schulen (§ 5 Abs. 1, Abs. 2, Nr 1 NSchG) regeln, sind in der jetzt geltenden Fassung des
NSchG geändert worden; sie beschränken sich auf die Benennung des Begriffes des „Bildungsweges“ unter Verzicht
auf den des damals ferner genannten „Bildungsganges“. Ungeachtet dessen ist für die Annahme eines eigenen
Bildungsganges neben der besonderen fachlichen Ausgestaltung in einem schulischen Angebot an dem Erfordernis
eines Abschlusses festzuhalten.
Aus den Änderungen in §§ 8 bis 10 NSchG kann nicht geschlossen werden, dass der Landesgesetzgeber damit eine
Änderung des Begriffsinhalts des Bildungsganges in schülerbeförderungsrechtlichem Sinne beabsichtigt hätte. Mit
der Gesetzesänderung war vielmehr ersichtlich eine bloße redaktionelle Bereinigung des NSchG beabsichtigt, um
die unterschiedlichen Begriffsinhalte innerhalb des Gesetzes (vgl. Woltering/Bräth, NSchG, 3. Aufl., § 59 RdNr.
4) aufzugeben. § 114 NSchG hat der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Senatsrechtsprechung jedenfalls nicht
geändert.
Der Senat hält das Festhalten am Erfordernis des Abschlusses auch für dringend erforderlich, um bei der
Schülerbeförderung die Subventionierung beliebiger Besonderheiten schulischer Angebote auf Kosten der
Allgemeinheit auszuschließen. Die Gewährleistung der Schülerbeförderung durch deren Träger erscheint nur dann
als angemessen, wenn der Schluss gerechtfertigt ist, dass das von den Eltern oder dem Schüler selbst gewählte
schulische Angebot von gewissem Belang für die weitere schulische oder berufliche Ausbildung ist. Diese Annahme
rechtfertigt in der Regel allein die Anknüpfung an einen bestimmten (besonderen) Bildungsgang, an dessen Ende
ein entsprechender Abschluss steht. So hat der Senat im Urteil vom 20.12.1995, 13 L 7975/94 (NdsVBl. 1996, 242)
hinsichtlich des Besuchs der 5. Klasse eines altsprachlichen Gymnasiums einen eigenständigen Bildungsgang
gegenüber der Orientierungsstufe bejaht, weil der Weg von da ab „eigenständig“ ist, auch wenn er in gleicher
Weise „nur“ mit dem Abitur endet. Demgegenüber ist die Feststellung eines besonderen Bildungsganges für die
„Freie Schule F.“ jedenfalls für das Schuljahr 1997/98 zu verneinen, weil die Schule zu jener Zeit lediglich
Grundschule war. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass jegliche Grundschule ohne Abschluss endet,
lediglich Grundkenntnisse und Grundfertigkeiten vermittelt und damit auf den Besuch sämtlicher weiterführenden
Schulformen vorbereitet. Insoweit nimmt der Senat auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug, die er
sich zu eigen macht (§ 130 b Satz 2 VwGO).
Anders stellt sich die Rechtslage erst mit der der „Freien Schule F.“ erteilten Genehmigung des Betriebes der
Sekundarstufe I dar. Die Kläger haben im Berufungsverfahren überzeugend belegt, dass das für die Grundschule
eingehend vorgestellte besondere pädagogische Konzept der „Freien Schule F.“ in der Sekundarstufe I fortgeführt
wird, so dass auch dort von einer besonderen fachlichen Ausgestaltung des schulischen Angebotes auszugehen ist.
Die diesbezüglichen Einwendungen des Beklagten haben den Senat nicht überzeugt. Insoweit wird auch auf die
mehrfach im Verwaltungsverfahren geäußerte Auffassung der Bezirksregierung Bezug genommen, wonach sich das
pädagogische Konzept der Schule von dem der öffentlichen Schulen gravierend unterscheidet. Durch die nunmehr
gegebene Möglichkeit des Erwerbs von Abschlüssen in der Sekundarstufe I gewinnt das besondere pädagogische
Konzept der Schule Bedeutung für den weiteren Ausbildungsweg der Schüler. Dies gilt ungeachtet getrennter
Genehmigungen auch für den Besuch der Grundschule. Der Senat hat in seiner ständigen Rechtsprechung die Annahme
eines besonderen Bildungsganges immer auch für schulformübergreifende Abschnitte anerkannt (vgl. Senatsurteil
vom 20.12.1995, aaO, S. 657). Dies stellt sich für die „Freie Schule F.“ nicht anders dar als bei den
Waldorfschulen, bei denen die Schülerbeförderung bzw. die Erstattung der entstandenen notwendigen Kosten auch
im Grundschulbereich erfolgt (Senatsurteil vom 20.12.1995, aaO, S. 658). Der Beklagte stellt ohne Erfolg die
Dinge heraus, die die Waldorfschulen von der „Freien Schule F.“ unterscheiden. Nach dem NSchG sind nicht die
Waldorfschulen (allein) schülerbeförderungsrechtlich privilegiert. Auch andere Privatschulen - wie hier die
„Freie Schule F.“ - können durchaus die gesetzlichen Voraussetzungen des § 114 Abs. 1, Abs. 3 NSchG erfüllen.
Ohne maßgebliche Bedeutung ist, dass bei den Waldorfschulen neben dem Abitur nach der 12. Klasse auch der sog.
besondere Waldorfabschluss zu erlangen ist, während die Sekundarstufe der „Freien Schule F.“ einen
entsprechenden Abschluss nicht bietet. Soweit daraus folgt, dass der in der „Freien Schule F.“ gebotene Abschluss in der Sekundarstufe I sich nicht von dem in den öffentlichen Schulen unterscheidet, ist darauf zu
verweisen, dass in dem mehrfach erwähnten Senatsurteil vom 20. Dezember 1995 ausgeführt ist, dass auf eine
Identität von Bildungsgängen nicht schon allein aufgrund der Gleichartigkeit der Abschlüsse geschlossen werden
kann (aaO, S. 657). Vielmehr kommt es entscheidend darauf an, ob die besondere Ausgestaltung im Lehrstoff sowie
die Lehr- und Erziehungsmethoden die Annahme eines eigenständigen Bildungsganges rechtfertigen. Dies hat der
Senat im Fall der „Freien Schule F.“ - wie ausgeführt - aber bejaht.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass eine Erstattung von Aufwendungen wohl auch für die Zeit in
Betracht gekommen wäre, in denen die Sekundarstufe der „Freien Schule F.“ zwar noch nicht genehmigt, dies aber
bereits absehbar war, weil die Planungen in ein konkretes Stadium getreten waren; denn schon in diesem Zeitraum
war hinreichend sicher, dass die Schüler ihren Bildungsweg in der Sekundarstufe fortsetzen und damit in der
„Freien Schule F.“ auch einen Abschluss erlangen konnten. „Gespräche der Kläger am Küchentisch“ - wie der
Kläger in der mündlichen Verhandlung formuliert hat - sind für die Annahme eines konkreten Planungsstadiums
aber sicher nicht ausreichend.