Streit um Wegerecht beschäftigt die Gerichte - Vogtland

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Streit um Wegerecht beschäftigt die Gerichte - Vogtland
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Streit um Wegerecht beschäftigt die Gerichte
Bei einem
Nachbarschaftsstreit im Reichenbacher Stadtteil Oberreichenbach fliegen längst nicht
mehr nur böse Worte. Mittlerweile beschäftigen sich die Gerichte mit der Sache. Und
vor Kurzem lagen sogar zwei tote Kälber am Wegesrand. Von Ina Ullmann Reichenbach Streitpunkt: Die Nutzung eines etwa 380 Meter langen Privatweges, der von der
Eisenbahnstraße abführt. Am Ende dieses Weges befindet sich der Hof der Milchbauern Renate
und Johannes Reißmann. Sie nutzen den Privatweg bis heute betriebswirtschaftlich, obwohl
ihnen das per Gerichtsbeschluss untersagt wurde. Wie meist bei einem Streit fühlt sich jeder im
Recht. Reißmann behauptet, er habe den Weg schon immer genutzt und werde dies auch
weiterhin tun, weil es ja keine andere Zufahrt zu seinem Grundstück gebe. Dem widersprechen
das Gerichtsurteil und die Besitzer des Privatweges Andreas Hoffmann und Michael Krauß.
Bauer Reißmann verfüge über einen eigenen Weg, der in den landwirtschaftlichen Nutzweg
neben der neuen Umgehungsstraße mündet, sagen sie und sprechen von einer "einwandfreien
Anbindung an das öffentliche Straßen und Wegenetz". Bauer Reißmann sperrt sich gegen diese
Route. Zu lang und damit zu teuer und unzumutbar, lauten seine Argumente. Das Verhalten
ihres Nachbarn wollen die Privatwege-Besitzer nicht länger hinnehmen und verweisen auf einen
Vergleich vor dem Oberlandesgericht Dresden. Dort hatten Hoffmann und Reißmann Anfang
2012 vor dem Richter vereinbart, dass der Privatweg vom Bauern nur als Notweg und
dementsprechend so schonend wie möglich benutzt werden darf. Demnach darf Reißmann von
April bis Oktober nur mit dem Pkw dort entlang fahren. In den Wintermonaten ist ihm die Fahrt
mit landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen gestattet, aber unter Auflagen. Die begrenzen die Last
auf 15 Tonnen, fordern Schrittgeschwindigkeit und schränken die befahrbare Breite auf 2,70
Meter ein. Es sind die täglichen Belästigungen, manchmal Kleinigkeiten, manchmal richtige
Ärgernisse, die die Wegebesitzer erzürnen. Und dass Bauer Reißmann sich an keinerlei
Auflagen, Gesetze oder Beschränkungen halte. So fahre er eben im Sommer trotzdem täglich
mit dem Traktor auf dem abschüssigen, geschotterten Privatweg, obwohl der gerichtliche
Vergleich ihm das untersagt. Er halte auch keine Schrittgeschwindigkeit, sondern "donnere" so
schnell den Berg runter, dass der Mist vom Anhänger auf dem Weg und manchmal sogar an den
Hauswänden der Nachbarn lande. Er treibe trotz Verbotes auch sein Vieh auf dem oberen Teil
des Weges lang, der dadurch massiv mit Fäkalien und Schlamm verunreinigt werde. Immer
wieder habe er auf Einsicht gehofft, erzählt Andreas Hoffmann. Doch vor etwa sechs Wochen
stellte er Poller auf, die die Fahrbahn auf 2,70 Meter begrenzen. Das ärgert den Bauern
natürlich sehr. Jetzt legte er zwei tote Kälber kurzerhand am unteren Ende des Weges ab, weil
dem Auto des Zweckverbandes Tierkörperbeseitigung durch die Poller die Zufahrt zum Hof
versagt geblieben sei. Dabei hatte der Amtstierarzt genau vorgeschrieben, wie der Transport
der toten Tiere zu geschehen habe, um Seuchengefahr und ein Aufsehen in der Öffentlichkeit zu
vermeiden. Zuvor hatte der Arzt bei der Stadt Reichenbach klargestellt, dass der Zugang zu
einem Nutztierhof durchgängig und ohne Einschränkungen erforderlich sei. Das sehe das
Erschließungsrecht so vor. Ein solches Erschließungs- und Nutzungsrecht wird nach den
Worten von Andreas Hoffmann aber im Zuge einer Baugenehmigung erörtert beziehungsweise
geklärt. Eine Bauanfrage habe Bauer Reißmann aber 1993, als er seinen heute noch genutzten,
zirka 250 Quadratmeter großen Stall für ungefähr vierzig Rinder neu gebaut hat, nie gestellt.
Zumindest sei keiner der Nachbarn damals in das Genehmigungsverfahren einbezogen worden.
Hier liegen nach Ansicht der Nachbarn die Wurzeln der Reibereien. Hoffmann: "Ohne
Bauanfrage oder Baugenehmigung können wichtige gesetzliche Auflagen zum reibungslosen
Betreiben eines Landwirtschaftsbetriebes nie umgesetzt werden. Da besteht noch viel
Klärungsbedarf!" Sieger wird es im Oberreichenbacher Wegestreit wohl keine geben, nur
Verlierer. Denn die Lebensqualität leidet sehr unter den ständigen Streitereien, sagen
Reißmanns Nachbarn. Würde der Bauer seinen eigenen Weg für seine landwirtschaftlichen
Transporte nutzen, könnte man sicher wieder friedlich nebeneinander wohnen.
2013-08-27