Die Badische Zeitung schreibt
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Die Badische Zeitung schreibt
vom 01.03.2014 Die Magie des Grotesken Alexa Rudolph aus Emmendingen schreibt, macht Filme und malt – das aber nur für sich selbst EMMENDINGEN. Eigentlich stehe sie nicht gern in der Öffentlichkeit, sagt Alexa Rudolph. Aber die gebürtige Emmendingerin malt, fotografiert, macht Performances – da ist das kaum zu vermeiden. So zog sie sich an den Schreibtisch zurück, wie sie sagt – und entdeckte, dass das Schreiben dem Malen nicht unähnlich war, nur besser: „Ich kann Ideen, die im Bild nicht umzusetzen waren, verwirklichen.“ Ende 2013 hat sie ihren ersten Roman herausgebracht, „Das seltsame Leben der Scarlett Ostermann“ und Anfang Februar erschien „Kurz gesagt“, ihr erstes Lyrikbändchen. und landet in einem Bunker, in dem ihr Freund sie gefangen hält. Parallelen zu den Entführungsfällen Kampusch oder Fritzl sind kein Zufall. „Als Autor sucht man sich ein Thema, was einen reizt“, sagt Rudolph, für die das 20. Jahrhundert das der Entführungen ist. Aber es geht nur vordergründig um die absurd anmutende Gefangenschaft. Denn merkwürdig sind die Menschen, denen Scarlett begegnet, von der alten Dame, die zunächst ihre Leidensgenossin ist, bis zu den Nachbarn in ihrem „freien“ Leben 37 Jahre später. „Es geht um die Absonderlichkeit der Menschen“, sagt Rudolph. Die Scarlett im Roman prägt eine scharfe Beobachtungsgabe, mit FOTO: PRIVAT Vor 65 Jahren wurde sie in Em- Alexa Rudolph der sie die Geschäftigkeit ihrer mendingen geboren; heute lebt heimatlichen Kleinstadt und die sie in Freiburg. Im Rehm’schen Anwesen bei Optik Nosch bei der Aktion Kunst im Marotten ihres Entführers ebenso kühl an der Neustraße, das ihrer Tante gehör- Schaufenster. Da hat sie Stillleben mit All- betrachtet wie ihre Eltern oder Mente, lernte sie laufen. Doch vor allem erin- tagsgegenständen gezeigt, verfremdet schen, die sie in ihrem rast- und bezienert sie sich in ihrer Geburtsstadt an Spa- und zum Nachdenken anregend. Doch hungslosen Leben nach der Entführung ziergänge mit dem Großvater und dessen die Hauptrolle spielt die Landschaft von trifft. Keiner ist so, wie er scheint. Aus der Dackel – täglich den Elzdamm entlang Schwarz- und Hotzenwald, von Rhein Ich-Perspektive erzählt sie, manchmal und zum Schluss in den Stadtgarten, um und Kaiserstuhl; und Tiere, besonders fast sezierend, dann wieder unbeteiligt, die Fische zu füttern. Der Großvater war Hunde. Menschen fehlten lange in ihren wie über den Dingen stehend. Diese Gärtner und erklärte seiner Enkelin Na- Bildern, eine Ausnahme war das Projekt scheinbare Distanz kann fesseln, weil sie tur und Landschaft; was später der Vater „Women“. „Über Tiere kann ich vieles Monstrositäten reale Züge verleiht. auf vielen Wanderungen am neuen aussagen, was ich über Menschen nicht Das Manuskript lag ein Jahr auf ihrem Wohnort Wehr fortsetzte. kann“, erklärt sie. 2006, nach 20 Jahren, Schreibtisch, erzählt Alexa Rudolph, beDort sollte Alexa Klavierunterricht bei zog sie sich aus dem Ausstellungsbetrieb vor sie es Verlagen anbot und Absagen beErna Honigberger nehmen. Statt dessen zurück; heute malt sie nur für sich. kam. Über die Vermittlung eines Freunschaute sie lieber Ernst Honigberger beim Und sie schreibt. „Das Sonderbare, des fand sie schließlich den Kern-Verlag. Malen zu, erzählt sie. Das Malen ließ sie Skurrile, Groteske zieht mich magisch Sie hat Geduld. „Ich brauche Zeit für alnicht mehr los. Zwar studierte sie auf an“, sagt Alexa Rudolph. Anregungen les, was ich mache“, sagt sie. Dazu passt Wunsch der Eltern ein paar Semester Bio- holt sie sich gern bei dem italienischen das neue Projekt, das sie mit dem Filmelogie und Kunstgeschichte, nahm aber ne- Dramatiker und Literaturnobelpreisträ- macher Bodo Kaiser umsetzt: Es handelt benbei Mal- und Zeichenunterricht. Bald ger Luigi Pirandello, dessen Werk im vom Entschleunigen der Zeit. Außerdem stand für sie fest, dass sie nicht in den Buch eine etwas abstruse (Neben-)Rolle arbeitet sie an einem neuen Buch. Und Schuldienst, sondern Malerin werden spielt. Seltsam ist ihre Protagonistin Scar- schlägt dabei ein neues Kapitel auf: Erstwollte. Sie hat viel ausgestellt in der Regi- lett Ostermann ja schon. Das Abi in der mals soll der Protagonist ein Mann sein. on, in Emmendingen nur einmal: 2001 Tasche, meint sie ins Glück zu fahren – Sylvia-Karina Jahn