Kingdom of Characters
Transcription
Kingdom of Characters
Kingdom of Characters Die ‚Mangaisierung‘ des japanischen Alltags aus bildtheoretischer Perspektive Lukas R. A. Wilde, Tübingen 1. Kyaras und Figuren Wer sich heute durch Japan bewegt, stellt unweigerlich fest, dass sich ein für westliche Augen sehr spezieller Umgang mit Visualität konstatieren lässt: Die bis heute ungebrochene Bedeutung einer „alle Teile des Landes erfassenden visuellen Kultur“1, wie der Japanologe Stephan Köhn es in seinem Standardwerk Traditionen visuellen Erzählens in Japan nannte, lässt sich augenscheinlich auch in Werbespots in Radio und Fernsehen, in Zubereitungshinweisen für Fertiggerichte, in Kochbüchern, PR-Broschüren von Unternehmen oder in Infoblättern von Behörden beobachten. Selbst der völlig humorunverdächtige Einreisezoll am Flughafen bedient sich heute der ‚MangaBildsprache‘; von einer wahren „Mangaisierung“ des japanischen Alltags spricht Volker Fischer.2 Trotz eines stetigen Rückgangs an Verkaufszahlen stehen Mangas immer noch für das Herzstück der Content Industry ‚Cool Japan‘ (クール・ジャパン).3 Eng verbunden da- 1 2 3 Köhn 2005, 269. Die weiteren Überlegungen beruhen zudem auf Beobachtungen, die Stephan Köhn unter dem Titel „Paradigmenwechsel crossmedialer Narrative? Mechanismen und Funktionen character-basierten Erzählens in Manga und Light Novel“ auf dem Symposium „Mediale Zeitenwende“ in Köln (14.–15.11.2014) vorgestellt hat. Fischer 2008, 66; vgl. Rühle 2010, 49–61. Vgl. Ingulsrud – Allen 2009, 4. Aus Produzentenperspektive bilden sicher eher Animes das „Flagship“ von ‚Media Mix‘-Franchises (vgl. Condry 2009, 140; 2013; Steinberg 2012). visualpast.de 616 Visual Past 2016 mit ist vielleicht die Beobachtung, dass sich kaum alltägliche Hinweisschilder oder Verbotstafeln – sogenannte hyôshiki (標識) – finden ließen, in denen keine Figuren aufträten: Working characters are everywhere: on street signs, tax forms, and instruction manuals; at the post office; in corner stores and supermarkets; adorning the walls of doctors’ and dentists’ offices; stenciled on the sides of tactical police vehicles; rushing to the scene of a three-alarm blaze along with the firefighters whose equipment they adorn; in pamphlets at the pharmacy, happily explaining the workings of our circulatory systems, our livers, our hearts, our colons.4 Die Bandbreite dieser „Dingwesen“5 wird unter den weiten Begriff kyarakutâ (キャラクター), oder in Kurzform: kyara (キャラ) gefasst. Die Mehrdeutigkeit dieses Begriffs ist berüchtigt: The category kyara is ambiguous in everyday use and may potentially range from the nameless zoomorphic creatures that are used in posters that prescribe good manners (Miller 2010), to Hello Kitty (Sanrio Corporation’s iconic decorative cat character), the characters of manga and anime, and even humans who serve in representative roles known as imēji kyara (‘image characters’).6 Seit etwa der Jahrtausendwende wird Japan ein Aufstieg zur „Figuren-Supermacht“ (キャラクター先進国 bzw. 大国) nachgesagt.7 Die Wanderausstellung Japan – Kingdom of Characters brachte viele dieser Fragen einem internationalen Laienpublikum nahe. Dies hat eine wahre Flut an Publikationen ausgelöst,8 die zunächst einmal durch die wirtschaftliche kyara-Bedeutung bestimmt ist: Wurden Figuren ursprünglich durch Lizenzvergabe zusätzlich vermarktet, ist ihre Nut- 4 5 6 7 8 Alt – Yoda 2007, 9; vgl. Akiyama 2002; Harrison – Harrison 2011; Maynard 2015; Occhi 2010; 2012; 2014; Rühle 2009; Thaler 2004, 32. Christiane Rühle hat ihnen unter dieser Bezeichnung eine leider unveröffentlichte Magisterarbeit – „Botschaft der Dingwesen“ – gewidmet (2010). Occhi 2012, 110. Vgl. Aoki 2014, 23; Kayama 2001; Tjf 2010. Obwohl Kuresawa Takemi (wie allgemein üblich werden japanische Familiennamen zuerst genannt) in seiner 2010 erschienen „Einführung in die Character-Kultur“ noch moniert, es existierten kaum Referenzwerke, die solche ‚Charactere‘ grundlegend definierten (2010, 1), besteht heute an Entwürfen kein Mangel: in japanischen Publikationen etwa von Ôtsuka Eiji (2003), Itô Gô (2005), Aihara Hiroyuki (2007), Odagiri Hiroshi (2010) und Aoki Sadashige (2014), im international zugänglichen Bereich von Anne Allison (2006), Azuma Hiroki (2009), Thomas Lamarre (2009, insb. 184–208), Saitô Tamaki (2011) und Marc Steinberg (2012, insb. 172–204). Wilde, Kingdom of Characters 617 zung mittlerweile zum eigentlichen Marktwert geworden. Dadurch werden kyaras zunehmend auch als kulturphilosophisches Problem betrachtet, das die japanische Bevölkerung in allen Gesellschaftsbereichen durchdrungen habe. Dies stellen die wesentlichen „zwei Seiten“ (両者の側面)9 des Diskurses dar. Fast überall werden hier aber die fundamentalen Differenzen zwischen ‚eigentlichen‘ Figuren und deren kyara-‚Derivate‘ betont. Exemplarisch hat der Philosoph und Kulturkritiker Azuma Hiroki die zunehmende ‚Simulakrisierung‘ der japanischen Gesellschaft für solche kyaras verantwortlich gemacht. Sie stünden für einen Verfall kohärenter ‚Narrative‘ und hätten einem beliebig kombinierbarem, fragmentarisierten „Datenbank-Konsum“ (データベース消費) Platz gemacht.10 Treffend fasst Matthew Penney zusammen: „[kyaras are] archetypes not tied to identifiable historical or political contexts that can be easily transferred from one marketable backdrop, genre, or medium to another“11. Kyaras lassen sich darum für Patrick Galbraith definieren als „[a] highly stylized or simplified character that can be easily reproduced and consumed outside of its original narrative context“12. Der Manga-Kritiker Itô Gô, in dessen Monographie „Tezuka is Dead“ aus dem Jahr 2005 die Kurzform kyara auch das erste Mal präzise gegenüber ‚eigentlichen‘ Figuren definiert wurde, hat dem Diskurs hingegen eine etwas neue Richtung gegeben: Itô verortet dieses ‚postmoderne Potential‘ ganz konkret innerhalb des Manga- 9 10 11 12 Kuresawa 2010, 3. Vgl. Azuma 2009, 71 ff. sowie Kacsuk 2016. Azumas Begriff des ‚großen Narrativs‘ (大き な物語) ist von Jean-François Lyotard entliehen und darum nur schwierig mit (etwa) narratologischen Annahmen in Einklang zu bringen (vgl. Ryan 2006, 13). Unabhängig davon ist der Verfall dieser ‚großen Narrative‘ für Azuma aber speziell an der Wandlung von Anime- und Manga-Produktionen zu beobachten. Maskottchen- und Merchandising‚Figuren‘ wie (Hello) Kitty scheinen gar für eine Radikalisierung dieser Entwicklungen zu stehen. Zu diesen komplexen Diskussionen vgl. Kuresawa 2010, 15–20; Lamarre 2009, 144–165; Rühle 2010, 101–114; Steinberg 2012, 192–204, sowie besonders die Beiträge in Lunning 2007; 2011. Penney 2013, 146. Penney spricht sich dabei aber durchaus gegen universelle Erklärungsmodelle à la Azuma und für eine grundlegende Ambivalenz dieser Figurenkonzepte aus. Galbraith 2009b, 125. 618 Visual Past 2016 ‚Stilmitteldiskurses‘ ( マンガ表言論 ). 13 Solche Techniken wiederum seien nicht neu, sondern reichten bis in die 1930er Jahre zurück (was er anhand zahlreicher Close Readings demonstriert). Das Problem, dieses lange übersehen zu haben, sei also vielmehr einer zu ‚naturalistischen‘ Sichtweise auf den Manga zuzuschreiben, etwa als „Widerspiegelung der Welt“ (「現実」の「反映」14). Sein Argument läuft auf die These hinaus, dass ‚realistische‘ Figuren im Manga nur unter bestimmten, äußerst kontingenten Bedingungen postulierbar sind; vorher jedoch existierten kyaras bereits unabhängig von jeder Erzählung, jeder dargestellten Welt, als „Proto-Figuren“ (前キャラクター 態)15: In solchen, „auf der Ikonographie einer vergleichsweise simplen Linienzeichnungen beruhenden“ 16 Akteuren besteht, könnten wir sagen, ein wesentliches Moment der Manga-Medialität. Exemplarisch muss dazu auf Sanrios ‚Hello Kitty‘ (ハローキティ) verwiesen werden, welche als Gegenstand zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen zum Dreh- und Angelpunkt der kyara-Frage geworden ist. 17 Im Gefolge eines verstärkten Kitty-Booms Mitte der 1990er Jahre wurde ein kyara-Hype ausgelöst, der die massenhafte Verbreitung von Maskottchen-Figuren (sogenannter „yuru-kyaras“ ゆるキャ ラ18) verständlicher macht, „used to promote anything from water 13 14 15 16 17 18 Vgl. Itô 2005; sowie auch die bereits übersetzten und international zugänglichen Auszüge in Itô 2006; 2011. Zum hyôgenron vgl. Köhn 2005: 24 ff. Itô 2005, 110; er bezieht sich dabei auf Ôtsuka 2003, 27; vgl. Itô 2011; Kuresawa 2010, 12 ff. Vgl. erneut Kacsuk 2016. Itô 2005, 124. Ebd., 126 (比較的に簡単な線画を基本で描かれ), vgl. 2006, 107; vgl. Berndt 2006; 2013; Inoue 2007. Zur Übersicht vgl. Belson – Bremner 2004; Kinsella 1995; McVeigh 2000; Murakami 2003; Peil 2010; Peil – Schwab 2013; Toratani 2013; Yano 2006. Itô selbst beschäftigt sich überwiegend mit Figuren aus tatsächlichen Mangas; Aihara bemerkt aber richtig, dass sein kyara-Begriff auf Figuren wie (Hello) Kitty besonders gut zu passen scheint (2007, 123). Der Begriff yuru-kyara geht auf den Medienstar, Illustrator und Herausgeber Miura Jun zurück. ‚Yuru‘, was sich vom japanischen Adjektiv yurui ableitet, bedeutet zunächst so viel wie schwach, locker, oder auch unfertig und kantig („wobbly“, Occhi 2014, 8). Maynard und Rühle konstatieren, dass dem immer eine etwas negative, ‚imperfekte‘ oder ‚primitive‘ Konnotation anhafte (vgl. Maynard 2015, 267; Rühle 2009, 27). Bei zahlreichen Gesprächen mit japanischen Studierenden wurde mir gegenüber jedoch betont, dass sich yurui auch auf das ‚Auflockern‘ angespannter (kinchô) Situationen beziehen könne, also eine durchaus positive emotionale Valenz besitze. Wilde, Kingdom of Characters 619 purification plants to bridges, castles and, most notably, prefectures“19: Politiker ziehen mit ihnen auf Wahlkampfkampagnen; selbst Gefängnisse und Ministerien verfügen über niedliche Maskottchen, die auf vielen offiziellen Verlautbarungen als Sprachrohre auftreten, und niemand Geringeres als der japanische Kaiser Akihito zollte ‚Kumamon‘ Tribut, als er am 28. Oktober 2013 aus offiziellem Anlass die Präfektur Kumamoto besuchte.20 Sind figuren- und repräsentationstheoretische Diskussionen bereits bei literarischen Protagonisten äußerst komplex,21 scheint man sich hier doch auf einige gemeinsame Nenner einigen zu können: etwa darauf, dass die allermeisten Definitionen der Figur diese als Analoga zu menschlichen Wesen behandeln, „in accordance with the intuition that we resort to knowledge about real people when we try to understand fictional characters“22. Abb. 1: Manto-kun, ein ehemaliger Maskottchen-kyara der Stadt Nara <http://mantokun.net> (15.10.2015). 19 20 21 22 Harrison – Harrsion 2011, 7. Vgl. Alt – Yoda 2007, 17 ff.; Harrison – Harrsion 2011, 46; Maynard 2015, 372; Occhi 2013, 8; Rühle 2010, 66–83. Die Bandbreite der möglichen Zugänge zu dieser Frage reicht, wie Jens Eder, Fotis Jannidis und Ralf Schneider in ihrem immer noch repräsentativen Überblickswerk Characters in Fictional Worls (2010a) zeigen, von hermeneutischen und psychoanalytischen über strukturalistisch-semiotische bis zu kognitivistischen Zugängen, vgl. Eder u. a. 2010b. Leschke 2010. Abhängig von diesen Vorannahmen, werden ‚Figuren‘ dann ganz unterschiedlich als reine Zeichenstrukturen oder als mentale Modelle in den Köpfen der Rezipienten erachtet; einer verbreiteten Ansicht zufolge handelt es sich bei Figuren auch um ‚abstrakte Gegenstände der gesellschaftlichen Wirklichkeit‘, vgl. Eder u. a. 2010b, 8. Ich beziehe mich im Wesentlichen auch auf Eder 2008b. Eder u. a. 2010b, 7; vgl. Eder 2008a, 195. 620 Visual Past 2016 Für diese Annahme scheinen kyaras ein großes Problem darzustellen. Unser Wissen über reale Personen dürfte nur sehr eingeschränkt hilfreiche sein, um Figuren wie Manto-kun (まんとくん), das (inoffizielle)23 Maskottchen der Stadt Nara, zu ‚verstehen‘ (Abb. 1). Oft ist nicht einmal klar, um welche Gattung von Lebewesen – Mensch, Tier, beseeltes Objekt? – es sich bei einem kyara überhaupt handeln soll. Debra J. Occhi beobachtet an solchen Figuren „border crossing tendencies between human and non-human aesthetics and identities“24. Trotzdem werden solche kyaras durchaus nicht nur als ‚Logos‘, sondern – in einem ganz unwahrscheinlichen Maße – als fiktive Individuen behandelt,25 was so weit führte, dass ‚Kitty‘ am 19. Mai 2008 zur offiziellen Tourismus-Botschafterin Japans ( 観光大使 ) erklärt wurde.26 So kommt auch Itô nicht umhin, kyaras – trotz oder gerade wegen einer kategorialen Differenz zu ‚eigentlichen‘ Figuren – eine einzigartigen „Lebenskraft“ (生命感), eine „Präsenz“ (存在感)27 zuzugestehen, die reine Markenzeichen weit übersteigt; bei yuru-kyaras gilt eine solche „Presence“ (プレゼンス) ohnehin als abgemacht.28 Diese faszinierende Paradoxie wird in einem Satz von Corinna Peil und Herbert Schwab auf den Punkt gebracht, der wieder einmal Kitty gewidmet ist: „Die Katze ist einfach da, sie hat keinen Charakter, weil sie keine Psychologie und kein Narrativ hat. Sie ist aber Charakter, sie bekommt Präsenz durch ihre Sichtbarkeit.“ 29 Jaqueline Berndt fasst Itôs kyara-Verständnis ähnlich zusammen: 23 24 25 26 27 28 29 Das offizielle Maskottchen, Sento-Kun (せんとくん), das bei dem professionellen Bildhauer und Kunsthochschulen-Dozent Yabûchi Satoshi in Auftrag gegeben wurde, stieß aus verschiedenen Gründen auf öffentliche Ablehnung. Manto-kun ging daraufhin aus einem kommunalen Wettbewerb hervor, über dessen Ausgang die Bevölkerung entschied – es beteiligten sich über 50 000 Personen (beide Figuren existieren heute parallel zueinander, vgl. Harrison – Harrison 2011, 8; Rühle 2010, 75). Im Mai 2013 hat die Stadt Nara mit Shikamaru-kun (しかまるくん) einen kompletten Neustart gewagt, ein dem Wappentier nachempfundener Hirsch-kyara. Occhi 2014, 8; vgl. Miller 2010. Dennoch wird der Vergleich zum Firmenlogo häufig angestellt, vgl. Condry 2009, 148; Peil – Schwab 2013, 348; Steinberg 2012, 191. Vgl. Peil 2010, 242; Peil – Schwab 2013, 338; Rühle 2010, 17. Itô 2005, 95; vgl. Aihara 2007, 122; Berndt 2006, 31. Vgl. Akiyama 2002, 6; Aoki 2014, 72. Peil – Schwab 2013, 351. Wilde, Kingdom of Characters 621 Der Rezipient ist sich ihrer gewissermaßen posthumanen Künstlichkeit bewusst und bezieht sie daher auch nicht in realistischer Weise auf eine Außenwelt. Er fühlt sich von ihrer Präsenz angezogen, sie sind persönlich ansprechbar (mit Eigennamen und Endungen wie -chan), und sie bieten sich als willkürlich beschreibbare Projektionsflächen an.30 Wie diese paradoxale Figurenkonzeption zu erklären ist, und welche entscheidende Rolle dabei womöglich der besonderen Bildlichkeit zufällt, dazu möchte der folgende Beitrag einige Zugänge eröffnen. Zunächst werden dazu kurz 2) die medialen Kontexte reflektiert, vor denen sich diese Figurenkonzeptionen verstehen lassen müssen. Daraufhin kann 3) die visuelle Qualität der kyara-Darstellungen beleuchtet werden, die häufig über alle medialen Distributionskanäle hinweg große Homogenität aufweisen. Deren Spezifik wird 4) in einem speziellen Auseinandertreten der prädikativen Grundfunktion des Bildes gesehen: einer charakteristischen Un(ter)bestimmtheit referenzieller Wahrnehmungsnähe und Abbildungsrelevanz. Die besondere Präsenz von kyaras lässt sich schließlich 5) durch diese Art der Bildlichkeit besser bestimmen. Sie generiert transmediale Figuren von hohem Wiedererkennungswert, ohne dabei zwangsläufig etwas über ihre Wahrnehmbarkeit zu enthüllen. Itôs kyara-Konzeption kann so (auch) als Einheit einer Differenz zwischen einer wahrnehmungsnahen perzeptiven und einer hochgradig interpretationsabhängigen diagrammatischen Bildlichkeit verstanden werden. 2. Mediale Kontexte Viele Beobachter haben „the intimate relationship between characters and Japanese people“31 im Anschluss an jahrhundertealte japanische Traditionen, Künste, Kulturphänomene und Spritualitätskonzepte zu erklären versucht.32 Dennoch muss klar gesagt werden, dass der kyara-Kult ein relativ neues Phänomen darstellt. Nicht nur der 30 31 32 Berndt 2006, 31. Tjf 2010, n. pag. Vgl. Aoki 2014, 91–114; Kabat 2001; Occhi 2010; 2012; 2014; Miller 2010; Rühle 2010, 28–31; Thaler 2004. 622 Visual Past 2016 Kingdom of Characters-Ausstellungskatalog, sondern auch alle akademischen Beschäftigungen damit zeigen in anschaulicher Deutlichkeit, wie sich die verschiedenen Phasen des kyara-Booms präzise an der Entwicklung von Mediensystemen wie Manga, Anime, Videogames und zuletzt Light Novel nachzeichnen lassen: 33 Odagiris in dieser Hinsicht umfassendste japanische kyara-Theorie greift daher auch stets zugleich auf literaturwissenschaftliche, kunsthistorische und comicforschungsspezifische Ansätze zurück.34 Es ist insbesondere der Verdienst von Henry Jenkins, im letzten Jahrzehnt eine weite medienwissenschaftliche Debatte angestoßen zu haben, die sich um die Begriffe ‚Medienkonvergenz‘ und ‚transmediales Erzählen‘ dreht: der zunehmenden Koordination von Inhalten über verschiedene Medienplattformen hinweg;35 ‚Media Mixe‘ (メディアミックス) – das japanische Gegenstück zur ‚Media Convergence‘ – waren in Japan nicht nur bereits in den 1980er Jahren sachlich wie begrifflich gang und gäbe, sondern auch seit damals Gegenstand ausgefeilter Theoriebildungen.36 Um dem Einwand zu begegnen, dass es sich bei Kitty und Konsorten um keine Figuren handeln könne, da es keinerlei ‚Erzählungen‘ oder ‚Storyworlds‘ gäbe, 37 in denen sie verortbar wären („[their] uniqueness exists within denial of any specific stories“38), müsste einerseits das komplexe Verhältnis dieser transmedialen Figuren zu ihren jeweiligen Media Mix-Kontexten, andererseits die von westlichen Konzepten deutlich unterschiedene Rolle der Fan-Partizipation genau untersucht werden. Auch wenn dies an dieser Stelle 33 34 35 36 37 38 Vgl. besonders Steinberg 2012, aber auch Aihara 2007, 13–18; Akiyama 2013, 33–54; Murakami 2003; Odagiri 2010, 137–180. Vgl. Odagiri 2010, 108 ff. Vgl. Jenkins 2006. Etwa Ôtsuka Eijis „Theorie des narrativen Konsums“ von 1989 (vgl. 2010; Steinberg 2010; 2012, 176). Anne Allison (2006), Ito Mizuko (2007; 2009), Ian Condry (2009; 2013), Thomas Lamarre (2009) und natürlich Steinberg (2012) haben detaillierte Analysen des Phänomens japanischer Media Mixe angestellt und diese auch einer internationalen Leserschaft zugänglich gemacht. Es hat sich gezeigt, dass zwischen ‚Storytelling‘ und ‚Worldbuilding‘ deutlich unterschieden werden muss: „For us, even if a transmedial world can have narrative, it is not the sole defining characteristic, or will not always be there in a recognizable plottable form“ (Klastrup – Tosca 2004, 2; vgl. Schmidt 2014). Murakami 2003, 3; vgl. Aihara 2007, 120; Itô 2005, 95; Peil – Schwab 2013, 226. Wilde, Kingdom of Characters 623 nicht geleistet werden kann,39 lassen sich möglicherweise bereits aus einem verkürzten Blick auf die spezielle „Manga-Bildsprache“40 einige Perspektiven gewinnen. Man muss nun endlich kritisch nachfragen, welche Mangas denn damit eigentlich gemeint sein sollten. Sicher handelt es sich beim ‚Manga‘ kaum um ein diskretes Phänomen, sondern um ein ästhetisch wie narrativ äußerst vielfältiges und durchweg eklektisches künstlerisches Experimentierfeld. Dessen Spezifika, wie sie etwa Köhn herausgearbeitet hat,41 wären in kyara-Darstellungen zumeist gänzlich zu vermissen. Dennoch repräsentiert ‚Manga‘ als ein konventionell distinkt wahrgenommenes Medium tatsächlich einen ganz bestimmten Darstellungsstil: „The majority [of readers] clinges to one specific style, which has been shaped by a specific publication format, that is, serialization in monthly or weekly manga magazines and successive tankôbon edition.“42 Diese Bildlichkeit, Berndt spricht von der Erwartung einer spezifischen ‚Sprache‘, zeichne sich etwa durch drei angenommene Aspekte aus: [F]irstly, that manga’s pictorial elements are supposed to be read, or better, quickly grasped, rather than to be watched and contemplated […]. Secondly, the highly codified mode of manga expression can be learned. And thirdly, manga lends itself to sharing with others.43 In welchem Zusammenhang steht eine solche Diskursivierung des Manga mit dem, was Joachim Paech als medienwissenschaftlichen Beitrag zu einer Bildtheorie ansieht? „Bilder sind ‚als Bilder‘ nur beobachtbar, wenn sie über das hinaus, was sie darstellen hinsichtlich ihrer medialen Bedingungen, wie sie darstellen, gesehen werden.“44 Wenn wir von (konventionell als distinkt verstandenen) Einzelmedien wie ‚dem Manga‘ sprechen wollen, dann umfasst dessen ‚Medialität‘ nicht nur seine technisch-materiellen und institutionellen 39 40 41 42 43 44 Eine solche Analyse von Figurenkonzepten vor der Folie transmedialer Erzählpraktiken ist Teil des größeren Projekts, in das die vorliegende Arbeit eingebunden ist. Fischer 2008, 67; vgl. Rühle 2010, 49–61. Vgl. Köhn 2005, 225–266. Berndt 2015, 197. Ebd., 198. Paech 2005, 81; vgl Wilde 2014. 624 Visual Past 2016 Produktions-, Distributions- und Rezeptionsumstände, sondern auch die von Berndt konturierten ästhetischen und semiotischen Erwartungen und Konventionen. Von einer ‚Mangaisierung‘ des japanischen Alltags zu sprechen, wäre also in diesem Sinne legitim, dass es sich um intendierte und inszenierte Formzitate, ‚intermediale Bezugnahmen‘ im Sinne Irina O. Rajewskys, handeln dürfte, die solche Referenzen zum Manga auch durchaus gezielt herstellen.45 Was kann es also für eine Figur bedeuten, ein ‚Manga-kyara‘ zu sein? 3. Die visuelle Qualität der kyara-Darstellung Rainer Leschke versteht Figuren als „mediale Formen, die durch das Mediensystem migrieren“46. Sie stehen zugleich als „Kategorien mittlerer Größe […] quer zu den Ordnungsstrukturen von Medium, Werk und Zeichen“47, ermöglichen so aber gleichzeitig auch Vermittlung und Transferierbarkeit. Betont Leschke zu Recht, dass „Figur und Figur zweifelsfrei in all diesen [unterschiedlichen] Medien nicht dasselbe“48 sind, so setzen doch transmedial anwendbare Figurenmodelle wie jenes von Jens Eders an deren Identität an. Sie formulieren als Minimaldefinition etwa „wiedererkennbare fiktive Wesen mit zugeschriebener Fähigkeit zur Intentionalität“49. Aus der phänomenal wahrnehmbaren Figur auf Darstellungsebene – dem zum Beispiel audiovisuelles Artefakt – konstituiert der Rezipient ein mentales Modell eines fiktiven Wesens innerhalb einer dargestellten Welt. Steinberg bezeichnet dieses als die ‚immaterielle Seite‘ der Manga/Anime-Figur, „an entity that […] both supports the transmedia movement and environmental diffusion of the character and refuses 45 46 47 48 49 Vgl. Böhn 2001. Rajewsky 2000, 85; Wilde 2015; 2016a; Wolf 2010. Wichtig ist freilich, dass diese Referenzen keinesfalls von allen gleich ‚gelesen‘ oder unbedingt akzeptiert werden, was etwa die unterschiedliche Rezeption der ‚Manga-Werke‘ des bildenden Künstlers Murakami Takashis zeigen (vgl. Berndt 2015). Dass aber die Figurenkonzepte von yuru-kyaras deutlich an bekannte japanische Kinderserien wie Anpanman (アンパン マン) angelegt sind und auch Erwartungen in dort vorgeprägte Kommunikationsmuster wecken sollen, ist wahrscheinlich (vgl. Occhi 2014, 127). Leschke 2010, 12. Ebd., 13. Ebd., 11. Eder 2008a, 77. Vgl. ebd., 325 ff. Wilde, Kingdom of Characters 625 to be pinned down in any one medial incarnation“50. Daran können symbolische und symptomatische (Be-)Deutungsebenen anschließen.51 Diese Sicht deckt sich in allen wesentlichen Punkten mit Odagiris transmedialem kyara-Modell.52 Demgegenüber nimmt Itô zwischen kyara und Figur (kyarakutâ) eine kategoriale, um nicht zu sagen ontologische Differenz an, in der gerade die Figuration des Wesens zur Debatte steht. Für Itô ‚existiert‘ ein kyara vor jeder kontextuellen Situierung, kraft einer besonderen Bildlichkeit (die wiederum gerade kein Bild im gewöhnlichen Sinne sein soll)53. Diese Präsenz kann natürlich – wenn sie vor dem Hintergrund eines ‚Textes‘ zum Einsatz kommt – eine Figur konstituieren, der sie dadurch vor dem Rest der dargestellten Welt ‚herausragen lässt‘ (キャラクターを立てる)54.Was aber könnte mit der vorgängigen Existenz des kyaras gemeint sein? Auch wenn in der Frage nach den semantischen Dimensionen von Bildern weiterhin keinerlei Einigkeit besteht, lassen sich verschiedene Ebenen deutlich unterscheiden: Während das ‚Sehenals‘ (die Konstitution eines ‚Bildobjekts‘, die ‚ikonische Klassifizierung‘), weitestgehend durch Wahrnehmungskompetenzen bestimmt ist, können anschließend zunehmend interpretative, referenzielle und kommunikativen Sinngehalte hinzutreten.55 Die bildliche Bezugnahme 50 51 52 53 54 55 Steinberg 2012, 44. Vgl. Eder 2008a, 131 ff. Odagiri unterscheidet drei verschieden relevante, aber immer zugleich vorhandene Aspekte der Figur: die visuelle Figuration auf Darstellungsebene (図像), ihr Innenleben ( 内 面 ), sowie symbolische Bedeutungen ( 意 味 ), wobei letzteres auch Eders symptomatische Ebene (und sogar ‚ludische‘ Bedeutungen im Videospiel) umfassen kann (vgl. 2010, 119). Itô unterscheidet hier „mit einer ganz klaren Grenzlinie“ (2005, 122) die kyara-Ikonographie (図像) von Illustrationen und Piktogrammen, aber auch von Gemälden (vgl. ebd., 124) da diese Bildmedien eben keinen solchen kyara etablieren, der unabhängig von einer dargestellten Welt persönlich zu existieren scheint. Ebd., 120. Er bezieht sich dabei auf die (mehr oder minder ‚realistische‘) Figurentheorie von Koike Kazuo, vgl. Miyamoto 2011. Dieser Punkt wiederum scheint auch aus Eders Sicht einzuleuchten: „Von allen anderen Elementen fiktiver Welten, etwa Kühlschränken, Bergen oder Bäumen, heben sich all diese Wesen durch ihr intentionales Innenleben ab, durch ihre Wahrnehmungen, Gedanken, Motive oder Gefühle“ (Eder 2008a, 701). Vgl. allgemein zum Forschungsstand Netzwerk Bildphilosophie 2014; in der Frage, ob das ‚Sehen-als‘, das hier vorausgesetzt werden soll, bereits als ein semiotisch konstituierter Prozess beschrieben werden muss, wird hier kein Urteil gefällt, da dies wesentlich 626 Visual Past 2016 etwa ist in hohem Maße nur innerhalb des handlungspragmatischen Kontexts erschließbar, in dem eine Abbildung zum Einsatz kommt.56 Eine womöglich kulturübergreifende Grundbedingung zur Konstitution von gezeichneter ‚Personalität‘ scheint in der menschlichen Fähigkeit zu liegen, in nur wenigen Linien das Schema eines menschlichen Gesichts identifizieren zu können: „We humans are a self-centered race/We see ourselves in everything“57, stellte bereits McCloud fest, und mit Itô ließe sich weiterführen: Kyaras „depended on our cognitive system to see the quasi-personality in whatever was drawn“58. Dieses Schema scheint unter allen ikonischen Typen die höchste kognitive Zugänglichkeit zu haben.59 Die meisten kyara-Figuren jedenfalls sind aus einfachsten geometrischen Grundformen zusammengesetzt, die nur minimale Variationen aufweisen. 60 Erkennt die Wahrnehmung in diesen Linien ein Gesicht, so spricht McCloud von einem Cartoon.61 Zur Individuation einer solchen Minimalfigur genügt im Comic oft „a minimal set of identity markers“62. Die Konstitution einer solchen Personalität impliziert jedenfalls, auch wenn es sich dabei um „deep cognitive make-up“63 handeln 56 57 58 59 60 61 62 63 von Vorannahmen darüber abhängt, ob bereits die Kognition, oder erst die Kommunikation in den Bereich der Semiotik fällt. Dies ist für die Argumentation unerheblich, solange Einigkeit darüber besteht, dass ein Verstehen von Bildern in jedem Fall auf bestimmten Wahrnehmungsleistungen basiert, sowie darüber, dass wir diese häufig (wenn nicht sogar zumeist) in Kommunikationssituationen funktionalisieren. Damit soll nicht in Abrede gestellt werden dass es Grenzbereiche der Bildlichkeit gibt (wie der Drudel), in dem auch das ‚Sehen-als‘ nach mehr oder minder bewussten Schlüssen verlangt, vgl. Blanke 2003, 98 ff. Vgl. Blanke 2003, 119–151; Harth 2001; Sachs-Hombach 2003, 177. McCloud 1994, 33. Itô 2006, 111. Vgl. Blanke 2003, 104 ff. Die Gründe dafür wären womöglich am ehesten empirisch zu klären. Packards psychosemiotische Studien zum Cartoon verdienen aber ebenfalls Aufmerksamkeit, vgl. 2009. Ganz anders nähert sich Karin Kukkonen dem Problem, in deren ‚verkörperter‘ Comic-Theorie dem Erkennen von Körper-Schemata ebenfalls eine zentrale Rolle zufällt, vgl. Kukkonen 2013, 53. Vgl. Akiyama 2002, 74–92; Aoki 2014, 69–75. McCloud 1994, 31; vgl. Packard 2009. Aldama 2010, 326. Vgl. Klar 2011; 2013. Affektive Mechanismen scheinen der Individuation allerdings nicht nachgelagert zu sein, sondern diese entschieden zu leiten, vgl. Aoki 2014, 70. Aldama 2010, 325. Wilde, Kingdom of Characters 627 dürfte, „an idenitity that we can point to; an essence that exists: identity and essence are not, as some would have us beliefe, fluid or learned“64. Ein dergestalt realisierter Protagonist hat daraufhin eine weitaus größere Freiheit sich zwischen verschiedenen Medienprodukten (Manga, Anime, Magazine, Videospiele, Sticker usw.) zu bewegen als die photographisch realisierte Figur, die auf der Abbildung eines (alternden) menschlichen Darstellers basiert:65 „the same character, in the same drawing style and in the same poses, now inhabited manga, and anime alike – not to mention the other media forms to which the character image migrated“66. Besonders aber erlaubt es diese Bildlichkeit, dank einfacher Reproduzierbarkeit zahlreiche „Secondary Production“-(二次創作)-Werke zu durchlaufen – Fan-Produktionen von Artworks über Fan Fiction bis hin zu Cosplay –, sich dabei von den je individuellen Gestaltungsstilen aneignen zu lassen, diesen Unterschieden aber dennoch eine visuelle „Identitätspräsenz“ (同一性存在感) entgegen zu halten.67 Anders als ein bloßes Firmenlogo erlaubt die Figur zudem zahllose Variationsmöglichkeiten in der Serialität ihrer Darstellung. Sie zeigt sich jeweils in verschiedenen Posen, Situationen und gar ‚Stimmungen‘. Hier scheint ein wichtiger erster Schlüssel zum Verständnis der fraglichen ‚Präsenz‘ des so realisierten Protagonisten zu liegen – die etwa mit einer textlichen Darstellung nicht zu erzielen wäre: Während sich Manto-kuns Kopfbedeckung (Abb. 1) durch die sprachliche Klassifizierung ihrer Komponenten umschreiben lässt (ein ‚Tempeldach‘ und ein ‚Geweih‘), verwehrt sich der ‚Körper‘ auf seltsame Weise einer Transkribierbarkeit; zumindest einer solchen, die noch einigermaßen informativ ist. Er lässt sich allenfalls als ‚anthropomorphe Konfiguration‘ in einem sehr vagen Sinn fassen. 68 Dennoch 64 65 66 67 68 Ebd., 326. Zum Zusammenhang von Kontext und Individuation durch „sortale Begriffe“ vgl. bereits Tugendhat 1976, 451–471, im Zusammenhang mit visueller Kontext- und Diegesen-Bildung auch Wilde 2016a. Vgl. Steinberg 2012, 69. Ebd., 109. Itô 2005, 139. Vgl. dazu ausführlicher Potysch – Wilde 2016. Zur visuellen Klassifizierung nach sensorischen Typen vgl. Blanke 2003, insb. 104–118. 628 Visual Past 2016 bleibt Manto-kun über eine weite Bandbreite von Variationen leicht wiedererkennbar – in allen nur denkbaren ‚Körper‘-Haltungen und Situationen. Der Grund für ein solches Zusammentreffen von Generalität und Bestimmtheit dürfte in der prädikativen Grundfunktion von Bildern liegen:69 Als Prädikate bezeichnet man solche (zunächst sprachlichen) Ausdrücke, die eine Klassifizierungsfunktion erfüllen, indem sie Gegenstände voneinander unterscheiden. 70 Folgt man Sachs-Hombach, so ist es die unhintergehbare Grundfunktion eines Bildes, zu zeigen, wie Eigenschaftsdimensionen aussehen. Die prädikativen Bestimmungsweisen eines jeden sichtbaren Gegenstands umfassen etwa seine Form, seine Farbe, sowie all seine sonstigen sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften: im Falle von Manto-kun etwa die Relation seiner Extremitäten zu seinem Kopf, die Konstellation von Augen zu Mund, Form und Kontur seines Körpers, bis hin zur Farbgebung. Auch ein Verzicht auf eine bestimmte Perspektivität ist bildlich nicht möglich. Ein Bild besitzt immer eine intensionale Identität in Form eines konkreten Exemplars.71 Ob wir diese prädikativen Bestimmungen auch tatsächlich sprachlich vornehmen, oder nicht: bei vielen dieser Unterscheidungen ist es sogar charakteristisch, dass wir sie sprachlich gerade nicht realisieren können. Eine ideosynkratische Linienstruktur etwa kann perzeptiv mühelos (wieder)erkannt und mit anderen verglichen werden, obwohl sie sich nicht verbalisieren lässt.72 Damit wäre ein Weg gewiesen, die Prägnanz des kyaras auf Seite der Darstellung zu fassen: Medientheoretisch lässt sich der Präsenzbegriff als kommunizierter Wahrnehmungsüberschuss deuten, der besonders in medialen Übersetzungssituationen zwischen inkongruenten Unterscheidungsschemata bemerkbar wird: Manches von dem, was im Bild ansichtig wird, ist der Sprache verschlossen und bleibt somit ‚unsagbar‘. Eben dieser Umstand einer Grenze des Mediums kann aber in der Kommunikation als besondere visuelle Präsenz markiert werden, als eine Art 69 70 71 72 Vgl. Sachs-Hombach 2001; 2003, 164. Vgl. Tugendhat 1976, 182. Vgl. Blanke 2003, 55; Sachs-Hombach 2003, 172. Vgl. Kobbert 2010. Wilde, Kingdom of Characters 629 der Präsentifikation von Wahrnehmungen, die die Sprache nicht zu leisten vermag.73 4. Die epistemische Unvollständigkeit der kyara-Darstellung Dargestellte Figuren sind nun aber, folgt man einer kognitionswissenschaftlich inspirierten Narratologie, nie ‚unvermittelt‘ zugänglich. Lisbeth Klastrup und Susana Tosca argumentieren im Anschluss an Marie-Laure Ryan, dass „narrative is a certain type of mental image, or cognitive construct which can be isolated from the stimuli that trigger its construction. Therefore narrative is independent of the medium in which it is represented – it is a ‘script’ which is evoked“74. Bei dieser Evokation handelt es sich also um eine Form der Bezugnahme, auch wenn lediglich ein fiktives Referenzobjekt ‚existiert‘.75 Als einer der wichtigsten Unterschiede zwischen realen und fiktiven Personen wurde nun häufig ihre ontologische Unvollständigkeit diskutiert: „If the medium that constitutes them provide no information on a certain property, this property is simply lacking in the fictional world – there is a gap, as it were, in that world.“76 Da dies weniger die dargestellte Welt, sondern unser Wissen über sie betrifft, wäre die Bezeichnung epistemischen Unvollständigkeit womöglich zutreffender. 77 Unser Wissen, mit dem wir unser mentales Figurenmodell ausstaffieren, ist jedenfalls stark abhängig von unseren Darstellungsmedien und ihren semiotischen Modalitäten. Das (zum Beispiel filmische) 73 74 75 76 77 Ernst 2013, 68; vgl. Wilde 2014. Klastrup – Tosca 2004, 2; vgl. Ryan 2006; 2008. Die Klärung der Fiktionalität einer bildlichen Darstellung erfordert hinzutretende Urteile, vgl. Packard 2006, 26; Ryan 2009; Wenninger 2014; Wilde 2016a. Aus narratologischer Perspektive argumentieren Jan-Noël Thon und Felix Schröter gleichsam dafür, repräsentierte oder dargestellte Figuren als einen Überbegriff zu betrachten, der dann genauer in (einerseits) fiktive Figuren, (andererseits) in solche intersubjektiven Konstrukte zu differenzieren wäre, welche auf reale Personen weiterverweisen, vgl. Thon – Schröter 2014, 76. Zur Frage des Bildobjekts (und seiner Konstitution) im Falle fiktionaler Bilder vgl. auch Sachs-Hombach 2003, 150, sowie zu transmedialer Fiktionalität Klauk – Köppe 2014, Zipfel 2014. Eder u. a. 2010b, 11. Häufig diskutiert sind die kanonischen Fälle, dass wir keine Informationen darüber haben, wie viele Kinder Lady McBeth hatte oder dass wir nicht sagen können, ob Sherlock Holmes ein Muttermal auf der Wange besitzt. Vgl. aber Doležel 1995. 630 Visual Past 2016 Bild tut sich für Gewöhnlich leichter damit, räumliche und perzeptive Eigenschaften einer Welt darzustellen als der Roman – in der transmedialen Narratologie spricht man daher von den ‚affordances‘ und ‚constraints‘ unterschiedlicher Medien.78 Da sich Bildmedien durch ihre Wahrnehmungsnähe auszeichnen, ist oft kaum von einer merklichen Differenz zwischen Bildobjekt und seinem Aussehen innerhalb der Diegese auszugehen. 79 Mit ‚Wahrnehmungsnähe‘ meint Sachs-Hombach, dass unsere Wahrnehmungskompetenzen in jeder Ebene des Bildverstehens (syntaktisch, semantisch wie pragmatisch) zentral sind.80 Bei einer narrativen Darstellung kann sich dies so niederschlagen, dass jeder wahrnehmbare Aspekt des Bildes auch in seiner Repräsentationsfunktion zu einer diegetischen Welt relevant ist. Anders gesagt: wenn es sich bei einem Filmbild (im default case) um eine intersubjektive Darstellung handelt,81 so beansprucht sie nicht nur für alle fiktiven Protagonisten, sondern auch für den Rezipienten selbst Gültigkeit. Mit wieder anderen Worten: die Prädikationsmöglichkeiten, die das Bild zur Verfügung stellt, sind größtenteils auf die Diegese übertragbar.82 Wie sieht es dem gegenüber mit der Bildlichkeit des Manga aus? Offenbar handelt es sich um eine Untergattung der Bildmedien. Somit sollten uns diese ebenfalls – qua Prädikation – viel über die perzeptive Wahrnehmbarkeit der (Dinge der) Diegese offenbaren können. Doch egal, ob wir das Erkennen einer Figur ‚in‘ einer Linienführung als ‚Interpretieren‘ oder als reines ‚Wahrnehmen‘ auffassen, so befinden wir uns doch immer noch auf der Darstellungs-Seite unseres narratologischen Modells: Ein Schwarzweiß-Protagonist wird 78 79 80 81 82 Vgl. Eder 2008a, 172; Ryan 2006, 26. Vgl. ebd., 24. Vgl. Sachs-Hombach 2003, 88. 120. Vgl. Thon 2014. Dass diese Differenz dennoch nie ganz zusammenfällt, macht man sich leicht klar, denkt man an Schwarzweißfilme, die nur in speziellen Ausnahmefällen tatsächlich eine ‚monochrome Welt‘ repräsentieren (etwa im medienreflexiven Film Pleasantville, USA 1998). Die Prädikate, die einem Schwarzweiß-Bild in den meisten Filmen anhand der verschiedenen Graustufen oder monochromen Kontraste zusprechbar wären, treffen nur auf den Bildinhalt, die Bildobjekte, nicht aber die diegetische referenzialisierten Situationen zu. Hier tritt Bildinhalt und Referenz also bereits auseinander. Wilde, Kingdom of Characters 631 innerhalb seiner Welt doch ‚eigentlich‘ auch über Farbpigmente in der Haut verfügen.83 Bei dem kyara, den wir durch bestimmte Wahrnehmungskompetenzen ‚im‘ Bild zu sehen meinen und der Figur, der als Teil einer dargestellten Welt repräsentiert wird, handelt es sich um die Grenze zwischen dem, was narratologisch als Discourse/Syuzhet (Darstellung) und Histoire/Fabula (Story bzw. allgemeiner: die diegetische Welt) gegenübergestellt wird: 84 Das aber bedeutet: wie Manga und Anime-Figuren ‚eigentlich‘ aussehen, können wir tatsächlich nicht wirklich wissen. Dies ist aus grundsätzlichen Gründen auch beim filmischen Bild (wie bei jeder Darstellung) genauso.85 Eine Typikalität des Manga könnte nun aber darin bestehen, über eine besondere prädikative Flexibilität zu verfügen. Anhand des Darstellungmittels chibi (ちび) ist dies schnell klar gemacht: In Momenten emotionaler Anspannung ‚verwandeln‘ sich die Protagonisten in Emoticon-artige ‚super deformed‘-Versionen ihrer selbst.86 Serien wie Keiichi Arawis Nichijô (日常, 2006-) wechseln ihren ‚Zeichenstil‘, den Grad an Detailliertheit und ‚Realismus‘, teils von Panel zu Panel (Abb.2);87 die verschiedenen Bildobjekte bzw. Bildinhalte haben ein radikal unterschiedliches Aussehen, das nur im Wissen über die gemeinsame Referenz aufeinander bezogen bleibt – auf Ebene der Diegese. Für Comics anderer Kulturkreise scheint 83 84 85 86 87 Ebenso einfach sehen wir bei amerikanischen Superheldencomics für gewöhnlich von den häufigen Zeichnerwechseln ab, welche sich auf Ebene der Diegese überhaupt nicht niederschlagen. Zu den problematischen medientheoretischen Implikationen jeder angenommenen ‚Eigentlichkeit‘ vgl. Wilde 2014. Generell lässt sich jede solche Bestimmung erst an Übersetzungs- oder Störsituationen treffen. Da ein Wechsel von SchwarzweißZeichnungen zu farbigen i. d. R. jedoch keinen medienreflexiven Irritationsmoment beinhaltet, würde man hier von keiner Unterscheidung sprechen wollen, die sich semantisch (hier: diegetisch-referenziell) bemerkbar macht. Vgl. Ryan 2006, 6–12; Gardner – Herman 2011. Auch Itô betont deutlich, dass die typische, stilisierte Darstellungsweise eine kyara-Verwendung nur begünstige, keinesfalls determiniere. In den 1980er Jahren hatten kyara bereits eine derartige Popularität erreicht, dass – so Itô – auch ‚realistisch‘ gezeichnete menschliche Protagonisten (mit hoher Detailfülle und naturalistischeren Abbildungskonventionen) als kyaras verwendet und verstanden wurden (vgl. Itô 2006, 107). Vgl. Berndt 2013, 378. Der Begriff Zeichenstil ist hier ganz alltagssprachlich gemeint (vgl. Sachs-Hombach – Schirra 2006, 179; Sachs-Hombach 2003, 204). Für den Hinweis auf Nichijô danke ich Daniel Heyer. 632 Visual Past 2016 diese Variabilität im Vergleich eher eine Ausnahmeerscheinung darzustellen.88 Diese Differenz, die oft auch innerhalb des gleichen Bildes auftritt, schien auch Itô als Ausgangspunkt seiner kyara/kyarakutâ-Unterscheidung geleitet zu haben: Shô-chan, der Protagonisten von Oda Nobutsunes und Kabashima Katsuichis Shôchan no bôken ( 正チャンの冒険 , 1932), ein „simple, line-drawn character [is in] contrast against the realistically depicted human figures in the story“89. Abb.2: A. Keiichi, Nichijô 日常 4, 2009, 90/115 (Montage – L. W.). 88 89 Vgl. Groensteen 2007, 123. Itô 2006, 107; vgl. ausführlicher 2005, 125. Wilde, Kingdom of Characters 633 Abb. 3. S. McCloud, Understanding Comics (New York 1994) 44 (Montage – L. W.). Einen ähnlichen Fall diskutiert McCloud als mögliche Kulturspezifik japanischer Comics, dass hier nämlich auch Objekte häufig unerwartet ‚cartoonisiert‘ (kyara-isiert?) werden können, wenn ihre Funktion nicht mehr der eines objektiv betrachteten Gegenstandes entspricht (Abb.3): eine fast photorealistische Darstellung eines Schwertes weicht von einem Panel zum anderen einigen schematischen Linien.90 Referenziell repräsentieren sie immer noch den gleichen Gegenstand, ihre Signifikationslogik entspricht nun aber eher jener eines Piktogramms oder eines Ideogramms, deren wahrnehmungsnahe Eigenschaften gar nicht mehr (beziehungsweise nur noch in einer Eigenschaft) relevant sind.91 Über das Aussehen eines solchen Schwertes können wir aus der ‚cartoonisierten‘ Darstellung fast nichts mehr schließen, da Piktogramme innerhalb kommunikativer Verwendungen nur noch auf generelle Termini referieren („ein Schwert“). Anders formuliert: die Darstellung übernimmt selbst die Funktion eines Prädikats („etwas, das ein Schwert ist“), wobei die visuelle Prädikation 90 91 Vgl. McCloud 1994, 44. McClouds Beobachtungen haben gewiss vor Allem heuristischen Wert. Eine tiefgehende semiotische Beschäftigung mit seiner ‚Cartoon‘-Theorie leistet Stephan Packard in seiner Anatomie des Comics, in der er die funktionalen und bildlogischen Unterschiede zwischen verschiedenen Bild-„Domänen“ noch stärker macht und klarer differenziert (vgl. Packard 2006, 121–234). Vgl. Sachs-Hombach 2003, 196–201. 634 Visual Past 2016 (wie der so klassifizierte Gegenstand perzeptiv aussieht) stark eingeschränkt wird. Der Comicforscher Stephan Packard hat zahlreiche Schriften dem Phänomen gewidmet, dass die Bilder des Comic und Manga oft gerade nicht zeigen, wie die abgebildeten Gegenstände eigentlich aussehen – auch wenn sie in der Lektüre problemlos verständlich sind.92 Der Comic nähert allgemein „häufig gezeichnete Motive wie zum Beispiel eben die Körper der Hauptfiguren dem symbolischen Zeichen, und damit einem konventionellen und arbiträren Kode [an].“93 Besonders für den japanischen Diskurs wurde immer wieder geltend gemacht, wie typisch ein solches Maß an Konventionalisierung und Kodifizierung ist – Tezuka selbst bestritt bekanntlich, er würde Bilder produzieren, es handele sich um eine Art Hieroglyphenschrift.94 Takemura Kentaro [ein japanischer Manga-Theoretiker – L. W.…] suggests that we understand manga not in terms of pictorial art, but as script (sho). After all, manga do not visualize observations but thoughts, and their creators draw upon the reservoir of patterns and cyphers in their head that they have acquired through copying the style of their favorite manga artist as if doing writing exercise.95 Diese Einschränkung der Prädikation kann bis zum vollkommen symbolischen keiyu (形喩) reichen.96 Solche Bildmetaphern, die international auch unter Begriffen wie „comicana“97, „pictorial runes“98 oder „bound morphemes“99 untersucht wurden, sind bislang zumeist als Sonderfall der Comic-Ausdrucksmittel behandelt worden, könnten aber in viel engerem Zusammenhang mit seiner Medialität schlechthin stehen.100 Die diegetische Funktion, die eine solche ‚Ikonographie‘ des kyaras übernimmt, ist gerade deswegen auch nicht die 92 93 Packard 2006, 153; 2009; 2010; 2013; 2016. Klar 2011, 223; vgl. 2013. Thierry Groensteen spricht hier von einer „synekdotische(n) Simplifikation“ (2007, 162 ff.), bzw. davon, dass Dinge im Comic zu „objects of iconic focalization“ (2007, 118) werden können. 94 Vgl. Berndt 2013, 366; Cohn 2013, 153–172; Ingulsrud – Allen 2009, 27. 95 Berndt 2013, 366. 96 Vgl. Natsume 1995. 97 Walker 1980. 98 Forceville 2011. 99 Cohn 2013, 34 ff. 100 Vgl. Wilde 2014; 2016b. Wilde, Kingdom of Characters 635 eines ‚Bildes‘, da sie keine Wahrnehmungen mehr modelliert: stattdessen präsentieren solche „auf vergleichsweise simplen Linienzeichnungen beruhenden Symbole“101 lediglich die Relationen von Körperstrukturen untereinander, ohne dabei zwangsläufig die ‚epistemische Unvollständigkeit‘ ihrer Wahrnehmbarkeit zu schließen. 102 Wie ich anderswo diskutiere,103 stehen dahinter zwei verschiedene Vorstellungen von Ikonizität und Bildlichkeit: Während eine perzeptive Ikonizität oder first order representation Dinge in ihrer Wahrnehmbarkeit nachbildet, modelliert eine diagrammatische Ikonizität oder second order representation Strukturen nach, die überhaupt nicht wahrnehmbar sind (und dies auch nie sein können).104 In Charles Sanders Peirce’s bekannter Klassifikation lassen sich ikonische Zeichen so weiter differenzieren: „Those which partake of simple qualities […] are images; those which represent the relations […] of the parts of one thing by analogous relations in their own parts, are diagrams“105. 5. Der kyara als Einheit der doppelten Prädikation Was aber ist mit dieser Einsicht im Verständnis der kyara-Phänomene gewonnen? Möglicherweise einiges. Im August 2014 ging eine „shocking revelation“106 durch weltweite Nachrichtenagenturen: Die Anthropologin Christine Yano, die an der University of Hawaii zur japanischen Populärkultur forscht, wurde „very firmly“ von Sanrio darauf hingewiesen, dass es sich bei Kitty um keine Katze handele! „Hello Kitty is not a cat. She’s a cartoon character.“107 Die gescholtene Yano muss klar stellen: „She’s never depicted on all fours. She walks 101 Itô 2005, 95. 102 Zum Begriff des Strukturbilds vgl. Sachs-Hombach 2003, 201; zur Diagrammatik vgl. Bauer – Ernst 2010; speziell zum Comic vgl. ausführlicher Wilde 2016b. 103 Wilde 2016b. 104 Vgl. Ernst 2014; Sachs-Hombach 2003, 201; Wöpking 2010. 105 Peirce 1932, CP 2.276-277. Ausführlicher zur semiotischen Herleitung und dem Zusammenhang zu ‚Sprache‘ und Medialität des Comic: Wilde 2016b. 106 ZM Online 2014. 107 Ebd., Herv. L. W. 636 Visual Past 2016 and sits like a two-legged creature.“108 Obwohl wir ganz offensichtlich die Merkmale einer Katze ‚in‘ Kittys Darstellungen sehen (Abb. 4), handele es sich lediglich um Elemente der Darstellung: „The design takes the motif of a cat“, so ein Sanrio-Sprecher.109 Innerhalb der Welt von Hello Kitty besitze diese sogar selbst eine ‚richtige‘ Katze, wie der Sanrio Webseite zu entnehmen sei. Abb. 4: Sanrios Hello Kitty <http://www.newyorker.com/humor/daily-shouts/truth-hello-kitty> (15.10.2015). 108 Der Firmensprecher bemerkt in dem Pressekommentar dazu fast beiläufig, „I don’t think anyone in Japan found it surprising“ (ZM Online 2014). Auch die Japanologin Laura Miller kritisiert einen Blick auf Kitty, der gewissermaßen am ‚Bildobjekt stehen bleibt‘: „As in the case of Hello Kitty analyses, the spotlight is often on her cuteness, not her humanness“ (2010, 71). 109 ZM Online 2014. Wilde, Kingdom of Characters 637 Was sich leicht als Anekdote abtun lässt, spricht doch eine der faszinierendsten Paradoxien der Manga/Cartoon-Darstellung an, und dies auch für Itô bereits kulturübergreifend: „When we see Mickey Mouse, we do not think he really is a mouse. His character does not possess the physicality of a mouse and instead represents the concept of a cute animal“. 110 Dieser Übergang von diagrammatischer zu perzeptiver Ikonizität, von hoher zu niedriger referenzieller Prädikation, scheint aber sehr flexibel nutzbar zu sein, denn auch die umgekehrten Fälle sind keine Seltenheit: Fälle, in denen den Figuren die Welt sinnlich exakt so zugänglich sein muss, wie sie auch dargestellt wird. Packard zeigt dies etwa am Verkleiden und Maskieren: ComicProtagonistInnen sind oft durch scheinbar geringfügigste Manipulationen ihrer relevanten Konturen und Anzeichen auch für ihr diegetisches Umfeld nicht mehr wiedererkennbar und können mühelos in die Rolle von anderen schlüpfen, ohne dass dies von Mit-ProtagonistInnen durchschaut wird. In solchen Fällen muss auch innerhalb der Diegese von abstrakt-reduzierten Unterscheidungskriterien ausgegangen werden, die von den Beteiligten selbst manipuliert werden können.111 Anders gesagt: wie wahrnehmungsnah ein solcher ‚unzuverlässiger Cartoon‘ in referenzieller Hinsicht ist – ob wir es noch mit einem perzeptiven Bild oder eher mit einem Diagramm zu tun haben, das nur noch strukturelle Informationen darbietet – muss von Fall zu Fall neu entschieden werden. Welche der prädikativen Eigenschaften des Bildteils in ihrem Signifikationsverhältnis relevant sind, steht nicht von vorneherein fest und ist auch nicht aus der Art der Abbildung festlegbar. Es scheint daher bei dieser Art der Figurendarstellung besonders zutreffend zu sein, wenn Sachs-Hombach anführt: „Ein Zeichen interpretieren wir unterschiedlich, je nachdem 110 Itô 2006, 112; In vielerlei anderer Hinsicht bestehen natürlich gewaltige Unterschiede zu ‚Disney-kyaras‘. Es gibt dennoch große Überschneidungen zu der Frage, ob etwa die Mitglieder der Familie (Donald) Duck Menschen seien, die eben nur als Enten dargestellt würde, vgl. Packard 2006, 104; Wilde 2014, 34–48; 2016. 111 Vgl. Packard 2006, 153; Wilde 2014, 36. 638 Visual Past 2016 ob wir es als darstellendes Bild [oder] als Strukturbild [...] auffassen.“112 Die häufig postulierte Lebenskraft und Präsenz der kyara-Figuren, die scheinbare Paradoxie, dass sie zugleich entmenschlicht und übermenschlich, als „bodies without organs“113 oder als „Abstraktionen des menschlichen Körpers“ (人間の身体がある抽象化を蒙る)114 beschrieben wurden, kann unter anderem auch von dieser Bildlichkeit her gedeutet werden: Der Überschuss an Unterscheidungspotentialen, den die visuelle Prädikation gegenüber den Möglichkeiten ihrer sprachlichen Transkription bietet, sorgt dafür, dass selbst der zigtausendste Maskottchen-kyara noch als ‚individuelles‘ Wesen von anderen differenziert werden kann, obgleich Kritiker wie Azuma sicher zu Recht jeden Mangel an Originalität monieren.115 Hinzu kommt die Unvermeidlichkeit ihrer seriell wiederholten Präsentifikation: [W]here the literary text can afford to simply evoke a character by using his/her name, the comics/manga artist has to redraw the character’s body in almost every panel. Reading a text, we can forget about our hero/ines’ physical appearance. In comics/manga we are reminded of it in every panel.116 Es ist aber nicht nur das Innenleben solcher kyaras, das eine ‚Projektionsfläche‘ bietet, sondern auch ihre physische Erscheinung: Der Rezipient kann sich nie sicher sein, welche der wahrnehmbaren Eigenschaften der Körperlichkeit der Figur zuzuordnen sind – oder Teil ihrer ‚epistemischen Unvollständigkeit‘ bleiben. Mit Itô wäre diese Argumentation so abzuschließen, dass dies bei Protagonisten wie Beshi, dem Frosch, oder Kemunpasu, der Raupe117, gerade keine Entwederoder-Option darstellt: „They are decidedly non-human and not even 112 Sachs-Hombach 2003, 270. Sachs-Hombach vertritt allerdings einen Diagramm-Begriff, demzufolge die Konstitution eines Bildinhalts, das ‚Sehen-In‘, bereits eine Abgrenzung zum Strukturbild erforderlich macht, dessen ‚Gegenstand‘ ja keinem extensionalen Objekt mehr entspricht. Peirces Konzeption, mit der auch ich hier arbeite, ist indifferent gegenüber der Ontologie der dargestellten Gegenstände und ihrer sinnlichen Rezeptionsweise, vgl. Bauer – Ernst 2010; Wilde 2016b; Wöpking 2010. 113 Galbraith 2009a. 114 Inoue 2007, 175. Vgl. Wilde 2016b. 115 Vgl. Azuma 2009, 25. 116 Klar 2013, 129. 117 Beide aus Akatsuka Fujios Môretsu Atarô (もーれつア太郎, 1967). Wilde, Kingdom of Characters 639 representations of an actual frog and caterpillar, but their existence is certainly recognised as something with personality“118. Der kyara, verstanden als Einheit dieser Differenz von Darstellung zu Dargestelltem, die sich im interpretativen semiotischen Urteil erst konstituiert, changiert so beunruhigend frei zwischen den Polen von größtmöglicher Wahrnehmungsnähe und fast konventionellen Zeichen. Dieser Freiraum zwischen dem, was wir ‚in‘ dem Bild zu sehen glauben, und dem, was es für die Figur bedeutet, lässt sich – wie etwa Packard es tut – als Spielwiese für ein imaginäres Potential, als ein ‚dritter Zeichenraum‘ deuten.119 Der Begriff des kyaras steht, davon waren wir ausgegangen, für eine zunehmende Loslösung und Autonomisierung der Figur aus fixierten bzw. ‚narrativen‘ Kontexten. Dies ist Itôs eigentliches Anliegen, und dieser Aspekt ist auch zentral dafür, warum Kitty und Konsorten als ‚Celebrities‘ verstanden und wahrgenommen werden. Als fiktionale „Cosplayer“ oder „Social Actors“120 können sie nach Bedarf in bestimmte, ‚narrativ‘ kontextualisierte Rollen schlüpfen, denen jedoch eine bereits etablierte Identität als ‚mediated performer‘ vorausgeht: das ist der Kern von Itôs Theorie, der seither von genauesten Untersuchungen verschiedener Media-Mix-Franchises auch bestätigt scheint.121 Um dies nachvollziehen zu können, wäre ein genauerer Blick auf Figurenkonzepte aus einer transmedialen Perspektive notwendig, die das komplexe Verhältnis von Figur zu Storyworld (世界観 bzw. 作品世界), sowie insbesondere den Zusammenhang von partizipatorischen Praxen innerhalb von Media-Mix-Franchises untersucht. Auch wenn dies an anderer Stelle erfolgen muss, so dürfte die hier untersuchte, mediale Darstellungslogik dafür entscheidende Bestandteile liefern: Die doppelte Identität der kyara-Figur als situierter Protagonist und als vorgängig wahrgenommener 118 Itô 2008, 108. 119 Packard 2006, 137. In diesem dritten Zeichenraum lägen dann etwa die ‚Katzen-Attribute‘ von Kitty, wenn sie gerade keine Katze darstellen soll. 120 Occhi 2012, 127; vgl. Maynard 2015, 380. 121 Erneut sei auf Condry 2009, 2013 verwiesen, sowie auf den ausgezeichneten Artikel von Maynard, 2015. 640 Visual Past 2016 Social Actor dürfte maßgeblich durch die doppelte Prädikation der Manga-Medialität begünstigt werden. Die Möglichkeiten der kommunikativen bzw. politischen Instrumentalisierung dieser Dingwesen und ihrer attribuierten ‚Lebenskraft‘, „the manipulative uses of kawaii by Japanese government authorities“, 122 ist jedenfalls nicht unerheblich. Steht die Plakatkampagne „Projekt Handreichung!“ ( てをつなごう大作戦 ), in der ein kyara-Aufgebot nach der Erdbebenkatastrophe 2011 zum Zusammenhalt der Nation aufrief, für eine naiv-sympathische Instrumentalisierung,123 findet sich am anderen Ende des Spektrums eine erschreckende ‚Kawaii-isierung‘ von Kamikaze-Piloten, die ebenfalls in Gestalt von Kitty-Figuren kursieren.124 Ermöglicht wird die Zirkulation solcher Figurenkonzepte maßgeblich durch die beschriebene Darstellungstechnik, die oft verkürzend als ‚Manga-Bildlichkeit‘ gekennzeichnet wird. Als transmediale Kulturtechnik kommt sie über viele, konventionell als distinkt verstandene Medien- und Kommunikationskanäle hinweg zum Einsatz und besitzt (zumindest in Japan) über äußerste gesellschaftliche Relevanz. Im Manga bzw. Comic selbst hingegen – als einer Art „Labor der Medienwissenschaft“125 – lässt sie sich besonders gut beobachten und hinterfragen. Lukas R. A. Wilde, M.A, studierte an der Friedrich Alexander Universität Erlangen-Nürnberg und der Gakugei Universität Tokyo Theater- und Medienwissenschaften, Japanologie und Philosophie. Er ist Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes, Redakteur des Online-Magazins der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) und Co-Organisator der Webcomic-Initiative Comic Solidarity. Sein medienwissenschaftlich-japanologisches Dissertationsvorhaben untersucht die ‚Mangaisierung‘ japanischer Kommunikation in öffentlichen Räumen. Forschungsschwerpunkte sind dabei Bildtheorie, transmediale Figurentheorie und Diagrammatik. 122 123 124 125 Maynard 2015, 374. Vgl. Occhi 2012, 111. Vgl. Yano 2009, 686; Miller 2010, 79. Packard 2010; vgl. Bachmann 2013; Wilde 2014, 43–50. Wilde, Kingdom of Characters 641 Literaturverzeichnis Aihara 2007: H. Aihara 相原博之, Kyaraka suru nippon キャラ化するニッポン (Tôkyô 2007). Akiyama 2002: T. Akiyama 秋山孝, Kyarakutâ komyûnikêshon nyûmon キャラクター ・コミュニケーション入門 (Tôkyô 2002). Aldama 2010: F. L. Aldama, Characters in Comic Books, in: Eder u. a. 2010a, 318– 328. Allison 2006: A. Allison, Millennial Monsters. Japanese Toys and the Global Imagination (Berkeley 2006). Alt – Yoda 2007: M. Alt – H. Yoda, Hello, Please! Very Helpful. Super Kawaii Characters from Japan (San Francisco 2007). Aoki 2014: S. Aoki 青木貞茂, Kyarakutâ pawâ. Yurukyara kara kokka burandingu made キャラクター・パワー。ゆるキャラから国家ブランディングまで (Tôkyô 2014). Azuma 2009: H. Azuma, Otaku. Japan’s Database Animals, translated by J. E. Abel (Minneapolis 2009). Bachmann 2013: C. A. Bachmann, Der Comic als Labor semiotischer Interpiktorialitätsforschung. Paul Karasiks und David Mazzucchellis City of Glass, in: G. Isekenmeier (Hrsg.), Interpiktorialität. Theorie und Geschichte der Bild-Bild-Bezüge (Bielefeld 2013) 299–318. Bauer – Ernst 2010: M. Bauer – C. Ernst, Diagrammatik. Einführung in ein kultur- und medienwissenschaftliches Forschungsfeld (Bielefeld 2010). Belson – Bremner 2004: K. Belson – B. Bremner, Hello Kitty. The Remarkable Story of Sanrio and the Billion Dollar Feline Phenomenon (Singapore 2004). Berndt 2006: J. Berndt, Subculture und Otaku – Manga und Anime in Japan als Nischenkulturen, Veröffentlichungen des Japanisch-Deutschen Zentrums Berlin 54, 2006, 1–13. Berndt 2013: J. Berndt, Ghostly: ‘Asian Graphic Narratives’, Nonnanba, and Manga, in: D. Stein – J.-N. Thon (Hrsg.), From Comic Strips to Graphic Novels. Contributions to the Theory and History of Graphic Narrative (Berlin 2013) 363–384. Berndt 2015: J. Berndt, Images to be “Read”: Murakamai Takashi’s Mangaesque Paintings, in: J. Berndt (Hrsg.), Manga: Medium, Kunst und Material. Manga: Medium, Art and Material (Leipzig 2015) 191–202. Blanke 2003: B. Blanke, Vom Bild zum Sinn. Das ikonische Zeichen zwischen Semiotik und analytischer Philosophie (Wiesbaden 2003). Böhn 2001: A. Böhn, Das Formzitat. Bestimmung einer Textstrategie im Spannungsfeld zwischen Intertextualitätsforschung und Gattungstheorie (Berlin 2001). Cohn 2013: N. Cohn, The Visual Language of Comics. Introduction to the Structure and Cognition of Sequential Images (London 2013). 642 Visual Past 2016 Condry 2009: I. Condry, Anime Creativity. Characters and Premises in the Quest for Cool Japan, Theory, Culture & Society 26, 2009, 139–163. Condry 2013: I. Condry, The Soul of Anime. Collaborative Creativity and Japan’s Media Success Story (Durham 2013). Doležel 1995: L. Doležel, Fictional Worlds: Density, Gaps, and Inference, Style 29 (2), 1995, 201–214. Eder 2008a: J. Eder, Die Figur im Film. Grundlagen der Figurenanalyse (Marburg 2008). Eder 2008b: J. Eder, Was sind Figuren? Ein Beitrag zur interdisziplinären Fiktionstheorie (Paderborn 2008). Eder u. a. 2010a: J. Eder – F. Jannidis – R. Schneider (Hrsg.), Characters in Fictional Worlds. Understanding Imaginary Beings in Literature, Film, and Other Media (Berlin 2010). Eder u. a. 2010b: J. Eder – F. Jannidis – R. Schneider, Fictional Characters in Literary and Media Studies. A Survey of the Research, in: Eder u. a. 2010a, 3–66. Ernst 2013: C. Ernst, Präsenz als Form einer Differenz. Medientheoretische Implikationen des Zusammenhangs zwischen Präsenz und implizitem Wissen, in: C. Ernst – H. Paul (Hrsg.), Präsenz und implizites Wissen (Bielefeld 2013) 49–76. Ernst 2014: C. Ernst, Diagrammatische Ikonizität. Diagramme, Karten und ihre Reflexion im Film, in: K. Kirchmann – J. Ruchatz (Hrsg.), Medienreflexion im Film. Ein Handbuch (Bielefeld 2014) 279–292. Fischer 2008: V. Fischer, Urbane Ikonophilie. Manga und Produktkultur, in: M.-C. Menzel (Hrsg.), Ga-Netchū! Das Manga-Anime-Syndrom (Berlin 2008) 64–75. Forceville 2011: C. Forceville, Pictorial Runes in Tintin and the Picaros, Journal of Pragmatics 43, 2011, 875–890. Galbraith 2009a: P. W. Galbraith, Moe. Exploring Virtual Potential in Post-Millennial Japan, Electronic Journal of Contemporary Japanese Studies, 31.10.2009 <http://www.japanesestudies.org.uk/articles/2009/Galbraith.html#_e> (15.10.2015). Galbraith 2009b: P. W. Galbraith, The Otaku Encyclopedia. An Insider’s Guide to the Subculture of Cool Japan (Tôkyô 2009). Gardner – Herman 2011: J. Gardner – D. Herman (Hrsg.), Graphic Narratives and Narrative Theory. Special Issue of Substance 40 (1), 2011. Groensteen 2007: T. Groensteen, The System of Comics, translated by B. Beaty (Mississippi 2007). Harrison – Harrison 2011: E. Harrison – J. Harrison (Hrsg.), Fuzz and Fur. Japan’s Costumed Characters (New York 2011). Harth 2001: M. Harth, Bezugnahme bei Bildern, in: K. Sachs-Hombach (Hrsg.), Bildhandeln (Magdeburg 2001) 41–54. Wilde, Kingdom of Characters 643 Inoue 2007: Y. Inoue 井上康, Manga gengo sekai ga umidashita (chô) kigô kyara ni tsuite Itô Gô ‘Tezuka issu deddu’ ni yosate マンガ言語世界が生み出した(超)記号・ キャラについて 伊藤剛『テヅカ・イズ・デッド』によさて, Journal of Kyôto Seika University 京都精華大学 32, 2007, 162–185. Ingulsrud – Allen 2009: J. E. Ingulsrud – K. Allen, Reading Japan Cool. Patterns of Manga Literacy and Discourse (Lanham 2009). Ito 2007: M. Ito, Technologies of the Childhood Imagination. Yu-Gi-Oh!, Media Mixes and Everyday Cultural Production, in: J. Karaganis (Hrsg.), Structures of Participation in Digital Culture (New York 2007) 88–109. Ito 2008: M. Ito, Mobilizing the Imagination in Everyday Play. The Case of Japanese Media Mixes, in: K. Drotner – S. Livingstone (Hrsg.), International Handbook of Children, Media and Culture (London 2008) 397–412. Itô 2005: G. Itô 伊藤剛, Tezuka izu deddo. Hirakareta manga hyôgenron e テヅカ・ イズ・デッド。開かれた漫画表現論へ (Tôkyô 2005). Itô 2006: G. Itô, Manga History Viewed through Proto-Characteristics, in: P. Brophy (Hrsg.), Tezuka. The Marvel of Manga (Melbourne 2006) 107–113. Itô 2011: G. Itô, Tezuka Is Dead. Manga in Transformation and Its Dysfunctional Discourse, Mechademia 6, 2011, 69–83. Jenkins 2006: H. Jenkins, Convergence Culture. Where Old and New Media Collide (New York 2006). Kabat 2001: A. Kabat, Monsters as Edo Merchandise, Japan Quarterly 48, 2001, 66– 77. Kacsuk 2006: Z. Kacsuk, From ‘Game-Like Realism’ to the ‘Imagination-Oriented Aesthetic’. Reconsidering Bourdieu’s Contribution to Fan Studies in the Light of Japanese Manga and Otaku Theory, in: Kritika Kultura, 2016, in Vorbereitung. Kayama 2001: R. Kayama 香山リカ , 87% no nihonjin ga karakutâ wo suki na riyû 87% の日本人がキャラクターを好きな理由 (Tôkyô 2001). Keiichi 2006–: A. Keiichi けいいちあらゐ, Nichijô 日常 (Tôkyô 2006–). Kinsella 1995: S. Kinsella, Cuties in Japan, in: B. Moeran – L. Scov (Hrsg.), Women, Media and Consumption in Japan (Honolulu 1995) 220–254. Klar 2011: E. Klar, Wir sind alle Superhelden! Über die Eigenart des Körpers im Comic – und über die Lust an ihm, in: B. Eder – E. Klar – R. Reichert (Hrsg.), Theorien des Comics. Ein Reader (Bielefeld 2011) 219–236. Klar 2013: E. Klar, Tentacles, Lolitas, and Pencil Strokes. The Parodist Body in European and Japanese Erotic Comics, in: J. Berndt – B. Kümmerling-Meibauer (Hrsg.), Manga’s Cultural Crossroads (New York 2013), 121–142. Klastrup – Tosca 2004: L. Klastrup – S. Tosca, Transmedial Worlds. Rethinking Cyberworld Design, IT University of Copenhagen, 2004 <http://www.cs.uu.nl/docs/ vakken/vw/literature/04.klastruptosca_transworlds.pdf> (15.19.2015). 644 Visual Past 2016 Klauk – Köppe 2014: T. Klauk – T. Köppe (Hrsg.), Fiktionalität. Ein interdisziplinäres Handbuch (Berlin 2014). Kobbert 2010: M. Kobbert, Zur Bedeutung anschaulichen Denkens, in: U. Nortmann – C. Wagner (Hrsg.), In Bildern denken? Kognitive Potentiale von Visualisierung in Kunst und Wissenschaft (Paderborn 2010) 129–140. Köhn 2005: S. Köhn, Traditionen visuellen Erzählens in Japan. Eine paradigmatische Untersuchung der Entwicklungslinien vom Faltschirmbild bis zum narrativen Manga (Wiesbaden 2005). Kukkonen 2013: K. Kukkonen, Space, Time and Causality in Graphic Narratives: An Embodied Approach, in: D. Stein – J.-N. Thon (Hrsg.): From Comic Strips to Graphic Novels. Contributions to the Theory and History of Graphic Narrative (Berlin 2013) 49–66. Kuresawa 2010: T. Kuresawa 暮沢剛巳, Kyarakutâ bunka nyûmon キャラクター文化 入門 (Tôkyô 2010). Lamarre 2009: T. Lamarre, The Anime Machine. A Media Theory of Animation (Minneapolis 2009). Leschke 2010: R. Leschke, Die Figur als mediale Form. Überlegungen zur Funktion der Figur in den Medien, in: R. Leschke – H. Heidbrink (Hrsg.): Formen der Figur. Figurenkonzepte in Künsten und Medien (Konstanz 2010) 29–52. Lunning 2007: F. Lunning (Hrsg.), Mechademia 2: Networks of Desire (Minneapolis 2007). Lunning 2011: F. Lunning (Hrsg.), Mechademia 6: User Enhanced (Minneapolis 2007). Maynard 2015: M. L. Maynard, The Mediated Appeal of Kawaii “Cute” Mascot Characters in Japanese Consumer Culture. A Case of Kumamon, IJOCA International Journal of Comic Art 17 (1), 2015, 358–366. McCloud 1994: S. McCloud, Understanding Comics. The Invisible Art (New York 1994). McVeigh 2000: B. McVeigh, How Hello Kitty Commodifies the Cute, Cool and Camp. ‘Consumutopia’ versus ‘Control’ in Japan, Journal of Material Culture 5 (2), 2000, 225–245. Miller 2010: L. Miller, Japan’s Zoomorphic Urge, ASIANetwork Exchange 17 (2), 2010, 69–82. Miyamoto 2011: H. Miyamoto, How Characters Stand Out, translated by T. Lamarre, Mechademia 6, 2011, 84–91. Murakami 2003: T. Murakami, Early 21st Century. About Japanese Character Culture, in: P. Thaler – R. Klanten – N. Bourquin (Hrsg.), Pictoplasma 2. Contemporary Character Design (Berlin 2003) 2–4. Wilde, Kingdom of Characters 645 Natsume 1995: F. Natsume 夏目 房之介, ‘Ase’ no hyôgen ni miru ‘keiyu’ no shinkaron 「汗」の表現に見る「形喩」の進化論, in: M. Inoue 井上学 (Hrsg.), Manga no yomikata マンガの読み方 (Tôkyô 1995) 106–111. Netzwerk Bildphilosophie 2014: Netzwerk Bildphilosophie (Hrsg.), Bild und Methode. Theoretische Hintergründe und methodische Verfahren in der Bildwissenschaft (Köln 2014). Occhi 2010: D. J. Occhi, Consuming Kyara ‘Characters’. Anthropomorphization and Marketing in Contemporary Japan, Comparative Culture 15, 2010, 78–87. Occhi 2012: D. J. Occhi, Wobbly Aesthetics, Performance, and Message. Comparing Japanese Kyara with their Anthropomorphic Forebears, Asian Ethnology 71 (1), 2012, 109–132. Occhi 2014: D. J. Occhi, Yuru Kyara Humanity and the Uncanny Instability of Borders in the Construction of Japanese Identities and Aesthetics, Japan Studies: The Frontier 日本研究のフロンティア, 2014, 7–17. Odagiri 2010: H. Odagiri 小田切 博, Kyarakutâ to ha nani ka キャラクターとは何か (Tôkyô 2010). Ôtsuka 1989: E. Ôtsuka 大塚 英志, Monogatari shôhiron 物語消費論 (Tôkyô 1989). Ôtsuka 2003: E. Ôtsuka 大塚 英志, Kyarakutâ shôgetsu no tsukurikata キャラクター 小説の作り方 (Tôkyô 2003). Ôtsuka 2010: E. Ôtsuka, World and Variation. The Reproduction and Consumption of Narrative, translated by M. Steinberg, Mechademia 5, 2010, 99–116. Packard 2006: S. Packard, Anatomie des Comics. Psychosemiotische Medienanalyse (Göttingen 2006). Packard 2009: S. Packard, Was ist ein Cartoon? Psychosemiotische Überlegungen im Anschluß an Scott McCloud, in: S. Ditschke – K. Kroucheva – D. Stein (Hrsg.), Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums (Bielefeld 2009) 29– 51. Packard 2010: S. Packard, Modellierung, Isolierung, Kontrolle. Comics als Labor der Medienwissenschaft, in: D. Grünewald (Hrsg.), Struktur und Geschichte der Comics. Beiträge zur Comicforschung (Bochum 2010) 47–66. Packard 2013: S. Packard, Erzählen Comics?, in: O. Brunken – F. Giesa (Hrsg.), Erzählen im Comic. Beiträge zur Comicforschung (Essen 2013) 17–32. Packard 2016: S. Packard, Sagen und Sehen jenseits von Schrift und Bild. Aufteilungen des Sinnlichen im Comic, in: M. Harbeck u. a. (Hrsg.), Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten. Drawing Borders, Crossing Boundaries (Berlin 2016) in Vorbereitung. Paech 2005: J. Paech, Medienwissenschaft, in: K. Sachs-Hombach (Hrsg.), Bildwissenschaft. Disziplinen Themen Methoden (Frankfurt/M. 2005) 79–96. Peil 2010: C. Peil, Hello Kitty im japanischen Medienalltag. Zur Integration mobiler Kommunikationstechnologien in alltagskulturelle Praktiken der Verniedlichung, in: J. 646 Visual Past 2016 Röser – T. Thomas – C. Peil (Hrsg.), Alltag in den Medien – Medien im Alltag (Wiesbaden 2010) 242–260. Peil – Schwab 2013: C. Peil – H. Schwab, Hello-Kitty-Konsum als Kommunikationskultur. Zur Veralltäglichung und Vergegenständlichung eines cute characters, in: M. Mae – E. Scherer (Hrsg.), Nipponspiration. Japonismus und japanische Populärkultur im deutschsprachigen Raum (Köln) 335–353. Peirce 1932: C. S. Peirce, Collected Papers of Charles Sanders Peirce, Volumes I and II (Cambridge 1932). Penney 2013: M. Penney, Making History. Manga between Kyara and Historiography, in: R. Rosenbaum (Hrsg.), Manga and the Representation of Japanese History (London 2013) 146–170. Potysch – Wilde 2016: N. Potysch – L. R. A. Wilde, Picture Theory and Picturebooks, in: B. Kümmerling-Meibauer (Hrsg.), The Routledge Companion to Picturebooks (London 2016), in Vorbereitung. Rajewsky 2002: I. O. Rajewsky, Intermedialität (Tübingen 2002). Rühle 2009: C. Rühle, ‚Yuru-kyara‘. Der Boom regionaler Maskottchen in Japan, in: Goethe D’ArT. Sonderausgabe ‚Japan‘, 2009, 27. Rühle 2010: C. Rühle, Botschaften der Dingwesen. Die Bedeutung der ‚Character‘Kommunikation in Japan (Magisterarbeit, J. W. Goethe-Universität Frankfurt/M. 2010). Ryan 2006: M.-R. Ryan, Avatars of Story (Minneapolis 2006). Ryan 2008: M.-K. Ryan, Towards a Definition of Narrative, in: D. Herman (Hrsg.), The Campridge Companion to Narrative (Cambridge 2007), 22–38. Ryan 2009: M.-R. Ryan 2009, Fiktion, Kognition und nichtverbale Medien, in: G. Koch (Hrsg.), ‘Es ist, als ob’. Fiktionalität in Film- und Medienwissenschaft (München 2009), 69–86. Sachs-Hombach 2001: K. Sachs-Hombach, Bild und Prädikation, in: K. Sachs-Hombach (Hrsg.), Bildhandeln (Magdeburg 2001) 55–76. Sachs-Hombach 2003: K. Sachs-Hombach, Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft (Köln 2003). Sachs-Hombach – Schirra 2006: K. Sachs-Hombach – J. R. J. Schirra, Darstellungsstil als bild-rhetorische Kategorie. Einige Vorüberlegungen, IMAGE. Themenheft 3 BildStil: Strukturierung der Bildinformation, 2006, 175–191. Saitō 2011: T. Saitō, Beautiful Fighting Girl, translated by Keith Vincent and Dawn Lawson (Minneapolis 2011). Schmidt 2014: H.-C. Schmidt, Origami Unicorn Revisited. ‚Transmediales Erzählen‘ und ‚transmediales Worldbuilding‘ im The Walking Dead-Franchise, IMAGE. Themenheft Medienkonvergenz und transmediale Welten 20, 2014, 5–22. Wilde, Kingdom of Characters 647 Steinberg 2010: M. Steinberg, Ōtsuka Eiji and Narrative Consumption. An Introduction to ‘World and Variation’, Mechademia 5, 2010, 99–104. Steinberg 2012: M. Steinberg, Anime’s Media Mix. Franchising Toys and Characters in Japan (Minneapolis 2012). Tamaki 2011: S. Tamaki, Beautiful Fighting Girl, translated by K. Vincent – D. Lawson (Minneapolis 2011). Thaler 2004: P. Thaler, Good bye Kitty, Hello Pooh, Design Report 5, 2004, 32–35. Thon 2014: J.-N. Thon, Subjectivity across Media. On Transmedial Strategies of Subjective Representations in Contemporary Feature Films, Graphic Novels, and Computer Games, in: J.-N. Thon – M.-L. Ryan (Hrsg.), Storyworlds across Media. Towards a Media-Conscious Narratology (Lincoln 2014) 67–102. Thon – Schröter 2014: J. N. Thon – F. Schröter, Video Game Characters. Theory and Analysis, Diegesis 3 (1), 2014, 40–77. Tjf 2010: The Japan Foundation (Hrsg.), The Japan Foundation Traveling Exhibition. JAPAN: Kingdom of Characters (Tôkyô 2010). Toratani 2013: K. Toratani, Iconicity in Gotoochii ‘Localized Hello Kitty’, in: L. Elleström – O. Fischer (Hrsg.), Iconic Investigations (Amsterdam 2013) 335–353. Tugendhat 1976: E. Tugendhat, Vorlesungen zur Einführung in die sprachanalytische Philosophie (Frankfurt/M. 1976). Walker 1980: M. Walker, Lexicon of Comicana (Bloomington 1980). Wenninger 2014: R. Wenninger, Fiktionalität in Kunst- und Bildwissenschaften, in: T. Klauk – T. Köppe 2014 (Hrsg.), Fiktionalität. Ein interdisziplinäres Handbuch (Berlin 2014) 467–495. Wilde 2014: L. R. A. Wilde, Was unterscheiden Comic-‘Medien’?, Closure. Kieler eJournal für Comicforschung 1, 2014, 25–50. Wilde 2015: L. R. A. Wilde, The Problem of Identifying Forms and Features of Digital Comics, in: D. M. Goodbrey – J. Nichols (Hrsg.), Digital Comics. A Special-Themed Issue of Networking Knowledge 8 (4), 2015, 1–14. Wilde 2016a: L. R. A. Wilde, Comics | Piktogramme. Mediale Transformationen in der ‘Sprache’ des Comics, in: M. Harbeck u. a. (Hrsg.), Grenzen ziehen, Grenzen überschreiten. Drawing Borders, Crossing Boundaries (Berlin 2016) in Vorbereitung. Wilde 2016b: L. R. A. Wilde, The Epistemologies of the Drawn Line. Abstract Dimensions of ‘Mainstream Comics’- Storytelling, in: A. Rommens – B.-O. Dozo – P. Turnes – E. Dejasse (Hrsg.), Abstraction and Comics/La BD et l'abstraction (Liege 2016) in Vorbereitung. Wolf 2010: W. Wolf, Intermedialität und mediale Dominanz. Typologisch, funktionsgeschichtlich und akademisch-institutionell betrachtet, in: U. Degner (Hrsg.), Der neue Wettstreit der Künste. Legitimation und Dominanz im Zeichen der Intermedialität (Bielefeld 2010) 241-260. 648 Visual Past 2016 Wöpking 2010: J. Wöpking, Space. Structure, Similarity. On Representationalist Theories of Diagrams, in: O. Pombo (Hrsg.), Studies in Diagrammatology and Diagram Praxis (London 2010) 39–56. Yano 2006: C. R. Yano, Flipping Kitty: Transnational Transgressions of Japanese Cute, in: T. Holden – T.J. Miles – T.J. Scrase (Hrsg.), Medi@sia. Global Media/tion in and out of Context (London 2006) 207–223. Yano 2009: C. R. Yano, Wink on Pink: Interpreting Japanese Cute as It Grabs the Global Headlines, The Journal of Asian 68 (3), 2009, 681–688. Zipfel 2014: F. Zipfel, Fiction across Media: Toward a Transmedial Concept of Fictionality, in: M.-L. Ryan – J-N. Thon (Hrsg.), Storyworlds across Media. Toward a Media-Conscious Narratology (Lincoln 2014) 103–125. ZM Online 2014: ZM Online (Hrsg.) Turns Out ‘Hello Kitty’ Is NOT a Cat and Never Has Been, ZM Online, 2014 <http://www.zmonline.com/random-stuff/turns-outhello-kitty-is-not-a-cat-and-never-has-been/> (15.10.2015).