Der Elektronenstrahl zeigt Wirkung

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Der Elektronenstrahl zeigt Wirkung
Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik
Hilfe dieser neu entwickelten Technologie eine weitere Hürde auf dem Weg
zur großindustriellen Anwendung von
Magnesiumband und -blech überwunden werden kann. Auf Grundlage der
anwendungsfokussierten Forschung an
der TU Bergakademie Freiberg in enger
Zusammenarbeit mit industriellen Partnern konnte dieser Herstellungsprozess
für Magnesiumbleche bereits zum Patent angemeldet werden.
Literatur
1 United States Automotive Materials Partnership (USCAR): Magnesium Vision 2020. Southfield Michigan, 2006.
2 Schmidt, C.: Textur- und Gefügeentwicklung
bei der Umformung von Magnesium-Gießwalzband. TU Bergakademie Freiberg, Diss., 2012.
3 Schmidt, C.; Kawalla, R.; Walde, T.; Riedel,
H.; Prakash, A.; Poizat, C.: Experimental and
Numerical Investigation of Texture Development during Hot Rolling of Magnesium Alloy
AZ31. Materials Science Forum Vols. 539–543
(2007), S. 3448–3453.
4 Perez-Prado, M. T.; Ruano, O. A.: Texture evolution during annealing of magnesium AZ31 alloy. Scripta Materialia, 46 (2002), S. 149–155.
5 Prakash, A.; Schmidt, C.; Riedel, H., Kawalla, R.:
Experimental and Numerical Investigation of
the Activation of Pyramidal Slip during Deformation of Cast-Rolled Magnesium Alloy AZ31.
Magnesium, Weinheim: Wiley-VCH, 2010,
S. 1276–1281.
6 Schmidt, C.; Kawalla, R.: Influence of Rolling
Temperature on Texture and Microstructure
Development of Twin-Roll-Cast Magnesium
AZ31. Steel Research International, Vol. 91,
No. 9, special edition 2010, S. 1239–1242.
Der Elektronenstrahl zeigt Wirkung
Rolf Zenker1, Anja Buchwalder2
Einleitung12
Am Institut für Werkstofftechnik
(IWT) der TU Bergakademie Freiberg
wird seit 25 Jahren auf dem Gebiet der
thermischen Elektronenstrahl(EB)-Technologien geforscht. In diesem Zeitraum
wurden eine Vielzahl von Beiträgen zur
Grundlagenforschung erarbeitet und
technologische Neu- und Weiterentwicklungen bis hin zur industriellen Serienreife kreiert [1, 2 u. a.]. Thermische
EB-Technologien sind für den Einsatz in
vielen Bereichen der metallverarbeitenden Industrie, im Fahrzeugbau, in der
Luft- und Raumfahrt, im Maschinenbau
sowie in Metallurgie, Energietechnik,
Bergbau u. a. geeignet.
Basierend auf der nahezu trägheitslosen Form- und Ablenkbarkeit des
Elektronenstrahls wurden in den letzten
Jahren neue Strahlführungstechniken
entwickelt, die es gestatten, die Energieübertragung innerhalb eines Ablenkfelds
nahezu beliebig an die Bauteilkontur anzupassen bzw. gezielt bestimmte lokale
Temperatur-Zeit-Regimes zu realisieren.
Die erst jetzt in ihrer Vielfalt und
Flexibilität verfügbaren EB-MehrspotTechniken und EB-Mehrprozess-Technologien [3, 4], zu deren Entwicklung die
Wissenschaftler des IWT wesentliche
Beiträge geleistet haben, eröffnen der
Anwendung des Elektronenstrahls völlig
neue Perspektiven und schaffen ihm Alleinstellungsmerkmale, die mit anderen
vergleichbaren Energiequellen (z. B. Laserstrahl) nicht oder nur mit immensem
technischen und/oder wirtschaftlichen
Aufwand zu realisieren sind.
1 Prof. Dr.-Ing. habil. Rolf Zenker
zenker@ww.tu-freiberg.de
2 Dr.-Ing. Anja Buchwalder
anja.buchwalder@ww.tu-freiberg.de
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Abb. 1: EB-Anlage und technische Parameter
Strahlführungstechnik,
Anlagentechnik
Eine wesentliche Voraussetzung für
die Realisierung der Mehrspot-Technik
und Mehrprozess-Technologien ist eine
Anlagentechnik mit schneller 3D-Strahlablenkung. Das IWT verfügt seit 2009
über eine der modernsten Elektronenstrahlanlagen für thermische Prozesse
weltweit. Abb.1 zeigt diese Kammeranlage vom Typ K26-15/80 sowie einige
wichtige Anlagenparameter.
Diese Universalanlage ist für alle
thermischen EB-Technologien nutzbar
(Abb. 2a). Die Vielfalt der strahlführungstechnischen Möglichkeiten wird
aus Abb. 2b deutlich.
Im Fall der CI-(Continuous Interaction-)Technik bewegen sich EB und/oder
Bauteil während der Strahleinwirkung
relativ zueinander. Die Flash-Technik ist
dadurch gekennzeichnet, dass das Bauteil während der EB-Einwirkung fest unter dem Strahlaustritt positioniert ist [1].
Auf Grund der geringen Masse der
Elektronen können diese innerhalb eines vorgegebenen Ablenkfelds (z. B.
200 × 200 mm) mit Hilfe elektromagnetischer Felder mit hoher Frequenz (bis
zu 100 kHz) gesteuert abgelenkt werden.
Dadurch kann ein einziger Strahl quasi
gleichzeitig an mehreren Orten einwirken. Durch das sehr rasche Springen des
EB von Spot zu Spot entsteht eine Art
stehendes Bild in Form eines lateralen
Ablenkmusters.
Bei Nutzung der EB-Mehrspot-Technik führt der Strahl an allen Einwirkorten
den gleichen Prozess aus, das heißt z. B.
Mehrspot-Schweißen oder -Gravieren.
Im Fall von Mehrprozess-Technologien
werden an den verschiedenen Einwirkorten unterschiedliche Wechselwirkungsprozesse des EB mit dem Material ausgeführt, beispielswiese Vorwärmung/
Schweißen/Glätten. Von den zahlreichen
in Abb. 2b exemplarisch aufgezeigten
Strahlführungsvarianten sind bisher
nur einige wenige erfolgreich zur Applikationsreife gelangt. Vielfach sind
AC AMONTA – Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg
a)
b)
THERMISCHE EB-TECHNOLOGIEN
Abb. 2: a) Thermische EB-Technologien und b) Möglichkeiten der EB-Strahlführungstechnik (exemplarisch)
a)
b)
noch grundlegende Wirkmechanismen,
insbesondere die Wechselwirkung EB/
Material, physikalische und thermische
Prozessabläufe und werkstoffspezifische
Zusammenhänge bezüglich der Auswirkungen der orts- und zeitabhängigen
Hochgeschwindigkeitsprozesse
nicht
hinreichend erforscht.
Thermische EB-Technologien
Randschichtbehandlung
Das EB-Härten ist die am häufigsten und am längsten eingesetzte EBRandschicht-Technologie. Eine aktuelle
Lösung in Verbindung mit der EB-Mehrfeld-Technik wurde 2011 am IWT entwickelt und wird seit 2011/12 industriell
genutzt. Drei Stegbereiche einer Stahlwelle werden mittels EB gleichzeitig in
einem Umlauf (CI-Technik) bis in eine
Tiefe von 0,6 … 0,8 mm gehärtet (Abb. 3).
Diese äußerst präzise und energieeffiziente Lösung (lokal exakt begrenzter
minimaler Energieeintrag) ist wegen der
kurzen Behandlungszeit (≤ 4,5 s) auch
sehr wirtschaftlich umsetzbar. Es treten
keine unzulässigen Maß- und Formänderungen auf. Die erzielten Eigenschaftsänderungen (Härte, Verschleiß) führen
darüber hinaus noch zu einer deutlichen
Erhöhung der Lebensdauer des Bauteils.
Bei der EB-Flüssigphasen-Randschichtbehandlung wird der Werkstoff lokal
rasch (103 bis 104 Ks-1) bis in eine bestimmte Tiefe aufgeschmolzen und nach
Abb. 3:
EB-Mehrfeldhärten einer Stegwelle
(51CrV4) [1, 5].
a) EB-Mehrfeldtechnik und
EBH-Ergebnis (Querschliff.
b) EBH-Schicht.
c) Härte-Tiefen-Verlauf mit
Einhärtungstiefe (SHD)
c)
Beendigung der EB-Einwirkung durch
Selbstabschreckung sehr schnell abgekühlt. In Verbindung mit vorher oder
während der EB-Einwirkung deponierten
Zusatzstoffen kann diese Randschicht
zusätzlich legiert und/oder dispergiert
werden. Auch auf diesem Gebiet haben
Wissenschaftler des IWT international
beachtete Lösungen für EB-Mehrprozesstechnologien als hochproduktive einstufi-
ge Prozesse entwickelt. Durch eine technologische Kette Vorwärmen/Verdichten
— Umschmelzlegieren (EBUL) — Nachwärmen/Homogenisieren (Abb. 4a) in
einem Prozessdurchlauf wurden für AlWerkstoffe mit Cu-, Ni- oder Co-basierten
Zusatzstoffen erhebliche Härtesteigerungen (2–3-fache) und Verbesserungen des
Verschleißwiderstands bis zum 4-fachen
erreicht (Abb. 4b, c) [6, 7].
a)
Abb. 4: Prinzip und Behandlungsergebnisse zum EBUL mit Co-, Cu-, Ni-Basis-Zusatzstoffen mittels EB-Mehrprozesstechnik [6, 7] auf den Substratwerkstoffen AlSi10Mg (AC) und AlSi35 (AS).
a) Momentaufnahme einer 3-Prozesstechnologie.
c)
b)
b) EBUL-Schichtausbildung (Querschliff). c) Vergleich der Härte, Verschleißeigenschaften ohne (AC, AS) und mit
EBUL (Co, Cu, Ni)
19. Jahrgang 2012
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Aus Wirtschaft, Wissenschaft und Technik
a)
c)
b)
alisieren lassen. Da sowohl wegen der
Variantenvielfalt bei weitem noch nicht
alle technischen Möglichkeiten genutzt
werden als auch zahlreiche prozesstechnische und werkstoffspezifische Zusammenhänge noch nicht oder nicht hinreichend erforscht sind, ergeben sich für
die Wissenschaftler an der TU Bergakademie Freiberg langfristige, nachhaltige
Perspektiven auf diesem Gebiet.
Abb. 5: EB-Schweißen einer Rad-Nabe-Verbindung aus Gusseisen und Stahl [8, 9].
a) Bauteil und Strahleinwirkung. b) Schweißnaht. c) Einfluss von zusätzlichen Thermofeldern auf den Härteverlauf quer zur Schweißnaht
a)
b)
c)
Abb. 6: EB-Gravieren von Wellensegmenten [1, 10]. a) Graviertes Wellensegment. b) Periodisches Gravurmuster.
c) Näpfchen (Querschnitt)
EB-Fügen
Aktuell konzentrieren sich zahlreiche
Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten auf dem Gebiet des EB-Schweißens
auf den Einsatz von Mehrspot-Mehrprozess-Technologien für üblicherweise nicht oder nur schwer schweißbare
Werkstoffkombinationen in Hybridbauweise. Am IWT wurden Technologien für
die Herstellung von Stahl-Gusseisenverbindungen entwickelt, die inzwischen
Applikationsreife erreicht haben.
Durch Anwendung einer 3-SpotTechnik (Vorwärmbad/Schweißbad/Glättungsbad) für die Herstellung von RadNabe-Verbindungen als Schweißkonstruktion (Abb. 5a) werden riss- und porenfreie Schweißnähte erzeugt (Abb. 5b).
Die bei diesen Werkstoffkombinationen
unvermeidliche Aufhärtung der Schweißnaht (SN) und der Wärmeeinflusszone
(WEZ) (Abb. 5c) wird durch zusätzliche
vor- und/oder nachgelagerte Thermofelder zumindest teilweise kompensiert.
Damit genügen diese mit üblichen Verfahren nicht schweißbaren Verbindungen
höchsten technischen Anforderungen.
Ausblick
EB-Abtragen
Die EB-Mehrspot-Technik wird auch
beim Oberflächenprofilieren bzw. -gravieren eingesetzt. In eine ebene Fläche
können in nur 0,15 s durch extrem rasch
ablaufende lokale Verdampfungs- und
Eine neue Generation der Elektronenstrahl-Ablenktechnik ist die Basis für
die Entwicklung von ElektronenstrahlTechnologien, mit denen eine deutlich
höhere Produktivität erreichbar ist und
sich neue technische Lösungen mit neuartigen Eigenschaftskombinationen re-
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Schmelzprozesse bis zu 3.500 Vertiefungen innerhalb eines definierten Ablenkfeldes eingebracht werden.
Je nach Energieübertragungsparametern bilden sich als laterale Muster angeordnete „Näpfchen“ mit variablem
Durchmesser und unterschiedlicher Tiefe
(jeweils einige 10 μm bis einige 100 μm)
aus (Abb. 6b), die an den Rändern einen
Schmelzmantel und in der Regel an der
Oberfläche ringförmig um die Vertiefungen herum wiedererstarrte Schmelzaufwürfe aufweisen (Abb. 6c).
Durch das Einpressen eines Wellenschafts (Abb. 6a) mit derartigen definierten Umschmelzaufwürfen in ein weicheres Rohr entsteht eine feste, nachträglich
nicht mehr lösbare Verbindung. Für Anwendungen zur Verbesserung des Reibverhaltens (z. B. Gleitlager), bei der diese
Vertiefungen als Schmiermittelreservoir
dienen, müssen die „Kraterränder“ entfernt werden. Auch für diese Technologie
kann auf erste Applikationen verwiesen
werden [10].
Danksagung
Die Autoren danken den Mitgliedern des EBTeams am IWT der TU Bergakademie Freiberg
für die kooperative und erfolgreiche Zusammenarbeit, aus der wesentliche Teilergebnisse hervorgingen, die dieser Arbeit zugrunde liegen.
Literatur
1 Zenker, R.; Buchwalder, A.: ElektronenstrahlRandschichtbehandlung, Innovative Technologie für höchste industrielle Ansprüche, probeam AG & Co. KGaA, 2010.
2 Buchwalder, A.: Beitrag zur FlüssigphasenRandschichtbehandlung von Bauteilen aus
Aluminiumwerkstoffen mittels Elektronenstrahl. Dissertation, TU Bergakademie Freiberg, 2007.
3 Zenker, R.: Elektronenstrahl-Mehrspot-Technik
— Neue Möglichkeiten und Perspektiven für
die Randschichtbehandlung. In: Stahl und Eisen (2007), 2, S. 26–28.
4 Zenker, R.; Buchwalder, A.: Mehrspot-Technik
und Mehrprozess-Technologien zum Schweißen und zur Randschichtbehandlung mit dem
Elektronenstrahl — State of the Art. In: 8. Internationalen Konferenz Strahltechnik 2010,
Halle: 14.–15. April 2010, S. 100–105.
5 Zenker, R.: IFHTSE Global 21: Heat treatment
and surface engineering in the twenty-first
century Part 15 — Progress in surface heat
treatment using electron beam surface hardening. In: International Heat Treatment and
Surface Engineering 5(2011), 2, S. 50–56.
6 Zenker, R.; Buchwalder, A.; Klemm, M.: Neue
Entwicklungen auf dem Gebiet der thermischen Elektronenstrahl-Randschichtbehandlung von Aluminium-Legierungen. In: HTM
Journal of Heat Treatment and Materials
64(2009), 4, S. 208–214.
7 Franke, R.; Haase, I.; Klemm, M.; Zenker, R.:
Friction and wear behaviour of electron beam
surface treated aluminium alloys AlSi10Mg(Cu)
and AlSi35. In: Wear 269(2010) 11–12, 2010,
S. 921–929.
8 Mangler, M.; Rüthrich, K.; Zenker, R.: Steuerung der Gefügeausbildung in GusseisenSchweißverbindungen mittels der Elektronenstrahl-Mehrprozesstechnik, Sonderbände
der Praktischen Metallographie 42 (2010),
S. 321–326.
9 Rüthrich, K.; Mangler, M.: ElektronenstrahlMehrprozesstechnik — Schweißen mit integrierter Wärmebehandlung. In: HTM Journal
of Heat Treatment and Materials 67, 1/2012.
S. 22–30.
10 Zenker, R.; Buchwalder, A.; Frenkler, N.; Thiemer, S.: Moderne Elektronenstrahltechnologien
zum Fügen und zur Randschichtbehandlung.
In: Vakuum in der Praxis, 17(2005), 2, S. 66–72.
AC AMONTA – Zeitschrift für Freunde und Förderer der TU Bergakademie Freiberg