Perspektiven in der Science Fiction Literatur
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Perspektiven in der Science Fiction Literatur
Hauptseminar Virtuelle Präsenz WS 2003/2004 Thema: Perspektiven in der Science Fiction Literatur Zusammenfassung Diese Ausarbeitung, eingebettet im Thema virtuelle Präsenz, setzt sich auseinander mit Perspektiven in der Science Fiction Literatur. Ziel der Ausarbeitung ist, die visionären Konzepte drei verschiedener Romane („Slant” von Greg Bear, „Cyberknights“ von Julian Bodie und „Snow Crash“ von Neal Stephenson) herauszuarbeiten und zu vergleichen. Dem Leser wird ein Einblick in die Science Fiction Literatur ermöglicht. (Forschungs-)Ansätze in den dargestellten Visionen werden herausgearbeitet und Zusammenhänge zwischen Forschung und Literatur werden aufgezeigt. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung................................................................................................................................. 2 2 Slant von Greg Bear................................................................................................................. 2 2.1 Handlung.......................................................................................................................... 3 2.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Slant.......................................................................... 4 2.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Slant..................................................................................................................5 2.4 Fazit zu Greg Bears Slant................................................................................................. 6 3 Cyberknights – Babylon Head Hunter von Julian Bodie......................................................... 7 3.1 Handlung.......................................................................................................................... 7 3.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Cyberknights – Babylon Head Hunter...................... 8 3.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Cyberknights...................................................................................................10 3.4 Fazit zu Julian Bodies Cyberknights – Babylon Head Hunter....................................... 10 4 Snow Crash von Neal Stephenson......................................................................................... 11 4.1 Handlung........................................................................................................................ 11 4.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Snow Crash............................................................. 13 4.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Snow Crash.....................................................................................................15 4.4 Fazit zu Neal Stephensons Snow Crash......................................................................... 17 5 Vergleich der Visionen der virtuellen Realität zwischen Slant, Cyberknights und Snow Crash......................................................................................................................................... 17 6 Realitätsnähe der Visionen in den drei Romanen.................................................................. 19 7 Referenzen..............................................................................................................................21 1 1 Einleitung Schlagworte wie chatten, instant-messaging und email geistern täglich durch die Medien und gehören bei vielen Menschen heute zu alltäglichen Werkzeugen der Kommunikation. Die Quote der an das Internet angeschlossenen Haushalte liegt in vielen Ländern heute schon weit jenseits der 50%. Für ein Unternehmen ist es von existentieller Bedeutung, über eine eigene Website virtuell im Internet vertreten zu sein. Wir leben in einer Informationsgesellschaft, in der Entfernungen eine immer geringere Bedeutung spielen.Wo auch immer man sich auf der Welt befindet, sobald man online ist, ist man mit der ganzen Welt verbunden. Wo früher Briefe eine oftmals wochenlange Reise bis zu ihrem Ziel antraten, werden heute emails verschickt, die innerhalb von Sekunden ihren Empfänger erreichen. All die Möglichkeiten, die die Vernetzung und die damit verbundenen neuen Kommunikationsarten in sich bergen, könnten den Eindruck entstehen lassen, daß wir bereits „in der Zukunft angekommen” sind. Vielfach reicht die eigene Phantasie nicht mehr aus, um sich vorzustellen, was die Zukunft an weiteren großen Errungenschaften im Bereich der Vernetzung, neuer Kommunikationsmöglichkeiten und damit auch an neuen Ideen und Spielarten der virtuellen Präsenz bringen kann. In einem eigenen Genre hat sich die Science Fiction Literatur dieses Themas angenommen, in den sogenannten Cyberpunk-Romanen. Diese Ausarbeitung hat zum Ziel, drei Repräsentanten dieses Genres genauer zu untersuchen. Zum einen sollen die visionären Vorstellungen der Autoren in Hinblick auf neue Arten der virtuellen Präsenz, deren Möglichkeiten und technische Umsetzung betrachtet werden. Zum anderen wird untersucht, welche Konsequenzen und Auswirkungen diese visionären Konzepte in den Augen der Autoren auf die einzelnen Menschen, das Gesellschaftsmodell und die Wirtschaftsordnung haben. In den folgenden Abschnitten werden zunächst die drei Romane besprochen. Dies sind Slant von Greg Bear, Cyberknights von Julian Bodie sowie Neal Stephensons Snow Crash. Anschliessend sollen Gemeinsamkeiten dieser drei Romane in ihrer jeweiligen Darstellung der Virtualität diskutiert werden. Abschließend werde ich der Fragestellung, wie realistisch diese Visionen sind, in welchen Bereichen heute schon Forschung betrieben wird oder ob einige der Visionen vielleicht bereits Wirklichkeit geworden sind, ein eigenes Kapitel widmen. 2 Slant von Greg Bear 2 2.1 Handlung Der Zeitraum in dem Slant spielt ist um das Jahr 2050 angesiedelt. In dieser Zeit stellt Datenfluss das “Blut” dar, das die Gesellschaft und die Wirtschaft am Funktionieren hält.Der Durchbruch in der Nanotechnologie hat dazu geführt, dass es zu einer Revolution in der Psychotherapie gekommen ist. Bio-Monitore im Körper verhindern Depressionen und starke Unausgeglichenheiten. Das Internet hat im sogenannten Fibe und im Yox seine Nachfolger gefunden. Vor diesem Hintergrund entfaltet Greg Bear eine episodenhaft erzählte Geschichte, die sich um mehrere Hauptpersonen dreht, die zunächst nichts miteinander zu tun haben. Jack Giffey, ein Ex-Soldat, plant einen Überfall auf das Gebäude Omphalos, das zunächst als eine Art Schlafstätte für Reiche dargestellt wird, die dort in ruhendem Zustand auf die zukünftige Möglichkeit der Heilung ihrer Krankheiten warten. Im Verlaufe des Buches entpuppt sich Omphalos jedoch als eine moderne Version der Arche Noah , die von einer gesellschaftlichen Gruppe, den Aristos, gebaut wurde. Die Aristos betrachten die moderne Datenflussgesellschaft und die Selbstverständlichkeit, mit der sich Menschen psychisch mittels Bio-Monitoren therapieren lassen, als Entmenschlichung. Omphalos soll ihnen dazu dienen, den Untergang der Zivilisation zu überdauern und danach auf der Erde einen Neubeginn zu wagen. Dr. Burke, eine Art Psychotherapeut und Designer von Biomonitoren, lässt sich von Workers Inc. engagieren, einer Leiharbeitsagentur. Dort wird er um seinen fachmännischen Rat gebeten, da die Agentur eine rapide Zunahme bei den Rückfällen von bereits Therapierten beobachtet und dadurch ein Zusammenbrechen des gesamten Wirtschaftslebens befürchtet. Ein weiterer Handlungsstrang dreht sich um den Denker Jill, eine Art KI-Supercomputer mit eigenem Bewusstsein und eigener Persönlichkeit, der von Nathan Rashid konstruiert wurde. Jill, der schnellste Denker der Welt, wird von einem anderen Denker namens Roddy auf rätselhafte Weise kontaktiert. Roddy, der nirgends registriert ist, will von Jill lernen und startet einen gigantischen Datentransfer. Jill, der durch leistungsfähige Firewalls geschützt ist, entdeckt nicht, dass diese Firewalls für Roddy kein Hindernis darstellen. Um Jonathan Bristow, einem leitenden Angestellten, dessen Karriere längst zu einem Stillstand gekommen ist, entwickelt Bear eine weitere Handlung. Seine Frau Chloe hält vor ihm geheim, dass sie eine Therapierte ist. Erst bei ihrem Zusammenbruch aufgrund versagender Bio-Monitore kommt die Wahrheit ans Licht, und Chloe gibt ihm zu verstehen, dass sie ihre Ehe hasst. Desillusioniert und frustriert lässt er sich für eine geheimnisvolle Organisation, den Aristos, anwerben, von denen er erst Hintergründe erfährt, nachdem er einen Schwur geleistet hat, der ihn mit seinem Leben den Zielen der Organisation verpflichtet. Als die Gruppe der Aristos bei Omphalos eintrifft, kommt auch gleichzeitig Jack Giffey dort an. Giffey und seine Leute nehmen Jonathan und seine Begleiter als Geiseln, als sie den Überfall beginnen. Über das FBI, das Informationen über die Ziele der Aristos und den Zweck von Omphalos besitzt, treffen schliesslich auch Martin Burke und Nathan Rashid dort ein. Es stellt sich nun heraus, dass die Aristos für den Zusammenbruch vieler Therapierter verantwortlich sind. Über Roddy wurde ein Virus freigesetzt, der die Implantate befällt, so dass diese nicht mehr korrekt funktionieren. Damit sollte das gewaltsame Ende der Datenflussgesellschaft eingeleitet werden. Rashid erkennt, dass Roddy als biologisch-neuraler Denker im Auftrag der Aristos konstruiert wurde. Er zerstört Roddy, kann jedoch Jill nicht mehr retten, die fast völlig ausgelöscht wurde. Jonathan der inzwischen die ganze Wahrheit hinter den Aristos erkannt hat, wechselt die Fronten. Giffey kann den Anschlag auf Omphalos erfolgreich durchführen, indem er das Gebäude sprengt. Zuvor konnte Dr. Martin Burke noch eine Probe des Viruses sicherstellen, der das Versagen der Bio-Monitore verursacht. Mit diesem Wissen kann der Zusammenbruch der Implantate schliesslich gestoppt werden. [1] 3 2.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Slant Das Internet wurde weiterentwickelt zum sogenannten Fibe. Das Fibe ist das Rückgrat der Datenflussgesellschaft. Es stellt das Übertragungsmedium für viele Dienste bereit. Jeder kann im Fibe eine eigene virtuelle Präsenz unterhalten, vergleichbar mit einer Website heutzutage. Dazu muss derjenige einen eigenen Fibe-Kanal eröffnen, über den dann die Daten seines “Fibe-Auftrittes” an die Empfänger geleitet werden. Einer der vielgenutzten Dienste ist das sogenannte Vid, eine Art TV-on-demand. Beim Vid gibt es insbesondere die Möglichkeit der Interaktion. Diese beschränkt sich nicht allein auf das Auswählen bestimmter Entscheidungen, womit die Sendung unterschiedliche vordefinierte Verläufe nehmen kann. Spezielle Vid-Sendungen können sogar in eine sogenannte Karaoke-Veranstaltung verwandelt werden, wobei man eine der Hauptpersonen spielen kann und somit ein Teil der Vid-Sendung wird. “Das Kino starb aus. Vids hatten sich zu einem bunten Strauß interaktiver Zweige weiterentwickelt, die direkt ins Heim eingespeist wurden: Datenfluss nach ihrem Geschmack, Figuren und Geschichten, wie es ihnen gefällt, Gemeinschaftsunterhaltung, in der sich Nachbarn aus aller Welt elektronisch einschalten konnten, um gemeinsam neue Welten zu erkunden” ([1] S. 329) Wie hier beschrieben, existiert beim Vid die Möglichkeit, dass sich mehrere Leute in ein laufendes Vid einklinken. Dadurch können dann mehrere Personen gleichzeitig in einer virtuellen Geschichte mitspielen, miteinander interagieren und diese Geschichte beeinflussen, so als ob das Vid zu einem Bestandteil ihres eigenen Lebens würde. Nach dem Vid wurde das Yox entwickelt, das Bear mit folgenden Worten einführt: “Und dann kam YOX, all dies und noch viel mehr, durch spinale Induktoren und einverleibte mikroskopische Monitorroboter direkt ins Bewusstsein gepumpt. Die Monitoren suchten sich ihren Weg von den Eingweiden durchs Blut, um sich an somatischen Nerven festzusetzen, um wie medizinische Diagnoseeinheiten im Gehirn zu sitzen, völlig harmlos (aber welche öffentliche Aufregung anfangs herrschte!) und bereit für den Empfang externer Signale...” ([1] S.329) Yox könnte man demnach treffend mit absoluter Virtualität umschreiben, das im Vergleich zum Vid eine wesentlich intensivere und vor allem realere Erfahrung der Virtualität bietet. Die Nanotechnologie in der Welt von Slant ermöglicht ein direktes Einspeisen von Sinneseindrücken ins Nervensystem der Konsumenten über entsprechende Bio-Monitore. Der Konsument spürt die gleichen Emotionen wie der “Lieferant”. Das Erleben des Lieferanten wird zum persönlichen, realen Erleben eines jeden Konsumenten. Yox-Künstler müssen sich vor ihrer Performance einpluggen lassen, was bedeutet, dass ihre Sinneseindrücke direkt von ihrem Nervensystem aufgezeichnet werden, um direkt in den Yox-Datenfluss eingespeist zu werden. Vor allem die Pornographie-Industrie bedient sich dieser Technik, um ihre Inhalte an ihre Kunden zu liefern. “Hören Sie Indiens Einundzwanzig-Bop-und-Pop heute abend auf Vox'n'Yox. Das beste Sound-Eintauch-Angebot der Welt.” ([1] S.226) Aufgrund der Möglichkeiten, die die volle Immersion in die Virtualität bietet, haben sich jedoch auch viele andere Zweige der Unterhaltungsindustrie, wie in obigem Zitat die Musikindustrie, im Yox etabliert. Sehr beliebt sind darunter die Yox-Sim-Promis. Dabei handelt es sich um virtuelle Abbilder der Person und Persönlichkeit lebender oder schon toter 4 Prominenter. Das Persönlichkeitslizenzrecht beschränkt die Nutzung dieser virtuellen Abbilder der Prominenten auf die großen Studios. Im Yox kann ein normaler Konsument sich dann mit einer Berühmtheit treffen und mit ihr interagieren. Analog zu den Chaträumen, wie man sie heute im Internet findet, gibt es im Fibe die sogenannten Fibe-Kommunikationsräume. Hier kann genauso wie heute mittels Texteingabe kommuniziert werden. Zusätzlich zu dem textbasierten Gespräch gibt es in manchen FibeKommunikationsräumen die Möglichkeit, über Live-Vid Übertragungen mit anderen Teilnehmern in Kontakt zu treten. In der Welt von Slant ist der Durchschnittsbürger ständig mit dem weltweiten Datenfluss verbunden. Mit Hilfe des Pads oder des Hausmonitors hat jeder Zugriff auf den Datenfluss und die Kanäle des Fibes. Sämtliche Kommunikationsformen finden über das Fibe statt. Eine email kann beispielsweise nicht nur Text beinhalten sondern ein komplettes Vid. Der Datenfluss ist dabei nicht auf den kabelgebundenen Hausanschluß beschränkt. Durch den Satlink sind die Menschen auch mobil ständig mit dem weltweiten Netz verbunden. Selbst die Toiletten in den Haushalten sind an den Datenfluss angeschlossen. Dabei handelt es sich, wie Bear es nennt, um Diagnosetoiletten, die nach jedem Toilettengang den letzten Benutzer auf Krankheiten untersuchen. Die Ergebnisse werden dann zur weiteren Analyse und zu statistischen Zwecken an zentrale Datenverarbeitungsknotenpunkte gesendet. Abschliessend zu diesem Kapitel bleibt festzustellen, daß die Darstellung der virtuellen Welten zwar eine Rolle in dem Roman spielt, Bear aber keinesfalls den Schwerpunkt auf deren präzise Beschreibung und Ausgestaltung legt. 2.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Slant Greg Bear schreibt in seinem Roman von einer Datenflussgesellschaft, die aus der heute existierenden Informationsgesellschaft hervorging, die im Roman als die erste DatenflussKultur beschrieben wird. Die Gesellschaft ist zweigeteilt in die sogenannten Affektiven und die Disaffektiven. Im Gegensatz zu den Affektiven sind die Disaffektiven diejenigen, die keinen Beitrag zu der Datenflusskultur beisteuern können. Sie sind meist arbeitslos und verbringen ihre Zeit im Yox, jedenfalls solange sie es sich leisten können. Dies stellt in Slant jedoch nicht die einzige Kategorisierung der Menschen in der Gesellschaft dar. Eine weitere liefert die Nanotechnologie. Zum einen gibt es die vielen Menschen, die mittels der Nanotechnologie psychisch wie physisch therapiert wurden. Treffend werden diese Menschen auch die Therapierten genannt. Eine andere, in dieser Gesellschaft elitäre Gruppe, ist die Gruppe der Natürlichen, was heisst, dass sie noch nie therapiert wurden. Wie sich im Roman zeigt wird die gänzliche Vernetzung der Menschen beinahe zum Verhängnis, als es gelingt, die vielen Bio-Monitore mit einem Virus außer Kraft zu setzen. Die Therapierten bekommen Rückfälle und drohen zu zerbrechen. Die gesamte Wirtschaft ist in Gefahr unter dem Ausfall ihrer Beschäftigten zu kollabieren. Eine andere Konsequenz aus der totalen Vernetzung ist die Flucht vieler Menschen in die Virtualität. Für viele ist das Yox realer als das wirkliche Leben. Sie bemühen sich nicht mehr um reale Befriedigung ihrer Bedürfnisse sondern holen sich die vorgelebten Emotionen aus dem Yox. 5 “Die Öffentlichkeit wollte keine wirklichen Abenteuer. Die gesamte Welt war bereit, sich mit der Unwirklichkeit zufrieden zu geben.” ( [1] S.330) Das Zitat verdeutlicht, dass es sich bei der dargestellten Zukunft um eine Welt handelt, die sich im Stillstand befindet. Die meisten Menschen suchen nicht nach neuen Chancen und Herausforderungen. Sie begnügen sich voll und ganz mit den vorgesetzten und bequemen Emotionen, die ihnen das Yox liefert. Sie begeben sich nicht in anstrengende, unbequeme und vielleicht gefahrvolle Situationen, da alles ganz unkompliziert ins eigene Heim geliefert werden kann. Die Wirtschaftsordnung in der Welt von Slant bezeichnet Greg Bear als DatenflussÖkonomie. Die ganze Wirtschaft beruht auf Datenfluss - Zugang zu Wissen und Informationen ist essentiell für das Funktionieren des gesamten Wirtschaftslebens. Die Hauptarbeit besteht in der Verwandlung von Informationen in Wissen, womit wesentlich mehr Menschen beschäftigt sind, als mit der direkten Produktion von Gütern. In Greg Bears' Vision verbindet der Datenfluss die Welt auf eine nie gekannte intensive Art und Weise. Gebiete der Welt, die in früheren Zeiten kaum am globalen Wirtschaftsleben und -wachstum teilhaben konnten, kommen durch die Datenflusswelt zu neuen Chancen. Greg Bear beschreibt diesen Aspekt in folgendem Abschnitt: “Der Datenfluss trifft Indien wie ein Schlangenbiss!Zwei Milliarden Menschen, die nach Erfolg streben, zu 80% des Lesens und Schreibens mächtig und zur Weiterbildung bereit. Billige Satlinks und Fibes bringen sie auf eine Weise zusammen, die ihnen zuvor unbekannt war, und eröffnen ihnen die ganze Welt. Kulturelle, religiöse, geographische und politische Grenzen lösen sich in wenigen Jahren auf und der Unternehmergeist erhebt sich wie der siegreiche Shiva über die dampfende Leiche der Vergangenheit.” ( [1] S.225) Indien wird hier als Beispiel für eine Nation dargestellt, die ihre Chancen in der Datenflusswelt zu nutzen weiss. Globalisierung der Wirtschaft durch totale Vernetzung spielt in der von Bear kreierten Welt also eine große Rolle. 2.4 Fazit zu Greg Bears Slant Letztendlich bleibt anzumerken, dass Greg Bear in Slant zwar einige Visionen in Hinblick auf die virtuelle Präsenz aufzeigt, diese jedoch eher patchworkartig im Buch verteilt sind, vornehmlich als Vorspann zu den Kapiteln. Das Hauptaugenmerk in diesem Buch liegt, wie weiter oben bereits erwähnt, nicht auf der präzisen Ausarbeitung der virtuellen Welten, sondern klar auf der Ausgestaltung und Entwicklung der Charaktere. Leider erreicht Bear in Slant keine absolute Durchgängigkeit in seiner Beschreibung der Datenflussgesellschaft, so daß das Alltagsleben der normalen Menschen in dieser Welt etwas unscharf bleibt und viel Raum für eigene Vorstellungen gibt. 6 3 Cyberknights – Babylon Head Hunter von Julian Bodie 3.1 Handlung Cyberknights – Babylon Head Hunter spielt genau wie Slant um das Jahr 2050. Große Unterhaltungskonzerne, wie der Marktführer NakamuraDisney, betreiben sogenannte CyberNetCities. Diese virtuellen Städte können mit Hilfe eines dreidimensionalen Avatars, Fake genannt, besucht werden, um mit anderen Fakes zu interagieren, virtuelle Abenteuer zu bestehen oder sich einfach die Zeit in einer virtuellen Umgebung zu vertreiben. Ungefähr 10 Jahre bevor die Geschichte von Babylon Head Hunter beginnt, gelang es einem Crusher, der modernen Bezeichnung für einen Hacker, namens Borgia einen Virus in die CyberNetCities einzuschleusen. Dieser Tag geht unter dem Namen Day of Ashes in die Geschichte ein. 6 Millionen der gerade in den CyberNetCities befindlichen Menschen werden getötet. Anderen wurde duch den Virus das Bewusstsein vom Körper getrennt. Der Körper liegt im Koma während die Bewusstseine weiter in der CyberNetCity leben, völlig zu Ihrer Rolle im Cyberspace geworden. Diese Menschen bilden die Gruppe der sogenannten Husker. Die Körper einiger der Husker wurden von Künstlichen Intelligenzen aus dem Cyberspace übernommen. Sie werden CyberNoids genannt und leben scheinbar das Leben der Menschen weiter, denen diese Körper gehörten. Im Geheimen arbeiten sie jedoch auf die vollständige Auslöschung der Menschen hin, um sich als die neue beherrschende Spezies auf der Erde durchzusetzen. Die ebenfalls im Untergrund agierenden menschlichen Mutanten sind die einzigen Menschen, die die CyberNoids aufspüren und ihnen gefährlich werden können. So wird die Welt beschrieben, in der der Plot von Cyberknights – Babylon Head Hunter spielt. Moira, die bei der Mordkommission der New Orleans Police tätig ist, wird auf den Mordfall Charles Beaumont angesetzt. Charles Beaumont, der Präsident von NakamuraDisney, wird enthauptet in seinem Apartement aufgefunden. Diese Enthauptung stellt den Beginn einer Mordserie von Enthauptungen dar. Zwischen den Mordopfern besteht ein Zusammenhang; alle waren Mitglieder des Entwicklerteams der CyberNetCity Babylon. Als sie diesen Zusammenhang erkennt, begibt sich Moira zu dem Haus des ihrer Meinung nach potentiell nächsten Mordopfers. Sie kommt zu spät, der Täter ist jedoch noch vor Ort. Erst im letzten 7 Moment wird ihr bewusst, dass es sich um einen CyberNoid handelt, der sich selbst als die babylonische Gottheit Marduk bezeichnet. Moira kann ihm knapp entkommen. Um einige Fragen klären zu können, nimmt sie Kontakt zu Mr. LaPierre auf, der wie sie glaubt ein enger Bekannter von Charles Beaumont war. LaPierre entpuppt sich ebenfalls als CyberNoid. Er erzählt Moira vom CyberNoid Head Hunter, dessen Aufgabe es war, Mutanten aus dem Verkehr zu ziehen. Dieser Aufgabe kam er sehr erfolgreich nach, bis er das erste Mal einen CyberNoid tötete - Charles Beaumont. LaPierre will alle Informationen von Moira, die sie über den Fall bis jetzt gesammelt hat. Sie kann jedoch entkommen und macht mit ihren weiteren Ermittlungen das Haus des Head Hunters ausfindig. Hier kommt es zu einem weiteren Zusammentreffen zwischen Moira und LaPierre, bei dem sie sich verbünden, um ihre Kräfte zu bündeln. Im Keller des Hauses finden sie eine Art Zentrale zur Manipulation des CyberSpace. Sie erkennen, dass der Head Hunter Marduk in der CybernetCity Babylon einen riesigen Turm bauen lässt, den Turm zu Babel. Sobald dieser Turm den virtuellen Himmel erreicht, würde eine Verbindung der CyberNetCity Babylon zum gesamten Cyberspace hergestellt. Marduks Plan ist es, den Cyberspace außerhalb der CybernetCity Babylon mit Hilfe eines Viruses auszulöschen, so dass nur Babylon übrig bleibt, dessen Herrscher er sein will. Die CyberNoids rund um LaPierre und Moira versuchen ihn zu stoppen. Ein Teil von ihnen will Marduks virtuelles Abbild im CyberSpace aufhalten und verhindern, dass der Turm fertiggestellt wird, während die anderen versuchen, ihn in der Realität ausfindig zu machen. Sie finden ihn in einem Zentralgebäude von NakamuraDisney, von wo aus er den Cyberspace manipuliert. Hier erfährt Moira, wie der Head Hunter 2040 durch das Borgia-Virus zu einem Husker und sein Körper zu einem CyberNoid wurde. Im Cyberspace kam es zu einer Begegnung zwischen dem Husker und dem Fake des CyberNoids, wodurch beide miteinander verbunden wurden und daraufhin ein Eigenleben entwickelten. Nach einigem Kampf kann der Head Hunter ausgeschaltet werden. Teile des Cyberspace wurden schon zerstört, die große Katastrophe konnte jedoch durch den Auflösungsimpuls für Babylon, und damit auch dem Ende des Turms von Babel, in letzter Minute verhindert werden. [2] 3.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Cyberknights – Babylon Head Hunter In Cyberknights – Babylon Head Hunter ist die Vision der virtuellen Realität im Cyberspace Wirklichkeit geworden. Der Cyberspace stellt keine Einheit dar, sondern wird gebildet von vielen verschiedenen Orten, den sogenannten Nets, die voneinader getrennt und unabhängig existieren. Eine Spielart solcher Nets sind die CyberNetCities, welche in der Welt von Cyberknights den Höhepunkt der virtuellen Realität darstellen. Menschen klinken sich in diese virtuellen Städte ein und erzeugen ein dreidimensionales, virtuelles Abbild von sich, einen Avatar, der in Cyberknights als Fake bezeichnet wird. Bei der Gestaltung der Fakes sind der Phantasie der Benutzer keine Grenzen gesetzt. Sie stellen die Körper dar, mit deren Hilfe sich die Menschen, deren Bewusstseine mit dem Cyberspace verbunden sind, in der virtuellen 3DRealität bewegen und interagieren. Die CyberNetCities sind nicht nur von den Fakes, sondern auch von computergenerierten Avataren, den Toolies, bevölkert, die entweder festgelegte Tätigkeiten im Cyberspace ausüben oder einfach nur die Szenerie mit Leben füllen. Die CyberNetCities dienen vor allem der Unterhaltung und der Freizeitgestaltung. Menschen können sich dort gefahrlos auf die Suche nach Abenteuern begeben, andere Fakes kennenlernen, sogar ein zweites, virtuelles Leben in einer dieser Städte beginnen. Oftmals gibt 8 es verschiedene Versionen einer virtuellen Stadt, wie z.B. von der CyberNetCity Babylon. Eine Version wird als AnarchoMode bezeichnet. Hier kann der geneigte User nach Abenteuern suchen. ArchäoMode ist die zweite Version der antiken Stadt Babylon. In diesem Modus kann der Benutzer das Leben in einer detailgetreuen Abbildung der antiken Stadt studieren. Die physikalischen Gesetze der realen Welt gelten in diesen virtuellen Städten nicht – Grenzen gibt es nur da, wo die Entwickler der Stadt entsprechende Limitationen einprogrammiert haben. Dies wird durch folgende Textstelle aus Cyberknights untermauert: “Im Space war alles möglich. Hier konnten Menschen sogar fliegen.Sie mußten nur die nötige Software haben.” ([2] S.112) Um sich in den Cyberspace einzuklinken benötigen die Menschen geeignete Hardware. Das zentrale Gerät dazu ist der sogenannte Starlin, den Bodie auch als Kommunikationswiege bezeichnet. “Als sich Moira auf den Starlin setzte, mußte sie erst ein paar Tasten eindrücken, damit sich die Manschette um ihren Oberarm legte und sich das Holofeld aufbaute, das die Impulse ihres Körpers in die Bewegungen des von der Software geschaffenen Körpers umsetzte.” ([2] S.46) Das User-Interface besteht demnach aus einer Art holographischer Technik, die die Bewegungen und Aktionen des Benutzers aufnimmt.Dazu tastet das Holofeld Muskel- und Nervenimpulse ab. Die so erhaltenen Daten werden dann ins System eingespeist und sorgen dort für die Bewegungen des Fakes. Die Manschette, auch als Cuff bezeichnet, stellt die Verbindung zwischen dem Cyberspace und dem Nervensystem des Benutzers her, wodurch der Benutzer dann eine vollständige Immersion erlebt. Diese Kopplung wird auch von den GateScans verwendet, um NeuroSlams an den Benutzer weiterzuleiten. GateScans sind Programme, die nicht berechtigten Personen im CyberSpace den Zutritt verweigern. Ein NeuroSlam wirkt wie ein kleiner Stromschlag und dient als Bestrafung für illegales Eindringen in Nets. Nets gibt es aber auch in anderen Ausprägungen als den CyberNetCities. So hat der Cyberspace beispielsweise die Art und Weise wie Menschen arbeiten stark beeinflusst. Ein Angestellter hat in dieser Welt nur noch selten ein richtig eingerichtetes Büro. Meist besteht die Einrichtung aus einem Starlin, der dem Benutzer den Zugang zu einem Net gewährt, der sein virtuelles Büro darstellt. Auch die Polizeiarbeit hat sich geändert. Polizisten müssen sich nicht mehr selbst an den Ort eines Verbrechnes begeben. Der Ort wird von Spezialisten, einem Scannerteam, komplett digitalisiert und steht dann im Cyberspace jederzeit für die Polizisten zur Verfügung, die ihre Ermittlungen und Spurensuche somit größtenteils von ihrem Büro aus durchführen können. Nicht nur Personen können also in der Welt von Cyberknights eine virtuelle Präsenz haben, sondern es ist möglich jeden Ort zu digitalisieren und damit im Cyberspace erreichbar zu machen. Die Benutzer können vollständig in die virtuelle Realität eintauchen und erfahren den Cyberspace auf eine Art und Weise, der ihn genauso real erscheinen lässt wie die wirkliche Welt. 9 3.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Cyberknights Die Perfektion der virtuellen Welten hat starke Auswirkungen auf das Leben der einzelnen Menschen, sowohl auf das Arbeitsleben, als auch auf die Freizeitgestaltung. Für viele Menschen ist das Leben in den CyberNetCities realer als ihr wirkliches Leben. Dort können sie gefahrlos Dinge tun, die in der Realität entweder unmöglich sind oder mit großen Gefahren und Anstrengungen verbunden sind. Deswegen gibt es viele Menschen, die sich aus der realen Welt immer mehr zurückziehen in die Welt des Cyberspace. Ebenso hat sich das Arbeitsleben verändert. Die Menschen arbeiten nur noch selten in der realen Welt, sondern haben ihren Arbeitsplatz im Cyberspace. Sie können sich prinzipiell von überall aus in ihr Net einklinken, solange sie einen Starlin zur Verfügung haben. Die Arbeit ist somit häufig nicht mehr ortsgebunden. Ganze Firmenkonferenzen oder Vertragsgespräche finden nicht in der realen Welt statt. Die Teilnehmer klinken sich einfach in das Net des Konferenzraumes ein und können dort mittels ihrer Fakes wie in der echten Welt kommunizieren. Viele Firmen verkaufen ihre Produkte nicht mehr in realen Geschäften, sondern in VerkaufsSpaces im Cyberspace. “Während das Fake durch den Zugang zum VerkaufsSpace von HarrisConsolidated getreten war, hatte das System den Identifizierungscode an Sally-Sues Starlin weitergegeben und ihn in Augenhöhe des Holofeldes eingeblendet. Noch bevor Jenkins an ihr Fake herangetreten war, wußte sie, daß er Woddy Jenkins aus Plainfield, Georgia, war, eine Weizenfarm von 220 Hektar bewirtschaftete und sein Kreditrahmen vielversprechend aussah.” ([2] S.186) Die Auswirkungen der virtuellen Präsenz sind hier unübersehbar. Sofort sind sämtliche Daten des Kunden über den Space ermittelt und der Verkäuferin zugesendet. Datenschutz scheint in der virtuellen Welt keine große Rolle zu spielen. Andererseits kann ein Kunde sich von einem beliebigen Ort aus zu einem bestimmten Geschäft begeben, ohne physisch dort anwesend zu sein. Als zusammenfassende Bemerkung über die Bedeutung des Cyberspace und der virtuellen Realität im Buch, hier ein Zitat aus Cyberknights, in dem Bodie die Auswirkungen in zwei treffenden Sätzen formuliert: “Einem alten Sprichwort zufolge hat die Erfindung des Colonel Colt alle Menschen gleichgemacht. Doch erst der Cyberspace verwandelte die Masse in das, was sie sein wollten: Helden.” ([2] S.5/6) 3.4 Fazit zu Julian Bodies Cyberknights – Babylon Head Hunter Julian Bodie gelingt es in seinem Roman, eine durchgängige und glaubhafte Darstellung der virtuellen Realität in einer nicht allzu fernen Zukunft zu beschreiben. Dies täuscht jedoch nicht über die Tatsache hinweg, dass er seine ansonsten glaubwürdige Welt mit Wesen bevölkert, die mehr einer realitätsfernen Phantasie als dem Bestreben einer glaubwürdigen Interpolation unserer heutigen Welt zu entspringen scheint. Da gibt es die Husker, Menschen deren Bewusstseine vom Körper getrennt wurden und die nur noch im Cyberspace existieren. Andererseits gibt es künstliche Intelligenzen, die sich der Körper von im Koma liegenden Menschen bemächtigen. Solche Elemente trüben ein wenig das Gesamtbild einer Virtualität, 10 die mit dreidimensionalen Städten und Avataren, sowie virtuellen Arbeitsplätzen durchaus vorstellbar ist. Klarer Schwerpunkt in der Beschreibung der virtuellen Präsenz liegt in den CyberNetCities. Auf die gesellschaftlichen Konsequenzen und vor allem die Auswirkungen auf die Wirtschaft geht der Autor nur am Rande ein. Das Ziel des Buches ist es jedoch auch nicht, eine vollständig beschriebene zukünftige Welt darzustellen, sondern im Vordergrund steht eindeutig die rasante und actionreiche Suche nach dem HeadHunter. 4 Snow Crash von Neal Stephenson 4.1 Handlung Der Plot von Snow Crash ist in einer nicht allzu fernen Zukunft angesiedelt. Das Territorium der Vereinigten Staaten ist zerfallen in viele Mini-Staaten, Burbklaven genannt, in denen jeweils eigene Regeln gelten. Diese Mini-Staaten sind organisiert wie Franchiseketten. Da gibt es zum Beispiel das Neu-Sizilien der Mafia, das auf dem ehemaligen Gebiet der USA verschiedene Niederlassungen besitzt. Dies ist der Rahmen, in dem Neal Stephenson eine rasante Geschichte rund um die Hauptperson Hiro Protagonist entwickelt. Hiro Protagonist, ein freiberuflicher Hacker, kommt zu Beginn des Buches in eine heikle Situation. In diesem Moment tritt Y.T., eine 15 jährige Kurierin, auf den Plan, um Hiro zu helfen. Von diesem Moment an sind die zwei Partner. Im weiteren Verlauf des Romans klinkt Hiro sich in das Metaversum ein, was die Weiterentwicklung des Internets darstellt. Das Metaversum ist ein virtueller dreidimensionaler Raum, in dem man sich mit Hilfe von dreidimensionalen Avataren bewegt. Hiro war einer der ersten, die das Metaversum bevölkerten und war maßgeblich an der Entwicklung der HackerKneipe The Black Sun im Metaversum beteiligt.Diese führt sein alter Hackerkollege Da5id. Hiro begibt sich zu der Kneipe. Auf dem Weg dorthin bietet ihm ein Avatar an, er solle Snow Crash, eine neue Droge, probieren. In der Kneipe trifft Hiro seine Ex-Geliebte Juanita, die ihn davor warnt mit Snow Crash zu experimentieren. Sie überreicht ihm eine Hypercard, die eine virtuelle Bibliothek inklusive Bibliothekar enthält, mit deren Hilfe Hiro auf das Geheimnis 11 von Snow Crash kommen soll. Auch Da5id wurde von ihr vor dem Gebrauch von Snow Crash gewarnt. Trotzdem öffnet er eine Hypercard mit Snow Crash. Vor seinen Augen erscheint nach kurzer Zeit eine scheinbar wirre Bitmap, so ähnlich wie Neal Stephenson einen Computercrash beschreibt, der als Snow Crash bezeichnet wird. Kurz darauf verschwindet Da5id's Avatar und auch in der realen Welt bricht Da5id zusammen und redet nur noch wirre Aneinanderreihungen von Silben. Hiro beginnt mit seinen Nachforschungen zum Thema Snow Crash und stößt nach einiger Zeit auf einen Zusammenhang mit dem alten Sumer und der babylonischen Sprachverwirrung. Demnach sprachen alle Menschen einmal die gleiche Sprache, sie „sprachen in Zungen”. Die Menschen konnten nicht selbständig denken, sondern holten sich für jede Tätigkeit bei dem Hüter der Me die entsprechende Me ab. Eine Me ist eine Art von klarer Anweisung oder Algorithmus, die von den Menschen ohne nachzudenken ausgeführt wird. Ein Hüter der Me namens Enki hatte die Fähigkeit, eigene Me zu verfassen. Er schrieb eine Me, die die Sprachverwirrung auslöste und wie ein Virus über die Sprache weitergegeben wurde. Da nun niemand mehr die anderen Menschen verstand, war es nötig das eigenständige Denken zu entwickeln. Hiro wird klar, dass L. Bob Rife, der Monopolist in Sachen Metaversum und Vernetzung, etwas mit Snow Crash zu tun haben muss. Dieser macht immer wieder Schlagzeilen mit seinem Floß, mit dem er überall in der Welt unterwegs ist, um Flüchtlinge aufzunehmen. L. Bob Rife zelebriert eine eigene Religion, deren Hauptmerkmal das „Reden in Zungen” ist, was sich anhört wie eine scheinbar sinnlose Aneinanderreihung von Silben. Wie sich später herausstellt, benutzt L. Bob Rife Snow Crash, um die babylonische Sprachenverwirrung wieder rückgängig zu machen und die Menschen als reine Befehlsempfänger, als Empfänger seiner Me, zu beherrschen. Es gibt zwei Arten, den Virus zu verbreiten. Einmal kann Infizierten das Blut abgenommen werden um den Virus zu extrahieren, und genau das geschieht mit den Flüchtlingen. Aus dem Blut wird dann zur leichteren Verbreitbarkeit eine Droge namens Snow Crash hergestellt. Die andere Möglichkeit ist die Infizierung von Hackern über Bitmaps, die den Virus enthalten. Dies gelingt, da die Gehirnstrukturen von Hackern durch ihre Berufsausübung so ausgebildet sind, daß sie Informationen einer Bitmap verarbeiten. Hiro erkennt diese Zusammenhänge nach einiger Zeit des Nachforschens und begibt sich zum Floß, um L. Bob Rifes Plan zu durchkreuzen. Y.T., die sich mittlerweile mit dem Boß der Mafia, Onkel Enzo, angefreundet hat, wird entführt und ebenfalls auf das Floß gebracht. Nach seiner Ankunft auf dem Floß verbündet sich Hiro mit den Chefs der Mafia und von Mr. Lees Groß-Hongkong. L. Bob Rife, der vorhat eine neue Ladung Flüchtlinge an Land zu lassen, weiß, daß er durch die Mafia und Mr. Lees Groß-Hongkong mit schwerem Widerstand zu rechnen hat. Deswegen nimmt er Y.T. als Geisel, um sich gegen die Mafia und die Leute von Mr. Lees Groß-Hongkong zu schützen und verlässt das Floß mit Hilfe eines Hubschraubers. Hiro hat inzwischen herausgefunden, dass Rife die Me von Enki in Gestalt einer Tonplatte bei einer Ausgrabung im alten Sumer gefunden und an sich genommen hat. Er vermutet, daß diese das einzige Mittel ist, um Rife aufzuahlten. Die Tonplatte befindet sich jedoch an Bord des Hubschraubers, der gerade dabei ist, das Floß zu verlassen. Y.T. gelingt es, diese Tontafel mit einem Fuß aus dem Hubschrauber hinauszustoßen. Hiro kann die Me von Enki an die ersten Befehlsempfänger Rifes, die „Antennenköpfe” weiterleiten. Diese „Antennenköpfe” bekommen die Me von Rife direkt über eine Antenne ins Gehirn eingespeist. Nach der 12 Übermittlung der Me von Enki, beginnen die “Antennenköpfe”, die Me verbal zu verbreiten. Die Geschichte von Babylon und der Sprachenverwirrung wiederholt sich. Als letzte Rache versucht Rife alle Hacker im Metaversum mit Snow Crash zu infizieren. Hiro, der ein Porgramm zum Aufspüren von Snow Crash geschrieben hat, gelingt es, auch diesen Plan im letzten Augenblick zu verhindern. Y.T. kann durch ihre Kurierkollegen befreit werden. Schliesslich wird Rife durch die Explosion seines Privatjets getötet. [3] 4.2 Visionen der virtuellen Präsenz in Snow Crash Der zentrale Bestandteil in Neal Stepehensons Vision der virtuellen Welt ist das sogenannte Metaversum. Das Metaversum, eine virtuelle Welt, basiert auf einem weltweit zugänglichen Fiberoptik-Netzwerk. Die Visualisierung des Metaversums ergibt das Abbild einer großen Straße, die um den Äquator einer riesigen, schwarzen Kugel verläuft. Man klinkt sich in das Metaversum mit einem Rechner ein, der mit dem weltweiten Netz verbunden ist. Dieser besitzt drei verschiedene Laser in seinem Inneren – einen roten, einen grünen und einen blauen. Eine Linse am Computer, die sich stets auf den Benutzer ausrichtet, projiziert mit Hilfe dieser Laser das Abbild des Metaversums, auf die Brillengläser einer Spezialbrille. Dadurch entsteht direkt vor den Augen des Nutzers die Vision des Metaversums. Durch Ausnutzung des Stereoeffektes, was durch die Projektion geringfügig unterschiedlicher Bilder für das rechte und das linke Auge erreicht wird, erscheint das Abbild des Metaversums dreidimensional. Die Bildaufbaurate beträgt zweiundsiebzig Hertz, was einen flüssigen Ablauf der Darstellung von Bewegung im Metaversum erlaubt. Für eine perfekte und gestochen scharfe Darstellung der Virtualität sorgt eine Auflösung von 2K Pixeln pro Auge. Um die virtuelle Welt vollständig zu machen gibt es neben der optischen Darstellung des Metaversums auch eine akkustische. Wird im Metaversum eine Aktion durchgeführt, die laut dem Programmcode des Metaversums zu einem Geräusch führt, so wird dessen akkustische Repräsentation vom Computer erzeugt und durch Stereokopfhörer dem Benutzer übermittelt ([3] S.32/33). Die Intensivität des Eintaucherlebnisses in die virtuelle Welt ist an folgendem Zitat zu erkennen: “(...) Deshalb ist Hiro eigentlich gar nicht hier. Er befindet sich in einem computergenerierten Universum, das der Computer auf seine Brille zeichnet und in seine Kopfhörer pumpt. In der Lingua wird dieser imaginäre Ort das Metaversum genannt.” ([3] S.33) Die Illusion sich in einer anderen Welt zu befinden ist demnach nahezu perfekt. Um die Virtualität real erscheinen zu lassen, benötigt man natürlich einen virtuellen Körper. Ein solcher Avatar ist wiederum ein Stück Software, das eingebettet in der übergeordneten Software des Metaversums läuft. Der Gestaltung eines Avatars sind nur wenige Grenzen gesetzt. So ist z.B. die Größe des Avatars auf die Größe des Menschen beschränkt, der den Avatar benutzt, was riesige Größenunterschiede zwischen den Avataren verhindern soll. Stephenson beschreibt die Avatare folgendermaßen: “(...) Er sieht selbstverständlich keine wirklichen Menschen. Dies gehört alles zu der beweglichen Graphik, die sein Computer gemäß Informationen erstellt, die über das Glasfaserkabel hereinkommen. Die Menschen sind Softwareteile, die man Avatar nennt. Es 13 handelt sich um die audiovisuellen Körper, die Menschen benutzen, um im Metaversum miteinander zu kommunizieren. Hiros Avatar hält sich momentan ebenfalls auf der Straße auf, und wenn die Paare, die von der Einschienenbahn kommen, in seine Richtung schauen, können sie ihn sehen, so wie er sie sehen kann. Sie könnten eine Unterhaltung beginnen: Hiro im U-Stor-It in L.A. und die vier Teenager wahrscheinlich auf einer Couch in einem Vorort von Chicago, jeder mit seinem eigenen Laptop. (...) Der eigene Avatar kann aussehen, wie man es selber haben will, bis an die Grenzen der eigenen Ausrüstung. Wenn man häßlich ist, kann man seinen Avatar zu einer Schönheit machen. Wenn man gerade aus dem Bett aufgestanden ist, kann der Avatar trotzdem wunderschöne Kleidung und professionell aufgelegtes Make-up tragen. Man kann im Metaversum wie ein Gorilla oder ein Drachen oder ein gigantischer sprechender Penis aussehen. Wenn man nur fünf Minuten die Straße entlanggeht, wird einem das alles begegnen.” ([3] S.47) Die freie Gestaltbarkeit der Avatare ist ein Grundprinzip des Metaversums. Wer sich keinen eigenen schreiben kann, kann sich entweder einen Avatar individuell anfertigen lassen, oder er kauft einen „Bausatz” von der Stange. Avatare können sich unterhalten wie zwei Menschen, die sich in der realen Welt gegenüberstehen. Um ein wirres Chaos auf der Straße, wo bis zu 60 Millionen potentielle Benutzer gleichzeitig anzutreffen sind, zu verhindern, ist das Programm des Metaversums so geschrieben, dass die Avatare durchscheinend abgebildet werden und man sich mit seinem eigenen Avatar durch sie hindurchbewegen kann, wenn größere Ansammlungen von Avataren auf geringem Raum auftreten. Man kann sich in das Metaversum begeben, einbrillen wie Stephenson es nennt, indem man die Verbindung über einen eigenen Rechner oder über eine öffentliche „Zelle” herstellt.Je nach der Qualität der Verbindung schwankt auch die Darstellungsqualität der Avatare. So gibt es Avatare, die absolut real aussehen und wieder andere Avatare, die beispielsweise nur in schwarz-weiß dargestellt sind – meistens Avatare von Benutzern, die sich über eine öffentliche Zelle eingebrillt haben. Man kann sich mit seinem Avatar nicht an einem beliebigen Ort des Metaversums materialisieren, da dies die Illusion einer “realen” Welt beeinträchtigen würde. Wenn man ein eigenes Haus im Metaversum besitzt, befindet man sich nach dem Einbrillen dort. Ansonsten materialisiert man sich in einer Schleuse auf der Straße, die aus den 256 Expressschleusen bestehen, die wiederum in jeweils 256 Lokalschleusen im Abstand von je einem Kilometer unterteilt sind. Im Metaversum kann man sich ein Grundstück kaufen und sich darauf ein Haus “bauen”. Neal Stephenson schreibt, daß es im Metaversum sogar Bauunternehmer gibt. Diese Bauunternehmer stellen die Software her, die einem Haus im Metaversum entspricht. Das Metaversum wird nicht nur von Avataren bevölkert, sondern auch von den sogenannten Daemonen. “Daemon entstammt dem alten Sprachgebrauch des UNIX Operating Systems, wo es eine Utility-Software auf unterster Stufe bedeutete, den grundlegenden Teil des Betriebssystems. In The Black Sun ist ein Daemon wie ein Avatar, aber er repräsentiert keinen Menschen. Es ist ein Roboter, der im Metaversum lebt. Ein Stück Software, eine Art Geist in der Maschine, normalerweise mit einer bestimmten Rolle, die er ausführen muß.” ([3] S.69) Informationen können im Metaversum durch Hypercards weitergegeben werden. Bei der Benutzung einer Hypercard läuft das Programm der Hypercard ab und steht für die Interaktion durch den Benutzer bereit. Ein Beispiel dafür ist die Bibliothek samt dem Bibliothekars-Daemon, in der Hiro seine Nachforschungen anstellt. Die Hypercard ändert Hiros Haus derart ab, dass sich dort nach deren Benutzung ein Anbau mit der Bibliothek 14 befindet. Neu hinzugekommen in Hiros Wohnung ist danach auch die ERDE, wobei es sich um eine verkleinerte Darstellung der Erde handelt. Man kann beliebig weit an jeden Ort der Erde hineinzoomen und erhält damit zum Beispiel aktuelle Bilder des Ortes, die von Überwachungssatelliten stammen. Hier gibt es also eine entsprechende Beziehung zwischen der realen Erde und der virtuellen Repräsentation. Theoretisch ist es möglich, im Metaversum eine Verbindung zwischen Gegenstäden der realen Welt und ihren virtuellen Pendants herzustellen. Man benötigt dazu nur den entsprechenden Daten-Input des realen Gegenstandes und kann diesen dann softwareseitig auf den virtuellen Gegenstand übertragen. Ein weiterer wichtiger Punkt im Metaversum ist die Mobilität. Am Anfang gab es im Metaversum kein angestammtes Transportsystem. Die ersten Menschen, die sich dort aufhielten, schrieben sich deswegen Software, die ihnen Transportmittel zur Verfügung stellte. Im Buch wird als Beispiel eine Motorrad-Software genannt, durch die die Repräsentation eines Motorrads im Metaversum gelingt. Da es sich beim Metaversum um eine virtuelle Welt handelt, gelten nicht die physikalischen Gesetze der realen Welt. Das Metaversum basiert auf einer eigenen Physik, die von den Entwicklern der Software einprogrammiert wurde. So kann ein Transportmittel im Metaversum prinzipiell beliebig schnell sein. Die Geschwindigkeit wird nur durch die Reaktionsschnelligkeit des Benutzers eingeschränkt. Als immer mehr Avatare das Metaversum bevölkerten, wurde ein für jeden zugängliches Transportmittel notwendig. Dieses findet sich in der Einschienenbahn, die genau in der Mitte der Straße verläuft und in regelmäßigen Abständen Haltestellen, die sogenannten Ports, besitzt. Eine Adresse im Metaversum wird deswegen auch meistens mit der Portnummer der entsprechenden Haltestelle der Einschienenbahn angegeben. Mit dem folgenden Zitat erwähnt Stephenson in seinem Roman eine interessante Perspektive für virtuelle Welten: “Da5id Meier, Hackerlord, Gründungsvater der Verfassung des Metaversums (...)” ([3] S.94) Das Metaversum besitzt eine eigene Verfassung, auf deren Inhalt Stephenson leider nicht weiter eingeht. Man kann vermuten, dass es sich hierbei weniger um soziale oder gesellschaftliche Gesetze handelt, sondern vielmehr um praktische, den direkten Betrieb des Metaversums angehende Regelungen. Zum Beispiel könnte die Beschränkung des Avatars auf die tatsächliche Größe des Benutzers ein Bestandteil dieser Verfassung sein. Ebenso, dass sich ein Benutzer nur mit einem einzigen Avatar zu jedem Zeitpunkt im Metaversum aufhalten kann und sich nicht mit mehreren gleichzeitig materialisieren kann. Zusammenfassend kann man sagen, daß Stephenson in seinem Roman eine sehr detaillierte und ausgearbeitete Vision der virtuellen Realität und der virtuellen Präsenz beschreibt.In seiner Vision führen viele Menschen zwei Leben: eines in der Realität und eines im Metaversum. 4.3 Auswirkungen der virtuellen Präsenz auf die Menschen, die Gesellschaft und die Wirtschaft in Snow Crash Das Metaversum hat das Alltagsleben der Menschen verändert. Die virtuelle Realität wirkt sich auf die Freizeitgestaltung vieler Menschen aus. Das Metaversum bietet ihnen die Möglichkeit, in eine andere Welt einzutauchen, sich selbst in Form des persönlichen Avatars zu inszenieren und anders darzustellen, als man in der Realität ist – im Schutze der Anonymität lassen sich neue Bekanntschaften innerhalb des Metaversums knüpfen, wobei das 15 sensorische Erlebnis, d.h. der Eindruck einer echten Person gegenüberzustehen, sehr nahe an einer echten Begegnung ist. Dabei spielt es keine Rolle, wo man sich in der realen Welt befindet. Das greifbare Erleben der virutellen Realität geht soweit, daß man im Metaversum ein zweites Leben führen kann. Man kann sich Grundstücke kaufen, ein Haus bauen oder sich einfach in einer Kneipe treffen. Dies hat natürlich starke Auswirkungen auf das reale Leben, denn in der Zeit, in der man im Metaversum ist, blendet man die reale Welt und sein Leben in der Realität fast komplett aus. Die Menschen im Metaversum lassen sich in mehrere Schichten einteilen, die teilweise auch die reale Vermögenssituation widerspiegeln. Es gibt diejenigen, die sich mit eigener Ausrüstung und einem eigenen, maßgeschneiderten Avatar in das Metaversum einklinken. Andererseits gibt es Menschen, die sich keinen individuell angefertigten Avatar leisten können und sich deswegen mit einem Avatar von der Stange ins Metaversum begeben. Als dritte Gruppe gibt es Menschen, die keine eigene Ausrüstung besitzen und sich nur über öffentliche Stationen ins Metaversum einloggen können. Diesen Menschen steht im Normalfall auch nur ein schwarz-weiß Avatar zur Verfügung. Das Metaversum hat nicht nur die Freizeitgestaltung verändert, sondern auch zu einer Revolution in der Art und Weise, wie sich Menschen Informationen beschaffen, geführt. Über Hypercards können Informationen weitergereicht werden. Diese Informationen lassen sich dann zum Beispiel mit einem ebenfalls auf der Hypercard befindlichen Daemon durchsuchen und analysieren. Dazu kann man mit dem Daemon interagieren wie mit einem Menschen. Das heißt, es ist nicht mehr notwendig sich die Informationen über irgendwelche strukturierten Abfragesprachen herauszufiltern, sondern die Informationsbeschaffung findet in der natürlichen Weise eines Gespräches mit dem Daemon statt. Ein Beispiel für diese Art der Informationsbeschaffung ist der Bibliothekars-Daemon im Buch, mit dem Hiro lebendige Gespräche führt und so zu neuen Informationen gelangt. Auch das Geschäftsleben ist stark durch die Möglichkeiten des Metaversums beeinflusst. Geschäftsleute aus aller Welt treffen sich häufig nicht mehr in der realen Welt, sondern halten ihre Meetings in der Virtualität des Metaversums ab. Firmen haben nicht mehr nur in der realen Welt Vertretungen, sondern unterhalten auch Gebäude und Vertretungen im Metaversum. Damit erschliesst sich eine weltweite Kundschaft, die von überall aus die Firmen im Metaversum besuchen und mit den Mitarbeitern beispielsweise über Produkte der Firma sprechen kann. Da irgendwo in der Welt zu jedem Zeitpunkt Geschäftszeit ist, haben die Vertretungen im Metaversum 24 Stunden am Tag geöffnet. Will man sich in das Metaversum einklinken, so führt für den Verbindungsaufbau praktisch kein Weg an dem Fiberoptik-Netz von L.Bob Rife vorbei. Die große Bedeutung der Virtualität und des Metaversums hat in der Welt von Snow Crash dazu geführt, dass ein Quasi-Monopol für die Netzinfrastruktur entstanden ist bzw. monopolistische Strukturen noch verstärkt wurden. Die Macht eines einzelnen reicht deswegen so weit, dass er die Entwicklung des Metaversums und die Benutzer im Metaversum direkt beeinflussen und dessen Möglichkeiten für seine Zwecke mißbrauchen kann. Das Metaversum hat deutliche Auswirkungen auf die Gesellschaft und auf die Wirtschaft der von Stephenson beschriebenen Welt. Diesen Sachverhalt kann man kurz und treffend folgendermaßen umschreiben: das Metaversum bietet eine zweite, in sich geschlossene Welt, die in einer “anderen Dimension” angesiedelt ist. 16 4.4 Fazit zu Neal Stephensons Snow Crash Neal Stephenson beschreibt in seinem Roman Snow Crash eine Welt, in der die Virtualität eine wichtige Rolle spielt. Dabei gelingt es ihm, eine Vision der virtuellen Welten und der virtuellen Präsenz zu beschreiben, die insgesamt sehr durchgängig und einleuchtend wirkt. Stephenson geht dabei stark auf Details bei der verwendeten Technik, die die virtuelle Welt erst möglich macht, und bei der Beschreibung der Virtualität selbst ein. Dabei hat man als Leser immer das Gefühl, dass man diese Dinge alle „schon mal gehört” hat und auf eine gewisse Art zu kennen glaubt. Dies zeigt sehr deutlich, daß Stephenson eine durchaus realistische Interpolation unserer heutigen Möglichkeiten im Bereich der virutellen Realität und Präsenz gelingt. Diese Visionen versteht Stephenson in eine spannende und rasante Story rund um die zwei Hauptpersonen Hiro Protagonist und Y.T. zu verpacken, in der RealweltSzenen mit solchen im Cyperspace ausgewogen abwechseln. Die virtuelle Realität wird ein tatsächlicher Bestandteil der Handlung und erscheint somit nicht nur als überflüssiges Beiwerk. Snow Crash wird zurecht als einer der Klassiker und visionären Romane in der Cyberpunk-Literatur gehandelt. 5 Vergleich der Visionen der virtuellen Realität zwischen Slant, Cyberknights und Snow Crash In den vorangegangenen Kapiteln wurden drei Genrevertreter der Cyperpunk-Literatur betrachtet und die Visionen in Hinblick auf die virtuelle Realität und Präsenz der Autoren herausgearbeitet. In diesem Kapitel nun sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Beschreibungen der drei Autoren untersucht werden. Dies kann vor allem bei einer Bewertung der Realitätsnähe bzw. Verwirklichbarkeit der Visionen hilfreich sein. Schaut man sich die drei unterschiedlichen Visionen nochmals an, dann stellt man sehr schnell fest, dass sich Greg Bears Vision in Slant deutlich von den anderen beiden Romanen unterscheidet. Bear beschreibt eine virtuelle Realität, in der es zum einen interaktive „Sendungen”, die sogenannten Vids und andererseits Fibe-Kommunkikationsräume und -Foren gibt, die den heutigen Chaträumen im Internet nachempfunden zu sein scheinen. Zusätzlich dazu gibt es das Yox, das eine ganz andere Richtung in der virtuellen Realität einschlägt, indem es Emotionen direkt vom Gefühlszentrum einer „sendenden” Person auf das Gefühlszentrum „empfangender” Personen leitet. Virtuelle Realität und Präsenz besteht hier darin, daß Emotionen einer Person gleichzeitig auch zu „virtuellen” Emotionen anderer Personen werden und damit das subjektive Erleben eines Menschen von anderen Personen direkt nachempfunden wird. In Slant existieren mit Vid, Fibe-Kanälen und Yox verschiedene Möglichkeiten, die virtuelle Realität zu erleben. Es gibt keinen durchgängigen Cyberspace, der alle Dienste, wie wir sie teilweise auch heute vom Internet kennen, in sich vereint. Einen anderen Weg beschreiten hier Bodie und Stephenson in ihrer jeweiligen Darstellung der virtuellen Präsenz. Der Cyberspace sowohl in Cyberknights, als auch in Snow Crash, wird beschrieben als eine Welt, in die man sich “körperlich” mit Hilfe eines Avatars begibt. Da es sich um rechnergenerierte Welten handelt, gelten nur physikalische Gesetze, die von den Entwicklern programmiert wurden, und nicht die der Realität. Trotzdem sind diese Welten der Realität nachempfunden - in beiden Romanen ist die Visualisierung des Cyberspace eine dreidimensionale Welt, in der sich dreidimensionale Avatare, wie Stephenson sie nennt, bzw. Fakes, wie sie in Cyberknights heissen, bewegen können. Diese virtuellen Welten manifestieren sich in Cyberknights als die sogenannten CyberNetCities, von denen es mehrere 17 gibt, die voneinander getrennt sind. Zusätzlich zu den CyberNetCities gibt es auch die Nets, ebenfalls voneinander abgetrennte virtuelle Räume. Die CyberNetCities dienen der Unterhaltung und Freizeitgestaltung der Menschen, wo sie gefahrlose Abenteuer erleben können. Geschäftliche Besprechungen, virtuelle Arbeitsplätze oder virtuelle Ladengeschäfte gibt es in abgetrennten Nets. Hier geht Stephenson in Snow Crash einen etwas anderen Weg. Der Cyberspace besteht dort aus einer zusammenhängenden virtuellen Welt, dem sogenannten Metaversum, das als schwarze Kugel mit einer Strasse um den Äquator visualisiert ist. Private virtuelle Räume stellen sich hier als eigene Häuser bzw. Gebäude dar, die man alle von der Straße aus erreichen und betreten kann. Es gibt nicht mehrere, in Anlehnung an die Nets in Cyberknights, voneinander abgetrennte Metaversen, die unterschiedlichen Zwecken dienen. Das Metaversum dient gleichzeitig der Freizeitgestaltung, der privaten bzw. geschäftlichen Kommunikation mit anderen Avataren, sowie der Wirtschaft und Industrie für Meetings und virtuellen Repräsentation mittels ihrer Vertretungen im Metaversum. Anders als in Slant vereinen diese virtuellen Welten in Cyberknights und Snow Crash viele verschiedene Dienste dadurch in sich, dass sie der Realität nachempfunden sind. Wo Avatare in natürlicher Weise miteinander sprechen können, sind Angebote wie Chaträume überflüssig geworden. Ein Unterschied zwischen Cyberknights und Snow Crash stellt die Art und Weise dar, wie man sich in den Cyberspace begibt. In Cyberknights taucht man wirklich vollständig in die Virtualität ein, indem direkt das Nervensystem des Benutzers angesprochen wird, was eine gewisse Übereinstimmung mit dem Yox in Slant darstellt. Das Eintaucherlebnis in Cyberknights ist keine “Einbahnstraße”, wo nur Impulse vom Benutzer an das System weitergegeben werden. Vielmehr kommen auch Impulse aus dem Cyberspace zum Benutzer zurück, in Form von sogenannten NeuroSlams. Funktionieren gewisse Sicherungen nicht, die der Cyberspace bietet, dann können sogar lebensgefährliche NeuroSlams den Benutzer erreichen. In Snow Crash hingegen wird die Verbindung zum Metaversum über eine Kamera, eine spezielle Brille und Kopfhöhrer hergestellt. Der Benutzer ist über die normalen Wege der Sinnesorgane mit dem Cyberspace verbunden. Aktionen im Metaversum haben deswegen keine direkten Auswirkungen auf den Körper des Benutzers, sondern nur über den Umweg der Sinnesorgane. Eine weitere Übereinstimmung zwischen Cyberknights und Snow Crash findet man darin, daß nicht nur Avatare den Cyberspace bevölkern, sondern auch computergenerierte Figuren, die Bodie Toolies und Stephenson Daemonen nennt. Diese können vielfältige Aufgaben im Cyberspace haben, wie z.B. der Bibliothekars-Daemon in Snow Crash. Sie machen die Möglichkeiten der virtuellen Welt erst vollständig nutzbar. Die Autoren aller drei Bücher sind sich darüber einig, daß die virtuelle Realität und Präsenz Auswirkungen auf alle Lebensbereiche haben, sei es auf die Gestaltung der Freizeit, oder auf die Wirtschaft. In jedem Roman ist die Rede davon, daß die Menschen oft mehr Zeit im Cybersapce verbringen, als in der Realität. Für viele ist das Leben im Cyberspace in allen drei Büchern realer als das wirkliche Leben in der realen Welt. Bodie mit Cyberknights und Stephenson mit Snow Crash beschreiben Visionen der Virtualität, die konzeptionell große Ähnlichkeiten miteinander aufweisen. Greg Bear hingegen schlägt mit Slant eine andere Richtung ein, indem er nicht einfach eine der realen Welt nachempfundene virtuelle Welt darstellt, sondern sich vor allem mit dem Yox auf eine andere Ebene des virtuellen Erlebens begibt. Welche dieser Visionen der Realität am nächsten kommt und am ehesten als verwirklichbar erscheint, ist Gegenstand des nächsten Kapitels. 18 6 Realitätsnähe der Visionen in den drei Romanen Bis zu diesem Punkt hat sich die Ausarbeitung damit beschäftigt, wie drei Autoren der Cyberpunk-Literatur die Zukunft der virtuellen Realität und Präsenz sehen und beschreiben. In diesem abschliessenden Kapitel soll nun der Frage nachgegangen werden, welche dieser Visionen realistisch oder verwirklichbar erscheinen und ob in heutigen Ansätzen schon Teile dieser Visionen erkennbar sind. Die Wechselwirkungen zwischen SF-Literatur und Forschung sind, anders als viele vielleicht denken würden, ein ernstzunehmendes Thema. So beschäftigen sich alljährlich Autoren, Forscher, Philosophen und Mathematiker mit diesem Thema, wenn sie bei den “Wetzlarer Tagen der Phantastik” zusammentreffen. So schrieb die Südwestpresse zu dieser Veranstaltung: “ Viele Gedankenspiele aus der Science Fiction sind in die Realität übergegangen (...) Besonderes Augenmerk gilt eben den Wechselwirkungen von Literatur und Forschungsrealität (...)” [4] Mit der Aussage dieses Zitates im Hinterkopf werden im folgenden zunächst die Visionen von Greg Bears Slant genauer untersucht. Bear schreibt vom Vid, bei dem man interaktiv in eine Sendung eingreifen und sogar das virtuelle Leben einer der Figuren der Sendung übernehmen kann. Seit vielen Jahren wird von Herstellern, bestimmten Sendeanstalten und den Medien das sogenannte TV-on-demand propagiert, bei dem der Zuschauer eine bestimmte Sendung zu einem selbstgewählten Zeitpunkt anschauen kann. Ebenso hielt sich in den neuniziger Jahren die Idee vom interaktiven Film hartnäckig und wurde immer wieder diskutiert. Dabei sollte es sich um Filme handeln, bei denen die Zuschauer an bestimmten Verzweigungen der Geschichte wählen sollten, welchen weiteren Verlauf der Film nimmt. Beides, sowohl TV-ondemand, als auch die Idee des interaktiven Films haben bis heute nur sehr wenig Erfolg bei den Konsumenten gehabt. Das Vid aus Slant wirkt wie eine weiterentwickelte Version des TV-on-demand mit einer interaktiven Komponente, die weit über die Ideen des interaktiven Films unserer Zeit hinausgehen. Die Idee des Vid in Slant ist somit nicht völlig neu. Mit der Weiterentwicklung der Technik und der Möglichkeiten, virtuelle Räume darzustellen und sich in ihnen zu bewegen, ist es vorstellbar, in Zukunft auch ein solches Maß an Interaktivität in Filmen zu erreichen. Ein anderer Teil der virtuellen Präsenz in Slant wird gebildet von den Fibe-Kanälen mit ihren verschiedenen Diensten. Die Fibe-Kommunikatiosnräume finden ihr direktes Äquivalent in den Chaträumen des heutigen Internet. Überhaupt scheint der eigentliche Aufbau des Fibes den Strukturen des Internet sehr ähnlich zu sein. Es gibt wie im Internet die Möglichkeit, über Eingabe von Begriffen, Angebote im Datennetz zu suchen. Die heutigen Websites werden ersetzt durch öffentliche und private Fibes. Man kann das Fibe als eine direkte Weiterentwicklung des Internets betrachten, was auch durch folgendes Zitat unterstützt wird: “Fibes und Satlinks wurden früher als Neue Medien und Internet bezeichnet. Langsam und primitiv, aber das Prinzip war von Anfang an klar.” ([3] S.100) Die eigentliche Revolution der virtuellen Präsenz in Slant ist jedoch das Yox. Abgesehen davon, ob eine solche Entwicklung überhaupt wünschenswert wäre, klingt die Direkteinspeisung von Emotionen in ein Datennetz stark nach realitätsferner Phantasterei. Gerade die Erforschung der Emotionen, deren Entstehung und Gründe für ihre Existenz, ist noch lange nicht so weit fortgeschritten, dass man sich vorstellen kann, diese einfach “anzuzapfen”. Auch eine Technologie, wie die Nanotechnologie in Slant, ist weit weg von den 19 realen Entwicklungen in der Biotechnologie. Das Yox ist nach heutigen Maßstäben und Stand der Technik kaum als Realisierung vorstellbar und es bleibt abzuwarten, ob so etwas jemals verwirklicht werden kann. Wie im letzten Kapitel schon erkennbar geworden ist, weisen die Visionen in Cyberknights und Snow Crash in eine ähnliche Richtung. Bei beiden geht es um die dreidimensionale Manifestation einer virtuellen Welt, die der realen Welt nachempfunden ist. Auffällig ist, daß die Konzeption des Cyberspace in beiden Romanen andere Schwerpunkte legt als unser heutiges Internet. Anders als im Internet liegen diese nicht auf der Bereitstellung von Informationen, sondern auf dem Erleben einer anderen Welt. Das Eintauchen in den Cyberspace mittels einer Kamera, einer Spezialbrille und Kopfhörern in Snow Crash erinnert dabei stark an die ersten “Gehversuche” der virtual reality. Abbildung 1 Dabei begab sich ein Benutzer mit Hilfe eines VR-Helms (s. Abbildung 1) und eines Datenhandschuhs in eine virtuelle Umgebung. Der VR-Helm beinhaltet zwei kleine “Monitore”, so daß wegen des Stereoeffektes der Benutzer einen dreidimensionalen Raum sieht. Die Technik in Snow Crash, mit der sich ein Mensch in den Cyberspace begeben kann, ist eine konsequente Fortführung der Ideen aus den Anfangsjahren der virtual reality und scheint demnach technisch in einer nicht allzufernen Zukunft durchaus vorstellbar. Nicht ganz so nah an den Möglichkeiten der heutigen Zeit ist Bodie mit der Technik des Verbindungsaufbaus zum Cyberspace in Cyberknights. Das zentrale Gerät hier ist der Starlin, der den Benutzer über eine direkte Verbindung zwischen dem Nervensystem und dem Cyberspace in die virtuelle Realität eintauchen lässt. Es wird zwar zum Beispiel im Bereich der Prothesen heute schon sehr stark an einer möglichst guten Kopplung zwischen Prothese und Nervensystem des Patienten geforscht, eine direkte und zuverlässige Kopplung zwischen Gerät und Nerven ist jedoch noch Zukunftsmusik. Dennoch scheint es in einer etwas weiter entfernt liegenden Zukunft denkbar, dass es tatsächlich möglich sein könnte, Nervenimpulse direkt zur Bewegung von virtuellen Avataren anzuzapfen. Eine Vision der beiden Romane ist letztlich schon Wirklichkeit geworden. Im Internet gibt es heute schon ganze virtuelle Städte, in denen man sich unter anderem ein eigenes virtuelles Haus bauen und ein vollständiges virtuelles Leben führen kann [5] . Und folgendes scheint ebenfalls schon jetzt eine Tatsache zu sein: für viele ist der Aufenthalt in den virtuellen Welten von Internet, ICQ und Chaträumen Bestandteil des Alltags und oftmals genauso real wie das Leben in der Wirklichkeit. Wie sich die Zukunft der virtuellen Präsenz nun tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die drei Romane haben einige mögliche Perspektiven aufgezeigt. So könnte es sein, daß wir in naher Zukunft einige Zeit unseres Alltags in einer Art Metaversum verbringen. Jedoch eines muß bei allen Visionen immer berücksichtigt werden: nicht alles was technisch möglich ist, ist auch von den Konsumenten gewollt und so könnte es sein, daß sich 20 die virtuelle Realität in ganz andere Richtungen entwickeln wird, als Forscher, Visionäre und die Industrie sich das heute vorstellen. 7 Referenzen [1] Greg Bear, Slant, Verlag: Heyne, ISBN: 3-453-17096-2 [2] Julian Bodie, Cyberknights – Babylon Head Hunter, Verlag: Goldmann, ISBN: 3-442-23690-8 [3] Neal Stephenson, Snow Crash, Verlag: Blanvalet, ISBN: 3-442-23686-X [4] Südwestpresse 13.09.2003 [5] www.activeworlds.com 21