HU WiSSEN 3 - Hu

Transcription

HU WiSSEN 3 - Hu
H U M B O L D T S F O R S C H U N G S M AG A Z I N
H U M B O L D T R E S E A R C H M AG A Z I N E
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1
Liebe Leserinnen
und Leser,
Dear Readers,
viele Mitglieder der Humboldt-Universität zu Berlin sind zurzeit gespannt.
Denn es werden noch einige Monate vergehen, bis sie erfahren, welche Graduiertenschulen und Cluster, vor allem aber, ob
das Zukun skonzept im Exzellenzwettbewerb erfolgreich war. Geistes-, Naturwissenschaen und die Medizin – Vertreter
aller drei Fachkulturen der Humboldt-Universität haben im vergangenen Jahr viel
Arbeitszeit und Denkleistung in die Langanträge gesteckt. Insgesamt 15 gebundene Bücher haben das Haus verlassen. Dazu
zählt das Zukun skonzept der HumboldtUniversität »Bildung durch Wissenscha :
Persönlichkeit – Offenheit – Orientierung«. Außerdem bewerben sich vier Exzellenzcluster, zwei davon sind Fortsetzungen aus der ersten Runde, und zehn
Graduiertenschulen, davon sind sechs
zum zweiten Mal dabei. Im Sommer 2012
werden die Deutsche Forschungsgemeinscha und der Wissenscha srat verkünden, wer den Zuschlag erhält.
Wir haben die Beiträge dieses He s
den Bewerbern gewidmet und wollen Ihnen, liebe Leser, einen Einblick geben, in
welche Forschungsvorhaben unsere Wissenschalerinnen und Wissenschaler
das Geld von Bund und Ländern bislang
investiert haben, beziehungsweise wofür
sie es in Zukun einsetzen möchten. Wir
wollen Ihnen auch zeigen, in welche Richtung sich Humboldts Universität entwickeln möchte, damit alle ihre Mitglieder
ihr Können noch besser entfalten können.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihre Redaktion
many members of Humboldt-Universität zu Berlin are quite keyed up at the
moment: there are still a good few months
to go before a decision is reached on which
Graduate Schools and Clusters – and most
importantly whether the Institutional
Strategy – will be awarded Excellence Initiative funding. Over the past year, representatives from the humanities, the natural sciences and medicine at HU have invested a great deal of time and thought in
compiling the full proposals. In all, the
University has submitted 15 bound volumes to the Excellence Initiative. They contain the proposals for HumboldtUniversität’s Institutional Strategy entitled
»Bildung Durch Wissenscha. Educating
Enquiring Minds: Individuality – Openness
– Guidance«, for four
Clusters of Excellence
(two of which are renewal proposals from
the first round) and for ten Graduate
Schools (six of which are renewal proposals). In summer 2012, the German Research Foundation and the German Council of Science and Humanities will announce the winners of the competition.
The articles in this magazine are dedicated to the people behind the proposals
and their plans. We want to give you an
idea of the research projects that our scientists and scholars have implemented
with funds from the federal and state
governments, and of those that they
would like to implement in future. We also
want to show you the path that HumboldtUniversität intends to take to give all its
members even better opportunities for developing their full potential.
Happy reading!
The Editorial Team
Mehr über exzellente Forschung an
der Humboldt-Universität
Further Information on excellence in
research at Humboldt-Universität
EDITORIAL
1
2
Inhalt
Content
ZUKUNFTSKONZEPT
INSTITUTIONAL STRATEGY
4
Wissen, wohin der Zug fährt
We know where we’re heading
NATURWISSENSCHAFTEN
NATURAL SCIENCES
SAMMLUNG IN BILDERN
COLLEC TION IN PIC TURES
54
MEDIZIN
MEDICINE
Die Sammlung des
Winckelmann-Instituts
The Winckelmann
Institute collection
GEIS TESWISSENSCHAFTEN
THE HUMANITIES
98
Analytisches Denken in den
Naturwissenschaen verändern
Changing analytical thinking
in the natural sciences
108 Bis ins kleinste Detail
Down to the tiniest detail
117 Durch die Brille der Landnutzung
The land use perspective
126 Vom Luxus, der einem
geschenkt wird
The gi of luxury
132 Inspiriert durch die Natur
Inspired by nature
14
Fundgrube der Gene
A genetic gold mine
64
Der Seele einen Ort geben
Seeking the soul
24
Weltweit einmalig
One of a kind
74
Soziologie der Wall-Street
Wall Street sociology
32
Hand in Hand zu neuen Therapien
Working hand in hand to
find new approaches to treatment
84
Das Unvermutete der Dinge
The unexpected element
92
40
Virtuelle Rehabilitation
für Schlaganfallpatienten
Virtual rehabilitation
for stroke patients
Eine Frauenzeitschri ohne Frauen
A woman-free woman’s magazine
46
Zelle trif auf Material
Combining cells with material
INHALT / CONTENT
3
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
Wissen, wohin
der Zug fährt
We know where
we’re heading
Ein Gespräch mit dem Präsidenten Jan-Hendrik Olbertz
über die Chancen in der Exzellenzinitiative und die Zukun
der Humboldt-Universität
President Jan-Hendrik Olbertz talks about the opportunities offered
by the Excellence Initiative and about the future of Humboldt-Universität
Das Gespräch führten Ljiljana Nikolic und Constanze Haase
Professor Olbertz spoke to Ljiljana Nikolic and Constanze Haase
4
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deutsch
Professor Olbertz, Sie sind nun seit einem Jahr im Amt. Was
schätzen Sie, wie viel Ihrer Zeit hat die Exzellenzinitiative beansprucht?
Also, wenn ich alles, was wir vom Präsidium aus tun, um die
Universität zu entwickeln und voranzubringen, in einen Zusammenhang exzellenter Forschung stelle, dann 100 Prozent.
Im engeren Sinne betrachtet, also mit Blick auf die Erstellung
des Zukunskonzepts, hat mich die Exzellenzinitiative bestimmt o drei Viertel meiner Arbeitszeit gekostet.
Partizipation und Information während des Entstehungsprozesses waren Ihnen wichtig, dazu haben Sie FOX, das Forum Exzellenzinitiative, aus Vertretern aller Statusgruppen gegründet.
Worüber wurde am meisten gestritten?
Gestritten haben wir gar nicht, aber viel diskutiert. Eine Frage,
die uns bewegt hat, war beispielsweise, wie die Geistes- und
Sozialwissenschaen am besten zu fördern sind. Im Moment ist
die ganze Logik des Exzellenzwettbewerbs stark aus den Arbeitsweisen der Naturwissenschaen abgeleitet, und die Geisteswissenschaen haben manchmal Mühe, sich darin wiederzufinden. Für ungestörte Lektüre, kollegiale Diskurse und eine
inspirierte Atmosphäre – das brauchen Geisteswissenschaler,
und nicht nur sie – bekommen wir leider kein Geld. Wir müssen
also Förderformate finden, die den unterschiedlichen Fachkulturen differenziert Rechnung tragen. Deshalb soll an der HU
ein Forum Geisteswissenschaen gebildet werden, das die Entwicklung der Geisteswissenschaen an der Universität beobachtet, dem Präsidium Empfehlungen gibt und Vorschläge zur
Unterstützung entsprechender Vorhaben aus dem Innovationsfonds des Präsidiums unterbreitet.
Das Zukun skonzept ist mit dem Titel »Bildung durch Wissenscha« überschrieben. Was verbirgt sich hinter dem Slogan?
Das ist kein Slogan, sondern Quintessenz der Humboldtschen
Universitätsidee. Es verbirgt sich dahinter der Anspruch, Wissenscha so zu organisieren, dass ein Höchstmaß an Erkennt-
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
5
Jan-Hendrik Olbertz ist seit 2010 Präsident
der Humboldt-Universität zu Berlin. Vor seinem Lehramtsstudium 1974 bis 1978 in den
Fächern Deutsch und Musik an der MartinLuther-Universität Halle-Wittenberg arbeitete er als Horterzieher. Es folgte ein Forschungsstudium der Erziehungswissenscha ,
das er 1981 mit der Promotion beendete.
1989 habilitierte sich Olbertz und wurde
1992 zum Professor für Erziehungswissenscha an die Universität Halle-Wittenberg
berufen. 2002 wechselte er in die Politik und
wurde Kultusminister des Bundeslandes
Sachsen-Anhalt. Olbertz war Gründungsdirektor des Instituts für Hochschulforschung
Wittenberg e.V. Von 2000 bis 2002 war er Direktor der Franckeschen Stiungen zu Halle.
Seit 2005 ist er Mitglied im Präsidium des
Deutschen Evangelischen Kirchentages. Seine Forschungsschwerpunkte sind die allgemeine und historische Bildungsforschung –
insbesondere zur Hochschule – die Hochschulpädagogik, Erwachsenenbildung sowie
die kulturelle Bildung.
praesident@uv.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093 2100
Jan-Hendrik Olbertz has been President of
Humboldt-Universität zu Berlin since 2010.
Aer initially working as an educator at an
aer-school care club, Olbertz completed his
teacher training in German and music at
Martin Luther University Halle-Wittenberg
between 1974 and 1978. He then went on to
become a research student and completed his
PhD in higher education studies in 1981. In
1989 he earned his habilitation and in 1992
was appointed Professor of Education Studies
at Martin Luther University Halle-Wittenberg.
In 2002 he moved into politics and became
the Minister of Education and Cultural Affairs
for the state of Saxony-Anhalt. Olbertz was
also the founding director of the Wittenberg
Institute for Research on Higher Education.
From 2000 to 2002 he was Director of the
Francke Foundations in Halle, and since 2005
he has been a member of the executive committee of the Deutscher Evangelischer Kirchentag (German Protestant Church Convention). His academic work focuses on educational research (particularly concerning universities) from a general and historical perspective, as well as on higher education studies,
adult education and cultural education.
nis möglich ist, und zugleich höchstmöglicher Gewinn für die
forschende Persönlichkeit – also Bildung. Nachhaltig kann die
Förderung exzellenter Forschung nur sein, wenn sie mit einer
intensiven Förderung des wissenschalichen Nachwuchses einhergeht.
Was ist unter den Schlagworten Persönlichkeit, Offenheit und
Orientierung zu verstehen?
Auf diese Leitbegriffe stützt sich der gesamte Antrag. Das Thema Persönlichkeit ist Dreh- und Angelpunkt – es bedeutet, dass
die Universität alle Potenziale ihrer Mitglieder, vom Studierenden bis zum Seniorprofessor, möglichst ungehindert zur Geltung bringen will. Anders gesagt, alles was der wissenschalichen Neugier entgegenkommt, was interdisziplinäre Begegnung ermöglicht, was inspirierte Kommunikation erzeugt, soll
aufgegriffen und bestärkt werden. Das geschieht zweitens durch
Offenheit, ein lebendiges Klima des Austausches, eine intellektuelle Atmosphäre. Und drittens geht es um Orientierung – moderne, wissenschasadäquate Steuerungsprozesse, Transparenz und Partizipation. Hierzu gehört auch der Service in unserer Verwaltung, die wesentlich zu einer »Kultur der Ermöglichung« beitragen und eine ungestörte, konzentrierte Arbeit in
Forschung und Lehre ermöglichen soll. Nehmen wir als Bei-
6
spiel die Fast-Track-Option, also die Möglichkeit, den Master individuell in die
Promotion zu integrieren. Hierfür müssen wir die Strukturen an die Bedürfnisse unserer Nachwuchswissenschaler
anpassen. Wenn jemand schnell ist, darf er nicht durch die vorgegebenen Strukturen verlangsamt werden.
Werden im Erfolgsfall auch die Studierenden vom Exzellenzwettbewerb profitieren?
Unbedingt – auch wenn es in der Exzellenzinitiative in erster
Linie um die Förderung von Spitzenforschung geht. Ohne eine
aktive Einbeziehung der Studierenden ist das an einer Universität nicht möglich, jedenfalls nicht in einem nachhaltigen Sinne. Andernfalls wäre Spitzenforschung nur Phänomen einer
einzelnen Generation, vielleicht nur einer Person – wird sie
wegberufen, bricht alles zusammen. Wenn junge Menschen
aber schon während der Bachelorphase in die Forschung einbezogen werden, Projekte selbstständig bearbeiten, lässt sich exzellente Forschung auch für die Zukun sichern. Im Antrag
haben wir verschiedene Programme der Förderung festgehalten, etwa die studentischen Forschergruppen, die Geld dafür
beantragen können, dass sie gemeinsam mit einem Wissenschaler ein Forschungsprojekt bearbeiten. Auch Kooperationen mit anderen universitären und außeruniversitären Einrichtungen, wie sie derzeit in Form der Integrativen Forschungsinstitute, kurz IRI genannt, etabliert werden, fließen in
die Curricula zurück. Das Studium gewinnt so an Praxis und
Wenn junge Menschen aber
schon während der Bachelorphase in die Forschung einbezogen werden, lässt sich
exzellente Forschung auch
für die Zukun sichern
If young people are given
the chance to get involved in
research during their bachelor’s
studies, we can secure excellent
research far into the future
Entwicklungsmöglichkeiten. Durch Praktika können gute
Nachwuchswissenschaler beizeiten auffallen und auch mal
den Fuß aus der Uni heraussetzen. Sie lernen dabei, wie wichtig
es ist, über den Tellerrand des eigenen Faches oder Themas hinauszuschauen.
Sie haben schon als Präsidentscha skandidat die Verwaltungsreform angekündigt. Sie sprachen von einer »Kultur der Ermöglichung«. Was ist damit gemeint?
Mir schwebt eine Verwaltung vor, die »all in one« arbeitet, also
alle Teilaspekte eines Problems oder einer Aufgabe in einer
Hand bearbeitet und für den betreffenden Wissenschaler löst.
Wertvolle Ressourcen wie Zeit und Geld sollen im höchstmöglichen Umfang auf die originäre wissenschaliche Arbeit verwendet werden, also nicht durch unzählige Anläufe, Nachfragen oder Beanstandungen verschlissen werden. Mir ist dabei
auch bewusst, dass viele Mitarbeiter der Verwaltung selbst unter dem Mangel an Spielräumen und damit an Effizienz leiden.
Das ist ein Problem, das wir – auch zusammen mit der politischen Seite – lösen müssen.
Im Erfolgsfall endet die Finanzierung nach fünf Jahren und damit
auch der gesamte Exzellenzwettbewerb. Welche Förderformate
sind danach vorstellbar?
Längerfristig glaube ich, dass wir mit der Bindung der Universitätsbudgets an die Landeshaushalte in eine Sackgasse geraten.
Wissenscha und Bildung sind nationale Aufgaben, die nicht
allein von den Spielräumen der jeweiligen Landeshaushalte, die
inzwischen gerade im Nord-Süd-Gefälle sehr unterschiedlich
sind, abhängen dürfen. So können wir mit der deutschen Hochschullandscha im internationalen Wettbewerb nicht bestehen.
Ein aufgeklärter und moderner Föderalismus ist etwas anderes
als das, was wir derzeit praktizieren. Ich würde es begrüßen,
wenn der Bund fünf bis sieben exzellente Universitäten als
»Prototypen« für ein neues Fördermodell in seine Trägerscha
übernähme. O genug ist er ja schon heute Feuerwehrmann.
Natürlich bedüre es dazu entsprechender Übereinküne mit
den Ländern, aber diese Hürde sollte genommen werden. Wir
hätten dann eine ähnliche Situation wie in der Schweiz – in
Zürich zum Beispiel befinden sich die Eidgenössische Technische Hochschule als »Bundesuniversität« und die Züricher Universität, die vom Kanton getragen wird, in einem produktiven
und gesunden Wettbewerb.
Die HU hätte auch auf eine Teilnahme am Exzellenzwettbewerb
verzichten können. War das eine Option?
Nein, das war nie eine Option. Für die HU ist es vollkommen
richtig, dass sie teilnimmt. Wir wissen jetzt, wohin der Zug
fährt. Im Diskurs haben wir Klarheit darüber gewonnen, was
im Sinne einer erfolgreichen Zukun unserer Universität zu
tun ist. Das wird jetzt, auch unabhängig von der Exzellenzinitiative, in Angriff genommen.
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
7
Die Integrativen
Forschungsinstitute
Integrative Research Institutes
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Spitzenforschung braucht Freiräume und
Flexibilität. Innovative Fragestellungen lassen
sich omals am besten fächerübergreifend im
Team mit internationalen Kolleginnen und
Kollegen und Kooperationspartnern bearbeiten. Das Zukun skonzept der HU beinhaltet
ein umfassendes Programm zur Entwicklung
von drei Integrativen Forschungsinstituten (Integrative Research Institutes, IRI): das 2009
gegründete IRIS Adlershof, das neue IRI für Lebenswissenschaen – eine Kooperation zwischen HU, Max-Delbrück-Centrum und Charité
auf dem Campus Nord – und künig das IRI
THESys (Die großen Transformationen von
Mensch-Umwelt-Systemen) zum Themenkomplex Nachhaltigkeit, Landnutzung und Globalisierung. Diese neuen Formate der Humboldt-
8
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Universität sollen Wissenschalern, die ein
Forschungsfeld, in dem die HU eine internationale Führungsposition anstrebt, ermöglichen,
gemeinsam interdisziplinär und im Verbund
mit außeruniversitären Forschungsinstituten
zu arbeiten. Die IRI werden zeitlich befristet
eingerichtet.
Top research requires freedom and flexibility,
and ground-breaking questions are oen best
answered in an interdisciplinary team of international colleagues and partners. The HU Institutional Strategy features a comprehensive
programme for developing three Integrative
Research Institutes (IRIs). This includes further
development of IRIS Adlershof, founded in
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2009; establishment of the new IRI for the Life
Sciences –a collaboration between HU, the Max
Delbrück Center and the Charité – to be based
at HU’s Campus Nord; and preparation of IRI
THESys (The Great Transformations of HumanEnvironmental Systems), which will investigate
complex topics relating to sustainability, land
use and globalisation. This new format at
Humboldt-Universität will benefit researchers
working in fields where HU is looking to take a
leading international role by giving them the
chance, within a limited time frame, to carry
out interdisciplinary research work in collaboration with non-university research institutes.
KOSMOS Summer University
Embracing internationalism
www.hu-berlin.de/kosmos
In Anknüpfung an die Kosmos-Vorlesungen Alexander von Humboldts bieten die KOSMOS Summer Universities Raum und Zeit für intensiven
Austausch mit internationalen Forscherinnen und
Forschern. In zweiwöchigen Summer Universities
forschen und diskutieren Wissenschaler der HU,
internationaler
Partneruniversitäten
sowie
außeruniversitärer Einrichtungen zu einem Themenbereich, der im Fokus der Forschung an der
HU steht. Im Rahmen jeder KOSMOS Summer
University wird ein internationaler Wissenschaler als HU International Scholar für ein Jahr an die
HU eingeladen. Die Scholars bereiten im Team
mit den HU-Kollegen die KOSMOS University vor
und verfolgen dazu thematisch verwandte Forschungsvorhaben.
Internationale Partnerschaen wollen gepflegt werden: Die HU wird an den Fakultäten Referenten für Internationales einsetzen, um internationale Aktivitäten zu unterstützen. Zusätzlich
stehen sie als Ansprechpartner für die Studierenden bereit, um Auslandsaufenthalte zu unterstützen und den Start eines Studiums an der HU zu
erleichtern.
In the spirit of Alexander von Humboldt’s famous
Kosmos lectures, the KOSMOS Summer Universities offer international researchers space and time
for intensive exchange of ideas and information.
Each Summer University lasts two weeks, during
which scientists and scholars from HU, its interna-
tional partner universities and non-university research institutions work on and discuss a specific
topic from one of the areas of research focus at
HU. As part of each KOSMOS Summer University,
a researcher from abroad is invited to spend a
year at HU as a HU International Scholar. The
Scholars work in a team with their HU colleagues
to prepare the KOSMOS University and pursue research goals on related themes.
International partnerships require fostering
and maintenance. For this purpose, HU is appointing Officers for International Affairs at the faculties to support international activities. They will
also serve as a point of contact for students
wishing to study abroad and for new foreign students at HU.
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
9
10
k
english
Professor Olbertz, you have been in office for a year now. How
much time would you say you spent on the Excellence Initiative?
Well, if I look at it from the perspective that everything we do in
the Executive Committee to develop and drive the University falls
under the heading of excellent research, then it took up 100 percent of my time. Looking at it in the narrower sense, as the time
spent compiling the Institutional Strategy, I’m sure it took up
three-quarters of my day a lot of the time.
Participation and information were very important to you in compiling the Strategy. That’s why you set up the Excellence Initiative
Forum (FOX), which included representatives from all status
groups at HU. What did you argue about most?
We didn’t argue at all, but we had a lot of discussions. One question we were particularly concerned with was how to best promote
the humanities and social sciences. At the moment, the entire logic
of the Excellence competition is mainly derived from scientific
working methods. The humanities oen struggle to find their
place in that. Unfortunately, we won’t get any money for undisturbed reading, collegial discourse and inspiring working environments – even though that is precisely what humanities scholars,
as well as researchers in other fields, need. We therefore have to
find funding formats that are appropriate to the specific needs of
different disciplines. This is why HU is planning to set up the Humanities Forum. It will monitor the development of the humanities at HU, make recommendations to the Executive Committee,
and present proposals on supporting appropriate projects from
the Executive Committee’s Strategic Innovation Fund.
Das Thema Persönlichkeit
ist Dreh- und Angelpunkt
– es bedeutet, dass die
Universität alle Potenziale ihrer
Mitglieder möglichst ungehindert zur Geltung bringen will
Individuality is at the heart
of it all – it means that HU is dedicated to letting all its members
unfold their potential as freely as
possible
The Institutional Strategy is entitled Bildung durch Wissenscha
– Educating Enquiring Minds. What’s behind this slogan?
It’s not a slogan. It is the essence of Wilhelm von Humboldt’s idea
of a university. It expresses our desire to organise science and
scholarship in such a way as to ensure the highest level of insight
possible, while guaranteeing maximum benefit for researchers –
in terms of their education and personality development. In the
long term, promoting excellent research can only succeed if it goes
hand-in-hand with intensively promoting young researchers.
What should we understand by »individuality«, »openness« and
»guidance«?
Our entire proposal is founded on these three central concepts.
Individuality is at the heart of it all – it means that HU is dedicated to letting all its members, from students right up to senior
professors, unfold their potential as freely as possible. In other
words, we aim to respond to and strengthen everything that encourages academic curiosity, everything that facilitates interdisciplinary contact, and everything that encourages inspired commu-
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
11
Wertvolle Ressourcen wie
Zeit und Geld sollen im
höchstmöglichen Umfang auf
die originäre wissenschaliche
Arbeit verwendet werden
Valuable resources like time
and money should be available
to the greatest extent possible
for research itself
nication. We achieve this through the second principle – openness.
This is about creating a lively climate of exchange and an intellectual working environment. The third pillar of the proposal is
guidance. We are creating modern management processes that
are appropriate to an academic institution and will guarantee
transparency and participation. This includes service in our administration, which should play a big role in creating a »culture of
enablement« and allowing HU staff to fully focus on their research
and teaching work. Let’s take the example of the fast-track option
that allows outstanding students to integrate a master’s degree
into their PhD studies. This means that we have to adapt our
structures to fit the needs of our young researchers. If someone is
powering ahead in their work, they shouldn’t be slowed down by a
rigid administrative framework.
Will HU students also benefit if the University succeeds in the
Excellence Initiative?
Absolutely. The Excellent Initiative might well be first and foremost about promoting top-level research, but no university can
succeed in doing that – at least not over the long term – unless it
actively involves its students in the process. If it doesn’t involve
them, top-level research would be confined to individual generations, perhaps even to a single person. If that person leaves, everything falls apart. But if young people are given the chance to
get involved in research and work independently on projects during their bachelor’s studies, we can secure excellent research far
into the future. In the proposal we have secured a variety of funding programmes, such as one that enables student research
groups to apply for funding to work on a research project with a
12
HU researcher. Partnerships with other universities and non-university institutions – which are currently being set up in the form
of Integrative Research Institutes, or IRIs for short – will also benefit student programmes. The IRIs will offer practical and developmental opportunities for HU’s degree courses. Traineeships will
allow promising young researchers to make a name for themselves early on, and to explore life beyond the University. As a result, they will learn how important it is to look beyond the boundaries of their own subject or research topic.
Even when you were running for the presidency, you announced
plans to reform the administration. You spoke of a »culture of
enablement«. What exactly do you mean by that?
I have this image of an »all-in-one« administration – one that
deals with every aspect of a problem or task and finds a solution
that fits the researcher in question. Valuable resources like time
and money should be available to the greatest extent possible for
research itself and not be wasted on a never-ending series of errands, enquiries or complaints. But I am also well aware that
many of our administrative staff don’t have enough leeway either,
which makes it almost impossible to work efficiently. This is a
problem that we need to solve – in this case with political support.
If the proposal is successful, the funding will end in five years’
time - along with the Excellence Initiative as a whole. What sort
of funding formats do you envisage replacing it with?
In the long term, I think that linking university budgets to the
budgets of Germany’s states will lead us into a dead-end. Research and education are national responsibilities that should not
have to depend on the size of individual state budgets, which currently vary considerably – particularly across the north-south divide. If this situation continues, German higher education will not
be able to compete at an international level. An enlightened, modern federalism is far removed from what we are practicing today.
I would welcome a decision from the German Federal Government
to take over funding for five to seven excellent universities, which
would serve as »prototypes« for a new funding model. Aer all, the
federal government comes to the rescue oen enough as it is. Of
course it would require reaching specific agreements with the
states, but that’s a hurdle we should try to clear. The result would
be a situation similar to the one in Switzerland. In Zurich, for example, the Swiss Federal Institute of Technology (a »government
university«) and the University of Zurich (funded by the canton)
engage in a productive, healthy competition.
Ein Instrument,
um Wissenschaler
zu fördern
An instrument to
maximise researchers
potential
HU could have chosen not to take part in the Excellence Initiative.
Was that an option?
No, that was never an option. It is entirely right for HU to be involved. We know where we’re heading now. In the discussions on
the Initiative, it became clear what we have to do to secure a successful future for our university. And now we’re working on those
tasks – both as part of the Excellence Initiative and independently
of it.
v
Die Universität verfolgt mit ihrem Zukun skonzept drei Ziele: Unter den Leitbegriffen
Persönlichkeit, Offenheit und Orientierung
wird sie exzellente Rahmenbedingungen für
die Spitzenforschung schaffen, den wissenschalichen Nachwuchs bestmöglich fördern
und die Verwaltung als wissenscha sadäquate
Serviceinstanz neu profilieren.
Ein Instrument, um Wissenschaler zu fördern, ist der Strategische Innovationsfond, mit
dem Wissenschaler in ihren fachlichen und
individuellen Bedürfnissen flexibel und gezielt
unterstützt werden sollen. Das Spektrum
reicht vom one-(wo)man-think-tank über die
Initiierung oder erfolgreiche Fortsetzung eines großen Drittmittelprojekts, das internationale Partner einbindet, bis zur Finanzierung
von Forschungsprojekten mit besonders gesellschalich relevanten Themen durch den
Humboldt Research Award.
The University’s Institutional Strategy has
three main goals, which can be summed up in
the words individuality, openness and
guidance. With these as its central concepts,
the strategy aims to create excellent framework
conditions for top-flight research, promote
young researchers in the best possible way and
reorganise the University administration into a
service provider that is suited to academia.
One of the instruments designed to help
researchers maximise their potential is the
Strategic Innovation Fund, which offers researchers targeted, flexible funding according to
their professional or individual needs. The
spectrum of activities that can receive support
from the Fund ranges from the initiation of
small think-tanks to launching or successfully
continuing large-scale third-party funded projects involving international partners, to research projects considered particularly relevant to society, which are eligible for the Humboldt Research Award.
ZUKUNFTSKONZEPT / INSTITUTIONAL STRATEGY
13
MEDIZIN / MEDICINE
Fundgrube
der Gene
A genetic
gold mine
Forscher fahnden nach den Ursachen
seltener Erkrankungen
Researchers are tracking down the causes
of rare diseases
Text: Ute Friederike Wegner
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deutsch
An der Tür
klebt ein rotes Schild.
»Sequence« steht in weißen Buchstaben darauf, daneben zwei
umeinander gewundene Stränge, das Symbol für die wohl berühmteste Spirale der Welt, die in fast allen Lebewesen vorkommt und das Erbgut enthält: die DNA-Doppelhelix. »Wir versuchen zu verstehen, wie Information im menschlichen Erbgut
gespeichert ist und unser Leben bestimmt«, erklärt Stefan
Mundlos, Professor und Direktor am Institut für Medizinische
Genetik und Humangenetik der Charité – Universitätsmedizin
Berlin. DNA ist die Abkürzug für das englische Wort »deoxyribunucleic acid«. Ein DNA-Molekül enthält die Baupläne für Tau-
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sende verschiedener Eiweiße im Körper. Dabei enthält immer
ein bestimmter Abschnitt des Moleküls die Information für den
Bau eines bestimmten Eiweißes. Ein Abschnitt ist ein Gen.
Der kleine Raum hinter der Tür ist kühl. Eine Klimaanlage
brummt. An der Wand vis à vis steht ein großes viereckiges Gerät. Durch eine Scheibe sind kleine Flaschen in dem Apparat zu
sehen. Rechts in der Ecke erhebt sich ein Turm aus Festplatten.
Winzige Lämpchen blinken blau und grün. »Mit diesem Gerät
untersuchen wir menschliche DNA-Moleküle«, erklärt der Kinderarzt und Humangenetiker Mundlos. »Dahinter verbirgt sich
eine ganz neue Technik, mit der wir in wenigen Tagen ein ganzes Genom untersuchen können.« Mussten die Forscher früher
noch einzelne Genstücke herausschneiden und mühsam über
Wochen durchleuchten, können sie sich jetzt große Teile oder
gar die gesamte Erbinformation auf einmal vornehmen. »Das
ist ein gigantischer technischer Sprung, den wir nutzen, um zu
verstehen, wie das Genom ›tickt‹ und Krankheiten auslöst.«
Erstmals in Deutschland haben der Wissenschaler und sein
Team gezeigt, dass sich mit dieser Methode, in der Fachsprache
»massive parallel sequencing«, genetische Veränderungen aufdecken lassen.
Im Fokus des Wissenschalers, der gleichzeitig Leiter
der Forschungsgruppe Entwicklungsgenetik am Max-PlanckInstitut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem ist, sind
seltene Erkrankungen. Nach einer gängigen Definition sind das
solche, von denen weniger als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind. Insgesamt gibt es 5.000 bis 7.000 seltene Erkrankungen, in Deutschland leiden etwa vier Millionen Menschen daran. »80 Prozent dieser Krankheiten sind genetisch bedingt«, betont Stefan Mundlos, designierter Sprecher des beantragten Exzellenzclusters »GenoRare – Medizinische Genomik seltener Erkrankungen«. »Sie gehen im Gegensatz zu häufigen Erkrankungen wie zum Beispiel Diabetes oder Krebs meist auf einen,
höchstens zwei, drei Gendefekte zurück.« Deswegen sind sie
Wir versuchen zu verstehen,
wie Information im menschlichen Erbgut gespeichert ist
We are trying to understand
how information is stored in
the human genome
auch selten, beginnen o schon im Kindesalter und haben einen schweren Verlauf. Für den Forscher und sein Team jedoch
ist das von Vorteil, denn nach einer oder sehr wenigen krankmachenden Mutationen lässt sich besser fahnden als nach mehreren. Zudem spielen bei den häufigen Leiden exogene Faktoren
wie Umwelt und Lebensbedingungen ebenfalls eine große Rolle.
MEDIZIN / MEDICINE
15
»Die Sequenzierung liefert Daten von mehreren Milliarden
Basenpaaren«, sagt Stefan Mundlos. »Die riesigen Datenmengen
werden digital gespeichert.« Kurz zur Erklärung: Die Gene enthalten eine Abfolge von vier verschiedenen Basen, chemischen
»Buchstaben«, in denen in »Codewörtern« die Baupläne für Eiweiße verschlüsselt sind. Die Bioinformatiker im Team »bauen«
nun die digitalen Daten des Genoms am Bildschirm des Computers wieder zusammen. Ihre Fahndung beginnt. Haben sie
den Webfehler im Erbgut des Patienten entdeckt, vergleichen
sie diesen mit Datenbanken, in denen bereits bekannte Mutationen für seltene Erkrankungen erfasst sind. Ist die Suche erfolgreich, erhält der Betroffene eine Diagnose und weiß, woran
er erkrankt ist. Ist die Mutation dagegen neu, speisen die Forscher die Symptome und krankhaen Veränderungen, unter
denen der Betreffende leidet, in die Datenbank ein, die auf diese Weise kontinuierlich erweitert wird.
16
Das Besondere: Die 20.000 Gene des Menschen, die die Baupläne der Eiweiße codieren, sind nur ein kleiner Teil des gesamten Erbgutes, und zwar ganze eins Komma fünf Prozent. »Viele
Veränderungen liegen zwischen den Genen«, erklärt der Humangenetiker. »In diesen Zwischenbereichen, die zirka 98 Prozent des Genoms ausmachen, werden die Gene reguliert, das
heißt, an- oder abgeschaltet. Hier liegt unser Forschungsschwerpunkt.« Stefan Mundlos und sein Forscherteam gehören zu den
ersten, die sich überhaupt mit diesen nicht codierenden Zwischenregionen, im Forscherjargon »Genwüste« genannt, im Zusammenhang mit Krankheit beschäigt haben. Sie fanden außerdem heraus, dass dort Veränderungen zu Erbkrankheiten
und angeborenen Anomalien führen können. So haben sie zum
Beispiel jüngst die Ursache für eine Fehlentwicklung von Schädel und Fingern entdeckt. Sie fanden einen veränderten »Enhancer«, eine Sequenz, die das verantwortliche Gen während
Nach den Sequenzierungen des menschlichen Genoms ist es ein Anliegen
der Forscher, die Funktionen der Proteine und ihre Interaktionen
untereinander zu verstehen. Hier ist ein Proteininteraktionsnetz für das
Bare-Lymphocyte-Syndrom abgebildet.
Aer sequencing the human genome, researchers now want to understand
how proteins function and interact. A protein interaction network for bare
lymphocyte syndrome is shown here.
der Embryonalentwicklung fehlerha
steuert. Andere Moleküle wiederum regulieren den Level eines bestimmten Eiweißes. Chemische Modifikationen schalten
bestimmte Gene einfach auf Dauer ab.
»Wir gewinnen faszinierende Einblicke in das komplexe Zusammenspiel im
Erbgut. Die ,Genwüste’ enthält Regulatoren, die während der Embryonalentwicklung Gene und Proteine an- und abschalten müssen, damit komplexe Strukturen
wie Hände oder Schädel entstehen. Hier
liegt eine Fundgrube für kün ige Forschungen.«
Stefan Mundlos ist seit dem Jahr 2000
Institutes
Direktor des Instit
tutes für Medizinische GeHumangenetik
netik und Humang
gene der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zudem leitet er die
Forschungsgruppe Entwicklungsgenetik am
Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik
in Berlin-Dahlem. Nach der Facharztausbildung in Kinderheilkunde und Humangenetik
an der Kinderklinik der Johannes Gutenberg
Universität in Mainz und diversen Forschungsaufenthalten am »Royal Children’s
Hospital«, im »Murdoch Institute for Research into Birth Defects« der Universität
Melbourne in Australien sowie der »Harvard
Medical School« in Boston, USA, um die Pathogenese von Erkrankungen des Skeletts zu
untersuchen, folgte im Jahre 1997 die Habilitation an der Johannes Gutenberg Universität
in Mainz.
Nachdem Stefan Mundlos zwei Jahre die
Professur für »Entwicklungsgenetik« am Institut für Humangenetik an der RuprechtKarls-Universität in Heidelberg innehatte,
folgte der Ruf an die Humboldt-Universität
zu Berlin.
Stefan Mundlos has been head of the Institute of Medical Genetics and Human Genetics at
the Charité – Universitätsmedizin Berlin since
2000. He also leads the Development & Disease Research Group at the Max Planck Institute for Molecular Genetics in Berlin-Dahlem.
Mundlos trained as a paediatrician and specialist in human genetics at the Johannes Gutenberg University Mainz’s Center for Pediatric and Adolescent Medicine. He then held research appointments at the Royal Children’s
Hospital in the University of Melbourne’s
Murdoch Institute for Research into Birth Defects and at Harvard Medical School in Boston during which he investigated the pathogenesis of skeletal disease. In 1997 he gained
his habilitation at the Johannes Gutenberg
University Mainz.
Aer spending two years as Professor of
Developmental Genetics at Heidelberg
University’s Institute for Human Genetics,
Mundlos was appointed professor at Humboldt-Universität zu Berlin.
stefan.mundlos@charite.de
Tel 030 · 450 569 121
MEDIZIN / MEDICINE
17
Berliner Expertise
für Genomanalyse
Berlin-based
expertise in
genome analysis
»GenoRare – Medizinische Genomik seltener Erkrankungen« heißt das Exzellenzcluster, mit dem Stefan Mundlos und sein Team mit
der Freien Universität Berlin und der Charité –
Universitätsmedizin bei der Exzellenzinitiative
erfolgreich sein möchten. Im Mittelpunkt soll
die genetische Analyse seltener Erkrankungen
stehen.
Geplant ist, die Berliner Expertise für die
neuen Methoden der Genomanalyse zu bündeln. Kooperationspartner des Instituts für
Medizinische Genetik und Humangenetik der
k
Charité – Universitätsmedizin Berlin sind das
Otto-Heubner-Centrum für Kinder- und Jugendmedizin der Charité am Campus Virchow,
das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in Berlin-Dahlem, das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in BerlinBuch und das Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB). Wichtige Partner sind
zudem das Zentrum für Biophysik und Bioinformatik sowie das Institut für Philosophie der
Humboldt-Universität zu Berlin. Wichtige Verbindungen bestehen zur Bioinformatik und
Biochemie der Freien Universität Berlin sowie
zum »Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies« (BCRT).
GenoRare – Medical Genomics of Rare Disease is the name of the Cluster of Excellence
that Stefan Mundlos and his team, along with
researchers from Freie Universität Berlin and
the Charité – Universitätsmedizin, hope to establish. If the Excellence Initiative approves their
proposal, the Cluster will pool the expertise that
english
There is a red sign
on the door, with the word »Sequence« written on it in white lettering. Next to it is an image of two intertwined strands. These symbolise the world’s most famous spiral, which is contained in the
cells of almost all living creatures: the DNA double helix. »We are
trying to understand how information is stored in the human genome and how it shapes our lives,« says Professor Stefan Mundlos,
who is Head of the Institute of Medical Genetics and Human Genetics at the Charité – Universitätsmedizin Berlin. DNA stands for
deoxyribonucleic acid. One DNA molecule holds the »blueprints«
18
Berlin-based researchers have in new methods
genome analysis, and will focus on the genetic
analysis of rare diseases.
The Otto-Heubner-Centrum für Kinderund Jugendmedizin on the Charité’s Campus
Virchow, the Max Planck Institute for Molecular Genetics in Berlin-Dahlem, the Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC) in
Berlin-Buch and the Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) will be involved as
partners of the Institute of Medical Genetics
and Human Genetics at the Charité – Universitätsmedizin Berlin. Other important partners
are the Centre for Biophysics and Bioinformatics and the Institute of Philosophy at Humboldt-Universität. The Cluster also has important links to bioinformatics and biochemistry
at Freie Universität Berlin, and to the BerlinBrandenburg Center for Regenerative Therapies (BCRT).
for thousands of different proteins in the body. The molecule is
composed of many segments – called genes – each of which contains the information for making one particular protein.
The room behind the door is small and cool; an air-conditioner is humming. A large square device stands against the opposite
wall. The device has a glass panel, through which a number of
small vials can be seen. The right-hand corner is occupied by a
tower of hard drives, and several small lights are flashing blue
and green. »We use this device to examine human DNA molecules,«
says Mundlos, who is a paediatrician and human geneticist by
training. »It contains an entirely new technology that allows us to
examine a whole genome in just a few days.« In the past, researchers used to have to cut out individual gene segments and examine
them in a laborious process that took weeks. Now they can handle
large parts or even the entire genetic information in a molecule in
one go. »This technology is a giant leap forward that we are using
to understand how the genome ›ticks‹ and causes diseases,« ex-
plains Mundlos. He and his team were the first in Germany to
successfully use the new method, which is called »massive parallel
sequencing«, to identify genetic variants on a wide scale.
Mundlos also heads the Development and Disease research
group at the Max Planck Institute for Molecular Genetics in Berlin-Dahlem. The main focus of his work is rare diseases, which are
usually defined as those affecting less than five in 10,000 people.
There are somewhere between 5,000 and 7,000 rare diseases, and
around four million people in Germany suffer from one of them.
»Eighty percent of these diseases have a genetic basis,« says
Mundlos, the designated coordinator of the proposed Cluster of
Excellence GenoRare – Medical Genomics of Rare Disease. »Unlike
common diseases such as diabetes and cancer, they usually result
from two or three gene defects at most.« This fact explains why
these diseases are rare, usually severe, and have an onset in childhood. For the researchers, however, it is an advantage, since identifying one or just a few pathogenic mutations is easier than find-
In Deutschland leiden etwa
vier Millionen Menschen
an seltenen Erkrankungen
Around four million people
in Germany suffer from rare
diseases
ing many. Moreover, exogenous factors such as environment and
living conditions also play a major role in common diseases.
»Sequencing delivers data on several billions of base pairs,«
says Mundlos, »and these huge amounts of data are digitally
stored.« In case your knowledge on how DNA works is a little rusty,
here’s a refresher: genes are made up of four nucleobases (or bas-
MEDIZIN / MEDICINE
19
Ein Proteininteraktionsnetz für das SticklerSyndrom. Mit der Kartierung bilden Forscher
das Zusammenwirken der Proteine ab.
A protein interaction network for Stickler
syndrome. The researchers use mapping to
reproduce protein interactions.
es for short), chemical »letters« in varying sequences that form the
»code« containing instructions for building proteins. Using the
digital data obtained in sequencing, the bioinformatics specialists
»rebuild« the genetic code on their computer screens – and the
hunt can begin. When they discover an anomaly in a patient’s
genome, they compare it with databases containing information
on mutations known to cause rare diseases. If they find a match,
they can provide a diagnosis and the patient knows what’s wrong.
If it is a new mutation with no match, the researchers enter the
symptoms and pathological changes present in the patient into
the database, thereby continually expanded it.
What is perhaps surprising is that the 20,000 protein-coding
genes in humans actually only make up a very small part – 1.5
percent, to be exact – of the entire human genome. »Many changes
occur in the regions between the genes,« says Mundlos. »These regions make up about 98 percent of the genome, and it is there that
genes are regulated, i.e., switched on and off. That’s what our re-
20
search focuses on.« Mundlos and his team of researchers are
among the first to look at these non-coding regions – known in the
jargon as genetic »wastelands« – in connection with disease. They
have found that changes occurring in these regions can cause hereditary diseases and congenital anomalies. For example, they
recently discovered that dysplasia in the skull and fingers is associated with changes in an »enhancer«, a sequence that regulates
the relevant gene during embryonic development. Other molecules
regulate the level of certain proteins. Chemical modifications can
switch certain genes off permanently.
»We are gaining fascinating insights into the complex interplay within the genome. The genetic ›wastelands‹ contain regulators that have to switch genes and proteins on and off during
embryonic development so that complex structures such as the
skull and the hands can form properly. This area is a gold mine
for future research.«
Milliarden
von Einzeldaten
Billion pieces
of data
»Dreh- und Angelpunkt der Medizinischen
Genomik ist die Bioinformatik«, sagt Stefan
Mundlos, Professor und Direktor am Institut für
Medizinische Genetik und Humangenetik der
Charité – Universitätsmedizin Berlin. Aufgabe
des noch relativ jungen Forschungsgebietes ist
es, Milliarden von Einzeldaten zu erfassen, »zusammenzubauen« und zu analysieren. Durch
die Bioinformatik wird es möglich, Gensequenzen im gesamten Genom auf krankmachende
Veränderungen zu prüfen und mit bereits existierenden Datenbanken zu vergleichen.
Sie umfasst die Bereiche Informatik, Programmierung, Mathematik, Statistik und Biologie. Wesentliche Aufgabe eines Bioinformatikers ist es, Daten in Algorithmen umzuwandeln. Algorithmen sind eine Art mathematische »Anleitungen« im Programm, um zum
Beispiel genetische Ursachen einer Erkrankung sowie die komplexen Wechselwirkungen
der Gene zu untersuchen. »Wir spannen den
Bogen von den Daten bis hin zum medizinisch
interessanten Ergebnis«, erklärt Peter Robinson. Der habilitierte Wissenschaler ist Bioinformatiker im Team von Stefan Mundlos.
»Bioinformatics is at the heart of all medical
genomics,« says Stefan Mundlos, Professor and
Director of the Institute of Medical Genetics
and Human Genetics at the Charité – Universitätsmedizin Berlin. This relatively new area of
research aims to accumulate, assemble and
analyse billions of individual pieces of data.
Bioinformatics principles are used to check the
entire genome for gene sequences with pathogenic mutations and compare them with existing databases.
The discipline covers areas of information
technology, programming, mathematics, statistics and biology. The main job of a bioinformatician is to convert data into algorithms.
Algorithms are a kind of mathematical instruction in a programme − for example, to investigate the genetic causes of a disease and the
complex interactions within the gene. »Our
work creates connections all the way from the
data to the medically relevant result,« says Peter Robinson, a habilitated bioinformatician
working in Mundlos’s team.
MEDIZIN / MEDICINE
21
Waisen der Medizin
Medical orphans
Text: Ute Friederike Wegner
Eine Erkrankung gilt als selten, wenn weniger als fünf von
10.000 Menschen in der Bevölkerung davon betroffen sind. Dennoch: Bundesweit leiden zirka vier Millionen Menschen daran.
Viele erkranken bereits als Säuglinge oder Kinder, aber auch im
Erwachsenenleben kann plötzlich ein seltenes Leiden aureten.
»Ein großes Problem dieser Menschen besteht darin, die richtige
Diagnose zu erhalten«, erklärt Stefan Mundlos, Professor und Direktor am Institut für Medizinische Genetik und Humangenetik
der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der eine Sprechstunde
eigens für Patienten mit einer seltenen Erkrankung am Campus
Virchow-Klinikum anbietet. Das Problem: »Die behandelnden
Ärzte sind o ratlos, die Patienten werden nicht ernst genommen
und warten o Jahre, bis sie wissen, was sie haben.«
Seltene Erkrankungen ziehen o mehrere Organssysteme
gleichzeitig in Mitleidenscha, was die Diagnose zusätzlich erschwert. Sie reichen von Entwicklungsstörungen des Gehirns,
Herzfehlern, Kleinwuchs über neurologische Erkrankungen bis
hin zu seltenen Stoff wechselerkrankungen. Grundsätzlich können alle Organe betroffen sein. »Mit modernen Verfahren können wir bei vielen Patienten eine Diagnose stellen«, sagt Stefan
Mundlos. »Dies ist wichtig um Unsicherheit zu beenden und um
gezielte Therapien einzuleiten.«
22
Ein großes Problem besteht
darin, die richtige Diagnose
zu erhalten
A major problem for patients
is getting the right diagnosis
Bei anderen seltenen Erkrankungen haben Stefan Mundlos
und sein Team die genetische Ursache herausgefunden. Das Ondine-Syndrom beispielsweise beruht auf einem Gendefekt, der
ohnehin schon sehr selten auritt. Er führt zu einer angeborenen
Erkrankung des zentralen Nervensystems. Die Atmung der Kinder
ist, insbesondere im Schlaf, gestört. Ein Teil von ihnen muss dauerha beatmet werden. »Wir haben in einer Familie eine Mutation für die Krankheit gefunden«, erläutert der Humangenetiker.
Der Nachweis, dass diese Mutation tatsächlich für die Erkrankung
zuständig ist, sollen Tierexperimente erbringen. So wird eine
»Mauskopie« der Genmutation erstellt und in das Genom von
Mäusen eingepfl anzt. Auf diese Weise wollen sie nicht nur den
Beweis dafür liefern, dass sie tatsächlich Ursache des Syndroms
ist, sondern auch neue Therapien entwickeln und untersuchen,
um diese und auch andere seltene Erkrankungen zu behandeln.
Damit diese in Zukun keine Waisen der Medizin mehr sind.
A disease is said to be rare if it affects less than five in 10,000 of
the general population. However, around four million people suffer from these diseases in Germany alone. Many develop them as
infants or children, but it is also possible for adults to suddenly
contract rare diseases. »A major problem for patients is getting
the right diagnosis,« says Stefan Mundlos, Professor and Director
of the Institute of Medical Genetics and Human Genetics at the
Charité – Universitätsmedizin Berlin, who offers consultations
specifically for patients with rare diseases at Charité - Campus
Virchow Klinikum (CVK). The problem is that »doctors are oen
baffled by these diseases and patients are not taken seriously, meaning it can take years for them to find out what they have.«
Rare diseases oen affect several organ systems at the same
time, making diagnosis particularly difficult. They range from
brain development disorders to heart defects, from stunted
growth to neurological diseases and to rare metabolic illnesses.
Basically, all organs can be affected. »Modern medical techniques
make it possible to provide most patients with a diagnosis,« says
Mundlos. »This is important as it puts an end to their uncertainty
and provides the information doctors need to start treatment.«
For other rare diseases, Mundlos and his team have discovered
the genetic cause. For example, Ondine syndrome is caused by a
very rare genetic defect that leads to a congenital disease of the
central nervous system. The child’s breathing is interrupted, especially during sleep, and some sufferers have to be constantly ventilated. »We have traced a mutation for the disease in one family,«
says Mundlos, a specialist in human genetics. His team plan to
use animal experiments to prove that it really is the mutation that
causes the disease. They will create a »mouse copy« of the genetic
mutation and then insert it into the mouse genome. This should
make it possible to prove that this is, indeed, the true cause of the
syndrome and also to develop and test new therapies for treating
the syndrome and other rare diseases too, thereby steadily shortening the list of these medical orphans.
MEDIZIN / MEDICINE
23
Weltweit
einmalig
One of a kind
In der Berlin School of Mind and Brain
forschen Philosophen und Neurowissenschaler gemeinsam
In the Berlin School of Mind and Brain,
philosophers and neuroscientists work
hand-in-hand
Text: Ljiljana Nikolic
24
MEDIZIN / MEDICINE
25
k
deutsch
Im Fokus
von Corinde Wiers’ Forschung
steht die Sucht. Sie erforscht am Beispiel Alkoholkranker, wie
sich Suchtverhalten und Gehirn beeinflussen. »Trotz psychologischer und pharmakologischer Therapien ist die Rückfallquote
bei Alkoholikern, aber auch bei anderen Suchtkranken, selbst
viele Jahre nach einer Entziehungskur, sehr hoch«, erklärt die
Doktorandin der Graduiertenschule Berlin School of Mind and
Brain. Denn Sucht verändert das Gehirn; was sich einmal im
Suchtgedächtnis eingegraben hat, kann auch Jahre nach der
Entwöhnung durch bestimmte Reize unabhängig vom Willen
des Patienten aktiviert werden und zu Rückschlägen führen. So
ist eine der großen Herausforderungen der Suchtforscher, das
Suchtgedächtnis zu »löschen« oder es zu verändern.
Ohne gesundheitliche Schäden und praktisch »online« ist es
heutzutage möglich, das menschliche Suchtgedächtnis mit Hilfe der funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie (fMRT) ins
Visier zu nehmen. Während der Proband im Kernspintomographen liegt und beispielsweise Fotos von alkoholischen Getränken anschaut, wird die Reaktion des Gehirns sichtbar gemacht.
»Mein Ansatz basiert auf Versuchen, bei denen Probanden die
Aufgabe hatten, Tafeln mit Getränkeabbildungen nach eigener
Wahl an sich heranzuziehen oder wegzustoßen«, erklärt Corinde Wiers, die aus Holland kommt und dort Psychologie und
Psychobiologe studiert hat. »Auffällig war dabei, dass ehemalige
Alkoholabhängige Abbildungen mit alkoholischen Getränken
immer schnell an sich herangezogen haben.« Sie will nun herausfinden, ob man das Suchtgedächtnis von Alkoholkranken
verändern kann, beispielsweise indem man sie alkoholische
Motive wegschieben lässt.
Sucht ist eines von vielen Themen an der Schnittstelle von
Geist and Gehirn, die die 57 renommierten Wissenschaler
und die zurzeit 37 Doktoranden der Exzellenz-Graduiertenschule untersuchen. »Der Versuch, den Umbau des Gehirns wieder rückgängig zu machen, ist aber nicht nur für Suchtpatienten von Bedeutung, sondern beispielsweise auch für Schlaganfallpatienten, bei denen es darum geht, Funktionen geschädigter Gehirnareale durch andere Areale übernehmen zu lassen«,
erklärt Arno Villringer, einer der beiden Sprecher der Graduier-
26
tenschule. Der Neurowissenschaler arbeitet mit Psychologen,
Biologen, Philosophen, Linguisten und Vertretern anderer
Fachrichtungen zusammen, um die »Mysterien« unseres Gehirns zu ergründen. Denn auch wenn es heute möglich ist, dem
Gehirn beim Denken zuzuschauen, es vielfältig zu vermessen
und bestimmte Denkleistungen einzelnen Arealen zuzuordnen, so sind die richtig spannenden Fragen, über die sich schon
die ersten Philosophen dieser Welt den Kopf zerbrachen, immer
noch ohne klare Antworten: Wie entsteht Bewusstsein? Wie
entwickelt sich Sprache? Wie denken wir?
Dass diese Fragen nur im Zusammenspiel von Natur- und
Geisteswissenschalern beantwortet werden können, davon
sind die Sprecher der Graduiertenschule von Anfang an überzeugt. »Die Philosophen bekommen durch die Neurowissenschaler Informationen über die Mechanismen des Gehirns,
auf der anderen Seite brauchen Neurowissenschaler die Philo-
Wie entsteht Bewusstsein?
Wie entwickelt sich Sprache?
Wie denken wir?
How does consciousness arise?
How does language develop?
How do we think?
Arno Villringer ist Direktor des Leipziger
Max-Planck-Instituts für Kognitions- und
Neurowissenschaen und der Klinik für Kognitive Neurologie der Universität Leipzig. Er
studierte Medizin an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, wo er 1984 auch promoviert wurde. Es folgten Forschungsaufenthalte an der Harvard Medical School und
an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1993 bis 2007 war der habilitierte
Neurologe an der Charité – Universitätsklinikum Berlin aktiv, wo er 1997 zum Professor
berufen wurde und unter anderem als leitender Oberarzt des Standorts »Virchow-Klinikum« an der Neurologischen Klinik sowie als
Klinikdirektor am Campus Benjamin Franklin
arbeitete.
Villringer erforscht die neurophysiologischen und molekularen Vorgänge der Hirnaktivität beim Menschen sowie die neuronale
Plastizität und Regenerationsprozesse im Gehirn, zum Beispiel nach einem Schlaganfall.
Er ist Koordinator des bundesweiten Kompetenznetzes Schlaganfall und seit 2006 zusammen mit Michael Pauen Sprecher der Exzellenz-Graduiertenschule Berlin School of
Mind and Brain.
Arno Villringer is Director of the Max Planck
Institute for Human Cognitive and Brain Sciences in Leipzig, and of the Clinic for Cognitive Neurology at Universität Leipzig. He studied medicine at the University of Freiburg,
where he gained his PhD in 1984. This was
followed by research at Harvard Medical
School and at LMU Munich, where he earned
his habilitation. Villringer worked at the
Charité – Universitätsklinikum Berlin from
1993 to 2007, and was appointed professor
there in 1997. His Charité roles included
senior consultant at the Neurological Clinic
at the Campus Virchow-Klinikum, and clinical supervisor at the Campus Benjamin
Franklin.
Villringer conducts research into neurophysiological and molecular processes in human brain activity. He also investigates neuronal plasticity and regeneration processes in
the brain, for instance following a stroke. He
is the coordinator of the Germany-wide Competence Network Stroke. Since 2006 he has
been an academic director of the Berlin
School of Mind and Brain, along with Michael
Pauen.
villringer@cbs.mpg.de
Tel 0341 · 9940-2220
www.cbs.mpg.de/depts/n-3
MEDIZIN / MEDICINE
27
sophie und ihre begrifflichen und ethischen Klarstellungen«,
Doch nicht nur das Themenspektrum soll erweitert werden,
verdeutlicht Co-Sprecher Michael Pauen. »Der Ansatz, den un- in Zukun sollen auch Masterstudierende und Postdocs bei
sere Schule verfolgt, ist nicht nur erfolgreich, sondern auch »Mind and Brain« aufgenommen werden – sollte die Graduierweltweit einmalig«, unterstreicht Villringer. Von den bislang tenschule zum zweiten Mal den Zuschlag der Exzellenzinitiative
49 Promovierenden haben bereits zwölf ihren Doktortitel in erhalten. Dabei sollen sich bereits die Masterstudierenden
der Tasche. Es gibt keine Abbrecher, die Homepage schmücken selbst ein Projekt suchen und damit die Gutachter in der Aufimmer wieder Meldungen über Auszeichnungen, die Dokto- nahmeprozedur für die Promotion überzeugen. Die Freiheit,
randen erhalten haben. In der Luisenstraße 56, dem Sitz der das Doktorthema unter dem Dach der Graduiertenschule selbst
Graduiertenschule, herrscht eine anregende, kooperative At- wählen und gestalten zu können, schätzt Corinde Wiers sehr.
mosphäre. »Bei Mind and Brain sind eine Menge guter Leute »Anderswo werden die Themen von den Professoren ausgeversammelt, die mit viel Interesse und Kreativität an ihren The- wählt, man hat keine Wahl, bei Mind and Brain kann man bemen forschen«, sagt Pauen.
reits als Doktorand an seinem eigenen Thema forschen.«
Und diese Themen betreffen Probleme wie beispielsweise
Entscheidungsfindung, Wahrnehmung oder auch Sprache. Ein
weiterer Themenkomplex soll in Zukun
das Spektrum bereichern: die soziale
Michael Pauen ist Professor für Philosophie
Michael Pauen is Professor of Philosophy at
Neurowissenscha. Wie verstehen wir,
an der Humboldt-Universität. Studiert hat er
Humboldt-Universität. He studied in Frankwas andere denken, fühlen oder wollen?
an den Universitäten Marburg, Frankfurt und
furt, Marburg and Giessen. He completed his
Wie beeinflusst unsere soziale Umwelt
Gießen. 1989 wurde er promoviert, 1995 haPhD in 1989 and earned his habilitation in
uns und unsere Entscheidungen? Denn
bilitierte er sich. Er war Visiting Professor am
1995. He was a visiting professor at the InstiInstitute for Advanced Study in Amherst,
tute for Advanced Study in the Humanities at
auch wenn wir es selbst nicht wahrnehMassachusetts, Fellow an der Cornell-Univerthe University of Massachusetts, Amherst. He
men: soziale Umwelt und Kultur prägen
sity in Ithaca in New York und am Hanse-Wiswas also a fellow at Cornell University in Ithaunser Denkorgan. Gehirne verschiedesenscha skolleg in Delmenhorst.
ca, New York, and at HWK – Institute for Adner, gesunder Menschen haben interes1997 erhielt er den Ernst-Bloch-Fördervanced Study in Delmenhorst, Germany.
preis.
He was awarded the Ernst Bloch Prize in
sante Unterschiede. »Untersuchungen
Sein
Forschungsinteresse
gilt
der
Philo1997.
haben gezeigt, dass schon kleine Kinder
sophie des Geistes, dem Problem der WillensHis research interests include the philogenaue Vorstellungen von den Gedanken
freiheit, dem Verhältnis von Neurowissensophy of the mind, the problem of free will,
anderer haben, allerdings können in unschaen und Philosophie. Er hat zu diesen
and the relationship between neurosciences
Themen eine Reihe von Büchern publiziert.
and philosophy. He has written a number of
serer Kultur erst Vierjährige falsche
Pauen ist seit 2006 Sprecher der Berlin
books on these topics.
Überzeugungen anderer durchschauen.
School of Mind and Brain – zusammen mit
Since 2006 Pauen has been an academic
In Kulturen, wo das Sprechen über eigene
Arno Villringer.
director of the Berlin School of Mind and
Wünsche verpönt ist, schaffen das sogar
Brain – along with Arno Villringer.
erst Zehnjährige«, gibt Pauen ein Beispiel
michael.pauen@philosophie.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093 1733
für den kulturellen Einfluss auf die Entwww.michael-pauen.de
wicklung unseres Gehirns.
28
An der Schnittstelle
von Lebensund Geisteswissenschaen
Working at the
intersection of the
life sciences and
the humanities
www.mind-and-brain.de
Die Berlin School of Mind and Brain bietet Ausbildungs- und Forschungsmöglichkeiten an der
Schnittstelle zwischen Lebens-, Kognitions- und
Geisteswissenschaen. 57 renommierte Wissenschalerinnen und Wissenschaler aus Berlin
und Umgebung, darunter vier Leibniz-Preisträger
und fünf Max-Planck-Direktoren, wirken mit. Die
Graduiertenschule bietet ein dreijähriges interdisziplinäres Doktorandenprogramm auf Englisch. Geforscht wird zu den Themen »Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Bewusstsein«, »Entscheidungsfindung« »Sprache«, »Hirnplastizität
und ontogenetische Entwicklung«, »Erkrankungen des Gehirns mit kognitiven Störungen« und
»menschliche Sozialität und das Gehirn«. Grundlagenforschung und angewandte Forschung werden eng miteinander verknüp . Unter den Promovierenden sind die Häle Frauen. Studentinnen aus aller Welt haben die Chance, das Programm über ein einwöchiges, wissenschalich
orientiertes Frauenreisestipendium kennenzulernen. Die Doktoranden besuchen ein einjähriges
obligatorisches Kursprogramm. Sie haben unter
anderem die Möglichkeit, Tagungen wie die »Berlin Brain Days«, an dem sechs neurowissenschaliche Promotionsprogramme teilnehmen, mitzugestalten.
The Berlin School of Mind and Brain offers research and training at the point where the natural
sciences and the humanities intersect. The faculty
is comprised of 57 distinguished researchers from
Berlin and its environs, including three winners of
the Leibniz Prize and five directors of Max Planck
Institutes. The School offers a three-year interdisciplinary doctoral programme in English. Major
topics of research include: conscious and unconscious perception, decision-making, language,
brain plasticity and lifespan ontogeny, brain disorders and mental dysfunction, and human sociality and the brain. Basic research and applied
research are closely linked. Half of the doctoral
students at the Berlin School of Mind and Brain
are women, and a one-week, academically-oriented travel grant for women gives female students
from around the world the opportunity to learn
more about the programme. All doctoral students
attend a mandatory, one-year programme of
courses and have the opportunity to help shape
the agenda of conferences such as the Berlin
Brain Days, which involves six doctoral programmes in the neurosciences.
MEDIZIN / MEDICINE
29
k
english
The focus
of Corinde Wiers’ research is
addiction. For example, she works with alcoholics to shed light on
how addictive behaviour and the brain influence each other. »Even
with psychological and pharmacological treatment, many alcoholics and those suffering from other addictions relapse, sometimes
many years aer rehab,« says Wiers, a Dutch graduate student at
the Berlin School of Mind and Brain who studied psychology and
psychobiology in the Netherlands. The problem is that addiction
changes the brain. The »addiction memory« is so strong that even
many years aer withdrawal and against a person’s will, certain
stimuli can activate it and lead to a relapse. Thus, one of the main
challenges that addiction researchers face is finding a way to
»erase« or modify this addiction memory.
Today, functional magnetic resonance imaging (fMRT) makes
is possible to observe, »online« and without endangering the subject’s health, the human addiction memory at work. Subjects lie in
an MRI scanner and are shown pictures of alcoholic beverages,
for example. The technology allows researchers to see how their
brains respond to these images. »My approach is based on experiments where subjects viewed pictures of different kinds of beverages and were free to decide whether to pull them in or push them
away,« Wiers explains. »What was striking was that recovering
alcoholics invariably pulled pictures of alcoholic drinks towards
themselves very quickly.« Wiers wants to find out whether it is possible to modify the addiction memory of alcoholics by having
them push the images of alcoholic beverages away, for example.
Addiction is one of many topics at the intersection of mind and
brain that the 57 distinguished researchers and 37 doctoral students currently working at the Berlin School of Mind and Brain
are trying to shed light on with their work. »Attempting to reverse
changes in the brain not only has the potential to help those suffering from addiction, but could also offer new hope for stroke
patients, where functions in damaged areas of the brain have to
be assumed by other areas,« says Arno Villringer, one of the Graduate School’s academic directors. Along with his fellow neuroscientists, Villringer works with psychologists, biologists, philosophers, linguists and specialists from many other fields to explore
the mysterious workings of the human brain. Because even though
we can now watch the brain at work, measure its activity in numerous ways and map certain cognitive functions onto specific
areas of the brain, we still don’t have clear answers to many of the
30
really interesting questions that human beings have pondered
ever since the days of the first philosophers. How does consciousness arise? How does language develop? How do we think?
Villringer and his fellow academic director, Michael Pauen,
are convinced that these questions can only be answered if the
natural sciences and the humanities work together. »Neuroscientists can give the philosophers information on the mechanisms of
the brain, and philosophers can help neuroscientists clarify concepts and ethical issues,« says Pauen. »Our school’s approach has
Gehirne verschiedener,
gesunder Menschen zeigen
interessante Unterschiede
The brains of healthy subjects
exhibit interesting differences
proven to be very successful, and there is no other like it in the
world,« says Villringer. Of the 49 doctoral students it has accepted
so far, twelve have already earned their PhDs. No one has dropped
out, and the website frequently reports on awards received by
its doctoral students. The atmosphere in the building at Luisenstrasse 56, where the Graduate School is located, is stimulating
and cooperative. »There are a lot of good people at Mind and
Brain who pursue their research with a great deal of passion and
creativity,« says Pauen.
Their research explores topics such as perception, language,
and how we make decisions. Social neuroscience is set to be the
next addition to the School’s interdisciplinary spectrum. Social
neuroscientists focus on questions such as: How do we understand what others think, feel and want? What impact does our
social environment have on us and our decisions? Because even if
we are not aware of it, our brains are shaped by the society and
culture we live in. The brains of healthy subjects exhibit interesting
differences. »Studies have shown that even very young children
have a clear concept of people’s mental states, but children in our
culture cannot attribute false beliefs to others until they are about
four. Children in cultures where expressing one’s own desires is
frowned upon have to reach the age of about ten before they attain that ability,« Pauen says, giving just one of the many examples of how culture influences cognitive development.
In addition to expanding its range of research, the School of
Mind and Brain is also planning to accept masters and postdoctoral students in the future – providing it is selected for a second
round of funding in the Excellence Initiative. Masters students
applying to the School will be asked to choose a research project
themselves and convince the reviewers in the selection process of
the merits of their topic. Corinde Wiers, for one, greatly appreciates the freedom she was given when choosing a topic for her
doctoral thesis. »Normally, professors pick the topics and you
don’t have any choice in the matter. At Mind and Brain you get to
pursue your own research interests as a doctoral student.«
v
MEDIZIN / MEDICINE
31
Hand in Hand
zu neuen
Therapien
Working hand
in hand to find
new approaches
to treatment
In der Berlin School of Integrative Oncology
wollen Kliniker und Naturwissenschaler an
neuen Strategien gegen den Krebs forschen
At the Berlin School of Integrative Oncology,
clinicians and researchers will work together to
develop new strategies for combating cancer
32
Text: Ljiljana Nikolic
Fotos: Matthias Heyde
k
deutsch
Die Diagnose
Krebs
ist heute wie früher ein Schock für den
Patienten: Die Krankheit wird von vielen Betroffenen mit Unheilbarkeit verbunden. Dabei hat sich in den vergangenen zwei
Dekaden ein Umbruch in der Krebsforschung vollzogen: »Hat
man in den 80er, 90er Jahren Krebs im fortgeschrittenen Stadium praktisch ausschließlich mit Zellgien behandelt, versucht
man heute zunehmend, den individuellen molekularen Bauplan eines Tumors bei einem Patienten zu verstehen und ein
maßgeschneidertes Therapiekonzept zu entwickeln«, erklärt
Clemens A. Schmitt, Direktor des Molekularen Krebsforschungszentrums und leitender hämatologisch-onkologischer
Oberarzt an der Charité. Der Mediziner und seine Partner wollen die Graduiertenschule BSIO – Berlin School of Integrative
Oncology etablieren. Erhält BSIO den Zuschlag der Exzellenzinitiative, so wird die Graduiertenschule deutschlandweit die einzige sein, in der Krebs im Mittelpunkt steht.
Krebs ist eine Erkrankung der Gene, viele Veränderungen,
so genannte Mutationen, in einer Vielzahl von Erbanlagen können das bösartige Wachstum auslösen. Viele der klinisch definierten Krebsarten könnten durch unterschiedlichste Gendefekte hervorgerufen sein, was die erfolgreiche Behandlung einer nur scheinbar einheitlichen Krebsart mit einer bestimmten
Therapie schwer macht. Vielmehr stellen eine Aufdeckung und
Einordnung der Krebsarten nach gemeinsamen molekularen
Defekten beziehungsweise Mutationen die Grundlage für den
wirksamen Einsatz neuer, zielgerichteter Therapien dar. In den
vergangenen Jahren wurden viele molekulare Prozesse charakterisiert, die während einer Krebserkrankung ablaufen und sie
vorantreiben. Es wurden Wirkstoffe entwickelt, die diesen Prozessen entgegenwirken sollen. »Targeted Therapy« – zielgerichtete Therapie – heißt das Schlagwort, also der Einsatz neuer
Medikamente, die direkt auf die molekularen Defekte in Krebszellen abzielen.
MEDIZIN / MEDICINE
33
Im Labor stirbt die Zelle,
doch beim Patienten
funktioniert das in vielen
Fällen nicht
Trotz wichtiger Erfolge können sich
die Forscher mit dem bisher Erreichten
nicht zufrieden geben. Denn zwischen
dem, was die Experten im Labor an neuen Therapieansätzen entwickeln, und
dem, was vom Patienten als Erfolg empfunden wird – also Heilung oder bedeutend verlängerte Lebenszeit mit zudem
verbesserter Lebensqualität – herrscht
ein erhebliches Missverhältnis. »Wir haben für viele Tumorerkrankungen molekulare Targets identifiziert, beispielsweise Gene, die die Zellteilung oder das Zellsterben fördern, und wir sind auch imstande,
diese Gene pharmakologisch oder genetisch zu modulieren«,
erklärt Schmitt. »Wir können derartige »Todesgene« im Labor
anschalten und die Zelle stirbt, doch beim Patienten funktioniert das in vielen Fällen überhaupt nicht.«
Stirbt die Zelle nicht, weil sie vielleicht von Nachbarzellen
dahingehend beeinflusst wird, weil sie eine Wechselwirkung
mit dem Immunsystem eingegangen ist oder sie sich in Nischen
des Körpers befindet, wo sie besonders geschützt ist? »Es könnte
erfolgversprechend sein, neue therapeutische Ansätze zu entwickeln, die nicht die Tumorzelle selbst, sondern eine an sich
gutartige Nachbarzelle oder Zellen des Immunsystems treffen«,
sagt Schmitt.
Um Fragen dieser Art nachzugehen und darauf basierend
neue Therapien zu entwickeln, und auch Biomarker, mit denen
der Effekt der Therapie an einer Blutprobe gemessen werden
kann, bedarf es einer besonderen Ausbildung der richtigen
Köpfe – eine Zielsetzung, die Mediziner Schmitt und seine Partner mit der Etablierung von der BSIO erreichen wollen.
Besonders wichtig ist den Initiatoren der integrative Aspekt,
der auch die Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen
beinhaltet. Insbesondere Naturwissenschaler und Kliniker
sollen lernen, die jeweilige »Sprache« des Anderen zu verstehen.
»Dies ist nicht so selbstverständlich, wie es
klingen mag«, erklärt
Schmitt. »Noch heute
beklagen Mediziner, wie
wenig molekular-experimentelles Wissen sie
im Studium vermittelt
bekommen, das ihnen
hil, molekulare Hintergründe von Erkrankungen zu verstehen.« Auf der anderen Seite haben Naturwissenschaler häufig keine plastische Vorstellung davon, welches
klinische Bild beispielsweise hinter einer Tumorzelllinie in
Zellkultur steht. »Bench to Bedside«, zwischen Labortisch und
Krankenbett, heißt diese enge Form der Zusammenarbeit.
Die 25 Mitglieder zählende BSIO-Faculty will auch ganz ungewöhnliche Brückenschläge wagen. So werden die Krebsforscher mit Sozialwissenschalern zusammenarbeiten und Verhaltensmuster von Krebs ergründen. Sie interessieren sich dabei beispielsweise dafür, wie Gesellschaen auf Krisen wie
Kriege oder Verknappung reagieren, mit dem Ziel, die Erkenntnisse in tumorbiologische Modelle zu übertragen. »Auch eine
Tumorzelle muss Energie- oder Nährstoff knappheit überwinden, um sich weiter über den Körper ausdehnen zu können«,
sagt Schmitt.
Er und seine Kollegen wollen es schaffen, mit neuen, zielgerichteten Therapien erfolgreicher zu behandeln, Nebenwirkungen bei ansonsten unnötig behandelten Patienten zu vermeiden und nicht zuletzt auf diese Weise trotz immer teurerer Therapien Behandlungskosten einzusparen.
In the lab the cell will die,
but that oen doesn‘t
work at all in real patiens
34
MEDIZIN / MEDICINE
35
36
k
english
Receiving
a diagnosis
of cancer
Schmitt, who is senior physician of the Medical Department in the
Division of Hematology and Oncology at the Charité and Director
of the Molecular Cancer Research Center there. Schmitt and his
partners are applying for funding to establish the Graduate
School called BSIO – Berlin School of Integrative Oncology. If the
proposal is approved under the Excellence Initiative, the Graduate
School will be the first of its kind in Germany to focus exclusively
on cancer.
Cancer occurs as a result of gene mutations which lead to uncontrolled (maligClemens A. Schmitt has been director of the
nant) growth of cells. Clinically defined
Molecular Cancer Research Center at the Chacancers that appear to be uniform can acrité since it was founded in 2006. Schmitt stutually be caused by any number of gene
died medicine and earned his doctorate at
defects, and this oen makes it difficult to
Johannes Gutenberg University Mainz and
has been a senior physician at the Medical
treat them. Identifying and classifying
Department Division of Hematology, Oncolocancers according to the molecular defects
gy and Tumor Immunology at the Charité
and gene mutations underlying them thus
since 2009. Five years earlier, he was appoinrepresents a more promising basis for deted Professor of Haematology and Tumour
Biology and director of the clinical research
veloping new, targeted treatments. In regroup Controlling Growth of Neoplastic B
cent years researchers have succeeded in
Cells: Tumour Biology and Molecular Treatcharacterising many molecular processes
ment Approaches. Aer a postgraduate stint
involved in the development and progresat Cold Spring Harbor Laboratory in New
York, Schmitt was appointed head of a resion of cancer, and in developing drugs
search group and clinical research associate
designed to inhibit these processes. »Tarat the Max Delbrück Center for Molecular Megeted therapy« is the key word – i.e. the use
dicine and at the Charité in 2001. He earned
of new drugs that directly target the mohis board certification as a specialist in interlecular defects in cancerous cells.
nal medicine and his habilitation in 2003.
Schmitt is the designated coordinator of the
However, despite the advances that
Berlin School for Integrative Oncology (BSIO).
have been made so far, research still has a
long way to go. This is because, in many
cases, the approaches developed by researchers in the lab have not yet translated
is still a shock for patients
today. Many still assume the disease is incurable, even though
cancer research has made enormous progress over the past two
decades. »In the 1980s and 1990s, advanced cancer was treated
almost exclusively with cytotoxins. But today doctors and researchers are increasingly attempting to understand the individual molecular makeup of tumours so they can develop treatments
customised to an individual patient’s cancer,« says Clemens A.
Clemens A. Schmitt ist seit 2006 Gründungsdirektor des Molekularen Krebsforschungszentrums der Charité. Der Humanmediziner, der an der Johannes-GutenbergUniversität Mainz sein Studium absolvierte
und promovierte, ist seit 2009 Leitender
Oberarzt an der Medizinischen Klinik mit
Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und
Tumorimmunologie der Charité. Fünf Jahre
zuvor wurde er zum Professor für Hämatologie und Tumorbiologie als Leiter der Klinischen Forschergruppe »Wachstumskontrolle
neoplastischer B-Zellen: Tumorbiologie und
molekulare Therapieansätze« berufen. Nach
seinem Postgraduierten-Aufenthalt am Cold
Spring Harbor Laboratory in New York/USA
wurde er 2001 Forschungsgruppenleiter und
klinischer wissenschalicher Mitarbeiter am
Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin und der Charité. 2003 erfolgten Facharztprüfung und Habilitation für das Fach Innere
Medizin. Er ist designierter Sprecher der Berlin School for Integrative Oncology (BSIO).
clemens.schmitt@charite.de
Tel 030 · 450 553 687
MEDIZIN / MEDICINE
37
Die Krebsforscher
werden auch mit Soziologen
zusammen arbeiten
into tangible success for patients – in other
words, a complete cure or at least a significantly longer life expectancy and a better quality of life. »We have identified molecular targets for many malignant
tumours, such as genes that control cell
division and cell death, and we are able to modulate them genetically or with pharmacological agents,« says Schmitt. »We can
switch on these »lethal genes« in the lab and the cell will die, but
that oen doesn’t work at all in real patients.«
Is it possible that in these cases cells don’t die because of the
influence of neighbouring cells or interactions with the immune
system, or because they are harboured in »niches« of the body that
offer them special protection? »Developing treatments that target
benign neighbouring cells or cells in the immune system rather
than tumour cells themselves could be a promising approach,«
says Schmitt.
With the BSIO, Schmitt and his partners are aiming to provide
outstanding researchers with the kind of training that will enable
them to shed light on these questions and use their findings to
develop new treatments and identify biomarkers that would make
it possible to measure a treatment’s effectiveness using blood
samples.
The initiators are placing particular importance on the integrative, interdisciplinary approach that training at the BSIO
would take. One of the main aims of this style of working is to help
scientists and clinicians learn to understand each other’s language. »That isn’t as self-evident as it may sound,« says Schmitt.
»Even today, many doctors complain that in medical school they
didn’t receive the kind of solid grounding in experimental molecu-
lar biology needed for
a true understanding
of the molecular basis
of disease.« Scientists,
on the other hand, often have no real concept of the clinical picture associated with a line of tumour cells
cultured in a Petri dish. To facilitate communication between scientists and doctors in the future, the 25 members of the BSIO
faculty plan take this kind of »bench to bedside« approach.
They will also be building some unusual bridges along the
way. For example, cancer researchers will work with social scientists to find out how human behaviour patterns might help us
better understand cancer. They are interested in exploring how
societies respond to crises like war or a shortage of resources, with
the aim of transferring these findings to models of tumour biology. »Tumour cells also have to be able to cope with shortages in
energy or nutrient supply in order to spread through the body,«
says Schmitt.
Schmitt and his fellow researchers hope to use new, targeted
therapies to treat patients more effectively, reduce side effects,
eliminate unnecessary treatments and, ultimately, to reduce costs
despite the rising expenses involved in treating cancer.
Cancer researchers will work
with social scientists
38
v
Neuartige
Strategien gegen
den Krebs
News strategies to
combat cancer
Die Krankheit Krebs stellt eine medizinische
wie gesellschaliche Herausforderung dar. Die
Erforschung von Krebserkrankungen, ihrer
molekularen Grundlagen und neuer Therapiemöglichkeiten bildet daher einen wichtigen
Forschungsschwerpunkt der Charité – Universitätsmedizin Berlin und steht auch im Mittelpunkt der Graduiertenschule BSIO – Berlin
School of Integrative Oncology. Hier wollen
Forscher aus Hämatologie, Onkologie, Chirurgie, Radiologie, Biologie, Biochemie, Informa-
tik, Public Health sowie Sozial- und Geisteswissenschaen gemeinsam daran arbeiten, in einem einzigartigen Konzept herausragende
Naturwissenschaler und Mediziner in der
Krebsforschung auszubilden.
Unter der Federführung von Professor Clemens Schmitt beantragen die Humboldt-Universität und die Freie Universität gemeinsam
mit der Charité die Einrichtung der Graduiertenschule; in Zusammenarbeit mit den außeruniversitären Partner-Instituten Max-PlanckInstitut für molekulare Genetik, Max-PlanckInstitut für molekulare Pfl anzenphysiologie
und dem Max-Delbrück-Centrum für molekulare Medizin.
Cancer poses a huge challenge for both medicine and society as a whole. Cancer research,
both with regard to its molecular foundations
and to finding new methods of treatment are
thus a major focus of research at the Charité –
Universitätsmedizin Berlin and of the planned
graduate school BSIO – Berlin School of Integrative Oncology. Experts from the fields of haematology, oncology, surgery, radiology, biology, biochemistry, computer science, public
health and the social sciences and humanities
will work together in the unique format provided by the school to train outstanding scientists and doctors in cancer research.
Under the aegis of Professor Clemens
Schmitt, Humboldt-Universität and Freie Universität have submitted a joint proposal for the
establishment of the Graduate School, together with the Charité and in cooperation
with the non-university partners Max Planck
Institute for Molecular Genetics, the Max
Planck Institute of Molecular Plant Physiology
and the Max Delbrück Center for Molecular
Medicine.
MEDIZIN / MEDICINE
39
Virtuelle
Rehabilitation
für Schlaganfallpatienten
Virtual
rehabilitation
for stroke
patients
Im Exzellenzcluster NeuroCure arbeiten
Grundlagenforscher und Kliniker eng
zusammen
The NeuroCure Cluster of Excellence promotes
close collaboration between basic researchers
and clinicians
Text: Ljiljana Nikolic
Fotos: Matthias Heyde
40
k
deutsch
Hans H.
steht auf einem Laufband. Er ist
umgeben von acht Monitoren, auf denen das Panorama von
Berlin zu sehen ist. Mit Hilfe des Laufbandes bewegt er sich
virtuell von der Charité zu seinem Wohnhaus. Keine leichte
Aufgabe für den 65-Jährigen, denn er leidet nach einem Schlaganfall an Störungen der räumlichen Wahrnehmung (Neglect).
Seine Umgebung linksseitig nimmt er nur schlecht wahr. Auf
dem Weg nach Hause gerät er immer wieder in Situationen, in
denen er von Autos angefahren wird – virtuell. Zusammen mit
seinem begleitenden Arzt übt er, seinen Weg ohne »Unfälle« zu
meistern.
Dieses Szenario ist Vision. Ein virtueller Spaziergang für
Schlaganfallpatienten ist heute noch nicht möglich, und auch
Hans H. gibt es nicht. Aber ein Gerät, das den Namen Virtuelle
Realität trägt und Patienten helfen soll, ihren Alltag selbstständig zu meistern, steht seit kurzem auf dem Campus Charité
Mitte.
»Es handelt sich um eine Apparatur, die in Zukun für Diagnostik und Rehabilitation eingesetzt werden könnte, um beispielsweise Schlaganfall-Patienten besser in den Alltag zu integrieren, indem sie in risikofreier Umgebung Aufgaben üben,
die sie in der realen Welt nicht bewältigen könnten, ohne sich
selbst und andere zu gefährden«, erklärt Andreas Meisel. Der
Neurologe ist Schlaganfallexperte am Exzellenzcluster NeuroCure der Charité, er wirkt am Centrum für Schlaganfallforschung der Charité mit und ist Leiter der Berliner Schlaganfallallianz. Und er ist von den verbesserten Möglichkeiten der Rehabilitation mit Hilfe der Virtuellen Realität überzeugt. Ob das
auch wirklich der Fall ist, muss noch wissenschalich bewiesen
werden. Im NeuroCure Clinical Research Center (NCRC), dem
klinischen Forschungszentrum des Exzellenzclusters NeuroCure, erprobt Meisel zurzeit gemeinsam mit Partnern von der
Technischen Universität Berlin und Rehabilitationsspezialisten
der Median-Klinik Berlin die neue Plattform bei Schlaganfallpatienten mit Neglect.
»Wir können mit Hilfe der virtuellen Simulation beim Patienten eine höhere Verarbeitungsebene im Gehirn stimulieren,
die mit anderen Methoden der Rehabilitation, wie beispiels-
Wir können mit Hilfe der
virtuellen Simulation eine
höhere Verarbeitungsebene
im Gehirn stimulieren
Using virtual simulations, we are
able to stimulate more complex
processing functions of the brain
weise Papier- und Bleisti-Übungen, nicht erreicht werden
kann«, erklärt York Winter. Der Tierphysiologe mit dem
Spezialgebiet Kognitive Neurobiologie ist der Erfinder dieser
Virtuellen Realität für den medizinischen Einsatz. Auch Winter
ist Wissenschaler am Exzellenzcluster NeuroCure, das um eine
zweite Förderung in der Exzellenzinitiative konkurriert.
Wissenschalerinnen und Wissenschaler aus sechs Einrichtungen erforschen in insgesamt 47 Arbeitsgruppen in NeuroCure als »Principal Investigators« die Funktionen des Nervensystems. Sie eint das Ziel, Mechanismen von Krankheiten wie
Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Epilepsie besser zu verstehen. Der interdisziplinäre Forschungsverbund der Charité
möchte Ergebnisse aus der neurowissenschalichen Grundlagenforschung noch stärker und schneller als bisher in die klinische Anwendung überführen und neue Therapien entwickeln.
Dazu arbeiten Grundlagenforscher mit den Ärzten der jeweiligen Kliniken eng zusammen.
Zurück zur Virtuellen Realität für Diagnostik und Rehabilitation von Patienten. Dass dieses System in unserer sonst stark
computerisierten Welt in den Anfängen steckt, mag vielleicht
verwundern. »Ein Grund ist, dass die Systemtechnik komplex
ist und allgemein verfügbare Standardso warelösungen bislang noch nicht existieren«, verdeutlicht Winter.
MEDIZIN / MEDICINE
41
Der Forscher ist 2009 von der Universität Bielefeld nach Ber- den«, verdeutlicht Winter. Über diesen Weg wollen die Forscher
lin gekommen. Winter ist auch Lehrstuhlinhaber für Kognitive rund um NeuroCure neurologische und psychiatrische SympNeurobiologie am Institut für Biologie der HU und hat neben tome diagnostizieren, um Erkrankungen wie Schlaganfall, Alzseinen eigentlichen Forschungsthemen, die sich um Entschei- heimer oder auch Parkinson modellha zu verstehen.
dungsfindung, Lernen oder auch Gedächtnis bei Tieren drehen,
An diesem Punkt ist die Schnittstelle zwischen der Expertise
eine weitere Expertise vorzuweisen: Er konzipiert und baut des Tierphysiologen und des Neurologen. Wenn es nach Winter
computergestützte Apparaturen zur automatisierten Verhal- und Meisel geht, so soll das medizinische System Virtuelle Reatensüberwachung von Tieren. »Diese erlauben es, störungsfrei lität in fünfzehn, zwanzig Jahren in standardisierter Form in
für die Tiere kleine Abweichungen vom freien Spontanverhal- Arztpraxen und Krankenhäusern stehen und dazu dienen, Diaten zu ermitteln und damit neurologische oder psychiatrische gnose und Rehabilitation bei Patienten nach Schlaganfällen
Defizite zu diagnostizieren«, erklärt der Wissenschaler. An der und anderen Störungen des Gehirns aufgrund von Unfällen
Charité baut er die Berliner Mausklinik für Neurologie und Psy- oder altersbedingten Erkrankungen durchzuführen. »Unsere
chiatrie auf, die in dem neuen Forschungszentrum auf dem Gesellscha wird immer älter, wir sollten uns Gedanken maCharité Campus in Mitte Platz finden wird.
chen, wie ältere Menschen und Kranke stimuliert und motiviert
Von den 100 diagnostischen Apparaturen, die sich in der werden können, ihren Alltag alleine zu meistern, anstatt nur
Mausklinik befinden, sind zehn Erfindungen von Winter, die er die vermeintliche Lösung Heim im Auge zu haben«, unterzusammen mit Computerexperten und Ingenieuren realisiert. streicht Meisel.
So gibt es das System »Virtuelle Realität«
auch in verkleinerter Ausgabe. »Bei dieDietmar Schmitz, der international renomDietmar Schmitz, the renowned neuroscienser Apparatur sitzt eine Maus auf einer
mierte Neurowissenschaler, ist Sprecher des
tist is coordinator of the NeuroCure Cluster of
Laufkugel, die ebenfalls von Monitoren
Exzellenzclusters NeuroCure und der erste
Excellence and Berlin’s first Einstein Profesumgeben ist. Sobald das Tier läu, wird
Einstein-Professor Berlins. Schmitz hat an
sor. Schmitz studied at the University of Colodie Landscha bewegt, und die Maus
der Charité – Universitätsmedizin Berlin und
gne and at the Charité – Universitätsmedizin
an der Universität Köln studiert und promoBerlin, where he gained his doctorate in 1997.
kann an verschiedene Orte der Landviert. Während seiner Postdoc-Zeit war er unDuring his postdoctoral studies he spent time
scha kommen«, berichtet Winter. »Inter anderem an der Universität von Kaliforniat other universities including the University
nerhalb dieser Landscha lernt sie die
en. Seit 2005 ist er Professor an der Charité,
of California in San Francisco. Since 2005 he
Orte zu finden, an denen es besonders
Leiter des Neurowissenschalichen Forhas been a professor at the Charité and Maschungszentrums und seit 2008 Koordinator
naging Director of the Neuroscience Research
leckeres Futter gibt.« Nach dem Prinzip
der
Graduiertenschule
»Learning
and
MemoCenter. Since 2008 he has coordinated the
Belohnung funktionieren viele der comry«. Seine Forschungsschwerpunkte sind mo»Learning and Memory« Graduate School.
puterbasierten Testbatterien, wo die Tiere
lekulare und zelluläre Mechanismen synaptiHis key research focuses are the cellular and
aus eigener Motivation innerhalb ihrer
scher Plastizität sowie physikalische Grundmolecular mechanisms of synaptic plasticity
lagen neuronaler Synchronisationsprozesse.
and the basic principles of synchronisation
Sozialgruppe aktiv sind und auch über
Schmitz
hat
eine
Reihe
von
Ehrungen
erhalprocesses of networks of neurons. Schmitz
Aufgaben stimuliert werden, während sie
ten, darunter auch den Humboldt-, den Schilhas received many honours including the
gleichzeitig tagelang in ihrem Heimkäfig
ling- und den Bernard-Katz-Preis, ebenso
Humboldt Prize, the Schilling Prize and the
automatisch überwacht werden. »In der
mehrfach den Teaching Award des GraduierBernard Katz Prize. He has also received the
Berliner Mausklinik kann eine breite Patenprogramms »Medical Neurosciences«.
Teaching Award from the Medical Neurosciences International Graduate Program severlette an neurologischen und psychiatridietmar.schmitz@charite.de
al times.
schen Symptomen bei der Maus diagnosTel 030 · 450 539 054
tiziert werden, oder auch das Abklingen
www.charite.de/schmitzlab
und Verheilen dieser Symptome nach erfolgreicher Behandlung festgestellt wer-
42
Grundlagenforschung schnell
in klinische Anwendung übertragen
Accelerating the
translation of
basic research into
clinical practice
www.neurocure.de
NeuroCure ist ein im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertes Cluster der Humboldt-Universität zu Berlin
und der Freien Universität Berlin an der Charité
– Universitätsmedizin Berlin. Neben Grundlagenforschung zu Hirnfunktionen stehen
Krankheitsmechanismen im Fokus, deren Aufdeckung in neue Therapien für neurologische
Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Epilepsie münden soll. Im Fokus des
interdisziplinären Forschungsverbundes steht
die Übertragung (Translation) neurowissenschalicher Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Diese
Translation wird durch klinische Studien ermöglicht, die sowohl von Grundlagenwissenschalern als auch von Klinikern initiiert werden können und am NeuroCure Clinical Research Center (NCRC) durchgeführt werden.
Neben den universitären Partnern sind auch
die außeruniversitären Einrichtungen Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin, das
Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie
und das Deutsche Rheuma-Forschungszentrum
Berlin an dem Forschungsverbund beteiligt.
NeuroCure is a Cluster of Excellence of Humboldt-Universität zu Berlin and Freie Universität Berlin at the Charité – Universitätsmedizin
Berlin. It is funded by the federal and state
government Excellence Initiative. Alongside
basic research into brain functions, the main
focus of this interdisciplinary research alliance
is on uncovering disease mechanisms to enable
the development of new therapies for neurological disorders such as strokes, multiple sclerosis and epilepsy. It also focuses on the translation of neuroscientific findings from basic research into clinical practice. This is made possible thanks to clinical studies conducted at the
NeuroCure Clinical Research Center (NCRC)
that can be initiated by scientists engaged in
basic research as well as by clinicians.
NeuroCure’s partners include various universities and three non-university institutions – the
Max Delbrück Center for Molecular Medicine,
the Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie and the German Rheumatism Research
Centre in Berlin.
MEDIZIN / MEDICINE
43
k
english
Hans H.
is standing on a treadmill, surrounded by eight monitors showing a panoramic view of Berlin.
By walking on the treadmill, he virtually makes his way from the
hospital to his home. No easy task for the 65-year-old man who
has had spatial awareness problems since suffering a stroke.
Since then he has had difficulty in accurately perceiving the surroundings on his le-hand side. On the way home, he repeatedly
gets into situations where he is run over by cars − virtually, of
course. With the help of his doctor, he practises getting home without any accidents.
This is a vision of the future. Stroke patients cannot yet go on
for a virtual walk and Hans H. is a fictional character. However,
Campus Charité Mitte did recently acquire a device called Virtuelle
Realität – Virtual Reality – which is intended to help patients successfully manage their everyday lives again.
»In future, this piece of equipment could be used for diagnosing and rehabilitating patients. For example, it could help stroke
patients integrate back into everyday life by offering them a riskfree environment to practise tasks that they might not be able to
manage in the real world without causing injury to themselves or
others,« explains Andreas Meisel, a neurologist specialising in
strokes at the NeuroCure Cluster of Excellence at the Charité. He
also works at the Center for Stroke Research Berlin at the Charité
and is head of the Berliner Schlaganfall-Allianz, an alliance of
stroke specialists in the Berlin area. He is enthusiastic about the
possibilities virtual reality offers for improving patient rehabilitation. The benefits of using virtual reality still need to be scientifically proven. At the NeuroCure Clinical Research Center (NCRC),
the clinical research centre of the NeuroCure Cluster of Excellence,
Meisel and his partners from Technische Universität Berlin and
rehabilitation specialists from Median Klinik Berlin are testing a
new platform for stroke patients with neglect symptoms.
»Using virtual simulations, we are able to stimulate more complex processing functions of the brain that we cannot activate with
other rehabilitation methods, such as pencil and paper exercises,«
44
explains York Winter, an animal psychologist specialising in cognitive neurobiology. He invented this new Virtual Reality system
for application in the medical field. Winter also works at the NeuroCure Cluster of Excellence, which is competing for a second
round of funding in the Excellence Initiative.
At NeuroCure, scientists – referred to as Principal Investigators – from six different scientific institutions are working together in 47 different working groups to carry out research into the
functions of the nervous system. They are united by the common
goal of reaching a better understanding of the mechanisms behind diseases like strokes, multiple sclerosis and epilepsy. The
Charité’s interdisciplinary research network wants the results of
neurological basic research to play a greater role in clinical applications and the development of new therapies and to be transferred more quickly. Basic researchers are working closely with
doctors at relevant hospitals to achieve this aim.
But back to using virtual reality for diagnosing and rehabilitating patients. Given how heavily computerized the rest of our
world is, it may seem surprising that this system is still only in its
early stages. »One reason is that the system technology is very
complex and that standard so ware solutions were not generally
available until now,« explains Winter.
The researcher came to Berlin from Bielefeld University in
2009. He currently holds the chair for Cognitive Neurobiology in
the Department of Biology at HU and, aside from his research
focuses on decision-making, learning and memory in animals, is
also an expert in another field: He designs and builds computerassisted equipment for automatically monitoring animal behaviour. »These devices do not intervene in the animals’ behaviour,
enabling us to reliably identify small changes in their general behaviour patterns and diagnose neurological or psychological
faults,« explains Winter. He is also involved in setting up the Berlin Mouse Clinic for Neurology and Psychiatry, which will form
part of the new research hub at Charité Campus Mitte.
Of the 100 diagnostic pieces of equipment at the new clinic, ten
were invented by Winter, who teamed up with computer experts
and engineers to make his visions reality. One of his inventions is
a smaller version of the Virtual Reality system. »With this piece of
equipment, the mouse is placed on top of an exercise ball, which is
also surrounded by monitors. As soon as the mouse starts moving, the scene in front of it changes and the mouse can run to
various points within the scene,« explains Winter. »While exploring
the scene, it learns to find certain places where there is particularly tasty food.« Reward systems are used in many of the computer-based test batteries, where the animals interact with their social group of their own accord, and also to respond to specific
tasks. They are also constantly monitored in their home cage. »The
Berlin Mouse Clinic can diagnose a wide range of neurological
and psychiatric symptoms in mice and has been successful in
treating the mice to alleviate or cure these symptoms,« says Winter.
Researchers involved in NeuroCure want to use their findings to
diagnose neurological and psychiatric symptoms, so as to better
understand the patterns of diseases such as stroke, Alzheimer’s
and Parkinson’s.
This is the point where the expertise of animal physiologists
and neurologists expertise converges. If the visions of Winter and
Meisel are fulfilled, a standardised version of their Virtual Reality
system will be a common feature in doctor’s surgeries and hospitals 15 to 20 years time and will serve to diagnose and rehabilitate
patients who have had a stroke or who suffer from other kinds of
brain disorders caused by an accident or age-related diseases.
»Our society is aging and we need to think about how we can
stimulate and motivate the elderly and the sick to manage their
everyday lives independently, rather than thinking of care homes
as the only so-called solution,« says Meisel.
v
MEDIZIN / MEDICINE
45
Biologen, Mediziner und Ingenieure wollen
Heilungsprozesse verbessern
Biologists, doctors, and engineers are working
together at the BSRT to improve healing processes
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46
k
deutsch
Dienstags
ist bei Philipp von Roth
Forschertag. Dann zieht er sich ins Labor zurück und ist ganz
Wissenschaler. Den Rest der Arbeitswoche praktiziert der
Jungmediziner an der Klinik für Orthopädie des Centrums für
Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin, bietet Sprechstunden an und ist für seine Patienten
da. Die Behandlung von Patienten mit Sport- und insbesondere
Muskelverletzungen gehört zu seinem Klinikalltag. »Ich bin als
Arzt nah an meinen Patienten dran und kenne die Schwierigkeiten, die sich bei der Therapie ergeben. Was liegt da näher, als
selbst an geeigneten Regenerationsmethoden zu forschen«, sagt
der 30-Jährige. Philipp von Roth ist einer der ersten Clinical
Scientists an der Berlin-Brandenburg School for Regenerative
Therapies (BSRT). Ein Modell, das es Klinikern ermöglicht,
während der fünfjährigen Facharztausbildung neben dem
Praktizieren auch intensiv zu forschen.
Derzeit arbeitet Philipp von Roth mit
einem Forscherteam an Möglichkeiten,
einen verletzten Skelettmuskel – wie den
Oberschenkelmuskel nach einer Hügelenksoperation – durch das Transplantieren von adulten Stammzellen zu regenerieren. »In Versuchen konnten wir bereits
eine Regenerationsverbesserung von bis
zu 30 Prozent erzielen«, sagt der Orthopäde. Ursprünglich wollte er die Stammzellen vom Patienten selber gewinnen, was
jedoch mehrere Wochen Zellkultur und einen zweiten operativen Eingriff bedeuten würde. Da kamen die Ergebnisse der Professoren und Internisten Carsten Tschöpe und Petra Reinke und
des Klinischen Immunologen Hans-Dieter Volk der Graduiertenschule gerade recht. In Kooperation mit einer israelischen
Biotechfirma haben sie neuartige Stammzellen der Plazenta bis
zur klinischen Erstanwendung an Patienten mit schweren
Durchblutungsstörungen entwickelt. Die Forscher konnten zeigen, dass diese Zellen ohne immunologische Auswahl appliziert
und damit auf Vorrat hergestellt werden können. »Gemeinsam
haben wir nun ein Programm für die erstmalige klinische Anwendung für die Muskelregeneration erarbeitet«, sagt Volk.
»Nun gilt es zu erforschen, in welchem Zeitraum nach einer
Verletzung die Transplantation von Stammzellen am meisten
Sinn macht und ob Biomaterialien die Regeneration zusätzlich
unterstützen
können«, ergänzt Philipp
von Roth.
Dafür ist aber
nicht nur sein biologisches und medizinisches Wissen gefragt,
sondern auch ingenieurwissenschaliches
Know-how. Genau da
setzt das innovative
Ausbildungskonzept
In Versuchen konnten wir
bereits eine Regenerationsverbesserung von bis zu
30 Prozent erzielen
We have been able to improve
regeneration by up to 30 percent
MEDIZIN / MEDICINE
47
der BSRT an: Doktoranden forschen hier
in einem engen interdisziplinären Verbund, der neue Aspekte aus Biotechnologie, Biomechanik, Materialwissenscha
und Biologie mit der Expertise aus der
Chirurgie so kombiniert, dass Heilungsmethoden für Patienten mit Verletzungen und Erkrankungen am Bewegungsapparat, Immun-, Nerven- und Herzkreislaufsystem erforscht werden, die schnell im Klinikalltag
Anwendung finden. »Die Arbeiten unserer Gruppe zielen darauf
ab, die körpereigenen Vorgänge zu verstehen und – wo nötig –
zu stimulieren, um die natürliche Regeneration des Körpers zu
unterstützen«, sagt der Sprecher der Graduiertenschule, Professor Georg Duda. Dafür müssen Ingenieure biologische Mechanismen verstehen, Biologen brauchen einen technischen Hintergrund und Kliniker benötigen biologisches und biomaterialwissenschaliches Hintergrundwissen. »Wir bilden Wissenschaler neuen Typs aus, die wissen, was der Kollege einer anderen Disziplin macht und was er für eine erfolgreiche Forschung braucht, ohne dabei seine eigene Spezialisierung zu
vernachlässigen«, so Duda.
Derzeit werden 87 Graduierte aus dem In- und Ausland in
engen fachlichen Austausch untereinander in einem der drei
Ausbildungstracks Biologie/Biochemie, Ingenieurwissenschaften und Medizin betreut.
Neben der körpereigenen Stimulation kommt der Optimierung von Implantaten und chirurgischen Techniken eine große
48
Bedeutung zu. »Zelle trif hier auf Material. Wir entwickeln beispielsweise Kunstmaterialien, die den körpereigenen ähnlich
sind, um die Gefahr eines Infekts nach einer Operation zu senken«, erklärt Duda. »Diese Implantate sind eine Mischung aus
Medikamenten, Zellen und technischen Produkten. Sie setzen
während des Heilungsprozesses Antibiotika im Körper frei, lösen sich mit der Zeit auf und werden schließlich durch körpereigenes Gewebe ersetzt.«
In Zukun sollen die Graduierten unter dem Leitbegriff
»Biothinking« ihre Promotionsprojekte noch intensiver bündeln und gemeinsam zu Fokusthemen forschen. »Wir möchten
die starken Wechselwirkungen der verschiedenen Disziplinen
schon während der Doktorandenausbildung aneinander ausrichten, um neuartige Denkprozesse anzuregen«, erklärt Duda
die Idee.
Im gleichen Zug soll auch die Postdoc-Förderung weiter gestärkt werden. »Besonders talentierte Doktorandinnen und
Doktoranden sollen frühzeitig eine unabhängige Position innerhalb der Fakultät erhalten – bei einer ebenso engagierten
Georg N. Duda ist Professor für Biomechanik
und Biologie der Knochenheilung und seit
2008 Direktor des Julius Wolff Instituts an der
Charité – Universitätsmedizin Berlin. Zuvor
war er elf Jahre lang Leiter des Forschungslabors des Centrums für Muskuloskeletale Chirurige an der Charité. Seit 2007 leitet er die
BSRT, die aus dem »Berlin-Brandenburg Center for Regenerative Therapies« (BCRT) hervorgegangen ist, an dessen Gründung Georg
Duda maßgeblich beteiligt und dessen stellvertretender Direktor er derzeit ist.
Georg Duda hat Feinwerktechnik und
Biomedizinische Technik an der Technischen
Universität Berlin studiert, 1996 folgte die
Promotion an der TU Hamburg-Harburg,
2001 habilitierte er sich an der Charité.
Sein Forschungsschwerpunkt ist die Muskuloskeletale Forschung mit Bezug auf die
biomechanischen Rahmenbedingungen des
intakten und verletzten Bewegungsapparates, wie beispielsweise Gelenk- und Knochenbelastungen, die Wechselwirkung zwischen physikalischen und mechanischen Bedingungen und der biologischen Regeneration im Bereich des Bewegungsapparates
sowie die Rolle der Weichteile während der
muskuloskeletalen Regeneration.
Georg N. Duda is a professor of biomechanics and biology of bone regeneration and
has been the director of the Julius Wolff Institut at the Charité – Universitätsmedizin Berlin
since 2008. Before that he ran the research
lab at the Centre for Musculoskeletal Surgery
at the Charité for eleven years. Since 2007 he
has led the BSRT, an off shoot of the BerlinBrandenburg Centre for Regenerative Therapies (BCRT). Duda played a large part in establishing the latter and is currently its vice director.
Duda studied precision engineering and
biomedical technology at Technische Universität Berlin. He earned his doctorate at Hamburg University of Technology (TUHH) in 1996
and his habilitation from the Charité in 2001.
His research focuses on musculoskeletal
research, particularly in relation to the biomechanical parameters of intact and injured
musculoskeletal systems (such as the loads
on joints and bones), the interaction between
the physical and mechanical conditions, the
biological regeneration of the musculoskeletal system, and the importance of cells and
tissues in musculoskeletal regeneration.
georg.duda@charite.de
Tel 030 · 450 559 079
Betreuung«, sagt Duda. Der Karrierepfad des Clinical Scientist
etwa, von der BSRT initiiert, wurde durch die Unterstützung der
Volkswagensti ung kürzlich in der gesamten Charité implementiert, um die begabtesten Medizinstudenten bereits früh zu
fördern und an der Klinik zu halten. »Ärzte, die Forschung vordenken und mitgestalten, sind die Führungskräe in der Medizin von morgen«, sagt Duda.
So wie Philipp von Roth. Seine Forschungsergebnisse über
die Vorteile einer Stammzellentransplantation bei Skelettmuskelverletzungen sollen bald bei Hüoperationen nutzen. »Denn
obwohl wir die Mobilität des Patienten verbessern, verletzen
wir bei solch einer Operation auch immer Muskeln«, erklärt er.
»Weitere Forschungen werden uns dabei helfen, Schmerzen
und vor allem Langzeitschäden, die o zu Arbeitsausfällen führen, weiter einzudämmen.«
Die Arbeiten unserer Gruppe
zielen darauf ab, die natürliche Regeneration des
Körpers zu unterstützen
Our group’s work aims to
support the body’s natural
regeneration
MEDIZIN / MEDICINE
49
k
english
Tuesdays
are special days in Philipp von
Roth’s calendar, devoted entirely to lab research. The rest of the
working week, the young doctor practices at the Orthopaedic Clinic, which is part of the Center for Musculoskeletal Surgery at the
Charité – Universitätsmedizin Berlin, and is there for his patients.
His daily routine at the clinic includes treating patients with sports
injuries, especially those involving the muscles. »As a doctor, I’m
in close contact with my patients and am familiar with the problems that can arise in treatment – so I feel it makes perfect sense
for me to do research on suitable methods for regeneration therapy myself,« says von Roth. The 30-year-old is one of the clinical
scientists at the Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies (BSRT), where clinicians can conduct intensive research
alongside practicing as doctors during their five years of specialist training.
Currently von Roth and a team of researchers are working on
the possibility of transplanting adult stem cells to regenerate skel-
50
etal muscles following injury, for example to the hamstring aer
hip replacement surgery. »We have been able to improve regeneration by up to 30 percent,« says von Roth. He had initially planned
to obtain the stem cells from the patients themselves, but that
would have meant a second surgical procedure and a delay of
several weeks to culture the cells. So von Roth was thrilled when
he learned that a team of researchers – internal medicine specialists Carsten Tschöpe and Petra Reinke and clinical immunologist
Hans-Dieter Volk, who are all professors at the graduate school –
working in cooperation with a biotech company from Israel, had
developed a new procedure involving placental stem cells that was
ready for initial clinical application on patients with severely impaired circulation. The researchers were able to demonstrate that
the cells could be applied without immunological selection and
could thus be produced ahead of time and kept in stock. »We’ve
now jointly developed a programme for initial clinical trials on
use in muscle regeneration,« says Volk.
Forschen und Praktizieren
an einem Ort
Research and clinical practice
in one location
www.bsrt.de
Die international renommierte Graduiertenschule Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies (BSRT) ist eine gemeinsame Initiative von klinischen, biologischen und Ingenieurswissenschaen auf dem Gebiet der regenerativen
Medizin. Ihr zentrales Ziel ist, die Förderung von
endogener Geweberegeneration zur Bekämpfung
akuter und chronischer Krankheiten. Doktoranden der Natur- und Materialwissenschaen werden in drei Jahren auf eine Laufbahn in der Wissenscha oder in der Industrie vorbereitet, Mediziner erhalten eine fünfjährige Facharztausbildung mit umfangreichen Forschungsmöglichkeiten. Den Doktoranden werden in dieser Zeit umfassende Kenntnisse in Zell- und Molekularbiologie, Bio-Engineering, Biotechnologie und Biomaterialen vermittelt, aber auch Schlüsselqualifikationen wie beispielsweise wissenschaliches Präsentieren und Schreiben, sowie Kenntnisse in
Klinischen Studien oder ökonomischen Fragestellung, als auch Karriereplanung. Die BSRT arbeitet
eng mit dem BerlinBrandenburg Center
for Regenerative Therapies (BCRT) zusammen, das Therapiekonzepte schnell in die
klinische Anwendung
überführen will.
The Berlin-Brandenburg School for Regenerative Therapies (BSRT) is an internationally renowned graduate school and interdisciplinary initiative bringing together clinical, biological and engineering scientists in the field of regenerative
medicine. Its main aim is to stimulate endogenous tissue regeneration to fight acute and chronic diseases. BSRT offers doctoral students in the
natural and materials sciences a three-year programme to prepare them for a career in science or
industry. There is also a five-year course for me-
»We want to find out at which point in time aer the muscles
have been damaged a transplantation of stem cells is most effective and whether the simultaneous use of biomaterials can support regeneration,« adds von Roth.
Answering these questions requires the expertise of engineering scientists as well as of biologists and clinicians. That’s where
the BSRT’s innovative training concept comes into play. Doctoral
students work closely here in an interdisciplinary approach that
combines the latest findings from biotechnology, biomechanics,
materials science and biology with the expertise of surgeons to
develop new methods of treatment, which can be quickly translated into clinical practice, for patients suffering from injuries and
disorders of the musculoskeletal, immune, nervous and cardiovascular systems. »Our group’s work aims to provide a better understanding of processes in the body and to stimulate them when
necessary to support the body’s natural regeneration,« says Professor Georg Duda, the graduate school’s coordinator. That means
dics with wide-ranging opportunities for research.
During the programme, the students acquire extensive expertise in cell and molecular biology,
bioengineering, biotechnology and biomaterials,
and also gain key skills in areas like scientific presentations and writing. In addition, they broaden
their knowledge of clinical studies and economic
issues, and can take advantage of career planning
services. The BCRT works closely with the BerlinBrandenburg Centre for Regenerative Therapies
(BCRT), which drives the translation of therapeutic concepts into clinical applications.
Wir bilden Wissenschaler
neuen Typs aus, die wissen,
was der Kollege einer anderen
Disziplin macht
We want to train a new kind of
scientist who is aware of what
colleagues in other fields are
doing
MEDIZIN / MEDICINE
51
Derzeit werden 87 Graduierte
aus dem In- und Ausland
betreut
There are currently 87 graduate
students from Germany and
abroad enrolled
engineers need to understand biological mechanisms, biologists
need a background in engineering technology, and clinicians need
a solid grounding in biology and biomaterials science. »We want
to train a new kind of scientist who is aware of what colleagues in
other fields are doing and what they need to conduct successful
research without neglecting his or her own field of specialisation,«
says Duda.
There are currently 87 graduate students from Germany and
abroad enrolled in the school’s three closely networked tracks Biology/Biochemistry, Engineering Science and Medicine.
Another important focus of their work beside stimulating the
body’s regenerative functions is the optimisation of implants and
surgical techniques. »It’s about combining cells with material. For
example, we are working on developing biomaterials that have
properties much like human tissue that we hope will reduce the
risk of infection aer surgery,« Duda explains. »These implants
consist of a combination of drugs, cells and technical components.
They release antibiotics in the body during the healing process
and over time, they completely dissolve and are replaced by the
body’s own tissue.«
In a concept known as »biothinking«, the school plans to have
graduate students work together even more closely and focus
jointly on specific areas of research in the future. Duda explains
the underlying idea as follows: »We plan to interlink the various
disciplines already in the doctoral training phase in order to encourage crosspollination and new ways of thinking.«
At the same time, the school wants to consolidate its measures
for promoting postdoc researchers. »We want to offer especially
52
talented doctoral students an independent position within the faculty early on, as well as the best possible guidance,« says Duda.
Thus the career track »Clinical Scientist«, which was initiated by
the BSRT, was recently implemented across the Charité with the
support of the Volkswagen Foundation in order to develop the
talents of outstanding medical students and encourage them to
stay at the clinic. »Doctors who think in terms of future research
and contribute to shaping its course are tomorrow’s leaders in the
field of medicine,« says Duda.
He is talking about young doctors like Philipp von Roth, whose
findings on the benefits of transplanting stem cells in treating
skeletal muscle injuries will soon help speed the recovery of hip
replacement surgery patients. »While such operations improve patients’ mobility, the fact remains that muscles are always damaged during these procedures,« von Roth explains. »Additional
research will help us further reduce pain and long-term damage
that oen leaves people unable to work for longer periods.«
v
MEDIZIN / MEDICINE
53
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
Die Sammlung
des WinckelmannInstituts
The Winckelmann
Institute collection
www2.hu-berlin.de/sammlung-winckelmann-institut
Fotos: Heike Zappe
Antike Originale, Gläser, Bronzen, Münzen und
Münzabdrücke, Aquarellkopien und Abgüsse von
Plastiken – geschätzte 5.000 Einzelstücke ganz unterschiedlicher Art beherbergt die Sammlung des
Winckelmann-Instituts für Klassische Archäologie.
Im Jahre 1921 wurde im Westflügel des Universitätsgebäudes die damals größte Gipsabgusssammlung antiker Plastik eröff net, die bis 1944
mehr als 3700 Abgüsse zeigen konnte. Der ursprüngliche Bestand der Sammlung ist in Folge
zahlreicher Aus- und Umlagerungen nach dem
Krieg in Berlin verstreut.
Kunst der ägäischen Bronzezeit ist im Minoisch-Mykenischen Saal ausgestellt. Die Kleinkunstsammlung beherbergt Artefakte aus dem
gesamten Mittelmeerraum. Auch in den Treppenhäusern und Fluren des Hauptgebäudes Unter den
Linden sind Reliefs der Abgusssammlung zu finden. In Lehrveranstaltungen wird regelmäßig auf
die Exponate dieser Lehrsammlung zurückgegriffen. Denn wer im Studium schon mal eine Scherbe
in der Hand hielt, hat viel bessere Chancen, auch
auf eine Grabung vermittelt zu werden.
54
The collection of the Winckelmann Institute for
Classical Archaeology encompasses an estimated
5,000 objects, including original antique sculptures, glass, bronzes, coins and coin impressions,
watercolour copies, and sculpture casts.
The collection of plaster casts of ancient Greek
and Roman sculptures opened in the west wing of
the university building in 1921. It was the largest
collection in the world at the time, exhibiting more
than 3,700 casts in the years leading up to 1944.
The stock then had to be evacuated and redistributed numerous times, however, so that aer the
war, the collection was dispersed all over Berlin.
Works of art from the Aegean Bronze Age are
displayed in the Minoan-Mycenaean Hall. The
collection of small works of art (Kleinkunstsammlung) includes artefacts from the entire Mediterranean region. Numerous reliefs from the cast collection are on display in the stairwells and halls of
the university’s main building on Unter den Linden. The collection also serves as a teaching collection – aer all, actually seeing and touching
real pottery shards greatly improves students’
chances when applying to work on excavations.
Mykenisches Räuchergefäß
aus Rhodos (13. Jh. v. Chr.)
Mycenaean incense burner
from Rhodes (13th century BC)
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
55
56
Goldene Tasse aus Vaphio, minoisch-mykenisch
(16. Jh. v. Chr.), Galvanokopie von E. Gilliéron/WMF
Golden cup from Vaphio, Minoan-Mycenaean
(16th century BC),galvano copy by E. Gilliéron/WMF
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
57
Tierkopfrhyta (Trankspendengefäße) aus Mykene
(16. Jh. v. Chr.), Galvanokopie E. Gilliéron/WMF
Animal head rhyta (drinking horn) from Mycenae
(16th century BC), galvano copy by E. Gilliéron/WMF
58
Stierrhyton aus Kreta, minoisch
(16. Jh. v. Chr.), farbiger Abguss E. Gilliéron
Bull rhyton from Crete, Minoan
(16th century BC), coloured cast by E. Gilliéron
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
59
Herakles - Kerberos - Metope vom Zeustempel in Olympia,
Abguss Gipsformerei Berlin
Heracles-Cerberus metope from the Zeus Temple in Olympia,
cast by Gipsformerei Berlin
60
Abgüsse antiker Plastik
aus Bassai,
Olympia und Tivoli
Casts of ancient reliefs
from Bassae,
Olympia and Tivoli
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
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62
Arbeitsplatz eines Archäologen am Winckelmann-Institut,
seit Bezug der Institutsräume 1919 einigermaßen unverändert,
Tintenfass von G. Rodenwaldt (Ordinarius von 1932 - 45),
Skulptur »Dozent und Student« aus dem Nachlass O. Sala
An archaeologist’s desk at the Winckelmann Institute,
virtually unchanged since the institute moved there in 1919,
ink well belonging to G. Rodenwaldt (professor from 1932 to 45),
»Lecturer and Student« sculpture from O. Sala’s estate
SAMMLUNG IN BILDERN / COLLEC TION IN PIC TURES
63
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
Der Seele einen
Ort geben
Seeking the soul
Im Exzellenzcluster Topoi wird das antike
Wissen über Räume erforscht
The Topoi Cluster of Excellence investigates what
the ancients knew about places and spaces
Text: Ulrich Kühne
64
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
65
k
deutsch
Wo bin ich
– und wenn ja, wie viele?
Wenn die Seele kein materielles Ding ist, wo kann sie sich dann
befinden? An einem Ort, der keine Ausdehnung hat? Aber wie
kann man dann von ihren Teilen sprechen? Denn Teile hat die
Seele: Wir schmecken, riechen, denken und pflanzen uns fort
– für jeden dieser unterschiedlichen Vorgänge ist ein eigenes
seelisches Vermögen zuständig.
Ab dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert verband sich
der Ausdruck psychê, der ursprünglich den Lebensatem des
Menschen bezeichnet, mit der Vorstellung von einem besonderen, in unserem Körper lokalisierten Bereich, der für emotionale Zustände, Überlegungen und Willensentscheidungen verantwortlich ist. Sowohl Platon als auch Aristoteles betrachteten die Seele als eine komplexe Einheit von Funktionen. Aber
wie kann die Zusammensetzung verschiedener Fähigkeiten
noch eine Einheit sein? Befinden sich die verschiedenen Seelenteile in unterschiedlichen Körperteilen und wie interagieren sie miteinander?
»Zur Philosophie gehört, meinen wir, wenn sie überhaupt zu
etwas gehört, auch die Geographie …«, meinte in der Zeit um
Christi Geburt der große antike Geograph Strabon. Aus Sicht unserer modernen Forschungslandscha erscheint es überraschend, dass geisteswissenschaliches Erkenntnisstreben in einer Verbindung zur Erforschung von Räumen stehen soll. In der
Antike jedoch war die Vorstellung einer inneren Einheit und
wechselseitigen Abhängigkeit von Raum und Wissen allgegenwärtig. Wer die Wiege unserer Kultur besser verstehen will,
muss auch die »Bildung und Veränderung von Raum und Wissen« in den antiken Zivilisationen des Mittelmeerraums und des
Nahen Ostens in der Zeit vom sechsten vorchristlichen Jahrtausend bis zum sechsten nachchristlichen Jahrhundert erforschen.
66
Körper und Seele im Alten Ägypten:
Darstellung des Ba-Vogels im Ägyptischen
Totenbuch. Papyrus aus dem Totenbuch des Ani,
Ägypten um 1275 v. Chr.
The body and soul in ancient Egypt:
Depiction of Ba, a bird representing the spirit
of the deceased, in the Egyptian Book of the Dead;
from the Papyrus of Ani, Egypt, around 1275 BC
Dieser Aufgabe widmet sich seit 2007 das Exzellenzcluster
Topoi in gemeinsamer Sprecherscha von Humboldt-Universität und Freier Universität. Über 200 Wissenschaler forschen
hier in rund 40 Forschergruppen und in enger Vernetzung mit
Berliner Institutionen altertumswissenschalicher Forschung.
Die vielleicht innigste Verbindung von Raum und Wissen
findet sich in der langen Tradition der Versuche, die Organe des
Denkens zu lokalisieren. Die Topoi-Arbeitsgruppe »Mapping
Body and Soul« forscht darüber. Dominik Perler und Philip van
der Eijk sind beide Principle Investigators von der HumboldtUniversität. Der Altertumswissenschaler und Wissenschashistoriker van der Eijk ist Alexander von Humboldt-Professor.
Dominik Perler ist seit Jürgen Habermas der erste Philosoph, der
mit dem Leibniz-Preis ausgezeichnet wurde.
Die Hauptaufgabe liegt in der systematischen Analyse von
alten Texten, omals in Pionierarbeit, weil die Texte erst kritisch ediert und philologisch erschlossen werden müssen. Neben den Primärtexten ist auch immer die über Jahrhunderte
reichende Rezeptionsgeschichte zu erforschen. Zu der Abhandlung »Über die Seele« von Aristoteles gibt es einen wichtigen
Kommentar von Alexander von Aphrodisias aus der Spätantike,
aber auch Diskussionen von William von Ockham im Mittelalter und von den Renaissance-Gelehrten Pietro Pomponazzi und
Jacopo Zabarella.
Neben den philosophischen Werken gab es auch schon in
der Antike medizinische Forschung über die Frage nach dem
Ort des seelischen Vermögens und den Strukturen des Seelenorgans. Der berühmte Arzt Galen von Pergamon hat im zweiten
Jahrhundert hierüber insbesondere die beiden Schrien »Über
die affizierten Orte« und »Dass die Vermögen der Seele den Mischungen des Körpers folgen« verfasst, die praktisch noch Neuland für die Philologie sind und im Rahmen der Topoi-Arbeitsgruppe erstmals erschlossen und inhaltlich analysiert werden.
Fragen über die Seele wurden in der Antike durchaus schon
mit empirischen Methoden erforscht. Dabei wurden aus sichtbaren Zeichen, wie Funktionsstörungen, Ausscheidungen,
Schmerzberichten, Hautverfärbungen oder anderen Symptomen, Rückschlüsse auf deren Ursprung an unsichtbaren Orten
im Körperinneren gezogen. Die Funktion von Organen erfährt
man aus pathologischen Fällen, wo lokalisierte Verletzungen
oder Erkrankungen im Zusammenhang mit eindeutigen Funktionsausfällen stehen. Dass in der Antike dem Herz der Rang als
zentrales Seelenorgan zugesprochen wurde, liegt gerade daran,
dass beispielsweise zwar ein Arm und ein Auge zerstört werden
kann, ohne dass die Seele selbst oder ihre Vermögen offensichtlich betroffen wären, hingegen die Zerstörung des Herzens notwendig auch die Zerstörung der Seele nach sich zieht.
Trotz des fast modern anmutenden Forschungsprogramms
der antiken Wissenschaler erscheinen die damals entworfenen »geographischen« Karten von Körper und Seele uns heutigen Menschen auf den ersten Blick recht seltsam und unverständlich. Doch genau hier kommt der Vorteil eines großen
Exzellenzclusters zur Geltung: Keine Fachrichtung und keine
Forschergruppe ist nur auf sich selbst bezogen. Über die Entschlüsselung der Bedeutung antiker Karten arbeiten in Topoi
auch andere Gruppen mit ganz anderen Perspektiven und Voraussetzungen. Beispielsweise gibt es ein Team, das sich mit
imaginierten Räumen nicht in der wissenschalichen, sondern
mythologischen und schöngeistigen Literatur der Antike beschä igt.
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
67
Die Erforschung von Leib und Seele:
Das Handbuch der Anatomie des antiken
Arztes und Anatoms Galenos von Pergamon.
Holzschnitt von Jacquemin Woeiriot
Investigating the body and soul:
Handbook of anatomy written by the Roman
physician and anatomist Galen of Pergamon;
woodcut by Jacquemin Woeiriot
68
Überraschende Parallelen zu den frühen Lokalisierungsvertisch meinte – »Fußnoten zu Platon«, sind wir erst in Anfängen
suchen von Körper- und Seelenfunktionen finden sich aber
dabei zu verstehen. Die Verbindung der Antike mit der aktuelauch in den antiken topographischen Visualisierungen des
len Experimentalwissenscha ist nicht nur geographisch eng:
Himmels und der Erde. Weder einfache Landkarten noch die
Dominik Perler leitet neben seiner Topoi-Arbeitsgruppe auch
überlieferten Darstellungen von Sternbildern und Planetenein Forschungsprojekt bei der »Berlin School of Mind and
bahnen der Antike verwenden eine heute übliche RepräsentatiBrain«. Vielleicht werden sich später einmal Altertumswissenon von Koordinatensystemen. Es bedarf komplizierter Heuristischaler über die innige Beziehung von Raum und Wissen in
ken, um überhaupt zu erkennen, was darauf abgebildet ist. Eine
Berlin verwundern.
Arbeitsgruppe des Wissenschasphilosophen Gerd Graßhoff
entwickelt am Computer komplexe Modelle, um die historischen astronomischen Phänomene und Konstellationen, die in
antiken Texten beschrieben werden, genau berechnen und darstellen zu könGerd Graßhoff wurde im Oktober 2010 als
Gerd Graßhoff was appointed Professor for
nen. Gerd Graßhoff wurde im vergangeProfessor für Wissenscha sgeschichte der
History of Ancient Science at Humboldt-Uninen Herbst von der Humboldt-UniversiAntike an die Humboldt-Universität berufen.
versität in October 2010. He is director of the
tät aus Bern abgeworben und ist zugleich,
Zusammen mit Michael Meyer von der Freien
Topoi Cluster of Excellence along with Michael
gemeinsam mit Michael Meyer von der
Universität Berlin ist er Sprecher des ExzelMeyer of Freie Universität Berlin. From 1999 to
lenzclusters Topoi. Von 1999 bis 2010 war
2010 Gerd Graßhoff was Professor for History
Freien Universität, auch Sprecher des ToGerd Graßhoff Professor für Wissenscha sand Philosophy of Science at the Institute of
poi-Exzellenzclusters.
theorie und Wissenscha sgeschichte am InsPhilosophy, of which he was also director, at
Erst in der Verbindung der vielen untitut für Philosophie an der Universität Bern,
the University of Bern. He earned his PhD at
terschiedlichen Ansätze von Topoi-Fordem er auch als Direktor vorstand. Mit seiner
the University of Hamburg’s Institute for the
Arbeit »Die Geschichte des Ptolemäischen
History of Science with a thesis on the history
schern entsteht wirkliches Verstehen.
Sternenkatalogs.
Zur
Genesis
des
Sternenof Ptolemy’s star catalogue, »Die Geschichte
Nicht weit entfernt von den Altertumsverzeichnisses aus Buch VII und VIII des Aldes Ptolemäischen Sternenkatalogs. Zur Gewissenschalern und Philosophen vermagest« wurde er 1986 am Institut der Genesis des Sternenverzeichnisses aus Buch VII
suchen in Berlin unsere heutigen Neuroschichte der Naturwissenschaen der Univerund VIII des Almagest« in 1986. He then spent
sität Hamburg promoviert. Bis 1990 arbeitete
the years up to 1990 at the Institute for Advanwissenschaler mit großen MagnetresoGerd Graßhoff dann am Institute for Advanced Study in Princeton, where he worked closenanztomographen die Seelenfunktionen
ced Study eng zusammen mit Otto Neugely with Otto Neugebauer on various topics redes Menschen auf Funktionskarten zu
bauer zu Themen der Wissenscha sgeschichlating to the history of the exact sciences from
bannen. Die Forschungstradition, in der
te der exakten Wissenschaen von Babylon
the Babylonian era to Kepler’s time. Graßhoff
sie sich dabei befinden, und ob sie schon
bis Kepler. Er habilitierte sich 1994 mit der
earned his postdoctoral teaching qualificaSchri »Die Kunst wissenschalichen Entdetion in 1994 with his habilitation thesis »Die
mehr herausgefunden haben als – wie
ckens – Grundzüge einer Theorie epistemiKunst wissenschalichen Entdeckens – GrundAlfred North Whitehead einmal spötscher Systeme«.
züge einer Theorie epistemischer Systeme«.
gerd.grasshoff@topoi.org
Tel 030 · 2093 99068
www.topoi.org/person/grasshoff-gerd
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
69
k
english
Where am I
– and if so, how many
of me are there? If the soul, in the Aristotelian sense, is not a material object, then where does it reside? In a non-dimensional
place? But then how can we speak of the different »parts« of the
soul? For clearly it has different parts: We taste, smell, think and
procreate, and each of these processes is governed by a different
faculty of the soul.
Beginning in the 6th century B.C. the term psychê, which was
originally used to designate a person’s life energy (or »life breath«),
was associated with the concept of a special area in our bodies
that is responsible for emotional states, thoughts and volition.
Both Plato and Aristotle regarded the soul as a complex unity of
functions. But how can this compound of various abilities and
capabilities still be a single entity? Are the different parts of our
soul located in different parts of the body? And if so, how do they
interact?
»We believe that geography, if it belongs to anything at all,
belongs to philosophy…« said the great ancient Greek geographer
Strabo around the time Christ was born. From our modern scien-
70
Teil der Tabula Peutingeriana, die das Straßennetz
im spätrömischen Reich zeigt.
Part of the Tabula Peutingeriana, which shows the
road network of the late Roman Empire.
tific point of view, it seems strange that the quest for knowledge in
the humanities should be associated with the exploration of physical space. In Antiquity, however, the concept of the inner unity
and interdependence of space and knowledge was ubiquitous.
Anyone seeking a better understanding of the cradle of Western
culture needs to examine the »Formation and Transformation of
Space and Knowledge in Ancient Civilizations« of the Mediterranean and the Near East in the period between the 6th century B.C.
to the 6th century A.D.
This is the focus of the Topoi Cluster of Excellence, which was
founded in 2007 and is jointly coordinated by Humboldt-Universität and Freie Universität Berlin. More than 200 academics and
researchers work here in about 40 research groups and in close
collaboration with other schools of classical and ancient studies
in Berlin.
Perhaps the most intimate connection of space and knowledge
is found in the long tradition of attempts to localise the organs of
thought, which is the focus of the Topoi research group Mapping
Body and Soul. Two of the group’s principal members, Dominik
Raum und
Wissen in den
antiken Kulturen
Space and
Knowledge in
Ancient Civilizations
www.topoi.org
Das Exzellenzcluster Topoi hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2007 zu einem neuen
Zentrum der altertumswissenschalichen Forschung entwickelt. Rund 250 Wissenschaler
untersuchen den Zusammenhang von Raum
und Wissen in den antiken Kulturen: Wie hat
der Mensch seine räumliche Umwelt gestaltet,
welche theoretischen und technologischen Innovationen haben bei der Entwicklung politischer, sozialer und kultureller Systeme eine
Rolle gespielt? Institutionell wird Topoi getragen von der Humboldt-Universität zu Berlin
und der Freien Universität Berlin. Beteiligt
sind die Berlin-Brandenburgische Akademie
der Wissenschaen, das Deutsche Archäologische Institut, das Max-Planck-Institut für Wissenscha sgeschichte und die Stiung Preußischer Kulturbesitz. Diese Kooperation soll
über das Jahr 2012 hinaus fortgesetzt werden.
Das Exzellenzcluster Topoi bewirbt sich um
eine zweite Förderungsperiode. Langfristig
soll das Exzellenzcluster Topoi in das Berliner
Antike-Kolleg überführt werden.
Perler and Philip van der Eijk, are from Humboldt-Universität.
Philip van der Eijk is Alexander von Humboldt Professor of Classics and History of Science, while Dominik Perler is the first philosopher since Jürgen Habermas to be awarded the Gottfried Wilhelm Leibniz Prize.
The primary focus of the group’s research is the systematic
analysis of ancient texts – frequently requiring pioneering work,
since many are not available in critical editions and have not been
philologically reconstructed. Besides scrutinising primary texts,
the researchers also examine the history of their reception over the
centuries. In the case of Aristotle’s treatise »On the Soul«, for example, there is an important commentary from late Antiquity by
Alexander of Aphrodisias, as well as discussions by William of
Ockham in the Middle Ages and by the Renaissance philosophers
Pietro Pomponazzi and Jacopo Zabarella.
Alongside the philosophical works, medical research was already being performed on the question of the soul’s faculties and
the structures of the organ it inhabits. The famous physician Galen of Pergamon wrote on the subject in his two treatises »On the
The Topoi Cluster of Excellence has developed
into an important new centre in the study of
ancient civilizations since it was established in
2007. Around 250 researchers work here, examining the interrelationships between space
and knowledge in Antiquity. They focus on
questions such as: How did humans shape their
environment? What theoretical and technical
innovations were important in the development of political, social and cultural systems?
The Cluster is hosted by Humboldt-Universität
zu Berlin and Freie Universität Berlin. Further
partners are the Berlin-Brandenburg Academy
of Sciences and Humanities, the Deutsches Archäologisches Institut, the Max Planck Institute for the History of Science and the Prussian
Cultural Heritage Foundation. The collaboration is to be continued beyond the year 2012,
and the Cluster is applying for follow-up funding in the second round of the Excellence Initiative. In the long term, the Topoi Cluster of
Excellence is to be integrated into the Berliner
Antike-Kolleg.
Erst in der Verbindung der
vielen unterschiedlichen
Ansätze von Topoi-Forschern
entsteht wirkliches Verstehen
Genuine understanding only
emerge when the widely different
approaches pursued in the Topoi
project are combined
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
71
Das Berliner
Antike Kolleg
The Berliner
Antike-Kolleg
www.berliner-antike-kolleg.org/
Das Berliner Antike-Kolleg wurde im Mai
2011 in einem Festakt im Pergamonmuseum
gegründet. Es vereinigt eine Graduiertenschule für altertumswissenschaliche Studien, ein
der Alten Welt gewidmetes Forschungszentrum und ein Forschungsportal, das sich mit
Methoden zur nachhaltigen Datensicherung
und -pflege befasst. Getragen wird das Berliner Antike-Kolleg von den sechs Institutionen,
die seit dem Jahr 2007 im Exzellenzcluster Topoi zusammenarbeiten. Humboldt-Universität,
Freie Universität, Berlin-Brandenburgische
Akademie der Wissenschaen, Deutsches Archäologisches Institut, Max-Planck-Institut für
Wissenscha sgeschichte und Stiung Preußischer Kulturbesitz schließen sich zu einer langfristigen Kooperation in Forschung und Lehre
zusammen und stellen unter Beweis, welches
Potenzial für die Erforschung der Alten Welt in
der interdisziplinären Zusammenarbeit steckt.
Von der Kooperation profitieren Nachwuchswissenschalerinnen und Nachwuchswissenschaler in besonderer Weise. Ab dem akademischen Jahr 2012/13 werden die ersten Promotionsprogramme ihre Arbeit aufnehmen.
Affected Parts« and »That the Faculties of the Soul Follow the Temperaments of the Body«, which have been largely neglected by
philological research so far and are now being analysed comprehensively for the first time by the Topoi research group.
Even in Antiquity, questions relating to the soul were already
investigated using empirical methods. On the basis of visible phenomena such as functional impairments, excretions, skin discolouration, as well as descriptions of physical pain and other symptoms, conclusions were drawn on their origin in places inside the
body not visible to the eye. The function of organs was deduced
from pathological cases where localised injuries or diseases were
associated with obvious malfunctions. The fact that the ancients
determined the heart to be the main seat of the soul is explained
by the fact that while the loss of an arm or an eye has no obvious
effect on a person’s soul or its faculties, destroying a person’s
heart necessarily entails destroying their soul.
Although the ancients’ approach to the subject seems almost
modern, the »geographical« maps of body and soul they produced
72
The Berliner Antike-Kolleg was inaugurated
at an official ceremony that took place in the
Pergamon Museum in May 2011. It comprises
the Berlin Graduate School of Ancient Studies,
the Research Center for Ancient Studies and the
Ancient Scientific Research Portal, which focuses on developing methods for protecting and
maintaining scientific data over the long term.
The Berliner Antike-Kolleg was founded by six
institutions which have collaborated in the Topoi Cluster of Excellence since 2007. HumboldtUniversität zu Berlin, Freie Universität Berlin,
the Berlin-Brandenburg Academy of Sciences
and Humanities, the Deutsches Archäologisches Institut, the Max Planck Institute for the
History of Science and the Prussian Cultural
Heritage Foundation. The Kolleg provides a
permanent structure for collaborative research
and teaching and proves the great potential of
an interdisciplinary approach to gaining a
deeper understanding of Antiquity. Young researchers, in particular, benefit from this partnership. The Berliner Antike-Kolleg will launch
its first PhD programmes in the 2012/13 academic year.
appear rather odd and incomprehensible to us today at first
glance. This is precisely where the benefits of a large Cluster of
Excellence come into play: All of the disciplines and research
groups involved work across disciplines rather than in their own
little bubble. Thus a number of different teams within Topoi are
working on deciphering ancient maps, proceeding from different
assumptions and looking at the problem from quite different perspectives. One team, for example, is looking at imagined spaces
not in scientific treatises but in the mythological and belletristic
literature of Antiquity.
The researchers have also found surprising parallels between
early attempts to localise physical and psychological functions
and how the ancients visually represented the topography of
heaven and earth. Neither simple geographical maps produced at
the time nor the surviving representations of the constellations
and planetary orbits employed coordinate systems of the kind
generally used today, and complex heuristics are frequently required just to recognise what they depict. A group led by Gerd
Wo ist der Sitz der Seele?
Where is the seat of the soul?
Graßhoff, a scholar specialising in the history and philosophy of
science, is working to develop complex computer models that can
accurately calculate and represent historical astronomical phenomena and constellations described in ancient texts. Gerd
Graßhoff, formerly a professor in Bern, was appointed to a professorship at Humboldt-Universität last autumn. Together with Michael Meyer of Freie Universität he is designated coordinator of
the Topoi Cluster of Excellence.
Genuine understanding of the fields in this Cluster can only
emerge when the widely different approaches pursued in the Topoi
project are combined. Not far from where these philosophers and
classical scholars are pursuing their research in Berlin, neuroscientists are using magnetic resonance imaging to capture »faculties of the soul« in the form of functional brain maps. We are only
now beginning to fully appreciate and understand the tradition
they are continuing and whether they have already produced more
significant results than what Alfred North Whitehead once derisively termed »footnotes to Plato«. The proximity between classical
scholarship and cutting-edge neuroscience is more than geographical – in addition to his work as a member of the Topoi
team, Dominik Perler is also heading a research project at the
Berlin School of Mind and Brain. Who knows? Maybe one day,
future researchers on the history of science will ponder on the
close links between space and knowledge in Berlin.
v
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
73
Soziologie der
Wall-Street
Wall Street
sociology
Erstklassige Politik- und Sozialwissenschaler werden an der Berlin Graduate
School of Social Sciences ausgebildet
Tomorrow’s leading political and social scientists
are trained at the Berlin Graduate School of
Social Sciences
Text: Constanze Haase
Fotos: Matthias Heyde
74
k
deutsch
Dass ihr
Promotionsthema
einmal solch eine Brisanz entwickeln
würde, hat Natalia Besedovsky überrascht. Die 30-Jährige untersucht in ihrer Doktorarbeit die Rolle von Ratingagenturen
auf dem Finanzmarkt. »Die Wirtschaskrise und tägliche Berichterstattung möchte ich natürlich nicht ignorieren, aber ich
werde auch zeigen, wie und warum Ratingagenturen überhaupt
solch eine wichtige Rolle einnehmen konnten«, sagt die Diplomsoziologin. Dabei habe die Politik selbst tatkrä ig am Einfluss der Ratingagenturen mitgearbeitet. »In den USA und auf
EU-Ebene wird seit Jahren auf Basis der Einschätzungen der
Agenturen argumentiert«, erläutert Natalia Besedovsky, die in
Köln und Princeton studiert hat. Während sie erzählt, sitzt sie
in ihrem Büro in der Luisenstraße 56, einem prächtigen historischen Gebäude. Heute hat auch die Berlin Graduate School of
Social Sciences (BGẞ) ihren Sitz in der einstigen preußischen
Tierarzneischule. Die BGẞ ist Teil des Instituts für Sozialwissenschaen, wird durch die Exzellenzinitiative gefördert und
ist im Jahr 2002 als eines der ersten strukturierten und forschungsorientierten Promotionsprogramme für Doktoranden
gestartet, die zu den Themen der Demokratie- und Integrationsforschung arbeiten. Jährlich nimmt die Graduiertenschule
bis zu 15 Promovenden auf – national und international.
»Traditionell steht in den Europäischen Sozialwissenschaften eine starke Theorienbildung mit empirischer Forschung im
Vordergrund. Diese Tradition möchten wir mit unserem strukturierten Curriculum und einem hohen Betreuungsgrad weiter
ausarbeiten«, sagt BGẞ-Sprecher Professor Klaus Eder.
Strukturiert steht dabei vor allem nicht für verschulen oder
verunselbständigen, sondern dafür, die wissenschaliche Entwicklung frühzeitig in die richtige Richtung zu lenken. Im ersten Promotionsjahr wird dafür der Grundstein gelegt. »Wir haben erst Kurse zur Methodenlehre besucht«, erinnert sich Natalia Besedovsky. »Dann haben wir einen Literaturbericht angefertigt, aus dem ein Exposé der gesamten Arbeit entstanden ist, das
die Forschungslücke erklärt und vorab gemeinsam mit anderen
Doktoranden und meinem Doktorvater besprochen wurde.«
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
75
76
Das zweite Promotionsjahr dient dann dazu, Daten zu sammeln. Natalia hat dafür drei Monate in New York am Institute
for Public Knowledge von Craig Calhoun, Einstein-Fellow der
Berliner Einstein-Stiung, verbracht, um Interviews mit Ratinganalysten zu führen. Auslandsaufenthalte und Konferenzen bekommen die Promovierenden über Stipendien finanziert.
Außerdem verfügt die BGẞ über berlinweite und internationale Netzwerke. Mit renommierten Institutionen wie dem
Wissenschaszentrum Berlin für Sozialforschung, dem Deutschen Institut für Wirtschasforschung, der Hertie School of
Governance oder dem Centre Marc Bloch werden gemeinsame
Workshops und Lectures durchgeführt. Die Promovierenden
können an Forschungsprojekten in den außeruniversitären Institutionen teilnehmen und wertvolle Praxiserfahrung sam-
Klaus Eder ist seit 1994 Professor für Vergleichende Strukturanalyse am Institut für
Sozialwissenschaen der Humboldt-Universität zu Berlin. Zuvor war er fünf Jahre lang als
Professor für Soziologie am Europäischen
Hochschulinstitut in Florenz tätig.
Eder hat Soziologie an den Universitäten
Erlangen, Frankfurt, Washington & Lee University (USA) sowie EPHE (Paris) studiert und
an der Universität Konstanz promoviert. Seine Habilitation erfolgte an der Universität
Düsseldorf.
Eders Forschungsschwerpunkte sind die
Soziologische Theorie, die Kultursoziologie,
politische Soziologie mit Schwerpunkt auf
der Demokratieforschung und der Soziologie
kollektiven Handelns (politische Mobilisierung und politische Kommunikation) sowie
die Öffentlichkeitsforschung. Eines seiner
neueren Forschungsfelder umfasst die sozialstrukturellen Aspekte des Europäisierungsprozesses.
Eder ist Sprecher der Berlin Graduate
School of Social Sciences.
keder@rz.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093 4219
meln. »Wir möchten Perspektiven im Postdoc-Bereich entwickeln. Nicht jeder, der einen Doktortitel besitzt, kann und will
später auch Wissenschaler werden«, sagt Eder. »Wir müssen
Unternehmen, Regierungsorganisationen, Sti ungen und Interessenverbände verstärkt auf unsere herausragenden Doktoranden aufmerksam machen.«
Natalia will weiterhin wissenschalich arbeiten, sie findet es
»positiv anstrengend«. Zur Vorbereitung hat sie während ihrer
Promotionszeit ein Semester lang als »Teaching assistant« ein
Seminar zur Soziologischen Theorie gegeben. »Ich kann das jedem nur empfehlen. Es hat mein Selbstverständnis als Wissenschalerin gefestigt und der Aufwand hat mir deutlich gemacht,
was an Wissenschalerkarrieren alles dran hängt.«
Derzeit schreibt sie in den letzten Zügen an ihrer Doktorarbeit. Das Büro teilt sie sich mit anderen
Doktoranden. »Der gegenseitige AusKlaus Eder has been Professor of Comparatitausch und die gute Arbeitsatmosphäre
ve Structural Analysis at the Institute of Socihelfen dabei, gemeinsam auch mal eine
al Sciences at Humboldt University in Berlin
Durststrecke zu überwinden«, sagt Natasince 1994. Before that he was Professor of
lia. Ihre Betreuer haben immer ein offeSociology at the European University Institute
in Florence for five years.
nes Ohr für Probleme und Graduierte
Klaus Eder studied sociology in Erlangen,
mit Kind bekommen für ihre DoktorarFrankfurt, at Washington & Lee University
beit ein Jahr mehr eingeräumt.
(USA) and at the EPHE (Paris) before earning
Alle in der BGẞ hoffen nun auf
his PhD degree at the University of Konstanz.
He gained his habilitation at Heinrich Heine
die Folgeförderung im Rahmen des
University in Düsseldorf.
Exzellenzwettbewerbs. Denn Ziel für die
Eder’s key areas are sociological theory,
nächsten Jahre ist es vor allem, den Eincultural sociology, and political sociology –
stieg in die Promotion an der BGẞ für
in particular democracy research and the sociology of collective action (political mobilikluge Köpfe aus Ländern mit anderen
sation and political communication) – and
Wissenschastraditionen zu erleichtern.
research on the public sphere. Recently he has
Durch einen neuen, einjährigen Masteralso focused on the socio-structural aspects
studiengang, dem Master Research Traiof the Europeanisation process.
ning Programm, der im Oktober erstmals
Eder is coordinator of the Berlin Graduate School of Social Sciences.
gestartet ist, werden Doktoranwärter dieser Zielgruppe gezielt gefördert und für
das Graduiertenprogramm fit gemacht.
»Es haben alle etwas davon, wenn die Ansprüche auf beiden Seiten von vornherein klar sind. So gelangt niemand in eine
Einbahnstraße«, sagt Klaus Eder.
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english
Natalia
Besedovsky
would never have
imagined that the topic she chose for her PhD thesis would become so hot. The 30-year-old sociologist, who studied in Cologne
and Princeton, is examining the role of rating agencies on the financial markets. »Of course I will address the economic crisis and
the daily coverage of it, but I will also show how and why rating
agencies came to play such an important role in the first place,«
she says. Besedovsky sees politics as a major factor in the agencies’ rise to such influence. »Politicians at the EU level have been
basing their arguments on the assessments of rating agencies for
years,« she says. Our interview
with Besedovsky takes place in
her office at Luisenstrasse 56, a
magnificent old building that
once housed a school of veterinary medicine and now serves as
the headquarters of the Berlin
Graduate School of Social Sciences (BGSS). Part of the Institute of Social Sciences, the BGSS
is funded by the Excellence Initiative and was founded in 2002
as one of the first structured, research-oriented doctoral programmes for graduate students
working on topics related to democracy and integration research. It accepts up to 15 graduate students a year, both from
Germany and abroad.
»Social sciences in Europe have traditionally focused primarily
on theory development and empirical research. We want to expand on this tradition with our structured curriculum and the
intensive supervision we offer our graduate students,« says Professor Klaus Eder, coordinator of the BGSS.
At the BGSS, »structured« does not mean overly regimented
with no leeway for independence and freedom of choice, but rather guiding students’ academic development in the right direction
early on. The foundations for this are laid during the first year of
the doctoral programme. »First of all, we attended courses on
methodology,« Besedovsky recalls. »Then we each wrote a review of
the relevant literature, and aer discussions with our fellow graduate students and thesis supervisor, we fleshed it out into an exposé of our thesis as a whole that explained why research is needed on the particular topic in question.«
During the second year, students primarily collect data. In
Besedovsky’s case, that meant going to New York and spending
three months at the Institute for Public Knowledge and conducting interviews with ratings analysts. (The Director of the Institute
for Public Knowledge, Craig Calhoun, is currently at the BGSS as
an Einstein Fellow of the Einstein
Foundation Berlin.) Graduate
students at the BGSS receive
grants to fund such stays abroad
and allow them to attend conferences.
In addition, the BGSS has an
extensive network of partners in
Berlin and abroad, and organises workshops and lectures in
collaboration with such distinguished institutions as the Social Science Research Center Berlin, the German Institute for
Economic Research, the Hertie
School of Governance and the
Centre Marc Bloch. The graduate
students can gain valuable practical experience by working on
research projects at these non-university institutions. »We want to
help open up interesting prospects for our students once they’ve
completed their degree. Not everyone with a PhD necessarily
wants to pursue an academic career,« says Eder. »We need to bring
our outstanding PhD students to the attention of businesses, government organisations, foundations and associations.«
Besedovsky, for her part, would like to continue working as a
researcher. She says she finds it demanding, but in a good way. To
help prepare her for her future career, she worked as a teaching
Wir müssen Unternehmen,
Regierungsorganisationen,
Stiungen und Interessenverbände verstärkt auf unsere
herausragenden Doktoranden
aufmerksam machen
We need to bring our outstanding PhD students to the attention of businesses, government
organisations, foundations and
associations
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assistant for one semester during her doctoral studies and gave a
seminar on sociological theory. »It’s something I can only recommend to everyone. It made me realise the amount of work that is
involved in an academic career and made me more aware of who
I am and what I want professionally.«
Besedovsky is currently putting the finishing touches to her
PhD thesis, working in an office she shares with other PhD students. »The good working atmosphere and the chance to talk to
the others help a lot when things occasionally get tough,« she
says. PhD students like Besedovsky also appreciate the fact that
their supervisors always have a sympathetic ear when problems
come up, and that graduates with children are granted an extra
year to complete their thesis.
Promovieren und
netzwerken
Studying for a PhD
and networking
Berlin Graduate School of Social Sciences
(BGẞ )
www.bgss.hu-berlin.de
Right now everyone at the BGSS is keeping their fingers
crossed that the school will be granted follow-up funding as part
of the Excellence Initiative. One of the main priorities for the near
future is making it easier for outstanding students from countries
with a different culture of science to attend the BGSS and write
their PhDs there. A new one-year Master Research Training Programme was launched in October with the aim of helping promising students from such countries prepare for the Graduate Programme. »It’s to everyone’s benefit if it’s clear from the outset what
each side expects of the other. That way no one ends up on a oneway street,« Eder says.
v
Die Graduierten der Berlin Graduate School
of Social Sciences (BGẞ ) forschen zu Themen, die sich mit den Problemen moderner
Gesellschaen beschäigen – beispielsweise
Inklusion und Exklusion, Diskriminierung und
Heterogenität. Ein weiterer Schwerpunkt ist
die Demokratieforschung. In der kommenden
Förderperiode soll ein dritter Forschungsschwerpunkt hinzukommen, der das gesellschaliche Wissen über und entsprechende
Bewertungsmaßstäbe für die Leistungsfähigkeit demokratischer Gesellschaen in den
Blick nimmt.
Die BGẞ zeichnet sich durch ihr enges
Netzwerk zu zahlreichen außeruniversitären
Forschungseinrichtungen in Berlin aus. Die
Graduierten können an Forschungsprojekten
dieser Partner teilnehmen und Praxiserfahrung sammeln. Die BGẞ pflegt außerdem
Partnerschaen zu internationalen Partneruniversitäten, die den Doktoranden längere
Forschungsaufenthalte ermöglichen. Zum
Netzwerk gehören das Europäische Hochschulinstitut, das Istituto Italiano di Scienze Umane
in Florenz, die Middle East Technical University
Ankara, die Duke University in Durham/North
Carolina, die New York University und das
Kings College in London.
Graduate students at the Berlin Graduate
School of Social Sciences (BGẞ) conduct research on topics addressing issues facing societies today, such as inclusion and exclusion,
discrimination and diversity. A further focus of
research is on varieties of democracy. In the
coming funding period, a third research focus
will be added investigating social knowledge
about democratic societies and suitable criteria for assessing democratic performance.
The BGẞ maintains a closely knit network
of contacts with non-university research institutions in Berlin, enabling graduate students
to gain valuable experience by participating in
research projects outside the school. In addition, the BGẞ has many partner universities in
other countries, giving doctoral students the
opportunity for longer research stays abroad.
These partners include the European University
Institute, the Istituto Italiano di Scienze Umane
in Florence, Middle East Technical University in
Ankara, Duke University in Durham/North Carolina, New York University and King’s College
in London.
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Im geplanten Exzellenzcluster
»Bild Wissen Gestaltung« wollen
Geistes- und Natur wissenschaler
mit Gestaltern zusammenarbeiten
In the planned »Imag
ge Knowledg
ge
Gestaltung« Cluster of Excellence,
research
hers from the humaniities
and natural sciences are hoping
to work along
gside desig
gners
Text
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84
k
deutsch
Sie betrachten
das Bild die gefragt werden, was zu tun ist, sondern die, die erklären
neben diesem Text? Was erkennen Sie darin? Das, was Sie sehen müssen, wie etwas war. Wir möchten die Geisteswissenschaen
ist ein Glasschwamm, meist anzutreffen in der Tiefsee, und das auf die Zukun ausrichten, indem wir die Geschichte und die
seit etwa 545 Millionen Jahren. Doch dieser skurril anmutende Gegenwartsforschung zusammenlegen«, erläutert Schäff ner das
gläserne Vielzeller hat ganz besondere Fähigkeiten: er besteht Format.
aus Silikatglas und Protein, einem »Verbundwerkstoff«, der
Das neue dabei: Die gemeinsame Forschung lässt geisteswiselastischer ist als reines Glas. Das macht es möglich, seine senschaliche Historisierung direkt in den Laboren der NaturSchwammnadeln bis in Kreisform zu biegen – beim Loslassen wissenschaler wirksam werden – dort, wo die Bilder entstehen.
kehren sie unbeschädigt in ihre Ausgangsform zurück.
Horst Bredekamp ist seit 1993 Professor für
Horst Bredekamp has been Professor for Art
Sie fragen sich, was der Glasschwamm
Kunstgeschichte an der Humboldt-UniversiHistory at Humboldt-Universität since 1993
mit der Exzelleninitiative zu tun hat?
tät und seit 2003 Permanent Fellow des Wisand became a Permanent Fellow at the WisViel, denn Wissenschaler unterschiedlisenscha skollegs zu Berlin. 2000 gründete er
senscha skolleg (Institute for Advanced Stucher Disziplinen möchten seine besondedas Projekt »Das Technische Bild« am Herdy) in Berlin in 2003. He established the promann
von
Helmholtz-Zentrum
für
Kulturject The Technical Image at the Hermann von
ren Fähigkeiten beispielsweise für neue
technik (HZK) der HU. Seit 2008 leitet er die
Helmholtz-Centre for Cultural Techniques
Baustoffe produktiv machen. »Bild WisDFG-Kolleg-Forschergruppe »Bildakt und
(HZK) at HU in 2000 and has headed the Colsen Gestaltung. Ein interdisziplinäres LaVerkörperung«.
legium for the Advanced Study of Picture Act
bor« lautet der Antragstitel für einen
Bredekamp studierte Kunstgeschichte,
and Embodiment since 2008.
Archäologie, Philosophie und Soziologie und
Bredekamp studied art history, archaeoneuen Exzellencluster der Humboldtpromovierte
1974
an
der
Universität
Marlogy,
philosophy and sociology and earned
Universität in der laufenden Runde des
burg. 1982 wurde er Professor für Kunstgehis PhD in Marburg in 1974. He was appoinWettbewerbs. Kurz umschrieben geht es
schichte an der Universität Hamburg. Gastted Professor of Art History at the University
darum, dass Gestaltung ins Zentrum der
aufenthalte führten ihn nach Princeton, Los
of Hamburg in 1982. He has held appointAngeles und Budapest. Seine Forschungsments as a visiting scholar in Princeton, Los
Forschung rücken soll. »Bilder sind geschwerpunkte sind: Kunst und Technik,
Angeles and Budapest. The main focuses of
staltet und sie gestalten das Wissen, das
Skulptur des Mittelalters, Kunst der Renaishis academic work are art and technology,
sie wiedergeben«, erklärt Kunsthistoriker
sance und des Manierismus, Sammlungsgemediaeval sculpture, Renaissance and ManHorst Bredekamp.
schichte und neue Medien. Er hat eine Reihe
nerist art, the history of collection, and new
»Ob Sammlungszeichnungen des 16.
von bedeutenden Preisen und Auszeichnunmedia. Bredekamp has received a number of
gen
erhalten:
Sigmund
Freud-Preis
der
Deutprestigious prizes and awards, including the
Jahrhunderts, frühe Röntgenbilder oder
schen Akademie für Sprache und Dichtung,
Sigmund Freud Prize of the German Academy
die heutige Nano-Mikroskopie – Bilder
Darmstadt (2001), Max-Planck-Forschungsfor Language and Literature, Darmstadt
sind für die Geistes- und Naturwissenpreis der Max-Planck-Gesellscha und der
(2001), the Max Planck Research Prize jointly
schaen wichtig, ohne Bilder kann kein
Humboldt-Stiung (2006) sowie den Fritz
awarded by the Max Planck Society and the
Meyer-Struckmann-Preis für geistes- und soAlexander von Humboldt Foundation (2006),
Wissenschaler agieren«, sagt Kulturwiszialwissenscha
liche
Forschung
(2010).
Breand the Meyer-Struckmann Award for resenschaler Wolfgang Schäff ner, der gedekamp ist ordentliches Mitglied der Berlinsearch in the humanities and social sciences
meinsam mit seinem Kollegen BredeBrandenburgischen Akademie der Wissen(2010). Bredekamp is a regular member of the
kamp die Clusterinitiative leitet.
schaen und der Deutschen Akademie der
Berlin-Brandenburg Academy of Sciences and
Naturforscher Leopoldina, Halle.
Humanities and of the German National AcaBeide verstehen ihre Disziplinen auch
Bredekamp und Schäff ner sind desigdemy of Sciences, Leopoldina, Halle.
als Vermittlungsdisziplinen zwischen den
nierte Sprecher des Clusters »Bild Wissen
Bredekamp and Schäffner are designated
Geistes- und Naturwissenschaen und
Gestaltung«.
coordinators of the cluster »Image Knowgerade deshalb prädestiniert für ein solledge Gestaltung«.
horst.bredekamp@culture.hu-berlin.de
ches Vorhaben.
Tel 030 · 2093 4498
»Geisteswissenschaler sind in der
Gegenwart nicht unbedingt diejenigen,
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
85
Darwins Korallen
Darwin’s corals
Und durch experimentelle Verfahren, wie
sie in den Naturwissenschaen praktiziert werden, gelangen die Geisteswissenschaler zu neuen Fragestellungen. Aus
dieser Kollaboration kann ein Modell für
zuküniges Forschen entstehen. »Bisher
galten Bilder nur als Wiedergabe von Ergebnissen und Einsichten, plötzlich werden sie Kern der wissenschalichen Arbeit«, sagt Bredekamp.
Von den Verkehrszeichen im morgendlichen Berufsverkehr, über die Bilder auf dem Computermonitor im Büro,
bis hin zum Fernsehbild am Abend – Bilder begegnen uns im Alltag ständig. »Indem wir Bilder analysieren, generieren
wir sie auch gleichzeitig. Bilder illustrieren nicht nur passiv, sie sind aktiv wiedergebend«, erläutert
Bredekamp. Doch schon der Evolutionsforscher Charles Darwin
wusste, dass die Masse der Objekte so groß ist, dass kein Mensch
sie insgesamt übersehen kann. Für den einzelnen Wissenschaler bedeutet das, dass er ein Objekt oder Modell nur aus
seiner Forscherperspektive sieht.
Angelehnt an die um 1902 vom Kunsthistoriker Aby Warburg aufgebaute interdisziplinäre Warburg Bibliothek, werden
deshalb auch im Cluster »Bild Wissen Gestaltung« Wissenschalerinnen und Wissenschaler ganz unterschiedlicher Fachrichtungen gemeinsam forschen. 22 Disziplinen – von der Literaturwissenscha bis zur Materialforschung – und bisher mehr
als 40 Akteure werden Wissen und Methodiken untereinander
austauschen, um gemeinsam Zukun zu gestalten. Beteiligt
sind einschlägige Berliner Museen und Kultur- und Forschungseinrichtungen. »Wir bündeln durch die neuartige interdisziplinäre Laborarbeit die Kapazitäten der Universität, die
durch das breite Fächerangebot sowieso in ihr stecken«, sagt
Wolfgang Schäff ner, und weiter: »Dadurch wird sicherlich nicht
jeder Spielzug in der Forschung vorhersehbar, aber das Interessante ist das Unvermutete der Dinge.«
86
Seit jeher wird Wissen durch Architekturen, Werkzeuge und
Modelle, Grafiken und Bilder gestaltet. Und Wissenscha selbst
ist Gestaltung: die chemische Formel, die Gliederung einer Studie, die Laboranordnung. »Die Wiedergabe einer Beobachtung
mittels Bildern mag noch so mechanisch oder individuell in
ihrer Erscheinung anmuten, immer zeigen sich in ihr auch Stile
einer Zeit, eines Geräts, eines Denkens, eines Forscherkollektivs«, weiß Horst Bredekamp. Diese unterschiedlichen Stile liefern auch vielfältige Möglichkeiten der Beobachtung und des
Erkenntnisgewinns. Um der Vorstellung, wie aus Sicht einer jeweiligen Disziplin ein Experiment, Formen der Modelle, Grafiken und Abbildungen gestaltet sein sollen, in einem komplexen
Arbeitsprozess genüge zu tun, wird derzeit ein reales interdisziplinäres Labor aufgebaut. Schon am Aufbau sind Mitwirkende
des Clusters aller Disziplinen beteiligt. »Wir wollen kein Debattierclub sein, sondern handelnde Wissenschaler, die Verständnis für die Probleme und Herausforderungen anderer Fächer
aufbringen. Dazu muss die Infrastruktur schon in der Aufbauphase des Clusters von allen Mitwirkenden aufgebaut werden«,
so Schäff ner. In Form eines virtuellen Online-Labors soll es als
ständiger Kommunikationskanal dienen und zudem die Arbeit
Bild Wissen
Gestaltung
Image Knowledge
Gestaltung
Ein interdisziplinäres Labor
An interdisciplinary laboratory
Wissenscha ist Gestaltung: So lautet die
Antwort, die das Cluster auf die massiven Veränderungen des Wissens gibt, die durch die
Visualisierungen und Virtualisierungen im 21.
Jahrhundert eingetreten sind. Ausgangspunkt
ist die Initiative der Kunstgeschichte und Kulturwissenscha der HU, unter dem Titel »Bild
Wissen Gestaltung« einen gemeinsamen Raum
für die universitären Disziplinen zu etablieren.
Der Fokus liegt dabei auf der gestaltenden
Kra von Bildverfahren und Wissensstrukturen. Geistes-, Naturwissenschaler und Gestalter bauen ein interdisziplinäres Labor auf,
in dem Gestaltung zum Modellbegriff wissenschalicher Tätigkeit wird. Erstmals in der
200-jährigen Geschichte der HU wird damit
unter der Mitwirkung von universitären und
außeruniversitären Forschungseinrichtungen
und Museen eine integrative wissenschaliche
Plattform entstehen. Diese soll die Spezialwissenschaen zu schöpferischen Verbindungen
anregen und der Wissensarchitektur der Universität eine neue Gestalt verleihen.
des Clusters beobachten. »Schließlich sind auch die Forscher
selbst Gegenstand des Experiments und damit gestaltendes Element«, sagt der Professor für Wissens- und Kulturgeschichte.
Wolfgang Schäff ner selbst möchte im Rahmen des Clusters
zusammen mit dem Materialforscher Peter Fratzl und dem Biologen Gerhard Scholtz intensiv an den Strukturen von Naturmaterialien forschen. Muscheln, Knochen oder auch die Struktur des Panzers eines Käfers sollen dabei nicht nur aus mechanischer, biologischer und materialwissenschalicher, sondern
auch aus historischer Perspektive betrachtet werden. Unter
dem Stichwort Mobilität sollen auch Materialien, die arbeiten
und sich bei Temperaturänderungen selbst bewegen – wie Holz,
kriechende Weizensamen und sich schließende Tannenzapfen
– auf ihre praktische Anwendung in der Architektur hin untersucht werden. So erhoffen sich die Forscher von der Natur Vorlagen für neue Materialien, um die Umwelt zu gestalten, ohne
die natürlichen Ressourcen weiter auszuschöpfen.
»Heute geht es darum, die Intelligenz der Materialien selbst
nutzbar zu machen. Wissenschaler haben die Welt bis auf ihre
nicht mehr sichtbaren Teilchen zerlegt, nun müssen wir sie mit
dem Wissen aller Disziplinen neu gestalten«, sagt Schäff ner.
Science shapes our perceptions of the world
around us. This Cluster of Excellence was established in response to the revolution in knowledge resulting from the increasing use of visualisation and virtualisation in the 21st century.
The Cluster project is a joint initiative launched
by the Department of Art and Visual History
and the Department of Cultural History and
Theory with the aim of establishing an interdisciplinary research area under the name Image
Knowledge Gestaltung that focuses on the
creative power of imaging methods and knowledge structures. Scholars from the humanities, natural scientists and engineers are working together to create an interdisciplinary laboratory in which the concept of Gestaltung –
meaning «shaping, creating, designing” – will
serve as a model for scientific and academic
work. By establishing an integrative research
platform with the involvement of university
and non-university research institutions as
well as museums, the university is taking a step
unprecedented in its over 200-year history –
one it is hoped will encourage creative synergies between the various disciplines and transform its knowledge structure.
Der bruchsichere Glasschwamm aus der Tiefsee könnte so
Vorbild für eine technische Erneuerung werden. Anders als
künstlich hergestelltes Glas entsteht er nämlich nicht durch
Schmelzen und benötigt daher weniger Energie. Schauen Sie
sich das Bild also noch mal genau an. Auch Ihr Spiegel könnte
bald aus künstlichem Glasschwamm bestehen.
Ohne Bilder kann kein
Wissenschaler agieren
No researcher can work
without images
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
87
Die Kra der Bilder. Die vier Jahreszeiten von Joris Hoefnagel. 1589.
The power of images: The Four Seasons by Joris Hoefnagel. 1589.
88
k
english
Are you looking
at the
image at page 84? What do you see? The picture is of a glass sponge, an organism that is commonly found in the deep sea and has
existed for around 545 million years. Despite looking rather bizarre, these multicellular beings have very special skills. They are
made of silicate glass and protein, a composite material far more
elastic than pure glass. This enables the sponge to bend its spicules into a circle − and to return them undamaged to their original
shape.
You may be wondering what a glass sponge has to do with the
Excellence Initiative. The answer is: a lot. Researchers from various
disciplines are hoping to use the sponge’s special properties to help
them develop new building materials, for example.
»Image Knowledge Gestaltung. An Interdisciplinary Laboratory« is the title of the proposal for a new Cluster of Excellence at
Humboldt-Universität in the current round of the Excellence Initiative. In short, the Cluster aims to put the concept of design (Gestaltung) at the heart of research. »Images are designed, and the
way they are designed shapes the knowledge that they convey,«
explains Horst Bredekamp, an art historian and one of the leaders
of the Cluster initiative.
»From collections of 16th century drawings, to early X-rays, to
today’s nano-microscopy, images are important for the humanities and natural sciences alike − no researcher can work without
images,« says Wolfgang Schäff ner, a cultural scientist who leads
the initiative along with Bredekamp.
Both men see their disciplines as important links between the
humanities and the natural sciences, and therefore as being predestined for this kind of project. »These days, humanities scholars
are not necessarily the first to be asked what needs to be done;
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
89
Wolfgang Schäff ner ist seit 2009 Professor
für Wissens- und Kulturgeschichte an der
Humboldt-Universität. Er hat Deutsche und
Spanische Literatur, Philosophie und Geschichte der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München studiert. Schäff ner
ist Mitglied des Hermann von HelmholtzZentrums für Kulturtechnik. Außerdem ist er
Gastprofessor und Direktor des Walter Gropius Forschungsprogramms an der Universität
von Buenos Aires sowie akademisches Mitglied des Masterprogramms »Wissenscha ,
Kultur und Technologie« an der Universität
Autónoma in Madrid.
Von 2003 bis 2009 hatte der Kulturwissenschaler den Walter-Gropius Lehrstuhl
der Fakultät für Architektur, Design und Urbanismus an der Universität von Buenos Aires
inne und ist heute Professor Titular ad Honorem der Facultad de Arquitectura, Diseno y
Urbanismo der Universidad de Buenos Aires.
In Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität plant er dort einen Master-Studiengang »Open Design«. Naturwissenschaler,
Architekten und Designer sollen dort genauso studieren können wie Ingenieure und
Geisteswissenschaler.
Seine Arbeitsschwerpunkte sind materiale Epistemologie, Strukturen als 3D-Code,
Architekturen des Wissens, Interdisziplinäres
Design des Wissens und transatlantischer
Wissenstransfer (Europa-Iberoamerika).
Schäff ner und Bredekamp sind designierte Sprecher des Clusters »Bild Wissen
Gestaltung«.
Wolfgang Schäffner has been Professor of
the History of Culture and Knowledge at
Humboldt-Universität since 2009. He studied
German and Spanish literature, philosophy
and the history of medicine at Ludwig-Maximilians-Universität in Munich. Schäffner is a
member of the Hermann von Helmholtz Centre for Cultural Techniques. He is also a Permanent Visiting Professor and Director of the
Walter Gropius Programme at the University
of Buenos Aires and an academic member of
the Master’s programme Science, Culture and
Technology at the Autonomous University of
Madrid.
From 2003 to 2009, Schäffner was Walter
Gropius Professor at the Faculty of Architecture, Design and Urbanism at the University
of Buenos Aires, where he is now an honorary
professor. In cooperation with HU, he is planning to launch an interdisciplinary Master’s
programme in Open Design in Buenos Aires
that will be available to students of the natural sciences, architecture and design as well
as engineering and the humanities.
The key areas of Schäffner’s academic
work are material epistemology, structures as
3D code, architectures of knowledge, interdisciplinary design of knowledge, and transatlantic knowledge transfer between Europe
and Latin America.
Schäffner and Bredekamp are designated
coordinators of the cluster »Image Knowledge Gestaltung«.
Kristallmodelle aus Holz
Wooden models of crystals
schaeff ner@culture.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093 8209
they usually have to explain what something was like. We want to
get the humanities focusing on the future by bringing together
history and present-day research,« says Schäff ner, explaining the
format.
The new idea will use collaborative research to enable the humanities’ historicising to directly affect what happens in natural
science laboratories – the places where images are made. In turn,
the experimental methods used in the natural sciences will allow
the humanities scholars to identify new focuses for their research.
This kind of collaboration is intended to provide a model for future research. »Until now images were just seen as reflections of
results and insights – we’re putting them at the centre of scientific
work,« says Bredekamp.
From traffic signs on the early-morning journey to work, to
images on computer screens in the office, to what we see on the
90
television at night – we encounter images throughout our daily
lives. »In analysing images, we also create them. Images do not
just passively illustrate their content, they actively express it,« explains Bredekamp. But as Charles Darwin knew, the mass of objects is so great that no person can ever have a complete overview
of it. This means that an academic can only ever see an object or
model from his or her own perspective.
Based on the interdisciplinary Warburg Library created around
1902 by art historian Aby Warburg, the Image Knowledge Gestaltung Cluster will bring together researchers from very different
disciplines to conduct collaborative research. Twenty-two disciplines from literary studies to materials research, and currently
over 40 participants will exchange knowledge and methods with
the aim of designing the future. Relevant museums and cultural
and research institutions in Berlin are also involved. »This new
kind of interdisciplinary lab work is enabling us to pool the University’s diverse capacities that are a product of its broad range of
disciplines,« says Schäffner. »Of course, that means that we cannot
predict every move that research might make, but this unexpected
element is exactly what makes this project so interesting.«
Humans have always designed, or shaped, knowledge through
architecture, tools and models, diagrams and images. Science itself is all about designing: a chemical formula, the structure of a
study, the arrangement of a lab. »The representation of an observation using images might seem very mechanical or individual,
but that representation will always reveal the styles of a time, a
device, a way of thinking, a research collective,« says Bredekamp.
These varying styles open up a wealth of possibilities in terms of
observation methods and the acquisition of knowledge. An interdisciplinary lab is currently being set up to realise the vision of
how, in the view of a given discipline, an experiment, model,
graphics and images can be designed in a complex working process. Even at this early stage of constructing the lab, members of
all the disciplines contributing to the Cluster are involved. »We
don’t want to be a debating club; we want to be active researchers
who show understanding for the problems and challenges facing
other faculties. To achieve that, all parties have to be involved in
setting up the Cluster’s infrastructure, right from the start,« says
Schäff ner. The lab will take the form of a virtual online lab, and is
intended to act as a permanent communication channel and to
monitor the work being done in the Cluster. »Ultimately, the researchers themselves are subjects of the experiment and thus also
help to design it,« he says.
Schäff ner himself is hoping to use the Cluster to work with
materials scientist Peter Fratzl and biologist Gerhard Scholtz on
intensive research into the structure of natural materials. The idea
will be to investigate things like mussels, bone and the structure of
a beetle’s exoskeleton from a historical perspective, as well as in
terms of their mechanical, biological and material properties. In
the name of mobility, the group will also investigate materials
that function and that move independently when the temperature
changes – e.g. wood, creeping wheat seeds and fir cones that open
and close – to see if they could have practical applications in architecture. In this way, the researchers hope to use nature as a
basis for new materials to design our environment, without further exploiting natural resources.
»These days the aim is to make use of the intelligence of the
materials themselves. Scientists have analysed the world right
down to its invisible particles, and now we have to use the knowledge from every discipline to redesign it,« says Schäff ner.
The shatterproof glass sponge living at the bottom of the
ocean could become the prototype for a technical revolution. In
contrast to artificially manufactured glass, its production does
not involve melting and therefore requires much less energy. So
take another careful look at the picture. Your mirror could soon be
made out of an artificial glass sponge.
v
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
91
Eine Frauenzeitschri
ohne Frauen
A woman-free woman’s
magazine
Eine Doktorandin der Graduate School Muslim Cultures
and Societies untersucht ein indonesisches Magazin
A PhD student at the Graduate School Muslim Cultures
and Societies is researching an Indonesian magazine
Text: Liljana Nikolic
Fotos: Matthias Heyde
92
k
deutsch
Wer über den
Islam nachdenkt,
hat meistens den Nahen Osten und seine Konflikte vor Augen.
»Vielen Menschen in Europa ist gar nicht bewusst, dass die zahlenmäßig größten islamischen Staaten in Süd- und Südostasien
liegen«, erklärt Vincent Houben. Er ist Professor am Institut für
Asien- und Afrikawissenschaen und Südostasienspezialist.
»Das bevölkerungsreichste islamische Land ist Indonesien. Von
den etwa 220 Millionen Indonesiern bekennen sich rund 90
Prozent zum Islam.«
Arie Satyaningrum Pamungkas ist Indonesierin. Sie kommt
aus der Stadt Yogyakarta und ist Doktorandin an der Graduate
School Muslim Cultures and Societies, wo sie von Vincent Houben betreut wird. Die durch die Exzellenzinitiative geförderte
Graduiertenschule in Sprecherscha der Freien Universität beschäigt sich mit islamisch geprägten Gesellschaen. Über den
Mittleren Osten hinaus bezieht sie Asien und das subsaharische
Afrika sowie die muslimische Diaspora in Europa und Nordamerika in ihr Forschungsprogramm ein. Wissenschaler der Humboldt-Universität decken die Expertise für Asien und Afrika ab.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Arie Pamungkas steht die
Entwicklung der Medien der islamischen Erneuerungsbewegung Dakwah in der Post-Suharto-Ära, die sie am Beispiel der
Frauen-Zeitschri Ummi (Mutter) untersucht. »Ummi gibt es
schon seit bereits 20 Jahren, sie hat sich im Laufe der Jahre unterschiedliche Gesichter gegeben, immer mit dem Ziel, islamische Ideen und einen islamischen Lebensstil zu propagieren«,
erklärt die Doktorandin, die die indonesische Zeitschri analy-
siert, Leserbefragungen durchgeführt hat und sogar die Möglichkeit hatte, Einblicke in die Redaktion zu nehmen.
Die Zeitschri ist bereits während der Suharto-Periode, als
die Medien strenger Kontrolle unterstellt waren, im Untergrund
entstanden. An eine Frauenzeitschri erinnerte Ummi damals
allerdings noch nicht: weder gab es weibliche Redakteure, noch
wurden Bilder von Frauen gedruckt. »Die Frauen sollten durch
die Texte animiert werden, loyale Hausfrauen zu sein, wichtige
Themen waren die Ablehnung des Familienprogramms der Regierung, propagiert wurden die Polygamie und die arrangierte
Ehe«, erklärt Arie Pamungkas. »Thematisiert wurden auch die
globalen Ungerechtigkeiten, die der muslimischen Gesellscha
weltweit widerfahren, beispielsweise der Konflikt im mittleren
Osten, dabei wurde der Dschihad propagiert.«
Wissenschaler der HumboldtUniversität decken die Expertise
für Asien und Afrika ab
HU researchers provide the expertise for the Asian and African elements of the programme
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
93
Muslimische
Kulturen
im Blickpunkt
Muslim cultures
in focus
www.bgsmcs.fu-berlin.de
Die Graduate School Muslim Cultures and
Societies wird im Rahmen der Exzellenzinitiative gefördert und bewirbt sich erneut. Die
Sprecherscha liegt bei der Freien Universität, die Asien und Afrikawissenschaen der
Humboldt-Universität sind beteiligt. Das
dreijährige Studienprogramm beinhaltet neben einem Jahr Archiv- oder Feldforschung
und dem Schreiben der Arbeit, eine Reihe
von Pflichtveranstaltungen im Bereich Wissenstransfer und -management. Abgerundet
wird das Programm durch den intensiven
Austausch der Doktoranden untereinander
und durch Sprachkurse, So-Skill-Kurse,
Workshops und Ergänzungsseminare an Ber-
liner Wissenscha seinrichtungen, die von
den Promovierenden ausgewählt werden
können. Jährlich werden 15 Doktoranden
aufgenommen.
The Graduate School Muslim Cultures and
Societies is already being funded by the Excellence Initiative, and has applied for further
financing to continue the programme. Freie
Universität is the coordinating institution,
and the Department of Asian and African studies at Humboldt-Universität is also involved.
As well as completing one year of archive or
field research and writing their thesis, doctoral students on the three-year programme
must also take part in a series of events in the
area of knowledge transfer and knowledge
management. The programme is rounded off
with opportunities for intensive exchange
between students, as well as with language
classes, so-skill courses, workshops and
supplementary seminars at Berlin academic
institutions, which students are free to choose
for themselves. The Graduate School admits
15 PhD students every year.
Mit dem Ende der Regierung Suharto 1998 erlangte Indonesien auch die Pressefreiheit. Befreit von Zensur und Propaganda wuchs die Zahl der islamischen wie nicht islamischen Medien ebenso wie die Themenvielfalt. Gleichzeitig nahmen öffentlich zur Schau gestellte Frömmigkeit und Religiosität, beispielsweise das Tragen eines Kop uches, zu und prägen heute das
alltägliche, auch urbane Leben in Indonesien.
Mit Einsetzen der Reformperiode nach Suhartos Abgang
veränderte sich auch »Ummi«. Verhüllte Frauengesichter
schmückten nun das Blatt. Die Themenpalette wurde breiter,
nach wie vor Stand der Ruf nach dem Dschihad im Vordergrund. Es wurde außerdem gegen die weit verbreitete Pornographie in den Medien und öffentliche Zurschaustellung von Sinnlichkeit und Erotik angeschrieben. Mit der Reformperiode wurde die Dakwah-Partei PKS (Partai Keadilan Sejahtera) etabliert,
wo auch Frauen begannen, die Geschicke der Bewegung mit zu
beeinflussen. Und auch die Zeitschri Ummi wurde von Redakteurinnen erobert.
94
Eine Zäsur in der Entwicklung von
Ummi geht, so Wissenschalerin Pamungkas, mit den Sprengstoffanschlägen auf Bali 2002 einher. Damals wurden
etwa 200 Menschen, mehrheitlich ausländische Touristen, auf der hinduistisch
geprägten Insel getötet. »Ging es Ummi
davor darum, die Frauen zu guten, treuen Hausfrauen zu erziehen, wurden sie
nun ermutigt, sich selbst politisch zu engagieren und politische Organisationen
entsprechend den islamischen Rechtsnormen, der Scharia, zu initiieren.«
»Nach den Anschlägen wurde nicht mehr
die Polygamie propagiert, sondern auch das Singledasein wohlwollend dargestellt. Frauen werden ermuntert ihre eigenen
Karriereziele zu verfolgen – aber ohne dabei ihre religiösen
Pflichten zu vernachlässigen«, erklärt die Doktorandin. Auch
die förmliche Sprache wurde durch Alltags- und Umgangssprache ersetzt.
In den Augen mancher Dakwah-Aktivisten hat sich die Zeitschri zu einem trendigen Magazin für moslemische Frauen
entwickelt und ist keine Repräsentation der Dakwah-Medien
mehr. Dass dies nicht Fall ist, und dass es eine enge Verbindung
zwischen der Redaktion, die jetzt nur aus Frauen besteht, und
der PKS gibt, davon konnte sich Wissenschalerin Pamungkas
überzeugen als sie als Praktikantin in die Arbeitsweise der Zeitschri Einblicke nehmen konnte. »Auch wenn es nicht mehr so
offensichtlich ist, Ummi ist ein Organ des moderaten Islamismus«, sagt Arie Pamungkas, die nach ihrer Doktorarbeit in ihre
Heimatstadt zurückkehren wird, um an der dortigen Universität zu lehren.
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
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k
english
Das bevölkerungsreichste
islamische Land ist Indonesien
The Islamic country with the
largest population is Indonesia
Usually
when people think of Islam, they
think of the Middle East and its conflicts. »Many Europeans don’t
realise that the most heavily populated Islamic countries are located in South and South-East Asia,« says Vincent Houben, a professor at HU’s Department of Asian and African Studies and a specialist in South-East Asia. »The Islamic country with the largest population is Indonesia − around 90 percent of its 220 million inhabitants are Muslim.« Arie Satyaningrum Pamungkas is Indonesian. She comes from the city of Yogyakarta and is a PhD student at
the Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies, where
she is supervised by Houben. Funded by the Excellence Initiative
and coordinated by Freie Universität Berlin, the Graduate School
specialises in Islamic societies. Its research programme covers the
Middle East, Asia, sub-Saharan Africa and the Muslim diaspora
in Europe and North America. HU researchers provide the expertise for the Asian and African elements of the programme.
Pamungkas’s work involves using the Indonesian women’s
magazine Ummi (mother) to investigate how media representing
the Dawah Islamic revival movement have developed in the postSuharto era. »Ummi has been around for 20 years. It has changed
its style a number of times in its history, but has always aimed to
propagate Islamic ideas and an Islamic lifestyle,« she explains.
Pamungkas has analysed the magazine, carried out reader surveys, and even had the opportunity to see behind the scenes at its
editorial office.
The magazine started as an underground publication during
the Suharto period, when the media were strictly controlled. But
back then Ummi was not much of women’s magazine, as it was
not written by women and did not feature any pictures of women.
»Its articles sought to inspire women to become loyal housewives,
and important themes included rejecting the government’s family
policies and advocating polygamy and arranged marriages,« explains Pamungkas. »It also addressed the injustices that Muslim
society was suffering around the world, such as the conflict in the
Middle East, and spoke out in favour of jihad.«
When the Suharto government collapsed in 1998, Indonesia
gained freedom of the press. Liberated from censorship and propaganda, the Islamic and non-Islamic media grew, as did the variety
of themes they covered. At the same time, visible signs of devoutness and religiosity, such as the wearing of headscarves, increased
and continue to define everyday urban life in Indonesia today.
The period of reform that followed Suharto’s resignation also
ushered in change at Ummi. Its cover began featuring veiled
women’s faces and, despite the call to jihad still being its main
message, it started to deal with a wider range of topics. It took a
stand against the proliferation of pornography in the media and
against public displays of sensuality and eroticism. During the
reform period, the Prosperous Justice Party (Partai Keadilan Sejahtera, PKS) was also established, and this saw women starting
to play a greater role in controlling the movement’s fate. It was at
this time that the Ummi editorial office began filled up with women too.
However, Pamungkas says that a turning point in Ummi’s development came with the 2002 Bali bombings. Around 200 people,
mainly foreign tourists, were killed on the mostly Hindu island.
»Whereas before, Ummi had been about teaching women to be
good and faithful housewives, aer the bombings it felt empowered to become politically active and to start political organisations that ascribed to the religious law of Islam, Sharia law.« She
goes on to explain how, aer the bombings, Ummi stopped advocating polygamy and began to take a favourable view towards
being single. It started encouraging women to pursue their own
career goals – but to ensure they did not neglect their religious
duties in the process. The magazine also replaced formal language with a more colloquial style.
In the eyes of some Dawah activists, the Ummi has become a
trendy magazine for Muslim women and is no longer representative of the Dawah media. That this isn’t the case, and that there is
in fact a close connection between the now all-female editorial
staff and the PKS was something that Pamungkas was able to
observe first hand when she worked as an intern at the magazine.
»Even though it isn’t as obvious any more, Ummi still acts as a
mouthpiece for moderate Islam,« says Pamungkas, who plans to
return to her home city aer completing her PhD and teach at the
university there.
v
GEISTESWISSENSCHAFTEN / THE HUMANITIES
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NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
Analytisches Denken
in den
Naturwissenschaen
verändern
Changing analytical
thinking in the natural
sciences
Die School of Analytical Sciences Adlershof (SALSA)
möchte eine neue Generation von Wissenschalern ausbilden
The School of Analytical Sciences Adlershof (SALSA) wants to
shape a new generation of scientists
Text: Ljiljana Nikolic
Fotos: Matthias Heyde
98
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
99
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deutsch
SALSA
Ulrich Panne ist Leiter der Abteilung 1 »Analytische Chemie; Referenzmaterialien« der
Bundesanstalt für Materialforschung und
-prüfung (BAM) in Berlin-Adlershof und SProfessor für »Instrumentelle Analytische
Chemie« an der Humboldt-Universität. Er studierte Chemie an der Universität Dortmund
und dem UCL London. Promoviert wurde er in
Analytischer Chemie an der Technischen Universität München. Als Postdoc forschte er am
Environment Institute des Joint Research Centre Ispra in Italien. Mit der Leitung der Arbeitsgruppe »Angewandte Laserspektroskopie« am Institut für Wasserchemie der Technischen Universität München folgten Arbeiten
zur Entwicklung von spektrochemischen Verfahren für die Umwelt- und Prozessanalytik,
die er 2001 mit der Habilitation in Analytischer Chemie abschloss. Im Mittelpunkt seiner Forschung steht die instrumentelle Analytik. Dabei spielt besonders die spektrochemische Methodenentwicklung für neue analytische Werkzeuge eine zentrale Rolle.
Panne ist designierter Sprecher der Graduiertenschule SALSA, die sich im Rahmen
der Exzellenzinitiative bewirbt.
Ulrich Panne is head of Department 1 Analytical Chemistry; Reference Materials at the
Federal Institute for Materials Research and
Testing (BAM) in Berlin-Adlershof and a Special Professor for Instrumental Analytical
Chemistry at Humboldt-Universität. He studied chemistry at Technische Universität
Dortmund and at UCL in London. He obtained
his PhD in analytical chemistry from Technische Universität München. His first postdoctoral appointment was as a researcher at the
Institute for Environment and Sustainability
(IES) in Ispra, Italy, one of the seven scientific
institutes in the European Commission’s Joint
Research Centre (JRC). Aer heading the working group for applied laser spectroscopy at
the Institute of Hydrochemistry at TU München, he went on to develop spectrochemical
techniques for environmental and process
analysis, which earned him his habilitation in
analytical chemistry in 2001. His research
centres around instrumental analysis, with
the development of spectrochemical methods
for new analytical tools providing the main
focus of his work.
Panne is a designated coordinator of the
SALSA Graduate School, which is currently
applying for funding from the Excellence Initiative.
– Die School of
Analytical Sciences Adlershof hat einen
besonderen Anspruch: Sie möchte nicht
nur Doktoranden auf dem Gebiet der
Analytischen Wissenscha ausbilden,
sondern ein Umdenken in einem breiten
chemisch-naturwissenschalichen Bereich initiieren.
Analytik begegnet uns in vielen Beulrich.panne@bam.de
reichen unseres Alltags und bei zahlreiTel 030 · 8104-1109
chen wissenschalichen Fragestellungen: Ob es um Gegenstände des täglichen
Gebrauchs geht, die auf Schadstoffe untersucht werden, Klimadaten, die erhomöchte. »Was ist denn da drin? Diese Frage, die wir häufig geben werden, um neue Materialien im Nanometerbereich oder stellt bekommen, ist nicht so einfach zu beantworten«, unterdie Untersuchung molekularer Prozesse in unserem Körper, streicht Panne. Denn die Antwort hängt immer vom Blickwinüberall ist die Analytik relevant. »Auch die ökonomische Bedeu- kel des Betrachters ab. »Paradebeispiel Knochen: Will ich mehr
tung ist groß, denn viele Chemiker, die nicht in der Forschung über seine Nanostruktur wissen, die molekulare Zusammensetbleiben, arbeiten in Bereichen, die mit Analytik zu tun haben«, zung oder interessiert mich die makroskopische, mit dem Auge
sagt Ulrich Panne. Er ist Analytischer Chemiker an der Bundes- sichtbare Struktur?« verdeutlicht Janina Kneipp, ebenfalls desianstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), S-Professor gnierte Sprecherin, BAM-Wissenschalerin und Juniorprofesan der Humboldt-Universität und einer der designierten Spre- sorin am Institut für Chemie der HU. »Um über Größenskalen
cher der Graduiertenschule.
hinweg zu forschen, bedarf es verschiedener Ebenen des VersteAlles beginnt mit einer Probe, deren stoffliche Zusammen- hens, die häufig charakteristisch sind für verschiedene Diszipsetzung, Dynamik und Verteilung der Analytiker ergründen linen.«
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NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Janina Kneipp ist seit 2008 Junior-S-Professorin am Institut für Chemie der HumboldtUniversität und gleichzeitig Arbeitsgruppenleiterin an der BAM in der Abteilung »Analytische Chemie; Referenzmaterialien«. Sie hat
an der Freien Universität studiert und promoviert - mit einer am Robert-Koch-Institut angefertigten Dissertation über Infrarot-Spektroskopie zur Charakterisierung und Identifizierung von Prionen-Krankheiten. Als Postdoktorandin an der Erasmus Universiteit Rotterdam, am Chemistry Department der
Princeton University und an der Harvard Medical School hat sie Raman-Spektroskopie zur
Klärung von biophysikalischen und biomedizinischen Fragestellungen verwendet. Ihre
Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung und Anwendung empfindlicher optischer
und mikroskopischer Verfahren für analytische Anwendungen. Sie ist designierte Sprecherin der im Rahmen der Exzellenzinitiative
beantragten Graduiertenschule SALSA.
Janina Kneipp has been a Junior Special Professor at HU’s Department of Chemistry since
2008 and also leads a working group at Department 1 for Analytical Chemistry; Reference Materials at the Federal Institute for
Materials Research and Testing (BAM). She
studied and earned her PhD at Freie Universität Berlin, writing her doctoral thesis at the
Robert Koch Institute on the subject of using
infrared spectroscopy to characterise and
identify prion diseases. During postdoctoral
appointments at Erasmus University Rotterdam, at Princeton University’s Chemistry Department and at Harvard Medical School, she
used Raman spectroscopy to investigate biophysical and biomedical questions. Her research focuses primarily on developing and
using sensitive optical and microscopic techniques for analytical applications. She is a
designated coordinator of the SALSA graduate school, which is currently applying for funding through the Excellence Initiative.
Und hier deutet sich das Problem der
Analytischen Wissenscha an, das Feld
ist stark fragmentiert. War die Analytik
historisch betrachtet ein Gebiet der Chemie, so hat sie sich in den vergangenen
Jahrzehnten durch Forschungsdurchbrüche in Physik und Biologie multidisziplijanina.kneipp@bam.de
när entwickelt. Die Initiatoren von SALSA
Tel 030 · 2093-7171
wollen nun an der Schnittstelle der drei
Disziplinen Chemie, Physik, Biologie
eine Wandlung der Analytischen Wissensmarte Strukturen bauen können, einen neuen Sensor entwischa in ein zusammenhängendes Wissensgebiet einleiten.
ckeln, der an ein Molekül gebunden ist, mit dem man dann beiEin weiteres Problem ist nach Ansicht von Panne, dass Ana- spielsweise ein bestimmtes Biomolekül in einer Zelle sehen
lytik-Aspekte in Innovationsprozessen nicht von Anfang an be- kann«, gibt Janina Kneipp ein Beispiel für Forschungsansätze.
rücksichtigt werden. »Unabhängig davon, ob es um Halbleiter
Sollte SALSA den Zuschlag durch die Exzellenzinitiative eroder biochemische Vorgänge geht, der Klassiker ist, dass uns jehalten, würde das nicht nur ein Erfolg für die beteiligten Wismand erst einschaltet, wenn er die Funktionsweise eines Stoffes senschaler und die HU sein, sondern auch den Wissenschasnicht versteht.« Um aus der retrospektiven eine vorausschauen- und Wirtschasstandort Adlershof stärken. Denn die Graduierde Wissenscha zu schaffen, bedarf es den Austausch zwischen tenschule vereinigt auf beispielhae Weise universitäre und
den Disziplinen und gemeinsamer Strategien. An modernen außeruniversitäre Forschung mit Unternehmen. So sollen LetzMessinstrumenten besteht kein Mangel, von spektroskopischen tere mit den Doktoranden und Forschern in ApplikationslaboMethoden bis zur Massenspektrometrie bieten sich dem Analy- ren zusammenarbeiten und dazu beitragen, dass Forschung
tiker gerade am Standort Adlershof viele Möglichkeiten. Aller- schnell in die Anwendung fließt. Adlershof soll sich zur »Anadings garantiert der Besitz eines Gerätes noch keine erfolgreiche lytic City Adlershof« entwickeln.
Wissenscha. In der Zukun wird es auch darum gehen, die
Meßmethoden zu verfeinern »Wir brauchen auch Leute, die
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Chemische Analytik unter dem Raman-Mikroskop
Chemical analysis under a Raman microscope
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
103
k
english
The School
of Analytical Sciences
Adlershof (SALSA) has a unique task. The graduate school wants
to go beyond providing its PhD students with an education in the
analytical sciences. It is aiming to revise the way of thinking in
this domain to create a broader field that incorporates chemistry
and the natural sciences.
Analysis is used in many areas of our daily lives and in numerous scientific problems. It is relevant to everything, from examining everyday objects for harmful substances and assessing climate data, to exploring new materials at the nanometre scale and
investigating molecular processes in the human body. »It also has
major economic relevance, since many chemists who do not stay in
research work in areas that focus heavily on analysis,« says Ulrich
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Panne, an analytical chemist at the Federal Institute for Materials
Research and Testing (BAM), a Special Professor at HumboldtUniversität and a designated coordinator at SALSA.
Everything begins with a sample, which an analyst wants to
investigate to determine its material composition, dynamics and
distribution. »›What’s inside?‹ is a question we hear a lot, and it’s
not an easy one to answer,« says Panne. That’s because the solution always depends on the observer’s point of view. »A prime example is bone. Do I want to know more about its nanostructure,
its molecular composition, or am I interested in its macroscopic
structure − that is to say what’s visible to the naked eye?« explains
Janina Kneipp, SALSA’s other designated coordinator, a BAM scientist and Junior Professor in the Department of Chemistry at HU.
Elementare Materialcharakterisierung mittels
laserinduzierter Plasmaspektroskopie
Elemental characterization of materials by laser
induced plasma spectroscopy
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Der Klassiker ist, dass uns
jemand erst einschaltet,
wenn er die Funktionsweise
eines Stoffes nicht versteht
the classic situation is that people
only think to come to us when they
don’t understand the functions of
a material
»To carry out research that is not limited to a single size scale, you
need different levels of understanding – and those are oen found
in different disciplines.«
This points to the major problem in analytical science: the field
is highly fragmented. Historically, analytical sciences were a
chemistry domain, but over the last few decades breakthroughs in
physics and biology research have caused it to develop a multidisciplinary character. The initiators of SALSA now want to transform analytical sciences into a combined field that exists at the
interface between chemistry, physics and biology.
A further problem, according to Panne, is that innovation processes do not take analytical aspects into account from the outset:
»Regardless of whether the project’s about semiconductors or biochemical processes, the classic situation is that people only think
to come to us when they don’t understand the functions of a material.« To ensure analysis becomes a predictive rather than a retrospective science, different disciplines need to share information
and develop common strategies. There is no lack of modern measuring instruments at Adlershof, where the scientists have access
to everything from spectroscopic methods to mass spectrometry.
But having the right device alone does not guarantee successful
research. One aim for the future will be to refine measuring tech-
106
niques: »We need people who can build smart structures, develop
a new type of sensor that is linked to a molecule, which would allow us to see a specific biomolecule within a cell, for instance,«
says Kneipp, giving an example of a research approach.
If SALSA is awarded funding in the Excellence Initiative, it
would not just spell success for the scientists involved and HU as
a whole, SALSA will also strengthen the campus Adlershof as a
location for science and industry through the close interaction of
university, non-university research institutions, and high-tech
companies. SALSA will foster strong interaction between research
groups and local and external business partners in Application
Labs and promote »Analytic City Adlershof« as an open innovation
campus in analytical sciences with a strong academic core built
on HU’s natural sciences departments.
v
Renaissance der
Analytik
A renaissance of
analytical sciences
School of Analytical Sciences Adlershof
(SALSA)
Ob es um giige Weichmacher im Spielzeug,
Risikobewertung oder die Erforschung neuer
Nanomaterialien geht: Ohne Analytische Chemie wären viele Erkenntnisse unseres Alltags
nicht möglich, unsere Lebensqualität wäre
stark gemindert. Die Graduiertenschule SALSA
möchte die Zusammenarbeit von Wissenschalern der Analytischen und Physikalischen
Chemie, Biologie, Physik, Statistik, Modellierung und Didaktik stärken und so zu einem
Zusammenschluss des fragmentierten Gebiets
der Analytischen Wissenscha beitragen.
Die Forschung wird sich dabei um die drei
Begriff spaare Grenzen und Größenordnungen,
Empfindlichkeit und Selektivität sowie Herstellung und Messung drehen. Als zentrales Element des Curriculums ist das problem- und
fallbasierte Lernen geplant. SALSA arbeitet
eng mit berliner und brandenburger Wissenschalern sowie mit Analytikern der ETH Zürich zusammen. Die Graduiertenschule wird
Teil der »Analytic City Adlershof« sein, die die
universitäre, außeruniversitäre und unternehmerische Expertise im Bereich Analytik am
Standort Adlershof bündeln soll.
From analysing risk to identifying toxic soening agents in toys to advancing research into
new nano-materials, analytical chemistry offers us a deeper understanding of many aspects of our everyday lives and significantly
improves our quality of life. The SALSA Graduate School aims to increase collaboration between researchers in analytical and physical
chemistry, biology, physics, statistics, modelling and educational science, and to serve as a
point of convergence in the fragmented field of
analytical sciences.
SALSA will develop its multidisciplinary research through three interconnected pairs of
guiding themes, Limit & Scales, Sensitivity & Selectivity and Make & Measure. Problemand case-based learning is to form a core element of the curriculum. SALSA will work closely
with researchers in the Berlin-Brandenburg
area and with analytical scientists at ETH Zurich. The Graduate School will be part of Analytic City Adlershof, a competence centre bundling university, non-university and industrial
expertise in the analytical sciences at the Adlershof site.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Bis ins kleinste
Detail
Down to the
tiniest detail
Die Forscher der Robert KochGraduiertenschule wollen verstehen,
wie Erreger krank machen
The researchers at the Robert Koch
Graduate School want to understand
how pathogens make us ill
Text: Ute Friederike Wegner
108
k
deutsch
Die molekularen
Tricks
von Krankheitserregern, das Immunsystem oder gar die Wirkung von Arzneien auszuhebeln und
gefährliche Infektionen hervorzurufen, sollen im Mittelpunkt
der im Rahmen der Exzellenzinitiative beantragten Robert
Koch-Graduiertenschule (RKGS) stehen. Die beteiligten Forscher versuchen zu verstehen wie die Erreger – ob Bakterien
und Viren, Malariaerreger oder bestimmte Rundwürmer –
krank machen, mit welchen Mitteln sie die körpereigene
Immunabwehr von Mensch oder Tier herabsetzen. Ebenso interessiert auch, wie Störungen des Immunsystems zu Stande
kommen, die Ursache von Autoimmunantworten, Allergien
und Entzündungen sind. Dabei forschen Infektionsbiologen,
Immunologen, Systembiologen und Epidemiologen der beteiligten Institutionen Hand in Hand.
»Wir haben Forschungsgebiete definiert, aus denen wir neue
Fragestellungen entwickeln«, erklärt Richard Lucius, Professor
für Molekulare Parasitologie am Institut für Biologie der Humboldt-Universität und designierter Sprecher der beantragten
Graduiertenschule. »Wir wollen Gebiete erschließen, die bislang
noch nicht genügend bearbeitet und wirklich innovativ sind.«
Dafür ein Beispiel: Infektions- und Systembiologen arbeiten
gemeinsam daran, wie ein Virus das genetische Programm der
Wirtszelle verändert. So ist die Frage, welche RNAs und Proteine die infizierte Zelle zu welchem Zeitpunkt und an welchem
Ort im Vergleich zu einer nicht befallenen Zelle bildet. RNA ist
die Abkürzung für Ribonukleinsäure. Es gibt verschiedene
RNAs, die im Wesentlichen dafür zuständig sind, nach den ge-
netischen »Anweisungen« Eiweiße zu produzieren. Aufgabe der
Systembiologen ist es, mit neuesten Methoden die RNAs und
Proteine exakt zu quantifizieren. Aus diesen Daten werden mathematische Modelle entwickelt, die wiederum Rückschlüsse
auf die Vorgänge in der Zelle erlauben und zu neuen Experimenten inspirieren. Auch neueste mikroskopische Methoden
spielen dabei eine wichtige Rolle, mit denen man ein einzelnes
Virus auf seinem Weg durch die Zelle verfolgen kann. Bis auf
die kleinsten Details wollen die Forscher die Vorgänge in der
infizierten Zelle entschlüsseln, um neue Bekämpfungsmethoden und Impfstoffe entwickeln zu können.
Dabei lassen die Experten der Robert Koch-Graduiertenschule nichts aus. Sie untersuchen nicht nur einzelne Moleküle
und Zellen, sondern den gesamten Organismus bis hin zur Population. So ergründen die Epidemiologen des Robert Koch Institutes in Berlin beispielsweise, warum sich eine bestimmte
Infektionserkrankung in einer Bevölkerung ausbreitet. »Die
Forschungsgebiete greifen eng ineinander«, erklärt Richard Lucius, »das ist bundesweit einmalig.«
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
109
k
english
The Robert Koch
Graduate School
(RKGS),
which is applying for funding their host cell. We want to know what RNAs and proteins form,
through the Excellence Initiative, aims to investigate the molecu- when and where, in the infected cell compared to a non-infected
lar tricks of pathogens that disable the immune system and even cell. RNA is short for ribonucleic acid. There are various RNAs, all
the effect of medicines, and lead to dangerous infections. The re- of which are basically responsible for producing proteins accordsearchers involved are trying to understand how pathogens − ing genetic »instructions«. The task of systems biologists is to prewhether they are bacteria, viruses, malarial parasites or certain roundworms − make
us ill and how they manage to lower the
Richard Lucius, der Biologie an den UniverRichard Lucius studied biology in Hohensitäten Hohenheim und Heidelberg studierte,
heim and Heidelberg and has been a Profesimmune defences of humans and animals.
ist seit 1995 Professor für Molekulare Parasisor of Molecular Parasitology at HumboldtThey are also interested in the causes of
tologie am Institut für Biologie der HumUniversität’s Department of Biology since
immune system disorders, which trigger
boldt-Universität. Zuvor hatte er eine Profes1995. Before that he was a Professor of Paraautoimmune responses, allergies and insur für Parasitologie an der Universität Hositology at the University of Hohenheim. His
henheim
inne.
Sein
Arbeitsschwerpunkt:
Inwork focuses on how parasites interact with
flammations. Infection biologists, immuteraktion
von
Parasiten
mit
dem
Immunsystheir hosts’ immune systems. He earned his
nologists, systems biologists and epidemitem ihrer Wirte. Er promovierte 1982 über die
doctorate in 1982 aer studying the biology
ologists from the participating institutions
Biologie von Viehparasiten an der Elfenbeinof parasites in livestock on the Ivory Coast.
are working hand in hand to answer these
küste. Nach einem Postdoktoranden-AufentFollowing a postdoctoral placement at Harhalt an der Harvard-Universität in Boston,
vard University in Boston, he earned his habiquestions.
USA, habilitierte er sich an der Medizinischen
litation from the medical faculty at Universi»We have defined research areas that
Fakultät der Universität Heidelberg in den
tät Heidelberg in the fields of parasitology
will lead to new investigative approaches,«
Fächern Parasitologie und Experimentelle
and experimental immunology. Lucius is the
says Richard Lucius, Professor of MolecuImmunologie. Lucius ist Sprecher des Intercoordinator of the Interdisciplinary Centre for
lar Parasitology at the Department of Bidisziplinären Zentrums für Infektionsbiologie
Infection Biology and Immunity (ZIBI) and
(ZIBI) und des Graduiertenkollegs »Genetithe DFG graduate college Genetische und Imology at Humboldt-Universität and the
sche und Immunologische Determinanten
munologische Determinanten von Pathogengraduate school’s designated coordinator.
von Pathogen-Wirt-Interaktionen«. Er ist deWirt-Interaktionen (genetic and immunologi»We want to take our research into areas
signierter Sprecher der Robert Koch-Graducal determinants in pathogen-host interacthat are either truly innovative or have not
iertenschule.
tion). He is the designated coordinator of the
Robert Koch Graduate School.
been sufficiently investigated until now.«
richard.lucius@rz.hu-berlin.de
For example, infection and systems bioloTel 030 · 2090-6053
gists have teamed up to work out how viruses change the genetic programme of
110
Ebenso interessiert auch,
wie Störungen des Immunsystems zu Stande kommen
They are also interested in
the causes of immune system
disorders
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Ein Netz Berliner
Forscher
A network of Berlinbased researchers
Robert Koch-Graduiertenschule
Robert Koch Graduate School
Die Humboldt-Universität hat sich mit der
Robert Koch-Graduiertenschule (RKGS) Berlin
im Rahmen der Exzellenzinitiative bei der
Deutschen Forschungsgemeinscha (DFG) beworben. Im Fokus sollen Infektionserreger und
ihre Tricks stehen, das Immunsystem der Wirte
auszuhebeln sowie immunologisch bedingte
Erkrankungen wie Rheuma, Allergien oder
chronische Darmentzündungen.
Mit dabei sind die Humboldt-Universität
zu Berlin, die Freie Universität Berlin, die Charité – Universitätsmedizin Berlin, das Deutsche
Rheumaforschungszentrum, das Institut für
Bienenkunde Hohen-Neuendorf, das Leibniz
Institut für Zoo- und Wildtierkunde, das MaxDelbrück-Centrum für Molekulare Medizin
(MDC), das Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und das Robert Koch Institut.
Die Exzellenzinitiative RKGS geht hervor
aus dem bereits 2005 an der HU gegründeten
Interdisziplinären Zentrum für Infektionsbiologie und Immunität (ZIBI). Dort sind 28 führende Berliner Forscher aus diversen Einrichtungen gemeinsam in der Infektionsforschung
und Immunologie tätig.
cisely quantify RNAs and proteins using the latest available techniques. This data is then used to develop mathematical models
that allow researchers to draw conclusions about the processes
taking place within the cell and provide inspiration for new experiments. The latest microscopy techniques, which can show a
single virus making its way through the cell, play an important
role here. The researchers want to understand these processes in
the infected cell right down to the tiniest detail, so that they can
develop new ways of combating them and vaccines.
The experts at the Robert Koch Graduate School will leave no
stone unturned. They will not just examine individual molecules
and cells, but will also look at the entire organism and the population as a whole. Epidemiologists at the Robert Koch Institute in
Berlin, for example, are examining why particular infections
spread in a population. »The research areas are closely intertwined,« says Lucius, »which makes our approach unique in Germany.«
Humboldt-Universität has submitted a funding application for the Robert Koch Graduate
School (RKGS) to the German Research Foundation (DFG) as part of the Excellence Initiative.
The graduate school is charged with investigating pathogens and their tricks in disabling the
hosts’ immune system, as well as immunological diseases like rheumatism, allergies and
chronic intestinal inflammations.
The graduate school is an initiative of
Humboldt-Universität zu Berlin (HU), in cooperation with Freie Universität (FU) Berlin, Charité − Universitätsmedizin Berlin, the German
Rheumatism Research Centre (DRFZ), the Institute for Bee Research Hohen-Neuendorf, the
Leibniz Institute for Zoo and Wildlife Research,
the Max Delbrück Center for Molecular Medicine (MDC), the Max Planck Institute for Infection Biology and the Robert Koch Institute.
The Excellence Initiative RKGS is an offshoot of the Interdisciplinary Centre for Infection Biology and Immunity (ZIBI), founded at
HU in 2005. Here, 28 leading Berlin researchers
from various institutions collaborate on infection and immunology research.
Ziel ist es, die Doktoranden von
insgesamt neun bereits existierenden Forschungsprogrammen
zu vernetzen
RKGS aims to create a network for
doctoral students on nine existing
research programmes
v
112
So sieht das Gebäude der Parasitologie, Haus 14 auf
dem verwunschenen Campus Nord, heute aus.
This is how the parasitology building – Building 14
on the picturesque Campus Nord – looks today.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Die Nachfahren
Robert Kochs
A new generation
of Robert Kochs
Text: Ute Friederike Wegner
Robert Koch, der berühmte Mediziner und Mikrobiologe, ist Namensgeber
Die neue Graduiertenschule wäre Teil des Konzeptes der Humboldt-Uni-
der geplanten Graduiertenschule der Humboldt-Universität zu Berlin. Denn
versität zu Berlin, ihren Campus Nord in Berlin-Mitte zu einem »Life Science
so wie einst der Nobelpreisträger wird auch die »Robert Koch-Graduierten-
Campus« auszubauen. Dort wird zum Beispiel das Berlin Institute for Medical
schule« (RKGS) ihr Augenmerk darauf richten, Viren, Bakterien und Parasi-
Systems Biology (BIMSB) des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medi-
ten, die gefährliche Infektionen hervorrufen können, zu bekämpfen. Neben
zin (MDC) ein neues Institutsgebäude erhalten.Die Planungen laufen, 2013
der Humboldt-Universität sowie der Freien Universität Berlin sind sechs For-
soll der Bau beginnen. Zeitgleich entstehen soll auch ein neues Institut für
schungsinstitute mit von der Partie. »Damit bündeln wir die Expertise in Ber-
Biologie, das aufgrund seiner Architektur schon jetzt seinen Spitznamen weg
lin auf breitester Front«, sagt Richard Lucius, Professor für Molekulare Para-
hat: Die grüne Amöbe.
sitologie am Institut für Biologie der Humboldt-Universität. Ebenfalls einzig-
Neu in der Doktorandenschulung ist: »Wir lehren das Forschen, das
artig in Deutschland: Durch die unmittelbare Anbindung der Grundlagenfor-
heißt, wie man in der Forschung professionell und systematisch vorgeht«,
schung an die Charité – Universitätsmedizin Berlin können die Forschungs-
erklärt Richard Lucius. Vorlesungen von internationalen Gastsprechern,
ergebnisse auf direktem Weg in neue Behandlungskonzepte fließen. »Damit
hochrangige Seminarreihen und Diskussionsveranstaltungen sollen die Aus-
legen wir einen starken Akzent auf die klinische Forschung«, sagt Lucius,
bildung abrunden. Dazu kommt: Alle Doktoranden werden von externen
designierter Sprecher der im Rahmen der Exzellenzinitiative beantragten
Mentoren zu ihrer beruflichen Ausrichtung beraten. Je nach individueller
Graduiertenschule.
Neigung und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes können sich die For-
Ziel ist es, die Doktoranden von insgesamt neun bereits existierenden
scher gezielt auf ihr zuküniges Arbeitsleben vorbereiten. »Als Scharniere
Forschungsprogrammen zu vernetzen, sowie eine profunde und nachhaltige
zur Arbeitswelt haben wir Kontakte zu zehn internationalen Konzernen«,
Nachwuchsausbildung der jungen Forscher zu etablieren. »Unter einem ge-
sagt Lucius, »vor allem aus der Pharmaindustrie.«
meinsamen Dach wollen wir Doktoranden auf internationaler Ebene auswählen und sie ausbilden«, erklärt der Biologe. »Dafür etablieren wir unter anderem neun neue Professuren und ein Laborgebäude.« Den Hauptteil ihrer
Zeit sollen die Nachwuchswissenschaler, eingegliedert in die diversen Arbeitsgruppen, ihrer Forschung widmen.
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So soll das aufgestockte Gebäude der Parasitologie, Haus 14 auf dem Campus Nord, in einigen Jahren aussehen.
This is how Building 14 on Campus Nord will
look in a few years, once it has been expanded.
Humboldt-Universität zu Berlin is planning a new Graduate School that will
The new Graduate School will be part of HU’s concept for developing
be named aer Robert Koch, the famous German doctor, microbiologist and
Campus Nord in Berlin-Mitte into a Life Science Campus. For example, the
Nobel laureate. Like him, students at the Robert Koch Graduate School
Berlin Institute for Medical Systems Biology (BIMSB) at the Max Delbrück
(RKGS) will focus on fighting the viruses, bacteria and parasites that can
Center for Molecular Medicine (MDC) will find a new home there. Planning is
cause dangerous diseases. Alongside Humboldt-Universität and Freie Univer-
currently underway and building is due to begin in 2013. A new home for the
sität Berlin, six other research institutions are on board. »This means we can
Department of Biology is also due to be built on the campus, and its striking
pool Berlin-based expertise from a wide range of sources,« says Richard Luci-
architecture has already earned it a nickname: the Green Amoeba.
us, Professor of Molecular Parasitology in the Department of Biology at Hum-
The Graduate School’s approach to doctoral teaching is also new. »We
boldt-Universität. The Graduate School will be unique in Germany because it
teach research – that is to say, we show our students how to carry out re-
will directly link basic research with the Charité – Universitätsmedizin Berlin,
search in a professional and systematic way,« says Lucius. Lectures by inter-
meaning that research findings will flow directly into new treatment approa-
national guest speakers, top-flight seminar series and discussion events will
ches. »We are placing great emphasis on clinical research,« says Lucius, who
round off the Graduate School’s programme. Furthermore, all the doctoral
is the designated coordinator for the Graduate School, which is being propo-
students will receive advice from external mentors on their professional care-
sed under the Excellence Initiative.
er path. The researchers can therefore prepare for their future working lives in
RKGS aims to create a network for doctoral students on nine existing re-
a way that suits their individual preferences and the requirements of the la-
search programmes and to establish in-depth and sustainable training for
bour market. »To provide smooth transitions into the world of work, we have
young researchers. »We want to bring together selected PhD students from all
established contact to ten international companies, particularly in the phar-
over the world and train them under one roof,« says Lucius. »Among other
maceutical industry,« says Lucius.
things, we’ll be creating nine new professorships and building a new lab building.« The young researchers will be divided into various working groups and
will spend the majority of their time carrying out their own research.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Durch die Brille
der Landnutzung
The land use
perspective
In der Graduiertenschule FutureLand
sollen globale ökologische Zusammenhänge
untersucht werden
The FutureLand Graduate School is designed to
investigate global ecological interdependencies
Das Interview mit Professor Patrick Hostert führte Ljiljana Nikolic
Professor Patrick Hostert spoke to Ljiljana Nikolic
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
117
118
k
deutsch
Herr Professor Hostert, in der Graduiertenschule FutureLand soll
sich alles um nachhaltige Landnutzung drehen, in der Öffentlichkeit ist hauptsächlich der globale Klimawandel in aller Munde.
Wie bedingen sich beide?
Es besteht eine enge Verbindung zwischen Landnutzung und
Klimawandel. Wir wollen diese beleuchten und haben dabei die
»Brille der Landnutzung« auf. Wir haben Fragen der Landwirtscha ebenso im Visier, wie die sich ändernde Waldnutzung
und damit verbundene Kohlenstoffflüsse und vor allem auch
Städte und Megastädte. Wir müssen die vielschichtigen Zusammenhänge noch viel besser durchdringen und außerdem globale Erkenntnisse und Modelle auf regionaler Ebene überprüfen. Wir versuchen dabei auch, die kulturellen Aspekte des
Landnutzungswandels zu verstehen. Wie entwickelt sich beispielsweise die globale Landnutzung, wenn sich in China die
Mehrzahl der Menschen dazu entschließt, einen westlichen Lebensstil zu adaptieren, und der Fleischkonsum von einer Milliarde Menschen rapide ansteigt?
Wir versuchen dabei auch, die
kulturellen Aspekte des Landnutzungswandels zu verstehen
Ihr Fachgebiet ist die Satellitenfernerkundung, die bei der Analyse des Landnutzungswandels eine wichtige Rolle spielt. Wie hat
sich unsere Erde in den letzten Jahrzehnten in Bezug auf Ackerfl ächen oder Wälder verändert?
In der Tat ist der Großteil unseres heutigen Wissens über globale ökologische Zusammenhänge direkt oder indirekt auf die
Beobachtung der Erde aus dem All zurückzuführen. Gekoppelt
mit inzwischen recht fortgeschrittenen Modellen zur Landnutzung lässt sich der Landnutzungswandel erfassen und in Szenarien in die Zukun projizieren.
Aus den fernerkundlichen Beobachtungen der letzten 30 bis
40 Jahre wissen wir beispielsweise, wie stark der tropische Regenwald in seiner Fläche zurückgeht oder in welchen Regionen
der Welt der Nutzungsdruck zu Überweidung oder Bodenerosion führt. Ohne Satellitenfernerkundung würden Veränderungen der Erdoberfläche entweder zu spät oder gar nicht in ihrem
kompletten Ausmaß quantifiziert werden können.
Laut Vorhersagen wird die Erdbevölkerung von heute sieben auf
etwa neun Milliarden Menschen bis zum Jahr 2050 steigen,
gleichzeitig nehmen Ackerfl ächen ab. Wird es noch mehr Hunger
auf der Welt geben?
Wir müssen pragmatische Lösungen suchen und werden nicht
umhin kommen, dem technologischen Fortschritt genügend
Raum zu bieten, ansonsten werden sich die Hungersnöte in der
Zukun verschärfen. Das umfasst ressourcenschonende Bewirtscha ungsformen, wassersparende Bewässerungspraktiken und verbesserte Tierzucht gleichermaßen. Die Ausdehnung
von Ackerflächen ist nur eine begrenzte Option. Sie findet in
den letzten Jahrzehnten viel in Übergangszonen statt, beispielsweise in den Trockenwäldern und Dornbuschsavannen
des südamerikanischen Chaco, wo savannenartige Gebiete urbar gemacht werden. Dies ist auch möglich aufgrund des erhöhten Niederschlags, den es dort seit einigen Jahrzehnten gibt
– als Folge des globalen Klimawandels.
We also hope to understand more
about the cultural aspects associated with the transformation of
land use
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Schön, auch mal von einer positiven Folge des Klimawandels zu
hören.
Wenn wir an die Steigerung der Agrarerträge denken und dabei
lediglich im Auge haben, dass die globale Bevölkerung stark anwachsen wird und ernährt werden muss, dann sicherlich ja.
Man darf dabei aber nicht vergessen, dass Flächen, die über
Jahrhunderte von Menschenhand o wenig berührt waren, in
kurzer Zeit bildlich gesprochen von der Agrarfront überrollt
und intensiv in Form von Monokulturen bewirtschaet werden. Das geht wiederum mit Änderungen des Lokalklimas, der
Biodiversität und vor allem auch der Verdrängung indigener
Völker einher. Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel
kommen mit all ihren positiven und negativen Folgen zum Einsatz. Technisierung kann zu Bodenerosion und -zerstörung
führen. Wir müssen also immer beide Seiten der Medaille betrachten. Dass die Erde schon heute übernutzt wird, steht außer
Frage, wie wir dies kün ig nachhaltig gestalten können – das ist
Thema von FutureLand.
120
Der Wohlstand ist bekanntermaßen sehr unterschiedlich verteilt,
wie wird sich der Ausgleich zwischen armen und reichen Regionen entwickeln?
Ein wichtiger Schwerpunkt der Graduiertenschule ist die Institutionenforschung. Denn schon heute könnte Vieles besser
funktionieren, wenn nicht schwache oder falsch aufgestellte Institutionen, die von privaten und öffentlichen Akteuren gesteuert werden, Handlungsspielraum verspielen würden. Häufig
fehlt der »Hebel«, um das, was gesellschalich gewünscht ist,
auch politisch zu realisieren. Ein extremes Beispiel ist das »land
grabbing«: Bevölkerungsreiche Staaten kaufen oder pachten
schon heute in anderen Regionen, beispielsweise Afrika oder
Südostasien, Ackerflächen, um sie für die eigene Bevölkerung
zu nutzen. Hier stellt sich beispielsweise die Frage, inwiefern
Landnutzung durch ausländische Investoren – häufig spricht
man von »leakage« oder »Telekonnektion« – zu der seit Monaten
zunehmenden humanitären Katastrophe am Horn von Afrika
beiträgt. Es gibt zurzeit keine Institution in der Welt, die Verteilungsprobleme wirkungsvoll angehen kann.
Einschlagsfl ächen im tropischen Regenwald
von Pará, Brasilien, (Falschfarbdarstellung)
Felled areas in the tropical rainforest
of Pará, Brazil, (false-colour image)
Überall in der Welt zieht es Menschen vom Land in die Städte, ist
das klima- und landnutzungstechnisch betrachtet ein Nachteil?
Derzeit leben über die Häle der Menschen in Städten, Projektionen gehen von über 70 bis 80 Prozent der Erdbevölkerung
bis 2050 aus. Städte werden überwiegend als »Problemzonen«
der Erde thematisiert, beispielsweise hinsichtlich der Slums in
Megastädten, können aber auch ein »Schlüssel zum Glück« hinsichtlich ressourcenschonender Landnutzung und klimaschonender Technologien sein. Bei geschickter räumlicher Konstellation beispielsweise, können Städte einen geringeren ProKopf-Verbrauch an Ressourcen aufweisen: Pro Person wird
dann nicht nur weniger Platz, sondern auch weniger Wasser
und Energie verbraucht als in ländlichen Gebieten. Auch die
Transportwege sind innerhalb der Stadt relativ kurz. Kurzum:
Städte können Teil des Lösungsansatzes sein, wenn es darum
geht, den Ressourcenverbrauch bei zehn Milliarden Menschen
zu optimieren.
Städt können aber auch
ein »Schlüssel zum Glück«
hinsichtlich ressourcenschonender Landnutzung sein
Cities can also be a »key to
happiness« with regard to
resource-efficient land use
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
121
Wege zu einer
nachhaltigen
Landnutzung
The Transformation
of Land Use to
Sustainability
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122
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Professor Hostert, the FutureLand Graduate School will focus on
research into sustainable land use, while the public is mainly
concerned with global climate change. How are these two issues
related?
Land use and climate change are closely connected, and we want to
shed light on the links between them from the land use perspective.
We will focus on agricultural issues, changing forest use with the
corresponding effects on carbon dioxide flows, and, of course, on
cities and megacities. Our aim is to gain a much better understan-
Patrick Hostert ist seit 2006 Leiter der Abteilung Geomatik am Geographischen Institut
der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte von 1988 bis 1994 Physische Geographie an der Universität Trier. 1994/95 schloss
er den Masterstudiengang »Geographical Information Systems« an der University of
Edinburgh und 2001 seine Promotion in
»Geofernerkundung« an der Universität Trier
jeweils mit Auszeichnung ab.
Als Geomatiker wertet Hostert Daten aus,
die Satelliten von der gesamten Erdoberfl äche aufnehmen, und beantwortet darauf basierend Fragen zum Globalen Wandel. Er ist
Sprecher des Graduiertenschulantrags »FutureLand – Transforming Land Use to Sustainability« im Rahmen der Exzellenzinitiative
des Bundes und der Länder.
patrick.hostert@geo.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093-6805
ding of the complex relationships involved and to investigate the fit
of global findings and models at regional level. We also hope to
understand more about the cultural aspects associated with the
transformation of land use. For example, how will global land use
develop if most of the Chinese population decides to adopt a western lifestyle and a billion people start eating much more meat?
Your area of expertise is satellite remote sensing, which plays an
important role in analysing transformations in land use. How has
our planet changed over the past few decades with regard to arable and forest
Patrick Hostert has led the Geomatics Deland?
partment at Humboldt-Universität’s DepartIt’s true that most of the knowledge we
ment of Geography since 2006. From 1988 to
have today about the ecological impact of
1994, he studied physical geography at the
worldwide trends and processes can be eitUniversity of Trier. He followed this up with a
master’s in geographical information sysher directly or indirectly attributed to our
tems (GIS) at the University of Edinburgh betobservations of Earth from space. Coupled
ween 1994 and 1995, and a doctorate in geowith the fairly advanced models on land
graphical remote sensing from the University
use available today, these observations alof Trier in 2001, both of which were awarded
with distinction.
low us to identify transformations in land
As a geomatician, Hostert evaluates data
use and to set up possible future scenarios.
recorded by satellites monitoring the Earth’s
For example, remote sensing observations
entire surface and uses this information to
from the past 30 to 40 years allow us to see
answer questions about global change. He is
designated coordinator of the Graduate
how much the tropical rainforests have
School proposal FutureLand – The Transforshrunk and in what regions of the world
mation of Land Use to Sustainability within
the pressure to maximise land use has led
the Excellence Initiative of the German fedeto overgrazing and soil erosion. Without
ral and state governments.
satellite remote sensing, we would not be
able to recognise changes on the Earth’s
surface until it was too late and we
wouldn’t be able to quantify the full extent
of the change.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
123
According to predictions, the global population will rise from its
present total of almost seven billion to nine billion by 2050, while
at the same time the amount of arable land will decrease. Does
that mean that more people will go hungry?
We need to look for pragmatic solutions and make the most of
technological progress, otherwise famine is certain to increase in
the future. That includes efficient types of land resource management, water-saving irrigation practices and improved animal
husbandry. It is only possible to expand arable land use to a limited extent. Over the past few decades, this expansion has mainly
taken place in transition regions − for example, the dry forest and
xeric shrublands of the South American Chaco, where savannah
areas have been cultivated for agriculture. This has been possible
partly due to the increased rainfall these regions have experienced
in recent decades – as a consequence of global climate change.
It’s nice to hear about a positive effect of climate change for once.
If we look at it in terms of the increase in agricultural yields and
the growing world population which needs to be fed, then yes, it’s
positive. But we mustn’t lose sight of the fact that many areas that
been largely untouched by humankind for centuries have suddenly been overrun by the agricultural sector and are being intensively farmed with monoculture crops. This leads to changes in the
local climate, biodiversity and, above all, the displacement of indigenous peoples. Fertilisers and pesticides are being used too,
with all their positive and negative consequences. Mechanisation
can lead to soil erosion and destruction. It’s important always to
look at both sides of the coin. There’s no question that the Earth is
already being over-exploited. How we can succeed in shaping a
more sustainable future – that is what FutureLand is all about.
As we all know, wealth is distributed very unevenly across the globe. How will the balance between rich and poor regions develop in
the future?
An important focus at the graduate school is institutional research. Even today, everything could already be working much
better if weak or badly conceived institutions controlled by private
or public players weren’t wasting so many valuable opportunities.
All too oen, the »lever« with which socially desirable changes can
be implemented at political level is missing. An extreme example
124
Es gibt zurzeit keine
Institution in der Welt, die
Verteilungsprobleme
wirkungsvoll angehen kann
At present, there is no institution
in the world that can effectively
tackle distribution problems
of this is »land grabbing«. It is already common practice for heavily populated states to buy or rent agricultural land in other regions, such as Africa or South-East Asia, to meet the needs of their
own populations. This brings up the question, among others, as
to how far land use by foreign investors – oen referred to as
»leakage« or »teleconnection« − is contributing to the growing humanitarian catastrophe in the Horn of Africa. At present, there is
no institution in the world that can effectively tackle distribution
problems.
All over the world people are moving from rural areas to cities –
will that have a negative impact on the climate and land use?
Over half of the world population currently lives in cities, and
projections show that this could increase to 70 or even 80 percent
by 2050. Cities are mainly seen as »problem zones« – due, for example, to the slums in megacities – but they can also be a »key to
happiness« with regard to resource-efficient land use and climate
friendly technologies. For example, a more intelligent use of space
could lead to a lower per capita consumption of resources. In cities people could not only require less space, but also less water
and less energy than in rural areas. Transport routes are also
shorter in cities. In a nutshell: cities could be part of the solution
when it comes to optimising the resource consumption of 10 billion people.
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NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
125
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10 922 688,
, 11 025 396, 10 018 008, 11 957 400, 10 24
248 448, 11 655 2
, 12 764 808, 11 089 568, 12 882 456, 11 92
923 507, 12 986 0
798 512,
512, 12
12 829
829 8
824,
24 , 1
14
42
268
68 1
150,
50 , 1
12
26
649
4 338, 14 974 9
, 13 798
, 15 213
213 744,
744, 13
13 651
651 9
920,
20 , 1
16
65
514
14 5
568,
68 , 1
13
39
997
9 522, 15 956 0
010 064, 17 719 8
, 17 368 344, 15 078 280, 17 428 320, 16 01
, 18 435
435 456,
456, 17
17 336
336 5
592,
92 , 1
19
91
173
73 9
961,
61 , 1
16
69
974
7 594, 20 036 0
758 628, 21 238 5
, 20 232 828, 18 191 448, 21 818 160, 18 75
, 23 178 960, 19 902 512, 23 002 434, 21 17
171 136, 23 142 1
, 24 170 580, 22 552 544, 25 356 240, 22 188 042, 26 163 6
, 26 349 624, 23 709 168, 28 348 893, 24 142 483, 27 658 2
Vom Luxus,
der einem
geschenkt wird
The gi of luxury
126
, 25 112, 24 390, 31 752,
544, 73 710, 68 922,
3, 141 759, 137 592,
05 380, 257 544, 226 982,
40 704, 390 096, 357 912,
93 040, 589 806, 551 881,
04 970, 858 438, 756 112,
1 008 324, 1 149 823,
225 044, 1 492 120,
533 168, 1 780 470,
929 816, 2 174 816,
248 092, 2 722 608,
685 620, 3 164 112,
303 804, 3 697 742,
753 792, 4 492 712,
330 748, 5 031 306,
193 020, 5 804 084,
735 340, 6 962 886,
545 448, 7 579 152,
754 544, 8 613 489,
390 160, 10 044 216,
9 393 932, 10 868 094,
270, 10 892 504, 12 251 736,
082, 11 697 084, 14 021 840,
974, 13 081 824, 14 992 740,
037, 14 900 788, 16 569 686,
884, 15 813 252, 19 009 784,
016, 17 424 976, 20 217 204,
560, 19 739 160, 21 955 772,
186, 20 980 332, 24 871 392,
648, 22 665 188, 26 127 576,
260, 25 554 872, 28 398 314,
k
deutsch
Ein Netz
von Vertrauensdozenten soll in
Zukun helfen, die Spreu vom Weizen noch besser zu trennen.
Denn die Frage, ob man einen exzellenten Kandidaten mit guter Vorbildung an der Hand hat, ist für die Professorenscha
der Berlin Mathematical School (BMS) wichtig, aber nicht immer leicht zu klären, wenn es um internationale Bewerber geht.
»Mit Büros und Partnern in Ländern wie China, Indien und
dem Iran werden wir in Zukun auf interessante Bewerber
noch viel schneller reagieren können«, erklärt Jürg Kramer. Der
Mathematiker der Humboldt-Universität ist stellvertretender
Sprecher der BMS. Zusammen mit Berliner Mathematik-Kollegen von der Freien Universität und der Technischen Universität
hat er 2006 die BMS aus der Taufe gehoben. Entstanden ist eine
Mathematikerschmiede, die über die einzelnen Universitätsgrenzen hinaus hervorragend funktioniert, ein vielfältiges und
exzellentes Angebot in Forschung und Lehre bietet und viel versprechende Nachwuchsmathematiker nach Berlin holt. Exzellenz, Internationalität und Gender spielen eine wichtige Rolle
in der BMS. »Circa 50 Prozent der BMS-Studierenden kommen
aus dem Ausland, unter den Promovierenden sind 26 Prozent
Frauen – eine Zahl, die wir noch steigern möchten«, erklärt der
Professor.
Eine Besonderheit der BMS, die mehr als 160 Studierende
zählt, ist, dass sie nicht nur Doktoranden, sondern auch Bachelorabsolventen aufnimmt, die in der Phase I der BMS in einem
strukturierten und eng betreuten Programm drei bis vier Semester studieren – ein Großteil davon mit Stipendium. Die Phase I bietet Vorlesungen und Seminare in sieben Themengebieten, die in Englisch und abwechselnd an den drei Universitäten
stattfinden. Zurzeit feilen Professorinnen und Professoren der
70 Köpfe zählenden BMS-Faculty an einem gemeinsamen Masterstudiengang. Die Idee, Absolventen der Phase I in Anlehnung an das US-Graduiertensystem per mündlicher Prüfung
und ohne schrilichen Master gleich in die Phase II überzuleiten und so die Ausbildungszeit zu verkürzen, ist nicht vollkommen aufgegangen. »Der Doktortitel gilt in Deutschland nicht als
berufsqualifizierender Abschluss, das bedeutet, dass die Doktor-Titelträger ohne Masterabschluss im Berufsleben als Bachelorabsolventen behandelt werden«, erklärt Kramer. Deshalb
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
127
34 301 232, 37 672
2 12
28 , 3
35 715 456, 42 293
3 66
64 , 3
38 272 754, 43 461
1 06
63 , 4
42 928 704, 46 599
9 46
62 , 4
43 986 978, 51 755
5 76
60 , 4
47 052 741, 53 367
7 67
78 , 4
52 173 954, 57 441
1 63
36 ,
sollen zukün ig schriliche Vorarbeiten
53 609 220, 63 282
2 24
40 ,
zur Doktorarbeit als Master gewertet werden können.
57 734 208, 64 701
1 52
22 ,
Die Doktoranden forschen in der Regel in Berliner Mathematik-Graduierten62 946 576, 68 808
8 36
66 ,
kollegs oder in einer der zwei Berliner
Internationalen Max Planck Research
64 481 202, 75 792
2 52
28 ,
Schools, die mit der BMS kooperieren. In
Zukun soll außerdem mit zwei promi68 417 930, 78 157
7 54
48 ,
nenten Postdoc-Positionen das Spektrum
der BMS abgerundet werden. »Mit zwei
75 197 360, 82 237
7 68
80 ,
sehr gut dotierten Stellen wollen wir
093
630,
77zu400
0 würde
41
14 ,
spannende, herausragende junge Forscher nach Berlin holen, setzt87
sind, wieder
in ihre
Primbestandteile
zerlegen,
die als Mitglieder unserer Junior-Faculty in die Lehre eingebun- ein Kryptosystem mit elliptischen Eisensteinreihen mit Hilfe
80kleiner
062
992,
95und679
64
40 ,
den werden«, sagt Kramer.
relativ
Primzahlen
funktionieren
somit9
weniger
Die eigenen Absolventen, 93 Doktoranden sind bislang aus Speicherplatz verbrauchen. Aber das ist noch Zukunsmusik.
032
536,
8nicht
4 604
4 52
20 ,
der BMS hervorgegangen, sollen ihren Platz an renommierten Die98
ehemalige
BMS-Graduierte
hat aber
nur intensiv
geinternationalen Hochschulen finden. Nachwuchswissenscha- forscht, sondern sich auch in der Graduiertenschule aktiv enga6, 88 826 220
0, 99 80
06 112,
,
lerin Anna-Maria von Pippich, eine Absolventin der BMS, hat giert. So war sie Studierendensprecherin und hat außerdem mit
sich nach einem einjährigen Postdoc-Aufenthalt in der Schweiz anderen Doktoranden das »What is ...?«-Seminar ins Leben ge04, 105 331 554
4, 96 40
02 65
5
wieder für den mathematisch attraktiven und regen Standort rufen – als Einführungsseminar für die »BMS-Fridays«. Denn
Berlin entschieden und ist wissenschaliche Mitarbeiterin in jeden zweiten Freitag im Semester zieht es nicht nur die BMS10, 100 442 160
0, 11
11 921 2
der Arbeitsgruppe »Arithmetische Geometrie« am Institut für Wissenschaler und Studierenden, sondern die Berliner MaMathematik der HU. Als die BMS gegründet wurde, war sie be- 176,
thematik-Gemeinscha
in
die 4
Urania,
wo2
Topwissenscha
ler 847
113
844
04
4
,
1
01
1
reits Doktorandin in einem der beteiligten Graduiertenkollegs, aus dem In- und Ausland Einblicke in aktuellste ForschungsfelArithmetic and Geometry, und wurde in die Graduiertenausbil- der
geben. Anna von
Pippich90
schwärmt
andere 124
von der
300,
105
04 wie6viele
56,
24
dung der BMS aufgenommen. Damals wie heute bewegt sich anregenden Atmosphäre der »Fridays«. Geschätzt hat sie auch
ihre Forschung um elliptische Eisensteinreihen, ein Thema aus die
»Kovalevskaya-Lectures«,
die2
sich
240,
132 12
0an0Studentinnen
72, wenden:
11
11 33
dem Bereich der Zahlentheorie. »Eisensteinreihen kennt man Herausragende nationale und internationale Mathematikerin092,
115 50
01 vor.
30Dabei
4,
132
78
schon seit Anfang des 19. Jahrhunderts, elliptische Eisenstein- nen
stellen ihre Forschungsergebnisse
erfahren
die
reihen sind neu entdeckt worden«, erklärt die begabte Mathe- Studentinnen auch viel darüber, wie wissenschaliche Karrie460,
135 70
0
4 52
0,war 127
04
4
matikerin, der es gelungen ist, diese neuen Zahlreihen gewinn- ren
von Frauen funktionieren.
Besonders
wichtig
Mathebringend in die Zahlentheorie einzuführen. »Elliptische Eisen- matikerin Pippich auch der Kontakt zu den anderen Doktoran948,
130
0den
8 eigenen
992,
14
4
steinreihen könnten eines Tages dazu dienen, Daten zu ver- den
in der BMS und
der Blick40
über
Tellerrand.
»Die2 31
schlüsseln«, gibt die Wissenschalerin ein Beispiel für mögli- Vielfalt der mathematischen Themen, mit denen man in Kon196, 149 53
32 032, 131 87
che Anwendungen ihrer theoretischen Arbeiten. Baut die heute takt kommt, ist ein Luxus, der einem an anderen Universitäten
gängige RSA-Verschlüsselung von Daten darauf, dass es sehr kaum geboten wird und den man an der BMS einfach so ge346, 137 68
83 728, 16
62 51
schwierig ist, Zahlen, die aus großen Primzahlen zusammenge- schenkt bekommt.«
762, 166 16
69 070, 14
43 05
5
576, 148 04
48 057, 16
68 82
544, 175 94
46 940, 16
60 58
Jürg Kramer ist seit 1994 Professor für Mathematik und ihre Didaktik am Institut für
Mathematik der Humboldt-Universität zu
Berlin. Er hat Mathematik, Physik und Astronomie an der Universität Basel studiert, wo er
1985 auch promoviert wurde. Seine Habilitation erfolgte an der ETH Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte sind die arithmetische
Geometrie und die Theorie der automorphen
Formen sowie die Lehreraus- und -weiterbildung, Begabtenförderung und Popularisierung der Mathematik. Er ist Mitbegründer
einer Reihe von Initiativen der Berliner Mathematiker, dazu zählen die Berlin Mathematical School, wo er stellvertretender Sprecher
ist, und das DFG-Forschungszentrum MATHEON, wo Kramer Vorstandsmitglied ist. Er ist
zudem Direktor des Deutschen Zentrums für
Lehrerbildung Mathematik, das 2011 ins Leben gerufen wurde.
kramer@math.hu-berlin.de
Tel 030 · 2093 5815
128
Jürg Kramer has been Professor of Mathematics and its Didactics in the Department of
Mathematics at Humboldt-Universität zu Berlin since 1994. He studied mathematics, physics and astronomy at the University of Basel,
where he completed his PhD in 1985. He earned his habilitation at ETH Zurich. His research focuses on arithmetic geometry and
the theory of automorphic forms, as well as
on teacher training, developing talent and
increasing the popularity of mathematics. He
has also co-founded a range of initiatives
with Berlin mathematicians. These initiatives
include the Berlin Mathematical School, where he is Deputy Chair, and the DFG Research
Center MATHEON, where he is a member of
the Executive Board. He is also Director of the
Deutsches Zentrum für Lehrerbildung Mathematik, a teacher-training programme founded in 2011.
33 710 040, 40 287 313,
36 264 692, 41 740 524,
40 401 144, 45 198 972,
41 781 924, 49 853 160,
45 096 912, 51 462 810,
49 641 004, 55 196 176,
51 214 032, 60 894 848,
54 439 940, 63 098 280,
60 187 556, 66 625 202,
62 123 040, 73 607 652,
65 482 816, 75 212 046,
71 997 912, 79 769 144,
73 560 060,
90 193 824,
81 182 738,
98 181 720,
92 622 600,
56, 105 273 756
6,
264, 97 972 182
2,
564
4, 121
1 463 678,
6 08
80, 10
08 051 860,
7 49
92, 12
25 977 698,
4 47
70, 12
21 260 944,
8 82
24, 13
39 456 352,
9 26
68, 12
27 263 528,
2 23
30, 15
56 029 328,
4 35
52, 13
38 293 568,
5 66
68, 16
64 110 716,
7 65
52, 15
55 472 660,
9 52
20, 17
75 185 990,
k
english
In the future,
a network of liaison officers will help to identify the best students even more effectively. Finding out whether an applicant is an excellent candidate with a solid educational grounding is important for the professors at the Berlin Mathematical School (BMS). However, it is
not always an easy question to answer where international applicants are concerned. »With offices and partners in countries such
as China, India and Iran, we will be able to react even faster to
promising applicants,« explains Jürg Kramer, mathematician at
Humboldt-Universität and deputy chair of BMS. He launched the
school in 2006 with mathematics colleagues at Berlin’s Freie Universität and Technische Universität. The result is an incubator for
mathematicians which functions superbly beyond the borders of
the three universities, offers diverse and excellent research and
teaching, and attracts promising young talent to Berlin. Excellence, internationality and gender equality play an important role
at BMS. »Around 50 percent of the students at BMS come from
abroad. Women make up 26 percent of our doctoral students, and
we want that figure to increase even further,« says Kramer.
A special feature of BMS, which has over 160 students, is that
in addition to doctoral candidates, it also accepts students who
hold a bachelor’s degree. They study at BMS for three or four semesters in Phase I, in a structured and closely supervised programme. The majority of these students receive funding. Phase I
offers lectures and seminars in seven fields. The courses are held
in English and rotate between the three universities. Professors
from the 70-strong BMS faculty are currently putting the finishing
touches to a joint master’s programme. The idea of following the
US graduate system and allowing Phase I graduates to transfer
directly to Phase II following an oral exam rather than a written
master’s, and thus shortening the duration of study, has not been
entirely successful. »A doctorate is not accepted as a professional
qualification in Germany. This means that people who have a doctorate but not a master’s degree are treated as bachelor graduates
in the professional world,« Kramer explains. As a result, BMS
wants to make it possible to classify written preparatory work for
a doctorate as a master’s thesis in the future.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
129
Entstanden ist eine Mathematikerschmiede, die über
drei Universitätsgrenzen hinaus
hervorragend funktioniert
The result is an incubator for
mathematicians which functions
superbly beyond the borders of
the three universities
The graduates usually research at mathematical graduate
schools in Berlin or at one of the city’s two International Max
Planck Research Schools that collaborate with BMS. In addition
two prominent postdoctoral positions will be set up, which will
complete the BMS spectrum. »In offering two very well paid positions, we are aiming to attract dynamic, outstanding young researchers, who will be involved in teaching as members of our
junior faculty here in Berlin,« Kramer says.
The idea is that BMS graduates – 93 doctorates have been
awarded to date – will find positions at renowned international
universities.
Following a one-year postdoctoral stay in Switzerland, young
researcher and BMS alumnus Anna-Maria von Pippich decided to
return to Berlin, an attractive and vibrant location for mathematicians. She is now a research assistant in the Arithmetic Geometry working group at HU’s Department of Mathematics. When
BMS was founded, Anna-Maria was already a doctoral student at
one of the Research Training Groups involved – Arithmetic and
Geometry – and was accepted to BMS as a post-graduate student.
Today, her research continues to deal with elliptic Eisenstein series, a topic from the field of number theory. »We have known
about Eisenstein series since the early 19th century, but elliptic
Eisenstein series are a new discovery,« explains the talented mathematician, who has successfully introduced these new number
series into number theory. »Elliptic Eisenstein series could be used
to encode data one day,« she says, giving an example of possible
applications for her theoretical research. RSA encryption, which is
widely used for protecting data today, builds on the fact that it is
very difficult to take numbers made up of large prime numbers
and break them down into their prime components. By contrast, a
130
cryptosystem using elliptic Eisenstein series would work with relatively small prime numbers and thus use less storage space. But
this is still a very long way off.
In addition to her intensive research at BMS, Anna-Maria was
also actively involved in the graduate school itself. She was the
student representative, and teamed up with fellow doctoral students to launch the »What is…?« seminars, which continue to
serve as introductory sessions for BMS Fridays. These events are
held at the Urania, a scientific lecture venue in Berlin, every second Friday during the semester. BMS researchers and students
and the Berlin mathematical community as a whole gather to
hear leading academics from Germany and abroad provide insight into the latest research fields. Like many other people, AnnaMaria is enthusiastic about the inspiring atmosphere at BMS Fridays. She also enjoyed the Kovalevskaya Lectures, which are
aimed at female students and involve outstanding female mathematicians from Germany and abroad presenting their research
results. The talks also provide an opportunity for female students
to find out how women’s academic careers work. Contact with
other doctoral students and insight into different fields were particularly important to Anna-Maria. »It is a luxury to have contact
with such a wide range of mathematical topics. Most other universities don’t offer this at all, but at BMS it is simply handed to you
on a plate.«
v
Der Blick aufs
große Ganze
Looking at the
big picture
Berlin Mathematical School
www.math-berlin.de
»Mathematics as a Whole« − Mathematik als
großes Ganzes sehen − ist einer der Leitgedanken der BMS. Zwei Mal monatlich finden die
»BMS-Fridays« an der Urania Berlin statt, wo
Mathematiker aus dem In- und Ausland Einblicke in große Zusammenhänge und in die neuesten Entwicklungen geben. Das Highlight eines jeden Jahres sind die »BMS-Days«, die das
Jahrestreffen der mathematischen Community
rund um die Berlin Mathematical School sind.
Gäste sind Wissenschaler und Studierende
sowie die aktuellen Bewerber, die hoffen, im
jeweils kommenden Herbst ihr Studium an der
BMS aufnehmen zu dürfen.
Die BMS nimmt jährlich etwa 40 Studierende in Phase I und II auf. Studierende der
Phase I absolvieren ein Vorlesungsprogramm
in sieben Forschungsbereichen, die die Stärken
der drei Berliner mathematischen Institute widerspiegeln. Dazu zählen Analysis, Differentialgeometrie und mathematische Physik, Algebra und Zahlentheorie, Stochastik und Finanzmathematik, diskrete Mathematik und Optimierung, Geometrie, Topologie und Visualisierung, numerische Mathematik und Scientific
Computing sowie mathematische Modellierung und angewandte Analysis. Die Promovierenden forschen unter anderem an den Graduiertenkollegs »Stochastic Models of Complex
Processes« und »Methods for Discrete Structures«, außerdem an den zwei International Max
Planck Research Schools: »Computational Biology and Scientific Computing« und »Geometric Analysis, Gravitation, and String Theory«.
»Mathematics as a whole« is one of the guiding principles at BMS. During the semester,
BMS Fridays take place twice a month at the
Urania in Berlin. They involve Mathematicians
from Germany and abroad providing insight
into the big picture and the latest developments in the field. The highlight of the year is
always the BMS Days event, an annual meeting
for the mathematical community involved with
the Berlin Mathematical School. Guests include researchers and students, as well as applicants who are hoping to start studying at BMS
in the autumn.
BMS accepts around 40 students in Phases
I and II each year. Phase I students follow a
programme of lectures in seven research fields
that reflect the strengths of the mathematics
departments at the three universities. These include analysis, differential geometry and mathematical physics, algebra and number theory, stochastics and financial mathematics,
discrete mathematics and optimisation, geometry, topology and visualisation, numerical
mathematics and scientific computing, mathematic modelling, and applied analysis. Graduate students conduct research at BMS on topics
including »stochastic models of complex processes«, and »methods for discrete structures«.
They also conduct research at the two International Max Planck Research Schools in Berlin,
focussing on »computational biology and scientific computing« and »geometric analysis,
gravitation, and string theory«.
Kunst oder Mathematik? Oder vielleicht beides?
Die Abbildung einer Eisensteinreihe.
Is it art or is it maths? Or maybe both?
of an Eisenstein
NATURWISSCHENSCHAFTEN Image
/ NATURAL
SCIENCESseries.
131
Vorbild Natur: Bakterien nutzen zur Essigsäure-Produktion Metalle wie Nickel und Eisen.
Die Industrie muss zur Herstellung dieser Säure teures Iridium als Katalysator verwenden.
Taking a leaf from nature’s book: While bacteria use metals like nickel and iron to produce
acetic acid, expensive iridium must be used as
a catalyst in its industrial production.
Inspiriert durch
die Natur
Inspired by
nature
Chemiker und Biologen in UniCat sind auf
der Suche nach neuen Katalysatoren
Chemists and biologists at UniCat are searching
for new catalysts
Text: Ljiljana Nikolic
132
k
deutsch
Carboxydothermus hydrogenoformans.
Was sich für den Laien wie
»Tatsächlich sind diese natürlichen Katalysatoren, die Enzyme,
ein Zungenbrecher anhört, geht Holger Dobbek wie ein Kinderan Effizienz, Effektivität und Selektivität kaum zu übertreffen»,
reim über die Lippen. Der Organismus, der sich hinter diesem
unterstreicht Limberg. Naheliegend wäre es, diese idealen KataNamen verbirgt, ist eine Bakterie, die unter der Erde oder in
lysatoren gleich in den chemischen Laboratorien einzusetzen.
heißen Quellen lebt und für Wissenschaler interessant ist.
Doch dies ist meistens mangels ausreichender Zugänglichkeit
»Wir nehmen an, dass ähnliche Organismen ganz früh in der
und Stabilität der Enzyme abseits ihrer natürlichen Systeme
Evolution entstanden sind, als es noch keine Pflanzen gab und
nicht möglich. Deshalb schauen Wissenschaler der Natur gereine geringe Sauerstoff konzentration herrschte. Wahrscheinne auf die Finger und versuchen die Prozesse zu verstehen und
lich konnten sich diese Organismen auch als erste von Kohlennachzuahmen: Sie sprechen von biomimetischer Forschung.
dioxid und Kohlenmonoxid ernähren.«
Ein Unterfangen, das nicht einfach ist, angesichts der meist
Dobbek ist Wissenschaler der Humboldt-Universität und
komplizierten Mechanismen, die sich in der Natur abspielen.
am Exzellenzcluster Unifying Concepts in Catalysis (UniCat) beCarboxydothermus hydrogenoformans ist ein sauerstoffteiligt. Mehr als 50 Arbeitsgruppen aus der Chemie, Physik, Bioempfindliches Bakterium, das nur unter Schutzgasatmosphäre
logie und den Ingenieurwissenschaen forschen unter Federuntersucht werden kann. Holger Dobbek interessieren vor alführung der Technischen Universität
Berlin an der Entwicklung von neuen Katalysatoren.
Katalysatoren sind die Stoffe, die eine
www.unicat-berlin.de
tragende Rolle in chemischen Prozessen
spielen. Mehr als 80 Prozent aller chemi»Unifying Concepts in Catalysis« (UniCat)
»Unifying Concepts in Catalysis« (UniCat) is
schen Produkte, die die Basis für alltägliist das einzige naturwissenschaliche Exzelthe only natural sciences Cluster of Excellence
che Erzeugnisse wie Kunststoff, Kosmetilenz-Cluster in Berlin und Brandenburg. Es
in Berlin and Brandenburg.
ka, Kleidungstücke oder Medikamente
handelt es sich um einen interdisziplinären
Under the aegis of Technische Universität
sind, benötigen bei zumindest einem
Forschungsverbund unter Federführung der
Berlin, the UniCat interdisciplinary research
Technischen Universität, dessen zentrales
alliance focuses primarily on catalysis.
Schritt ihrer Herstellung einen KatalysaThema die Katalyse ist. Beteiligt sind die TechFurther partners in the Cluster are Freie Unitor. »Sie erlauben die energiesparende
nische Universität Berlin, die Freie Universität
versität Berlin, Humboldt Universität zu Berund umweltschonende Herstellung von
Berlin, die Humboldt Universität zu Berlin,
lin, the University of Potsdam, the Fritz Haber
Molekülen und Materialien mit maßgedie Universität Potsdam, das Fritz-Haber-InsInstitute of the Max Planck Society in Berlintitut der Max-Planck-Gesellscha in BerlinDahlem and the Max Planck Institute of Colschneiderten Eigenschaen», erklärt
Dahlem und das Max-Planck-Institut für Kolloids and Interfaces in Potsdam-Golm.
Christian Limberg, Professor am Institut
loid- und Grenzfl ächenforschung in PotsdamThe alliance, with Prof. Matthias Driess
für Chemie der HU und ebenfalls UniCatGolm. Der Verbund, unter Sprecherscha von
(TU Berlin) as its coordinator, is applying for
Forscher.
Prof. Dr. Matthias Driess (TU Berlin), bewirbt
a second round of funding in the Excellence
Katalyse ist ein Prozess, der auch in
sich um eine zweite Förderperiode.
Initiative.
der Natur vorkommt, beispielsweise bei
der Photosynthese oder der Atmung.
UniCat
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
133
lem die komplexen Metallzentren der Enzyme des Bakteriums,
die in der Lage sind, aus Kohlenmonoxid und einer Methylgruppe Essigsäure herzustellen. »Essigsäure spielt für die chemische Industrie eine bedeutende Rolle, jährlich werden in
Produktionsprozessen Millionen von Tonnen verbraucht.« Der
größte Teil davon wird chemisch hergestellt, dazu müssen teure
und seltene Metalle wie das Iridium als Katalysatoren eingesetzt werden. »Die Bakterien nutzen zur Essigsäure-Produktion
Metalle, die preiswert sind, beispielsweise Nickel und Eisen.« So
spielt sich in der Natur ein faszinierender Prozess ab, den die
Wissenschaler verstehen möchten. »Wir wissen wie das aktive
Zentrum aussieht, wie die Essigsäure entsteht, müssen wir noch
herausbekommen«.
Um Enzyme des in der Natur gering vorkommenden Bakteriums zu analysieren, brauchen die Wissenschaler nicht das
Bakterium selbst. Sie kennen sein Genom und können das Enzym mit Hilfe des Bakteriums Escherichia coli herstellen. »Wir
müssen lange optimieren, bis wir Proteine bekommen, die aus
vier Eisenatomen und zwei Nickelatomen bestehen, und somit
hochaktiv sind», erklärt Holger Dobbek die Schwierigkeiten. Die
so hergestellten Proteine werden kristallisiert. Aus der Untersuchung der Poteinkristalle können die Wissenschaler den dreidimensionalen Aufbau des Enzyms bestimmen.
Um die Reaktivität des Metallzentrums besser zu verstehen,
grei Dobbek auf die Expertise der Chemiker zurück und arbeitet mit Christian Limberg zusammen. Der Anorganiker leitet in
UniCat den Bereich der biomimetischen Chemie und versucht,
mit synthetischen Modellen, Teile der Enzyme nachzubauen,
die seine Kollegen aus der Biologie untersuchen.
Es ist ihm bereits gelungen, einen Teil des aktiven Zentrums
mit Hilfe von Molekülen nachzubauen und das Reaktivitätsverhalten zu simulieren. Die Modellverbindungen, die der Chemiker entwickelt, testet er wiederum als Katalysatoren.
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Andere Enzyme, die Limberg ebenfalls
aus der Kooperation mit HU-Biologen
heraus in Teilen nachbaut, sind Hydrogenasen. Sie können molekularen Wasserstoff herstellen. Die
Mikrobiologen Oliver Lenz und
Bärbel Friedrich vom Institut für
Biologie der HU sind bereits jetzt in
der Lage, mit Hilfe von Hydrogenasen und
dem Photosyntheseapparat eines Cyanobakteriums, aus Licht und Wasser umweltfreundlichen Wasserstoff zu gewinnen. »Problematisch ist jedoch, dass die daran beteiligten
Metallzentren der Hydrogenasen nicht nur mit Wasserstoff, sondern auch mit Sauerstoff reagieren und
dieser inaktiviert oder zerstört die Enzyme», erklärt
Oliver Lenz. Diese negative Eigenscha macht die konventionellen Hydrogenasen nur bedingt verwendbar für die
biotechnologische Anwendung. Es gibt aber auch einige wenige Hydrogenasen, denen der Sauerstoff wenig ausmacht. Warum einige Hydrogenasen sauerstofolerant sind, konnte
Lenz kürzlich in Zusammenarbeit mit Partnern von UniCat,
der Universität Oxford und dem Max-Planck Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme entschlüsseln. »Wir konnten zeigen, dass sauerstofolerante Hydrogenasen eine hoch
spezialisierte Elektronentransportkette besitzen, die Elektronen an das aktive Zentrum liefern kann, um dort den schädlichen Sauerstoff zu harmlosem Wasser umzuwandeln.« Außerdem konnten die HU-Mikrobiologen kürzlich mit Partnern aus
der Charité anhand der Röntgenkristallstruktur erstmals den
dreidimensionalen Aufbau einer sauerstofoleranten Hydrogenase untersuchen. »Das Enzym enthält ein bislang einzigartiges
Eisen-Schwefel-Zentrum, welches als elektronischer Schalter
Hydrogenasen sind natürliche Katalysatoren,
deren Funktionsweise die Wissenscha ler
gerne verstehen und nachahmen möchten.
Scientists are trying to understand and
replicate how naturally occurring catalysts
such as hydrogenases work.
Im Fokus der Hydrogenasen-Forschung steht
das aktive Zentrum.
Hydrogenase research focuses on their active
centre.
Abbildung: Stefan Pfirrmann
entscheidend an der »Entgi ung« des sonst schädlichen Sauerstoffs mitwirkt.»
Neben den Hydrogenasen stehen auch Oxygenasen im Fokus von den Modellierungsstudien der HU-Chemiker. Sie können Sauerstoff nutzen, um Kohlenwasserstoffe zu wertvolleren
Stoffen zu oxidieren. Mit diesen so wichtigen Reaktionen beschä igt sich auch der theoretische Chemiker Joachim Sauer,
der den chemischen Bereich bei UniCat leitet: dort wird nach
geeigneten Heterogenkatalysatoren – also rein anorganischen
Festkörpern, die Reaktionen über ihre Oberfläche vermitteln –
gesucht.
Natürliche Katalysatoren,
die Enzyme, sind kaum zu
übertreffen
It’s actually hard to beat
these natural catalysts,
known as enzymes
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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k
english
Carboxydothermus hydrogenoformans.
This multisyllabic mouthful
trips off Holger Dobbek’s tongue as easily as a nursery rhyme. The
organism it refers to is a bacterium that lives underground or in
hot springs and is the subject of much scientific interest. »We believe that similar organisms developed very early on in the evolutionary process, before there were plants and when the oxygen
concentration in the air was still very low. These organisms were
probably also the first to feed on carbon dioxide and carbon monoxide.«
Dobbek is a researcher at Humboldt-Universität and is involved in the Unifying Concepts in Catalysis Cluster of Excellence
(UniCat). Working under the aegis of Technische Universität Berlin, over 50 working groups consisting of chemists, physicists, biologists and engineers have been set up to carry out research on
developing new catalysts.
Catalysts play a crucial role in chemical processes. Over 80
percent of all chemical products used in daily products like plastics, cosmetics, clothing and medicines require the use of catalysts
in at least one stage of their production. »They enable us to produce energy-efficient, environmentally friendly molecules and materials with customised properties,« explains Christian Limberg, a
professor at the Department of Chemistry at HU and another UniCat researcher.
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Catalysis is a process that also occurs in nature − for example,
during photosynthesis or in breathing. »It’s actually hard to beat
these natural catalysts, known as enzymes, in terms of their efficiency, effectiveness and selectivity,« says Limberg. It would make
sense to put these perfect catalysts straight to use in chemical
laboratories, but this is usually not possible as the enzymes are
either not accessible in sifficient amounts or are too unstable once
they are removed from their natural environments. That is why
scientists like to look over nature’s shoulder and try to understand
and imitate the processes taking place. This is known as biomimetic research. Not an easy undertaking, given the complexity of
most of the mechanisms taking place in the natural world.
Carboxydothermus hydrogenoformans is an oxygen-sensitive
bacterium, which can only be examined in an inert gas atmosphere. Dobbek is particularly interested in the complex metal
centres of the bacterium’s enzymes, which are able to produce acetic acids from carbon monoxide and a methyl group. »Acetic acid
plays an important role in the chemical industry and millions of
tonnes of it are used in production processes every year.« Most of
it is produced chemically, requiring expensive rare metals such as
iridium to be used as catalysts. »The bacteria make do with cheaper metals, such as nickel or iron, to produce acetic acid.« This is
due to a fascinating natural process that the UniCat
researchers are keen to understand. »We know what
the active centre looks like; we just need to work
out how the acetic acid is produced.«
To analyse their enzymes, which only occur very rarely in nature, scientists don’t actually need the bacterium itself. They know its
genome and are thus able to produce the enzymes using Escherichia coli bacteria. »We have to go
through a long optimisation process before we get
proteins made up of the four iron atoms and two
nickel atoms, which make them highly active,« says
Dobbek, explaining the difficulties of the research. The
proteins produced in this way are then crystallised. By
examining the protein crystals, the scientists can deduce
the enzymes’ three-dimensional structure.
To better understand the activity of the metal centre,
Dobbek draws on the expertise of chemists. Here, he is
working in collaboration with Limberg, a specialist in inorganic chemistry and leading the field of of biomimetic chemistry
at UniCat. Using synthetic models, Limberg tries to recreate parts
of the enzymes that his biologist colleagues are investigating.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Die Mikrobiologen der HU sind
bereits jetzt in der Lage, mit
Hilfe von Hydrogenasen aus
Licht und Wasser umweltfreundlichen Wasserstoff zu gewinnen
Microbiologists from the Department of Biology at HU are already
in a position to produce environmentally-friendly hydrogen from
water and light
He has already managed to mimick part of the enzyme active
centre using molecules and to simulate its activity. Limberg also
tests the catalytic potential of the model compounds developed by
the chemists.
Another type of enzymes that Limberg is partially recreating
in collaboration with HU biologists are hydrogenases, which can
produce molecular hydrogen. Microbiologists Oliver Lenz and
Bärbel Friedrich from the Department of Biology at HU are already in a position to produce environmentally-friendly hydrogen
from water and light using hydrogenases and the photosynthetic
apparatus of a cyanobacterium. »The problem is that hydrogenases’ metal centres not only react with hydrogen, but also with oxygen, which deactivates or destroys the enzymes,« says Lenz. This
negative attribute limits the biotechnical applications of conventional hydrogenases. However, there are a small number of hydrogenases that are barely affected by oxygen. Why some hydrogenases are oxygen resistant or tolerant and some are not is
something that Lenz was recently able to work out in cooperation
with partners at UniCat, the University of Oxford and the Max
Planck Institute for Dynamics of Complex Technical Systems. »We
were able to show that oxygen-tolerant hydrogenases have a
highly specialised electron transport chain, which can transfer
electrons to the active centre where they convert harmful oxygen
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into harmless water.« Furthermore, the HU microbiologists recently teamed up with partners at the Charité to use X-ray crystallography to examine the 3D structure of an oxygen-tolerant hydrogenase. »The enzyme has an iron-sulphur centre − something we
have never seen before − which acts as an electronic switch that
plays a key role in ›detoxifying‹ the otherwise harmful oxygen.« As
well as focusing on hydrogenases, HU chemists are also performing modelling studies on oxygenases. They are able to use oxygen
to oxidise hydrocarbons into more valuable substances. These important reactions are also the key area of another Cluster research
group, headed by theoretical chemist Professor Joachim Sauer.
The team is searching for suitable heterogeneous catalysts – purely inorganic solids which facilitate reactions on their surface.
Das wichtigste Werkzeug
der Optogenetik
Optogenetics’ most
important tool
Der Biophysiker Peter Hegemann forscht an
lichtempfindlichen Molekülen
Biophysicist Peter Hegemann carries out research
on light-sensitive molecules.
Der Biophysiker Peter Hegemann, Wissenschaler der Humboldt-Universität und ebenfalls UniCat-Mitglied, ist einer der Begründer
der Optogenetik, einer neuen, innovativen Methode, mit der durch Licht aktivierbare Proteine aus Mikroorganismen in ausgewählte Neuronen eingebracht werden. Hegemann hat in
den 90er Jahren die Grünalge Chlamydomonas
untersucht und dabei ein lichtempfindliches
Molekül in dem Einzeller gefunden. Er hat die
lichtaktivierten Kanaleigenschaen, der heute
als Channelrhodopsine bezeichneten Proteine,
erforscht. Heute sind die Moleküle zum wichtigen Werkzeug der Optogenetik geworden und
von Nature zur Methode des Jahres 2010 gewählt worden. Rhodopsine werden mit Hilfe
von Gentechnik in Nervenzellen eingeschleust
und lassen sich dort beispielsweise mit Hilfe
von Licht aktivieren und wieder deaktivieren.
»Damit lassen sich Funktionen von einzelnen
Zellen oder Zelltypen und die Verknüpfung
dieser Zellen studieren», erklärt Hegemann.
Sollte UniCat zum zweiten Mal den Zuschlag
der Exzellenzinitiative erhalten, will Hegemann zusammen mit seinem Kollegen Andreas
Möglich an dieser Art von Katalysatoren weiter
forschen. »Wir möchten uns mit licht-aktivier-
ten Zyklasen, beschäigen, die bei Belichtung
bestimmte Botenstoffe wie cAMP oder cGMP
herstellen. »Damit kann man dann in neuronalen oder zellbiologischen Anwendungen cAMP
oder cGMP-gesteuerte Kanäle, Signal-, Riechund Sehprozesse oder Entwicklungsvorgänge
studieren», erklärt Professor Hegemann.
Professor Hegemann, a researcher at Humboldt-Universität and UniCat member, is one of
the founders of optogenetics, a new and innovative method that enables light-sensitive proteins from microorganisms to be inserted into
selected neurons. During the 1990s, Hegemann
investigated a unicellular genus of green alga
called Chlamydomonas, in which he discovered
a light-sensitive molecule. He examined the
properties of the light-gated ion channels of a
group of proteins known today as Channelrhodopsins.
These molecules have now become an important tool in the field of optogenetics, which
was voted Method of the Year 2010 by Nature.
Using genetic engineering techniques, rhodopsins are channelled into nerve cells, where they
can be activated and deactivated using light.
»This allows us to study the functions of individual cells or cell types, as well as the connections between them,« says Hegemann. If UniCat is awarded a second round of funding by
the Excellence Initiative, Hegemann plans to
continue his research into these catalysts, together with his colleague Andreas Möglich.
»We want to look at light-sensitive cyclases,
which could produce certain messengers like
cAMP or cGMP when subjected to light. That
would allow us to study the channels, the signalling, olfactory and visual processes, as well
as the development processes controlled by
cAMP or cGMP in neuronal or cytological applications,« explains Hegemann.
NATURWISSCHENSCHAFTEN / NATURAL SCIENCES
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Impressum
Imprint
Herausgeber / Editors
Referat für Öffentlichkeitsarbeit,
Marketing und Fundraising
der Humboldt-Universität zu Berlin
Bildnachweis / picture credits
Redaktion / Editor
Ljiljana Nikolic (verantwortlich), Constanze Haase,
Ute Friederike Wegner, Heike Zappe
BCRT, Peer Schröder – Seiten 46, 48, 53
Übersetzung / Translations
English Express e.K.
Stand / Last revised
November 2011
Druck / Printing
Druckerei zu Altenburg GmbH
Achse e.V. – Seiten 19, 23
Aizenberg, J. et al.: Skeleton of Euplectella sp.:
Structural Hierarchy from the Nanoscale to the Macroscale.
In: Science, 309, 2005, 275-278. – Seite 84
Bredekamp, Horst: Darwins Korallen.
Frühe Evolutionsmodelle und die Tradition der Naturgeschichte.
Berlin 2005. S. 81, Taf. V. – Seite 86
The Trustees of the British Museum,
Ancient Egypt & Sudan – Seite 67
Humboldt-Universität zu Berlin – Seiten 115, 132,
Humboldt-Universität zu Berlin: Museum für Naturkunde,
Buddensieg – Seiten 90-91
Abb. aus: G. Wolf-Heidegger, Anna Maria Cetto,
Die anatomische Sektion in bildlicher
Darstellung, Karger Basel [u.a.],1967, S. 461, Abb. 126. – Seite 68
Gestaltung / Graphic Design
NORDSONNE IDENTITY, Berlin
Matthias Heyde – Seiten 9, 14, 15, 21, 24-25, 32, 35, 36, 39,
43-45, 74-76, 79-82, 92, 95, 96, 98-99, 101, 103, 104-105, 107, 111,
113, 116-117, 118, 122, 125
Sebastian Kaulitzki – Fotolia.com – Seite 40
Kopie von H. Kiepert, 1837. Staatsbibliothek zu Berlin SPK
– Seiten 70-71
Koehler et al (2008) »Walking the Interactome for Prioritization
of Candidate Disease Genes« The American Journal of
Human Genetics, Volume 82, Issue 4, 949-958, 28 March 2008
– Seiten 16-17, 20
Nordsonne (Graphik) – Seite 8
Birgit Nennstiel (Illustration) – Seite 73
Stefan Pfirrmann – Seiten 135, 137
Leo Seidel Fotodesign – Seiten 26-27, 29, 30-31, 108
Studio Good – Seiten 50, 51
Tjefferson, Fotolia.com – Seiten 64-65
United States Geological Survey – Seiten 120- 121
In Europa zu Hause. Niederländer in München um 1600,
Thea Vignau – Wilberg (Hrsg.), München 2006 – Seiten 88-89
Heike Zappe – Seiten 5, 10, 54-63
140
W W W.HU-BERLIN.D
DE