Fit für Musik

Transcription

Fit für Musik
Fit für
Musik
»Da die Ansprüche sowohl an das künstlerische
Niveau als Musiker als auch an das körperliche
Wohlbefinden immer höher werden, finde ich es
sehr wichtig, schon im Jugendalter Bewusstsein
für gesundes Musizieren zu wecken. Durch die
präventiven Angebote des Sächsischen Musik­
rates mit Unterstützung der AOK PLUS besteht
die Möglichkeit, sich während längerer Arbeits­
phasen des LJOs mit einfachen Übungen vertraut
zu machen, die gut in den Alltag integrierbar sind
und die Wahrnehmung für Körper und Instru­
ment verstärken. Zusätzlich zur ­klassischen Aus­
bildung am Instrument ist dies für mich ein sehr
wichtiger Bestandteil bei der Begleitung junger
Menschen auf ihrem künst­lerischen Weg, damit
sie auch bei steigender physischer und psychischer
Belastung lange gesund und mit Freude musi­
zieren können.«
Friederike Flemming, Dozentin Viola im LJO Sachsen
Grußworte
Musikergesundheit ist ein Thema, das zuneh­
mende Aufmerksamkeit bekommt. Hilfestellungen
und Tipps können nicht früh genug einsetzen.
Aus diesem Grund begrüße und beobachte ich
das gemeinsame Projekt von AOK PLUS und
Sächsischem Musikrat im Rahmen des Landes­
jugendorchesters ganz besonders. Es ist wichtig,
dass physische und mentale Probleme, die viele
Musiker beim Üben ebenso kennen wie im Stress
von Auftrittssituationen, aus der Grauzone
­stillen Leidens und individuellen »Scheiterns«
herauskommen und als bearbeitbar bewusst
gemacht werden. Ich wünsche dem Projekt
­Kontinuität und wachsende Breitenwirkung.
Prof. Dr. Christoph Krummacher
Präsident des Sächsischen Musikrates
Gesundheit möglichst frühzeitig stärken und
Krankheiten vermeiden – dies ist das Anliegen
der AOK PLUS bei diesen bedarfsgerechten
­Präventionsangeboten.
Für die Verhaltens- und Verhältnisprävention
investieren wir in den verschiedensten Lebens­
welten mehr, als vom Gesetzgeber gefordert.
Mit dem bundesweit einmaligen Projekt »Fit für
Musik« wird eine ganz spezielle Gruppe von
­jungen, talentierten Musikern erreicht, die durch
die hohe einseitige instrumentenspezifische
Belastung ein hohes Erkrankungsrisiko aufweist.
Ich begrüße die Idee des Sächsischen Musikrates
und der AOK PLUS und hoffe, dass diese auch
von Eltern, Dozenten, Musiklehrern sowie den
verantwortlichen Ausbildungseinrichtungen im
Sinne nachhaltiger Gesundheit und Leistungs­
fähigkeit dieser jungen Menschen aufgegriffen,
gefördert und aktiv unterstützt wird.
Dr. Stefan Knupfer
Stellv. Vorsitzender des Vorstandes
der AOK PLUS
1
2
»Die Übungen sind perfekt für Musiker zusam­
men gestellt. Der Körper braucht zwischen den
vielen Proben einen Ausgleich und gleichzeitig
ein Training. Die Übungen sind nicht nur vor­
beugend, sondern retten oft auch die Proben,
wenn Rückenschmerzen, Gelenkschmerzen oder
auch Kopfschmerzen einen einschränken. Die
Übungen sind so einfach, dass man sie sich
schnell merkt und zu Hause nachmachen kann.«
Debora Buschmann ist ehemalige 1. Klarinettistin im L JO
­Sachsen, jetzt Studentin bei Prof. Thomas Lindhorst in Detmold
Studien belegen, dass
nn jeder zweite professionelle Orchestermusiker
in Deutschland bei der Arbeit spürbare
­körperliche Beschwerden hat1
nn 51% der männlichen und 79% der weiblichen
Teilnehmer aus acht befragten deutschen
Jugendorchestern bereits Beschwerden in der
Schulter, 61 bzw. 74% Beschwerden im
Nacken und 63 bzw. 79% Beschwerden im
Rücken haben2
nn 77% der Musiker sich ein Angebot an gesund­
heitsfördernden Maßnahmen wünschen1
1 https://de.nachrichten.
yahoo.com/jeder-zweiteorchestermusiker-klagt-überkörperliche-beschwerden131220738.html
2 W. Samsel, H. Möller und R. Müller:
Ergebnisse einer Berfragung junger
Musiker über Berufsperspektiven,
Belastungen und Gesundheit.
In: Musikphysiologie und Musiker­
medizin 3/2006, S. 93
Warum?
Ziele!
Die hohen einseitigen körperlichen Belastungen
beim Musizieren sowie die psychischen Heraus­
forderungen, etwa durch Auftrittsängste, können
sich bereits bei jungen Musikern negativ auf die
Gesundheit auswirken. Um den spezifischen
Gesundheitsrisiken der Musiker vorzubeugen,
wurde auf Anregung des Sächsischen Musikrates
e.V. im Jahr 2011 gemeinsam mit der AOK PLUS
das bundesweit einmalige Präventionsprojekt
»Musikergesundheit« für das Landesjugend­
orchester Sachsen (LJO) ins Leben gerufen.
nn Wissens- und Kompetenzvermittlung, um
­instrumentenspezifische körperliche Belastungen
und Beschwerden zu vermeiden
nn Hinführung zu dauerhafter körperlicher A
­ ktivität
und Verbesserung der gesundheits­bezogenen
Fitness
nn Erlernen von Bewältigungsstrategien bei
­psychischen Belastungen (Auftrittsängste,
­Lampenfieber, Stress)
nn Aufbau und Weiterentwicklung bedarfs­gerechter
Strukturen und Inhalte für zukünftige Probenlager
nn Initiierung von Netzwerken, die nachhaltig die
gesundheitsförderlichen Strukturen unterstützen
nn Sensibilisierung der Lehrkräfte in Musikschulen
und Musikhochschulen zum Thema Musiker­ge­
sundheit durch breite Imagewirkung des P­ rojektes
In den einwöchigen Probenphasen, in denen
sich junge talentierte Musiker im Alter von
14 bis 26 Jahren zum gemeinsamen Orchester­
spiel zusammenfanden, wurde die gesundheit­
liche Situation der MusikerInnen einschließlich
ihrer Risiken und Potenziale untersucht.
Anschließend wurden Empfehlungen zur Verbes­
serung sowie zur Stärkung der gesundheitlichen
Ressourcen und Fähigkeiten entwickelt und
deren Umsetzung unterstützt. Dabei sollten die
bedarfsgerechten Angebote sinnvoll in die
­Probenwoche integriert und verstetigt werden.
Die Basis der Zusammenarbeit bildete eine
­zweijährige Rahmenvereinbarung.
Gemeinsame Erwärmung
vor der Probe
mit Dr. Hartmut Puls.
»Der Musikerberuf gilt vielen als der Inbegriff
des Glückpilzes – hat er es doch geschafft, aus
einer Leidenschaft einen Beruf zu machen. […]
Da Musik heilende Kraft zugeschrieben wird,
muss der Musiker, ständig mit diesem Thera­
peutikum konfrontiert, in Körper, Seele und
Geist gesund und zufrieden sein.«
Jochen Blum Mediziner, Instrumentenbauer und
Professor für Musikphysiologie, Musikermedizin sowie
für Unfall- und H
­ andchirurgie
3
Verlauf
Die erste Veranstaltung im April 2011 wurde
durch Frau Dr. Sabine Frick (Dozentin im Fach
Physioprophylaxe/Alexander-Technik an der
Hochschule für Musik »Carl Maria von Weber«
Dresden) mit einem Fachvortrag und einer
anschließenden Diskussionsrunde zum Thema
Musikergesundheit und Prävention eröffnet.
Die Teilnehmer zeigten großes Interesse an dem
Thema.
Ab Oktober 2011 konnte Herr Dr. Hartmut Puls
(Mitbegründer des Kurt-Singer-Institutes für
Musikphysiologie und Musikergesundheit Berlin)
in das Projekt eingebunden werden. Mit ihm
wurde einer der wichtigsten bundesweit agieren­
den Fachkollegen aus dem Bereich Physio­
prophylaxe für eine Zusammenarbeit gewonnen.
Nach eingehenden Hospitationen und Analysen
entwickelte er mit den Teilnehmern in Einzelund Gruppenarbeit zum Teil instrumentenspezifi­
sche Übungsprogramme zur Körperwahrnehmung
und Entspannung, Übungen zur Schulung der
Ausdauer, Kraftausdauer und Beweglichkeit
sowie Übungen zur Erwärmung und zum Cool
down vor bzw. nach dem Üben oder Konzertieren.
Einfach mal recken
und strecken – das tut
dem Körper gut.
Seit April 2013 gehört auch das Thema Dispo­
kinesis*, vermittelt durch Herrn Herbert Bayer
(Europäische Gesellschaft für Dispokinesis),
zum festen Bestandteil der Präventionsarbeit im
Probenlager.
Bis zum Projektende im Februar 2014 wurde
das Übungsprogramm auf Grundlage der
Bedürfnisse der Teilnehmer ständig weiterent­
wickelt und an die Abläufe im Probenlager
angepasst.
Zusätzlich eingeladene Experten wie Herr Prof.
Dr. Egbert Seidel (Lehrbereich Musikergesund­
heit an der Hochschule für Musik Weimar) oder
Herr Willibert Steffens (Deutsche Orcheste­r­
vereinigung, Mitglied des Bundesfachausschuss
Musik und Gesellschaft) bereicherten einzelne
Probenphasen durch die Vermittlung von Wissen
und Handlungskompetenz zu Lampenfieber und
Auftrittsangst oder Gehörschutz.
* Die Dispokinesis ist eine ganz­
heitliche Haltungs- und Bewe­
gungsarbeit, die speziell für Musi­
ker und darstellende Künstler
entwickelt wurde. Sie arbeitet
direkt mit dem jeweiligen Instru­
ment bzw. der Stimme. Durch
Übungen der Dispokinesis im Lie­
gen, Sitzen und Stehen entsteht
ein verfeinertes Körper- und
Bewegungsgefühl. Dadurch
5
wächst die Kompetenz des Instru­
mentalisten hinsichtlich Ergono­
mie, Haltung und Bewegung in
Bezug zum musikalischen Aus­
druck. Fehlhaltungen und Bewe­
gungen können selbst erkannt,
erspürt und verändert werden,
so dass Überlastungssyndrome
und damit Krankheiten verhindert
werden können. Siehe auch:
www.dispokinesis.de
Beispiel für einen
Tagesablauf im Probenlager
6
09.30 Uhr gemeinsame Erwärmung im Probenraum auf dem Platz
09.45 Uhr Probe mit kurzen Pausen
12.30 Uhr Mittagessen
13.30 Uhr Angebote Musikergesundheit, Gruppen-/Einzelarbeit,
Fitness/Bewegung
14.30 Uhr Probe
16.00 Uhr Vesperpause
16.30 Uhr Probe mit kurzen Pausen
18.30 Uhr Abendessen
20.00 Uhr Probe mit abschließendem Cool down
anschließend individuelle Angebote (z. B. Yoga, mentales Training,
Fitnesstraining, Körperwahrnehmung/Dispokinese, Gespräche)
»Da man gerade bei Probenphasen sehr viel Zeit im Sitzen verbringt,
­empfand ich das Angebot als äußerst hilfreich! Uns wurde gezeigt,
wie wichtig der Bewegungsausgleich im Alltag eines Musikers ist.
Außerdem war diese Zeit auch eine gute Gelegenheit, sich einmal
einen Moment mit sich und seinem Körper intensiv auseinanderzusetzen.
Viele der ­Übungen begleiten mich bis heute.«
Elsa Klemm ist ehemalige 1. Hornistin im LJO, jetzt Studentin an der UdK in Berlin
bei Prof. Christian-Friedrich Dallmann
Cool down nach
dem Konzert.
7
Die Referenten
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»Mein Ziel war es, die jungen MusikerInnen zu befä­
higen, ihre konditionellen und koordinativen Fähig­
keiten zu verbessern. Das dabei erworbene Wissen
und die Erfahrungen in der Körperarbeit sollten ihre
physischen und mentalen Möglichkeiten für das
Musizieren verbessern, um Spielerkrankungen zu ver­
meiden. Es freut mich, dass die Jugendlichen die gesetzten Schwerpunkte
in den Projektwochen – Erwärmung vor dem Üben und »Cool down«, Kör­
pertraining wie »Spezifisches Kraftausdauertraining zur Vermeidung von
muskulären Dysbalancen« oder »Wirkung und Anwendung verschiedener
Dehnmethoden« – sehr aufgeschlossen wahrnehmen. Im Feedback wurde
deutlich, das gute körperliche Fitness das Selbstbewusstsein stärkt und zur
Vermeidung von Auftrittsangst beiträgt.«
Dr. Hartmut Puls
Sportwissenschaftler |
lehrte an der Hoch­
schule für Musik Hanns
Eisler Berlin im Fachbe­
reich »Physioprophylaxe
für Musiker« | Referent
am Kurt-Singer-Institut
für Musikergesundheit
Berlin | Mitglied der
Deutschen Gesellschaft
für Musikphysiologie
und Musikermedizin
»Innerhalb der Arbeitsphase stand ich den MusikerIn­
nen ganztägig zur Verfügung. Das Angebot der
Dispokinesis wurde trotz des engen Probeplans
sowohl in den Kleingruppen, als auch in den Einzel­
sitzungen, bei denen ich gezielt auf individuelle Fra­
gestellungen eingehen konnte, gut angenommen.
Mein Bestreben war es, die Instrumentalisten im Rahmen des Projektes mit
der Dispokinesis bekannt zu machen. Durch die Beschäftigung mit den
«Urgestalten von Haltung und Bewegung« hatten die jugendlichen Musiker
die Möglichkeit, ungünstige, stereotype Haltungs- und Bewegungsmuster
selbst zu erkennen. Gute Haltungs- und Bewegungserfahrungen und die
damit verbundenen positiven Gefühlserfahrungen mit und ohne Instrument
waren das Ziel. So konnte eine angemessene Körper- und Spielhaltung
gewählt werden. Ergonomische Probleme wurden besser verstanden und
Lösungsansätze entsprechend aufgezeigt (Sitzen, Stehen, Haltung am/mit
Instrument, Atmung, Ansatz).«
Herbert Bayer
Diplomorchestermusiker
im Fach Klarinette |
Ausbildung bei der
Europäischen Gesell­
schaft für Dispokinesis
als Lehrer für Dispokine­
sis | Lehrer an verschie­
denen Musikschulen im
Fach Klarinette |
Dozent für Dispokinesis
| Mitglied im Vorstand
der Europäischen Gesell­
schaft für Dispokinesis
Der Dirigent
Beim Landesjugendorchester Sachsen (LJO Sachsen)
haben wir eine große Verantwortung für die uns
anvertrauten Talente. Die Besten aus dem Land sollen
gefördert und gefordert werden. Die Registerproben­
dozenten, Musiker aus Sachsens Orchestern und Päd­
agogen der Musikschulen, ermutigen und befähigen
die Schüler immer wieder aufs Neue, sich intensiv mit anspruchsvoller
Musik zu beschäftigen. Die technisch anspruchsvollen Sektionen werden
analysiert, gut didaktisch aufbereitet und trainiert, sodass sie dann im
Gesamtprobenprozess mit dem Dirigenten und natürlich in den Konzerten
abrufbar sind.
Eine solche Probenwoche ist neben dem musikalischen Vergnügen aber
auch eine körperliche wie psychische Anstrengung, dem Leistungssport
nicht unähnlich. Deshalb halte ich es für einen enormen Gewinn beim LJO
Sachsen, dass wir nun schon mehrere Jahre, unterstützt durch die AOK
PLUS, eine ganzheitliche prophylaktische Begleitung anbieten können. So
können sich Schüler und Dozenten ein Repertoire an individuellen Übun­
gen aneignen, die helfen den einseitigen muskulären Beanspruchungen
entgegen zu wirken.
Auf hohem Niveau Musik zu machen, heißt für jeden einzelnen, den selbst
aufgestellten Maßstäben immer wieder gerecht zu werden. Das führt nicht
selten zu Blockaden, die sich bis zu Auftrittsangst ausweiten können. Sich
dieser Problematik zu stellen und mit körperlichen Trainingsprogrammen
oder meditativen Übungen eine stabile und flexible Grundkonstitution her­
zustellen, ist stets eine wichtige Aufgabe für Musiker.
Vor allem die Anregungen von Dr. Hartmut Puls haben in den letzten Jah­
ren den Horizont aller Mitglieder des LJO Sachsen und selbstverständlich
auch den meinen ungemein erweitert. Mit Dankbarkeit habe ich viele
Erkenntnisse gewinnbringend in mein Berufsleben integriert. Die Fortset­
zung dieses Konzeptes, welches von Ulrike Kirchberg, der Projektmanage­
rin, initiiert wurde, halte ich mittlerweile für unverzichtbar.
9
Prof. Milko Kersten
Orchesterpädagoge am
Heinrich-Schütz-Konser­
vatorium Dresden | frei­
schaffender Dirigent |
arbeitet als Gast mit
verschiedenen Orches­
tern und Ensembles |
seit 1996 Lehrauftrag
an der Dresdner Musik­
hochschule | seit 2013
ist er Honorarprofessor
für Ensemblearbeit und
Vokalkorrepetition |
seit September 2000
künstlerischer Leiter des
LJO Sachsen
Projektergebnisse
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Um die präventiven Maßnahmen an den Bedürf­
nissen der jungen Musiker ausrichten zu können
und die zukünftigen Probenwochen effektiver
zu gestalten, haben die beteiligten Musiker am
Ende der jeweiligen Probenwoche einen Feed­
backbogen ausgefüllt.
342 junge Musiker nahmen im Projektzeitraum
Oktober 2011 bis August 2013 an den fünf
­Probenwochen teil. Zwei Drittel der Teilnehmer
haben sich an der Befragung beteiligt.
Folgende Ergebnisse wurden im Hinblick auf
den persönlichen Nutzen, die Zufriedenheit, die
Nachhaltigkeit und die Bedürfnisse der Teil­
nehmer ermittelt:
»Für mich als Geigerin, die ja im Orchester immer
besetzt sind, war der Aspekt der körperlichen Gesund­
heit während des Musizierens schon immer ein Muss.
Die gemeinsamen Übungen mit allen Freunden vor
den Proben waren dabei auch immer ein besonderer
Spaß. Nach den lehrreichen kurzen Lektionen liegt es
jedoch an jedem Einzelnen, ob man dieses Programm
in den Übealltag übernimmt, was bei so manchem
­vollen Tag auch schnell in Vergessenheit gerät …«
Konstanze Heinicke ist Konzertmeisterin im LJO Sachsen
und Schülerin am Landesgymnasium für Musik Dresden
Persönlicher Nutzen
nn Über 80 % der Teilnehmer wird durch das
Üben bewusst, dass körperliche Fitness die
Voraussetzung für eine gute Leistung beim
Musizieren ist.
nn Knapp 80 % schätzen den persönlichen
­Nutzen der Bewegungs- und Entspannungs­
übungen als sehr hoch bzw. hoch ein.
Zufriedenheit
Nachhaltigkeit
nn Mehr als 96 % der Befragten sind mit dem
Angebot insgesamt zufrieden oder sehr
­zufrieden
nn Etwa 74 % der jungen Musiker sind mit der
Organisation zufrieden. Die restlichen waren
eher mäßig zufrieden. Gründe dafür könnten
in der zeitlichen Einbettung der Angebote in
den straffen Probenzeitplan liegen.
nn Mit den Räumlichkeiten/Platzangebot für
die Bewegungs- und Entspannungsübungen
waren ca. 68 % zufrieden. Nicht in jedem
Durchführungsort war der Platz/Räumlichkeit
optimal vorhanden.
nn Ca. 80 % der Teilnehmer können sich vor­
stellen, die gelernten Übungen zu Hause
­fortzuführen.
nn Knapp 40 % der Teilnehmer nutzen die
zusätzlichen Hinweise und Übungsanleitun­
gen, die nach Beendigung der Probenwoche
in regelmäßigem Abstand noch sechs Mal
per Mail zugeschickt werden. Mehr als 20 %
setzen diese Hinweise zumindest teilweise
im Alltag um.
Mentales Training als
optimale ­Vorbereitung für die
­Konzentrationsfähigkeit beim
Üben und Konzertieren.
11
Projektergebnisse
In welchen Bereichen wünschst
du dir Unterstützung?
12
50
38
35
26
21
17
4
Stressbe­
wältigung
Auftritts­
ängste
1 April 2012 (n = 32)
1 Oktober 2012 (n = 83)
Alltags­
probleme
Zukunfts­
planung
Ernährung
Körperliche
Fitness
Sucht
Folgende Probleme wurden zusätzlich konkret benannt:
nn Verspannungen, verspannter
Nacken und Schultern
nn verspanntes Spielen
nn verkrampfte Griffhand
nn Rückenschmerzen,
Rückenprobleme
nn Schmerzen im Handgelenk,
in den Schultern
nn im Alltag zu wenig Zeit zum
Üben, Stress in der Schule
nn Auftrittsangst, Aufregung
nn Lautstärke
Bedürfnisse
nn Bis zu 55 % der Teilnehmer wünschen sich
mehr Bewegungs- und Entspannungsange­
bote, ca. 30 % wünschen sich dieses nur teil­
weise, etwa 15 % sehen kaum oder keinen
weiteren Bedarf. Im Verlauf der betrachteten
drei Probenlager gab es keine nennenswerten
Änderungen.
nn Ein noch stärkeres Interesse besteht an Ange­
boten zu Musikpsychologie oder Dispokinese
(ca. 66 %). Auch hier ist das Interesse im
­Verlauf der betrachteten Probenlager gleich
geblieben.
nn Die Auswertung der zwei Probenlager im
April und Oktober 2012 zeigte einen hohen
Bedarf in den Bereichen Stressbewältigung,
­körperliche Fitness und Zukunftsplanung.
nn Die Frage »Gibt es in deinem Übealltag/Kon­
zertvorbereitung Probleme, bei denen dein
Musiklehrer bzw. deine Eltern nicht helfen
können?« wird überwiegend (rund 80 %) mit
»nein« beantwortet.
Die Übungen werden sehr
anschaulich und abwechslungs­
reich vermittelt. Dehnung und …
13
Langfristige Wirkung
Im Sinne der Nachhaltigkeit und Verstetigung
sind umfangreiche Konzeptionen während des
Projektverlaufs entstanden:
14
Regelmäßige Fachinforma­
tionen per E-Mail
Sechs standardisierte Nachkontakte wurden
jeweils im Abstand von etwa drei Wochen per
Mail an die Teilnehmer verschickt:
nn zusätzliche Wissensvermittlung durch ergän­
zende Fachinhalte
nn Erinnerung des im Probenlager Gelernten
nn ergänzende Übungen zur Mobilisierung,
­Kräftigung, Körperwahrnehmung und Ent­
spannung
»Die Aktion Musikergesundheit half mir auch wäh­
rend der Proben körperlich entspannt zu b
­ leiben.
Herr Dr. Puls schaffte es durch seine abwechslungs­
reichen Übungen, Spaziergänge und Einzelstunden
das gesamte Orchester zu begeistern. Nach den
Orchesterphasen bekam jeder Musiker eine hilfrei­
che Zusammenfassung seines Programmes zuge­
schickt. Noch heute binde ich die eine oder andere
Übung in meine Übepausen ein.«
Elsa Scheidig ist ehemalige 1. Trompeterin im LJO Sachsen,
jetzt Studentin bei Prof. Klaus Schuhwerk in Frankfurt am Main
Wissenschaftliche
­Publikationen
Kompendium »Musikergesundheit«
Dr. Hartmut Puls, Kurt-Singer-Institut
für Musikergesundheit Berlin
Erstellung und Weiterentwicklung eines umfang­
reichen Kompendiums zur Musikergesundheit
mit folgenden Inhalten:
nn Wissensvermittlung zur gesundheitsförder­
lichen Wirkung und methodischen Herange­
hensweise von Bewegungs- und Entspannungs­
übungen mit speziellem Bezug zum Musiker
(Körperfunktionen, ihre Rolle und Belastung
beim Musizieren sowie ihre Trainierbarkeit)
nn Übungsprogramme zur Mobilisierung, Kräf­
tigung und Verbesserung der Körperstatik
mit Elementen aus dem Hatha-Yoga, Pilates
und der Sport- und Physiotherapie
nn Anleitung zu Entspannungsmethoden
(PMR und Atem-Meditation)
Konzeptionen
Bachelorarbeit
Wie lässt sich die überdurchschnittliche musika­
lische Leistung von Nachwuchsmusikern mit
deren körperlicher Gesundheit vereinen? Eine
Modellkonzeption »Musikermedizin« für das LJO.
Hochschule Zittau/Görlitz – University
of Applied Sciences, Sabrina Hanhoff
Masterarbeit
Integration von Gesundheitsförderung und
­Prävention in die musikalische Ausbildung –
am Beispiel der Landesjugendorchester in
Deutschland.
Masterarbeit im Präsenzstudium »Kultur- und
Medienmanagement« am Institut für
Kultur- und Medienmanagement Hamburg,
Hochschule für Musik und Theater Hamburg,
Annegret Pfefferkorn
… Kräftigung im Wechsel.
15
Presse
16
Freie Presse, 20. Oktober 2011
»Als Mitglied des LJO Sachsens habe ich die
Angebote zur Musikergesundheit t­ äglich wäh­
rend des Probenlagers genutzt. Teilweise führte
ich entsprechende Übungen zur Lockerung und
Entspannung auch nach dem Üben zu Hause
durch, da mir während des Probenlagers viele
Impulse dafür gegeben wurden.
Während der langen Probentage sind die
­Übungen zur Musikergesundheit am ­Vor­mittag
und Abend ein angenehmer Bestandteil:
sie sorgen für Ausgleich und Entspannung.«
Dorothea Oehme, 2. Violine im LJO
Dresdner Neueste Nachrichten,
15. August 2013
17
Leipziger Volkszeitung, 13. April 2012
mdr figaro, 20. November 2012
»das Orchester«, Magazin für Musiker und Management,
Juli/August 2013
Netzwerk
18
Vernetzung mit Fachexperten und
Institutionen bisher:
nn Forschungsgruppe Musikergesundheit,
Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar,
Chefarzt Prof. Dr. Egbert Seidel
nn Sächsisches Landesgymnasium für Musik
»Carl Maria von Weber« in Dresden
nn Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin
Weitere Vernetzungen sind geplant mit:
nn Deutsche Orchestervereinigung
nn Verband Deutscher Musikschulen
nn öffentliche kommunal geförderte und
private Musikschulen
nn Kurt-Singer-Institut Berlin
nn Jeunesses Musicales Deutschland
nn Netzwerk Junge Ohren
nn Musikhochschulen
nn weitere Landesjugendorchester bundesweit
Mit kleinen Schritten, …
Wie geht es weiter?
In einem weiteren gemeinsamen Präventions­
projekt zwischen der AOK PLUS und dem Sächsi­
schen Musikrat e. V. werden bis zum Jahr 2016
die bereits gesammelten Erfahrungen weiter
entwickelt und vertieft. Unsere Schwerpunkte
werden dabei sein:
nn bedarfsgerechte Vertiefung von speziellen
Angeboten (z. B. Dispokinesis)
nn planmäßige Aufnahme integrierter Maßnah­
men (Warm up, Cool down, übungspraktische
Anleitung) als Standard in den Zeitplan der
Probenwochen
nn Erweiterung des Themas »Auftrittsängste«
in den Probenwochen
nn Schulung interessierten Nachwuchses
(Multiplikatoren) zum Thema Prävention
(evtl. in Kooperation mit der Landesmusik­
akademie Sachsen im Schloss Colditz), um
auch andere junge Musiker zu sensibilisieren
und zu motivieren
nn Beteiligung mit einem Vortrag am Fachtag
für Musik (langfristig bis 2017)
nn verstärkte Lobbyarbeit, um auf das Thema
Musikergesundheit aufmerksam zu machen
nn weitere Vernetzung/Kooperation, um das
Thema weiterzutragen (z. B. mit der Deutschen
Orchestervereinigung, Netzwerk Junge Ohren,
Musikschulen, Verband Deutscher Musik­
schulen, Kurt-Singer-Institut Berlin, Jeunesses
Musicales Deutschland)
nn stärkere Zusammenarbeit und Vernetzung
mit den Fachbereichen Musikergesundheit an
mehreren deutschen Musikhochschulen und
Sensibilisierung für das Thema Physiopro­
phylaxe.
19
… Kraft und Ausdauer
zum großen Ziel.
Sie finden unser Projekt gut?
20
Sprechen Sie uns an, wenn Sie
nn sich als Fachlehrer, Dozent oder Eltern
für das Thema interessieren,
nn das Projekt fachlich (z. B. als Referent oder
Multiplikator) unterstützen möchten,
nn das Projekt finanziell unterstützen möchten,
nn sich mit uns vernetzen möchten, um das
Thema gemeinsam weiterzuentwickeln,
nn als Journalist darüber berichten möchten
oder
nn uns Ihre Erfahrungen und weitere Ideen für
nachhaltige Varianten geben möchten.
Kontakt
Landesjugendorchester Sachsen
c/o Sächsischer Musikrat e.V.
Ulrike Kirchberg
Glashütter Straße 101 a
01277 Dresden
Tel. (0351) 8104237
ljo@saechsischer-musikrat.de
Impressum
Herausgeber:
Sächsischer Musikrat e.V.
AOK PLUS – Die Gesundheits­
kasse für Sachsen und
Thüringen.
Redaktion:
Ulrike Kirchberg, Sächsischer
Musikrat, Projektleiterin
Sabine Wolff, AOK PLUS,
FB Strategische
­Gesundheits­förderung
Lektorat:
Henriette Roth, Sandstein
­Kommunikation GmbH
Gestaltung:
Annett Stoy, Sandstein
­Kommunikation GmbH
Fotos:
Frank Höhnel (S. 9),
Stephan Flad (alle anderen)
Druck:
saxoprint GmbH
»Das Angebot war für mich als angehenden Berufs­
musiker nicht nur interessant, sondern auch
unglaublich ­wichtig. Uns wurde dadurch bewusst
gemacht, wie wichtig es ist, neben aller fachlichen
Anstrengung auch Zeit für unseren Körper und
unsere Fitness zu verwenden; schließlich ähnelt das
Leben eines Berufsmusikers heutzutage zunehmend
dem eines Leistungssportlers. Umso erschreckender
ist es, dass sowohl an den Musikhochschulen als
auch (erst recht) in den Profiorchestern (zumindest
in Deutschland) nur bei einem kleineren Teil der
Musiker das Bewusstsein dafür vorhanden ist, wie
wichtig es ist, auf seinen Körper zu achten; entspre­
chend gibt es auch kein vergleichbares Musiker­
gesundheits-Angebot. Dabei zeigt die Erfahrung
aus dem LJO, dass man damit nicht nur langfristig
­besser arbeiten kann, sondern schon kurzfristig
­bessere Ergebnisse erreicht.«
Sebastian Ludwig ist ehemaliger Solocellist im LJO Sachsen,
jetzt Student Opernkorrepetition bei Prof. Hans-Christian Steinhöfel
an der HfM Weimar