interview mit james gandolfini
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Die ersten Paten - Historischer und soziologischer Ursprung der „Cosa Nostra“, S.6 ★ info.premiere.de/sopranos ★ Der Streifschuss Wenige wissen, dass die Mafia ihren berühmten Namen einem international erfolgreichen Theaterstück verdankt. 1862 wurde das sizilianische Dialekt-Theaterstück „I mafiusi di la Vicaria“ in Palermo uraufgeführt. Einige Jahre später feierte die Komödie um ein paar inhaftierte Kriminelle auch in London und New York Erfolge. Die Bezeichnung „Mafioso“, davor Synonym für einen herrischen Mann oder eine bildhübsche Frau (S. 7), wurde hier erstmals mit dem Kriminellen in Verbindung gebracht. Seit dem wird in unzähligen Büchern, Bühnenstücken, Filmen und Serien auf Geheiß der Mafia gemordet, geschmuggelt, erpresst und abkassiert. Der Mafia-Film hat sich zu einem der populärsten Fiction-Genres entwickelt. 1999 brachte die amerikanische KultSerie „Die Sopranos“ mit der Darstellung eines psychisch labilen und damit verletzlichen MafiaBosses eine neue Dimension ins Genre. Mit vier Golden Globes, 17 Emmys und vielen anderen Auszeichnungen überhäuft, zählt das Drama um Tony Soprano und seine ehrenwerte Familie mittlerweile bei Kritikern und Publikum zu den beliebtesten Fernsehserien aller Zeiten. Die gelungene Mischung aus Action, Drama und Comedy machte „Die Sopranos“ zum TV-Dauerbrenner in den USA. Der Abo-Sender HBO hat für das Jahr 2006 bereits die sechste Staffel eingeplant. Politik/Der Staat im Staat S.2 Wirtschaft/Chamäleon Mafia S.3 Medien/Wer ist wer? S.4 Medien/Episodenguide S.5 Wissenschaft/Die ersten Paten S.6 Initiationsriten der Mafia S.7 Interview/James Gandolfini S.8 INTERVIEW MIT JAMES GANDOLFINI ”Tony macht alles schlimmer” S.8 Christopher Moltisanti: Ist er der brutale Copkiller? New York. Mit zwei Kugeln exekutierte gestern am späten Abend ein skrupelloser Killer den New Yorker Lieutenant Detective Barry Haydu. Eine erste Rekonstruktion des Tathergangs ergab, dass der Mörder seinem Opfer in dessen Haus auflauerte. Er fesselte es mit Handschellen an ein Treppengeländer, bevor er die tödlichen Schüsse abgab. Besonders tragisch: Der Polizeibeamte Haydu hatte gestern seinen Ruhestand angetreten. Nach den bisherigen Ermittlungen der Polizei fällt der Verdacht auf Christopher Moltisanti, der zur Tatzeit in der Nähe von Haydus Haus gesehen wurde. Moltisanti, Mitglied des berüchtigten Soprano-Clans aus New Jersey, ist Neffe und Ziehsohn von Mafia-Boss Tony Soprano. Die Polizei vermutet, dass Moltisanti mit der Tat den Tod seines Vaters Dickie Moltisanti rächen wollte. Barry Haydu hinterlässt Frau und Tochter. (Seite 4) „Die Sopranos“ Staffel 4 ab 15. Juni jeden Mittwoch um 22.00 Uhr auf PREMIERE 4 in deutscher Erstausstrahlung POLITIK WISSENSCHAFT „Was ist die Mafia?“, lautete die naive Eröffnungsfrage eines Staatsanwalts bei der Vernehmung eines Mafia-Bosses in den 50ern. Bevor der Boss das Gespräch entnervt beendete, antwortete er: „Um das Amt des Staatsanwalts bewerben sich drei Leute. Der Erste ist äußerst intelligent, der Zweite hat die Unterstützung der politischen Parteien, der Dritte ist ein Trottel. Der Trottel bekommt die Stelle. Das ist die Mafia.“ Wie Staatsvertreter zu Marionetten der Mafia werden konnten. Seite 2 Es gibt zahlreiche Theorien über den Ursprung des Wortes „Mafia“. Die frappierendste von allen vertritt auch der ehemalige Bürgermeister von Palermo und berüchtigte Mafiajäger Leoluca Orlando. Demnach hat der Terminus seine Wurzeln im Mittelalter, als Sizilien von den Arabern regiert wurde. „Mafia“ bedeutet demnach so viel wie „es existiert nicht“. Eine Interpretation, die zugleich Programm ist: Denn auch wenn die Mafia scheinbar überall ist, so bleibt sie doch stets unsichtbar. Seite 7 Seite 2 POLITIK Die Verbindungen zwischen Politik und Mafia reichen zurück bis ins Sizilien des 19. Jahrhunderts. Als der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi die Insel 1860 von den spanischen Bourbonen befreite, nutzten die mächtigen „Gabelloti“ (mehr dazu auf Seite 6) die Zeit des Übergangs, um ihren Machtbereich im Verborgenen auszubauen. Die Bevölkerung nahm die neue „Regierung“ dankbar an. Denn anders als die Spanier und die unzähligen Fremdherrschaften zuvor, „kümmerten“ sich diese „Dons“ tatsächlich um ihre Probleme. Und die breite Anhängerschaft, die sich um diese Paten scharte, verstand sich von Anfang an selbst als „partito“ und gab sich damit den Anspruch einer politischen Partei. Bis heute nennt sich kein Mafia-Mitglied selbst „Mafioso“. Dieses Wort ist ein Schimpfwort. Selbst bezeichnet man sich als „uomo d’onore“ AUFBAU DER MAFIA („Ehrenmann“). Dabei ist die Verwandtschaft der Bezeichnung „Ehrenmann“ mit dem Begriff „onorevole“ („Abgeordneter“) besonders bemerkenswert. Das eigene Handeln versteht das Mafia-Mitglied folglich nicht als kriminelles Verhalten, sondern – wie das des Politikers – als „comportamento sociale“, das der Allgemeinheit zu Gute kommt. Die Organisationsstruktur der „ehrenwerten Gesellschaft“ (siehe Infografik) ist der eines politischen Systems nachempfunden. Ihrer Stabilität ist es zu verdanken, dass die Mafia im Lauf der Jahrzehnte und bis in die Neuzeit hinein auf Sizilien zu einem ernstzunehmenden politischen Parallelsystem avanciert ist. Da verwundert es kaum, dass Stefano Bontate, Ende der 70er der Boss der Bosse der Cosa Nostra, dem damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti (Christdemokraten) bei einem Empfang selbstbewusst und fordernd entgegentrat: „Hier auf Sizilien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei nicht zerstören möchten, tun Sie besser, was wir sagen. Andernfalls nehmen wir Ihnen unsere Stimmen weg, nicht nur hier, sondern in ganz Süditalien. Dann bleiben Ihnen nur noch die Wähler im Norden. Und die wählen ohnehin kommunistisch.“ In sämtlichen Organen des „Mafia-Staats“ finden sich Relikte vergangener Herrschaftsformen auf Sizilien: Hier die hierarchische Militärstruktur des römischen Kaiserreichs, dort das Geburtsrecht für die Söhne von Bossen und schließlich das demokratische Wahlrecht der Neuzeit. Zugleich zeichnet sich die Mafia durch eine mittelalterliche Rechtsauffassung aus. WIRTSCHAFT Organisationsstruktur Die Organisationsstruktur der Cosa Nostra war lange Zeit geheim und geriet erst Anfang der 80erJahre durch die spektakulären Ausführungen von Tommaso Buscetta, dem ersten Mafia-Boss, der mit der Justiz zusammenarbeitete, an die Öffentlichkeit. Die Struktur zeigt die Mafia als straff durchstrukturierten Staat, der aufgrund einer eisernen Disziplin seiner „Parteimitglieder“ und seiner Umwelt (diese freilich von Drohungen motiviert) eine ernome Stabilität aufweist. In der Struktur steckt – so Buscetta – „das Lebensblut der Cosa Nostra“. Der Aufbau der Mafia ist pyramidenförmig. Die unterste Zelle bildet die „famiglia“ („Familie“), sie ist die Basis-Station eines jeden „uomo d’onore“. Familie ist dabei nicht eng im verwandtschaftlichen Sinne gemeint. In den meisten LA COMMISSIONE, LA CUPOLA AUS CA. 10 CAPI-MANDAMENTO MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA CONSIGLIERE FAMIGLIA FAMIGLIA MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO AUFBAU EINER „FAMIGLIA“ CAPO SOTTO-CAPO CONSIGLIERE FAMIGLIA CAPO-DECINA CAPO-DECINA CAPO-DECINA CAPO-DECINA 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI „Hier in Süditalien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei nicht zerstören möchten, tun Sie besser, was wir sagen.“ Mafia-Boss Stefano Bontate zu Ministerpräsident Giulio Andreotti (Christdemokrat) CAPO DI TUTTI I CAPI MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO Fällen entsprechen die diversen Sippen den Wohnvierteln der Stadt. Stammt die Sippe aus einer kleineren Stadt oder aus einem Dorf, bekommt sie den Namen des entsprechenden Ortes (z. B. die „Corleonesi“ aus Corleone). An der Spitze jeder Sippe steht ein „capo“, der von den Ehrenmännern bzw. „Abgeordneten“ direkt gewählt wird. Dieser Boss bestimmt seinen „sotto-capo“ („stellvertretenden Boss“) und einen oder zwei „consiglieri“ („Berater“), die meist auch für juristische Beratungen zuständig sind. Die „picciotti“ (etwa „Burschen“) sind die gewöhnlichen Fußsoldaten jeder Sippe, die in Gruppen zu je zehn Mann organisiert sind und von einem „capo-decina“ (etwa „Chef über zehn“) kommandiert und unter Kontrolle gehalten werden. In Analogie zur Politik haben wir es auf der Familien-Ebene mit der Gemeinde-Ebene zu tun. In der straffen Organisationsstruktur der Mafia fließt - so Mafia-Aussteiger Tommaso Buscetta - ihr “Lebensblut”. Die verschiedenen Mafia-Sippen werden nun wiederum mit zwei benachbarten Sippen in Dreier-Gruppen zu „mandamenti“ („Bezirke“) zusammengeschlossen. So finden sich in der Provinz Palermo etwa 30 Mafia-Sippen, die in zehn „mandamenti“ gegliedert sind. Jeder dieser aus drei Sippen bestehende Bezirk wählt seinen „capo-mandamento“ (etwa „Bezirksführer“), der die Interessen des Bezirks im obersten Gremium der Organisation, der so genannten „commissione“ oder „cupola“ („Kuppel“) vertritt. Diese Kommission hat die Aufgabe, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen, Streitigkeiten zwischen den Sippen zu schlichten und bedeutende Tötungsbeschlüsse zu fassen. Sie ist sozusagen die Re- gierung der Mafia. Der Vorsitzende der Kommission, der „capo di tutti i capi“, hat demnach die Stellung eines Ministerpräsidenten. Mafia und Staat Der Mantel der politischen Partei gibt der Mafia eine innere Legitimation, die bisweilen sogar von der offiziellen Staatsgewalt respektiert wird. So erklärt sich die enthusiastische Grabrede eines angesehenen Staatsanwalts bei der Trauerfeier für den legendären MafiaBoss Don Calogero Vizzini 1954, in der er sich eine produktive Koexistenz zwischen Mafia und Staat wünschte. Interessant ist, dass sich – bis auf wenige Ausnahmen – Mafia-Mitglieder nie selbst von politischen Parteien als Kandidaten aufstellen lassen. Das Schweigen und die Unsichtbarkeit als Charakteristika der Organisation sind mit den öffentlichen Auftritten der Politiker unvereinbar. Die Mafia versteht sich jedoch als eigentliche Staatsgewalt, welche die Politik benutzt und Politiker wie Marionetten nach ihrem Willen führt. Die Cosa Nostra hat auf Sizilien die Möglichkeit wahrgenommen, das legislative und exekutive Machtvakuum mit der systemeigenen Rechtsauffassung aufzufüllen. Jede Sippe ist in ihrem Revier für die Schlichtung von Streitigkeiten (das Konsultieren der Polizei gilt als unehrenhaft) und für die Zuteilung von Ressourcen zuständig. Da keine Gerichte oder Polizeikräfte existieren, greift die Mafia auf andere, visuelle Mittel zurück, um dem Volk zu verdeutlichen, dass die Bestrafung in ihrem „Staat“ immediat ist. Mehr noch: Innerhalb der Mafia wird von „Wahlen“ gesprochen, es gibt „Koalitionen“, von der „Kommission“ verhängte „Disziplinarmaßnahmen“, „Minister“ und schließlich „Mafia-Parlamente“. So entstand ein „Staat im Staat“, der sogar außenpolitische Beziehungen pflegt. Ein Höhepunkt der internationalen Kontakte war ein Treffen mit Mafia-Größen wie Lucky Luciano und Joe Bonanno im Jahr 1957 im luxuriösen Hotel Delle Palme von Palermo. Auf dieser Gipfelkonferenz zwischen der US-amerikanischen und der sizilianischen Cosa Nostra wurde die weitere Linie der Zusammenarbeit zwischen den beiden „Regierungen“ festgelegt. Seite 3 Vom Anwalt bis zum Zahnarzt Tarnungen der Cosa Nostra Mafiosi sind keine gewöhnlichen Verbrecher. Sie sind in der süditalienischen Gesellschaft vollständig integriert und üben neben ihrer „Mafia-Tätigkeit“ meist einen regulären Beruf aus. Dieser dient dabei überwiegend zur Tarnung oder Unterstützung mafioser Geschäfte. So macht sich ein mafioser Arzt seine Patienten oder ein mafioser Rechtsanwalt seine juristischen Kenntnisse zunutze, während in einem mafiosen Restaurant Geldwäsche im großen Stil betrieben wird. Seit dem Ursprung der Mafia sind ihre Anführer nie Aussätzige, sondern Männer der Mittel- und Oberklasse, Ende des 19. Jahrhunderts Großgrundbesitzer, heute Unternehmer. Die Gefährlichkeit der Mafia beruht darin, dass sie überall und nirgends ist. Als Meister der Anpassung kann sie sich hinter dem gut besuchten Luxusrestaurant ebenso verstecken wie hinter der Versicherungsgesellschaft, die als moderne Form der Schutzgeldeintreibung ganz „legal“ Versicherungspolicen verkauft oder – wie bei den „Sopranos“ – hinter einem Müllbeseitigungsunternehmen. („Die Sopranos“, Staffel 4, ab 15. Juni jeden Mittwoch um 22.00 Uhr auf PREMIERE 4 in dt. EA) Ein besonderer Fall der Tarnung wurde Ende der 70er-Jahre durch den Fall Michele Sindona publik. Sindona war Finanzberater des Vatikans, Chef der amerikanischen „Franklin National Bank“ und der bedeutendste Hintermann der italienischen Christdemokraten. Sein enger Freund Giulio Andreotti, der langjährige italienische Ministerpräsident, feierte Sindona einmal als „Retter der Lira“. Der Bankier zählte auf der einen Seite Minister und Kardinäle zu seinen Freunden und ging in den Vorstandsetagen der großen europäischen Finanzdistrikte ein und aus, verkehrte jedoch auf der anderen Seite mit dem amerikanischen Mafia-Boss und Drogenhändler John Gambino. Durch die spektakulären Enthüllungen eines Mailänder Anwalts flogen die Mafia-Geschäfte des Bankiers 1979 auf. Die Folge war seine Verhaftung und ein Zusammenbruch seines Imperiums. Sindona wurde in seiner Gefängniszelle mit vergiftetem Kaffee getötet. Von offizieller Seite sprach man stets von Selbstmord. Es ist folglich unmöglich, den Mafioso, der den „normalen“ Geschäftsmann mimt, von dem ehrlichen Geschäftsmann zu unterscheiden, der aufgrund von Erpressungen und ohne eigenes Zutun mit der Organisation in Kontakt gekommen ist. Für den Außenstehenden entsteht so der Mythos, jedes sizilianische oder italo-amerikanische Unternehmen sei in dunkle Geschäfte verwickelt. Müllbeseitigung alla Soprano Seite 2 POLITIK Die Verbindungen zwischen Politik und Mafia reichen zurück bis ins Sizilien des 19. Jahrhunderts. Als der Freiheitskämpfer Giuseppe Garibaldi die Insel 1860 von den spanischen Bourbonen befreite, nutzten die mächtigen „Gabelloti“ (mehr dazu auf Seite 6) die Zeit des Übergangs, um ihren Machtbereich im Verborgenen auszubauen. Die Bevölkerung nahm die neue „Regierung“ dankbar an. Denn anders als die Spanier und die unzähligen Fremdherrschaften zuvor, „kümmerten“ sich diese „Dons“ tatsächlich um ihre Probleme. Und die breite Anhängerschaft, die sich um diese Paten scharte, verstand sich von Anfang an selbst als „partito“ und gab sich damit den Anspruch einer politischen Partei. Bis heute nennt sich kein Mafia-Mitglied selbst „Mafioso“. Dieses Wort ist ein Schimpfwort. Selbst bezeichnet man sich als „uomo d’onore“ AUFBAU DER MAFIA („Ehrenmann“). Dabei ist die Verwandtschaft der Bezeichnung „Ehrenmann“ mit dem Begriff „onorevole“ („Abgeordneter“) besonders bemerkenswert. Das eigene Handeln versteht das Mafia-Mitglied folglich nicht als kriminelles Verhalten, sondern – wie das des Politikers – als „comportamento sociale“, das der Allgemeinheit zu Gute kommt. Die Organisationsstruktur der „ehrenwerten Gesellschaft“ (siehe Infografik) ist der eines politischen Systems nachempfunden. Ihrer Stabilität ist es zu verdanken, dass die Mafia im Lauf der Jahrzehnte und bis in die Neuzeit hinein auf Sizilien zu einem ernstzunehmenden politischen Parallelsystem avanciert ist. Da verwundert es kaum, dass Stefano Bontate, Ende der 70er der Boss der Bosse der Cosa Nostra, dem damaligen Ministerpräsidenten Giulio Andreotti (Christdemokraten) bei einem Empfang selbstbewusst und fordernd entgegentrat: „Hier auf Sizilien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei nicht zerstören möchten, tun Sie besser, was wir sagen. Andernfalls nehmen wir Ihnen unsere Stimmen weg, nicht nur hier, sondern in ganz Süditalien. Dann bleiben Ihnen nur noch die Wähler im Norden. Und die wählen ohnehin kommunistisch.“ In sämtlichen Organen des „Mafia-Staats“ finden sich Relikte vergangener Herrschaftsformen auf Sizilien: Hier die hierarchische Militärstruktur des römischen Kaiserreichs, dort das Geburtsrecht für die Söhne von Bossen und schließlich das demokratische Wahlrecht der Neuzeit. Zugleich zeichnet sich die Mafia durch eine mittelalterliche Rechtsauffassung aus. WIRTSCHAFT Organisationsstruktur Die Organisationsstruktur der Cosa Nostra war lange Zeit geheim und geriet erst Anfang der 80erJahre durch die spektakulären Ausführungen von Tommaso Buscetta, dem ersten Mafia-Boss, der mit der Justiz zusammenarbeitete, an die Öffentlichkeit. Die Struktur zeigt die Mafia als straff durchstrukturierten Staat, der aufgrund einer eisernen Disziplin seiner „Parteimitglieder“ und seiner Umwelt (diese freilich von Drohungen motiviert) eine ernome Stabilität aufweist. In der Struktur steckt – so Buscetta – „das Lebensblut der Cosa Nostra“. Der Aufbau der Mafia ist pyramidenförmig. Die unterste Zelle bildet die „famiglia“ („Familie“), sie ist die Basis-Station eines jeden „uomo d’onore“. Familie ist dabei nicht eng im verwandtschaftlichen Sinne gemeint. In den meisten LA COMMISSIONE, LA CUPOLA AUS CA. 10 CAPI-MANDAMENTO MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA FAMIGLIA CONSIGLIERE FAMIGLIA FAMIGLIA MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO AUFBAU EINER „FAMIGLIA“ CAPO SOTTO-CAPO CONSIGLIERE FAMIGLIA CAPO-DECINA CAPO-DECINA CAPO-DECINA CAPO-DECINA 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI 10 PICCIOTTI „Hier in Süditalien haben wir die Befehlsgewalt. Und wenn Sie Ihre Partei nicht zerstören möchten, tun Sie besser, was wir sagen.“ Mafia-Boss Stefano Bontate zu Ministerpräsident Giulio Andreotti (Christdemokrat) CAPO DI TUTTI I CAPI MANDAMENTO (BEZIRK) CAPO MANDAMENTO Fällen entsprechen die diversen Sippen den Wohnvierteln der Stadt. Stammt die Sippe aus einer kleineren Stadt oder aus einem Dorf, bekommt sie den Namen des entsprechenden Ortes (z. B. die „Corleonesi“ aus Corleone). An der Spitze jeder Sippe steht ein „capo“, der von den Ehrenmännern bzw. „Abgeordneten“ direkt gewählt wird. Dieser Boss bestimmt seinen „sotto-capo“ („stellvertretenden Boss“) und einen oder zwei „consiglieri“ („Berater“), die meist auch für juristische Beratungen zuständig sind. Die „picciotti“ (etwa „Burschen“) sind die gewöhnlichen Fußsoldaten jeder Sippe, die in Gruppen zu je zehn Mann organisiert sind und von einem „capo-decina“ (etwa „Chef über zehn“) kommandiert und unter Kontrolle gehalten werden. In Analogie zur Politik haben wir es auf der Familien-Ebene mit der Gemeinde-Ebene zu tun. In der straffen Organisationsstruktur der Mafia fließt - so Mafia-Aussteiger Tommaso Buscetta - ihr “Lebensblut”. Die verschiedenen Mafia-Sippen werden nun wiederum mit zwei benachbarten Sippen in Dreier-Gruppen zu „mandamenti“ („Bezirke“) zusammengeschlossen. So finden sich in der Provinz Palermo etwa 30 Mafia-Sippen, die in zehn „mandamenti“ gegliedert sind. Jeder dieser aus drei Sippen bestehende Bezirk wählt seinen „capo-mandamento“ (etwa „Bezirksführer“), der die Interessen des Bezirks im obersten Gremium der Organisation, der so genannten „commissione“ oder „cupola“ („Kuppel“) vertritt. Diese Kommission hat die Aufgabe, zukunftsweisende Entscheidungen zu treffen, Streitigkeiten zwischen den Sippen zu schlichten und bedeutende Tötungsbeschlüsse zu fassen. Sie ist sozusagen die Re- gierung der Mafia. Der Vorsitzende der Kommission, der „capo di tutti i capi“, hat demnach die Stellung eines Ministerpräsidenten. Mafia und Staat Der Mantel der politischen Partei gibt der Mafia eine innere Legitimation, die bisweilen sogar von der offiziellen Staatsgewalt respektiert wird. So erklärt sich die enthusiastische Grabrede eines angesehenen Staatsanwalts bei der Trauerfeier für den legendären MafiaBoss Don Calogero Vizzini 1954, in der er sich eine produktive Koexistenz zwischen Mafia und Staat wünschte. Interessant ist, dass sich – bis auf wenige Ausnahmen – Mafia-Mitglieder nie selbst von politischen Parteien als Kandidaten aufstellen lassen. Das Schweigen und die Unsichtbarkeit als Charakteristika der Organisation sind mit den öffentlichen Auftritten der Politiker unvereinbar. Die Mafia versteht sich jedoch als eigentliche Staatsgewalt, welche die Politik benutzt und Politiker wie Marionetten nach ihrem Willen führt. Die Cosa Nostra hat auf Sizilien die Möglichkeit wahrgenommen, das legislative und exekutive Machtvakuum mit der systemeigenen Rechtsauffassung aufzufüllen. Jede Sippe ist in ihrem Revier für die Schlichtung von Streitigkeiten (das Konsultieren der Polizei gilt als unehrenhaft) und für die Zuteilung von Ressourcen zuständig. Da keine Gerichte oder Polizeikräfte existieren, greift die Mafia auf andere, visuelle Mittel zurück, um dem Volk zu verdeutlichen, dass die Bestrafung in ihrem „Staat“ immediat ist. Mehr noch: Innerhalb der Mafia wird von „Wahlen“ gesprochen, es gibt „Koalitionen“, von der „Kommission“ verhängte „Disziplinarmaßnahmen“, „Minister“ und schließlich „Mafia-Parlamente“. So entstand ein „Staat im Staat“, der sogar außenpolitische Beziehungen pflegt. Ein Höhepunkt der internationalen Kontakte war ein Treffen mit Mafia-Größen wie Lucky Luciano und Joe Bonanno im Jahr 1957 im luxuriösen Hotel Delle Palme von Palermo. Auf dieser Gipfelkonferenz zwischen der US-amerikanischen und der sizilianischen Cosa Nostra wurde die weitere Linie der Zusammenarbeit zwischen den beiden „Regierungen“ festgelegt. Seite 3 Vom Anwalt bis zum Zahnarzt Tarnungen der Cosa Nostra Mafiosi sind keine gewöhnlichen Verbrecher. Sie sind in der süditalienischen Gesellschaft vollständig integriert und üben neben ihrer „Mafia-Tätigkeit“ meist einen regulären Beruf aus. Dieser dient dabei überwiegend zur Tarnung oder Unterstützung mafioser Geschäfte. So macht sich ein mafioser Arzt seine Patienten oder ein mafioser Rechtsanwalt seine juristischen Kenntnisse zunutze, während in einem mafiosen Restaurant Geldwäsche im großen Stil betrieben wird. Seit dem Ursprung der Mafia sind ihre Anführer nie Aussätzige, sondern Männer der Mittel- und Oberklasse, Ende des 19. Jahrhunderts Großgrundbesitzer, heute Unternehmer. Die Gefährlichkeit der Mafia beruht darin, dass sie überall und nirgends ist. Als Meister der Anpassung kann sie sich hinter dem gut besuchten Luxusrestaurant ebenso verstecken wie hinter der Versicherungsgesellschaft, die als moderne Form der Schutzgeldeintreibung ganz „legal“ Versicherungspolicen verkauft oder – wie bei den „Sopranos“ – hinter einem Müllbeseitigungsunternehmen. („Die Sopranos“, Staffel 4, ab 15. Juni jeden Mittwoch um 22.00 Uhr auf PREMIERE 4 in dt. EA) Ein besonderer Fall der Tarnung wurde Ende der 70er-Jahre durch den Fall Michele Sindona publik. Sindona war Finanzberater des Vatikans, Chef der amerikanischen „Franklin National Bank“ und der bedeutendste Hintermann der italienischen Christdemokraten. Sein enger Freund Giulio Andreotti, der langjährige italienische Ministerpräsident, feierte Sindona einmal als „Retter der Lira“. Der Bankier zählte auf der einen Seite Minister und Kardinäle zu seinen Freunden und ging in den Vorstandsetagen der großen europäischen Finanzdistrikte ein und aus, verkehrte jedoch auf der anderen Seite mit dem amerikanischen Mafia-Boss und Drogenhändler John Gambino. Durch die spektakulären Enthüllungen eines Mailänder Anwalts flogen die Mafia-Geschäfte des Bankiers 1979 auf. Die Folge war seine Verhaftung und ein Zusammenbruch seines Imperiums. Sindona wurde in seiner Gefängniszelle mit vergiftetem Kaffee getötet. Von offizieller Seite sprach man stets von Selbstmord. Es ist folglich unmöglich, den Mafioso, der den „normalen“ Geschäftsmann mimt, von dem ehrlichen Geschäftsmann zu unterscheiden, der aufgrund von Erpressungen und ohne eigenes Zutun mit der Organisation in Kontakt gekommen ist. Für den Außenstehenden entsteht so der Mythos, jedes sizilianische oder italo-amerikanische Unternehmen sei in dunkle Geschäfte verwickelt. Müllbeseitigung alla Soprano Seite 4 MEDIEN Seite 5 MEDIEN Darsteller: Michael Imperioli Christopher Moltisanti ist Tonys Neffe und Carmelas Cousin. Sein Vater Dickie Moltisanti war Tonys Mentor und so kam es, dass sich Tony nach Dickies Tod wie ein Vater um Christopher kümmerte. Christopher ist impulsiv und gewalttätig und verfolgt zum Ärger der Familie immer wieder Alleingänge, die nicht abgesprochen sind. Episode 40 – „Schuldig bleibt schuldig“ Buch: David Chase, Regie: Allen Coulter Die schwache Wirtschaft beeinträchtigt das Geschäft. Das treibt den Boss der New-Jersey-Sippe Tony Soprano dazu, in einen potenziell lukrativen Grundstücksdeal zu investieren. Seine Frau Carmela macht sich über die langfristige finanzielle Sicherheit der Familie Sorgen. In Tonys krimineller Familie tauchen derweil Probleme auf: Onkel Junior sorgt sich um seinen laufenden RICO (Gesetz gegen organisierte Kriminalität) Prozess und Adriana vertraut sich ihrer neuen Freundin Danielle an, die möglicherweise eine Undercover-Agentin des FBI ist. Tony gibt Christopher die Adresse des Detectives, der Christophers Vater umgebracht haben soll. Der rächt den Mord, indem er dem Detective zwei Kugeln durch den Kopf jagt. Ep. 41 – „Meadow kämpft – wer verliert?“ Buch: Terence Winter, David Chase, Regie: John Patterson Christopher übernimmt neue Aufgaben, gerät dabei jedoch zunächst mit Patsy aneinander. Meadow erwägt, ein Jahr mit dem College auszusetzen, um durch Europa zu reisen. Adriana beendet abrupt ihre Freundschaft mit Danielle. Darsteller: James Gandolfini Darstellerin: Lorraine Bracco Darsteller: Tony Sirico Darstellerin: Edie Falco Nach außen ist Tony der gerissene, ruchlose Pate einer Mafiafamilie in New Jersey. Als einziger Sohn des berühmten Mafioso Johnny Boy Soprano fühlt Tony aber den Druck der längst überholten Rituale der Mafia auf sich lasten. Auch seine wirkliche Familie fordert alles von ihm. Ist es da erstaunlich, dass Tony Hilfe bei einer Psychoanalytikerin sucht? Dr. Jennifer Melfi ist vermutlich die letzte Person, die man mit dem Organisierten Verbrechen in Verbindung bringen würde. Die angesehene Psychoanalytikerin ist geschieden und hat zwei Söhne. Den Tag, an dem Tony Soprano als die personifizierte Cosa Nostra ihre Praxis betrat, verflucht sie bis heute. Dennoch versucht sie seit Jahren, dem Mafia-Boss, der unter Angst-Attacken leidet, zu helfen. Sie ist Tonys engste Vertraute. Peter Paul Gualtieri ist der am besten manikürte Capo der Familie. Er startete seine Mafia-Karriere mit 17 Jahren bei Johnny Boy Soprano. Seitdem ist sein Aufstieg stetig, unterbrochen nur von einem Gefängnisaufenthalt und einer kurzen Zeit bei der Army. Paulie ist sehr abergläubisch und sein Misstrauen gegenüber anderen hat fast paranoide Züge. Carmela und Tony sind seit über 20 Jahren verheiratet. Sie hat gelernt, dass das Leben einer Mafioso-Frau nicht nur aus Geld, Dienern und schicken Autos besteht. Carmela weiß genau, was Tony beruflich treibt und dass er dabei manchmal über Leichen geht. Das macht ihr Leben und das ihrer gemeinsamen Kinder Anthony Jr. und Meadow nicht gerade einfacher. Ep. 42 – „Christopher“ Buch: Michael Imperioli, Maria Laurino, Regie: Tim Van Patten Silvio und Ralph wollen sichergehen, dass die Paraden am Columbus-Feiertag ohne Zwischenfälle stattfinden. Pater Phil veranstaltet einen italienischen Lunch für Damen, Bobbys Frau Karen wird in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ep. 43 – „Gewichtsprobleme“ Buch: Terence Winter Regie: Jack Bender Johnny Sack sinnt auf Rache, als jemand eine abschätzige Bemerkung über seine Frau macht. Meadow erwägt, ehrenamtlich im South Bronx Law Center zu arbeiten. Silvio und Christopher machen einem früheren Auftragsmörder ein Angebot. Ep. 44 – „Lauf, Pie-O-My, lauf!“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, Regie: Henry Bronchtein Als Ralph ein Fohlen mit dem Namen „Pie-O-My“ kauft, entdeckt Tony, dass er ein Talent für Rennwetten hat. Ralph gewinnt 40.000 Dollar und teilt die Summe mit Tony. Der Boss der Sippe ist von dem Fohlen begeistert und sein ruppiges Verhalten ändert sich immer zum Positiven, wenn er bei dem Tier ist. Zu Hause bei Tony ist die Stimmung nicht ganz so gelassen. Als Carmela ihm einen unwiderruflichen Treuhandvertrag vorlegt, weigert er sich, das Dokument zu unterschreiben. Ep. 45 – „Gewissensbisse“ Buch: Michael Imperioli Regie: Steve Buscemi Nachdem der Restaurateur Artie Bucco die attraktive französische Hostess Elodi eingestellt hat, erklärt er sich bereit, ihrem Bruder Geld für ein geschäftliches Unterfangen im Ausland zu leihen. Als das Geschäft platzt, nimmt Artie eine Überdosis Medikamente und ruft verwirrt bei Tony an. Anthony Jr. ist mit seiner neuen reichen Freundin beschäftigt. Tony erreichen beunruhigende Nachrichten: Seine ehemalige Geliebte, die auch Patientin von Dr. Melfi war, hat Selbstmord begangen. Ep. 46 – „Wenn man zuviel Fernsehen sieht“ Buch: Terence Winter, Regie: John Patterson Als Paulie aus dem Gefängnis entlassen wird, schmeißen Tony und seine Gang eine große Party im „Bada Bing“, Tonys Strip-Bar. Es dauert jedoch nicht lange, bis die bekannten Spannungen wieder entstehen. Carmelas Cousin Brian, der nun Finanzberater ist, warnt Tony und Ralph vor einer größe- ren Investition. Adriana setzt Christopher mit dem Thema Heirat unter Druck. Ep. 47 – „Lust, Leid und Laster“ Buch: Lawrence Konner Regie: Daniel Attias Furio reist in sein Heimatland Italien, um seinen kranken Vater zu besuchen. Carmela erkundet eine neue potentielle Geldquelle. Paulie versucht seine Mutter Nucci in die soziale Welt von Green Grove zu integrieren. Ep. 48 – „Täter: unbekannt“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, Regie: Tim Van Patten Ralphs Sohn Justin wird beim Spielen mit einem Freund schwer verletzt, als ihn ein Pfeil in die Brust trifft. Bei einem Feuer in den Ställen sterben drei Pferde und Pie-O-My erleidet so schwere Verbrennungen, dass sie getötet werden muss. Tony ist erschüttert von der Nachricht und sucht Ralph auf, um ihm davon zu erzählen. Allerdings bestätigt sich sein Verdacht, dass Ralph das Feuer gelegt hat, um die Versicherungssumme einzukassieren. Die beiden geraten in einen tödlichen Kampf, bei dem Tony Ralph mehr oder weniger versehentlich stranguliert. Der Boss der Sippe ruft Christopher zu Hilfe, um Ralphs Leiche zu beseitigen. Ep. 49 – „Chris ist am Ende“ Buch: Terence Winter, Robin Green, Mitchell Burgess Regie: Alan Taylor Tony vergleicht sich in seiner Therapie mit dem traurigen Clown, der gute Miene zum bösen Spiel macht. Dr. Melfi vertritt Tonys neueste MelancholieSelbstanalyse nicht. Christopher gelangt nach einer Intervention durch Tony an einen wichtigen Punkt der Entscheidung. Ep. 50 – „An alle Einheiten!“ Buch: David Chase, Robin Green, Mitchell Burgess, Terry Winter, Regie: Tim Van Patten Nach einem Meeting mit Johnny Sack denkt Tony über die Zukunft der Partnerschaft mit der HUD (Entwicklung von Städten und Wohnungen) nach. Dr. Melfi sinniert über die Freudsche Bedeutung von Tonys Träumen. Ep. 51 – „Bei Eloise“ Buch: Terence Winter Regie: James Hayman Tony feilscht weiterhin mit Johnny Sack um die EsplanadeGewinne. Carmela trifft sich mit Meadow zu ihrem traditionellen, jährlichen Teetrinken und gerät dabei mit ihrer Tochter in Streit. Paulie bemuttert die Damen aus dem Seniorenheim. Ep. 52 – „Whitecaps“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, David Chase Regie: John Patterson Christopher wird aus einem Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige entlassen. Onkel Juniors Prozess endet ohne Ergebnis, nachdem ein von ihm eingeschüchterter Zeuge sich weigert, ihn für schuldig zu erklären. Johnny Sack wendet sich mit einem gewagten Plan an Tony – es geht darum, Carmine zu schlagen. Tony überrascht Carmela mit seinem Vorhaben, ein Haus am Meer zu kaufen. Was sie aber viel mehr erstaunt, ist ein Anruf von Tonys früherer Geliebter. Nach einem Streit sagt Carmela Tony, dass sie ihn nicht mehr liebt, sondern von Furio träumt. Tony zieht daraufhin umgehend aus. Da sowohl seine Ehe als auch seine Geschäfte nicht gut laufen, denkt Tony darüber nach, seine Therapie bei Dr. Melfi wieder aufzunehmen. „Die Sopranos“-Wochenenden auf PREMIERE 4 Staffel I: Samstag, 28. Mai, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Staffel II: Samstag, 4. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Staffel III: Samstag, 11. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Seite 4 MEDIEN Seite 5 MEDIEN Darsteller: Michael Imperioli Christopher Moltisanti ist Tonys Neffe und Carmelas Cousin. Sein Vater Dickie Moltisanti war Tonys Mentor und so kam es, dass sich Tony nach Dickies Tod wie ein Vater um Christopher kümmerte. Christopher ist impulsiv und gewalttätig und verfolgt zum Ärger der Familie immer wieder Alleingänge, die nicht abgesprochen sind. Episode 40 – „Schuldig bleibt schuldig“ Buch: David Chase, Regie: Allen Coulter Die schwache Wirtschaft beeinträchtigt das Geschäft. Das treibt den Boss der New-Jersey-Sippe Tony Soprano dazu, in einen potenziell lukrativen Grundstücksdeal zu investieren. Seine Frau Carmela macht sich über die langfristige finanzielle Sicherheit der Familie Sorgen. In Tonys krimineller Familie tauchen derweil Probleme auf: Onkel Junior sorgt sich um seinen laufenden RICO (Gesetz gegen organisierte Kriminalität) Prozess und Adriana vertraut sich ihrer neuen Freundin Danielle an, die möglicherweise eine Undercover-Agentin des FBI ist. Tony gibt Christopher die Adresse des Detectives, der Christophers Vater umgebracht haben soll. Der rächt den Mord, indem er dem Detective zwei Kugeln durch den Kopf jagt. Ep. 41 – „Meadow kämpft – wer verliert?“ Buch: Terence Winter, David Chase, Regie: John Patterson Christopher übernimmt neue Aufgaben, gerät dabei jedoch zunächst mit Patsy aneinander. Meadow erwägt, ein Jahr mit dem College auszusetzen, um durch Europa zu reisen. Adriana beendet abrupt ihre Freundschaft mit Danielle. Darsteller: James Gandolfini Darstellerin: Lorraine Bracco Darsteller: Tony Sirico Darstellerin: Edie Falco Nach außen ist Tony der gerissene, ruchlose Pate einer Mafiafamilie in New Jersey. Als einziger Sohn des berühmten Mafioso Johnny Boy Soprano fühlt Tony aber den Druck der längst überholten Rituale der Mafia auf sich lasten. Auch seine wirkliche Familie fordert alles von ihm. Ist es da erstaunlich, dass Tony Hilfe bei einer Psychoanalytikerin sucht? Dr. Jennifer Melfi ist vermutlich die letzte Person, die man mit dem Organisierten Verbrechen in Verbindung bringen würde. Die angesehene Psychoanalytikerin ist geschieden und hat zwei Söhne. Den Tag, an dem Tony Soprano als die personifizierte Cosa Nostra ihre Praxis betrat, verflucht sie bis heute. Dennoch versucht sie seit Jahren, dem Mafia-Boss, der unter Angst-Attacken leidet, zu helfen. Sie ist Tonys engste Vertraute. Peter Paul Gualtieri ist der am besten manikürte Capo der Familie. Er startete seine Mafia-Karriere mit 17 Jahren bei Johnny Boy Soprano. Seitdem ist sein Aufstieg stetig, unterbrochen nur von einem Gefängnisaufenthalt und einer kurzen Zeit bei der Army. Paulie ist sehr abergläubisch und sein Misstrauen gegenüber anderen hat fast paranoide Züge. Carmela und Tony sind seit über 20 Jahren verheiratet. Sie hat gelernt, dass das Leben einer Mafioso-Frau nicht nur aus Geld, Dienern und schicken Autos besteht. Carmela weiß genau, was Tony beruflich treibt und dass er dabei manchmal über Leichen geht. Das macht ihr Leben und das ihrer gemeinsamen Kinder Anthony Jr. und Meadow nicht gerade einfacher. Ep. 42 – „Christopher“ Buch: Michael Imperioli, Maria Laurino, Regie: Tim Van Patten Silvio und Ralph wollen sichergehen, dass die Paraden am Columbus-Feiertag ohne Zwischenfälle stattfinden. Pater Phil veranstaltet einen italienischen Lunch für Damen, Bobbys Frau Karen wird in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ep. 43 – „Gewichtsprobleme“ Buch: Terence Winter Regie: Jack Bender Johnny Sack sinnt auf Rache, als jemand eine abschätzige Bemerkung über seine Frau macht. Meadow erwägt, ehrenamtlich im South Bronx Law Center zu arbeiten. Silvio und Christopher machen einem früheren Auftragsmörder ein Angebot. Ep. 44 – „Lauf, Pie-O-My, lauf!“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, Regie: Henry Bronchtein Als Ralph ein Fohlen mit dem Namen „Pie-O-My“ kauft, entdeckt Tony, dass er ein Talent für Rennwetten hat. Ralph gewinnt 40.000 Dollar und teilt die Summe mit Tony. Der Boss der Sippe ist von dem Fohlen begeistert und sein ruppiges Verhalten ändert sich immer zum Positiven, wenn er bei dem Tier ist. Zu Hause bei Tony ist die Stimmung nicht ganz so gelassen. Als Carmela ihm einen unwiderruflichen Treuhandvertrag vorlegt, weigert er sich, das Dokument zu unterschreiben. Ep. 45 – „Gewissensbisse“ Buch: Michael Imperioli Regie: Steve Buscemi Nachdem der Restaurateur Artie Bucco die attraktive französische Hostess Elodi eingestellt hat, erklärt er sich bereit, ihrem Bruder Geld für ein geschäftliches Unterfangen im Ausland zu leihen. Als das Geschäft platzt, nimmt Artie eine Überdosis Medikamente und ruft verwirrt bei Tony an. Anthony Jr. ist mit seiner neuen reichen Freundin beschäftigt. Tony erreichen beunruhigende Nachrichten: Seine ehemalige Geliebte, die auch Patientin von Dr. Melfi war, hat Selbstmord begangen. Ep. 46 – „Wenn man zuviel Fernsehen sieht“ Buch: Terence Winter, Regie: John Patterson Als Paulie aus dem Gefängnis entlassen wird, schmeißen Tony und seine Gang eine große Party im „Bada Bing“, Tonys Strip-Bar. Es dauert jedoch nicht lange, bis die bekannten Spannungen wieder entstehen. Carmelas Cousin Brian, der nun Finanzberater ist, warnt Tony und Ralph vor einer größe- ren Investition. Adriana setzt Christopher mit dem Thema Heirat unter Druck. Ep. 47 – „Lust, Leid und Laster“ Buch: Lawrence Konner Regie: Daniel Attias Furio reist in sein Heimatland Italien, um seinen kranken Vater zu besuchen. Carmela erkundet eine neue potentielle Geldquelle. Paulie versucht seine Mutter Nucci in die soziale Welt von Green Grove zu integrieren. Ep. 48 – „Täter: unbekannt“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, Regie: Tim Van Patten Ralphs Sohn Justin wird beim Spielen mit einem Freund schwer verletzt, als ihn ein Pfeil in die Brust trifft. Bei einem Feuer in den Ställen sterben drei Pferde und Pie-O-My erleidet so schwere Verbrennungen, dass sie getötet werden muss. Tony ist erschüttert von der Nachricht und sucht Ralph auf, um ihm davon zu erzählen. Allerdings bestätigt sich sein Verdacht, dass Ralph das Feuer gelegt hat, um die Versicherungssumme einzukassieren. Die beiden geraten in einen tödlichen Kampf, bei dem Tony Ralph mehr oder weniger versehentlich stranguliert. Der Boss der Sippe ruft Christopher zu Hilfe, um Ralphs Leiche zu beseitigen. Ep. 49 – „Chris ist am Ende“ Buch: Terence Winter, Robin Green, Mitchell Burgess Regie: Alan Taylor Tony vergleicht sich in seiner Therapie mit dem traurigen Clown, der gute Miene zum bösen Spiel macht. Dr. Melfi vertritt Tonys neueste MelancholieSelbstanalyse nicht. Christopher gelangt nach einer Intervention durch Tony an einen wichtigen Punkt der Entscheidung. Ep. 50 – „An alle Einheiten!“ Buch: David Chase, Robin Green, Mitchell Burgess, Terry Winter, Regie: Tim Van Patten Nach einem Meeting mit Johnny Sack denkt Tony über die Zukunft der Partnerschaft mit der HUD (Entwicklung von Städten und Wohnungen) nach. Dr. Melfi sinniert über die Freudsche Bedeutung von Tonys Träumen. Ep. 51 – „Bei Eloise“ Buch: Terence Winter Regie: James Hayman Tony feilscht weiterhin mit Johnny Sack um die EsplanadeGewinne. Carmela trifft sich mit Meadow zu ihrem traditionellen, jährlichen Teetrinken und gerät dabei mit ihrer Tochter in Streit. Paulie bemuttert die Damen aus dem Seniorenheim. Ep. 52 – „Whitecaps“ Buch: Robin Green, Mitchell Burgess, David Chase Regie: John Patterson Christopher wird aus einem Rehabilitationszentrum für Drogensüchtige entlassen. Onkel Juniors Prozess endet ohne Ergebnis, nachdem ein von ihm eingeschüchterter Zeuge sich weigert, ihn für schuldig zu erklären. Johnny Sack wendet sich mit einem gewagten Plan an Tony – es geht darum, Carmine zu schlagen. Tony überrascht Carmela mit seinem Vorhaben, ein Haus am Meer zu kaufen. Was sie aber viel mehr erstaunt, ist ein Anruf von Tonys früherer Geliebter. Nach einem Streit sagt Carmela Tony, dass sie ihn nicht mehr liebt, sondern von Furio träumt. Tony zieht daraufhin umgehend aus. Da sowohl seine Ehe als auch seine Geschäfte nicht gut laufen, denkt Tony darüber nach, seine Therapie bei Dr. Melfi wieder aufzunehmen. „Die Sopranos“-Wochenenden auf PREMIERE 4 Staffel I: Samstag, 28. Mai, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Staffel II: Samstag, 4. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Staffel III: Samstag, 11. Juni, ab 22.00 Uhr bis Montagmorgen Seite 6 WISSENSCHAFT WISSENSCHAFT LOKALES Seite 7 Über den Initiationsritus der Cosa Nostra Die sizilianische Mafia ist streng genommen knapp 150 Jahre alt. Ihre Geburt geht einher mit der Gründung der italienischen Nationalstaats und der Entstehung einer eigenständigen lokalen Kunstgattung, dem „teatro dialettale moderno“. In dem Debütwerk des „Modernen Dialekttheaters“ taucht der Begriff „Mafioso“ erstmals in seiner kriminellen Bedeutung auf (Seite 7). Doch das Phänomen „Mafia“ ist weit älter: Es findet sich nicht erst in der kriminellen Organisation, sondern ist tief im Wesen des Sizilianers verwurzelt. Mafia ist zunächst einmal eine Geisteshaltung, die sich auf dem soziologischen Konzept der „Sizilianität“ begründet. Außergewöhnlichkeit der sizilianischen Gesellschaft innerhalb der nationalen und europäischen Geschichte begründet.“ Der aus der „Sicilianità“ entstandene und für das Funktionieren der Mafia grundlegende (Sprach-) Code kann nur von Sizilianern instinktiv entschlüsselt werden. Da die Mafia mit Hilfe dieses Codes kommuniziert, ist es NichtSizilianern schwer möglich, ihn zu verstehen oder überhaupt zu entdecken. Vor allem für Touristen, die zwar glauben, an jeder Ecke Siziliens die Mafia in Sonnenbrille und schwarzem Anzug entdecken zu können, bleibt die eigentliche Mafia in der Regel unsichtbar. „Sicilianità“ Unter „sicilianità“ verstehen Soziologen die spezifische sizilianische Denkweise, die sich in der drei Jahrtausende alten, hauptsächlich von Unterdrückung und Ausbeuterei geprägten Geschichte der Insel unbewusst in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat. Das Misstrauen des Sizilianers richtet sich gegen alles, was von außen in seine Welt einwirkt. Gegen jede neue Herrschaft (wie die der Phönizier, Griechen, Araber oder Normannen, um nur einige zu nennen), die wie die Herrschaft zuvor Leid und Elend über die Insel bringen wird. In seiner gesamten Geschichte hat das sich ständig neu vermischende, bunte sizilianische Volk nie die Möglichkeit bekommen, eine eigene politische Identität zu finden. Es wurde nie zum „Subjekt seiner Geschichte“. „Sicilianità“ regiert die Köpfe der Sizilianer unbewusst. Ebenso unbewusst findet sie ihren Ausdruck in zwei Phänomenen der sizilianischen Kultur: zum ei- “Sicilianità“ ist – so formulierte es ein sizilianischer Schriftsteller – das „gleichermaßen gewaltige und konfuse Gefühl der Solidarität zwischen Sizilianern“, das sich in einem „radikalisierten Massen-Opfergefühl“ und dem „soziologischen Bewusstsein der nen im Konzept der Mafia, zum anderen aber in der sizilianischen Kunst, insbesondere dem Theater. Mit der Befreiung Siziliens durch Giuseppe Garibaldi im Jahr 1860 war für die Sizilianer der Zeitpunkt gekommen, ihr politisches Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Aus dieser Situation heraus entstand das „teatro dialettale moderno“, dessen erstes Stück „I mafiusi di la Vicaria“ das neue politische und kulturelle Selbstbewusstsein der Sizilianer reflektiert. Die in dieser Komödie agierenden Hauptfiguren stellen frühe Mafiosi dar, deren Vorbild die so genannten „Gabelloti“ (von „gabello“ = „Steuer“, „Pacht“) waren, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts während der spanischen Besetzung das sizilianische Hinterland unsicher machten. Frühe Mafiosi: „Gabelloti“ überwachen „ihre“ Felder. Die „Gabelloti“ Die „Gabelloti“ waren sizilianische Wächter, die von spanischen Großgrundbesitzern zur Beaufsichtigung ihrer Ländereien abgestellt wurden. Dabei hatten sie nicht nur die Aufgabe, die Latifundien ihrer Dons vor Banditengruppen zu schützen, sondern waren zudem dafür verantwortlich, dass die pachtenden Bauern eine reiche Ernte einbrachten. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, scharten die Wächter eine kleine Miliz von gewalttätigen Banditen um sich. Mit dieser schlagkräftigen Unterstützung machten sie sich auf, von den Bauern zusätzliches „Schutzgeld“ dafür zu verlangen, dass sie selbst und ihre Ernte vor Banditen sicher blieben. Das daraus resultierende zusätzliche „Einkommen“ strich die „Gesellschaft“ selbst ein. Dem eigentlichen Landbesitzer, in der Regel ein spanischer Baron, entglitt die Kontrolle über seine Ländereien immer weiter. Schließlich musste der Don, der sich meist gar nicht persönlich in Sizilien aufhielt, seine Besitztümer den erstarkten neuen „Dons“ bzw. ihrer „ehrenwerten Gesellschaft“ überschreiben. Die Banditengruppen übernahmen dabei nicht nur die Ländereien ihrer adeligen Vorgänger, sondern imitierten diese auch in ihrem Verhalten und in ihren öffentlichen Auftritten. Die neuen Herren über Sizilien waren geboren. Die Sizilianer zollten den neuen „Dons“ und ihren „Parteien“ großen Respekt. Endlich waren es Männer aus den eigenen Reihen, die sie beschützten und führten. Mit der Befreiung Siziliens von den Bourbonen waren die spanischen Dons auf einen Schlag verschwunden. Das nutzten die neuen „Dons“, um ihre Macht in der sizilianischen Gesellschaft weiter auszubauen (s. a. Seite 2). Das Bühnenstück „I mafiusi di la Vicaria” erlangte neben seiner theatergeschichtlichen Tragweite vor allem auch deshalb Bedeutung, da hier zum ersten Mal der Begriff „Mafioso“ in der heutigen Bedeutung auftauchte. Zuvor wurden Mafiosi als „camorristi“ bezeichnet, ihre Organisation hieß noch nicht Mafia, sondern „onoratà società“, „partito“ („Partei“) oder „fratellanza“ („Bruderschaft“). Der Theaterautor Gaspare Mosca wurde angeblich zu seinem Titel inspiriert, als er in Palermo auf der Straße den Ausruf „Chi vurrisi fari u mafiusu cu mia?“ („Willst du etwa den Herrischen mit mir spielen?“) hörte. Der Ausdruck erschien ihm passend für die stolzen und herrischen kriminellen Figuren, die er auf der Bühne darstellen wollte. Durch den Erfolg des Stückes wurde der Begriff zunächst in Italien und dann im Ausland populär. Die spätere Substantivierung „Mafia“ drang Ende des 19. Jahrhunderts auch ins Deutsche, Französische und Englische durch. „Mafia“ – Etymologie Was die Etymologie des Begriffs betrifft, so sind sich die Sprachwissenschaftler weniger einig. Die Interpretationen reichen von einem wahrscheinlicheren arabischen Ursprung des Wortes bis hin zu einer etwas forcierten, historischen Interpretation. So sind die Theorien, die den Begriff mit der so genannten „sizilianischen Vesper“ im 13. Jahrhundert in Verbindung bringen, wohl nur darin begründet, dass die Sizilianer bei der Vertreibung der Franzosen eine ähnliche Geschlossenheit an den Tag gelegt haben wie später bei der Befreiung von den Bourbonen. „Mafia“ soll demnach das Akronym von „Morte Alla Francia l’Italia Anela“ („Wir wünschen Frankreich den Tod! Italien, atme auf!“) sein. Eine andere Theorie bringt „Mafia“ mit dem Slogan sizilianischer Rebellen in Verbindung, der dem verzweifelten Hilferuf einer Mutter nachempfunden ist, deren Tochter von französischen Soldaten entführt wird („Ma fia, ma fia!“ – „Meine Tochter, meine Tochter!“). Eine interessante Deutung ist auch jene, die hinter „Mafia“ eine Freimaurerloge um Giuseppe Mazzini vermutet, die sich mit Giuseppe Garibaldi für die Befreiung Italiens eingesetzt haben soll. Dieser Theorie zufolge ist „Mafia“ ein Akronym aus „Mazzini Autorizza Furti Incendi Avvelenamenti“ („Mazzini genehmigt Überfälle, Brandstiftungen und Vergiftungen“). Von den Verfechtern der „arabischen Theorie“ gibt es vier Interpretationsansätze. Ansatz eins: „Mafia“ stammt von dem arabischen Wort „mahias“, das so viel wie „dreister Kerl“ oder „unverschämter Kerl“ bedeutet. Ansatz zwei: Der Terminus „mafia“ setzt sich zusammen aus dem Partikel „mu“ (arab. „Unversehrtheit“, „Kraft“) und „afah“ (arab. „in Sicherheit bringen“ oder „beschützen“). „Mu afah“ in einem Wort bezeichnet folglich etwas Starkes, das Sicherheit gewährt. Ansatz drei: „Mafia“ lässt sich zurückführen auf einen arabischen Volksstamm, der zur Jahrhundertwende Palermo regierte und sich „Ma afir“ nannte. Mafia, arab. „es existiert nicht“ Die vielleicht spektakulärste Interpretation wird auch von dem ehemaligen Bürgermeister von Palermo und Mafiajäger Leoluca Orlando vertreten: „Mafia“ bzw. „maffia“ bedeutet in der arabischen Umgangssprache so viel wie „er ist nicht da“. Mit langgezogenem „a“ am Ende bekommt der Satz insistierenden Charakter, es heißt dann etwa „Ich habe doch bereits gesagt, dass er nicht da ist.“ Dieses Wort bekamen die Normannen im 11. Jahrhundert von Haustür zu Haustür zu hören, als sie nach der Vertreibung der Araber in den sizilianischen Dörfern nach versteckten Soldaten suchten. Für die Normannen blieb die „Mafia“ ein Rätsel: Sie war überall und blieb dabei doch unsichtbar. Eine Mafia-Sippe rekrutiert ihren Nachwuchs im eigenen Wohnviertel. Auf der Wunschliste ganz oben stehen junge VollblutSizilianer, die sich nach darwinistischen Grundsätzen der Stärke und Durchsetzungsfähigkeit von der Masse abheben. Ist ein Kandidat erspäht, durchläuft er unbewusst eine Beobachtungsphase, in welcher sein „padrino“ („Pate“, der Entdecker) – auch über Jahre hinweg – das kriminelle Talent des Schützlings im Auge behält. Erst wenn sich der Neuling bewährt, wird er in ein abgelegenes Haus gebracht und trifft dort auf mindestens drei Ehrenmänner aus der Sippe. Das älteste anwesende Mitglied deklamiert das Haus als „Ort des Schutzes der Schwachen vor der Willkür der Mächtigen“. Danach sticht er dem Neuling mit einer Nadel in den Finger und lässt das austretende Blut auf ein Heiligenbild tropfen. Das Bild wird angezündet und dem Neuling in die Hände gelegt. Der Neuling lässt das Bild von einer Hand in die andere wandern, bis es ganz vom Feuer verzehrt ist. Dabei schwört er, den Grundsätzen der Cosa Nostra treu zu bleiben. Er gelobt: „Möge mein Fleisch verbrennen wie dieser Heilige, wenn ich diesem meinem Eid untreu werde.“ Das Initiationsritual der Mafia lässt sich wie ein religiöser Ritus in Trennungsphase, Schwellen- phase und Angliederungsphase aufteilen. Im Mittelpunkt der Zeremonie steht der Neuling. Seine physische Verwundbarkeit wird durch den Nadelstich angedeutet. Der Körper ist in seinem Jetzt-Zustand verwundbar, das Verlassen der profanen Welt und der darauffolgende Eintritt in die elitäre Welt der Mafia bekommt hiermit seine Rechtfertigung, ja Notwendigkeit. Das austretende Blut ist zugleich Zeichen für das Leben und die Regeneration. Es impliziert die Möglichkeit einer „Wiedergeburt der Seele“. Die besondere Körpererfahrung während des Rituals mit der Andeutung einer Opfer- und Schmerzsituation hat sakralen Charakter. Sie hebt den Akt der Transformation zum MafiaMitglied in eine spannungsvolle Grenzebene zwischen Religiösem und Säkularem. Der mafiose Initiationsritus kann also zwischen die Kategorien „Kult“ und „Zeremonie“ eingeordnet werden. Ebenso in religiösem Kontext stehen die Heiligenkarte, die dem im Ritual vermittelten Kodex eine höhere Verbindlichkeit gibt, und die Feuersymbolik, die im christlichen Glauben Zeichen für Tod und Wiederauferstehung ist. Am Ende des Schwurs findet sich der Neuling im Status „uomo d’onore“ wieder. Seine neue symbolische Mutter ist die höchste mafiose Instanz: Die „mammasantissima“ (etwa: „heiligste Mutter“). Nach dem Ritual wird der Mafia-Neuling ausgiebig gefeiert. Seite 6 WISSENSCHAFT WISSENSCHAFT LOKALES Seite 7 Über den Initiationsritus der Cosa Nostra Die sizilianische Mafia ist streng genommen knapp 150 Jahre alt. Ihre Geburt geht einher mit der Gründung der italienischen Nationalstaats und der Entstehung einer eigenständigen lokalen Kunstgattung, dem „teatro dialettale moderno“. In dem Debütwerk des „Modernen Dialekttheaters“ taucht der Begriff „Mafioso“ erstmals in seiner kriminellen Bedeutung auf (Seite 7). Doch das Phänomen „Mafia“ ist weit älter: Es findet sich nicht erst in der kriminellen Organisation, sondern ist tief im Wesen des Sizilianers verwurzelt. Mafia ist zunächst einmal eine Geisteshaltung, die sich auf dem soziologischen Konzept der „Sizilianität“ begründet. Außergewöhnlichkeit der sizilianischen Gesellschaft innerhalb der nationalen und europäischen Geschichte begründet.“ Der aus der „Sicilianità“ entstandene und für das Funktionieren der Mafia grundlegende (Sprach-) Code kann nur von Sizilianern instinktiv entschlüsselt werden. Da die Mafia mit Hilfe dieses Codes kommuniziert, ist es NichtSizilianern schwer möglich, ihn zu verstehen oder überhaupt zu entdecken. Vor allem für Touristen, die zwar glauben, an jeder Ecke Siziliens die Mafia in Sonnenbrille und schwarzem Anzug entdecken zu können, bleibt die eigentliche Mafia in der Regel unsichtbar. „Sicilianità“ Unter „sicilianità“ verstehen Soziologen die spezifische sizilianische Denkweise, die sich in der drei Jahrtausende alten, hauptsächlich von Unterdrückung und Ausbeuterei geprägten Geschichte der Insel unbewusst in den Köpfen der Menschen festgesetzt hat. Das Misstrauen des Sizilianers richtet sich gegen alles, was von außen in seine Welt einwirkt. Gegen jede neue Herrschaft (wie die der Phönizier, Griechen, Araber oder Normannen, um nur einige zu nennen), die wie die Herrschaft zuvor Leid und Elend über die Insel bringen wird. In seiner gesamten Geschichte hat das sich ständig neu vermischende, bunte sizilianische Volk nie die Möglichkeit bekommen, eine eigene politische Identität zu finden. Es wurde nie zum „Subjekt seiner Geschichte“. „Sicilianità“ regiert die Köpfe der Sizilianer unbewusst. Ebenso unbewusst findet sie ihren Ausdruck in zwei Phänomenen der sizilianischen Kultur: zum ei- “Sicilianità“ ist – so formulierte es ein sizilianischer Schriftsteller – das „gleichermaßen gewaltige und konfuse Gefühl der Solidarität zwischen Sizilianern“, das sich in einem „radikalisierten Massen-Opfergefühl“ und dem „soziologischen Bewusstsein der nen im Konzept der Mafia, zum anderen aber in der sizilianischen Kunst, insbesondere dem Theater. Mit der Befreiung Siziliens durch Giuseppe Garibaldi im Jahr 1860 war für die Sizilianer der Zeitpunkt gekommen, ihr politisches Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen. Aus dieser Situation heraus entstand das „teatro dialettale moderno“, dessen erstes Stück „I mafiusi di la Vicaria“ das neue politische und kulturelle Selbstbewusstsein der Sizilianer reflektiert. Die in dieser Komödie agierenden Hauptfiguren stellen frühe Mafiosi dar, deren Vorbild die so genannten „Gabelloti“ (von „gabello“ = „Steuer“, „Pacht“) waren, die um die Mitte des 19. Jahrhunderts während der spanischen Besetzung das sizilianische Hinterland unsicher machten. Frühe Mafiosi: „Gabelloti“ überwachen „ihre“ Felder. Die „Gabelloti“ Die „Gabelloti“ waren sizilianische Wächter, die von spanischen Großgrundbesitzern zur Beaufsichtigung ihrer Ländereien abgestellt wurden. Dabei hatten sie nicht nur die Aufgabe, die Latifundien ihrer Dons vor Banditengruppen zu schützen, sondern waren zudem dafür verantwortlich, dass die pachtenden Bauern eine reiche Ernte einbrachten. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, scharten die Wächter eine kleine Miliz von gewalttätigen Banditen um sich. Mit dieser schlagkräftigen Unterstützung machten sie sich auf, von den Bauern zusätzliches „Schutzgeld“ dafür zu verlangen, dass sie selbst und ihre Ernte vor Banditen sicher blieben. Das daraus resultierende zusätzliche „Einkommen“ strich die „Gesellschaft“ selbst ein. Dem eigentlichen Landbesitzer, in der Regel ein spanischer Baron, entglitt die Kontrolle über seine Ländereien immer weiter. Schließlich musste der Don, der sich meist gar nicht persönlich in Sizilien aufhielt, seine Besitztümer den erstarkten neuen „Dons“ bzw. ihrer „ehrenwerten Gesellschaft“ überschreiben. Die Banditengruppen übernahmen dabei nicht nur die Ländereien ihrer adeligen Vorgänger, sondern imitierten diese auch in ihrem Verhalten und in ihren öffentlichen Auftritten. Die neuen Herren über Sizilien waren geboren. Die Sizilianer zollten den neuen „Dons“ und ihren „Parteien“ großen Respekt. Endlich waren es Männer aus den eigenen Reihen, die sie beschützten und führten. Mit der Befreiung Siziliens von den Bourbonen waren die spanischen Dons auf einen Schlag verschwunden. Das nutzten die neuen „Dons“, um ihre Macht in der sizilianischen Gesellschaft weiter auszubauen (s. a. Seite 2). Das Bühnenstück „I mafiusi di la Vicaria” erlangte neben seiner theatergeschichtlichen Tragweite vor allem auch deshalb Bedeutung, da hier zum ersten Mal der Begriff „Mafioso“ in der heutigen Bedeutung auftauchte. Zuvor wurden Mafiosi als „camorristi“ bezeichnet, ihre Organisation hieß noch nicht Mafia, sondern „onoratà società“, „partito“ („Partei“) oder „fratellanza“ („Bruderschaft“). Der Theaterautor Gaspare Mosca wurde angeblich zu seinem Titel inspiriert, als er in Palermo auf der Straße den Ausruf „Chi vurrisi fari u mafiusu cu mia?“ („Willst du etwa den Herrischen mit mir spielen?“) hörte. Der Ausdruck erschien ihm passend für die stolzen und herrischen kriminellen Figuren, die er auf der Bühne darstellen wollte. Durch den Erfolg des Stückes wurde der Begriff zunächst in Italien und dann im Ausland populär. Die spätere Substantivierung „Mafia“ drang Ende des 19. Jahrhunderts auch ins Deutsche, Französische und Englische durch. „Mafia“ – Etymologie Was die Etymologie des Begriffs betrifft, so sind sich die Sprachwissenschaftler weniger einig. Die Interpretationen reichen von einem wahrscheinlicheren arabischen Ursprung des Wortes bis hin zu einer etwas forcierten, historischen Interpretation. So sind die Theorien, die den Begriff mit der so genannten „sizilianischen Vesper“ im 13. Jahrhundert in Verbindung bringen, wohl nur darin begründet, dass die Sizilianer bei der Vertreibung der Franzosen eine ähnliche Geschlossenheit an den Tag gelegt haben wie später bei der Befreiung von den Bourbonen. „Mafia“ soll demnach das Akronym von „Morte Alla Francia l’Italia Anela“ („Wir wünschen Frankreich den Tod! Italien, atme auf!“) sein. Eine andere Theorie bringt „Mafia“ mit dem Slogan sizilianischer Rebellen in Verbindung, der dem verzweifelten Hilferuf einer Mutter nachempfunden ist, deren Tochter von französischen Soldaten entführt wird („Ma fia, ma fia!“ – „Meine Tochter, meine Tochter!“). Eine interessante Deutung ist auch jene, die hinter „Mafia“ eine Freimaurerloge um Giuseppe Mazzini vermutet, die sich mit Giuseppe Garibaldi für die Befreiung Italiens eingesetzt haben soll. Dieser Theorie zufolge ist „Mafia“ ein Akronym aus „Mazzini Autorizza Furti Incendi Avvelenamenti“ („Mazzini genehmigt Überfälle, Brandstiftungen und Vergiftungen“). Von den Verfechtern der „arabischen Theorie“ gibt es vier Interpretationsansätze. Ansatz eins: „Mafia“ stammt von dem arabischen Wort „mahias“, das so viel wie „dreister Kerl“ oder „unverschämter Kerl“ bedeutet. Ansatz zwei: Der Terminus „mafia“ setzt sich zusammen aus dem Partikel „mu“ (arab. „Unversehrtheit“, „Kraft“) und „afah“ (arab. „in Sicherheit bringen“ oder „beschützen“). „Mu afah“ in einem Wort bezeichnet folglich etwas Starkes, das Sicherheit gewährt. Ansatz drei: „Mafia“ lässt sich zurückführen auf einen arabischen Volksstamm, der zur Jahrhundertwende Palermo regierte und sich „Ma afir“ nannte. Mafia, arab. „es existiert nicht“ Die vielleicht spektakulärste Interpretation wird auch von dem ehemaligen Bürgermeister von Palermo und Mafiajäger Leoluca Orlando vertreten: „Mafia“ bzw. „maffia“ bedeutet in der arabischen Umgangssprache so viel wie „er ist nicht da“. Mit langgezogenem „a“ am Ende bekommt der Satz insistierenden Charakter, es heißt dann etwa „Ich habe doch bereits gesagt, dass er nicht da ist.“ Dieses Wort bekamen die Normannen im 11. Jahrhundert von Haustür zu Haustür zu hören, als sie nach der Vertreibung der Araber in den sizilianischen Dörfern nach versteckten Soldaten suchten. Für die Normannen blieb die „Mafia“ ein Rätsel: Sie war überall und blieb dabei doch unsichtbar. Eine Mafia-Sippe rekrutiert ihren Nachwuchs im eigenen Wohnviertel. Auf der Wunschliste ganz oben stehen junge VollblutSizilianer, die sich nach darwinistischen Grundsätzen der Stärke und Durchsetzungsfähigkeit von der Masse abheben. Ist ein Kandidat erspäht, durchläuft er unbewusst eine Beobachtungsphase, in welcher sein „padrino“ („Pate“, der Entdecker) – auch über Jahre hinweg – das kriminelle Talent des Schützlings im Auge behält. Erst wenn sich der Neuling bewährt, wird er in ein abgelegenes Haus gebracht und trifft dort auf mindestens drei Ehrenmänner aus der Sippe. Das älteste anwesende Mitglied deklamiert das Haus als „Ort des Schutzes der Schwachen vor der Willkür der Mächtigen“. Danach sticht er dem Neuling mit einer Nadel in den Finger und lässt das austretende Blut auf ein Heiligenbild tropfen. Das Bild wird angezündet und dem Neuling in die Hände gelegt. Der Neuling lässt das Bild von einer Hand in die andere wandern, bis es ganz vom Feuer verzehrt ist. Dabei schwört er, den Grundsätzen der Cosa Nostra treu zu bleiben. Er gelobt: „Möge mein Fleisch verbrennen wie dieser Heilige, wenn ich diesem meinem Eid untreu werde.“ Das Initiationsritual der Mafia lässt sich wie ein religiöser Ritus in Trennungsphase, Schwellen- phase und Angliederungsphase aufteilen. Im Mittelpunkt der Zeremonie steht der Neuling. Seine physische Verwundbarkeit wird durch den Nadelstich angedeutet. Der Körper ist in seinem Jetzt-Zustand verwundbar, das Verlassen der profanen Welt und der darauffolgende Eintritt in die elitäre Welt der Mafia bekommt hiermit seine Rechtfertigung, ja Notwendigkeit. Das austretende Blut ist zugleich Zeichen für das Leben und die Regeneration. Es impliziert die Möglichkeit einer „Wiedergeburt der Seele“. Die besondere Körpererfahrung während des Rituals mit der Andeutung einer Opfer- und Schmerzsituation hat sakralen Charakter. Sie hebt den Akt der Transformation zum MafiaMitglied in eine spannungsvolle Grenzebene zwischen Religiösem und Säkularem. Der mafiose Initiationsritus kann also zwischen die Kategorien „Kult“ und „Zeremonie“ eingeordnet werden. Ebenso in religiösem Kontext stehen die Heiligenkarte, die dem im Ritual vermittelten Kodex eine höhere Verbindlichkeit gibt, und die Feuersymbolik, die im christlichen Glauben Zeichen für Tod und Wiederauferstehung ist. Am Ende des Schwurs findet sich der Neuling im Status „uomo d’onore“ wieder. Seine neue symbolische Mutter ist die höchste mafiose Instanz: Die „mammasantissima“ (etwa: „heiligste Mutter“). Nach dem Ritual wird der Mafia-Neuling ausgiebig gefeiert. PA N O R A M A Tony Soprano bei der Arbeit. Was hat Sie an der Rolle gereizt? James Gandolfini: Das Drehbuch war total bizarr, aber sehr gut geschrieben. In der einen Minute muss man lachen, in der nächsten spritzt das Blut. Wie im richtigen Leben: Man weiß nie, was einen erwartet. Das Drehbuch war mal etwas anderes. David Chase, Drehbuchschreiber und Produzent, ist auch in New Jersey aufgewachsen. Er weiß, was dort läuft. Seine Geschichten sind echt und voller Leben. Denn als Kind hat er sie dort erlebt. Was unterscheidet diese Serie von anderen Fernsehserien? JG: Der Zuschauer erlebt eine Familie, die er sonst nie kennen lernen würde. Wie soll ich es beschreiben? Also Dominic zum Beispiel ist über 65 Jahre alt und rennt den Weibern hinterher. Welche Serie zeigt so etwas? Das ist das Geheimnis der Serie: Wir zeigen Dinge, die andere sich nicht trauen würden. Wie würden sie Tony beschreiben? JG: Er ist schon eine tragische Figur. Immer wenn er denkt, dass er das Richtige tut, dann ist es hundertprozentig nicht richtig. In der einen Episode jagt er das Restaurant seines Freundes in die Luft, nur um zu verhindern, dass jemand erschossen wird. Ja, so denkt Tony eben. Er macht immer alles schlimmer, als es eh schon ist. Was ist sein Dilemma? JG: Dass er eine Familie hat. Er hat Kinder. Als seine Tochter anfing, Fußball zu spielen, musste er sich mit dem Fußballtrainer auseinander setzen. Er hat einfach zu viele Probleme neben seiner Arbeit mit der Mafia. Seine richtige Familie macht ihm fast mehr Scherereien als seine MafiaFamilie. Und genau hier entsteht die Komik des Ganzen. Immer Seite 8 wenn Tony gerade ein Feuer gelöscht hat, dann brennt es auf der anderen Seite. Diese Rolle ist schon ein bisschen komisch: Seine Mutter macht Tony fertig, seine Freunde machen ihn fertig, seine Familie macht ihn fertig ... Was ist Ihre Lieblingsepisode? JG: Hmm, ich glaube „College“ mit meiner Tochter Meadow. Tony ist mit seiner Tochter unterwegs, um sich ein College anzusehen. Da trifft er auf einen Typen, der noch auf seiner Abschussliste steht. Also muss er seine Tochter loswerden, den Typen finden und ihn umbringen. Die Mafia faszinierte die Zuschauer schon immer. Woran mag das liegen? JG: Die Leute stehen einfach auf Gesetzlose. Die Mafia ist auch ein Haufen von Gesetzlosen und Untreuen. © Home Box Office, a Division of Time Warner Entertainment Die wichtigsten Gruppierungen der Mafia Der Begriff „Mafia“ ist streng genommen eine literarische Schöpfung. Jede von dem Phänomen betroffene Region hat einen anderen Namen für die „ehrenwerte Gesellschaft“. „Cosa Nostra“: Der Begriff bedeutet wörtlich übersetzt „Unsere Sache“ und meint sowohl die sizilianische als auch die von sizi- lianischen Immigranten Ende des 19. Jahrhunderts gegründete italoamerikanische Mafia. „Camorra“: Die ursprünglichste Bezeichnung für das Phänomen „Mafia“ bedeutet wörtlich „Streit (suchen)“ und betitelt heute vor allem die Mafia in Kampanien. Hauptstadt der Camorra ist Neapel. „N’Drangheta“: Der Begriff meint die „ehrenwerte Gesellschaft“ Kalabriens. Das Zentrum der „N’Drangheta“ liegt in der Provinz Crotone. „Sacra Corona Unita“: Die „Heilige vereinigte Krone“ ist die jüngste Gruppierung der Mafia. Sie wirkt vor allem in Apulien (Hauptstadt: Bari). Premiere Fernsehen GmbH & Co.KG, Medienallee 4, 85774 Unterföhring, info.premiere.de Herausgeber: Premiere Fernsehen GmbH & Co. KG, Medienallee 4, 85774 Unterföhring. V.i.S.d.P.: Dirk Heerdegen Konzept: Tobias Tringali Redaktion: Tobias Tringali, Conny Schwarz-Franzen Episodenguide: Nicola Haake Layout: Martin Bassler Bildredaktion: Barbara Kramer Fotos: TM& © 2005 Warner Bros Entertainment Inc. All Rights Reserved.