Leberenzymerhöhung
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Leberenzymerhöhung
Guideline Leberenzymerhöhung Erstellt von: Simone Erni Zuletzt revidiert: Oktober 2009 Ca. 2,5% der Bevölkerung hat leicht erhöhte Transaminasen ohne Leberkrankheit; umgekehrt kann eine chronische Lebererkrankung mit normalen Transaminasen einhergehen (z.B. chron. Hepatitis C, nichtalkohol. Fettlebererkrankung, Hämochromatose). Die Normwerte für jede Laboruntersuchung berücksichtigt die Normalverteilung bei einer gesunden Population und legt die Grenzwerte bei +/- 2 Standardabweichungen fest. Dies bedeutet, dass man bei 2,5% der Gesunden erhöhte Werte finden wird und bei 2,5% der Kranken falsch tiefe Werte. Weiter muss bei der Interprätation erhöhter Transaminasen berücksichtigt werden, dass ebenfalls Geschlecht und BMI die Höhe der Transaminasen beeinflussen. Das Ausmass der Leberwerterhöhung korreliert nur schlecht mit dem Schweregrad der Lebererkrankung und lässt auch keine klaren Rückschlüsse auf die Aetiologie zu. Leberenzyme: Transaminasen (AST=GOT bzw. ALT=GPT): Sind erhöht bei Leberzellmembranschaden. GOT ist nicht leberspezifisch, bei isoliertem Anstieg extrahepatische Ursache wahrscheinlicher. GPT leberspezifisch! GOT kann auch durch angeborene Muskelerkrankungen und extreme Körperaktivität erhöht sein. Bei muskulärem Ursprung ist auch die Creatininkinase deutlich erhöht. Bei einer viralen Hepatitis besteht keine Korrelation zwischen Leberzellschaden bzw. Schwere der Lebererkrankung und Transaminasenhöhe. Nur ein Quotient GOT/GPT >1 ist prognostisch ungünstig. Starke Erhöhung der Transaminasen (>10-fach): akute Virushepatitis, Autoimmunhepatitis, akute toxisch, ischämische oder hypoxische Leberschädigung Mässige Erhöhung (5-10-fach): Autoimmunhepatitis, alkoholbedingte Hepatitis Milde Erhöhung (<5-fach): chron. Virushepatiden, Leberzirrhose, nichtalkohol. Fettlebererkrankung, Hämochromatose, Lebertumoren Normale Transaminasen möglich bei: Hämochromatose, chron. Hepatitis B und C, Methotrexat oder Amiodaron-induzierte Hepatitis, nichtalkoholische Fettlebererkrankung Quotient GOT/GPT: Norm 0,8; GOT/GPT >1 weist hin auf alkohol Hepatitis/Zirrhose oder bei bek. NASH, Hepatitis B od. C Hinweis für Auftreten einer Zirrhose Seite 1 von 7 Gamma-GT: Erhöhung als Zeichen für erhöhte Entgiftungsfunktion und/oder Gallenwegserkrankung. Eine geringe Erhöhung kann, muss aber nicht auf einen Alkoholmissbrauch hinweisen, sondern kann auch auf eine genetische Enzymvariante oder eine geringe Steatose zurückzuführen sein. Ist Gamma-GT im Vergleich zur alk. Phosphatase disproportional stark erhöht, spricht dies für eine alkohol. Leberschädigung. => nur als Ergänzungsuntersuchung zu erhöhter alk. Ph. oder GOT:GPT > 2 sinnvoll Alkalische Phosphatase: Ist nicht leberspezifisch; Ursprung Leber und Knochen. Zeichen für Cholestase. Ist alkal. Phosphatase erhöht, so soll mittels Gamma-GT Leberursprung bestätigt/ausgeschlossen werden. Erhöhte Werte können normal sein im letzten Schwangerschaftstrimenon (plazentarer Ursprung) und in starker Wachstumsphase im Kindesalter. Ursachen der Leberenzymerhöhung: Hepatische Ursachen: Extrahepatische Ursachen: Alkoholbedingte Lebersteatose/-steatohepatitis Nichtalkoholische Lebersteatosis /-steatohepatitis (NASH) Virushepatiden (Hep. A, B, C, D, E; EBV, CMV, Herpesviren, Enteroviren, Coxsacki-Viren…) Medikamente Hömochromatose Autoimmune Lebererkrankungen (Autoimmunhepatitis, primär biliäre Zirrhose, sklerosierende Cholangitis) M.Wilson Alpha-1-Antitrypsinmangel Makro-ASAT Zöliakie Hyper-/Hypothyreose Nebenniereninsuffizienz Schlaf-Apnoe-Syndrom Herz-, Skelettmuskelerkrankung (z.B. Polymiositis), starke körperliche Anstrengung Nieren-,Myokardinfarkt, Herzinsuffizeinz, LE, Infektionskrankheiten (Begleithepatiden) Anorexia nervosa Seite 2 von 7 Spezielle Anmerkungen zu einzelnen Krankheitsbildern: Alkohol bedingte Lebererkrankung: Typisch, aber nicht beweisend, ist ein Verhältnis von GOT:GPT > 2 (90% Spezifität, bei 3:1 96% Spezifität). Die Spezifität nimmt noch zu, wenn gleichzeitig die GammaGT auf das 3-fache erhöht ist. Eine isolierte Gamma-GT ist hingegen kein zuverlässiges Zeichen eines Äthylkonsums. Zusätzlicher serologischer Hinweis auf eine äthylische Genese können auch eine Makrozytose und eine Thrombopenie sein. (arbiträrer Grenzwert für schädlichen Alkoholkonsum: 20g für Frauen und 30g für Männer = 2-4dl Wein pro Tag) CDT relativ unspezifisch, damit positiver Test muss während 1 Woche > 60g Alkohol täglich getrunken werden, dies entspricht ca. 1 Flasche wein täglich! Bereits nach 2 wöchiger Alkoholkarenz ist der CDT-Wert wieder negativ! Medikamente: Praktisch alle Medikamente können eine Transaminasenerhöhung machen. Am häufigsten sind: Paracetamol (speziell in Kombination mit übermässigem Alkoholkonsum) NSAR, Antibiotika, Antiepileptika, Statine, Sulfonylharnstoffe, Antituberkulostatika, Isotretinoin, Anabolika, Cocain, Ecstasy, Leime und Lösungsmittel (Schnüffler), Cave: auch pflanzliche Produkte! Diagnose über Auslassversuche. Chronische Hepatitis Hepatitis C: Anti-HC-IgG (Sensitivität von 92-97%). Bestätigung mit HC-RNA. Falls positiv: Leberbiopsie zur Bestimmung des Leberschadens. Hepatitis B: Persistenz von HBs-Ag > 6 Mo : Chronische HB. Virusaktivität durch HBe-AG, Anti-HBe-IgG und HB-DNA bestimmen. Bei pos. HBe-AG und HB-DNA soll eine Leberbiopsie durchgeführt werden. Eine durchgemachte HB zeigt sich in pos. Anti-HBc-IgG und Anti-HBs-IgG. Autoimmune Lebererkrankungen • Autoimmunhepatitis: Frauen : Männer = 4:1. Laborchemisch initial v.a. erhöhte Transaminasen. Erhöhte IgG, Autoantikörper (ANA...). Bestätitung durch Leberbiopsie. Serologische Spezialuntersuchungen haben eine tiefe Sensitivität. • Primär Biliäre Zirrhose: Langsam progredient. Frauen : Männer = 9 : 1. Laborchemisch v.a erhöhte AP und GGT (Cholestase) und antimitochondriale AK. 60% asymptomatisch! Häufig assoziiert mit anderen Autoimmunerkrankungen. • Sklerosierende Cholangitis: Frauen : Männer = 3 : 7. Laborchemisch v.a. erhöhte Cholestaseparameter (GGT, AP). Keine spezifische Assoziation mit Autoantikörper! In 75% begleitend ulzeröse Colitis. Seite 3 von 7 Steatose und nichtalkoholische Steatohepatitis Die nicht-alkoholische Fettlebererkrankung ist heutzutags wohl die häufigste Lebererkrankung (40% der Personen in Industrieländern haben eien Fettleber!!). Die Transaminasen sind meist weniger als 4fach erhöht, GOT/GPT meist < 1. Steatose kann im Ultraschall oder CT bestätigt werden. Die hepatische Steatose verläuft benigne, die nichtalkoholische Steatohepatitis ist eine der häufigsten Ursachen der Zirrhose mit nachfolgender Lebertransplantation. Therapie: Gewichtsreduktion. Haemochromatose Eine Transferrinsättigung (Serum-Eisen/totale Eisenbindungskapazität) von >60% bei Männern und >50% bei Frauen weist auf eine Haemochromatose hin (cutoff bei > 45 % führt zu vermehrt falsch positiven resultaten!). Ferritin ist als Akutphasenprotein nicht spezifisch. Diagnose über Leberbiopsie (Eisenüberladung), aussagekräftigste Untersuchung. Variante: Genomnachweis. Wilson's disease Selten, autosomal rezessiv, manifestiert sich im Kindesalter als Lebererkrankung und nach dem 12. Lebensjahr zusätzlich als neurologische Erkrankung. Beginnt meist zwischen 5 und 25 Jahren. Diagnose bis zum 40. Altersjahr in Erwägung ziehen. Erniedrigte Serum-Coeruloplasminwerte bestätigen durch erhöhte Kupferausscheidung im 24-Stunden-Urin. Diagnose durch Leberbiopsie (erhöhter Kupfergehalt) bestätigen. Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Selten. Deutlich erniedrigte Alphaglobuline in der Eiweisselektrophorese. Folgetest: Alpha-1-Antitrypsin im Serum bestimmen, kann allerdings entzündungsbedingt erhöht sein. Leberbiopsie mit histologischem Nachweis von Alpha-1-AntitrypsinAblagerungen. Phenotyp-Bestimmung. Leberschädigung nur beim ZZ-Phänotyp (homozygot schwere Form), ansonsten Lungenkrankheit im Vordergrund. Makro-ASAT Enzyme binden an Immunglobulin, was zu einer Erhöhung der Aktivität im Serum führt. Gut beschriebenes Phänomen, bei dem auch Erhöhung von Amylase, CK, LDH und manchmal der ASAT zu beobachten sind. Prognose ist sehr gut. Diagnostik bei Transaminasenerhöhung: Es gibt keinen Konsens über den kosteneffektivsten Abklärungs-Algorithmus. Da oftmals mehr als eine Ursache für die Transaminaseerhöhung vorliegt, empfiehlt sich heute meist ein Screening auf die häufigsten Lebererkrankungen gleichzeitig durchzuführen, falls nicht ein deutlicher klinischer Hinweis auf eine einzelne der obengenannten Ursachen besteht. Seite 4 von 7 Möglicher Abklärungsalgorithmus: 1. Schritt: Als erste Massnahme sollte bei einer Erhöhung der Transaminasen ohne anamnestisch oder klinisch klar ersichtlichen Grund, potentiell hepatotoxische Medikamente oder Alkohol vorübergehend abgesetzt werden und die Transaminasen kontrolliert werden. Bei asymptomatische Patienten mit erhöhten Leberenzymen soll zuerst die Bestimmung wiederholt werden. Persistieren die erhöhten Werte über 6 Monate, sollte auch eine leichte Transamianseerhöhung abgeklärt werden (Studie aus Korea zeigt, dass bereits hochnormale Transaminasenaktivität mit einer erhöhten hepatischen Mortalität verbunden ist). Nach ausführlicher Anamnese ( insbes. aktive Frage nach Alkohol, Drogen, Medikamente, auch nicht verschreibungspflichtige Präparate wie Phytotherapeutika oder Stärkungsmittel, Beruf, Hobbis, Reisen, Tierkontakten...) und klinischer Untersuchung (Lebergrösse, Milzpalpation, Aszites, Leberstigmatas...) wird empfohlen in einem ersten Schritt folgende Laboruntersuchungen zu machen: • Leberwerte: GGT, GOT, GPT, alk. Ph. (ev. Albumin, Bili, INR) • Hämatogramm • Screening Virushepatitis: Hep. A-IgG/M, Anti-HC-IgG (allerdings erst 4-5Mo nach Erkrankungsbeginn positiv!; diagnostische Lücke!), HBs-Ag und anti-HBc IgG/M (HBs-Ag ist in 10% der Fälle nicht nachweisbar, Anti HBc-IgM immer positiv bei akuter H.; in den Fällen, bei denen HBs-Ag überhaupt nicht nachweisbar ist sowie im sog. Diagnostischen Fenster (Zeitspanne zw. Verschwinden der HBs-Ag und Auftreten der Anti-HBs) ist Anti-HBc-IgM der einzige Nachwes einer akuten Hepatitis) (alle weiteren Hepatitis-B-Tests können später gemacht werden, falls der Befund positiv ist) • Lipidwerte und Glukose mit der Frage nach metabolischem Syndrom • totale Eisenbindungskapazität und Serumeisen => Berechnung der Transferrinsättigung Ferritin eher nicht als initialer Screeningtest, da Akutphasenprotein und deswegen weniger Spezifisch wie Transferrinsättigung. Falls Ferritin dann nur zs mit CRP! Ferritin>400 bei Männern bzw. > 300 bei Frauen bei normalem CRP sind supsekt für Hämochromatose Radiologische Bildgebung: Ultraschall, CT oder MRI Frage nach Grösse und Form der Leber, fokale oder homogene Fettleber, Leberzirrhose, Tumor, Cholestase Ultraschall ist weniger sensitiv als CT und MRI, aber kostengünstiger. Bei unklar erhöhten Leberenzymen gehört sicherlich zu einem relativ frühen Zeitpunkt im Abklärungsalgorhytmus eine Ultraschalluntersuchung dazu, weitere Bildgebung je nach Fragestellung. Seite 5 von 7 2. Schritt: Findet sich in den oben genannten Tests keine Ursache für die erhöhten Leberwerte müssen auch extrahepatische Ursachen (v.a. Muskel- und Schilddrüsenerkrankungen) ausgeschlossen werden: • TSH, fT4, Antigliadin- und Transglutaminase-AK, Nüchtern-Kortisol • CK (Muskelerkrankungen) • Klin. Herzinsuffizienzzeichen (ev. BNP) • ESP-Score (Schlaf-Apnoe-syndrom) 3. Schritt: In einem 3. Schritt nach Ausschluss extrahepatischer Ursachen sollen dann noch nach selteneren hepatischen Erkrankungen gesucht werden durch Bestimmung von: • Serumcoeruloplasmin bei Pat. unter 40 J. (tiefe Werte weisen auf Wilson's disease hin) • Eiweisselektrophorese (erhöhte polyklonale Immunglobuline weisen auf eine Autoimmunhepatitis, deutlich erniedrigte Alphaglobulinwerte auf eine Alpha-1Antitrypsin-Mangel hin.) 4. Schritt: Leberbiopsie Die Biopsie steht bei der Abklärung erhöhter Transaminasen nicht im Vordergrund und sollte grundsätzlich nur bei speziellen Fragestellungen durchgeführt werden bzw. bei Patienten, bei welchen alle obigen Teste negativ ausfielen. Bleiben die Transaminasen konstant über dem doppelten Normwert erhöht, so kann in diesen speziellen Fällen eine Leberbiopsie evaluiert werden. Es findet sich allerdings selten ein diagnostischer Gewinn. Seite 6 von 7 Quelle: Transaminasenerhöhung-Differentialdiagnose und Abklärung, Praxis 2008; 97: 587 – 596 P.M. Lepper, J. –F. Dufour, Erhöhte Transaminasen – wie weiter, wenn bereits ales gesucht wurde?, Praxis 2008; 98: 330 – 334 Up To Date 2009 Pratt D., Evaluation of abnormal Liver-Enzyme Results in Asymptomatic Patients, NEJM, April 27, 2000, Vol. 342, Nr. 17, S. 1266-71 Seite 7 von 7