Der letzte WM

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Der letzte WM
[TSP_PR60: TSP_04-SONDERTHEMEN-BEILAGEN <SONDER_R12> ... 08.07.06]
012 FANBLOCK
STEIL Pass
Pfeilewerfen
live aus der
Eckkneipe
Philipp Köster verlängert
eigenhändig die Fanmeile
Gestern machte ich
den Fernseher an
und sah Klaus Wowereit in der ARD.
Das ist an und für
sich noch nichts Besonderes,
denn
Klaus Wowereit ist ja derzeit überall. Auf der Fanmeile, in Steglitz, im
Radio, im Rathaus, in der ARD. Ich
bin sicher, Klaus Wowereit hat inzwischen auch einen Helikopter
wie Franz Beckenbauer.
Auf jeden Fall war Wowereit in
der ARD richtig gut gelaunt. Hat er
aber auch allen Grund dazu. Die
WM hat schließlich von vorne bis
hinten prima funktioniert, und was
man so hört, ist der Zuschlag für
die Olympischen Spiele 2016 ja
auch nur noch eine Formsache. Das
ist allerdings noch verdammt lang
hin, mehr als 3500 Tage. Durchfeiern macht also keinen Sinn, spätestens im Winter würde es wahrscheinlich ein bisschen ungemütlich auf der Fanmeile.
Obwohl mir ja auf Anhieb fünf,
sechs Sportarten einfallen würden,
die in Berlin noch größere Massenhysterie auslösen könnten als der
Fußball. Dart zum Beispiel ist ein
Sport, dessen Potenzial völlig unterschätzt wird, bloß weil bevorzugt in
rauchigen Eckkneipen und mit Pilsblume in der Hand mit Pfeilen geworfen wird.
Wenn sich nun aber Klaus Wowereit ins Zeug legen würde, könnte
er doch die Dart-WM 2007 nach Berlin holen. Dann könnte wieder eine
Fanmeile eingerichtet werden, alle
Partien würden aus der Kneipe
„Schultheiss-Eck“ auf Großbildleinwände übertragen, Franz Zander
singt die offizielle Hymne „Wirf um
dein Leben“ (Arbeitstitel), und auf
der Fanmeile bejubeln Hunderttausende jeden Treffer ins Bullseye,
Das werden tolle Wochen. Gleich
anschließend dann die WM im Eisstockschießen, die WM im Bowling,
die Boccia-WM. Und dann sind
auch schon Olympische Spiele.
Autor:S_WILMS
www.tagesspiegel.de /wm2006
10.07.06
Sonnabend, den 8. Juli 2006
Der letzte WM-Gegner
Gerd Dembowski ist das schlechte Gewissen unter den Fußballfans in Deutschland. Jahrelang war er Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans (B.A.F.F.). Der Soziologe, Jahrgang 1972, organisierte zur WM die Ausstellung „Heimspiel
2006“. Sie richtet sich an Fußballfans und -gegner, die eines gemeinsam haben: Sie sind gegen die WM.
Gerd Dembowski, Deutschland
zieht Bilanz über die WM und ist begeistert. Ziehen Sie mit?
Nein, ein gutes Abschneiden der
deutschen Mannschaft hatte ich
erwartet, die Euphorie in dem
Maße natürlich nicht. Allerdings
kann ich mich an beidem nicht erfreuen. Unser Ziel war, auf Missstände rund um die WM hinzuweisen, und die sind geblieben.
Sie liefen wochenlang mit einem
„Scheiß-WM“-T-Shirt herum, stellten eine Ausstellung auf die Beine,
die künstlerisch die WM kritisiert.
Warum?
Wir wollen mit der Ausstellung
zeigen, dass die WM ein Einfallstor für gesellschaftliche Trends
sein kann, gegen die wir etwas unternehmen wollen: Nationalismus, Kommerzialisierung und Sicherheitspolitik in Form von unkontrollierter Überwachung.
Die Fans feiern friedlich ihr Land,
und Gewalttaten sind bislang die
absolute Ausnahme geblieben. Sie
könnten zufrieden sein.
Es stimmt. Der so genannte „friedliche Nationalismus“ kommt weniger aggressiv daher, als ich gedacht hätte. Dennoch halte ich
jede Form von Nationalismus für
gefährlich, weil er immer die ausgrenzt, die ihn nicht teilen.
Die WM als Trauerspiel? Foto: promo
Ist die WM nicht eine Chance für
ein friedliches Miteinander verschiedener Kulturen?
Vor der WM warfen Politiker
Ausländern Integrationsverweigerung vor, jetzt freuen sie sich über
Türken mit Deutschlandfahnen.
Mal sehen, wie lange sie die Fahnen schwenken. Ich glaube, sie
tun es, weil die WM in Deutschland ist. Sie wollen zeigen, sie gehören hierher.
Und warum können sich auf einmal so viele für die Nationalmannschaft begeistern?
Fußball gibt die Möglichkeit, in einer Riesenmasse gleichwertig zu
sein. Der gemeinsame Bezugspunkt ist gerade bei Menschen
wichtig, die sich sonst als Verlierer fühlen. In der individualisierten Gesellschaft sind diese Erlebnisse selten. Deswegen sind die
Fanmeilen wohl ähnlich beliebt
wie die Stadienbesuche.
Was ist das Besondere, der Unterschied bei Länderspielen?
Die Nationalmannschaft ist natürlich ein größerer Bezugspunkt als
der Verein. Sie bietet auch Menschen die Möglichkeit, an einem
Großereignis teilzuhaben, die
sich nicht für Fußball interessieren, die einfach dabei sein wollen.
Fußball lebt von der Identifikation
mit einem Team, bei der WM ist es
das Land. Haben sie kein Verständnis für diese Euphorie?
Die Frage ist, was nach der
WM vom neuen Patriotismus übrig bleibt. Denken die Menschen
bei der Deutschland-Fahne an die
Nationalmannschaft und Party?
Das halte ich für naiv. Oder wird
der Fußball genutzt für ein politisches Anliegen? Wenn Gerhard
Mayer-Vorfelder sagt, man habe
das Volk näher an nationale Symbole in einem friedlichen Nationalismus gebracht, hat das wenig
mit Fußball zu tun.
Was wird sonst von der WM bleiben?
Die WM ist ein Seismograf für gesellschaftliche Trends. Fußball
war bei der WM Spektakel pur,
im Bundesligaalltag kommen hoffentlich die alten Fanstrukturen
zurück, die echte Fußballatmo-
„Deutschland die Luft rauslassen“.
Foto: promo
Ist das Partypatriotismus?
sphäre erzeugen. Es bleiben in jedem Fall die Stadien, bei denen
wir die neuen Möglichkeiten der
Überwachung anprangern. Dies
gilt auch für die Privatisierung
des öffentlichen Raumes wie bei
den Fanmeilen, wo Fans gefilmt
wurden, ohne es zu wissen.
Welche Resonanz haben sie auf
Ihre Ausstellung bekommen?
Bei der Eröffnung kamen 500 Besucher, an den anderen Tagen
etwa 60 pro Tag. Anfangs dachte
ich, Zustimmung und Ablehnung
der WM wären fifty-fifty. Jetzt
sind wir wohl deutlich in der Unterzahl. Zum Glück ist das Turnier bald vorbei. Dann können
sich die Menschen mit den wesentlichen Dingen beschäftigen,
die durch die WM verdrängt wurden. Und dann beginnt der Ligaalltag. Darauf freue ich mich.
Das Gespräch führte
Stefan Tillmann.
Vollblutitalienerin mit Humor
Foto: Reuters
Die Spielerfrauen in der Geschichte der deutschen Nationalmannschaft. Heute, zu Ehren des
italienischen Finalisten, eine Ausnahme: Francesco Tottis Ehefrau Ilary Blasi
Vom Glücksrad nach San Remo: Tottis Gattin Ilary Blasi.
Als Francesco Totti und Ilary Blasi
im Sommer 2005 heirateten, wurden römische Straßen gesperrt,
säumten Tausende die Bürgersteige,
die Trauung wurde live im Fernsehen übertragen. Ein TV-Tanzmädchen heiratet den Fußballstar – eine
schillernde Liaison, wie geschaffen
für Italiens bunte Blätter.
Zumal auch Blasis Karriere nach
der Heirat erst so richtig Schwung
bekam. War sie zuvor nur im Bikini
durchs Bild gehüpft und hatte Buch-
staben in einer Art Glücksrad-Show
umgedreht, stieg sie nun zur Fernsehmoderatorin auf und durfte inzwischen sogar beim Musikfestival
in San Remo die lächelnde Assistentin geben.
Ja, die Italiener lieben Blasi. Weil
sie äußerlich wie charakterlich dem
Klischee der Vollblutitalienerin entspricht, weil sie nicht allein das hübsche Anhängsel des berühmten Gatten sein möchte. Und vor allem, weil
sie sich wie Totti selbst nicht allzu
ernst nimmt. Nachdem zahlreiche
Witze über den vermeintlich einfach
gestrickten Totti kursierten, hatte
die Fußballerikone kurzerhand
selbst ein Kompendium mit den
schönsten Totti-Gags herausgebracht. Im zweiten Band durfte
dann auch Blasi mittun und Partnerin hübscher Dialoge wie dem folgenden sein. Sagt Blasi: „Liebling,
liebst du mich, liebst du wirklich?“
Sagt Totti abgeklärt: „Immer mit der
Ruhe, eine Frage nach der anderen!“
14:59
[TSP_PR60: TSP_04-SONDERTHEMEN-BEILAGEN <SONDER_R13> ... 08.07.06]
Autor:S_WILMS
FANBLOCK
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Sonnabend, den 8. Juli 2006
Pool-Novellen (VI)
rosso, als Grosso einschoss,
wusste ich, dass esein schwerer Gang werden würde. Gestern
bestieg ich das letzte Mal meinen
Schwimmmeister-Stuhl
im
Schlosshotel-Grunewald. Ich sah
über meinen Pool, still war das
Wasser, in der Ferne in einer
Laube alle Spieler zur endgültig
letzten Besprechung.
JessesMaria, nur noch90 Sekunden! Wo war denn nur der Fußballgott? Warum denn ausgerechnet
die Italiener?! „Lieber Fußballgott“, rief ich durch den Grunewalder Spa-Bereich, „warum kommen
denn bloß die Italiener ins Finale,
die müssen doch alle ins Gefängnis? Manipulieren zu Hause in Turinundin Mailand andeinerSchöpfung herum, und du lässt in der
119. Minute Grosso einschießen??
Bist du etwa Juve- oder Milan-Fan?? Sie haben deine Macht
des Schicksals auf der höchsten
Ebene der Serie A beleidigt, und
du gibst uns Grosso aus Palermo?!
Na,hörmal, diesegegelten Heulsusen-Mafiosis, fallen ständig hin,
kriegen Elfer in der 96. Minute
(Totti!), sperren Frings durch’s
Mailänder Pay-TV (Unglaublich!!!), und du kommst mit Grosso
um die Ecke! Pino, mein italienischer Wirt, weißt du, was ich dem
vor’m Spiel gesagt habe? Pizza
endstazione! Pasta la Basta! Ciao
Pino. Und rate mal, was mir Pino
am Tag danach an den Kopf geknallt hat? Bonjourno Moritz,
möchtest du heute Kartoffeln?
Frechheit!!Nur wegen deinem blöden Grosso! Haben wir dir nicht einen deutschen Papst geschickt?!
So, jetzt schick ich dir Zizou, der
wird dir und Pino zeigen, wo der
Hammer hängt!“
WolauterErregungundaufbrausendem Atheismus wackelte mein
Schwimmmeister-Stuhl, und es vibrierte die deutsche Fahne und
auch die von Ghana, die ich ja für
meinen Freund Asamoah angebracht hatte.
Freunde von mir behaupten, ich
hätte mich überhaupt sehr gewandelt in den letzten WM-Wochen,
zum Positiven hin! Nicht mehr dieser durch 68er-Eltern geimpfte nationale Bedenkenträger, der selbst
Moritz Rinke, 38, lebt als Schriftsteller in Berlin und spielte als
Stürmer für Deutschland bei der LiFoto: Hennig
teraten-WM.
noch beim geilen Neuville-Tor
deutschen Jubel und deutsche Historie irgendwie im Lot halten
wollte und der seine erste deutsche Fahne auch nur heimlich
beim türkischen Gemüsehändler
kaufte und in einer Tüte nach
Hause trug. Nein, man hätte mich
mal jetzt im Dortmunder Stadion
sehen sollen! 118 Minuten stehend! Arm in Arm mit sächsischen
Oberprolls, da hätte das Feuilleton
aber gestaunt, nur in der 119. Minute, da wollte ich dann mal ganz
alleine sein.
Natürlich hat auch meine Tätigkeit am deutschen Pool zur Wandlung beigetragen. Klinsmann hat ja
allen im Umfeld der Mannschaft
das Gefühl vermittelt, die Sache
mitzutragen, auch Verantwortung
für das Ganze zu haben. Die Ergänzungsspieler hielten flammende
Reden; Kahn, der einstige Titan,
wurde zum guten Geist vom Grunewald; Asamoah legte vor jedem
Spiel super Rhythmen auf – und
ich, ich legte die deutschen Badehandtücher zusammen. So fühlte
auch ich mich als ein Baustein des
Ganzen.
Ich habe hier immer in allen Novellen ein Detail unterschlagen,
weil ich damit nicht angeben
wollte, vielleicht aber auch, um
das ganz große Geheimnis von
Klinsmann zu wahren bis zum
Schluss. Jeden Morgen nämlich,
wenn ich meinen Dienst am Pool
antrat, schwamm Klinsmann
schon, das ist natürlich noch nicht
das Geheimnis, sondern jetzt
kommt’s. Er sprang dann locker
ausdemWasser, ichreichte ihmso-
fort eines meiner Badehandtücher, und Klinsmann sagte jeden
Morgen: „Danke. Das machst du
sehr gut!“
Jürgen Klinsmann hat das Lob
wieder in dieses Land gebracht.
Jahrzehnte lang haben wir uns
nicht mehr richtig gelobt, haben
auf die vermeintlich kleineren
Jobs heruntergesehen oder uns für
das vermeintlich Kleine als zu bedeutend empfunden und haben
uns dabei nur um uns selbst gedreht.Sowurden wir zueinemegoistischen, bewegungslosen und in
derGesamtheit kraftlosen,reformlosen und mutlosen Land.
Als ich Klinsmann zum siebten
Mal das Badehandtuch reichte und
er zum siebten Mal sagte „Das
machst du sehr gut!“, da ging ein
Ruck durch mich. Ja, ein Ruck
durch mich, durch’s Badehandtuchund dann durch’s ganze Land!
Lob der kleineren Dinge
Natürlich habe ich noch beim
fünften oder sechsten „Das machst
du sehr gut!“ gedacht, mein Gott,
Klinsi, ich reich dir doch nur ein
Handtuch, jetzt wird’s ja bisschen
stereotyp, aber nun, nein, nix stereotyp! Das Badehandtuch ist in einer langen Kette der Dinge ebenso
Bestandteil eines neuen Deutschlands. Es wurde am frühen Morgen wichtiger Regenerationstage
überreicht, und es war garantiert
das erste Lob, das Klinsmann täglich aussprach, es sei denn, er lobt
auch sein Bett oder den Wecker.
Auf jeden Fall war es morgens immereinesder allerersten Lobein einer Reihe vieler Lobe im Laufe des
Tages. Man könnte auch sagen,
dassich Klinsmanns Aufwärmprogramm war fürs Loben und für sein
Prinzip. Und nun haben wir es hoffentlich alle verstanden.
Die Hervorbringung einer
neuen Gesellschaft liegt im Loben,
auch der kleineren Dinge, darin
liegt die Kraft, und darin liegt der
Weg, Neid und Missgunst in diesem Land zu besiegen.
Lieber Fußballgott, ich lobe
jetzt das Tor von Grosso und esse
auch wieder Pinos Pizza und
Pasta. Ihr hattet das Glück der
Tüchtigen, con gratulazioni, complementi,wir hatten diesmal weniger Glück als die letzten Male, aber
dafür waren wir noch nie so gut, so
jung, so sympathisch und so
schwungvoll. Achtet auch ihr darauf, dass ihr es uns irgendwann in
Italien nachahmt, eure Defensivkunstist langsamnicht mehrauszuhalten, und dieses ständige Hinfallen, Weinen und vor dem zugesprochen Elfer dann Herumfrisiere der Haare und Zurechtrücken der Gabbana-Unterhose geht
mir auf den Zeiger.
Zum Schluss möchte ich jedoch
sagen, es war eine wunderbare
Zeit! Unvergesslich die 23 Spielerfrauen in meinem Pool, während
ich die CD „Fußball ist unser Leben“ auflegte, den Song „Dann
macht es bumm“ von Gerd Müller
spielte und danach dann 23 Badehandtücher überreichte! Unvergesslich auch, wie Kahn den Lehmann umarmte! Überhaupt es war
die WM der altweise Gewordenen
wie Kahn oder „Zizou“ Zidane
oder teilweise auch Figo. Dank an
Gerhard Schröder für die WM,
auch für das Ticket in Dortmund!
Dank an Franz Beckenbauer und
Markus Hesselmann vom „Tagesspiegel“ und „11 Freunde täglich“,
der Fifa danke ich nicht, das können ja die Italiener machen.
Zum Schluss meine absolute
Lieblingsszene der WM. Beim
HalbfinaleinDortmundwinkt Lehmann einen kleinen, höchstens
10-jährigen Balljungen herbei,
flüstert ihm etwas zu. Dann rennt
der Junge mit den goldblonden
Haaren um das Spielfeld herum zu
Klinsmann, tippt ihm vorsichtig
auf den Arm und flüstert wiederum ihm etwas zu, Klinsmann
ganz zu dem kleinen Jungen heruntergebeugt. Klinsmann greift nun
inseine Hosentasche,gibtdem Jungen ein Kaugummi, der Junge
rennt wieder mit fliegendem Goldhaar zu Lehmann und gibt ihm das
Kaugummi, er packt es ihm sogar
aus, weil Lehmann ja Handschuhe
anhat.
Ich sage dies ganz pathetisch
ohne ironische Brechung: In dieser Szene steckt die Zukunft unseres Landes.
Auf Wiedersehen am deutschen
Pool in Südafrika!
CAMPINO und Weiler
Die Hymne pfeifend
CAMPINO: Lieber Jan, du hast mich
aufgefordert, am Ende der Weltmeisterschaft auch ein bisschen Deutschland-Fan zu sein. Das sei eine feine Sache, sagtest du.
Und wahrlich: Ich bin voll des Lobes. Als perfekter Gastgeber krönen
wir uns nicht selbst, sondern lassen
vielmehr Italien und Frankreich den
Vortritt. Torsten Frings schreibt
seine Biografie „Armes Würstchen
oder dummes Würstchen – meine
Faust gegen Argentinien“. Lukas Podolski und Miroslav Klose dürfen als
Personae non gratae nicht mehr nach
Polen einreisen und gründen einen
Vertriebenen-Fußballer-Verein.
Und Bundestrainer Jürgen Klinsmann muss erst lange mit sich ringen,
bevor er einem neuen Millionendeal
zustimmt. Die ganzen Autofähnchen
werden abgeschraubt, aber nicht weggeworfen. Wir holen sie zur nächsten
Bundestagswahl oder NPD-Demons-
013
GÄSTE Block
Der Dramatiker Moritz Rinke wollte dichter ran an die Nationalmannschaft. Deshalb hatte er sich im
Mannschaftsquartier Schlosshotel Grunewald als Poolwächter beworben. Wie es dort zugeht, hat er sich schon gedacht.
G
10.07.06
tration wieder raus, je nachdem, was
eher stattfindet.
Du, lieber Jan, wirst am Sonntag
wieder deinen Gartengrill betätigen
und versuchen, mit deiner Frau auf
Italienisch zu reden, was dir nur teilweise gelingt und völlig versandet,
nachdem Frankreich als Weltmeister
die Hände zum Himmel reckt.
In diesem Sinne, immer dein
Freund und die deutsche Hymne pfeifend, Campino.
Campino (43), Sänger
der Toten Hosen, probt
zurzeit in Berlin für die
„Dreigroschenoper“ im
Admiralspalast und ist
– mütterlicherseits vorbelastet – Zeit seines Lebens England-SupporFoto: Erik Weiss
ter.
Englisches
Lob für die
Gastgeber
Sie kommen aus der ganzen
Welt, halten ihre Fähnchen in
den Wind und klopfen sich stolz
aufs Landeswappen. Hier stellen
wir Fußballpilger vor, die loszogen, um nah dran zu sein.
Die WM steht kurz vor dem Abschluss – Zeit für ultimative Lobeshymnen. Peter aus Driffield im englischen Yorkshire erledigt dies nun
mit seinem Freund David für das
Gastgeberland: „Wisst ihr was? Ihr
solltet stolz auf euch sein. Das war
ein fantastisches Fest, eine einzigartige Party. Wir waren zehn Tage
lang hier, zusammen mit Familie
und Freunden. Wir haben England
gegen Portugal in Gelsenkirchen
gesehen. Und obwohl wir rausgeflogen sind, haben wir jeden Tag
genossen. Die Partie Deutschland
gegen Argentinien haben wir hier
auf der Fanmeile in Berlin geschaut – eigentlich hätten wir mitten im Spiel nach Hamburg aufbrechen müssen, wir hatten Karten
„We’re going home, we’re going
home, England’s going home!“ Peter (links) und David (dahinter) beweisen Humor.
Foto: Poppe
für Italien gegen die Ukraine. Aber
wir sind hier geblieben. Wir haben
unsere Tickets zerrissen, „Doitschländ, Doitschländ“ gerufen und
Lehmann zugejubelt. Verrückt,
oder? Unglaublich, was hier los
war. Wir haben Arm in Arm mit
Fans aus der ganzen Welt gefeiert.
Und dabei könntet ihr noch viel
mehr singen, noch lauter schreien.
Seid ihr stolz, dass ihr unter den
besten vier Teams der Welt seid?
Könnt ihr sein. Noch stolzer solltet
ihr allerdings auf euer Bier sein.
Und soll ich euch was sagen? Seit
25 Jahren fahre ich in den Urlaub.
Ich war in der Karibik, in Südamerika, überall. Aber nirgendwo sind
die Frauen so schön wie hier.
Wow!“ So. Das ist Balsam auf die
geschundene deutsche Fußballseele. Peter und David verlangen
im Übrigen für das nächste Jahr
ausschließlich deutsch-englische
Duelle in der Champions League
und besseren Fußball ihres Lieblingsklubs Hull City. Und dann holen sie lachend den einzigen Fanartikel aus dem Rucksack, den sie
während ihrer WM-Reise gekauft
haben. Ein schwarzer Schal, mit
WM-Logo und weißer Aufschrift:
„A time to make friends.“
15:00