Nr. 7 - Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste
Transcription
Nr. 7 - Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste
mi–di 20 g e l e s e n Mission und Diakonie Eine Informationsschrift der AMD Literaturhinweise Rabea Rentschler, Ulrich Laepple Kirche mit Herz und Hand. Wie Gemeinden ihr diakonisches Potenzial entfalten können, Gerth Medien, Asslar, 2009, 144 S. Mit Community Care ist innerhalb von Willow Creek eine neue Form von gemeindenaher Diakonie entstanden. Wie fantasievoll, wie relevant, wie liebevoll solche Arbeit gestaltet werden kann, zeigt dieser Einblick in eine faszinierende und facettenreiche diakonische Arbeit. Sie hat nicht zuletzt dadurch Überzeugungskraft, dass Lebenshilfe und Glaubenshilfe wie selbstverständlich zusammen gehen. Praktische Schritte und Sehhilfen zur Entwicklung von Gemeindediakonie in unseren Kirchen und Gemeinden ergänzen den Überblick. UL Manuel Liesenfeld (Hrsg.) Gemeinsam verändern wir die Welt. Gemeindediakonie neu entdecken. Ein praktischer Leitfaden, Evangelische Gesellschaft, Stuttgart, 2010, 80 S. Initiatoren und Praktiker verschiedener diakonischer Projekte der Ev. Brüdergemeinde Korntal berichten von ihren Erfahrungen. Sie zeigen, wie Projekte von der Bedarfsanalyse über die Planung bis zur Realisierung kreativ verwirklicht werden können. Ob Fahrradwerkstatt für Kinder, Kleidermarkt für Frauen oder die Arbeit mit Migrantinnen – das Buch ist ein praxisnaher Leitfaden für engagierte Gemeinden und ihre Mitglieder. Jonathan Straßheim, Miriam Straßheim, Ramona Koch Aufbruch zum Nächsten! Jugendarbeit, die Wege bahnt – vom Rand der Gesellschaft mitten in eine „Gemeinde für alle“, Aussaat-Verlag Neukirchen, 2010, 176 S. Das Buch ist ein Buch aus der Praxis für die Praxis. Mit vielen konkreten Beispielen, Fragen zur Reflexion und unzähligen Anregungen. Es handelt nicht nur davon, wie die Gemeinde zu den Außenseitern der Gesellschaft gehen kann, sondern es fragt auch danach, wie sozial benachteiligte junge Menschen in die Mitte der christlichen Gemeinde gelangen können: Wie kann meine Gemeinde offen und integrationsfähig werden? Wie können sozial benachteiligte junge Menschen Jesus kennen lernen? Was sind konkrete Schritte für den Aufbruch zum Nächsten in meiner Gemeinde? Tobias Braune-Krickau, Stephan Ellinger (Hrsg.) Handbuch Diakonische Jugendarbeit, Neukirchener Verlag, 2010, 671 S. Dieses Handbuch führt umfassend und in ökumenischer Perspektive in die Themengebiete und Handlungsfelder diakonischer Jugendarbeit ein. Das Gemeinsame der Beiträge ist der „zweite Blick“: Verstehen statt Stigmatisieren, überlegtes statt überhastetes Handeln, Fokus statt Weitwinkel. Es richtet sich gleichermaßen an Praktiker wie an Wissenschaftler, an interessierte Laien wie an Studierende und Auszubildende an Universitäten, Fachhochschulen und Ausbildungsstätten für soziale Berufe. Diakonische Jugendarbeit setzt zum einen die pädagogischen Wahrnehmungs- und Handlungskompetenzen voraus, die es ermöglichen, professionell mit Phänomenen wie Gewalt, ADHS, Migration, Sucht, Rechtsextremismus oder beruflichen Übergangsprozessen umzugehen. Zum anderen erfordert sie die theoretische Reflexion der theologischen, gesellschaftlichen und institutionellen Horizonte, in denen diese Praxis immer schon stattfindet. Zu beidem möchte das Handbuch Diakonische Jugendarbeit beitragen. Lore Bartholomäus Ich bin an deiner Seite. Eine Ermutigung für pflegende Angehörige, Reihe Geistlich Leben, Bd. 28, BrunnenVerlag Gießen, 2010 Lore Bartholomäus hat ein sensibles Buch geschrieben. Sie erzählt ihre eigene Geschichte an der Seite ihres Mannes, den sie durch eine langjährige Krankheit begleitet, gepflegt und schließlich auch im Sterben losgelassen hat. Aber es ist keine Erzählung, die nur vom Schmerz berichtet. Tiefe Dankbarkeit für die geschenkten Jahre wird zwischen den Zeilen laut, aber die Mühsal der gleichen Zeit wird nicht verschwiegen oder übertönt. Es ist ein Buch, in dem beides zur Sprache kommt: die Härte der Krankheit, der Verlust an Freiheit für den Kranken und die Pflegenden, die Last, die diese Zeit der Begleitung auf den Tod zu bedeutet. Aber daneben und tief verwoben in dieses Erzählen von der Krankheit kommt auch zur Sprache, dass im Glauben Kraft liegt, dass der Glaube zum Durchhalten hilft, dass der Glaube vor der Versuchung zur Hoffnungslosigkeit bewahrt. „Eine Ermutigung für pflegende Angehörige“ verheißt der Untertitel. Das hat Lore Bartholomäus in meinen Augen eingelöst, gerade weil sie nie sagt: „So muss es bei euch auch gehen.“ Sie erzählt ihre Geschichte. Und als Leser darf ich an dieser Geschichte sehen, wie einem Kraft zuwachsen kann für einen Weg, den man sich nie und nimmer selbst führen würde. Paul-Ulrich Lenz Volker Herrmann, Martin Horstmann (Hrsg.) Wichern drei – gemeinwesendiakonische Impulse, Neukirchener Verlag, 2010, 237 S. mi––di 7 | Frühjahr 2011 angestoßen Kirche im sozialen Lebensraum In zahlreichen Beiträgen namhafter Autoren bietet dieses Buch einen Einblick in und einen Ausblick auf die neuere Diskussion um Gemeinwesendiakonie. Sie bedeutet einen starken Impuls und Aufbruch jenseits einer nach innen orientierten Gemeindediakonie und der öffentlichen Einrichtungsdiakonie. Dabei gehört die Bündnisfähigkeit mit bürgerschaftlichen Initiativen im Sozialraum zu den wichtigen Stichworten dieses Ansatzes, der Wicherns Konzept der Inneren Mission über Gerstenmeiers sozial-politischen Ansatz („Wichern zwei“) in ein Konzept sozial-räumlich orientierter Diakonie weiterentwickelt („Wichern drei“). UL Salz der Erde bleiben Joachim Wilzki berichtet über die Arbeit der Ehrenamtsakademie der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens 9 Nahe bei den (kranken) Menschen Angela Glaser schildert den Start des Pilotprojekts „Vis-a-vis“ 13 „Inklusion“ Was die UNO mit unseren Gottesdiensten zu tun hat, beantwortet Thomas Günzel ab Seite Hans Jürgen Dusza beschreibt, wie kirchliche Trauerbegleitung in der Ortsgemeinde zu einem wirksamen diakonischen Prozess werden kann. Dabei gibt er praktische Anregungen nicht nur für das Trauergespräch und die Bestattung, sondern auch für besondere gemeindliche Angebote wie den Besuchsdienst für Trauernde oder das Trauercafé. Persönliche Berichte von Mitarbeitenden lassen diese Arbeitsbereiche anschaulich werden. Erfahrungen aus der katholischen Kirche bieten eine interessante Horizonterweiterung für die Gemeindearbeit. Entdecken Sie die vielfältigen Möglichkeiten, die sich auch für Ihre Gemeinde und Trauerbegleitung ergeben! Die in diesem Band versammelten Aufsätze werben für ein Verständnis von Diakonie, das sich dem Angebot des Evangeliums als der Einladung zum Glauben nicht entzieht, sondern Lebenshilfe und Glaubenshilfe zusammenhält. Dies erscheint den Autoren (M. Herbst, U. Laepple, S. Fleßa, K. Teschner, M. Reppenhagen) gleichermaßen wichtig für die Diakonie der Gemeinde wie für die Diakonie der Einrichtungen. UL 1 dokumentiert Hans Jürgen Dusza Trauerbegleitung in der Gemeindepraxis. Ein Plädoyer für die Kirche am Ort, Aussaat, Neukirchen, 2011, 96 S. Michael Herbst, Ulrich Laepple (Hrsg.) Das missionarische Mandat der Diakonie (BEG 7), Neukirchen, 2010 (2. Aufl.), 150 S. Gemeinwesendiakonie – Kirche im sozialen Lebensraum Drei mutmachende Beispiele aus Leichlingen, Berlin und der Region Stolpen (Ostsachsen) 15 inspiriert „manna“ – Gemeinsam gegen Armut und Ausgrenzung Stefanie Reutter stellt ein Armutsprojekt vor, das „Kraft für einen Tag“ gibt 12 „Gemeinwesenarbeit“ ist ein Stichwort, das die Diskussion in Kirche und Diakonie in den letzten Jahren neu bestimmt. Sie bedeutet Präsenz und Aktion der Gemeinde im sozialen Lebensraum. In Mehrgenerationenhäusern, in umgewidmeten Gemeindehäusern oder in neu gegründeten „Familienzentren“ arbeiten nicht selten Gemeinde, Diakonie und Kommune zusammen. Die Gemeinde steht damit vor der Aufgabe, sich lebens- weltlich zu qualifizieren und zugleich ihr Profil nicht zu verstecken, sondern offen zu vertreten. Das wird im Folgenden an zwei Familienzentren, einem schon erfahrenen freikirchlichen und einem im Aufbau befindlichen landeskirchlichen illustriert. Das dritte hier vorgestellte Projekt – auf dem Land in Ostsachsen – zeigt, dass zur Gestaltung von Gemeinwesendiakonie auch Unternehmergeist gehört. Tragbare 16 Die EKD-Bildungsinitiative „Erwachsen glauben“, vorgestellt von Andreas Schlamm 19 Glaubenskurse in der Diakonie? Ute Kampa berichtet über die Umsetzung von „Spur 8“ 18 Aus der AMD Midi-Netzwerk und Tagungen Impressum Lesen Sie bitte weiter auf Seite 2 19 8 angestoßen mi–di 2 e d i t o r i a l midi –di 3 mi Familienzentrum Beispiel Liebe Leserin, lieber Leser, nach einer längeren Pause liegt wieder eine neue Ausgabe von mi-di bei Ihnen auf dem Tisch. Das Grundthema von mi-di, Mission und Diakonie zu verbinden, bleibt so aktuell wie je. Die große Frage, die die Einrichtungsdiakonie und die Gemeindediakonie klären müssen ist: Wie gehören Glaubenshilfe und Lebenshilfe zusammen? Eine stumme Diakonie, die den Glauben, aus dem sie stammt, verschweigt, macht sich überflüssig. Eine verzweckte Diakonie, derer sich eine Gemeinde nur taktisch bedienen würde (um sich wichtig zu machen, um Einfluss zu gewinnen, vielleicht um sich zu vergrößern), würde den Nächsten nur benutzen. Es kommt also auf das Motiv an, das in nichts anderem bestehen kann als darin: dass Gott in seiner Liebe, wie sie im Evangelium von Jesus Christus aufscheint, den Menschen sucht und ihm an Leib und Seele heilsam begegnen will. Dass damit nicht nur die diakonischen Einrichtungen angesprochen sind, sondern „Diakonie“ immer deutlicher wieder ein Wort der Gemeinde wird, zeigen viele Entwicklungen: die gut besuchten Tagungen, die das midi-Netzwerk zum Thema „Gemeindediakonie“ durchführen konnte (vgl. S. 19), der erfolgreiche Aufbruch, der von der EKD und dem Diakonischen Werk der EKD zum Thema „Gemeinwesendiakonie“ ausgeht. Es zeigt sich an einer neuen Fülle von Literatur zur Gemeindediakonie (vgl. S. 20) und nicht zuletzt in dem Willen von immer mehr Gemeinden, Mitverantwortung für die Gestaltung ihres lokalen und sozialen Lebensraums zu übernehmen. Hier liegt der Schwerpunkt dieser mi-di-Ausgabe. Sie will dazu reizen, dass wir uns auf das Wort Jesu neu einlassen: „Lasst euer Licht leuchten unter den Menschen, dass sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt. 5,16). Dazu aber muss eine Gemeinde Wagnisse eingehen, vor allem: sich für „andere“ öffnen. Ihr Ulrich Laepple verantwortet den Fachbereich „missionarisch-diakonischer Gemeindeaufbau“ bei der Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) im Diakonischen Werk der EKD. Beispiel eine russische Mutter für eine große Feier das Essen gekocht, eine Ungarin in der Theatergruppe mitgespielt und eine Polin auf einer Feier gesungen. Ebenso ist eine 24-jährige Küchenhilfe mit Down-Syndrom bei uns integriert. Ihre Mutter ist sehr engagiert und bietet anderen Müttern mit behinderten Kindern eine Gesprächsgruppe an. Als Familienzentrum wollen wir ein Ort der Gemeinschaft sein. Lern- und Lebensort einer missionarisch-diakonischen Gemeinde D ie Landesregierung NRW hatte im Jahr 2005 beschlossen, bis zum Jahr 2012 ein Drittel der Kindertagesstätten zu so genannten „Familienzentren“ weiterzuentwickeln. Das „Familienzentrum Schatzkiste“ in Leichlingen-Kuhle erhielt im Jahr 2007 die Erlaubnis, an den Start zu gehen. Wir bekamen im Sommer 2008 das Gütesiegel ausgehändigt. Bislang waren wir bekannt als „Kindertagesstätte Kuhle e.V.“, eine dreigruppige Einrichtung in Evangelisch-Freikirchlicher Trägerschaft. Wir sind angesiedelt in einem Stadtteil von Leichlingen im Bergischen Land. Im Oktober 1971 wurde mit der Arbeit der Kindertagesstätte begonnen. Die damalige Trägerschaft hatte die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Leichlingen-Weltersbach, fünf Kilometer von der Kindertagesstätte entfernt. Seit 1987 entwickelte sich auf dem Gelände der Kindertagesstätte eine selbstständige Gemeinde mit neuerbauter Kirche und Gemeinderäumen. Eine gute und intensive Zusammenarbeit zwischen der örtlichen Gemeinde und der Kindertagesstätte war uns von Anfang an ein wichtiges Anliegen. Gemeinsam wollten wir die Herausforderungen im diakonischen und missionarischen Bereich erkennen und gestalten. Als wir uns näher damit befassten uns als Familienzentrum zu bewerben, konnten wir erleichtert feststellen, dass bisher schon viele Familienangebote bei uns in der Kirchengemeinde und in der Kindertagesstätte stattfanden: Familienfreizeiten, Frauenfrühstückstreffen, Elternabende mit Erziehungsthemen, Hilfsangebote für Familien in Not … Als „Familienzentrum Schatzkiste“ wollten und mussten wir herausfinden, welche Familien (nicht nur die Eltern der Kindertagesstätte) in unserer nächsten Umgebung leben und welche Bedürfnisse sie haben. Jedes Jahr führen wir mit der Hilfe eines Fragebogens eine „Elternabfrage“ durch, die unterschiedlichste Wünsche der Eltern erfragt. So entwickeln wir die jeweilige Jahresplanung. Wir arbeiten jetzt viel strukturierter. Unser „Familienzentrum Schatzkiste“ bietet an: ❚ feststehende wöchentliche Treffen in Gruppen; ❚ individuelle Beratung in Erziehungs-, Partnerschafts- und allgemeinen Lebensfragen; ❚ übers Jahr verteilt Kurse und Seminare, Konzerte und Kabarettveranstaltungen, Ausflüge und Wochenendfreizeiten. Wichtig ist uns die Integration, d.h. Jung und Alt, Familien mit Migrationshintergrund, Familien mit behinderten Kindern, alleinerziehende Mütter, Christen und Nichtchristen. Die unterschiedlichsten Menschen sollen sich bei uns angenommen wissen, füreinander Verständnis bekommen und sich mit ihren Möglichkeiten einbringen. So hat zum Viermal im Jahr laden wir eine Woche lang in unser Frühstückscafé ein. Es gibt Frischkornbrei, belegte Brötchen und Kuchen. Das Café ist ein offenes Angebot für Eltern, Nachbarn, Mitglieder – besonders Senioren – der Kirchengemeinde. Vorbereitet und verantwortet wird das Café von unseren Eltern. Mit uns verbunden sind auch Väter, wenn sie mit ihrem Kind am „Vater-Kind-Vormittag“ oder an der Zeltfreizeit für Väter mit Kindern teilnehmen. Die Familien sollen in unserem Familienzentrum Unterstützung erfahren. Es beginnt schon gleich nach der Geburt, dass die Mütter sich zur Rückbildungsgymnastik treffen. Für die jungen Mütter und auch Väter bieten wir an jedem Vormittag eine Krabbelgruppe bzw. einen Spielkreis je nach Alter an, wo unter Anleitung die Elternkompetenz gefördert wird. Die Berufstätigkeit der Eltern stellt einen erhöhten Betreuungsbedarf dar, manchmal auch im Krankheitsfall. Wir nehmen z. T. Kinder auch schon unter drei Jahren auf. Im Einzelfall vermitteln wir Babysitter. „Aktion Help“ wurde in der Gemeinde gegründet. Wenn Unterstützungsbedarf besteht, ob beim Umzug oder bei der Einrichtung des Computers, finden sich immer Menschen, die dazu bereit sind. Die Praxis für Erziehungsberatung und die Praxis für Lernförderung bieten den Eltern wöchentlich Beratungsgespräche an. Das Erstgespräch ist kostenlos. Eine Psychologin berät regelmäßig Paare oder auch Einzelne. Kinder erhalten bei uns Ergotherapie, Logopädie, Lerntherapie. Eine weitere Aufgabe unseres Familienzentrums ist die Bildungsarbeit. Es finden die unterschiedlichsten Kurse und Einzelseminare zum Thema „Erziehung“ statt. Außerdem wollen wir die Eltern in ihrer Persönlichkeit stärken und bieten u. a. Kommunikationstraining, einen Kurs für Zeitmanagement und Entspannungstraining an. Außer unseren allgemeinen Bildungsangeboten für Kinder bieten wir die musikalische Frühförderung und Flötenspiel durch die Musikschule sowie Englischunterricht ab vier Jahren an. All diese unterschiedlichen Angebote sind möglich, weil wir eine Kirchengemeinde haben, die uns Räumlichkeiten zur Verfügung stellt und sich mit vielen Ehrenamtlichen einsetzt. Außerdem gelingt eine qualitativ gute Arbeit in Kooperationen mit verschiedenen Instituten und Fachleuten. Zweimal pro Jahr tauschen wir uns in der dafür installierten „Lenkungsgruppe“ aus. Auch wenn wir vom Jugendamt monatlich 1.000 Euro zusätzlich für das Familienzentrum bekommen, müssen wir sehr darauf achten, wie wir die umfangreichen Angebote des Familienzentrums finanzieren können. Wir freuen uns über kleine und große Einzelspenden. Wir erleben hochmotivierte Kinder und Eltern beim Sponsorenlauf. Durch Spenden konnte im letzten Jahr ein Brotbackhaus entstehen. Hier können alle begeisterten „Brotbäcker“ wöchentlich in Gemeinschaft ihr eigenes Brot backen. erfordert sensibles Vorgehen und transparentes Handeln. Den vielen Kindern und Eltern sowie den Großeltern wollen wir diese wichtigste Nachricht der Welt weitergeben. Dafür suchen wir immer wieder neue Wege der Kommunikation und der Beteiligung. Bisher vermitteln wir unsere biblischen Werte und den christlichen Glauben in Elterngesprächen, Gottesdiensten, Kabarett- und Gästeabenden, Candlelight-Dinners und Elternabenden mit besonderen Themen („Kinder begegnen dem Tod“, „Kindliche Gottesbilder“, „Verlorene Werte“, „Als Beschenkte/ Gesegnete leben lernen“). Der „rote Faden“ der Liebe Gottes soll und darf immer wieder in unserem Familienzentrum mit allen Sinnen wahrgenommen werden. www.familienzentrum-schatzkiste.de Rückblickend auf die Arbeit von zweieinhalb Jahren als „Familienzentrum Schatzkiste“ sind wir davon überzeugt, dass wir durch die Einrichtung bereichert wurden. Christiane Bohlen, Leiterin des „Familienzentrums Schatzkiste“ in Die Eltern sind froh und dankbar, dass so vielfältige Angebote ortsnah und bezahlbar ermöglicht werden, dass durch die verschiedenen Freizeitangebote Kontakte und neue Freundschaften entstehen und ihre Kinder durch die vielen Angebote eine höhere Sozial- und Wissenskompetenz erreicht haben. Die Mitarbeiterinnen machen trotz höherer Belastung auch viele positive Erfahrungen durch eine größere Vernetzung, Erweiterung der Zielgruppe, erhöhte Fortbildungsangebote und stärkeres diakonisch-missionarisches Bewusstsein und Handeln. Die Kirchengemeinde erlebt das Familienzentrum bereichernd bei gemeinsamen Veranstaltungen, durch eine größere Zahl an Kontakten zu Eltern, die keinen Gemeindebezug haben, durch einen erweiterten Kreis von Ehrenamtlichen aus der Elternschaft, die sich mit Enthusiasmus und Idealismus einbringen. Als Familienzentrum in christlicher Trägerschaft verstehen wir unseren Auftrag diakonisch und missionarisch. Letzteres Leichlingen-Kuhle Die Familie steht im Zentrum Angeregt von der parteiübergreifenden Stärkung der Familienpolitik sollten die Tageseinrichtungen für Kinder in NRW zu Familienzentren weiterentwickelt und mit ihrer bestehenden Infrastruktur an Einrichtungen und Angeboten zur Förderung von Kindern und zur Unterstützung von Familien genutzt und weiter ausgebaut werden. Bildung, Erziehung und Betreuung als Aufgabe der Kindertageseinrichtung nach §22 SGB VIII werden mit Angeboten der Beratung und Hilfe für Familien zusammengeführt, um so „Leitstellen für soziale Gestaltungsprozesse im Stadtteil“ und „Knotenpunkte in einem neuen Netzwerk“ zu schaffen, die den Bedürfnissen von Familien entgegenkommen und ihnen unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten „als verlässliche Anlaufstellen für Alltagsfragen“ dienen. »»»» mi–di 4 5 mi–di Beispiel Familie im sozialen Brennpunkt rum haben wir uns gefragt: „Dienen“ unsere Gemeinden dem Märkischen Viertel? Wird der Charakter des Reiches Gottes für unsere Nachbarn durch uns sichtbar? Ich glaube: nicht genug. Was können die evangelischen Gemeinden vor Ort konkret für die Menschen des Märkischen Viertels tun? Wir sind Kirche im Märkischen Viertel, wir haben unseren Platz mitten im Kiez. Und das seit Jahren. Kirche ist verlässlich vor Ort, das ist unsere Stärke. Konkret halten wir offene Angebo- Das Märkische Viertel gehört zu den sozialen Brennpunkten Berlins. Zwei Kirchengemeinden haben sich zusammengetan, um mit Hilfe „Was für eine Gemeinde wollen wir bauen?“ auch eine ausführliche Kontextanalyse und weitere spannende Schritte. Dabei kristallisierte sich heraus, dass ein Familienzentrum der richtige Weg sein könnte, um eine gesellschaftsrelevante Gemeinde im Märkischen Viertel zu entwickeln. Wie haben Sie den „Kontext“ erforscht? Die gründliche Kontextanalyse war für den Entstehungsprozess vielleicht der wichtigste Baustein. Deutlich wurde, dass unsere Gemeinde wenig im Kiez verankert ist. Gerade noch 18 Prozent der Gottesdienstbesucher kommen aus Christen im Märkischen Viertel wollen Gesicht zeigen. des Kirchenkreises ein Familienzentrum zu gründen und aufzubauen. Warum brauchen die Menschen im Kindern und Familien in unterschiedMärkischen Viertel ein Familienzentrum? lichen Lebenslagen und mit unterschiedSeit mehr als vier Jahrzehnten sind die lichen Bedürfnissen bereitzustellen.“ landeskirchlichen Kirchengemeinden im Das wollen wir tun, und zwar auf dem Märkischen Viertel Teil der gewachseFundament der Gemeindeprofile unserer nen Strukturen vor Ort. Deshalb reagiebeiden Gemeinden. Denn die Familie ren wir sensibel auf soziale Veränderunist die Keimzelle menschlicher Gemeingen in unserem Umfeld. Gemeinsam mit schaft. Diese wollen wir aus christlicher vielen engagierten Menschen bereitet uns Motivation unterstützen und uns für die soziale Entwicklung in diesem Viertel, Versöhnung und Heilung einsetzen. Das insbesondere die Lebenssituationen der bedeutet, dass die internen Strukturen Familien, Sorge. und Netzwerke gestärkt werden sollen Die aktuellen Daten zeigen, dass die und wir uns in vielen Bereichen ergänzen meisten Kinder im Märkischen Viertel können. Dabei ist es schon etwas Besonin Familien leben, die von Transferleisderes, dass zwei Kirchengemeinden sich tungen abhängig sind. Das schafft ein unter eine gemeinsame Vision stellen hohes Maß an Kinderarmut mit Folgen und daran arbeiten, sie zu verwirklichen. wie Schulproblemen, materiellen Nöten Das Familienzentrum möchte dabei eine bis hin zur Verwahrlosung. Viele der „Lotsenfunktion“ übernehmen. neu zugezogenen Familien haben einen Migrationshintergrund. Hier stehen Wie hat alles angefangen? sprachliche Defizite oder Nachbarschafts- Am Anfang stand eine sehr persönliche konflikte im Vordergrund. Betroffenheit. Ich selber bin in eher ländDarum haben im September 2009 die lichen Gebieten aufgewachsen und erst Kirchengemeinden Apostel-Johannes und Anfang 2007 mit meiner Familie nach Apostel-Petrus als gemeinsame Initiative Berlin ins Märkische Viertel gezogen. Die die Gründung eines Familienzentrums Geschwindigkeit und die Massivität der vereinbart, um auf die Entwicklungen in sozialen Veränderungen im Märkischen unserer Nachbarschaft zu reagieren. Viertel, die wir nun hautnah beobachten konnten, haben mich im Kontrast zu unWas ist das Ziel eines serer stabilen Gemeinde sehr bewegt. „Familienzentrums“? Unbefriedigend ist für mich der LösungsIch übernehme gerne die gute Zielformu- weg, sozialen Problemen auszuweichen lierung aus dem Gütesiegel für Familien- und eine Nische zu finden, in der es sich zentren in NRW. Dort heißt es: „Das Ziel gut leben lässt. Der französische Bischof eines Familienzentrums ist es, Angebote Jacques Gaillot prägte den Satz „Eine Kirzur Förderung und Unterstützung von che, die nicht dient, dient zu nichts!“ Da- te und Gruppenangebote für Kinder und ihre Angehörige bereit, um ihnen in schwierigen Lebenssituationen „Auszeiten“ zu schaffen und ihnen Begegnungen zu ermöglichen. Aus den Begegnungen kann sich ein konkretes Hilfeangebot entwickeln. Darüber hinaus schafft das Familienzentrum Möglichkeiten zu Selbsthilfe und vermittelt in Einzelfällen praktische Hilfe oder zu Beratungsangeboten. Zu den konkreten Ideen gehören auch Freizeit- und Ferienangebote und projektorientierte Arbeit im Familienzentrum. Die Angebote stärken die Persönlichkeit, laden zum Mitmachen ein und helfen Menschen mit unterschiedlicher Herkunft und Begabung, ihre Stärken zu entdecken und Eigeninitiative zu entwickeln. Wichtig ist es, Räume zur Begegnung und zum Dienst an den Menschen zu schaffen. Wie kann aus einer solchen Vision ein erfolgreiches Projekt werden? Das Projekt „Familienzentrum“ steht in unserem Sinne für das Konzept eines gesellschaftsrelevanten Gemeindebaus. Als Werkzeug nutzte ich den so genannten Zyklus des gesellschaftsrelevanten Gemeindeaufbaus von Prof. Dr. Johannes Reimer. In sieben Phasen entwickelt sich darin eine Idee zum konkreten Projekt. Der Zyklus erfordert neben der Beantwortung der Fragen „Wo wollen wir Gemeinde bauen?“ und dem Märkischen Viertel. Zusätzlich wurden die vorliegenden Daten des sozialen Stadtmonitorings für uns ausgewertet, Gespräche mit Trägern der Sozialen Arbeit und der Wohnungsbaugesellschaft geführt, Bewohner des Kiez und Mitarbeiter der Gemeinden befragt. Ich kann jedem, der an sozialmissionarischer Arbeit interessiert ist, nur empfehlen, eine Idee aus der Kontextanalyse heraus zu entwickeln oder sie in diesem Rahmen zu untermauern. Besonders spannend fand ich die Auswertung einer „geistlichen“ Kontextanalyse. Dafür wurden vier Mitarbeiter betend durch das Märkische Viertel geschickt. Ich habe gestaunt, wie viel wir von diesen Eindrücken profitieren konnten. Beispielsweise wurden besonders häufig die Schulen bzw. Schüler als „offen“ wahrgenommen. Ein Eindruck war, dass „die Sinnfrage“ an schulischen Orten gestellt wird. Und tatsächlich spiegelt sich diese Offenheit auch in den Erfahrung wider, die wir in der praktischen Arbeit des Familienzentrums machen. Warum heißt das Familienzentrum „face“? Ursprünglich war face die Abkürzung für „Familiencentrum“. Da wir aber Familienzentrum nicht immer mit „c“ schreiben wollten, entdeckten wir, dass dieser Name auch Gedanken ausdrücken kann, die uns wichtig, ja leitend sind, zum Beispiel: Wir wollen als Christen im Märkischen Viertel „Gesicht zeigen“. Die christliche Gemeinde ist das Gesicht Gottes in dieser Welt. Gott möchte durch uns für die Menschen in unserem Kiez sichtbar werden. Jeder von uns kann Gott ein Gesicht geben, wir gemeinsam als Institution oder jeder Einzelne mit seinem Leben, Reden und Handeln. Oder: Wir wollen uns und unseren Nachbarn mit Respekt und Würde begegnen. Wir möchten als Christen nicht, dass jemand sein Gesicht verliert – im Gegenteil: Menschen, die uns begegnen, sollen ihr Gesicht wahren können. Wir wollen, dass jemand „ein anderes Gesicht“ bekommt, Veränderung erfährt, sich entfalten und entwickeln kann. Das ist ein wichtiges Ziel von Gemeinde und unserer Arbeit. Echte Hilfe beginnt mit ehrlichen und authentischen Begegnungen „face to face“. Dazu muss man „verortet“ sein. Dabei wollen wir auch vor den Nöten und Sorgen der Menschen nicht die Augen verschließen, sondern „den Dingen ins Gesicht sehen“. Wie gelingt es, engagierte Mitarbeitende zu gewinnen und in das Projekt einzubeziehen? Ende Juni 2010 führten wir unsere erste Zukunftswerkstatt durch. Die Idee einer Zukunftswerkstatt ist es, Menschen, in unserem Fall Interessierte aus den Gemeinden, am Entstehen des Familienzentrums zu beteiligen. Mit ihr wird ein offener Raum geschaffen, um über bestimmte Problemfelder ins Gespräch zu kommen und gemeinsame Idee zu entwickeln. In drei Arbeitsphasen haben wir versucht, die Bedürfnisse der Menschen im Märkischen Viertel zu erfassen und entsprechende Angebote zu entwickeln. Das Ergebnis waren viele gute Ideen und Ansätze, die wir nach einem einfachen System sortiert und bewertet haben. An vier Ideen wollen wir in den nächsten Monaten konkret weiterdenken. Was für Ideen waren das? „Streetteam“ – das ist das erste Projekt. Das Konzept ist einfach: Wir wollen auf den Straßen des Märkischen Viertels Gesicht zeigen. „Streetteam“ soll ein bewusster Gegensatz zu den gewohnten „Komm-Strukturen“ sein, indem wir hinausgehen und Menschen Unterstützung und Hilfe anbieten. Durch » » mi–di 6 7 mi–di www.familie.apg-berlin.de www.apg-berlin.de www.apojo.de www.gesellschaftstransformation.de schubfinanzierung seitens des Kirchenkreises hätten wir das Familienzentrum nicht in dieser Weise entwickeln können. Nach zwei Jahren müssen wir uns allerdings zum großen Teil selber finanzieren. Letztlich müssen wir als Gemeinde die Frage beantworten, ob der diakonische Dienst zum Kern unserer Gemeindearbeit gehört und damit auch gleichwertig unterstützt wird. » » » » einheitliche T-Shirts/Pullover wollen wir auch optisch präsent sein. Konkret könnten das Spieleangebote auf Spielplätzen oder das Reinigen von Schmuddelecken im Viertel sein. Die zweite Idee war die Einrichtung einer Hausaufgabenhilfe. Viele Kinder im Märkischen Viertel erfahren bei der Erledigung ihrer Hausaufgaben keinerlei Unterstützung, und die vorhandenen Hilfsangebote sind sehr überlaufen. Gemeinsam mit der CVJM-Baracke im Märkischen Viertel konnten wir das Projekt „Hausaufgabenhilfe“ etablieren. Viermal wöchentlich, wechselnd in den Räumen der Apostel-Johannes-Kirchengemeinde und der CVJM-Baracke, werden 20 Schülerinnen und Schüler betreut und gefördert. Die dritte Idee ist die Einrichtung eines Cafés. Jeden zweiten und vierten Mittwoch im Monat verwandelt sich der Raum vor der Kapelle der Kirchengemeinde Apostel-Petrus in ein nettes kleines Cafe. Der Kaffeeduft zieht einladend um die Ecke und lädt ein hereinzukommen. Eine tolle Möglichkeit die Nachbarn zu treffen, nette Menschen kennen zu lernen und sich auszutauschen. Neben der Geselligkeit bietet das Cafe allen Interessierten einen guten Rahmen, sich über Hilfsangebote für Eltern und Kinder oder Senioren zu informieren oder auch mit einer Mitarbeiterin über Themen zu reden, die sie gerade beschäftigen. Die vierte Idee ist, in Schulkooperationen zu investieren. Hier erleben wir offene Türen, merken aber auch, dass Projekte langfristig geplant werden sollten. Darüber hinaus arbeiten wir zur Zeit an der Einrichtung einer Kleiderbörse und eines konkreten Nachbarschaftshilfenetzwerks für Senioren, Alleinerziehende und Pflegebedürftige. Gab es und gibt es Widerstände in den Kirchengemeinden? Es ist wichtig, die eigene Gemeinde auf den Weg in eine Neuausrichtung des diakonischen Gemeindeaufbaus emotional und theologisch mitzunehmen. Berichte über frühere gescheiterte oder institutionalisierte Projekte legen das von vornherein nahe. Dabei stellen sich uns die Fragen: Wie begeben wir uns ins Gespräch mit den vielfältigen Anbietern und Institutionen des Viertels? Aber auch: Wie können wir als evangelische Kirche im Märkischen Viertel den Menschen vor Ort angemessen und mit unserem eigenen Profil dienen? Ich empfinde es als normal, dass neue und unbekannte Projekte bei dem einen oder anderen Gemeindeglied Sorgen auslösen. Niemand möchte etwas übergestülpt bekommen. Von Beginn an war es uns wichtig zu betonen: „Jeder kann mitmachen, niemand muss!“ Das zu vermitteln ist nicht überall gleich gut gelungen. Es verlangt eine sehr sensible Kommunikation und den guten Willen der Beteiligten, sich mit der Gemeinde zu einem Zeitpunkt auf einen Weg zu machen, wenn das Ergebnis noch nicht erkennbar ist. Die Gemeinde muss sich sicherlich auch finanziell auf die neue Arbeit einstellen. In der Tat. Man sollte nicht verschweigen: Wenn es wirklich unser Wille ist, eine gesellschaftsrelevante Gemeindearbeit zu gestalten, kommen wir nicht umhin, materielle Mittel, also Geld, einzusetzen. Ohne die Hilfe einer großzügigen An- Wie passt sich das Familienzentrum in die sonstigen Aktivitäten der Gemeinde ein? Nicht alles, was die Gemeinde für Familien, Kinder und Jugendliche anbietet, ist nun plötzlich „Familienzentrum“. Wir spüren, genauso wichtig wie die Vernetzung ins Märkische Viertel ist die Verbindung unserer Arbeitsbereiche in den Gemeinden. Das möchten wir ausfüllen, um uns anschließend gemeinsam nach außen zu präsentieren. Mit einem Augenzwinkern beobachte ich, dass unsere internen Unterscheidungen von unseren Partnern nicht so differenziert wahrgenommen werden. Sie verfolgen in Ihrer Gemeinde das Konzept eines missionarischen Gemeindeaufbaus. Wie passt sich das Familienzentrum in dieses Konzept ein? Die Arbeit unseres Familienzentrums ist eingebettet in die Gemeindearbeit und mit der sozial-diakonischen Ausrichtung ein toller Baustein für missionarischen Gemeindebau. Dabei geht es um die spannende Frage, wie wir als Gemeinde mitten in der Welt, an unserem eigenen Standort, mit unserer spezifischen Nachbarschaft leben und sie mitgestalten können. Können Sie schon über die ersten Erfahrungen berichten? Wir erleben offene Türen. Ich habe den Eindruck, dass Kirche im Gemeinwesen immer noch ein gern gesehener Partner ist. Darüber hinaus glaube ich auch, dass es von uns als Kirche erwartet wird, dass wir uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Matthias Gebhardt, Leiter des Familienzentrums. Beispiel Rumänien • Bildung • Biohof • Soziale Arbeit Ein Projekt für und mit Langzeit arbeitslosen braucht erfinderische Liebe und Unternehmergeist W ie kann Glaube im ländlichen Raum in einer säkularisierten Region glaubwürdig gelebt werden? Diese Frage beschäftigte vor ca. zwölf Jahren einige Christen in der Region Stolpen (Ostsachsen). Im September 1999 entstand das projekt LEBEN e.V. greifbarer Nähe. Doch dann wurde die Förderung nicht genehmigt – ein herber Rückschlag. Veränderungen in der Arbeitsmarktpolitik ließen die soziale Arbeit auf ein Minimum schrumpfen. Der „bewässerte Garten“ war von den Sandstürmen der Realität überweht worden. Erste Schritte in der Region Fragen und Hoffnungszeichen Es eröffnete sich die Möglichkeit, einen alten, leer stehenden Bauernhof zu erwerben. Was sollte mit diesem Haus entstehen? Wie könnte damit unser Anliegen umgesetzt werden? Eine Vision wurde formuliert: „Wir wollen Oase sein und Oasen pflanzen helfen, wo Menschen aufatmen, mitleben und überleben können.“ Grundlage dazu war ein Prophetenwort aus Jesaja 58: „Du wirst sein wie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlen wird.“ Mit Unterstützung der Diakonie Sachsen entstand ein kleiner Biohof als Zweckbetrieb für die Soziale Arbeit mit arbeitslosen Jugendlichen. Es gab viel Enthusiasmus, großzügige Unterstützung, aber auch manche Rückschläge und Enttäuschungen. Die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Arbeitsamt gestaltete sich manchmal schwierig, weil ständig wechselnde Ansprechpartner und die kurzfristige Streichung von Förderungen keine Kontinuität zuließen. Der häufige Wechsel der Anleiter, die über ABM beschäftigt waren, trug kaum zur Qualität der Arbeit bei. Doch die Arbeitsgrundlagen verbesserten sich in kleinen Schritten. Der Verkauf von Biogemüse und Weihnachtsgänsen sicherte einen bescheidenen Überschuss. Der alte Kuhstall des Bauernhofes wurde zu einem Saal umgebaut, Holzheizung und biologische Kläranlage konnten eingebaut werden, ein Hofladen und ein Büro entstanden. Zwei vermietete Wohnungen im Obergeschoss sicherten die monatlich fälligen Ratenzahlungen. Das alles war nur durch die Unterstützung unserer Mitglieder und Freunde möglich, die großzügige Spenden oder zinslose Darlehen über längere Zeiträume zur Verfügung stellten. Im Jahr 2000 entdeckte ein Mitarbeiter eine verwilderte Aroniaplantage (www.bio-aronia-shop.de), die langfristig gepachtet werden konnte. 2002 bewirtschaftete der Verein 42 Hektar Pachtland. Die Anstellung eines Landwirts zum Aufbau des Biohofes lag in In stillen Stunden kamen viele Fragen: Ist es sinnvoll, überhaupt weiterzuarbeiten? Was hat die Arbeit mit langzeitarbeitslosen Menschen mit unserem Glauben zu tun? Werden wir unserem eigentlichen Anspruch mit dieser Arbeit gerecht? Wie gelingt die Verknüpfung zwischen dem missionarischen Anliegen und der sozialdiakonischen Arbeit? Wie kann die Arbeit ausgebaut werden, auch wenn weniger Fördermittel zur Verfügung stehen? Wie können wir uns besser mit anderen Christen vernetzen und Oase für andere sein? 2004 entstand ein Ziegenhof als privater Pachtbetrieb. Der Verein überließ dem neuen Betrieb die Scheune und ca. 35 Hektar Pachtland. Erst 2006 konnte im Verein mit sechs Langzeitarbeitslosen ein bescheidener Neuanfang der sozialdiakonischen Arbeit gestartet werden. Im darauf folgenden Jahr mussten wir unser Gemüsefeld abgeben. Ein paar Wochen nach der Rückgabe wurden wir von der ARGE angefragt, ob wir uns vorstellen könnten, Gemüse für die „Tafel“ in Neustadt anzubauen. Ohne Land, ohne personelle und finanzielle Ressourcen? Im Grunde unmöglich. Wir sagten trotzdem zu. Und dann fügte sich alles wundervoll, sodass wir im März 2008 mit zwölf langzeitarbeitslosen Menschen beginnen konnten. Der Kleingartenverein war dankbar für die Nutzung einiger brachliegender Gärten. Die ARGE stellte die notwendigen Finanzen zur Verfügung. Anfänglich gab es große Vorbehalte der Gartenbesitzer. Dort wurde deutlich, dass Langzeitarbeitslose keine Lobby haben und Faulheit und Desinteresse grundsätzlich unterstellt werden. Aber mit jedem neu entstehenden Beet änderte sich die Einstellung der Nachbarn. Jedes Jahr werden ca. 2,5 Tonnen Gemüse geerntet. Das sind wichtige Erfolgserlebnisse für Menschen, die sonst nicht gebraucht werden. Noch viel wichtiger sind die Kontakte zu »»»» mi–di 8 9 mi–di dokumentiert „Du wirst sein wie eine Quelle, der es nie an Wasser fehlen wird.“ » » » » » » » » » » » » » » » » » » » » den Mitarbeitern. Regelmäßige Schulungen mit dem Kirchenbezirkssozialarbeiter, der Schuldnerberatung und der Suchtberatung, gemeinsame Mahlzeiten zu »»» besonderen Feiertagen und persönliche Gespräche lassen etwas von der Menschenfreundlichkeit Gottes aufleuchten. Und wenn wir erzählen, warum wir Weihnachten feiern oder beten, wird es still im Raum und einigen ist echtes Interesse abzuspüren. Von zwölf Mitarbeitern gehören zwölf keiner Kirche an. Aber Gottes Liebe macht nicht an Kirchengrenzen halt. Verantwortung auch in der Fremde Diese grenzenlose Liebe erleben wir auch bei unserer Arbeit in Rumänien. Schon 1998 entstand der Kontakt zu einer jungen Romakirche, die in den vergangenen Jahren enorm gewachsen ist. Gab es 1998 dort ca. 120 Gemeinden, so sind es heute etwa 730 im ganzen Land. Viele Roma werden Christen und lassen sich taufen. Die Arbeit ist uns zugewachsen. Wir nehmen sie gerne an und sehen unseren Auftrag bei der Aus- und Weiterbildung kirchlicher Mitarbeiter, der Schulung von Frauen zu Gesundheits- und Erziehungsthemen, der Förderung von Jugendlichen und Kindern durch Bildungspatenschaften und Hausaufgabenhilfe. Die wichtigsten langfristigen Ziele sind der Aufbau einer geordneten Gemeindediakonie und der Aufbau einer theologisch-diakonischen Aus- und Weiterbildung für kirchliche Mitarbeiter. Bei unserer Arbeit in Rumänien und in unserer Region wird uns bewusst, dass wir nicht die großen Helden und Macher sind, sondern dass Gott der Handelnde ist. Jeremias Gotthelf hat das in einem Gebet wunderbar formuliert: „Herr unser Gott, Du hast unzählige stille Wege, auf denen du möglich machst, was unmöglich scheint. Gestern war noch nichts sichtbar, heute nicht viel, aber morgen steht es vollendet da. Und nun erst gewahren wir, rückblickend, wie du unmerklich schufst, was wir unter großem Lärm nicht zustande gebracht haben.“ Weitere Informationen unter www.projektleben.org Matthias Netwall, Projektleiter Arbeitsgemeinschaft Missionarische Dienste (AMD) im Diakonischen Werk der EKD Postfach 33 02 20 14172 Berlin Reichensteiner Weg 24 14195 Berlin Telefon (0 30) 8 30 01-3 05 Telefax (0 30) 8 30 01-3 33 amd.laepple@diakonie.de www.a-m-d.de Jesus Christus kennen zu lernen und in seiner Gemeinde zu leben, ist das Recht jedes Menschen. Darum gibt es die AMD. Sie verbindet als Dachverband die landeskirchlichen Ämter für missionarische Dienste in der EKD, freikirchliche Einrichtungen und freie Werke. Sie ist zugleich als Fachverband Mitglied im Diakonischen Werk der EKD und bildet in ihm mit ihrer Geschäftsstelle den Arbeitsbereich „Missionarische Dienste“. mi-di erscheint ein- bis zweimal im Jahr. Der Bezug ist kostenlos. Bestellungen: amd@diakonie.de Redaktion Pfarrer Ulrich Laepple (verantw.) Elke Mania Bildnachweis Seite 1: boscopics/aboutpixel; Seite 9: personello; Seite 10: Diakonisches Werk Bethanien, Solingen; Seite 11: Jupiterimages, Robert Kneschke/fotolia; Seite 12: crolique/fotolia, Jamiga/ fotolia, Monkey Business/fotolia; Seite 14: MEV; Seite 18: jungepartner (MEV); Seite 19: project photos, Rest: Archiv der AMD. Design jungepartner.de, Witten Druckerei Domröse, Hagen Besuchen Sie auch die Homepage der AMD: www.a-m-d.de EHREN?EHREN AMT Aus der Arbeit der Ehrenamtsakademie berichtet Joachim Wilzki „Salz der Erde“ bleiben – durch die Qualifizierung des Ehrenamts Mehr als 63.000 Gemeindeglieder engagieren sich ehrenamtlich in der sächsischen Landeskirche. Damit ist sie nach dem Sport der zweitgrößte Träger von bürgerschaftlichem Engagement. Entgegen manchen Befürchtungen nimmt ehrenamtliches Engagement in der Kirche nicht ab, sondern zu. In den Gemeinden sind Ehrenamtliche zu einer wesentlichen und lange schon unverzichtbaren Stütze der kirchlichen Arbeit geworden. Zu ihrer Unterstützung wurde im Jahr 2006 die „Ehrenamtsakademie der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens“ gegründet. Die Geschäftsstelle der Ehrenamtsakademie versteht sich als „Drehscheibe“ zwischen den Einrichtungen und den Ehrenamtlichen und Anlaufstelle bei Fragen rund ums Ehrenamt und gibt das gemeinsame Jahresprogramm heraus. Im Jahr 2010 konnten Ehrenamtliche unter 120 Bildungsangeboten auswählen, die als Abrufangebote in den Gemeinden vor Ort, als Tagesveranstaltungen in einer Region oder als mehrtägige Weiterbildungen in Tagungshäusern stattfinden. Aus Erfahrung und Überzeugung „Beteiligungskirche“! Entscheidend für die Überlegungen zur Ehrenamtsakademie waren drei Fragen: ❚ Wie werden sich die Gemeinden in den nächsten 10 bis 15 Jahren entwickeln? ❚ An welchem biblischen Leitbild können wir uns orientieren? ❚ Was bedeutet dies für die Qualifizierung von Haupt- und Ehrenamtlichen? Anfang 1990 lebten in Sachsen noch etwas weniger als fünf Millionen Menschen. Bis 2020 wird sich die Einwohnerzahl auf rund 3,8 Millionen verringern. Diese Entwicklung ist bis in die Ortsgemeinde hinein zu spüren: bei der dramatischen Reduzierung der Kinderzahlen in der Christenlehre, den geringer werdenden finanziellen Möglichkeiten und beim Rückgang der Anzahl der Gemeindeglieder. Die Landeskirche wird kleiner – doch das muss nicht zwangsläufig auf eine traurige und verzagte Minderheit hinauslaufen. Es gibt eine gewachsene ehrenamtliche Tradition, die Erfahrungen einer Minderheitskirche verinnerlichte und schon vor der Wende nach dem Leitbild einer mündigen Gemeinde zu leben versuchte. Auch wenn im Blick auf die Gesamtkirche im Osten eine eher »»»»»»» »»» mi–di 10 » » » » volkskirchliche Prägung auf niedrigerem Niveau bestimmend blieb, so war das Selbstverständnis der engagierten Gemeindeglieder immer vom Bild einer Beteiligungsgemeinde inspiriert. Nach 1989 war endlich ein Engagement an den Grenzen und über die Grenzen der Gemeinden hinaus möglich und auch notwendig. Kindergärten und Schulen, Bürgerinitiativen, Gemeindeprojekte, Kirchbauvereine und kommunale Gemeinderäte vervielfältigten die ehrenamtlichen Aufgaben und Möglichkeiten. Nach einer Phase der Ausdehnung und der Mitwirkung in vielen Gremien und Initiativen begann eine neue Phase, die sich wieder verstärkt auf gemeindliche Bezüge konzentrierte. Beide Phasen haben das ehrenamtliche Selbstverständnis geprägt: Bei der Begleitung von Ehrenamtlichen muss deshalb die Gemeinde vor Ort gestärkt werden – und gleichzeitig kann sie sich nicht darauf begrenzen. In der Ehrenamtsakademie wird das deutlich. In ihr sind das Diakonische Werk, die Evangelische Erwachsenenbildung und die Evangelische Akademie als Leiteinrichtungen verankert. Das „neue“ und das „traditionelle“ Ehrenamt Gemäß dem 2. Freiwilligensurvey (2004) sind zeitlich begrenzte Mitarbeit und selbstbezogene Motive des Engagements wie die Weiterentwicklung der eigenen 11 mi–di wirkung in gemeindlichen Kernbezügen erscheint also nur für einen begrenzten Teil von Ehrenamtlichen naheliegend. Aber auch der gesellschaftliche Wandel mit seiner hohen Mobilität verändert das kirchliche Ehrenamt: Bisher waren engagierte Jugendmitarbeiter oft die ehrenamtlichen Stützen von morgen. Durch den Wegzug der Jugendlichen gerade aus den Dörfern ist das Konzept einer sich ständig erneuernden ehrenamtlichen Arbeit nur noch begrenzt umsetzbar. Andere Gemeindeglieder lassen sich eher zeitlich begrenzt und für einmalige Vorhaben oder Projekte gewinnen. Die ländlichen Regionen In Regionen mit kleiner werdenden Gemeinden und deutlich weniger hauptamtlichen Mitarbeitern wird es schwieriger, die traditionsreichen und oft touristisch interessanten Kirchen mit zugehörigen Pfarrhäusern zu erhalten. Weite Wege gibt es nicht nur wegen der entstehenden Großkommunen, sondern auch im Kirchspiel oder im groß gewordenen Kirchenbezirk. Wie bleibt das Evangelium vor Ort vernehmbar und erfahrbar? In den Gemeinden finden manche ehrenamtliche Dienste, die seit Generationen in Familien weitergegeben wurden, keine Fortsetzung, weil die junge Generation die ländlichen Regionen verlässt. Wer tritt an ihre Stelle? In dieser Situation kommt es oft dazu, dass verbliebene Engagierte mehrere Aufgaben gleichzeitig übernehmen. Nicht selten sind es die Kirchvorsteher: Sie tragen Verantwortung für die Gemeinde als Kirchner und Lektoren und sind zuständig für Besuche. Aus diesem Grund bleiben Spezialisierungen Das kirchliche Ehrenamt versteht sich als Antwort auf das Geschenk des Glaubens und geschieht wesentlich – auch in Gestalt des „neuen Ehrenamts“ – „um Christi willen“. Persönlichkeit Kennzeichen gegenwärtigen bürgerschaftlichen Engagements. Diese unter dem Begriff „neues Ehrenamt“ zusammengefasste Entwicklung ist längst in den Gemeinden angekommen. Ein Beispiel dafür ist der „Kirchliche Fernunterricht“ für angehende Prädikantinnen/Prädikanten – eine anspruchsvolle zweijährige Ausbildung. Erstaunlicherweise haben nur ca. 50 Prozent der Teilnehmenden die Absicht, Prädikant oder Prädikantin zu werden. Eine nicht unbedeutende Zahl nimmt aus Interesse und persönlichen Motiven teil. Die Mit- für bestimmte Aufgaben aus, und für viele Gemeinden ist es ein Glück, wenn es noch Frauen und Männer gibt, die Dienste aus Tradition übernehmen. Viele von ihnen tragen weit mehr Verantwortung als ihre Eltern. Zugleich ergeben sich Freiräume für neue Formen. Auch Nichtchristen zeigen sich daran interessiert, ihre Kirche zu erhalten, schätzen die Kirchgemeinde als Kulturträger vor Ort, und engagieren sich ehrenamtlich im Raum der Kirche. Die Ehrenamtsakademie mit ihrem Anspruch, Ehrenamtliche zu bilden und zu begleiten, muss sich auf diese Situation einstellen, um im Blick auf die zu vermutenden weiteren Veränderungen Orientierung bieten zu können. Unterschiedliche Erwartungen, unterschiedliche Erfordernisse Etwa die Hälfte der Ehrenamtlichen im kirchlichen Bereich wünscht sich Unterstützung bei ihren Aufgaben. In der Praxis zeigt sich aber, dass nur ein bestimmter Teil tatsächlich eine Weiterbildung besucht. Ein hoher Standard der Weiterbildungen genügt demnach noch nicht, um Ehrenamtliche zu gewinnen. Die bisherigen Erfahrungen erlauben es, hinsichtlich Motivation und Fortbildungsinteresse drei Gruppen von Ehrenamtlichen zu unterscheiden: 1. Unterstützende und uneigennützig Helfende Diese Gruppe engagiert sich ehrenamtlich, weil die so Engagierten einen Großteil ihrer sozialen Kontakte im unmittelbaren Lebensumfeld suchen. Sie lassen sich für praktische Aufgaben gewinnen, weniger für Leitungsaufgaben. Ihr Interesse an Weiterbildung besteht in einer praxisnahen Begleitung, in Arbeitshilfen und guten Beispielen. 2. Mitarbeitende und Verantwortliche in Teilbereichen Auf Grund von beruflichen und persönlichen Kompetenzen sind sie ehrenamtlich tätig, oft in mehreren Bereichen. Sie fühlen sich für das Ganze mitverantwortlich. Ihr ehrenamtlicher Einsatz ist oft mit ihrer christlichen Sozialisation verbunden. Weiterbildungen sind ihnen wichtig, wenn sie ortsnah und zeitlich begrenzt angeboten werden. Die Praxisrelevanz ist dabei besonders wichtig. 3. Engagierte durch Selbstinitiative Ehrenamtliche in diesem Bereich sind an der Sache orientiert und wollen sich in ihrer Persönlichkeit durch die ehrenamtliche Aufgabe weiterentwickeln. Sie suchen oft Gleichgesinnte und Verbündete in gemeindeübergreifenden Initiativen. Sie sind an Projekten interessiert und an persönlicher und fachlicher Weiterentwicklung. Sie lassen sich gern auf längere Fortbildungen ein und fragen nach Qualität und anerkannten Abschlüssen. Hauptamtliche und Ehrenamtliche Die Sensibilisierung Hauptamtlicher darf als Schlüssel für die Qualifizierung Ehrenamtlicher bezeichnet werden. Das Spezifikum kirchlicher ehrenamtlicher Arbeit besteht im Unterschied zu anderen Bereichen unserer Gesellschaft darin, dass für 75 % der Aufgaben Ehrenamtliche und Hauptamtliche miteinander zuständig sind. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Hauptamtlichen Ehrenamtliche nicht als Bedrohung erfahren, sondern als Partner im gemeinsamen Dienst. Bei ehrenamtlicher Arbeit geht es nicht primär darum, Geld zu sparen oder die Urlaubsvertretungen zu erleichtern, vielmehr geht es um die Entfaltung des „Allgemeinen Priestertums aller Getauften“ in einer Kirche mit einem traditionell starken Pfarramt. Gleichzeitig muss der Mehrwert, der sich mit der durch Hauptamtliche erfolgten Professionalisierung kirchlicher Vollzüge eingestellt hat, bewahrt werden. Professionalität für kirchliches Handeln ergibt sich deshalb allein aus dem Zusammenspiel von Ehren- und Hauptamtlichen. Sie ist zugleich Grundvoraussetzung für eine Beteiligungskirche zwischen volkskirchlicher Tradition und einschneidenden Umbrüchen. Das Selbstverständnis ehrenamtlicher Arbeit ist also sehr unterschiedlich. Es zeigt sich, dass „traditionelles“ und „neues“ Ehrenamt nebeneinander bestehen und einander ergänzen. Für die Ehrenamtsakademie kommt es darauf an, allen drei Gruppen hilfreiche Angebote zu unterbreiten, die jeweiligen Grenzen zu beachten und zugleich Impulse zur Weiterentwicklung zu geben. Nach biblischem Verständnis sind Gaben auch Aufgaben. Das kirchliche Ehrenamt versteht sich also als Antwort auf das Geschenk des Glaubens und geschieht wesentlich – auch in Gestalt des „neuen Ehrenamts“ – „um Christi willen“. Diesen Zusammenhang immer wieder neu plausibel zu machen und zu vermitteln, bleibt eine anspruchsvolle Aufgabe. Beispiel 1: Ehrenamtlich in der Suchthilfe Beispiel 2: Ehrenamtlich in der Seniorenbegleitung Die Diakonie in Sachsen bildet ehrenamtliche Mitarbeiter in der Suchtkrankenhilfe nach dem bundeseinheitlichen Ausbildungsprogramm des GVS (120-Stunden-Programm) in Moritzburg aus. An 7 Wochenenden innerhalb von 18 Monaten nahmen an dieser Fortbildung 20 Personen teil. Teilnehmer sind zum Beispiel ❚ ehemals Abhängigkeitskranke, die mindestens zwei Jahre abstinent leben, ❚ Angehörige und ❚ Menschen, die sich vor allem im betrieblichen Umfeld mit Sucht und Suchtproblemen beschäftigen wollen. Inhaltlich geht es darum, Fachwissen für den Umgang und die Behandlung von Suchtkranken weiterzugeben und einen fachlichen Hintergrund zu sichern. Dies erfolgt, indem über die Entstehung von Suchterkrankungen, ihre Behandlung und Therapie Wissen vermittelt wird. Ziel ist die Stärkung der eigenen Fähigkeiten der Teilnehmer und eine Sicherheit im Umgang mit Suchtkranken. Was man auch lernt: Gesprächsführung für Einzelgespräche und in Gruppen. Der Einsatz der ehrenamtlichen Helfer geschieht in Anbindung an Suchtberatungsstellen, in Betrieben oder in der Selbsthilfe. Die Teilnehmer bekunden nach der Ausbildung immer wieder, dass sie bei der Ausbildung in der Diakonie eine Hilfe in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit erhalten haben und zukünftig sicherer und mit weniger Ängsten Suchtkranken gegenübertreten können. Das große Aha-Erlebnis besteht darin, wie wichtig es ist, die Sicht der Angehörigen oder der Mitarbeiter im Betrieb intensiv kennen zu lernen. Umgekehrt ist es für die Angehörigen wichtig, die Sicht und die Gefühle des Abhängigen zu erfahren. Die Mitarbeiter von Betrieben bewundern immer wieder die Offenheit, mit der Abhängige über ihre Erlebnisse in und mit der Krankheit berichten. Als einen weiteren wichtigen Aspekt wird die Vermittlung von Sinn- und Wertebezügen sowie des christlichen Menschenbildes gesehen. Seniorenbegleitung soll älteren Menschen möglichst lange, vielleicht auch bis zum Tod, ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen. Seniorenbegleitung ist auch als zusätzliche Leistung für im „Betreuten Wohnen“ oder im Heim lebende SeniorInnen gedacht. Sie ist als individuelle Basisbetreuung zu verstehen. Grundkurse, die z. B. im Kirchenbezirk von Dresden angeboten wurden, führen in grundlegende Themen und in die Praxis der Begleitung ein. Theorie und Übungen in Gesprächsführung und der Umgang mit Trauer vermitteln beispielsweise Kompetenzen, sich auf die einzustellen, die begleitet werden, ihr Gewordensein zu akzeptieren und gemeinsam nach Wegen der Alltagsgestaltung und -bewältigung zu suchen. Die Teilnehmenden erfahren, dass ihre eigenen bisherigen Erfahrungen wertgeschätzt werden, dass sie bereits über gute Kompetenzen verfügen und dass es nützlich ist, sich mit anderen Menschen auszutauschen. Aufbauende Kurse und Praxisaustausch unterstützen das ehrenamtliche Engagement. Unterstützung brauchen Ehrenamtliche auch bei der Schaffung von Strukturen, für die Netzwerkarbeit und die Kontaktvermittlung. Das eigene Tun anzuerkennen und selbstbewusst vor Trägern und Verantwortlichen zu vertreten, ist für viele engagierte Ältere vor allem im kirchgemeindlichen Bereich noch Lernweg und eine neue Herausforderung. von Helmut Bunde von Sabine Schmerschneider mi–di 12 i n s p i r i e r t dokumentiert 13 mi–di Weitere Informationen unter: www.heidelberg-mobil.de/place/show/9934 www.youtube.com/watch?v=f9EMJAsX85I Stadtmission e. V., einem diakonischen Träger in Heidelberg mit 1.400 Mitarbeitern. Sie versteht sich auch als geistliches Zentrum der „Diakoniestraße Plöck“, zu der elf diakonische Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft gehören: von der Wiedereingliederungshilfe für Wohnungslose, dem Diakonieladen, der Suchtberatung, dem Blauen Kreuz, der Tagesklinik für Suchtkranke und einer Tagesstätte für psychisch kranke Menschen bis hin zu Altenhilfeeinrichtungen. Der manna-Treff „manna“ – Gemeinsam gegen Armut und Ausgrenzung … Es war kalt morgens. Hab gefroren wie ein Schneider. Er sagte: „Geh’n wir einen Kaffee trinken …“. Ich sagte: „Hab’ kein Geld.“ Er: „ICH LAD DICH EIN INS MANNA.“ Eine ältere Dame, manna-Stammgast, beobachtete Kaffee trinkend, wie Passanten draußen vor dem manna-Schaufenster stehen blieben und neugierig wie unsicher hineinblickten. Also lief sie zur Tür und rief ihnen zu: „Kommen Sie ruhig rein, das ist von der Kirche! Hier kann jeder rein.“ Viele Menschen stehen aufgrund von Armut, Isolation, Sucht oder anderen psychischen Erkrankungen am Rand unserer auf Leistung fixierten Gesellschaft. Ausgrenzungserfahrungen gehen oft einher mit innerer Leere, Mut- und Antriebslosigkeit und einem geringen Selbstwertgefühl. Nach der 58. Absage auf eine Bewerbung manifestieren sich allmählich Gedanken wie „Ich kann nichts gut genug. Mich will niemand. Ich bin ein Versager!“ Rückzug und Abbruch von Sozialkontakten sind nicht selten die Folge. Armut muss somit weiter gefasst werden, als dass sie nur Fragen des Besitzes betrifft. Ihre Gesichter heißen Einsamkeit, Angst, Resignation oder Kraftlosigkeit. Arm zu sein, wird in der heutigen individualisierten schnelllebigen Konsumgesellschaft als Stigma empfunden. Wer auf diese Weise arm ist, sucht nicht in erster Linie nach materieller Erfüllung, sondern nach einer Form der (Wieder-)Verankerung in gesellschaftlichen Strukturen. Er sucht nach Halt, Anerkennung und einer Funktion in der Gesellschaft. Die Kapelle befindet sich im Zentrum der Heidelberger Altstadt. Sie ist nicht nur geistliches Zentrum der Evangelischen Die Evangelische Kapellengemeinde gründete im Jahr 2005 das Armutsprojekt „manna“ mit dem Ziel, Menschen mit wenig Geld und viel Zeit einen Ort ohne Stigmatisierung und Ausgrenzung anzubieten. An den gesellschaftlichen Rand Gedrängte sollen ins buchstäbliche Zentrum Heidelbergs eingeladen werden. Es herrscht kein Konsumzwang, jeder ist willkommen so wie er ist: Der Eine sucht das Gespräch, der Nächste will nur Zeitung lesen, andere kommen zu fünft und genießen das günstige Frühstücksangebot (Kaffee 20 Cent, Frühstücksbeilagen 30 Cent) in geselliger Runde. Andere kommen extra zur Schlussandacht eines jeden manna-Tages und fragen nach dem „Wort zum Donnerstag“. An jedem der fünf Öffnungstage pro Woche sind drei bis fünf ehrenamtliche Mitarbeiter aus verschiedenen Heidelberger Gemeinden (evangelisch, katholisch, freikirchlich, aber auch ohne kirchliche Bindung) da, die den Gästen ihre Zeit anbieten. Seelsorge bedeutet dabei auch: neuste Witze auszutauschen! „manna“ besteht inzwischen aus zwei „Filialen“: dem seit seiner Gründung angemieteten Raum (in unmittelbarer Nähe zur Kapelle) „manna in der Plöck“ und dem aufgrund von Platzmangel zusätzlich geöffneten Vorraum der Kirche „manna in der Kapelle“ (im Sommer vor der Kapelle). Täglich kommen zwischen 20 und 70 Gäste aus Heidelberg und Umgebung. Menschen in ihren Höhen und Tiefen, Menschen, die Brüche in ihrem Leben kennen. Sie erzählen vom Leben als Messie, ihrer Scheidung, fremden Ländern, ihrem Leben auf der Straße oder kämpfen damit, die letzte Stromrechnung zu bezahlen. Menschen, die auf der Suche sind nach Gemeinschaft, nach Wärme, nach Annahme – und so mancher auch nach Gott. manna-Kurse Neben der Begegnungsstätte bietet manna seit Januar 2009 auch ein regelmäßiges kostenfreies Bildungsprogramm an. Das Bestreben des Kursprojektes ist es, ein Ort zu sein, an dem Menschen Fähigkeiten, die sie beherrschen, ehrenamtlich an andere weitergeben. Es soll ein Raum geschaffen werden, in dem viele unterschiedliche Gaben Platz finden und sich in christlicher Nächstenliebe entfalten können – ohne Leistungszwang. Teilnehmer der drei bis neun wöchentlich stattfindenden Kurse sind nicht nur manna-Gäste, sondern auch Mitarbeiter. Die Verortung von manna in der „Diakoniestraße“ Plöck eröffnet die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit mit den anderen diakonischen Einrichtungen: In der Wiedereingliederungshilfe findet der PC-Kurs statt, im Altenpflegeheim probt der Chor „manna4voices“, die Suchtberatung stellt ihre Räume für Kurse wie „Stärken und Potentiale erkennen“ und „Trommeln“ zur Verfügung. Klienten der Klinik in der Plöck, der Suchtberatung, der Tagesstätte für psychisch Kranke sowie des Diakonieladens besuchen regelmäßig manna-Angebote wie historische Altstadtführungen, Kunst-, Sprach- und Glaubenskurse oder Kochen für Hartz IV-Budget. Diakonisches Profil durch Rituale manna wird getragen von ca. 40 Ehrenamtlichen. Täglich kommen bis zu 70 Personen in den Treff und die Kurse. Feste Rituale sind ein wichtiges verbindendes und Identität stiftendes Element zur Schärfung des diakonischen Profils im säkularen und interreligiösen Kontext von Mitarbeitern und Gästen. Rituale befinden sich auf der Gradwanderung zwischen Profilierung und gleichzeitiger Offenheit für Kirchenfremde. Ziel ist es, ohne Angst verschieden sein zu können – Vielfalt unter einem Dach. Dabei erleichtern und verkürzen Rituale den Weg (zurück) zur Institution Kirche. Ich nenne vier Beispiele für feste Rituale in manna: a) Tagzeitgebete als Wegmarken des Tages: Morgens gibt es ein Angebot zum stillen Gebet in der Kapelle, abends wird jeder manna-Tag mit einer Kurzandacht beendet (ca. 5 min). b) „Abkündigungen“: Nach der Schlussandacht in manna wird täglich eingeladen zu Gottesdiensten und sonstigen Veranstaltungen der Kapellengemeinde; im Sonntagsgottesdienst wird zu manna, seinen Kursen und Veranstaltungen eingeladen. c) Sämtliche Gremien und Treffen wie Mitarbeiterbesprechungen, -fortbildungen oder Leitungskreis werden mit Andacht und Gebet eröffnet. d) Regelmäßige manna-Gottesdienste unter Leitung des Pfarrers und der Diakonin (manna-Leitung): mit Gästen, Mitarbeitern, Gemeindemitgliedern und Freunden – unter Einbeziehung aktueller Entwicklungen und Ereignisse in manna, Segnung neuer Mitarbeiter und Bezug zum Kirchenjahr. Gelebte Kirche manna ist Kirche, Kirche praktizierter Nächstenliebe. Und Spiritualität ist in manna sehr unmittelbar spürbar: ❚ Wenn ein gehörloser manna-Gast regelmäßig im Rahmen der Schlussandacht laut das „Vater unser“ betet und allen Gottes Segen wünscht; ❚ wenn ein manna-PC-Kurs-Teilnehmer berührt erzählt, dass er nun endlich E-Mail-Kontakt zu seinen vermissten Freunden in Indien aufnehmen konnte; ❚ wenn ein äußerst in sich gekehrter, wortkarger manna-Gast plötzlich eine Flut hochtheologischer Fragen zu stellen beginnt; ❚ wenn eine manna-Mitarbeiterin beim Abschlussgespräch sagt: „Ich habe in manna viel mehr empfangen dürfen, als ich geben konnte!“ ❚ Wenn regelmäßig Rosensträuße eines Discounters durch den „Flaschenpeter“ vor dem Wegschmeißen bewahrt und freudestrahlend an alle Damen in manna verteilt werden; ❚ wenn ein Gast dem anderen im Kapellenhof das Fahrrad repariert; ❚ wenn Gäste sagen, dass sie in manna keine Zeit für Depressionen haben; ❚ wenn Kirchendistanzierte nun regelmäßig den Kapellengottesdienst im manna-Chor oder manna-Trommelkurs mitgestalten. Manna, das Himmelsbrot, das Kraft gibt für einen Tag. Stefanie Reutter, Leiterin von manna „Vis-a-vis“ – ein Pilotprojekt Nahe bei (den kranken) Menschen Schon in mi-di 5 haben wir darüber berichtet, dass das in England praktizierte Konzept des „Parish Nursing“ auch bei uns Interesse gefunden hat und von Angela Glaser nach Deutschland importiert worden ist. Es geht um die große Gruppe von Menschen, die mehr als einen freundlichen Besuch von der Gemeinde brauchen, nämlich Beratung und seelsorgerlichen Beistand angesichts einer Krankheitsnot. Jetzt kann Frau Glaser berichten, dass man einen wichtigen Schritt weiter ist und in der Landeskirche der Pfalz die erste Ausbildung zur „Parish Nurse“ läuft. Es ist Samstag, der 2. Oktober 2010. Gespannte Erwartung liegt in der Luft. Es ist der Beginn des Pilotprojekts Vis-a-vis. Im Gemeindehaus in Dudenhofen in der Pfalz sind neun Teilnehmer/innen angekommen. Eine Besonderheit: Wir können eine Viertelstunde früher beginnen, weil alle überpünktlich waren. Was hat die Teilnehmer dazu angetrieben, sich früh auf den Weg zu machen und an einem freien Samstag eine Schulung zu besuchen? Berufung in ein neues Ehrenamt Erstes Bespiel, Schwester Hanne Hollinger: „Zum ersten April habe ich aus gesundheitlichen Gründen aufgehört, als Krankenschwester zu arbeiten. Dadurch hatte ich viel freie Zeit und suchte etwas, wo ich meinen Beruf mit einbringen konnte. Ich bat Gott, mir doch eine Möglichkeit zu zeigen. Kurze Zeit später bekam ich dann von einer ehemaligen Kollegin, die ich seit ca. 15 Jahren nicht mehr gesehen hatte, eine Anfrage über die Internetplattform ‚Wer kennt wen‘, ob ich mich für Visa-vis interessieren würde. Ich informierte »»» „Inklusion“ mi–di 14 » » » mich über die Arbeit und stellte fest, dass dies genau die Arbeit ist, die ich mir vorgestellt hatte. Ich schrieb ihr direkt zurück: ‚Das ist ja eine Gebetserhörung, genau so etwas habe ich gesucht.‘“ Zweites Beispiel: Schwester Renate Müller:„Seit meiner Einsegnung als diakonische Schwester habe ich mich lange gefragt, welchen Wirkungsbereich sich Gott für mich denken würde. Der Wunsch, wieder mit kranken Menschen zu arbeiten, war sehr groß. Dann wurde ich angesprochen, ob ich mir vorstellen könne, bei Vis-a-vis mitzuarbeiten. Je länger ich darüber nachdachte, war ich mir sicher: Das ist der Aufgabenbereich, den ich mir für mich vorstellen kann. Mit wem ich auch über das Projekt rede, oft höre ich, dass dies genau der Teil ist, der den Menschen oft noch fehlt.“ „Ich stellte fest, dass dies genau die Arbeit ist, die ich mir vorgestellt hatte!“ (Erreichbarkeit von Ärzten und Angebote wie z. B. Selbsthilfegruppen), dann das seelsorgerliche Angebot in der Region. Am Ende der Schulung steht die Vorstellung und Einführung der Vis-a-vis Mitarbeiterin im Gemeindegottesdienst. Dann wird die eigentliche Arbeit beginnen. Moderne Gemeindepflege mit geschichtlichen Wurzeln Der Impuls zu Vis-a-vis kommt aus dem englischen Parish Nursing, übersetzt etwa: Vorbereitung durch Ausbildung „Gemeindepflege“. Dort werden Pflegefachkräfte in einem einwöchigen SchuDas Pilotprojekt Vis-a-vis findet im Rahlungskurs auf ihre Aufgaben in den Kirmen der Evangelischen Kirche der Pfalz chengemeinden vorbereitet. Nach einem statt. An ihm können Pflegefachkräfte teilnehmen, die sich von ihrer Kirchengemein- mit sieben Teilnehmerinnen im Jahr 2004 begonnenen Kurs ist die Zahl der de dazu beauftragen lassen, Ansprechpartner für kranke Menschen in der Gemeinde Parish Nurses in England jetzt auf über 90 angewachsen. (Ein ausführlicher Bericht zu sein. Die Teilnehmer des ersten Schuüber die Begegnung mit einer englischen lungskurses von Oktober 2010 bis Mai 2011 stammen aus sechs unterschiedlichen Parish Nurse erschien in mi-di 5). Kirchengemeinden (auch eine Freie evanParish Nursing ist eine Weiterentwickgelische Gemeinde ist mit dabei). lung aus den Wurzeln der Gemeindepflege des 19. Jahrhunderts, der Arbeit von DiakoDie fünf Schulungsmodule beinhalten nissen. 1844 wurde die erste Diakonisse Themen zu theologischen Grundlagen, durch Theodor Fliedner in eine GemeindeSeelsorge, Ethik, geschichtliche Entwickpflege geschickt, um dort den kranken lung von Krankenpflegevereinen und SoMenschen sowohl pflegerische Hilfe als zialstationen in den Kirchengemeinden, auch seelsorgerlichen Beistand zu geben. Gesprächsführung und viele praktische Anregungen. Zwischen den einzelnen Vis-a-vis nimmt diesen Gedanken der Modulen werden Praxisaufgaben erledigt. seelsorgerlichen Begleitung von kranken Dazu gehören zu Beginn eine Analyse Menschen in der Kirchengemeinde auf der Situation kranker Menschen vor und bildet Pflegefachkräfte dafür aus. Sie Ort, zunächst die allgemeine Situation werden diese Aufgabe ca. 3–4 Stunden pro Woche ehrenamtlich wahrnehmen. Wie die Gemeinde und ihre Kranken davon profitieren können Wie könnte die Arbeit in der Gemeinde praktisch aussehen? ❚ Frau K. steht vor einer schwierigen Entscheidung. Seit längerem machen ihr gynäkologische Beschwerden sehr zu schaffen. Der Arzt rät zur Operation. Da tut es gut, diese Frage mit einer Krankenschwester zu bereden. Die Vis-a-vis Mitarbeiterin kann Frau K. die Entscheidung nicht abnehmen, aber sie kann zuhören, die Situation mit durchdenken und auf Gottes Beistand verweisen. Ihre Fachlich- 15 mi–di Was hat die UNO mit unseren Gottesdiensten zu tun? keit nimmt Frau K. die Scheu, über dieses Thema zu sprechen und verhilft zur Klärung der Frage. ❚ Frau G. ist Ausländerin. Ihr steht eine OP bevor, aber sie hat Angst, auch vor der Schwierigkeit, sich in der deutschen Sprache ausdrücken zu müssen. Die Vis-a-vis Mitarbeiterin begleitet sie ins Krankenhaus und bleibt bei ihr, bis sie zur OP abgeholt wird. ❚ Herr M. war früher treues Mitglied im Seniorenkreis. Jetzt ist er an den Rollstuhl gebunden. Die Vis-a-vis Mitarbeiterin organisiert einen Abholdienst zum Seniorenkreis. Viele weitere Möglichkeiten der Hilfestellung sind denkbar. Was genau in den einzelnen Projektgemeinden umgesetzt wird, wird im Verlauf des Pilotprojekts zutage treten. Wir sind gespannt darauf. Am ersten Schulungstag waren die Spannung und die Erwartungen, die auf diesem Projekt liegen, spürbar. Im nächsten Modul wird es zu einer Begegnung zwischen Diakonissen, die früher in der Gemeindepflege tätig waren, und den künftigen Vis-a-vis Mitarbeiterinnen kommen. Die Weitergabe ihrer vielfältigen Erfahrungen kann uns motivieren, die Pionierarbeit in den Gemeinden anzugehen. Den biblischen Auftrag gestalten Christen sind beauftragt, kranken Menschen beizustehen. Im Matthäus-Evangelium zeigt Jesus, wie er sich kranken Menschen verbunden fühlt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“. Kranken Menschen zu vermitteln, dass Gott ihnen in ihrer schwierigen Lebenssituation nahe sein will, wir ihnen darum Unterstützung und Beistand anbieten, ist der Auftrag von Vis-a-vis. Schwester Renate aus Speyer drückt ihren Wunsch für Vis-a-vis folgendermaßen aus: „Ich wünsche und bete, dass Gott uns eine große Offenheit in der Bevölkerung schenkt und dass das Projekt gelingt.“ Angela Glaser ist Altenpflegerin bei einer ökumenischen Sozialstation in Schifferstadt. Weitere Informationen zu diesem Projekt unter www.visavis-gemeindediakonie.de D ie UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen, die im Jahre 2009 von Deutschland unterschrieben wurde, fordert einen Systemwandel in unserem Denken und Handeln. Auch wenn sich die Situation für Menschen mit Behinderung in vielen Ländern und in vielen Situationen in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat, ist vieles für Menschen ohne nennenswerte Behinderungen selbstverständlich, während Menschen mit Behinderung nach wie vor eine Reise anmelden, einen Besuch im Freibad ankündigen oder eine besondere Hilfeleistung rechtzeitig anfordern müssen. Rollstuhlgerechte Behördeneingänge liegen neben der Lieferanteneinfahrt an der Rückseite der Gebäude, aber in Pfarrhäusern fehlt selbst diese; Kirchgemeinden müssen einen Helferstab mit Gewichtheberausbildung organisieren, damit Rollstuhlfahrer das Kirchenschiff erreichen können und Hausmeister stöhnen auf, wenn sie nach der Induktionsschleife für schwerhörige Gemeindemitglieder gefragt werden Die UN-Konvention will erreichen, dass Menschen mit Behinderung ihr Leben ebenso selbstbestimmt führen können, wie andere Menschen auch, und führt dazu den Begriff Inklusion ein. Das bedeutet: Ein System wird so geändert, dass jede und jeder dabei sein kann. Orte und Informationen sollen so gestaltet werden, dass sie barrierefrei erreichbar sind. Menschen mit Behinderungen sollen selbst entscheiden können, wo und mit wem sie wohnen möchten. Sie sollen nicht gezwungen werden, in speziellen Einrichtungen zu leben, sondern sie sollen da, wo sie leben wollen, die nötige Assistenz erhalten. Menschen mit Behinderungen sollen wohnen, lernen und arbeiten können, wo alle Menschen wohnen, lernen und arbeiten. Sie sollen gleich von Anfang an mitten in der Gesellschaft sein. Und sie sollen auch selbstverständlich zu Kirche und Gemeinde dazu gehören und in das Gemeindeleben integriert sein. Für Menschen, die sich mit dem Thema Behinderung beschäftigen, ist „Inklusion“ das aktuelle Schlagwort. Was geht uns das an? – Doch wenn Inklusion bedeutet, dass ein System so geändert wird, dass jede und jeder dabei sein kann, dann sollte jeder Gottesdienst immer schon nach den Grundsätzen der Inklusion gestaltet sein, denn beim Gottesdienst soll jede und jeder dabei sein können! Jedoch lehrt uns die Praxis einer übergroßen Mehrheit von Kirchgemeinden, kirchlichen Institutionen und Angeboten, dass es oft nicht an gutem Willen und christlicher Nächstenliebe fehlt – aber Fachwissen, der Wille zu nachhaltigen Veränderungen und die Bereitschaft zu finanziellen Opfern (ja, Opfern!) müssen erarbeitet und erkämpft werden. Mit Sicherheit gibt es schon heute viele gute Beispiele in unseren Kirchen und Gemeinden. Mit Sicherheit ist jedoch noch eine Menge zu tun, damit sich das System Kirche so ändert, dass wirklich jede und jeder dabei sein kann, Menschen mit Behinderung inklusive! Denn Menschen mit Behinderung gehören ganz natürlich und unbedingt zu jeder Gemeinde dazu. Die Bibel bietet uns mehr Beispiele dafür, als wir im ersten Moment denken. Wir kennen die Heilungsgeschichten der Bibel – und wir dürfen uns an Gottes Möglichkeiten, menschliches Leben zu erneuern und heil zu machen, immer wieder freuen. Wir können diese Heilungsgeschichten aber auch als Inklusionsgeschichten verstehen: Jesus sorgt dafür, »»» mi–di 16 17 mi–di inspiriert » » » dass Menschen, die krank oder behindert sind, einen „barrierefreien“ Zugang zur Gemeinde, zu menschlicher Gemeinschaft, erhalten. Jesus will, dass die, die an den „Hecken und Zäunen“ stehen, weil sie die Bordsteinkanten und Kirchentreppen nicht überwinden können, barrierefrei in seine Gemeinde kommen. Jesus gestaltet die Kommunikationssituation von blinden oder gehörlosen Menschen so, dass sie selbstständig am öffentlichen Leben teilnehmen können. Die Freude über Gottes wunderbare Möglichkeiten kann uns zur Motivation und Kraftquelle werden, denn Gott gibt uns die Chance, barrierefreie Zugänge zu schaffen, die in der Vergangenheit noch undenkbar waren. – Wir müssen nur wollen und entsprechend handeln. Ein Weg, Inklusion in der Gemeinde umzusetzen, ist die Idee des „Gottesdienst inklusive“. Ein erster Versuch fand im September 2010 in der Michaeliskirche Leipzig statt. Noch musste die Rampe für die Rollstuhlfahrer mitgebracht werden und weil sie so steil angelegt werden musste, wurde sie eine echte Herausforderung für Rollstuhlfahrer und ihre Assistenten. Aber ein Zugang war gelegt und im Gottesdienst wurde für den Bau einer DIN-gerechten Rampe gesammelt. Behindertengerechte Toiletten und eine Hörschleife für schwerhörige Gäste gab es ebenso wie Gebärdensprachdolmetscher für gehörlose Besucher. Blinde Gottesdienstbesucher erhielten eigene Liedblätter in Braille-Schrift und natürlich waren Menschen mit Behinderung an der Gestaltung des Gottesdienstes beteiligt. Die Auswertung hat gezeigt, dass vieles gut, aber längst nicht alles richtig war – aber es war ein gute Anfang und es gibt eine Leipziger Kirchgemeinde, die möchte, dass der nächste „Gottesdienst inklusive“ in ihrer Kirche stattfindet. Damit wird ein erstes Ziel erreicht. Die Diakonie-Werke, die das Projekt initiiert haben, möchten dazu anregen, dass Gemeinden ihre Verantwortung für Menschen mit Behinderung wahrnehmen. Es soll regelmäßig und abwechselnd in verschiedenen Gemeinden solche besonderen Gottesdienste geben. Aber das eigentliche Ziel ist weiter gesteckt: Die Kirchgemeinden lernen, was Inklusion in ihrer Gemeinde bedeutet und verändern sich so, dass nicht Menschen mit Behinderung defizitär beschrieben und unserem „Hilfstrieb“ ausgesetzt werden. Vielmehr entdecken die Gemeinden, wo ihre Kirche (der Kirchraum, die Form des Gottesdienstes, das Verhalten der Gemeinde) defizitär ist. Denn nicht den Menschen mit Behinderung mangelt es – sondern wir haben Defizite: im Verhalten, in der Sachkenntnis, bei den baulichen Gegebenheiten. Die Freude über Gottes wunderbare Möglichkeiten kann uns zur Motivation und Kraftquelle werden Tragbare Im Markusevangelium, im zweiten Kapitel wird erzählt, dass Jesus in Kapernaum am See Genezareth eine Massenkundgebung initiiert, die Menschen strömen zusammen, das Haus, in dem er spricht, ist überfüllt und draußen stehen sie auch dicht gedrängt. Und da gibt es in dem Ort einen Gelähmten, einen Gichtbrüchigen, wie es bei Luther heißt. Der kann nicht dabei sein. Der hat keine Chance inkludiert zu werden. Alleine jedenfalls nicht. Aber jetzt kommen tatsächlich vier Träger, die nicht träge sind und legen ihn auf eine Tragbahre und gehen los. Aber sie kommen nicht weit. Die Menge steht im Weg. Die Barrierefreiheit ist noch nicht umgesetzt. Da steigen sie dem Jesus aufs Dach, unternehmen unglaublich Spektakuläres, decken das Dach ab, machen ein Loch rein und lassen den Gelähmten herunter, seilen ihn ab, direkt Jesus vor die Füße. Und da heißt es doch tatsächlich: Als Jesus ihren Glauben sah, also den Glauben der vier Dachdecker, da ist er offensichtlich schwer beeindruckt und wendet sich dem Gelähmten zu und macht ihn an Leib und Seele gesund. Will sagen: Bis auf Weiteres brauchen wir Leute, die gelähmtes Leben wahrnehmen, aufheben, in Bewegung bringen und wenn es sein muss, denen aufs Dach steigen, die alles so anberaumt haben wollen, dass niemand mehr außer ihnen selbst an die Reihe kommt. Nur so können wir verhindern, dass es bei uns unerträglicher wird. Das ist unser Beitrag, dass wir tragfähige Beförderer werden und bleiben, die solche Inklusionsübungen möglich machen. Denn: Vorerst üben wir noch. Thomas Günzel, Ludwig Burgdörfer, Pfarrer im Ehrenamt Missionarisch-Ökume- im Berufsbildungswerk nischer Dienst (MÖD) Leipzig in der Evang. Kirche der Pfalz Die EKD-Bildungsinitiative Ein ungewöhnliches Projekt macht derzeit von sich reden: „Erwachsen glauben“. Sein Ziel ist es, Kurse zu Kerninhalten des Glaubens Schritt für Schritt zu einem verlässlichen Regelangebot auszubauen. Damit werden besonders Menschen in der Lebensmitte neu von der Evangelischen Kirche entdeckt. Kurse für Erwachsene sollen zukünftig einen so selbstverständlichen Stellenwert in der kirchlichen Arbeit bekommen, wie ihn der Konfirmandenunterricht seit langem hat. Im Juni 2008 schuf der Rat der EKD die Voraussetzungen für eine dreijährige Projektstelle „Erwachsen glauben“ und beauftragte die AMD mit der Federführung. Die AMD lud Vertreter verschiedener kirchlicher Handlungsfelder, z. B. der Erwachsenenbildung, zur Mitarbeit in eine Steuerungsgruppe für das Projekt ein. Mit ihr begann Anfang 2009 die Arbeit an den theologischen Grundlagen für eine missionarische Bildungsarbeit. Es galt aufeinander zuzugehen, alte Denkmuster zu hinterfragen und Schnittmengen zu suchen. Die Ergebnisse dieses wechselseitigen Lernprozesses sollten in Form eines Handbuchs veröffentlicht werden. sowie an verschiedenen kirchlichen Orten (Gemeinde, Citykirche und Stadtakademie) dokumentiert. Der Film trägt dazu bei, den oft vorherrschenden verengten „Tunnelblick“ auf Glaubenskurse zu weiten – ein guter Einstieg z. B. für Beratungen im Kirchenvorstand. Pluralität und Profil Eine Stärke von „Erwachsen glauben“ liegt zweifelsohne in der Verbindung von Pluralität und Profil. Die Bandbreite von Kursen ist groß, sodass für jeden Anwender und für Teilnehmer aus unterschiedlichen Milieus etwas dabei sein dürfte. Auch ungewohnte Kooperationen über die Grenzen kirchlicher Handlungsfelder hinweg haben das Projekt bereits zu einer kleinen ErDas Handbuch für jedes Pfarramt folgsgeschichte werden lassen. Gab es bislang kaum kirchliche Projekte, bei denen in Deutschland Missionarische Dienste, Erwachsenenbildung, Diakonie, Frauenwerk und PresseSpätestens, seit im Februar 2011 rund 24.000 von den Landeskirchen vorbestell- und Öffentlichkeitsarbeit Hand in Hand arbeiten – hier kann ausprobiert werden, te Handbücher in nahezu jedes evangeliwie das geht. So räumt „Erwachsen glausche Pfarramt in Deutschland gelangten, gerät das ambitionierte Vorhaben auch in ben“ auch mit manchen Vorurteilen auf. Die Zeiten, in denen Glaubenskurse als den Fokus der kirchlichen Basis. Auf 184 „Spielwiese einiger besonders Frommer“ Seiten vermittelt das Handbuch das galten, dürften endgültig der VergangenKnowhow zur Durchführung von Kursen heit angehören. zum Glauben. Es ist theologisch fundiert und besticht zugleich durch einen hohen Praxiswert. Ein eigenes Kapitel widmet Internetplattformen sich der Bedeutung der Sinus-Milieuforschung für die Arbeit mit Kursen zum Zentraler Baustein des Werbekonzepts ist Glauben. Die zehn Sinus-Milieus werden die Internetseite www.kurse-zum-glauhinsichtlich ihrer Grundorientierung, ben.de. Sie stellt die „Visitenkarte“ für die ihren Bildungserfahrungen und -erwarGlaubenskursarbeit der Evangelischen tungen und den Möglichkeiten der religiösen Kommunikation beschrieben. Kapitel E stellt neun bewährte Kurskonzepte anhand der Aspekte Theologie, Didaktik und Milieuforschung vor und will helfen, das für den eigenen Kontext geeignete Modell herauszufinden. Dem Handbuch ist auch eine DVD beigefügt. Ein Kamerateam hat vier verschiedene Kurse in Stadt und Land, Ost und West Es galt aufeinander zuzugehen, alte Denkmuster zu hinterfragen und Schnittmengen zu suchen … Kirche dar. Hier können sich Interessierte durch Eingabe einer Postleitzahl das gesamte Kursangebot evangelischer Gemeinden und Einrichtungen in ihrer Region anzeigen lassen. Kursveranstalter können ab Mai 2011 kostengünstig vielfältige Werbemittel bestellen. Eine zweite Internetplattform www. kurse-zum-glauben.org schafft Zugang zu den Ressourcen für Kurse zum Glauben. In einem Onlineshop können die Kursmaterialien und die Werbemittel bestellt werden. Man kann Interviews mit Kursveranstaltern zu rund 15 Kursmodellen abrufen. Registrierte Nutzer können umfangreiche Suchfunktionen nutzen, z. B. um Kursleiter zu ermitteln, die auf Anfrage in ihre Gemeinde kommen, um einen Kurs durchzuführen oder um auf kurserfahrene Gemeinden aufmerksam zu werden, in denen man hospitieren kann, um dem richtigen Kurs für die eigene Situation auf der Spur zu sein. Kurse zum Glauben werden für viele Menschen mit einem schlummernden Interesse an Glaubens- und Lebensfragen gewiss ein gutes Angebot sein, wenn sie auf aufgeschlossene Gemeinden treffen. Die Begegnung mit ihnen wird aber auch diejenigen und ihren Glauben herausfordern, verändern und bereichern, die sie durchführen. Andreas Schlamm, Leiter des Projekts „Erwachsen glauben“ Einen Erfahrungsbericht der Kirchengemeinde Walters hausen finden Sie als PDF zum Download unter www.kurse-zum-glauben.de/Erfahrungen mi–di 18 d o k u m e n t i e r t SPUR Glaubenskurse, auch in der Diakonie? – Ja, … … sogar gemeinsam mit der Kirchengemeinde! Seit 2007 findet regelmäßig einmal pro Jahr der Kurs „Christ werden – Christ bleiben“ (seit 2011 „SPUR 8“) in gemeinsamer Verantwortung des Altenhilfezentrums Sarepta und der evangelischen Kirchengemeinde statt. Daran nehmen Mitarbeitende der diakonischen Einrichtung teil, die vielfach keinen kirchlichen Hintergrund haben. Aber auch interessierte Gemeindeglieder und Menschen, die über persönliche Kontakte oder durch Zeitungsberichte aufmerksam geworden sind, gehören zu den Teilnehmenden. gelesen Das midi-Netzwerk Dokumentationen Tagungen Aus der Informationsschrift „mi-di“ ist das „midi-Netzwerk“ entstanden. Es vertritt eine Gemeindediakonie, in der die helfende Tat und das zum Glauben einladende Wort zusammen die Vision, das Gesicht und die Entwicklung einer Gemeinde bestimmen. Wir sind überzeugt, dass eine Gemeinde mit ihren zahlreichen materiellen und immateriellen Ressourcen, aber auch ihren natürlichen Beziehungen in den lokalen Lebensraum hinein, diesen Raum heilvoll mitgestalten kann. Wenn eine Gemeinde sich für den Sozialraum öffnet, in ihn hinein Beziehungen knüpft und Begegnungen wagt, wird sie entdecken, dass ihre Mission diakonisch und ihre Diakonie missionarisch werden muss. Und sie wird durch dieses Wagnis gewinnen – an Vitalität, an Tiefe, an Wachstum. 19 mi–di auf www.a-m-d.de Über die Internet-Seite www.midi-netzwerk.de/downloads können Sie an zwei Tagungen nachträglich teilhaben: ❚ an der Tagung „Gemeinden als Stützpunkte der Liebe Gottes“ in Berlin am 19. und 20. 3. 2010 (160 Teilnehmende); ❚ an der AMD-Konsultation „Diakonie als Herausforderung für die Gemeinde der Zukunft“ in Wittenberg am 1. und 2. April 2011 (50 Teilnehmende). Pflicht: Grundlagen diakonischen Handelns Wir haben die Notwendigkeit und das Bedürfnis eines Glaubenskurses in unseren Einrichtungen verspürt – es ist ähnlich wie in vielen Einrichtungen: Die eine Hälfte der Mitarbeiterschaft hat eine Kirchenzugehörigkeit, was nicht unbedingt heißt, dass der Glaube gelebt wird. Die andere Hälfte kommt aus Einrichtungen, die von der Diakonie in den letzten Jahren übernommen wurden. Zum Teil ist weder ein Grundwissen noch gar ein gelebter Glaube vorhanden. Wir bieten einen verbindlichen Kurs für alle Mitarbeitenden an, der an vier Tagen im Jahr in einem Freizeithaus stattfindet. Das ist Dienstzeit, in der Grundlagen diakonischen Handelns sowie Wissen zum Kirchenjahr vermittelt werden. B e r i c h t e – Te r m i n e – H i n w e i s e n! notiere Tagungshinweis – bitte n Himmel erden ch Gemeindediakonie – de ein er ne ue n Tag un g na t da s mi di- Ne tzw erk zu alles vergessen haben und sich nun wieder annähern wollen. Dieser Glauben weckende Gemeindeaufbauimpuls ist, was die Menschen suchen. Es geht um die Fragen: Wie wird mein Glauben geweckt und lebendig? Wie kann ich das spüren, was mir jetzt noch fehlt? Kür: Mehr über den Glauben erfahren Kursinhalt Der Kurs „Christ werden – Christ bleiben“ ist die andere Schiene. Mitarbeitende stellten die Frage: „Jetzt wissen wir etwas, aber was machen wir damit?“ Sie fragten dann: „Wie komme ich zum Glauben? Was muss ich da machen? Ich weiß jetzt viel, aber wie glaubt man?“ Und dafür haben wir uns diesen Kurs ausgesucht, weil er genau diese Inhalte anspricht. Es geht um Menschen, die Interesse zeigen, die etwas wissen wollen, die sich auch selbst einbringen wollen. Aber es ist ein Angebot, das sich auch für Menschen eignet, die in der Kirche sind, die Konfirmandenunterricht hatten, die irgendwann einmal Der Kurs ist ein Kurzprojekt, das aus sieben Einheiten und einem Abschlussgottesdienst besteht. Man kann es variabel einsetzen als einmaligen Baustein, man kann es aber auch regelmäßig durchführen. Wir führen den Kurs regelmäßig einmal im Jahr durch, meistens im Januar/ Februar, wenn es kaum andere Angebote gibt. Die Inhalte sind reformatorischen Grundimpulsen verpflichtet. Sie nehmen ernst, dass Menschen Suchende sind und eine Antwort haben wollen auf ihre Fragen. Der Kurs ist sehr praktisch im Leben angesiedelt. Das biblische, christliche Menschenbild wird zusammengebracht mit den Erfahrungen der Menschen von heute. Die eigene geistliche Biografie darf anfangen zu blühen im Kontext der vielleicht neu entdeckten christlichen Gemeinde. Wir als Mitarbeitende in der Diakonie sind zwar keine Gemeinde im verfassten Sinn. Aber es wird deutlich, dass sich christliches Leben am besten in Gemeinschaft entfaltet. Das Seminar will Menschen in das „Haus des Glaubens“ hinein begleiten, verzichtet aber darauf, unbedingt alle Räume des Hauses schon zu zeigen. Auf Begleitung liegt der Schwerpunkt. Der Kurs macht neugierig, erleichtert das Überschreiten der Schwelle, aber er thematisiert nicht alles oder sagt: „Hier geht’s lang – folgt mir nach.“ Das Seminar ist informativ, seelsorgerlich im Umgang mit den Menschen, glaubenweckend in der Intention und zeitgemäß in der Sprache und Begegnungskultur. von Ute Kampa Den ganzen Artikel finden Sie unter: www.a-m-d.de läd dtUn ter die se m Th em a rlin , in de r Be rlin er Sta und 3. März 2012 in Be 2. fel de rn am gs d lun wir nd Sie Ha . n ein Be rlin n ge me ind lic he ge hti wic zu n rde we Es tio n, mi ssi on , sta ttf ind en . rm ut, Kra nk he it, Mi gra Fo ren du rch ge füh rt (A d n etc .), un be n be nle ge me ge ge sam Zu iträ s Be en üb erg rei fen de ion rat ne ge e, org sät els kö nn en . Zu zli ch Be rat un g un d Se un d dis ku tie rt we rde n llt ste rge vo e iel isp Be un g Or te in Be rlin erm uti ge nd e im An sch lus s an die Tag n, be ge hm en ge t kei ch gli rau sfo rde run ge n an ne wir d die Mö Ge me ind en so zia le He n ne de in n, ne ler zu ken ne n ak on ie ge sta lte n. s au f de r AM Dun d mi ssi on ari sch e Di nn tga be de s Pro gra mm ka Be ch na ht ste be t Anmeldemöglichkei ke @ dia ko nie .de . de od er üb er am d.k off Ho me pa ge ww w.a -m -d. Im midi-Netzwerk engagieren sich 10 Männer und Frauen, die an verschiedenen Orten Deutschlands und in verschiedenen kirchlichen Funktionen die Ziele des Netzwerks erproben und verfolgen. Sie arbeiten im midi-Netzwerk der AMD ehrenamtlich mit, bestimmen seinen inhaltlichen Kurs und planen jeweils die Tagungen. Ihr Einsatz sei hier einmal so gewürdigt, dass sie genannt und (leider in nicht ganz vollständiger Zahl) gezeigt werden. Vordere Reihe (von links): Hendrik Heyden, Gaby Löding, Maike Sachs, Beate Ellenberger, Heike Dreisbach Hintere Reihe: Ulrich Laepple, Karsten Herbers, Jürgen Dusza Es fehlen Johannes Schimanowski, Erhard Zeiser und Karl-Heinz Zimmer. Die diakonische Arbeit der AMD im Referat „missionarischdiakonischer Gemeindeaufbau“ geschieht auf vielfältige Weise. Manches davon ist auf den Seiten der Internet-Plattform der AMD dokumentiert, kann dort eingesehen und heruntergeladen werden: die Informationsschrift mi-di www.a-m-d.de/mission-und-diakonie (mit allen bisherigen 7 Ausgaben) Beiträge zu den Tagungen zum Thema „Weitergabe des Glaubens in der Diakonie“ www.a-m-d.de/mission-und-diakonie/ glauben-weitergeben Beiträge zur Gemeindediakonie www.midi-netzwerk.de/downloads www.midi-netzwerk.de/ideen-undprojekte Vorträge www.a-m-d.de/mission-und-diakonie (rechte Spalte) Die aktuellen Beiträge – zur Konsultation „Diakonie als Herausforderung für die Gemeinde der Zukunft“, die das mi-di-Netzwerk im April 2011 in Wittenberg durchführte –, finden Sie ebenfalls unter: www.midi-netzwerk.de/downloads