Therapie mit oralen Antidiabetika

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Therapie mit oralen Antidiabetika
ACTA MEDICA AUSTRIACA
Acta Medica Austriaca (2004) 31/5: 162–163
© Springer-Verlag 2004
Printed in Austria
Therapie mit oralen Antidiabetika
Alexandra Kautzky-Willer1,*, Monika Lechleitner2,*, Thomas R. Pieber3,*, Rudolf Prager4,*,
Michael Roden5,*, Thomas C. Wascher6,* und Raimund Weitgasser7,*
1
Klinische Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel, Univ.-Klinik für Innere Medizin III, Medizinische Universität Wien,
Wien, Österreich
2
Universitätsklinik für Innere Medizin, Innsbruck, Österreich
3
Medizinische Universitätsklinik Graz, Graz, Österreich
4
3. Medizinische Abteilung, Krankenhaus der Stadt Wien-Lainz, Wien, Österreich
5
1. Medizinische Abteilung Hanusch-Krankenhaus, Wien, Österreich
6
Univ.-Klinik für Innere Medizin I der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg, Salzburg, Österreich
*für den Ausschuss Leitlinien
Therapy with oral antidiabetic drugs
Summary. Hyperglycemia contributes to morbidity
and mortality in diabetic patients. Reaching treatment targets with regard to control of glycemia is thus a central
goal in the treatment of diabetic patients. The present article represents the recommendations of the Austrian Diabetes Association for the practical use of oral antidiabetic
drugs according to current scientific evidence.
Grundsatz Statement
Die Hyperglykämie des Typ-II Diabetikers trägt zur Pathogenese der vaskulären Komplikationen bei.
Das primäre Ziel einer antihyperglykämische Therapie ist daher die Prävention vaskulärer Komplikationen.
Im Weiteren stellen Symptomfreiheit sowie Komaprohylaxe nachgeordnete Therapieziele dar.
Der Zusammenhang zwischen Hyperglykämie und
Mikroangiopathie ist im Vergleich zur Makroangiopathie
stärker ausgeprägt und nicht linear. Damit ist eine Prävention durch verbesserte Blutzuckereinstellung im Bereich der Mikroangiopathie leichter zu erreichen.
Zielwerte
Die Tabelle führt die von der EDPG und ADA empfohlenen Zielwerte an.
Dabei stellt das HbA1c das primäre Target der Therapie dar. Postprandiale Glukose und Nüchternglukose
stellen sekundäre und tertiäre Targets dar.
Individuelles Therapieziel
Wenn auf Grund der individuellen Situation des Patienten (z. B. Alter, Multimorbidität, geringe Lebenserwartung) eine Prävention nicht mehr im Vordergrund der
Korrespondenz: Ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Wascher, Medizinische Universitätsklinik Graz, Auenbruggerplatz 15, 8036
Graz, Österreich.
Fax: ++43/316/385-3062
E-mail: thomas.wascher@meduni-graz.at
HbA1c (%)
BG nüch.
(mg/dl)*
BG peak
pp (mg/dl)*
European Diabetes
Group
Policy
ADA
Risiko
niedrig
≤ 6,5
≤ 110
makrovask.
> 6,5
> 110
mikrovask.
> 7,5
> 125
≤ 7,0
90–130
≤ 135
> 135
> 160
< 180
* Werte für Plasmaglukose mit Ausnahme der europäischen
postprandialen Werte (kapilläre Selbstmessung).
Therapie steht können individuell höhere Zielwerte vereinbart werden.
Evidenzlage
Der epidemiologische Zusammenhang zwischen dem
Ausmaß der Hyperglykämie und dem Auftreten mikround makrovaskulärer Komplikationen ist absolut gesichert.
Die zentrale Evidenz der UKPDS ist, dass eine intensivierte Therapie mit Insulin oder Sulfonylharnstoffen
einer konventionellen Therapie mit primär Diät, dann
aber ebenfalls Insulin und Sulfonylharnstoffen, ausschließlich im Hinblick auf mikrovaskuläre Komplikationen überlegen ist wobei eine Verbesserung des HbA1c
um 0.9 % erreicht wurde. Weder Insulin noch Sulfonylharnstoffe zeigten spezifische negative kardiovaskuläre
Eigenschaften [1].
Ein spezifischer Substanzvorteil stellte sich nur für
Metformin als first-Line Therapie bei übergewichtigen
Patienten dar [2]. In dieser Gruppe wurden Myokardinfarkte sowie Diabetes-assoziierte Mortalität und Gesamtmortalität signifikant gesenkt. Der initiale Verdacht aus
dieser Analyse, die spätere Zusatztherapie mit Metformin
bei Sulfonylharnstoff-vorbehandelten Patienten führte zu
einer gesteigerten Mortalität wurde in einer aktuellen
Analyse der Daten relativiert [3].
Kautzky-Willer et al., Therapie mit oralen Antidiabetika
163
Stufenplan der oralen antidiabetischen Therapie des Typ 2 Diabetes
Basistherapie: Ernährung, Gewichtsreduktion, Schulung, Bewegung
HbA1c-Zielwert: ≤ 6.5 %
Intervention: ab ≥ 7.0 %
HbA1c nach 3 Monaten ≥ 7.0 %*
BMI ≥ 26 kg/m2
BMI < 26 kg/m2
Weitere Optionen:
Monotherapie mit Metformin,
Monotherapie mit
AlphaGlukosidasehemmer,
wenn Kontraindikationen:
Glitazone oder SH
Sulfonylharnstoff
Glinide
HbA1c nach 3 Monaten ≥ 7.0 %
Weitere Optionen:
Kombination mit Insulin
Zweites Orales Antidiabetikum
Insulintherapie
(s. Leitlinie Insulintherapie)
Bei Metformintherapie
Bei SH-Therapie
Glitazone
Metformin
Alpha-Glukosidasehemmer
Glitazone
Sulfonylharnstoffe
Alpha-Glukosidasehemmer
Glinide
HbA1c nach 3 Monaten ≥ 7.0 %
Kombination mit Insulin
Insulintherapie
(s. Leitlinie Insulintherapie)
Vorstellung in einem Diabeteszentrum oder bei
einem FA für Innere Medizin !
Eine post-hoc Metaanalyse [4] zeigt, dass eine Behandlung mit Acarbose möglicherweise zu einer Reduktion kardiovaskulärer Komplikationen (insbesondere
Myokardinfarkten) führen kann.
Für andere Substanzgruppen (Glitazone, Glinide) sowie für die Kombination von 2 oder 3 oralen Antidiabetika oder die Kombination mit Insulin liegen keine Evidenzen vor die über den oben angeführten Zusammenhang zwischen Ausmaß der Hyperglykämie und Auftreten vaskulärer Komplikationen hinausgehen.
Literatur
1. UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group (1998)
Intensive blood glucose control with sulphonylureas or
Weitere Optionen:
Orale Dreierkombination
(nicht mit Glitazonen)
*bei hohem Ausgangswert sind auch längere Zeiträume
möglich
insulin compared with conventional treatment and risk of
complications in patients with type 2 diabetes (UKPDS
33). The Lancet 352: 837–853
2. UK Prospective Diabetes Study (UKPDS) Group (1998)
Effect of intensive blood-glucose control with metformin
on complications in overweight patients with type 2 diabetes (UKPDS 34). Lancet 352: 854–865
3. Stevens RJ, Coleman RL, Adler AI, Stratton IM,
Matthews DR, Holman RR (2004) Risk factors for myocardial infarction case fatality and stroke case fatality in
type 2 diabetes: UKPDS 66. Diabetes Care 27: 201–207
4. Hanefeld M, Cagatay M, Petrowitsch T, Neuser D, Petzinna D, Rupp M (2004) Acarbose reduces the risk for
myocardial infarction in type 2 diabetic patients: metaanalysis of seven long-term studies. Eur Heart J 25: 10–16