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Vom Birkenpech bis zum Sekundenkleber Ulrich W. Suter Wissenschaft um 11 — 7. November 2010 Naturwissenschaftliche Gesellschaft Winterthur Was ist Kunststoff ? 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 2 What Is Plastic ? plas·tic (plas´tik), n. 1. Often, plastics. any of a group of synthetic or natural organic materials that may be shaped when soft and then hardened, including many types of resins, resinoids, polymers, cellulose derivatives, casein materials, and proteins: used in place of other materials, as glass, wood, and metals, in construction and decoration, for making many articles, as coatings, and, drawn into filaments, for weaving. 1900–10; < L plasticus that may be molded < Gk πλαστικός Random House Webster‘s Unabridged Dictionary 1999 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 3 Die Begründer der Kunststoff-Wissenschaft Hermann Staudinger William H. Carothers 1917 an der ETH Zürich postuliert 1920 dass Moleküle 1930 bei DuPont de Nemours & Co., Inc. arbeitet ab 1928 bei DuPont de Nemours „unbeschränkt gross― seinkönnen erfindet 1926 das Wort „Makromolekül― allein gegen enorme Opposition findet viele Kunststoffklassen 7.11.2010 & Co. Inc. in Wilmington, Delaware wissenschaftliche Arbeiten um Staudingers Theorien zu prüfen findet viele Kunststoffklassen UWS | Wissenschaft um 11 4 Die „Out of Africa―-Theorie („Ein-Ursprung―) Homo Sapiens Neandertaler frühere Hominine Göran Burenhult, Die ersten Menschen, Weltbild Verlag 2000 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 5 2001: „Neandertaler erfinden den Kunststoff― Forscher aus Jena finden in einer Neandertaler-Fundstätte in Sachsen-Anhalt Birken-Rinden-Pech, wahrscheinlich >80 000 Jahre alt Birken-Rinden-Pech war aus der Neusteinzeit (ca. 6 000 AC) als Universalkleber bekannt, der durch Erwärmung flüssig wird und auch als Dichtungsmittel diente; auch frühe medizinische Anwendungen wurden postuliert 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 6 2001: „Neandertaler erfinden den Kunststoff― Beweis für die Produktion von Birken-Rinden-Pech durch den Neandertaler: Nachweis von Betulin (Bio-Marker für Birke) im Klebstoff aus zwei Ausgrabungsstätten in Königsaue (Sachsen-Anhalt) Altersbestimmung durch Schichtenanalyse ≥ 80 000 J (14C-Datierung: ≥ 50 000 J), deutlich vor dem Erscheinen des Homo Sapiens in Europa (≤ 40 000 J) Koller, Baumer & Mania Europ. J. Archaeology 2001 4, 385 C30H50O2 CAS NO. 473-98-3 (ca. 30% des Trockengewichts des extrahierbaren Materials) Birken-Rinden-Pech wird bei 340 - 400 °C unter Ausschluss von Luft erzeugt 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 7 Neuere Funde: 2006 noch eine steinzeitliche Entdeckung: mit Birken-Rinden-Pech geklebte Steinwerkzeuge in einer Südeuropäischen Mittel-Pleistozän-Fundstelle Mazza, Martini, Sala, Magi, Colombini, Giachi, Landucci, Lemorini, Modugno, Ribechini J. Archaeol. Sci. 2006 33, 1310 ―…late Middle Pleistocene … before isotope stage 6 ...‖ (d.h., vor mehr als 180 000 Jahren!) das war Homo Erectus oder Neandertaler! 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 8 Der Homo Sapiens und seine Vorgänger 4–2 MJ 4–2 MJ 4–1 MJ in Europa: 1.8 MJ–50 kJ 1 MJ–50 kJ 30 kJ 250–35 kJ 200 kJ 300–30 kJ 130 kJ 130 kJ – 300–30 kJ 40 kJ 40 kJ – F. Clark Howell ―T he Road to Homo Sapiens‖ in Early Man, Time-Life Books 1965 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 9 Wie haben die Frühmenschen das gemacht? Birken-Rinden-Pech wird erzeugt bei 340 - 400 °C unter Ausschluss von Luft wie haben Neandertaler und (oder) Homo Erectus das fertig gebracht? häufige Erklärung für die Jungsteinzeit (es gab schon keramisches Geschirr) durch sogenannte Ein-Topf- oder Zwei-Topf-Verfahren. besser: F. Palmer Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte 2007, 16, 75 „Aufgrund der als praktischer Versuch durchgeführten Studie lässt sich nachweisen, dass innerhalb einer Feuerstelle – zufällig oder gewollt – ohne die Hilfe eines keramischen Gefässes kleinere Mengen an brauchbarem Birkenpech entstehen können.“ 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 10 Wie haben die Frühmenschen das gemacht? Correspondenz-Blatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte 1877 8, 63 eine ausgezeichnete Bibliographie: J. Weiner Acta Archaeometrica 1999 1, 1 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 11 Kleben: schon früh weltweit verbreitet ―Di e Howiesons Poort Industry in Südafrika begann schon vor ca. 80 000 Jahren…‖ ―Di e Werkzeughersteller verstanden Eigenschaften und Anwendungen verschiedener Klebstoff-Rezepte und wussten, wie solche Klebstoffe aus Knochen (Kollagen-Klebstoffe) und Holz hergestellt werden konnten.‖ L. Wadley & M. Mohapia Journal of Archaeological Science 2008 35, 2594 Border Cave (2) ist eine Felsenhöhle in den Lebombo Mountains in KwaZulu-Natal 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 12 Kleben: schon früh weltweit verbreitet Assyrier klebten schon lange vor unserer Zeitrechnung mit Bitumen und Asphalt, die auf Gewässern in der Nähe von Mosul (heute Irak) gefunden wurden Kollagen-Klebstoffen, die aus Gerberei-Abfällen gewonnen wurden Mischungen aus diesen Substanzen R. Campbell Thompson A Dictionary of Assyrian Chemistry and Geology Oxford University Press 1936, und darin zitierte Quellen basierend auf der Keilschrift-Bibliothek des Assurbanipal in Ninive (um 650 AC) (Cuneiform Digital Library Initiative, CDLI, http://cdli.mpiwg-berlin.mpg.de/) 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 13 Dezember 2007: „Superkleber in Rom― Analyse von Reiterhelmen aus Nijmegen: „römische Krieger reparierten ihre Waffen mit einem Kleber der nach 2 000 Jahren noch hält― Frank Willer Rheinischen Landes Museum Bonn der Leim besteht aus Birkenpech, Bitumen, Tierfett und anderen (noch nicht bestimmten) Stoffen: „wir glauben, dass anorganisches Material wie Russ, Sand oder Quarz zugemischt sein könnte um den Leim klebriger zu machen― 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 Helm (1. Jhd. AD) aus Xanten (Nordrhein-Westfalen) 14 Composite: raffiniertes Kleben der Composite-Pfeilbogen: Erfindung ca. 3000 AC in Asien – meist Kollagen-Klebstoffe Inschrift von 1226 AD auf einer Stein-Stele nahe Babylonische Schützen Nerchinsk in Siberien: „Während Dschingis Khan Assyrisches Mosaik nach seiner Eroberung von Sartaul (Ost-Turkestan) aus Susa, ca. 500 AC mit mongolischen Würdenträgern tagte, traf Yesüngge (sein Neffe) ein 335 ald (536 m) entferntes Ziel.― Gongor Lhagvasuren, Mongolian National Institute of Physical Education 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 15 Vom Klebstoff zum Formkörper bronzezeitliche Waffen aus Fundstätten in Schleswig-Holstein sind mit Einlegearbeiten aus einem Kunststoff geschmückt J. Mestorf Die vaterländischen Alterthümer Schleswig-Holsteins. Ansprache an unsere Landsleute, Otto Meißner, Hamburg 1877, p 17 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 16 Vom Klebstoff zum Formkörper schon 1600 AC verarbeiten Olmeken (ein Volk des mexikanischen Hochplateaus) den Latex (Kautschuk) eines Gummibäums (Castilla elastica) mit dem Saft einer Prunkwinde (Ipomoea alba) zu Gummi daraus wurden Bälle, Figuren und andere Gegenständen hergestellt D. Hosler, S. L. Burkett, M. J. Tarkanian Prehistoric Polymers: Rubber Processing in Ancient Mesoamerica Science 1999 284, 1988 Xiuhtecuhtli, Gott des Feuers, der Wärme, des Lichtes in der Dunkelheit und der Nahrung in der Hungersnot, nimmt einen Gummiball an 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 17 Vom Klebstoff zum Formkörper der bayrische Benediktinermönch und Alchemist Wolfgang Seidel (Seydel) beschreibt um 1530 die Herstellung eines Kunststoffs aus Kasein, welches aus Magerkäse gewonnen wird berichtet auch dass er das Rezept von dem St. Galler Handelsherrn Bartholomäus Schobinger erhalten hat das Produkt ist ein transparentes und farbloses Harz viele Anwendungen, z.B. Einlegearbeiten, künstliches Horn für Kämme, Bürsten, etc. 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 18 Wolfgang Seydel Kunstbuch oder von manigerlai Handwerchskünsten Bayrische Staatsbibliothek — Cgm 4117 — Tegernsee, 1550 - 1560 Ein durchsichtige materi machen, gleich wie ein schons horn, die man mag formen, wie man will, die auch durchsichtig bleibt, man mag sy auch ferben. Nym ein gaiskäß oder sunst ein magernkäß, den zerschneid zu stüklen, die thue also in ain(en) kessl, und thue wasser daran, laß in schien ein gantzen tag sied(n), das er zerseiid, thue in darnach vom fewer, laß in erkuelen, byß sich die dickh materi setz, als dann geuß Transkription das weiß, welchs ist wie durch ein milch, G. Schnitzlein das auch obenschwimt, dar von, das (Deutsches Museum) aber am podn ist, laß bleiben, daran geuß wider ein haiß wasser, laß aber ein mal ein wenig sieden, und rürß die weil wol, da mit sich das weiß da von schaid, das thue so ... 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 19 Wolfgang Seydel Kunstbuch oder von manigerlai Handwerchskünsten Bayrische Staatsbibliothek — Cgm 4117 — Tegernsee, 1550 - 1560 Herstellung eines transparenten Materials, das Schafhorn ähnlich ist und nach Wunsch geformt werden kann, das auch transparent bleibt und gefärbt werden kann. Nimm einen Ziegenkäse oder einen anderen Magerkäse und schneide ihn in Stücke. Übergiesse die Stücke in einem Topf mit Wasser, bringe es zum Sieden und lasse es für einen Tag köcheln, so dass die Stücke völlig zerfallen sind. Lasse abkühlen und die feste Materie sich setzen, giesse die milchig-weisse Flüssigkeit ab und gib wieder frisches heisses Wasser zu. Lasse einige Zeit köcheln, lasse abkühlen, warte bis die feste Materie sich gesetzt hat, giesse die Flüssigkeit ab und wiederhole diese Prozedur bis das abgegossene Wasser klar und farblos ist. Der Rückstand ist eine transparente, Horn-ähnliche Substanz. Gib den sauberen festen Rückstand zu warmer Lauge, knete die Masse und presse sie sofort in eine Form. Sobald die Masse die gewünschte Gestalt angenommen hat gibt man die Form in kaltes Wasser und erhält ein knochenhartes und transparentes Material. Solange es warm ist kann das Material nach Belieben geformt werden, sobald es aber erkaltet ist, wird es spröde wie Glas. Das erkaltete Material kann gefärbt und bemalt werden, man kann es leimen und schlussendlich mit einem Wolllappen oder einem Stück Fell polieren. Die folgenden Gegenstände sind so erfolgreich hergestellt worden: Tischplatten, Becher und Trinkgläser und Portraits. Es kann im wesentlichen jeder Gegenstand hergestellt werden, man muss sich aber immer daran erinnern, dass er brüchig wie Glas sein wird. Ich habe dieses Rezept von dem ehrbaren Bartholome Schobinger, Bürger von St. Gallen in der Schweiz, erhalten. 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 20 Wenig Innovation bis ca. 1800 Kunststoffe waren seit Urzeiten im Gebrauch bis ca. 1800 wurden immer wieder Verbesserungen gemacht, aber wenig grundsätzlich neue Konzepte und Rezepte gefunden erst um 1800 begann sich die Welt rasch zu verändern, offenbar unter dem Einfluss der dramatischen Zunahme der wirtschaftlichen Leistung in den sich durch die industrielle Revolution entwickelnden Ländern 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 21 Average World GDP 1000 1000 100 100 Year 2000 2000 1000 1900 0 -1000 1800 -2000 1700 1600 Year -3000 1500 -4000 -5000 1400 -6000 -7000 1300 -8000 1200 10 1100 10 -9000 Michael Kremer Quarterly Journal of Economics 1993 108:3, 681-716 J. Bradford DeLong Working paper available at http://econ161.berkeley.edu/TCEH/1998 Draft/World GDP/Estimating World GDP.html 10000 1000 wesentlichen konstant von Anfang der Menschheitsgeschichte bis ca. 1800 seit dann gibt es ein exponentielles Wachstum des Einkommens Average World GDP -10000 das Einkommen pro Kopf war im 10000 1990 USD / (person ∙ year) & million people 1990 USD / (person ∙ year) & million people Zunahme der gesamtwirtschaftlichen Leistung 19. Jhd. — noch „alchemistische Stoffe― bois durci aus Holzmehl & Blut (oder Albumin) François Charles Lepage 1855 Galalith aus Milch & Formaldehyd Adolph Spitteler & Wilhelm Krische 1897 Medaille (Ø 11.3 cm) zum Andenken an den italienischen Krieg von 1859 und Giuseppe Garibaldi UWS | Wissenschaft um 11 23 Schreibgarnitur Frankreich 1950 7.11.2010 19. Jhd. — und europäischer Gummi Kautschuk war den Europäern seit 1521 aus Zentralamerika bekannt (nicht sehr nützlich) Charles N. Goodyear patentiert die Vulkanisation mit Schwefel in den USA 1839 → Gummi (trockene, dauerhaft flexible Substanz) Thomas Hancock patentiert Gummi in England 8 Wochen vor Goodyear (1844) → enormer Rechtsstreit Goodyear konstruierte den ersten Fussball aus Gummi 1855, wurde am 7 November 1863 als Preis auf dem Boston Common vergeben National Soccer Hall of Fame Oneonta, NY, USA 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 24 19. Jhd. — und europäischer Gummi 1845: R.W. Thomson patentiert den pneumatischen Reifen für Kutschen, aber die Vehikel waren zu schwer — Erfindung geht vergessen 1888: John B. Dunlop erfindet den Reifen nochmals für das Dreirad seines Sohnes (6-jährig); revolutioniert das Fahrrad Edouard & André Michelin konstruieren den ersten Ballonreifen für Automobile; Einsatz im Rennen Paris– Bordeaux und zurück (1 200 km) in 1895 für den Peugeot Type 3 (22 Reifenwechsel !) 2 PS, 565 cm3 2-Zylinder Daimlermotor produziert 1891-1894, total 64 Stück 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 25 Dann Celluloid — ein „Thermoplast― Billard-Kugeln wurden aus Elfenbein hergestellt; im 19. Jhd. nahm die Zahl von Billard-Spielern sprunghaft zu und die Elefanten wurden vom Aussterben bedroht; der Elfenbeinpreis schoss in die Höhe; Folge: der BillardkugelHersteller Phelan & Collander (New York) schrieb für ein neues Material 1863 ein Preisgeld von USD 10 000 aus 1856 Alexander Parks 1863 Daniel Spill 1869 John Wesley Hyatt erfinden nacheinander das Celluloid es macht Billard zum Volkssport Celluloid® = Mischung aus Cellulosedinitrat (Kollodiumwolle) und Campher 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 26 Dann Celluloid — ein „Thermoplast― Billard-Kugeln wurden aus Elfenbein hergestellt; im 19. Jhd. nahm die Zahl von Billard-Spielern sprunghaft zu und die Elefanten wurden vom Aussterben bedroht; der Elfenbeinpreis schoss in die Höhe; Folge: der BillardkugelHersteller Phelan & Collander (New York) schrieb für ein neues Material 1863 ein Preisgeld von USD 10‗000 aus 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 27 Synthese-Fasern — aus Cellulose 1889: Hilaire Bernigaud, Comte de Chardonnet de Grange, stellt an der Weltausstellung Stoffe aus Cellulosedinitrat vor — „Chardonnet-Seide― (sehr leicht entflammbar „Schwiegermutter-Seide― Problem wird durch Denitrieren mit Ammoniumsulfid gelöst) 1892: Charles F. Cross, Edward J. Bevan und Clayton Beadle erfinden den „Viskose-Prozess―,mittels dessen „regenerierte Cellulose―hergestellt werden kann — „Rayon― 7.11.2010 die J. P. Bemberg AG produziert Fasern aus regenerierter Cellulose ab 1920 in Wuppertal UWS | Wissenschaft um 11 28 Bakelit — aus Chemieabfall 1907: Leo H. Baekeland erzeugt ein Kunstharz aus Formaldehyd und Phenol (billige Abfallprodukte der chemischen Industrie) mit Holzfasern als Zusatz — Bakelit (1872 Versuche durch Johann Friedrich Wilhelm Adolf von Baeyer) Kodak Hawkette No. 2 1915 Bakelit ist ein ausgezeichnetes Isolationsmaterial (Ersatz für Schellack) 1933 Volksempfänger VE301W Elektrischer Schalter ca. 1920 1963 AT&T TastenTelefon, nur 10 Tasten * and # erst ab 1968 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 29 Das erste Kunststoffauto Henry Ford war seit 1910 von der Idee besessen, dass Kunststoffe aus landwirtschaftlichen Produkten gemacht werden sollten seine Favoriten: Soya-Mehl und Hanf Ford führt 1941 ein Modell mit Kunststoffkarosserie und vielen anderen Kunststoffteilen ein (Gewicht nur ca. ⅔ der Metall-Version) das Produkt war nicht ausgereift und der 2. Weltkrieg und grosse Opposition (Öl- und Kunststoffindustrie) verhinderten den kommerziellen Erfolg Henry Ford demonstriert mit einer Axt, dass der „plastic car―widerstandsfähiger ist als gewöhnliche Wagen 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 30 Ab 1950: Massenkunststoffe PVC — erster Kunststoff der in grossen Volumina produziert wurde (erfunden 1912, industrielle Produktion 1938, Chlor als Industrieabfall) nach dem 2. Weltkrieg erscheinen viele neue Kunststoffe zuerst nur billige Ersatzstoffe, dann immer mehr das multifunktionelle Material der modernen Gesellschaft 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 31 Ab 1950: Massenkunststoffe Walt Disney's Uncle $crooge Herausgeber: Dell Heft 19 September 1957, p 31 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 32 Polyethylen — PE 1933: Eric W. Fawcett und Reginald Gibson entdecken „Hochdruck-Polyethylen― PE wird für elektrische Isolationen und als Verpackungsmaterial verwendet (Tragtasche) Earl S. Tupper produziert ab 1938 „Tupperware―(PolyethylenKüchenbehälter mit luftdichtem Verschluss) und verkauft sie in Spezialgeschäften ab 1946 Vizepräsidentin Brownie Wise führt 1951 das Konzept des Direktverkaufs ein mittels ―T upperware Home Parties‖, mit erstaunlichem Erfolg 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 33 Nylon 1930: Wallace H. Carothers entdeckt die Klasse der Polyamide — ―Ny lon‖ Nylon-Strümpfe werden am 27. Oktober 1938 an der Weltausstellung in New York angekündigt 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 34 POM — ein Kunststoff für höchste Präzision 1927 erzeugt Staudinger Polyoxymethylen (Polyformaldehyd) 1952 macht ein Comonomer den Stoff nutzbar — Delrin® 1971: Tissot (Aetos S.A.) verkauft die Tissot Idea 2001 „Astrolon―(oder „Sytal― ), eine mechanische Uhr die fast vollständig aus POM besteht; die Uhr ist anderen mechanischen Uhren in Präzision ebenbürtig, muss nicht geschmiert werden und ist sehr stosssicher Model 2250 Model 2270 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 35 Polyester 1941: PET (Polyethylenterephthalat) wird von John R. Whinfield und James T. Dickson von der Calico Printer's Association of Manchester (später Teil der ICI) patentiert Terylene, Dacron, … 1988: Australien führt zur Zweihundertjahrfeier der Besiedelung durch Europäer die ersten Kunststoffbanknoten ein (Polyester-Film-Technologie) ‖the Bank made the move to polymer to make Australia's notes more secure against counterfeiting‖ ―poly mer notes are also more durable than paper notes (lasting around four times as long), are cleaner and more hygienic, and can be recycled at the end of their useful life into a range of plastic products‖ Reserve Bank of Australia heute setzen bereits 54 Länder Kunststoffnoten ein http://www.polymernotes.org/ 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 36 Hochleistungsfasern: Kevlar 1965: Stephanie L. Kwolek entdeckt, zusammen mit Herbert Blades, dass Poly(p-phenyleneterephthalamid) (PPTA) aus Schwefelsäurelösung zu Hochleistungsfasern versponnen werden kann — Kevlar spezifische Zugfestigkeit 5 diejenige des besten Stahls Temperatur-resistente Textilien, schusssichere Kleidung, Bremsklötze schusssichere Kevlar-Weste ballistischer Test mit Kevlar®-Tuch aus 24 Lagen: ein 9 mm-Projektil, aus 6 m abgefeuert, bleibt in Lage 12 stecken 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 37 Neue Funktionalitäten – z.B. OLED flexible Licht-emittierende Dioden sind mit elektrisch leitenden Polymeren möglich geworden Cambridge Display Technology 1999 erstes monochromes Kunststoff-Display 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 38 Neue Funktionalitäten – z.B. OLED flexible Licht-emittierende Dioden sind mit elektrisch leitenden Polymeren möglich geworden Cambridge Display Technology 2005 flexibles 14 Zoll 1280×768 Farb-Kunststoff-Display 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 39 Polycyanoacrylat („Sekundenkleber― ) 1942: Harry Coover entdeckt bei Eastman Kodak, dass Ester der Cyanoacrylsäure mit Alkoholen oder Wasser „sofort―polymerisieren fantastische Klebstoffe „flash glue―verkauft ab 1955, ab 1959 „super glue―und „krazy glue― ab 1966 in Vietnam medizinisch verwendet; ab 1968 n-Butylcyanoacrylat als Wundverschluss auf dem Markt als Histoacryl® (B Braun Melsungen AG, D) 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 41 Polycyanoacrylat („Sekundenkleber― ) 1942: Harry Coover entdeckt bei Eastman Kodak, dass Ester der Cyanoacrylsäure mit Alkoholen oder Wasser „sofort―polymerisieren fantastische Klebstoffe „flash glue―verkauft ab 1955, ab 1959 „super glue―und „krazy glue― ab 1966 in Vietnam medizinisch verwendet; ab 1968 n-Butylcyanoacrylat als Wundverschluss auf dem Markt als Histoacryl® (B Braun Melsungen AG, D) das Monomer wird auch forensisch eingesetzt (Sichtbarmachung von Fingerabdrücken) 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 42 Hochleistungs-Composites seit ca. 1980 entwickelt die NASA Konzept-Flugzeuge für Dauerflüge in grossen Höhen der „Pathfinder Plus―war vollständig aus Kunststoff hergestellt Spannweite 30 m, 6 Elektromotoren und Solarzellen mit 12.5 kW Leistung Höhenrekord für Propellerflugzeuge von 25‘000 m am 6. August 1998 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 43 Hochleistungs-Composites die erste Brücke aus Glasfaser- und Kohlefaser-verstärktem Polyester wurde am 29. Oktober 2002 in Shrivenham, Oxfordshire (England) mit einem 34-Tonnen Sherman-Tank eingeweiht die Brücke ist das Produkt des EU ASSET-Projektes (Advanced Structural SystEms for Tomorrow‗s infrastructure) 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 44 Ab 1950: Massenkunststoffe 2007 ca. 8 250 kg werden weltweit pro Sekunde produziert Jahresverbrauch pro Kopf in West-Europa, den USA und Japan ca. 120 kg in Latein-Amerika und Südost-Asien ca. 25 kg in Afrika und dem Mittleren Osten ca. 15 kg Jahresproduktion aller Kunststoffe ab 1950 (inklusive Klebstoffe, Lacke, Dispersionen, Fasern, etc.) die Kunststoffe haben Stahl im Volumen 1989 überholt 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 45 Wachstum des Kunststoffverbrauchs was kann man tun um dieser exponentiell wachsenden Menge Plastik Herr zu werden? weniger brauchen was gebraucht wurde rezyklieren langlebige Stoffe, wo es geht, durch rasch bioabbaubare Stoffe ersetzen 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 46 Massenkunststoffe: Recycling Bär+Knell - Wallstr. 17 - D-74206 Bad Wimpfen 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 Kunst aus Abfall 47 Massenkunststoffe: Recycling > 10% des festen Haushaltabfalls ist Kunststoff das Recycling von PETFlaschen begann 1990 Schweiz 2008: alle PET-Verpackungen Recycling-Rate 78% PET-Flaschen zurückgenommen > 109 Europa 2008: Recycling-Rate > 40% USA 2008: Recycling-Rate 7.11.2010 < 20% UWS | Wissenschaft um 11 48 Take-home Messages schon die Frühmenschen waren intelligent und tüchtig der Homo Sapiens wuchs mit Kunststoff auf wir leben mit exponentiellem KunststoffWachstum ― wie gehen wir damit um? 7.11.2010 UWS | Wissenschaft um 11 49