Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia

Transcription

Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia
Steigerung der Änderungsmotivation bei
Anorexia und Bulimia nervosa
Kumulative Dissertation
zur Erlangung des Grades eines Doktors der
Naturwissenschaften
des Fachbereichs Humanwissenschaften
der
vorgelegt von:
Dipl.-Psych. Katrin Hötzel
aus Bochum
Osnabrück, 2014
Danksagung
Herzlich bedanken möchte ich mich bei allen, die mich bei der Erstellung dieser Arbeit
auf unterschiedliche Art und Weise unterstützt haben. Mein Dank gilt insbesondere
meiner weltbesten Betreuerin Prof. Dr. Silja Vocks sowie meiner lieben Kollegin und
Freundin Ruth von Brachel. Außerdem möchte ich mich herzlich bei den weiteren CoAutoren meiner publizierten Artikel bedanken. Mein Dank gilt auch meiner Familie
(meinen Eltern Gotthold und Brigitte Hötzel sowie meiner Schwester Verena Hötzel)
und meinem Freund Quirin Thadeusz für all die Unterstützung, die nicht direkt etwas
mit der wissenschaftlichen Arbeit zu tun hatte. Last but not least auch ein großes
Dankeschön an all die Frauen, die am „ESS-KIMO“-Programm teilgenommen haben.
ii
Hinweise zur Veröffentlichung der Dissertation
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine kumulative Dissertation gemäß §10
Absatz (3) der aktuellen Promotionsordnung des Faches Psychologie (geändert
veröffentlicht am 27.10.2009). Die drei Artikel „Explizite Lebensziele von Patientinnen
mit Anorexia und Bulimia nervosa“, „Assessing motivation to change in eating
disorders: A systematic review“ und „An internet-based program to enhance motivation
to change in females with symptoms of an eating disorder: A randomized-controlled
trial“ wurden alle in wissenschaftlichen Zeitschriften mit „peer review“-Verfahren
veröffentlicht.
Zeitschriftenbeiträge:
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörries, A., von Brachel, R., Braks, K., Huber, T.
J. & Vocks, S. (2012). Explizite Lebensziele von Patientinnen mit Anorexia und
Bulimia nervosa. Verhaltenstherapie, 22, 173-180.
Hötzel, K., von Brachel, R., Schloßmacher, L. & Vocks, S. (2013). Assessing
motivation to change in eating disorders: A systematic review. Journal of Eating
Disorders, 1, 1-9.
Hötzel, K., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, E., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2013). An internet-based program to enhance motivation to
change in females with symptoms of an eating disorder: A randomizedcontrolled trial. Psychological Medicine, 16, 1-17.
Teilergebnisse dieser Arbeit wurden in folgenden Kongressbeiträgen präsentiert:
Hötzel, K., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2013, September). An internet-based program to enhance
motivation to change in females with symptoms of an eating disorder: A
randomized-controlled trial (Vortrag). 43rd Annual Congress European
Association for Behavioural and Cognitive Therapies (EABCT), Marrakech,
Morocco.
iii
Vocks, S., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Hötzel, K. (2013, Mai). Wirksamkeit eines Internetprogramms zur
Steigerung der Änderungsmotivation bei Essstörungen (ESS-KIMO): Eine
randomisiert-kontrollierte Studie (Vortrag). 31. Symposium der Fachgruppe
Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für
Psychologie (DGPs), Trier, Deutschland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2012, März). ESS-KIMO – Ein Online-Programm für Frauen
mit Essstörungen. Erste Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Studie
(Vortrag). 27. DGVT-Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und
Beratung, Berlin, Deutschland.
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörris, A., Braks, C., Huber, T., von Brachel, R.
& Vocks, S. (2011, September). Explicit goals of patients with anorexia and
bulimia nervosa (Poster). 41st Annual Congress of the European Association of
Cognitive and Behavioural Therapies (EABCT), Reykjavik, Iceland.
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörris, A., Braks, C., Huber, T., von Brachel, R.
& Vocks, S. (2011, Juni). Explizite Lebensziele bei Patientinnen mit Anorexia
und Bulimia nervosa (Poster). 7. Workshop Kongress der Fachgruppe Klinische
Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
(DGPs), Berlin, Deutschland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Hechler, T., Schulte, D., Schmidt, U., Rieger, E.,
Kosfelder, J. & Vocks, S. (2009, Mai). Internetbasierte Interventionen zur
Erhöhung der Psychotherapiemotivation bei Essstörungen (Poster). 6. Workshop
Kongress für Klinische Psychologie und Psychotherapie und 27. Symposium der
Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen
Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Zürich, Schweiz.
iv
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Zusammenfassung .............................................................................................. 1 1.1. Abstract ..................................................................................................... 2 2. Einleitung ............................................................................................................ 5 3. Anorexia und Bulimia nervosa .......................................................................... 7 3.1. Erscheinungsbild, Klassifikation und Epidemiologie ............................... 7 3.2. Behandungserfolg und Prognose ............................................................. 10 4. Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa ...................... 12 4.1. Das transtheoretische Modell der Veränderung ...................................... 12 4.2. Übertragung des transtheoretischen Modells auf Anorexia und
Bulimia nervosa ....................................................................................... 14 4.3. Das transtheoretische Modell als theoretischer Rahmen zur Messung
der Änderungsmotivation ........................................................................ 15 5. Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und
Bulimia nervosa ................................................................................................ 17 5.1. Motivational Interviewing ....................................................................... 17 5.2. Die Berücksichtigung von Lebenszielen ................................................. 19 6. Das Internet als Versorgungsansatz ............................................................... 22 6.1. Internetbasierte Behandlungsansätze bei Essstörungen .......................... 23 7. Fragestellung ..................................................................................................... 25 8. Publikationen .................................................................................................... 26 8.1. Artikel 1 ................................................................................................... 26 8.2. Artikel 2 ................................................................................................... 28 8.3. Artikel 3 ................................................................................................... 29 9. Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort ......................... 30 9.1. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ................................... 30 9.2. Diskussion der Ergebnisse und Ausblick ................................................ 33 9.3. Schlusswort ............................................................................................. 42 10. Literaturverzeichnis ......................................................................................... 43 11. Anhang............................................................................................................... 64 11.1. Persönliche Daten .................................................................................... 64 11.2. Vita .......................................................................................................... 64 11.3. Liste der Veröffentlichungen................................................................... 66 11.4. Erklärung über die Eigenständigkeit der erbrachten
wissenschaftlichen Leistung .................................................................... 70
v
Zusammenfassung
1.
Zusammenfassung
Eine
hohe
Änderungsmotivation
nach
dem
transtheoretischen
Modell
der
Verhaltensänderung hat sich bei Essstörungen in vielen Studien als mit einem
wünschenswerten Therapieausgang im Zusammenhang stehend gezeigt. Gleichzeitig
weisen insbesondere Betroffene mit einer Anorexia oder Bulimia nervosa eine geringe
Änderungsmotivation auf. Für den Essstörungsbereich entwickelte Interventionen zur
Steigerung der Änderungsmotivation sind überwiegend im Motivational Interviewing
verankert, worin u. a. der Arbeit mit Lebenszielen von Patienten eine wichtige
Bedeutung zugeschrieben wird. Die Rolle solcher expliziter Ziele ist jedoch bisher für
Anorexia und Bulimia nervosa nicht untersucht worden. Dennoch sind die
Forschungsergebnisse zum Motivational Interviewing bei Essstörungen überwiegend
vielversprechend und in den Studien, in denen lediglich vergleichbare Verbesserungen
in Kontroll- sowie Interventionsgruppe zu verzeichnen waren, könnten potentielle
Unterschiede möglicherweise aufgrund des Einsatzes inadäquater Messinstrumente
unentdeckt geblieben sein. Zur gezielten Auswahl eines geeigneten Messinstruments
wäre deshalb ein systematischer Überblick über Verfahren zur Erfassung der
Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa hilfreich, den die Literatur
bisher jedoch nicht bietet. Studien bezüglich Interventionen zur Steigerung der
Änderungsmotivation bei Essstörungen wurden außerdem bisher ausschließlich im
„face-to-face“-Setting durchgeführt und evaluiert, obwohl das Internet aufgrund seiner
Niederschwelligkeit besonders geeignet für einen ersten Zugang zu Hilfsangeboten für
von Anorexia und Bulimia nervosa Betroffene zu sein scheint.
Nachdem zunächst die Rolle expliziter Ziele bei Anorexia und Bulimia nervosa
untersucht sowie ein systematischer Überblick über Messinstrumente zur Erfassung der
Änderungsmotivation bei Essstörungen erstellt wurde, lag das primäre Ziel dieser
Arbeit
in
der
Evaluation
eines
Online-Programms
zur
Steigerung
der
Änderungsmotivation bei Frauen mit Symptomen einer Anorexia und Bulimia nervosa.
Dieses am transtheoretischen Modell orientierte und sich der Prinzipien des
Motivational Interviewing bedienende Programm wurde in einem randomisiertkontrollierten Versuchsdesign mit Warte-Kontrollgruppe im Prä-Post-Vergleich
evaluiert.
1
Zusammenfassung
Es stellte sich heraus, dass Frauen mit Anorexia und Bulimia nervosa im
Wesentlichen die gleichen Ziele verfolgen wie gesunde Kontrollprobandinnen, wobei
sie ihre Ziele untereinander förderlicher wahrnehmen als gesunde Frauen, ihnen die
Realisierung der Ziele aber schlechter gelingt. Die im Motivational Interviewing
vorgeschlagene Arbeit mit Zielen scheint somit im Bereich der Essstörungen sinnvoll
und wurde auch in dem hier evaluierten Online-Programm berücksichtigt, wobei den
Ergebnissen
entsprechend
dabei
nicht
auf
essstörungsspezifische
Zielinhalte
eingegangen wurde. Für die systematische Überblicksarbeit ließen sich ausschließlich
auf dem transtheoretischen Modell basierende Verfahren zusammentragen. Da sich eine
symptomspezifische Erfassung der Änderungsmotivation einer globalen Messung
gegenüber als überlegen herausstellte, wurde ein symptomspezifisches Maß in Form
eines Fragebogens zur Erfassung der primären Outcome-Variablen für die Evaluation
des Online-Programms gewählt. Im Prä-Post-Vergleich der web-basierten Intervention
ließen sich ein signifikanter Anstieg der Änderungsmotivation in mehreren
Symptombereichen sowie Verbesserungen in einigen weiteren klinischen Maßen in der
Experimentalgruppe nachweisen, jedoch nicht in der Kontrollgruppe. Es wurde eine
Dropout-Rate von 41% verzeichnet.
Das Internet ist ein geeignetes Medium für den Einsatz von Interventionen zur
Steigerung der Änderungsmotivation bei Frauen mit Symptomen einer Anorexia oder
Bulimia nervosa. Bei Online-Programmen für Essstörungen stellt die Reduktion hoher
Dropout-Raten eine Herausforderung für zukünftige Forschungsarbeiten dar. Bezüglich
der Erfassung der Änderungsmotivation wären vom transtheoretischen Modell
unabhängige Verfahren wünschenswert, die einen möglicherweise von der kategorialen
Konzeption abweichenden Ansatz bieten. Bei der weiteren Erforschung von
Lebenszielen bei Frauen mit Anorexia und Bulimia nervosa sollte zusätzlich der
Einfluss impliziter Motive berücksichtigt werden.
1.1.
Abstract
A high motivation to change, as defined in the transtheoretical model of change, has
been shown to be associated with a more desirable treatment outcome in several studies.
However, especially individuals affected by anorexia and bulimia nervosa show a low
motivation to change. Interventions that aim to enhance motivation to change in eating
2
Zusammenfassung
disorders are mostly based on the motivational interviewing approach, in which the
work on explicit life-goals is thought to have a major impact. However, so far no studies
on life-goals concerning anorexia and bulimia nervosa have been conducted.
Nevertheless, to sum up, research on motivational interviewing with regard to eating
disorders is promising. In studies showing improvements in both intervention and
control groups, potential differences might have remained undetected due to
inappropriate assessment tools. In order to choose appropriate assessment measures, it
would be beneficial to systematically review the measures assessing motivation to
change in anorexia and bulimia nervosa, which have not been documented in scientific
literature yet. So far, interventions to enhance motivation to change have only been
evaluated in face-to-face settings. However, the Internet could be a more suitable
medium for delivering such interventions, as its low threshold might ease access for
individuals affected by anorexia and bulimia nervosa.
Following a study on the role of explicit goals in anorexia and bulimia nervosa
and a systematic review on instruments assessing motivation to change in eating
disorders, the primary aim of the current work was the evaluation of an online program
to increase motivation to change in females with symptoms of anorexia and bulimia
nervosa. The program, which was designed on the basis of the transtheoretical model
and used the principals of the motivational interviewing approach, was evaluated in a
randomised-controlled design with a wait-control condition by pre-post-comparison.
Results showed that women with anorexia and bulimia nervosa pursued explicit
goals essentially identical to those of healthy participants, even though they attributed a
higher instrumentality to their goals than healthy females while displaying distinct
deficits concerning the realization of explicit goals. Thus, the motivational interviewing
approach and the associated work with life-goals seem to be helpful and were therefore
applied in the online program, while – with respect to the results – no attention was paid
to specific content of goals. Considering the systematic review, only assessment tools
based on the transtheoretical model were found and a symptom-specific assessment of
motivation to change has been shown to be superior to a global one. Accordingly, a
symptom-specific measure in the form of a questionnaire was chosen to assess the
primary outcome variable in the online program. A significant improvement in
motivation to change several symptom domains as well as in some further clinical
3
Zusammenfassung
variables could be shown in the pre-post-comparison for the intervention, but not for the
control group. The dropout rate was 41%.
The Internet is a suitable medium for interventions that aim at enhancing the
motivation to change in women with symptoms of anorexia and bulimia nervosa. High
dropout rates are a major problem concerning online approaches for eating disorders.
Future research might help to reduce this problem. Concerning the assessment of
motivation to change, such tools which are independent from the transtheoretical model
and offer a non-categorial approach are in demand. For future research on life-goals in
women with anorexia and bulimia nervosa, implicit motives should also be considered.
4
Einleitung
2.
Einleitung
Der Zusammenhang zwischen psychischen Störungen und der Motivation, sich bzw. ein
Problemverhalten zu verändern, hat in den vergangenen Jahren ein deutlich wachsendes
Interesse erlangt. Veränderungsmotivation lässt sich als „the probability that a person
will enter into, continue and adhere a specific change strategy“ (Miller & Rollnick,
1991, p. 19) definieren, also die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person Strategien zur
Veränderung einsetzen wird. Verschiedene Studien haben die Veränderungsmotivation
bei Personen mit unterschiedlichen psychischen Störungsbildern oder problematischen
Verhaltensweisen untersucht und belegen ihre Bedeutung für Verhaltensweisen wie
Rauchen (Prochaska, DiClemente & Norcross, 1992), problematischen Alkoholkonsum
(Figlie, Dunn & Laranjeira, 2005; Shields & Hufford, 2005), Kokainabhängigkeit
(Levin et al., 2006; Rohsenow et al., 2004), Zwangsstörungen (Dalle Grave et al., 2005;
Doyle, Siegel & Supe, 2006) oder Angststörungen (Nickel et al., 2005; Westra, 2004).
Auch im Bereich der Essstörungen ist ein gesteigertes Interesse an der mit der Aufgabe
der Störung zusammenhängenden Änderungsmotivation zu verzeichnen (Vansteenkiste,
Soenens & Vandereycken, 2005; Waller, 2012).
Die vorliegende Arbeit verfolgt das Ziel, unterschiedliche Teilaspekte im
Zusammenhang mit der Änderungsmotivation bei Anorexia nervosa (AN) und Bulimia
nervosa (BN) aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu beleuchten bzw. zu
evaluieren. Nach einer Untersuchung zur Rolle persönlicher Lebensziele bei
Essstörungen sowie einem Überblick über Messmethoden zur Erfassung der
Änderungsmotivation für diesen Störungsbereich soll untersucht werden, inwieweit eine
Steigerung der Änderungsmotivation durch ein internetbasiertes Programm erreicht
werden kann. Derartige Studien können Aufschluss darüber geben, ob bestimmte
Lebensziele in der Behandlung von AN und BN spezieller Aufmerksamkeit bedürfen,
welche Messinstrumente für welche Untersuchungen geeignet sind und ob der Einsatz
eines Online-Programms zur Steigerung der Veränderungsmotivation von Betroffenen
mit Symptomen einer Essstörung effektiv ist.
Die
folgenden
Kapitel
geben
zunächst
einen
Überblick
über
das
Erscheinungsbild und die Häufigkeit von AN und BN sowie bezüglich der Effektivität
und Prognose der Essstörungsbehandlung. Nach einer Einführung in die Bedeutung der
Änderungsmotivation für den Bereich der Essstörungen wird das transtheoretische
5
Einleitung
Modell der Verhaltensänderung (TTM; Prochaska & DiClemente, 1992) vorgestellt und
seine bisherige empirische Fundierung für den Essstörungsbereich erläutert. Im sich
daran angliedernden Abschnitt zu Ansätzen zur Steigerung der Änderungsmotivation
bei AN und BN wird das Motivational Interviewing (MI; Miller & Rollnick, 2002) als
mögliche Intervention vorgestellt sowie die damit im Zusammenhang stehende
Bedeutung
expliziter
Ziele
aufgegriffen.
Das
Internet
als
eine
mögliche
Darbietungsform solcher Interventionen zur Steigerung der Änderungsmotivation wird
im darauf folgenden Kapitel beschrieben. Daran schließt sich die Ableitung der
Fragestellungen
an,
auf
welche
die
Darstellung
der
Studien
bzw.
eines
Übersichtsartikels folgt. Abgeschlossen wird die Arbeit mit einer Zusammenfassung der
Ergebnisse aus den drei Einzelarbeiten sowie einer integrierenden Diskussion der
Untersuchungsbefunde, in welcher Implikationen abgeleitet werden und ein Ausblick
auf weitere Forschungsfragen gegeben wird.
6
Anorexia und Bulimia nervosa
3.
Anorexia und Bulimia nervosa
In den heutigen westlichen Kulturen weisen insbesondere Frauen häufig zumindest
phasenweise im Laufe ihres Lebens Symptome eines gestörten Essverhaltens auf (van
Hoeken, Seidell & Hoek, 2003). Sie empfinden sich beispielsweise trotz eines gesunden
Normalgewichts als zu dick, verfolgen ein unrealistisches Schankheitsideal, haben
große Angst vor einer Gewichtszunahme, sind unzufrieden mit ihrem Körper, zählen
täglich Kalorien, halten Diäten oder vermeiden längerfristig bestimmte Lebensmittel
(Hoek & van Hoeken, 2003; Vocks & Legenbauer, 2010). Insbesondere Frauen in der
Adoleszenz und im jungen Erwachsenenalter sind für ein solches, subklinisch gestörtes
Essverhalten gefährdet (Hudson, Hiripi, Pope & Kessler, 2007). Treten solche
Auffälligkeiten gemeinsam mit grundsätzlichen Gegebenheiten wie einem niedrigen
Selbstwertgefühl auf, ist die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer klinisch
relevanten Essstörung wie einer AN oder BN erhöht (Jacobi, Hayward, de Zwaan,
Kraemer & Agras, 2004).
3.1.
Erscheinungsbild, Klassifikation und Epidemiologie
In der vorliegenden Dissertationsschrift sind unter dem Begriff „Essstörung“ die
Störungsbilder AN und BN sowie Essstörungen dieses Formenkreises zu verstehen.
Obwohl bezüglich derer Diagnosekriterien 2013 die fünfte Version des Diagnostischen
und Statistischen Manuals psychischer Störungen (DSM-5; American Psychiatric
Association, 2013) erschienen ist, wird im Folgenden auf die vorherige Version der
diagnostischen Kriterien (DSM-IV-TR; American Psychiatric Association, 2000)
zurückgegriffen. Dies ist so gewählt, da alle bishigen und in dieser Forschungsarbeit
aufgeführten Befunde auf dem DSM-IV-TR basieren und weil das DSM-IV-TR zum
Zeitpunkt der Durchführung der Studien die aktuellste Fassung des Manuals darstellte.
Eine AN ist demnach durch vier Kriterien gekennzeichnet, und zwar
(A)
die Weigerung, ein Minimum des für Alter und Körpergröße normalen
Körpergewichtes zu halten (d. h. weniger als 85% des zu erwartenden
Gewichts),
(B)
die große Angst vor einer Gewichtszunahme oder vor dem Dicksein trotz
bestehenden Untergewichts,
7
Anorexia und Bulimia nervosa
(C)
das Vorliegen einer Körperschemastörung, ein übertriebener Einfluss des
Gewichts auf die Selbstwertung und/oder Krankheitsverleugnung sowie
(D)
das Aufweisen einer Amenorrhö bei Frauen (d. h. das Ausbleiben der
Regelblutung über drei Menstruationszyklen).
Für die Diagnose einer BN wird hingegen gefordert, dass fünf Kriterien vorliegen,
(A)
wiederkehrende Episoden von Essanfällen, gekennzeichnet durch
1. Essensaufnahme in einer kurzen Zeitspanne (bis zu zwei Stunden),
wobei die Nahrungsmenge größer ist als bei den meisten Menschen
in einer vergleichbaren Zeit unter ähnlichen Umständen, und
2. ein Gefühl von Kontrollverlust während des Essanfalls (z. B. das
Essen nicht stoppen können oder eine Ohnmacht der Kontrolle
darüber, was oder wie viel gegessen wird),
(B)
wiederkehrendes, unangemessenes Kompensationsverhalten wie selbst
induziertes Erbrechen, Missbrauch von Medikamenten, Fasten oder
exzessives Sporttreiben zur Verhinderung einer Gewichtszunahme,
(C)
im Durchschnitt mindestens zweimaliges wöchentliches Auftreten von
Essanfällen
und
unangemessenem
Kompensationsverhalten
über
mindestens drei Monate,
(D)
ein unangemessen stark durch die Figur und das Gewicht beeinflusster
Selbstwert sowie
(E)
ein nicht ausschließliches Auftreten der Störung während Episoden einer
AN.
Die vollständige Erfüllung dieser Kriterien war bisher nur bei einer relativ geringen
Anzahl Betroffener der Fall, auch wenn sich dies durch die nun breiter gefassten
Kriterien des neu erschienenen DSM-5 ändern mag. In diesen liegt die Betonung
bezüglich des A-Kritierums bei der AN deutlicher auf Verhaltensweisen (wie dem
Begrenzen der Kalorieneinnahme) als auf der „Weigerung“ und es entfällt das DKriterium bezüglich der Amenorrhö. Für die BN hingegen ist laut der neuen Kriterien
wöchentlich eine Essattacke mit kompensatorischem Verhalten ausreichend, um die
Diagnose zu vergeben.
Im diagnostischen Kontext sei diesbezüglich angemerkt, dass häufig ein
Wechsel zwischen den unterschiedlichen Essstörungsdiagnosen über die Zeit zu
8
Anorexia und Bulimia nervosa
beobachten ist (Fichter & Quadflieg, 2007; Stice, Marti, Shaw & Jaconis, 2009). Die
sogenannte „transdiagnostische Perspektive“ (Fairburn, Cooper & Shafran, 2003) betont
daher
eher
die
Gemeinsamkeiten
der
unterschiedlichen
Esssstörungen
als
unterschiedliche Diagnosekategorien für wichtig zu erachten, da Betroffene im Laufe
ihres Lebens zeitweilig z. B. die Kriterien einer AN, dann aber auch einer BN erfüllen
können.
Die auf DSM-IV-TR basierenden Prävalenzraten für BN bzw. AN fallen mit 1%
bzw. 0,3% oder 0.6% (Hoek & van Hoeken, 2003; Machado, Machado, Goncalves &
Hoek, 2007) insbesondere hinsichtlich des grundsätzlichen „Figurbewusstseins“ junger
Frauen relativ niedrig aus, zumal in den letzten Jahren ein deutlicher Anstieg der
Inzidenzraten dokumentiert wurde (Keel & Klump, 2003; Rastam, Gillberg, van
Hoeken & Hoek, 2004; van Hoeken et al., 2003). Allerdings scheinen die Zahlen für
atypische Formen von Essstörungen („Eating Disorder Not Otherwise Specified“;
EDNOS), welche beispielsweise nicht die vollen Kriterien für die Diagnose einer AN
oder BN erfüllen, deutlich höher zu sein (Fairburn & Bohn, 2005; Stice et al., 2009).
Insgesamt liegt die Lebenszeitprävalenz für Frauen zu 1¾ bis 3mal höher als bei
Männern (Hudson et al., 2007).
Somit zählen Essstörungen im Allgemeinen nicht zu den häufigsten psychischen
Erkrankungen. Ihre dennoch hohe klinische Relevanz ergibt sich eher aufgrund der
schwerwiegenden psychosozialen und medizinischen Konsequenzen (Mitchell & Crow,
2006; Rome et al., 2003), welche als Auswirkungen des gestörten Essverhaltens auf die
verschiedenen Organsysteme auftreten können und im schlimmsten Fall zum Tode
führen. So nimmt die Erkrankung in fast 10% der Fälle einer AN und bei ca. 7% der
von BN Betroffenen einen tödlichen Verlauf (Nielsen, 2001), wobei insbesondere für
AN die Todesursache neben den direkten Effekten der Mangelernährung häufig im
Suizid liegt (Keel et al., 2003; Pompili, Mancinelli, Girardi, Ruberto & Tatarelli, 2004).
Weitere physische Folgeerscheinungen liegen in reduzierter Stoffwechseltätigkeit,
Nierenschäden sowie aufgrund der funktionalen Beeinträchtigung der HypothalamusGonaden-Achse hormonelle Störungen bis zur Amenorrhö, was sich negativ auf die
Fertilität auswirken kann und als nur bedingt reversibel gilt (Herpertz, 1997). Bezüglich
der psychosozialen Konsequenzen sind neben kognitiven Beeinträchtigungen und
rigiden Denkmustern in Bezug auf Ernährung und Körpergewicht insbesondere
9
Anorexia und Bulimia nervosa
Veränderungen auf emotionaler Ebene zu nennen. Die darunter zu fassenden Aspekte
wie Reizbarkeit, Niedergeschlagenheit oder soziale Ängste gehen häufig mit einer
fortschreitenden Isolation der Betroffenen einher, welche die hohe Komorbidität von
Essstörungen mit anderen psychischen Erkrankungen erklären mag. So leiden etwa 68%
der an AN und 63% der an BN erkrankten Personen gleichzeitig an einer klinisch
relevanten Depression (Brewerton et al., 1995; Halmi et al., 1991; O’Brien & Vincent,
2003). Auch Zwangs- (Milos, Spindler, Ruggiero, Klaghofer & Schnyder, 2002) und
Persönlichkeitsstörungen (Rø, Martinsen, Hoffart, Sexton & Rosenvinge, 2005) werden
häufig parallel diagnostiziert.
3.2.
Behandungserfolg und Prognose
Obwohl die Gefährdung durch die aufgeführten Folgeerscheinungen von AN und BN
offensichtlich erscheint sowie frühzeitigeres Intervenieren erwiesenermaßen zu besseren
Ergebnissen führt (Reas, Williamson, Martin & Zucker, 2000), erfahren nur wenige
Patientinnen eine adäquate Behandlung (Hoek & van Hoeken, 2003). Etwa die Hälfte
derjenigen mit AN und ca. ein Drittel der Betroffenen mit BN werden laut
Untersuchungen in der Allgemeinbevölkerung tatsächlich erst gar nicht im
Gesundheitssystem registriert (Keski-Rahkonen et al., 2007; 2009). Dies scheint
einerseits u. a. durch die Angst vor einer Stigmatisierung hinsichtlich der Erkrankung
begründet zu sein (Becker, Arrindell, Perloe, Fay & Striegel-Moore, 2010; Evans et al.,
2011). Andererseits gelangen insbesondere Personen mit Essstörungen oftmals nicht auf
eigenen Wunsch in eine Behandlung, sondern z. B. auf die Initiative von Angehörigen.
Betroffene, welche hingegegen aus eigenem Antrieb Hilfe aufsuchen, haben meistens
eher eine Reduktion der starken Beschäftigung mit Essen oder der die Essstörung häufig
begleitenden Depressionen sowie Ängste zum Ziel als eine Gewichtszunahme
(Vitousek, Watson & Wilson, 1998). Im Vergleich zu AN suchen Patientinnen mit BN
dabei zwar häufiger auf eigene Initiative eine Behandlung auf (Casasnovas et al., 2007;
Fairburn & Cooper, 1991), jedoch führt die Angst vor einer Gewichtszunahme in beiden
Fällen oft zu einem vorzeitigen Therapieabbruch (Vansteenkiste et al., 2005).
Unbefriedigende Behandlungsergebnisse, welche sich dementsprechend vor
allem durch hohe Dropout-Raten kennzeichnen lassen, sind insbesondere für AN
bekannt (DeJong, Broadbent & Schmidt, 2012) und keine Ausnahme. Die Prognose ist
10
Anorexia und Bulimia nervosa
jedoch generell eher schlecht und viele Patientinnen mit sowohl AN als auch BN
brechen die Behandlung unabhängig vom Setting vorzeitig ab (Bandini et al., 2006;
Fairburn, 2005; Halmi et al., 2005; Lundgren, Danoff-Burg & Anderson, 2004; Masson,
Perlman, Ross & Gates, 2007; Treat et al., 2005). Abgesehen von der schlechten
Prognose bezüglich des Abschlusses der Behandlung sind hohe Rezidivraten (Fairburn,
Cooper, Doll, Norman & O’Connor, 2000; Grilo et al., 2007) und chronische Verläufe
(Berkman, Lohr & Bulik, 2007; Halmi et al., 2002; Richards et al., 2000) für
Essstörungen bekannt. Zusätzlich deuten die wenigen Untersuchungen zum
Spontanverlauf der Erkrankung auf eine hohe Persistenz der Symptome hin. Etwa zwei
Drittel der Betroffenen mit AN und ca. die Hälfte der Personen mit BN zeigen auch
nach fünf Jahren noch Essstörungssymptome (Keski-Rahkonen et al., 2007; 2009).
11
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
4.
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia
nervosa
Als eine mögliche Ursache für diese ungünstigen Behandlungsprognosen bei AN und
BN wird häufig eine fehlende Veränderungsbereitschaft der Patientinnen angenommen
(z. B. Blake, Turnbull & Treasure, 1997; Casasnovas et al., 2007). Den Störungsbildern
AN und BN scheint es gemeinsam zu sein, dass bezüglich der Motivation für die
Veränderung der Symptomatik eine Ambivalenz besteht (Martínez et al., 2007; Rieger,
Touyz & Beumont, 2002; Schmidt & Treasure, 2006). Diese Ambivalenz wird als ein
Hauptgrund für die unzureichende Motivation der Betroffenen gesehen (Körkel &
Veltrup, 2003). So existieren neben dem offenkundigen Leidensdruck aufgrund der
oben dargestellten Folgen einer Essstörung wie körperlicher Beeinträchtigung,
kognitiver Einbußen, sozialer Isolation oder hoher Komorbidität mit anderen
psychischen Erkrankungen auch latente Nutzen der Essstörung (Serpell, Treasure,
Teasdale & Sullivan, 1999). Diese können beispielsweise in einer Selbstwertsteigerung
aufgrund der wahrgenommenen Stärke durch das rigide Essverhalten oder die
Gewichsreduktion begründet sein sowie in einem durch die AN oder BN gefundenen
Lebenssinn bzw. -inhalt liegen (Serpell & Treasure, 2002). Das Resultat dieser
Ambivalenz aus negativen und positiven Aspekten der Essstörung ist eine zumeist
niedrig ausgeprägte Änderungsmotivation bezüglich der Essstörungssymptomatik bei
AN und BN (Blake et al., 1997; Casasnovas et al., 2007; Geller, Zaitsoff &
Srikameswaran, 2005), wobei Betroffene einer AN sogar noch eine geringere
Änderungsmotivation aufweisen als solche mit BN. Verschiedene Studien haben
gezeigt, dass eine gering ausgeprägte Veränderungsmotivation bei Patientinnen mit
Essstörungen mit weniger erfolgreichen Therapien (Bewell & Carter, 2008; Geller,
Cassin, Brown & Srikameswaran, 2009; Gusella, Bird & Butler, 2003a; Treasure et al.,
1999; Wolk & Devlin, 2001) sowie häufigeren Abbrüchen der Behandlung einhergeht
(Geller, Cockell & Drab, 2001a; Halmi et al., 2002).
4.1.
Das transtheoretische Modell der Veränderung
Ein in der klinisch-psychologischen Forschung bekanntes Modell bezüglich der
Motivation, ein problematisches Verhalten zu ändern, stellt das transtheoretische
Modell der Verhaltensänderung (TTM) dar (z. B. Prochaska & DiClemente, 1982;
12
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
Prochaska, Velicer, Wayne, DiClemente & Fava, 1988; Prochaska et al., 1992). Dieses
Modell wurde ursprünglich für den Suchtbereich konzipiert (z. B. DiClemente &
Prochaska, 1985; Prochaska, Redding & Evers, 2002; Rollnick, Heather, Gold & Hall,
1992) und durch Befragungen ehemaliger Raucher, welche das Rauchen erfolgreich
aufgegeben haben, abgeleitet. Das TTM bietet eine generelle Erklärung für
Verhaltensänderungen und die damit einhergehenden motivationalen Zustände von
Menschen, wie sie idealtypisch aufeinander folgen. Dafür werden von den Autoren des
TTM sechs verschiedene, aufeinander folgende Stufen („Stages“) oder Phasen der
Bereitschaft zur Veränderung definiert, welche durch unterschiedliches Involviertsein in
den therapeutischen Prozess gekennzeichnet sind (z. B. Prochaska & Velicier, 1997).
Das „eingeschränkte Problembewusstsein“ („Precontemplation“) als erste Stufe
beschreibt einen Zustand, in welchem das Individuum sich des Problems nicht bewusst
ist oder nicht gewillt ist, etwas zu verändern. In der darauf folgenden Phase der
„Nachdenklichkeit“ („Contemplation“) denkt die Person ernsthaft über eine
Veränderung nach, steigt aber noch nicht aktiv in den tatsächlichen Änderungsprozess
ein. In der dritten Phase, der Phase der „Vorbereitung“ („Preparation“), entscheidet sich
der Betroffene für eine Veränderung und trifft die dafür zu Beginn notwendigen
Maßnahmen, während in der vierten Phase, der „Handlungs“-Phase („Action“), aktiv an
der Verhaltensmodifizierung gearbeitet wird. In der Phase der „Aufrechterhaltung“
(„Maintenance“) werden darauf erzielte Erfolge stabilisiert und es wird einem Rückfall
vorgebeugt, während das ursprüngliche Problemverhalten in der letzten Phase, der des
„Abschlusses“ („Termination“), als nicht mehr existent betrachtet wird (Prochaska &
DiClemente, 1992; Prochaska et al., 1994). Typischerweise ergeben sich mehrere
Rückfalle von späteren auf frühere Stufen während des Voranschreitens durch die
Phasen der Veränderung, bevor eine stabile „Aufrechterhaltung“ oder ein endgültiger
„Abschluss“ erreicht wird (Prochaska et al., 1992).
Das TTM beinhaltet überdies hinaus theoretische Annahmen darüber, wie
Entscheidungen getroffen werden (Janis & Mann, 1977). Dieser Prozess wird als
notwendig für ein Voranschreiten durch die Phasen erachtet und hängt nach den
Autoren von dem Verhältnis der wahrgenommenen Pros und Contras der jeweiligen
Veränderung ab. Das Treffen von Entscheidungen in Abhängigkeit von den Pro- und
13
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
Contra-Argumenten eines Verhaltens bzw. einer Verhaltensänderung wird auch als
„Decisional Balance“ bezeichnet (Prochaska & Velicer, 1997).
Trotz seines heuristischen Wertes wurde das TTM gleichzeitig immer wieder
kritisiert (Treasure & Schmidt, 2001; Waller, 2012; Wilson & Schlam, 2004). Als
problematisch wurde u. a. die kategoriale Konzeption der verschiedenen Stufen
angemerkt, da die unterschiedlichen Ausprägungen der Veränderungsmotivation
möglicherweise eher als Kontinuum abgebildet werden können (Wilson & Schlam,
2004). So kann sich eine Person laut empirischer Befunde gleichzeitig in mehreren der
unterschiedlichen Phasen befinden, was die Einteilung in Kategorien überflüssig mache
(Littell & Girvin, 2002). Zusätzlich wird dadurch die Zuordnung zu einer einzelnen
Phase unmöglich, was wiederum den gezielten Einsatz von phasenspezifischen
Interventionen erschwere (Sullivan & Terris, 2001). Gleichzeitig besagt jedoch die
„Matching Hypothesis“, eine Implikation des TTM, dass die therapeutische Behandlung
auf die jeweilige Stufe der Veränderung des Patienten zugeschnitten sein sollte
(Prochaska et al., 2002).
Trotz aller Kritik findet das Modell seinen Einsatz in Forschung und Praxis. So
konnte die Gültigkeit der in ihm formulierten Stufen der Veränderung in vielen
empirischen Studien belegt werden und es ließ sich bei der Behandlung zahlreicher
Problemverhaltensweisen bestätigen (Norcross, Krebs & Prochaska, 2011). Zusätzlich
bietet das TTM einen theoretischen Rahmen für die Konzeption diverser
Messinstrumente zur Erfassung der Veränderungsmotivation (siehe Abschnitt 4.3).
4.2.
Übertragung des transtheoretischen Modells auf Anorexia und
Bulimia nervosa
Auch im Bereich der Essstörungen ist das TTM für Forschungszwecke herangezogen
worden (z. B. Geller, Brown, Srikameswaran, Piper & Dunn, 2013; Hasler, Delsignore,
Milos, Buddeberg & Schnyder, 2004; Wade, Frayne, Edwards, Robertson & Gilchrist,
2009) und seine Gültigkeit konnte größtenteils belegt werden (Dray & Wade, 2012). So
ließ sich, wie auch im Kontext verschiedener anderer Störungsbereiche (Norcross et al.,
2011), in vielen Studien nachweisen, dass die Stufe der Veränderung, in der sich ein
Individuum vor oder zu Beginn der Behandlung befindet, mit unterschiedlichen Maßen
des Behandlungserfolges bei AN und BN im Zusammenhang steht. Eine höhere Stufe
14
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
der Veränderung zeigte sich dementsprechend als assoziiert mit einer deutlicheren
Symptomreduktion (Castro-Fornieles et al., 2011; Franko, 1997; Geller et al., 2009;
Treasure et al., 1999; Wolk & Devlin, 2001), beispielsweise bezüglich der Häufigkeit
von Essanfällen. Überdies erwiesen sich höhere Stufen des TTM als prädiktiv für eine
Verbesserung des pathologischen Essverhaltens (Castro-Fornieles et al., 2011;
Rodriguez-Cano & Beato-Fernandez, 2005; Wade et al., 2009), z. B. erkennbar an einer
Gewichtszunahme. Andere Untersuchungen hingegen zeigten, dass eine niedrigere
Stufe der Veränderung bzw. eine geringer ausgeprägte Veränderungsmotivation einen
Prädiktor für Rückfälle darstellt (Ametller, Castro, Serrano, Martínez & Toro, 2005;
Halmi et al., 2002; Richard, Bauer & Kordy, 2005). Derartige Befunde wurden nicht
nur im Erwachsenen-, sondern auch im Jugendbereich dokumentiert (Castro-Fornieles
et al., 2011; Gusella et al., 2003a). Des Weiteren hat sich eine höhere Stufe zu Beginn
der Behandlung bei Essstörungen auch als zusammenhängend mit einer besseren
therapeutischen Beziehung (Treasure et al., 1999) sowie der Initiierung und
Weiterführung einer Psychotherapie gezeigt (Hasler et al., 2004).
4.3.
Das transtheoretische Modell als theoretischer Rahmen zur Messung
der Änderungsmotivation
Da das TTM zunehmend in Forschung und Praxis zum Einsatz kommt, haben auch
diverse
Messinstrumente
zur
Erfassung
der
Veränderungsmotivation
für
unterschiedliche Störungsbereiche ihren theoretischen Ursprung in dem Modell. Eines
dieser Messinstrumente ist der Fragebogen „University of Rhode Island Change
Assessment“ (URICA; McConnaughy, Prochaska & Velicer, 1983; McConnaughy,
DiClemente, Prochaska & Velicer, 1989), welcher neben der Untersuchung diverser
Problemverhaltensweisen bereits mehrfach seinen Einsatz im Bereich der Essstörungen
fand (z. B. Franko, 1997; Hasler et al., 2004; Treasure et al., 1999). Die URICA nimmt
eine allgemeine oder globale Messung der Motivation vor, da einem Individuum eine
Phase der Veränderung nach dem TTM, in welcher es sich befindet, zugeordnet wird.
Dieser globalen Erfassung der Veränderungsmotivation steht die symptomspezifische
Messung
gegenüber,
bei
welcher
jedem
einzelnen
Symptombereich
eines
Störungsbildes oder eines Problemverhaltens eine Phase der Veränderung zugeordnet
wird.
15
Veränderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
Mittlerweile wurden abgesehen von der störungsunspezifischen URICA viele
Messinstrumente entwickelt, die der konkreten Erfassung der Änderungsmotivation für
Essstörungen dienen (z. B. Geller et al., 2001a; Rieger et al., 2002). Diese stellen
vermutlich eine validere Erfassung des Konstrukts dar als es die URICA vermag.
Jedoch
existiert
bisher
kein
systematischer
Überblick
über
solche
essstörungspezifischen Instrumente, der eine Entscheidungshilfe für die Wahl von
Messinstrumenten
bezüglich
unterschiedlicher
Forschungsfragen
bietet.
Eine
Zusammenfassung und kritische Würdigung der Vor- und Nachteile solcher Verfahren
könnte die Auswahl erleichtern und auf methodische Besonderheiten hinweisen. Dies
könnte insbesondere aktuell von Bedeutung sein, da in den letzten Jahren ein
gesteigertes Forschungsinteresse im Bereich der Änderungsmotivation bei Essstörungen
zu verzeichnen ist. So beschäftigt sich z. B. ein Forschungsstrang mit der Entwicklung
bzw. Evaluation von Interventionen, welche zur Steigerung der Änderungsmotivation
bei Essstörungen eingesetzt werden.
16
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
5.
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei
Anorexia und Bulimia nervosa
Aufgrund der großen Bedeutsamkeit einer hohen Änderungsmotivation für den
Therapieerfolg weisen viele Autoren auf die Entwicklung und den Einsatz von
Interventionen zur Steigerung der Änderungsmotivation hin (Geller & Dunn, 2011;
Geller, Williams & Srikameswaran, 2001b; Tantillo, Nappa Bitter & Adams, 2001). In
diesem Zusammenhang hat sich im Bereich der Essstörungen sowie in anderen
Störungsbereichen auch das MI (Miller & Rollnick, 2002) und Abwandlungen dessen
als ein gängiges und häufig eingesetztes Verfahren etabliert (z. B. Cassin, von Ranson,
Heng, Brar & Wojtowicz, 2008).
5.1.
Motivational Interviewing
Das ursprünglich für den Suchtbereich entwickelte MI ist eine klientenzentrierte, semidirektive Methode zur Erhöhung der intrinsischen Änderungsmotivation (Miller &
Rollnick, 2002). Die Änderungsmotivation soll dabei durch das Erkunden und Auflösen
der Ambivalenz bezüglich der Veränderung gesteigert werden. Die grundsätzliche
Annahme, dass auf Patientenseite eine Ambivalanz bezüglich der Probleme vorliegt,
sowie die Akzeptanz der Autonomie des Patienten bezüglich seiner Ziele und
Entscheidungen sind dabei wesentliche Annahmen des Menschenbildes bzw. der
Einstellung des Therapeuten (Körkel & Veltrup, 2003). Mittlerweile existieren mehrere
Abwandlungen des MI wie z. B. die Motivational Enhancement Therapy (MET; z. B.
Dean, Touyz, Rieger & Thornton, 2008), welche sich aber eher in ihrer zeitlichen
Gestaltung als in der generellen Methodik vom „klassischen“ MI unterscheiden.
Für Abhängigkeitserkrankungen konnte in Meta-Analysen die Wirksamkeit des
MI gut belegt werden (Hettema, Steele & Miller, 2005; Rubak, Sandbæk, Lauritzen &
Christensen, 2005; Vasilaki, Hosier & Cox, 2006). Für den Bereich der Essstörungen
hingegen liefert die empirische Befundlage zwar ebenfalls teils vielversprechende, aber
insgesamt gemischte Ergebnisse bezüglich der Effektivität des Einsatzes von MI sowie
MET (Knowles, Anokhina & Serpell, 2013; Macdonald, Hibbs, Corfield & Treasure,
2012). So konnte beispielsweise in zwei unkontrollierten Studien (Feld, Woodside,
Kaplan, Olmsted & Carter, 2001; Gowers & Smyth, 2004) durch eine Intervention
bestehend
aus
vier
Gruppen-
bzw.
17
einer
Einzelsitzung
eine
gesteigerte
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
Änderungsmotivation der Patienten sowie mehr Problemeinsicht bzw. eine niedrigere
Rate von Therapieabbrüchen verzeichnet werden. Da in diesen beiden Studien jedoch
auf kein randomisiert-kontrolliertes Versuchsdesign zurückgegriffen wurde, bleibt
unklar, inwiefern sich die Ergebnisse tatsächlich auf die eingesetzten Interventionen
zurückführen lassen.
In den eher wenig existierenden randomisiert-kontrollierten Studien konnten
teils ebenfalls empirische Belege für die Wirksamkeit von MI und MET im
Essstörungsbereich gefunden werden. So zeigten Allen et al. (2012), dass vier
Sitzungen einer MI-Intervention zu einer Steigerung der Änderungsmotivation in der
Experimentalgruppe führten, während sich dieser Anstieg nicht in der WarteKontrollgruppe verzeichnen ließ. In einer weiteren Studie (Dunn, Neighbors & Larimer,
2006) wurde Personen mit einer voll- oder teilausgeprägten BN oder Binge Eating
Störung die Teilnahme an einem Selbsthilfeprogramm angeboten, bei dem für die
Hälfte der Teilnehmerinnen eine Sitzung zur Steigerung der Änderungsmotivation
vorgeschaltet war. Nur diejenigen Personen in der MI-Bedingung zeigten nachher eine
erhöhte Bereitschaft zur Aufgabe der Essanfälle.
Andere randomisiert-kontrollierte Studien hingegen konnten keine signifikante
Besserung
der
Experimentalgruppe
verzeichnen,
da
sich
Kontroll-
und
Experimentalgruppe gleichermaßen verbesserten. So verglichen Treasure et al. (1999)
eine MI-Intervention bestehend aus vier Einzelsitzungen mit einer ebenso langen
kognitiven Verhaltenstherapie als Kontrollbedingung im Vorfeld einer weiteren
Behandlung bei Frauen mit BN. Hier ergaben sich keine Unterschiede zwischen beiden
Bedingungen bezüglich der Änderungsmotivation. In einer nicht randomisierten aber
kontrollierten Studie stellten Dean et al. (2008) vier Sitzungen einer zusätzlichen METGruppenbehandlung der ausschließlichen Routine-Versorgung in einer stationären
Einrichtung gegenüber. Auch hier konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen
den Gruppen gefunden werden. In einer späteren, wiederum randomisiert-kontrollierten
Untersuchung von Katzman et al. (2010) konnten ebenfalls keine Gruppenunterschiede
nachgewiesen werden, da sich in der MET-Bedingung und der Kontrollgruppe, welche
eine kognitiv-verhaltenstherapeutische Intervention erhielt, nach vier Sitzungen
gleichermaßen
Verbesserungen
abzeichneten.
Von
einer
Steigerung
der
Änderungsmotivation für sowohl Warte-Kontroll- als auch Experimentalbedingung,
18
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
obwohl
nur
die
Experimentalgruppe
eine
aus
fünf
Sitzungen
bestehende,
motivationssteigernde Intervention erhielt, berichteten auch Geller, Brown und
Srikameswaran (2011).
In diesem Zusammenhang ist allerdings anzumerken, dass einige dieser nicht
gefundenen signifikanten Unterschiede möglicherweise auf methodische Probleme
zurückzuführen sind (Dray & Wade, 2012). So waren in einer Studie (Treasure et al.,
1999)
beispielsweise
deutlich
mehr
Probanden
(18,4%)
der
kognitiv-
verhaltenstherapeutischen Kontrollbedingung bereits in der „Action“-Phase und somit
von Beginn an motivierter, während dies nur wenige (2,3%) der MET-ExperimentalBedingung betraf. Zusätzlich bestand die Erfassung der Änderungsmotivation bei vielen
dieser Studien in einer globalen (im Gegensatz zu einer symptomspezifischen) und
zusätzlich essstörungsunspezifischen Messung, teilweise mittels der URICA. Durch den
Einsatz solcher Messinstrumente könnte einerseits die störungsspezifische Problematik
nicht valide erfasst worden und andererseits könnten Veränderungen in einzelnen
Symptom-Domänen unentdeckt geblieben sein. Die weitere Erforschung MI-basierter
Ansätze mit einer adäquateren Methodik mag diesbezüglich Aufschluss geben.
5.2.
Die Berücksichtigung von Lebenszielen
Das MI bedient sich u. a. verschiedener Techniken, die an persönliche Lebensziele
anknüpfen (Körkel & Veltrup, 2003). So sollen Diskrepanzen zwischen dem jetzigen
Verhalten des Patienten und seinen langfristigen Zielen sowie Werten entwickelt
werden, um eine Steigerung der Änderungsmotivation zu erzielen (Miller & Rollnick,
2002). Eine solch konkrete Arbeit mit Lebenszielen ist möglich, da sie Bestandteil des
expliziten Motivsystems sind (McClelland, 1985) und deshalb im Gegensatz zu
impliziten Motiven dem Bewusstsein unmittelbar zugänglich und verbal repräsentiert
sind. Sie stellen kognitive Repräsentationen von Aspekten dar, die eine Person in ihrem
Leben erreichen oder vermeiden möchte (Brunstein, Schultheiß & Grässmann, 1998)
und machen demnach das menschliche Verhalten kausal nachvollziehbar (Moskowitz &
Grant, 2009).
Die Berücksichtigung von expliziten Zielen wie Therapie- oder Lebenszielen
wird auch im verhaltenstherapeutischen Kontext für wichtig erachtet (Grosse-Holtforth
& Grawe, 2004). Persönlichen Zielen kommt demnach eine entscheidende
19
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
motivationale Rolle zu, beispielsweise was deren Konflikte untereinander innerhalb
einer Person betrifft. So können unterschiedliche Ziele eines Individuums einerseits
füreinander förderlich sein und sich gegenseitig positiv beeinflussen, sie können sich
aber andererseits auch gegenseitig behindern und Zielerreichungen erschweren
(Michalak
&
Schulte,
2002).
Diesbezüglich
ließ
sich
für
unterschiedliche
Patientengruppen belegen, dass eine geringe Anzahl an Zielkonflikten auf expliziter
Ebene bzw. eine bessere Integration der Ziele untereinander mit einer höheren
Therapiemotivation im Zusammenhang steht (Heidenreich, 2000; Michalak & Schulte,
2002). Andererseits zeigte sich der gegenteilige Effekt bei ausgesprägten Zielkonflikten
(Emmons & Kings, 1988; Hoyer, 1992). Stark ausgesprägte Zielkonflikte lassen sich
zudem als mit negativem Affekt, Depression, Neurotizismus und psychosomatischen
Beschwerden im Zusammenhang stehend kennzeichnen (Emmons & King, 1988).
In
der
klinisch-psychologischen
Forschung
beschäftigt
sich
die
„Konsistenztheorie“ von Grawe (1998, 2004) mit dem Einfluss des expliziten
Zielsystems auf das menschliche Wohlbefinden. Der Theorie zufolge wird zwischen
einerseits Annäherungszielen wie Intimität bzw. Bindung, Status sowie Leistung und
andererseits Vermeidungszielen wie Alleinsein bzw. Trennung, Geringschätzung sowie
Versagen unterschieden. Bei der Entwicklung von Psychopathologie bzw. Unwohlsein
wird in diesem Zusammenhang insbesondere deutlich ausgeprägten Vermeidungszielen
eine wichtige Rolle zugeschrieben. Diese Annahme ließ sich insofern in Studien
bestätigen, als sich in Psychotherapie befindende Personen stärker ausgeprägte
Vermeidungsziele aufweisen als gesunde Kontrollprobanden (Grosse Holtforth &
Grawe, 2000; 2002). Das Vorhandensein ausgeprägter Annäherungsziele stellt somit
das menschliche Wohlbefinden betreffend eine funktionalere Zielstruktur dar. Bei einer
unzureichenden Umsetzung motivationaler Ziele spricht Grawe (1998, 2004) von
„Inkongruenz“,
was
die
misslungene
Realisierung
von
Annäherungs-
und
Vermeidungszielen meint.
Da
insbesondere
Betroffene
von
Essstörungen
für
eine
niedrige
Änderungsmotivation bzw. ausgeprägte Ambivalenzen bezüglich der Aufgabe ihrer
Symptomatik bekannt sind (Casasnovas et al., 2007; Serpell & Treasure, 2002; siehe
Abschnitt 4) und persönlichen Zielen eine entscheidende Rolle bezüglich der
Therapiemotivation sowie der Entwicklung von Psychopathologie zukommt, könnten
20
Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Anorexia und Bulimia nervosa
für diese Patientengruppe Besonderheiten für ihre persönlichen Lebenszielen
angenommen werden. Bisher existieren jedoch keine Studien zur Rolle expliziter Ziele
bei AN und BN. Insofern liegen auch keine Forschungsergebnisse darüber vor, ob
Betroffene einer Essstörung möglicherweise andere Lebensziele verfolgen als gesunde
Personen. Dies ist jedoch gerade im Kontext der Essstörungen relevant, da die
physischen Folgeerscheinungen von AN und BN bekannter Maßen nur bedingt
reversibel
sind
und
somit
langfristig
zu
massiven
Einschränkungen
der
Lebensgestaltung führen können (Herpertz, 1997). Dementsprechend sind manche
essstörungssymptomatologische
Verhaltensweisen
oder
Konsequenzen
derer
unvereinbar mit dem Erreichen bestimmter Lebensziele, welche von den meisten
Menschen verfolgt werden, wie z. B. die Gründung einer Familie (Cox & Klinger,
2002). Empirische Befunde zur Rolle von Lebenszielen bei von Essstörungen
Betroffenen wären von großer Bedeutung, um Interventionen zur Steigerung der
Änderungsmotivation weiterzuentwickeln.
21
Das Internet als Versorgungsansatz
6.
Das Internet als Versorgungsansatz
Eine in den letzten Jahren aufgekommene Strömung zur Weiterentwicklung von
psychotherapeutischen Interventionen liegt in dem Ansatz, diese über das Internet
zugänglich zu machen (Barak, Klein & Proudfoot, 2009). Viele solcher Programme für
diverse psychische Störungen sind bereits in wissenschaftlichen Studien evaluiert
worden. So lassen sich beispielsweise als effektiv befundene Online-Ansätze für
Betroffene mit Panikstörungen (Carlbring et al., 2006; Klein, Richards & Austin, 2006),
Sozialen Phobien (Carlbring et al., 2007), Spezifischen Phobien (Schneider, MataixCols, Marks & Bachofen, 2005), Posttraumatischen Belastungsstörungen (Knaevelsrud
& Maercker, 2007; Wagner, Schulz & Knaevelsrud, 2012), Alkohol-Missbrauch
(Bewick, Trusler, Mulhern, Barkham & Hill, 2008b), Depressionen (Ruwaard et al.,
2009), Komplizierter Trauer (Wagner, Knaevelsrud & Maercker, 2006) oder
Schlafstörungen (Ritterband et al., 2012) finden.
Die Wirksamkeit solcher Angebote konnte auch in Metaanalysen belegt werden
(Amstadter, Broman-Fulks, Zinzow, Ruggiero & Cercone, 2009; Andersson & Cuijpers,
2009; Barak, Hen, Boniel-Nissim & Shapira, 2008; Bewick et al., 2008a; Reger &
Gahm, 2009), wobei sich bestimmte Charakteristika der Programm-Gestaltung als
effektiver
herausgestellt
haben
als
andere.
So
zeigten
individualisierte
Behandlungsansätze, geschlossene Webseiten mit einem Screening für Ein- und
Ausschlusskriterien sowie interaktive Webseiten mit Grafiken bessere Ergebnisse als
Seiten mit Gruppen-Interventionen (z. B. Chat-Room), offene Seiten mit freiem Zugang
für alle Internetnutzer und statische, rein textbasierte Seiten (Barak et al., 2008;
Ritterband et al., 2006). Außerdem hat sich individualisiertes Feedback in web-basierten
Interventionen als bedeutsam für Compliance und Outcome herausgestellt (de
Bourdeaudhuij & Brug, 2000; Oenema & Brug, 2003; Schmidt et al., 2006), wobei sich
kein Unterschied zwischen synchroner (z. B. Chat) und asynchroner Kommunikation
(z. B. E-Mails) nachweisen ließ (Barak et al., 2008). Zusammenfassend lässt sich sagen,
dass Online-Programmen somit eine zunehmend wichtige Rolle in der Behandlung
psychischer Störungen zugeschrieben werden kann.
22
Das Internet als Versorgungsansatz
6.1.
Internetbasierte Behandlungsansätze bei Essstörungen
Internetbasierte Angebote scheinen insbesondere effektiv zu sein, was den „ersten
Schritt“ einer Behandlung betrifft (Wesemann & Grunwald, 2008). Dies mag durch den
einfachen, unkomplizierten Zugang zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie von jedem Ort
mit Internetanschluss bedingt sein, außerdem möglicherweise durch die geringen
Kosten sowie die zumeist im Internet gewährte Anonymität (Andersson & Carlbring,
2003; Zabinski, Celio, Wilfley & Taylor, 2003). Aus diesen Gründen erscheinen webbasierte Interventionen besonders geeignet für den Essstörungsbereich, da nur wenige
Personen mit AN und BN evidenzbasierte Behandlung für ihre psychischen Probleme in
Anspruch nehmen (Hoek & van Hoeken, 2003; siehe Abschnitt 3.2). Außerdem scheint
eine „face-to-face“-Behandlung für viele Betroffene hinsichtlich des hohen Ausmaßes
an Scham (Becker et al., 2010; Evans et al., 2011) bzw. der großen Sorge vor einer nicht
nur angenommenen, sondern auch tatsächlich in der Gesellschaft existierenden
Stigmatisierung von Essstörungen (Crisp, 2005; Stewart, Keel & Schiavo, 2006) nicht
immer das optimale Setting für ein Angebot zur Steigerung der Änderungsmotivation
darzustellen. Online-Interventionen könnten aufgrund ihrer Niedrigschwelligkeit durch
die Möglichkeit, anonym zu bleiben, sowie den einfachen Zugang Chronifizierungen
vorbeugen und durch frühzeitiges Intervenieren Therapieausgänge verbessern (Reas et
al., 2000). Hinzu kommt, dass sich AN und BN überwiegend während der Adoleszenz
bzw. des frühen Erwachsenenalters manifestieren (Keski-Rahkonen et al., 2007; 2009),
einer Altersgruppe, für die sich – möglicherweise aufgrund ihres gewohnheits- und
regelmäßigen Gebrauchs des Internets (van Eimeren & Frees, 2011) – besonders starke
Effekte bezüglich web-basierter Interventionen nachweisen lassen (Barak et al., 2008).
Für den Essstörungsbereich sind bereits einige solcher Angebote zur Behandlung
der BN (Nevonen, Mark, Levin, Lindström & Paulson-Karlsson, 2006; Ruwaard et al.,
2012; Sánchez-Ortiz et al., 2011), von Essstörungen allgemein (ter Huurne, Postel, de
Haan, Drossaert & DeJong, 2013), als Unterstützung für Angehörige von Betroffenen
mit AN (Grover et al., 2011), im Rahmen von Präventionsprogrammen (Beintner,
Jacobi & Taylor, 2012; Jacobi et al., 2007) sowie zur Nachsorge nach abgeschlossender
Behandlung (Gulec et al., 2011) mit moderaten bis großen Effekten der Behandlung
evaluiert worden. Auch zur Steigerung der Änderungsmotivation wurde bereits ein
internetbasiertes Selbsthilfe-Programm für Betroffene mit Essstörungen entwickelt
23
Das Internet als Versorgungsansatz
(Leung, Ma & Russell, 2012), dessen Ergebnisse auf mögliche positive Effekte
hinweisen. Jedoch wurde in dieser Studie kein randomisiert-kontrolliertes Design
eingesetzt, was somit aufgrund der fehlenden Kontrollgruppe keine Rückschlüsse auf
Kausalitäten erlaubt. Eine randomisiert-kontrollierte Überprüfung von Programmen zur
Steigerung der Änderungsmotivation existiert bisher lediglich für das „face-to-face“Setting (z. B. Allen et al., 2012; siehe Abschnitt 5.1). Leung et al. (2012) haben
zusätzlich bestimmte, sich in der Forschung als wichtig herausgestellte Charakteristika
in der Gestaltung ihres Programms ausgelassen, beispielsweise die Anwendung von
individualisiertem Feedback. Außerdem hatten ihre Teilnehmer die Wahl zwischen
verschiedenen Modulen, welche nach eigenem Ermessen durchlaufen oder ausgelassen
werden konnten, so dass kein standardisierter Ablauf für alle Versuchspersonen
gewährleistet war. Um diese Forschungslücke zu schließen, wäre ein Online-Programm
zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Esssstörungen im randomisiertkontrollierten Versuchsdesign wünschenswert, was zusätzlich wichtige Erkenntnisse
bisheriger Forschung wie z. B. den Einsatz individualisierten Feedbacks berücksichtigt.
24
Fragestellung
7.
Fragestellung
Das primäre Ziel der vorliegenden Arbeit bestand in der Evaluation eines OnlineProgramms zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Frauen, die Symptome einer
AN oder BN aufweisen, im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie. „ESSKIMO“ („Klärendes Internetprogramm zur Steigerung der Veränderungsmotivation bei
Essstörungen“)
orientiert
sich
in
seiner
Konzeption
an
bisherigen
Forschungsergebnissen (siehe Abschnitt 6) und basiert inhaltlich auf dem TTM sowie
MI (siehe Abschnitt 4 und 5). Die Untersuchungs-Hypothese bestand dabei voranging
in der Vermutung, dass (1) die Intervention „ESS-KIMO“ vom Prä- zum PostMesszeitpunkt mit einem stärkeren Anstieg in der Änderungsmotivation einhergeht als
dies für die Warte-Kontroll-Bedingung erwartet wurde. Außerdem wurde angenommen,
dass (2) die Interventionsgruppe einen deutlicheren Rückgang in der EssstörungsSymptomatik und einen größeren Anstieg in Selbstwertgefühl sowie Selbstwirksamkeit
aufweisen würde als die Kontrollgruppe.
Dafür wurden zunächst zwei Vorarbeiten durchgeführt. Diese verfolgten zum
einen das Ziel der Überprüfung, inwiefern sich Betroffene mit Essstörungen in ihren
individuellen Lebenszielen von denen gesunder Personen unterscheiden. Es sollte
explorativ untersucht werden, ob sich Patientinnen mit AN und BN von einer gesunden
Kontrollgruppe bezüglich (1) der Art bzw. Inhalte ihrer expliziten Lebensziele, (2) der
Rolle von Konflikten unter diesen bzw. der gegenseitigen Förderlichkeit dieser sowie
(3) der Zielumsetzung unterscheiden. Zum anderen sollte vorab ein systematischer
Überblick
über
bereits
vorhandene
Messinstrumente
zur
Erfassung
der
Änderungsmotivation bei AN und BN erstellt werden sowie eine kritische Würdigung
dieser erfolgen, um die Auswahl eines solchen Messinstruments für spezifische
Forschungsfragen zu erleichtern.
25
Publikationen
8.
Publikationen
8.1.
Artikel 1
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörries, A., von Brachel, R., Braks, K., Huber, T.
J. & Vocks, S. (2012). Explizite Lebensziele von Patientinnen mit Anorexia und
Bulimia nervosa. Verhaltenstherapie, 22, 173-180. DOI:10.1159/000341538
Zusammenfassung
Hintergrund: Die Identifizierung und Förderung expliziter Ziele hat sich in der
Forschung für die Behandlung verschiedener Patientengruppen als hilfreich erwiesen.
Hierbei sind insbesondere potenzielle Auswirkungen von Lebenszielen auf die
Psychopathologie bzw. psychische Gesundheit sowie auf die Therapiemotivation zu
nennen. Die Rolle individueller Lebensziele ist für Frauen mit Essstörungen bisher
allerdings
nicht
untersucht
worden,
weshalb
die
vorliegende
Studie
diese
Forschungslücke schließen möchte und Lebensziele bei Frauen mit Anorexia nervosa
(AN) und Bulimia nervosa (BN) untersucht. Methoden: Patientinnen mit AN (n = 27)
und BN (n = 20) sowie gesunde Kontrollprobandinnen (n = 56) bearbeiteten eine
idiographisch orientierte Frage bezüglich ihrer expliziten Lebensziele. Die Striving
Instrumentality Matrix wurde zur Messung von Zielkonflikten bzw. der Instrumentalität
eigener Ziele eingesetzt. Mit einer Kurzversion des Inkongruenzfragebogens wurde das
Ausmaß der Zielumsetzung erfasst. Ergebnisse: Patientinnen mit AN und BN verfolgen
im Wesentlichen die gleichen Ziele wie gesunde Kontrollprobandinnen. Obwohl Frauen
mit Essstörungen ihren Zielen eine höhere Instrumentalität zuschrieben als gesunde
Frauen (p < 0,001), wiesen sie deutlich Defizite in der Umsetzung motivationaler Ziele
auf (p < 0,001). Schlussfolgerungen: Mögliche Ursachen dafür, dass Patientinnen mit
AN und BN den Einfluss ihrer Ziele untereinander förderlicher beurteilten als gesunde
Frauen, werden diskutiert. Da Patientinnen mit Essstörungen deutliche Defizite in der
Umsetzung ihrer Ziele aufwiesen, sollte insbesondere die Realisierung persönlicher
Ziele in der Behandlung von Essstörungen stärker gefördert werden.
Schlüsselwörter: Essstörung, Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Ziele, Explizite
Ziele, Lebensziele, Zielkonflikte.
26
Das Internet als Versorgungsansatz
Summary
Explicit Life Goals of Patients with Anorexia and Bulimia nervosa
Background: Identifying and promoting explicit goals have proven helpful in the
treatment of different groups of patients. Especially the potential impact of life goals on
psychopathology or mental health and their effects on treatment motivation deserve to
be recognized. However, the relevance of individual goals for women with eating
disorders is yet to be studied. Therefore, this study examines explicit goals of female
patients with anorexia nervosa (AN) and bulimia nervosa (BN). Methods: Inpatients
with AN (n = 27) and BN (n = 20) as well as healthy women (n = 56) worked on an
idiographically oriented question concerning their goals in life. The Striving
Instrumentality Matrix was applied to measure conflicts and integration of goals. A
short version of the Incongruence Questionnaire was completed to capture goal
attainment. Results: Women with AN and BN pursued explicit goals essentially
identical to those of healthy participants. Although eating disorder inpatients attributed
a higher instrumentality to their goals than healthy females (p < 0.001), they displayed
distinct deficits concerning the realization of explicit goals (p < 0.001). Conclusions:
Possible causes are discussed for the result that patients with AN and BN, more than
healthy women, judged their goals to be mutually supportive of each other. As patients
with eating disorders showed distinct deficits concerning the realization of their goals, it
would be beneficial to set a clear focus on attaining the patients’ explicit goals in the
treatment of eating disorders.
Keywords: Eating disorder, Anorexia nervosa, Bulimia nervosa, Goals, Explicit goals,
Life goals, Conflict of goals.
27
Publikationen
8.2.
Artikel 2
Hötzel, K., von Brachel, R., Schloßmacher, L. & Vocks, S. (2013). Assessing
motivation to change in eating disorders: A systematic review. Journal of Eating
Disorders, 1, 1-9. DOI:10.1186/2050-2974-1-38
Abstract
Background. Patients with anorexia and bulimia nervosa are often ambivalent about
their eating disorder symptoms. Therefore, a lack of motivation to change is a frequent
problem in the treatment of eating disorders. This is of high relevance, as a low
motivation to change is a predictor of an unfavourable treatment outcome and high
treatment dropout rates. In order to quantify the degree of motivation to change, valid
and reliable instruments are required in research and practice. The transtheoretical
model of behaviour change (TTM) offers a framework for these measurements.
Objective. This paper reviews existing instruments assessing motivation to change in
eating disorders. Method. We screened N=119 studies from the databases Medline and
Psycinfo found by combinations of the search keywords ‘eating disorder’, ‘anorexia
nervosa’, ‘bulimia nervosa’, ‘motivation’, ‘readiness to change’, ‘assessment’,
‘measurement’, and ‘questionnaire’. Results. Ultimately, n=15 studies investigating
psychometric properties of different assessment tools of motivation to change in eating
disorders were identified. Reviewed instruments can be divided into those assessing the
stages of change according to the TTM (6 instruments) and those capturing decisional
balance (3 instruments). Overall, the psychometric properties of these instruments are
satisfactory to good. Discussion. Advantages, disadvantages, and limitations of the
reviewed assessment tools are discussed. So far, the TTM provides the only framework
to assess motivation to change in eating disorders.
Keywords: Anorexia nervosa, assessment, bulimia nervosa, interview, motivation to
change, questionnaire.
28
Publikationen
8.3.
Artikel 3
Hötzel, K., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, E., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2013). An internet-based program to enhance motivation to change in
females with symptoms of an eating disorder: A randomized-controlled trial.
Psychological Medicine, 16, 1-17. DOI:10.1017/S0033291713002481
Abstract
Background: Previous research has demonstrated an association between low
motivation to change and an unfavorable treatment outcome in patients with an eating
disorder. Consequently, various studies have examined the effects of motivational
enhancement therapy (MET) on motivation to change and treatment outcome in eating
disorders. In each of these studies, MET was administered in a face-to-face setting.
However, due to its anonymity and ease of access, the internet provides several
advantages as the format for such an intervention. Therefore, the current study
investigated the effects of an internet-based program (‘ESS-KIMO’) to enhance
motivation to change in eating disorders. Methods: In total, n=212 females were
accepted for participation and were randomly assigned to the intervention condition
(n=103) or waiting-list control condition (n=109). The intervention consisted of six
online MET sessions. Before and after the intervention or waiting period, respectively,
participants completed the Eating Disorder Examination-Questionnaire, the Stages of
Change-Questionnaire for Eating Disorders, the Pros and Cons of Eating Disorders
Scale, the Self-Efficacy Scale, and the Rosenberg Self-Esteem Scale. A total of n=125
participants completed the assessment at post-treatment. Completer analyses and intentto-treat analyses were performed. Results: Significant Group by Time interactions were
found, indicating a stronger increase in motivational aspects and self-esteem as well as a
stronger symptom reduction on some measures from pre- to post-treatment in the
intervention group compared to the control group. Conclusions: Internet-based
approaches can be considered as useful for enhancing motivation to change in eating
disorders and for yielding initial symptomatic improvement.
Keywords: Anorexia nervosa, bulimia nervosa, internet intervention, motivation to
change, motivational interviewing.
29
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
9.
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und
Schlusswort
Ausgangspunkt für die vorliegende Untersuchung war die Frage nach der Effektivität
eines Online-Programms zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Frauen mit
Symptomen einer Essstörung. Dafür wurden zunächst zwei Vorarbeiten durchgeführt,
zum einen zur Bedeutung von Lebenszielen für Patientinnen mit AN sowie BN, zum
anderen eine systematische Überblicksarbeit zu Messinstrumenten für die Erfassung der
Änderungsmotivation bei Essstörungen. Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten
Ergebnisse der in die Dissertationsschrift eingegangenen Arbeiten zusammengefasst
werden. Dem schließt sich eine integrierende Diskussion derselben an, in welcher
Implikationen sowie offene Fragestellungen für zukünftige Forschungsarbeiten
abgeleitet werden.
9.1.
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
In Studie 1 wurde explorativ die Rolle individueller Lebensziele für Frauen mit AN
(n=27) und BN (n=20) untersucht. Es zeigte sich, dass Betroffene mit Essstörungen
bezüglich der Inhalte im Wesentlichen die gleichen expliziten Ziele verfolgen wie
gesunde Kontrollpersonen (n=56). Bezüglich der gegenseitigen Förderlichkeit bzw.
Konflikthaftigkeit der Ziele ließ sich für keine der Gruppen eine konflikthafte
Zielstruktur finden. Sowohl die Patientinnen als auch die gesunden Frauen gaben an,
ihre Ziele als gegenseitig förderlich zu erleben. Patientinnen mit AN und BN
berichteten dabei, ihre Ziele untereinander sogar als förderlicher zu erleben als dies bei
der gesunden Kontrollgruppe der Fall war. Was die Realisierung individueller Ziele
betrifft, zeigte sich, dass es Patientinnen mit AN und BN weniger gut als gesunden
Kontrollprobandinnen gelingt, ihre expliziten Ziele zu realisieren. Sowohl in den
Annnährungs- als auch Vermeidungszielen wiesen sie Defizite bei der Umsetzung, d. h.
größere Inkongruenz, auf.
Die zweite Arbeit verfolgte das Ziel, einen Überblick über aktuelle
Messinstrumente zur Erfassung der Änderungsmotivation bei AN sowie BN zu geben
und diese kritisch zu beleuchten. Insgesamt wurden 15 Studien zu neun
unterschiedlichen Messinstrumenten in die Überblicksarbeit einbezogen, wobei sechs
der Instrumente die Stufen der Veränderung nach dem TTM erfassen und drei die
30
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
ebenfalls im TTM beschriebene „Decisional Balance“. Außerdem lassen sich die
Formate Fragebogen und Interview voneinander abgrenzen. Die psychometrischen
Eigenschaften der gefundenen Messinstrumente sind befriedigend bis gut. Die
Fragebögen „Readiness and Motivation Questionnaire“ (RMQ; Geller et al., 2013),
„Anorexia Nervosa Stages of Change Questionnaire“ (ANSOCQ; Rieger et al., 2000,
2002), „Bulimia Nervosa Stages of Change Questionnaire“ (BNSOCQ; Martínez et al.,
2007), „Eating Disorders Stage of Change Questionnaire“ (EDSOCQ; Ackard, Croll,
Richter, Adlis & Wonderlich, 2009; deutsche Version: von Brachel et al., 2012) und
„Motivational Stages of Change for Adolescents Recovering from an Eating Disorder“
(MSCARED; Gusella, Butler, Nichols & Bird, 2003b) sowie das Interview „Readiness
and Motivation Interview“ (RMI; Geller & Drab, 1999; Geller et al., 2001a) erfassen die
Stufen oder Stadien der Veränderung. Die „Decisional Balance“ wird dagegen
ausschließlich mit Fragebögen quantifiziert, nämlich der „Decisional Balance Scale for
Anorexia Nervosa“ (DB; Cockell, Geller & Linden, 2002, 2003), der „Pros and Cons of
Anorexia Nervosa“ (P-CAN; Serpell, Neidermann, Haworth, Emmanueli & Lask, 2003;
Serpell, Teasdale, Troop & Treasure, 2004) und der „Pros and Cons of Eating Disorders
Scale“ (P-CED; Gale, Holliday, Troop, Serpell & Treasure, 2006; deutsche Version:
von Brachel et al., submitted). Bei den Instrumenten zur Erfassung der Stufen der
Veränderung lassen sich zusätzlich solche unterscheiden, welche eine globale Erfassung
der Motivation vornehmen, und solche, welche für die verschiedenen Symptombereiche
unterschiedliche motivationale Stadien messen. Während RMI, RMQ, ANSOCQ,
BNSOCQ und EDSOCQ eine symptomspezifische Messung vornehmen, erfasst der
MSCARED die Änderungsmotivation global und ordnet ein Indiviuum als Ganzes nur
einer motivationalen Stufe zu.
Bezüglich des primären Ziels der vorliegenden Dissertation sollte die
Effektivität eines Online-Programms zur Steigerung der Änderungsmotivation bei
Frauen mit Symptomen einer Essstörung untersucht werden. Hierzu wurden Prä-PostVeränderungen in einem randomisiert-kontrollierten Versuchsdesign mit WarteKontrollgruppe evaluiert. Die primäre Hypothese, dass die Intervention „ESS-KIMO“
zu einem größeren Anstieg der Veränderungsmotivation in der Interventions- (n=49) im
Vergleich zur Warte-Kontrollgruppe (n=76) führt, ließ sich bestätigen. So konnte auf
dem Stages of Change Questionnaire for Eating Disorders (SOCQ-ED; von Brachel et
31
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
al., 2012) ein signifikant größerer Anstieg in der Motivation, die Angst vor dem
Dickwerden (SOCQ-ED 2) sowie die Beschäftigung mit Essen und Gewicht zu
verringern (SOCQ-ED 4), an Problemzonen des Körpers zuzunehmen (SOCQ-ED 6)
und das Diät halten aufzugeben (SOCQ-ED 10), für die Interventions- verglichen mit
der Kontrollbedingung verzeichnet werden. Gleichzeitig zeigte sich auf dem P-CED
(von Brachel et al., submitted) von der Prä- zur Post-Messung ein signifikant stärkerer
Anstieg in der Zustimmung mit den Contra-Argumenten bei Probandinnen, die am
„ESS-KIMO“-Programm teilnahmen, im Vergleich zu denen, die sich auf der Warteliste
befanden. Auch die Sekundär-Hypothese, dass „ESS-KIMO“ im Vergleich zur WarteKontrollgruppe zu einer größeren Symptomreduktion sowie einer Erhöhung des
Selbstwertgefühls und der Selbstwirksamkeit führt, konnte überwiegend bestätigt
werden. So zeigten Probandinnen der Interventionsgruppe nach dem Durchlaufen des
Programms bezüglich der Symptomschwere signifikant geringere Werte auf der
Subskala „Restraint“ des Eating Disorder Examination-Questionnaire (EDE-Q;
Fairburn, 2008; Fairburn & Beglin, 1994; Hilbert & Tuschen-Caffier, 2006) und
signifikant höhere Werte für das Selbstwertgefühl gemessen mit der Rosenberg SelfEsteem Scale (RSES; Rosenberg, 1965; von Collani & Herzberg, 2003). Keine
Gruppenunterschiede ergaben sich dagegen – entgegengesetzt der Hypothese – für die
Selbstwirksamkeit auf der Self-Efficacy Scale (SES; Schwarzer & Jerusalem, 1999). In
den zusätzlich durchgeführten „Intent-to-Treat“-Analysen blieben erwartungsgemäßig
nicht alle dieser Ergebnisse bestehen. Jedoch konnte auch hier der signifikante Anstieg
in der Motivation, eine Gewichtszunahme an Problemzonen des Körpers zu tolerieren
(SOCQ-ED 6), sowie die signifikant größere Erhöhung des Selbstwertgefühls in der
Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe nachgewiesen werden. Zusätzlich
ergab sich für fast alle untersuchten Variablen ein signifikanter Haupteffekt der Zeit.
Bezüglich der Dropout-Rate wurde ein prozentualer Anteil von 41% (n=87)
verzeichnet, wobei mit 54 Probandinnen der Interventionsgruppe (52%) und 33 der
Warte-Kontrollgruppe (30%) signifikant mehr Versuchspersonen der Interventionsgruppe vorzeitig das Programm abbrachen.
32
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
9.2.
Diskussion der Ergebnisse und Ausblick
Bezüglich der ersten Studie erscheint das Ergebnis, dass sich Frauen mit Essstörungen
nicht in der Art der von ihnen verfolgten Ziele von gesunden Frauen unterscheiden, in
gewisser Hinsicht überraschend. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Essstörungen
die Umsetzung bestimmter Ziele wie beispielsweise eine Familiengründung aufgrund
der eingeschränkten Fertilitiät erschweren können und teilweise sogar einen tödlichen
Verlauf nehmen (Nielsen, 2001; Abschnitt 3.1), wäre ein anderes Ergebnis zu erwarten
gewesen. Möglicherweise sind den Betroffenen diese Zusammenhänge bzw.
Konsequenzen nicht bewusst oder eine Beschäftigung mit ihnen wird absichtlich
vermieden, um ein Inkongruenz-Erleben zu verhindern. In diesem Fall könnten an das
MI (Miller & Rollnick, 2002) und seine Abwandlungen angelehnte Techniken hilfreich
sein, um ein Problembewusstsein für das dysfunktionale Verhalten zu fördern, auf ZielDiskrepanzen hinzuweisen und hierdurch die Motivation für eine Veränderung der
Essstörungssymptomatik zu stärken.
Die möglicherweise eingeschränkte Wahrnehmung dieser Diskrepanzen könnte
auch das Ergebnis bezüglich der zweiten Fragestellung zur gegenseitigen Förderlichkeit
bzw. Behinderung expliziter Ziele erklären, da Frauen mit Essstörungen ihre
Lebensziele als förderlicher füreinander wahrnehmen als gesunde Probandinnen. Dieses
Ergebnis widerspricht anderen Untersuchungen, in denen eine hohe Förderlichkeit der
Ziele untereinander mit hoher psychischer Gesundheit assoziiert war (Hoyer, 1992). In
die Studie von Hoyer (1992) wurden allerdings keine Probanden mit Essstörungen,
sondern Alkoholiker verschiedener Abstinenzstadien und psychosomatisch Erkrankte
sowie Unfallpatienten einbezogen, was den Unterschied erklären könnte. Das in der
vorliegenden Arbeit gefundene Ergebnis mag auch mit dem häufig von den Patientinnen
genannten Ziel „Überwindung der Essstörung“ einhergehen, welches sich vermutlich
förderlich auf alle anderen geäußerten Ziele auswirkt. Als Einschränkung im
Zusammenhang mit diesem Befund sei jedoch auch angemerkt, dass die vorliegende
Studie nur die Rolle expliziter Ziele untersucht, wobei auch implizite Ziele und deren
Konflikte eine wichtige Rolle für motivationale Prozesse spielen (Michalak,
Heidenreich & Hoyer, 2011). Das hier gefundene Ergebnis zur berichteten
Förderlichkeit expliziter Ziele könnte demnach durch nicht erfasste, implizite Ziele
beeinflusst sein. Somit liegt eine wichtige offene Forschungsfrage darin, welche Rolle
33
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
implizite Ziele bei Frauen mit Essstörungen im Kontrast zu den hier untersuchten
expliziten Zielen spielen. Derartige Ergebnisse könnten möglicherweise hier gefundene,
zunächst widersprüchlich erscheinende Befunde erklären.
Der Befund, dass Frauen mit Essstörungen ihre expliziten Ziele weniger gut
realisieren können als Gesunde, steht im Einklang mit bisherigen Forschungsergebnissen (Grosse Holtforth, Reubi, Ruckstuhl, Berking & Grawe, 2004) sowie der
Konsistenztheorie nach Grawe (1998, 2004). So weisen Patientengruppen generell
höhere Inkongruenz-Werte auf als gesunde Kontrollpersonen. Auch wird der
unzureichenden Realisierung von Zielen in der Konsistenztheorie eine wichtige
Bedeutung bei der Entwicklung psychischer Störungen zugeschrieben (Grawe, 1998).
Gleichzeitig erscheint dieses Ergebnis jedoch widersprüchlich dazu, dass Patientinnen
mit Essstörungen ihre Ziele als sehr förderlich füreinander beschreiben. Dieser
Widerspruch bestätigt möglicherweise wiederum den Verdacht des Einflusses impliziter
Ziele, der in zukünftigen Forschungsarbeiten zusätzlich kontrolliert werden sollte, um
weiterführende Aussagen zu treffen.
Die zweite Untersuchung betreffend lassen sich u. a. Schlussfolgerungen ziehen, welche
Instrumente für welche wissenschaftlichen oder praktischen Zwecke besonders geeignet
sind. In der Literatur scheint mittlerweile ein weitgehender Konsens darüber zu
bestehen, dass eine spezifische Erfassung unterschiedlicher Symptombereiche einer
psychischen Erkrankung – nicht nur im Bereich der Essstörungen – einer globalen
Erfassung gegenüber als generell überlegen angesehen wird (z. B. Dunn, Neighbors &
Larimer, 2003). Da sich bespielsweise für die Aufgabe der Essanfälle eine hohe, für die
Beendigung des restriktiven Essverhaltens dagegen eine niedrige Motivation finden ließ
(Geller et al., 2008; Perkins et al., 2007), vermag eine globale Erfassung der
Änderungsmotivation bezogen auf die Essstörung als Ganzes den Sachverhalt nicht
adäquat abzubilden. So konnte dementsprechend gezeigt werden, dass eine
symptomspezifische Messung der Änderungsmotivation bei Frauen mit Symptomen
einer Bulimie mehr Varianz aufgeklärt als eine globale Erfassung (Dunn et al., 2003). In
zukünftigen Studien sollte deshalb der Einsatz symptomspezifischer Messinstrumente
bevorzugt werden. Auf globale sowie essstörungsunspezifische Fragebögen wie die
34
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
URICA sollte in Zukunft nach Möglichkeit zur Erfassung der Änderungsmotivation im
Essstörungsbereich verzichtet werden.
Obwohl symptomspezifische Instrumente der globalen Erfassung gegenüber
überlegen sind und dementsprechend neuere Messinstrumente auch zunehmend
symptomspezifisch konzipiert sind, lässt sich häufig eine unzulängliche Umsetzung
dieses Grundgedankens bei den Testauswertungen finden. Obwohl der ANSOCQ und
BNSOCQ unterschiedliche Dimensionen der AN bzw. BN erfassen, werden die
unterschiedlichen Symptomdomänen nicht separat voneinander betrachtet. Stattdessen
wird – konträr zur theoretischen Konzeption – ein Summenwert über alle
Symptombereiche hinweg gebildet, so dass der Gesamtwert im Ergebnis dem, mit
einem globalen Messinstrument erhobenen, Wert entspricht. Eine Auswertung auf
Einzelitem-Ebene würde dagegen eher der theoretischen Fundierung entsprechen, wie
es eher im EDSOCQ (Ackard et al., 2009) oder der zugehörigen deutschsprachigen
Version (von Brachel et al., 2012) vorgeschlagen wird. Zwei diesbezüglich als
besonders positiv hervorzuhebende Messinstrumente sind das RMI und der RMQ aus
der Arbeitsgruppe von Geller et al. (2001a; 2013), da sich hier durch die Erfassung
jedes Symptombereichs anhand mehrerer Items Subskalen bilden lassen, was wiederum
u. a. die Bestimmung der internen Konsistenz erlaubt.
Zur Abwägung von Fragebögen versus Interviews ist zu sagen, dass Fragebögen
eine sehr ökonomische und reliable Art der Messung ermöglichen, die einfach ohne viel
Übung oder zeitlichen Aufwand einzusetzen ist. Außerdem stellt diese Form der
Selbsteinschätzung für bestimmte Studien die einzige durchführbare Option zur
Erhebung von Daten dar, wie beispielsweise für die online und anonym durchgeführte,
primäre Untersuchung dieser Dissertation. Trotzdem bieten Interview-Verfahren wie
das RMI gewisse Vorzüge gegenüber der Anwendung von Fragebögen, insbesondere
bezüglich der Validität bei Patientinnen mit AN und BN, da sich die für Essstörungen
typische Ambivalenz dort am stärksten abbilden lässt (von Wietersheim & Hoffmann,
2011). Der Einsatz von Fragebögen ist darüber hinaus aufgrund einer möglicherweise
zu starken Standardisierung der komplexen Problematik der Änderungsmotivation im
Essstörungsbereich kritisiert worden (Sullivan & Terris, 2001). Um möglichen
Missverständnissen bei der Beantwortung eines Fragebogens vorzubeugen und
gleichzeitig ein klinisches Urteil im direkten Kontakt mit dem Patienten zu bilden,
35
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
stellen Interviewverfahren die Methode der Wahl dar, die sich jedoch nicht in allen
Kontexten, wie z. B. „ESS-KIMO“, realisieren lässt.
Bezüglich der hier aufgeführten Messinstrumente zur Erfassung der Stufen der
Veränderung sowie der „Decisional Balance“ sei letztlich angemerkt, dass sie allesamt
auf dem TTM basieren und dieses Modell auch kritisiert wurde (z. B. Wilson & Schlam,
2004; siehe Abschnitt 4.1). Sollte sich das TTM in zukünftigen Forschungsarbeiten trotz
bisheriger empirischer Untermauerung (z. B. Norcross et al., 2011) als ungültig
erweisen und verworfen werden, wären auch die auf ihm basierenden Messinstrumente
unbrauchbar. Momentan ist es jedoch in der klinisch-psychologischen Forschung das
einzige
Modell,
welches
als
theoretischer
Rahmen
zur
Erfassung
der
Änderungsmotivation fungiert. Es lassen sich in der aktuellen Literatur keine
vergleichbaren Alternativen zum TTM finden. Daher wäre es wünschenswert, TTMunabhängige Verfahren zur Erfassung der Änderungmotivation zu entwickeln. Der
momentanen Alleinstellung des TTM mit seinem kategorialen Ansatz sollte zur
Weiterentwicklung
der
klinisch-psychologischen
Forschung
im
Bereich
der
Änderungsmotivation möglicherweise ein dimensionaler Ansatz gegenübergestellt
werden. Konsequenter Weise könnten dann auf diesem basierend neue Messinstrumente
entwickelt werden, mittels derer keine Eingruppierung in unterschiedliche Stufen bzw.
Kategorien vorgenommen wird, sondern Individuen auf einem Kontinuum hinsichtlich
der Ausprägung ihrer Änderungsmotivation eingeordnet werden.
Die primäre Fragestellung dieser Dissertation betreffend ist zu sagen, dass sich beide
Hypothesen weitestgehend bestätigen ließen. Ein über das Internet angebotenes
Programm zur Steigerung der Änderungsmotivation stellt somit einen geeigneten
Ansatz dar, um eine Motivationssteigerung bei Frauen mit Symptomen einer Essstörung
zu
erzielen.
Besonders
hinsichtlich
der
großen
Bedeutung
einer
hohen
Änderungsmotivation für diverse Therapie-Outcome-Maße (z. B. Bewell & Carter,
2008; siehe Abschnitt 4) und hinsichtlich der kaum vorhandenen Inanpruchnahme einer
Behandlung (Keski-Rahkonen et al., 2007; 2009; siehe Abschnitt 3.2) stellt dieser
Befund ein vielversprechendes Ergebnis dar, um von Essstörungen Betroffene auf
einem niederschwelligen Level und bei geringem Zeit- sowie Kostenaufwand zu
erreichen.
36
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
Eine größere Zustimmung zu den Contra-Argrumenten, welche gegen die
Essstörung sprechen, war ein weiteres Resultat der Intervention, was sich in der
Vergangenheit als mit einem Voranschreiten von der „Precontemplation“- in die
„Contemplation“-Phase im Zusammenhang stehend erwiesen hat (Rieger et al., 2002).
Daraus lässt sich schlussfolgern, dass „ESS-KIMO“ insbesondere für den „Einstieg“ in
eine Behandlung bzw. Veränderung der Symptomatik effektiv ist, da sich Betroffene zu
diesem Zeitpunkt zumeist in den früheren Phasen der Veränderung nach dem TTM
befinden. Dass in der vorgelegten Studie bezüglich der Pros der Essstörung keine
Veränderung gefunden wurde, entspricht bisherigen Forschungsergebnissen, in welchen
sich die positiven Konsequenzen der Essstörung von der Phase der „Precontemplation“
zur Phase der „Contemplation“ nicht veränderten (Cockell et al., 2003). Jedoch scheint
eine Verringerung in den wahrgenommenen positiven Aspekten der Essstörung mit dem
Voranscheiten in die „Action“-Phase in Verbindung zu stehen (Rieger et al., 2002), was
nach dem erfolgreichen Herstellen der „Contemplation“- und „Preparation“-Phase den
nächsten Schritt darstellt. Demnach liegt eine weitere Herausforderung nach den
Ergebnissen dieser Studie in der Entwicklung von Interventionen, welche die positiven
oder als förderlich erlebten Aspekte einer Essstörung zu reduzieren vermögen. Solche
Ansätze für AN und BN zusammenzutragen bzw. zu evaluieren erscheint ausbaufähig.
Das Ergebnis, dass bezüglich der Selbstwirksamkeit kein Unterschied zwischen
den Gruppen gefunden wurde, könnte in der Wahl des Messinstruments begründet sein.
Da die eingesetzte SES Selbstwirksamkeit auf eine globale Art erfasst, könnte sich hier
dasselbe methodische Problem ergeben haben, wie es bereits oben für die Erfassung der
Änderungsmotivation diskutiert wurde (Ochsner, Scholz & Hornung, 2013). So ist es
möglich, dass sich spezifische Änderungen in unterschiedlichen Bereichen der
Selbstwirksamkeit durch die globale Erfassung nicht in der SES abgezeichnet haben.
Die Notwendigkeit der Optimierung der Erfassung von Selbstwirksamkeit sei daher in
diesem Zusammenhang angemerkt. Der in dieser Studie verfolgte Ansatz einer globalen
Erfassung von Selbstwirksamkeit mag Veränderungen in spezifischen Bereichen
„übersehen“. Der zukünftige Einsatz einer modifizierten Skala, in welcher die
Selbstwirksamkeit für unterschiedliche Lebensbereiche separat erfasst wird, wäre daher
ratsam.
37
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
Dass sich außerdem für fast alle Outcome-Maße ein signifikanter Haupteffekt
des Faktors Zeit zeigte, deutet darauf hin, dass sich sowohl die Experimental- als auch
die Kontrollgruppe signifikant vom Prä- zum Post-Messzeitpunkt verbessert hat.
Effekte dieser Art ergaben sich ebenfalls in anderen Studien zu motivationssteigernden
Interventionen bei Essstörungen im „face-to-face“-Setting (siehe Abschnitt 5.1), was
beispielsweise von Geller et al. (2011) auf die Eingangsdiagnostik zur Erfassung der
Änderungsmotivation zurückgeführt wurde. So könnte bereits die Diagnostik einen
förderlichen Einfluss auf die Änderungsmotivation haben, da sie möglicherweise einen
ähnlichen Effekt wie bestimmte, motivationssteigernde Intervention bewirkt. Das
Ausfüllen des P-CED beispielsweise weist gewisse Ähnlichkeiten zu der zweiten „ESSKIMO“-Sitzung auf, in welcher die Pros und Contras der Essstörung gegeneinander
abgewogen werden und ein Brief an die Essstörung als „Freundin“ bzw. „Feindin“
formuliert wird. Eine weitere mögliche Ursache für die signifikanten Haupteffekte des
Faktors Zeit könnte in Erwartungseffekten der Kontrollgruppe liegen, da bereits die
Erwartung von anstehender Hilfe Symptome zu lindern vermag (Colloca & Miller,
2011). Demnach könnte bereits das Wissen um das bald beginnende Online-Programm
und die damit verbundene, nahende Hilfe zu einer Verbesserung der Post-OutcomeMaße bei den Kontrollprobandinnen geführt haben.
In den aufgrund der hohen Dropout-Rate durchgeführten „Intent-to-Treat“Analysen verfehlten einige der in den Completer-Analysen signifikanten Ergebnisse das
Signifikanzniveau. Dies war zu erwarten, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die
„Last-Value-Carried-Forward“-Methode eingesetzt wurde. Da die letzten erfassten
Werte im Fall von Dropouts die zum Prä-Zeitpunkt erhobenen Daten waren und diese
für 41% der Probandinnen eingesetzt werden mussten, ist davon auszugehen, dass die
„Intent-to-Treat“-Ergebnisse deutlich niedrigere Effekte aufweisen als sie möglicherweise tatsächlich vorhanden sind. Beispielsweise ist nicht auszuschließen, dass die
Teilnehmerinnen mehr profitiert haben als sich dies in den Auswertungen abzeichnet
und sie möglicherweise nur soviel des Angebots in Anspruch genommen haben, wie sie
subjektiv für ausreichend ansahen. In dem Zusammenhang sei auch angemerkt, dass
hohe Dropout-Raten in der Behandlung von Essstörungen allgemein bekannt sind
(Bandini et al., 2006; DeJong et al., 2012) und zusätzlich für Internetbehandlungen
38
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
Dropout-Raten zwischen 1% und 81% verzeichnet wurden (Christensen, Griffiths &
Farrer, 2009; Eysenbach, 2005; Melville, Casey & Kavanagh, 2010).
Dennoch veranschaulicht dies, dass die hohe Dropout-Rate zu einer deutlichen
Einschränkung der vorliegenden Studie führt. Eine wichtige Forschungsfrage, welche
sich demnach aus der vorliegenden Arbeit ableiten lässt, besteht in der Analyse und
Reduktion des Dropouts bei Interventionen in der Art von „ESS-KIMO“. Die
Ermittlung von Prädiktoren für Completer und Non-Completer würde eine Anpassung
des Angebots an für Dropout gefährdetere Personen ermöglichen und könnte somit
Programmabbrüchen entgegen wirken. Eine bereits durchgeführte Analyse dieser zwei
Gruppen aus „ESS-KIMO“ bietet bereits erste Ergebnisse diesbezüglich (von Brachel et
al., in revision). So wurden mögliche Effekte von Symptomschwere, depressiver
Stimmung, Veränderungsmotivation und dem Alter der Teilnehmerinnen auf den
Dropout analysiert. Den Ergebnissen zufolge ist die Wahrscheinlichkeit eines Dropouts
signifikant erhöht, wenn höhere Werte auf der EDE-Q-Subskala „Shape Concerns“, eine
höhere Frequenz von Essanfällen sowie Erbrechen und höhere Depressions-Werte
vorliegen. Der Befund, dass eine ausgeprägtere Essstörungssymptomatik prädiktiv ist
für
die
Dropout-Wahrscheinlichkeit,
entspricht
dabei
sowohl
bisherigen
Untersuchungsergebnissen aus dem „face-to-face“-Setting (Kahn & Pike, 2001; Zeeck,
Hartmann, Buchholz & Herzog, 2005) als auch dem Online-Kontext (ter Huurne et al.,
2013). Für den prädiktiven Wert von depressiver Stimmung auf den Dropout lassen sich
im „face-to-face“-Setting ebenfalls ähnliche Ergebnisse finden (Mussell & Mitchell,
2000; Steel et al., 2000), während die Befunde für den Online-Bereich gemischter
scheinen (Paxton, McLean, Gollings, Faulkner & Wertheim, 2007; Robinson & Serfaty,
2008; ter Huurne et al., 2013). Kein Effekt hingegen zeigte sich in der Dropout-Analyse
des „ESS-KIMO“-Programms für die zur Prä-Messung erhobene Änderungsmotivation,
obwohl sich diese im „face-to-face“-Setting überwiegend als ein stabiler Prädiktor
erwiesen hat (Geller et al., 2001a; Geller, Drab-Hudson, Whisenhunt & Srikameswaran,
2004; Gowers & Smyth, 2004). Der ebenfalls nicht gefunde Effekt des Alters auf den
Dropout dagegen steht wiederum im Einklang mit anderen Untersuchungen, in welchen
sich das Alter ebenfalls als kein relevanter Prädiktor herausstellte (Robinson & Serfaty,
2008; ter Huurne et al., 2013). Diesen Ergebnissen entsprechend erscheint es für
Entwicklung zukünftiger Online-Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei
39
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
Esssstörungen ratsam, zusätzliche Unterstützung beispielsweise in Form von separaten
Programm-Elementen für Teilnehmerinnen mit affektiven Schwierigkeiten sowie
besonders stark ausgeprägter Essstörungssymptomatik anzubieten. Auf diese Weise
kann die Dropout-Rate vielleicht reduziert und mehr Teilnehmerinnen ein erfolgreiches
Abschließen solcher Online-Interventionen ermöglicht werden.
Eine weitere Einschränkung der vorliegenden Studie liegt vermutlich darin, dass
die gesamte Datenerhebung auf Basis von Selbsteinschätzungen durch das Ausfüllen
von Fragebögen erfolgte. Da „ESS-KIMO“ explizit ein niederschwelliges Angebot sein
sollte, fand zu keiner Zeit ein persönlicher Kontakt mit den Teilnehmerinnen statt,
obwohl z. B. telefonischer Kontakt im Rahmen solcher Programme die Wahrscheinlichkeit eines Dropouts nachweislich reduziert (Wojtowicz, Day & McGrath, 2013). Aus
diesem Grund konnte auch keine Diagnose mittels eines strukturierten klinischen
Interviews, dem „Gold-Standard“, gestellt werden, obwohl sich eine Diagnosestellung
in bisherigen Studien als mit besseren Ergebnissen bei Online-Therapien in Verbindung
stehend erwiesen hat (Andersson, Carlbring, Berger, Almlöw & Cuijpers, 2009).
Aufgrund der mangelnden Diagnose ist keine klare Unterscheidung zwischen Frauen
mit AN, BN und EDNOS möglich, was einerseits im Einklang mit der
„transdiagnostischen Perspektive“ (Fairburn et al., 2003; siehe Abschnitt 3.1) steht.
Andererseits würde eine Diagnosestellung jedoch auch zu einer präziseren
Stichprobenbeschreibung
führen,
was
die
Analyse
von
störungsspezifischen
Unterschieden hinsichtlich der Effekte solcher Programme wie „ESS-KIMO“
ermöglichen würde. Gleichzeitig wäre es auf dieser Basis möglich, Sitzungsinhalte nach
den unterschiedlichen Bedürfnissen einer AN oder BN auszurichten. So könnten
Patientinnen mit AN ein stärkeres Maß an Unterstützung benötigt haben, weil sie
generell weniger motiviert zu einer Aufgabe der Symptomatik sind als solche mit BN
(Blake et al., 1997). Ebenfalls scheinen für AN und BN unterschiedliche Themen
relevant zu sein, wofür die in der Forschung gefundenen, qualitativen Unterschiede in
den wahrgenommenen Nutzen und Lasten der unterschiedlichen Essstörungen sprechen.
So bewerten von BN Betroffene z. B. als positiv, dass die Essstörung ihnen die
Möglichkeit zum Essen ohne zuzunehmen bietet und das Ausfüllen von Langeweile
ermöglicht (Serpell & Treasure, 2002), während bei der AN eher das sich beschützt
fühlen, Kontrolle zu haben und durch die Essstörung etwas Besonderes zu sein
40
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
hervorgehoben werden (Serpell et al., 1999). Ein Minimum an persönlichem Kontakt
durch beispielsweise ein kurzes Telefonat vor der ersten Online-Sitzung, in welchem ein
für solche Zwecke angepasstes, diagnostisches Kurzinterview wie das Mini-DIPS
(Margraf, 1994) durchgeführt wird, könnte eine valide Diagnosestellung ermöglichen.
Weitere offene Fragestellungen für zukünftige Forschungsarbeiten könnten – im
Gegensatz zu der Evaluation eines gesamten Programms – u. a. in der Evaluation
einzelner Sitzungen bzw. Interventionen liegen. Auch wenn im „face-to-face“-Setting
bereits einzelne Sitzungen zur Steigerung der Änderungsmotivation eingesetzt wurden
(Gowers & Smyth, 2004), ist eine separate Evaluation solcher Interventionen schwierig,
da die Sitzung beispielsweise nicht randomisiert-kontrolliert untersucht wurde, eine
weitere Behandlung (z. B. kognitive Verhaltenstherapie) direkt im Anschluss in
Anspruch genommen wurde oder die Inhalte dessen, woraus die „motivationssteigernde
Intervention“ besteht, sehr unkonkret formuliert sind. Auch wenn das MI eher eine
therapeutische Haltung als ein manualisiertes Verfahren darstellt, werden in ihm
dennoch konkrete Interventionen vorgeschlagen (Miller & Rollnick, 2002), welche sich
voneinander abgrenzen und evaluieren lassen würden. So wäre z. B. zur Optimierung
solcher motivationssteigernder Ansätze von großem Nutzen, den alleinigen Einfluss der
Thematisierung und Arbeit mit Lebenszielen von Patientinnen mit Essstörungen zu
evaluieren.
In diesem Zusammenhang wäre bezüglich solcher Programme wie „ESSKIMO“, die aus mehreren Sitzungen bestehen, ebenfalls interessant zu überprüfen, wie
sich die Motivation im Verlauf über die verschiedenen Interventionssitzungen hinweg
verändert. In bisherigen Studien wurde nur die Änderungsmotivation vor und nach der
Intervention betrachtet (z. B. Dean et al., 2008; Geller et al., 2011), jedoch könnten sich
möglicherweise nach bestimmten Sitzungen Anstiege bzw. Abfälle in der Motivation
ergeben, welche durch die einfache Prä-Post-Messung außer Acht gelassen werden. Es
könnte auch sein, dass verschiedene Gruppen von Verläufen existieren. Eine parallel zur
vorliegenden
Dissertationsschrift
begonnene
Untersuchung
soll
diesbezüglich
Aufschluss geben (Hirschfeld, Kulewski, von Brachel, Hötzel & Vocks, in prep.).
Zusammenfassend und die drei Studien integrierend lässt sich sagen, dass die Arbeit mit
persönlichen Lebenszielen zur Steigerung der Änderungsmotivation und das
41
Zusammenfassung, Diskussion, Ausblick und Schlusswort
diesbezüglich im MI vorgeschlagene Aufzeigen von Diskrepanzen für Frauen mit
Essstörungen von großer Bedeutung ist. Bezüglich der Zielinhalte muss dabei jedoch
nicht zwischen Frauen mit Essstörungen und anderen Personengruppen differenziert
werden,
so
dass
beim
Einsatz
von
Interventionen
zur
Steigerung
der
Änderungsmotivation keine womöglich essstörungsspezifischen Lebensziele beachtet
werden müssen. Aus diesem Grund konnten in „ESS-KIMO“ u. a. an das MI
angelehnte, Lebensziele aufgreifende Techniken ohne besondere Anpassung der
Zielinhalte eingesetzt werden. Da sich in der Überblicksarbeit zur Erfassung der
Änderungsmotivation bei Essstörungen eine symptomspezifische Messung der globalen
gegenüber überlegen zeigte, wurde zur Erhebung der primären Outcome-Variablen für
„ESS-KIMO“ auf ein symptomspezifisches Maß zurückgegriffen. Da der RMQ (Geller
et al., 2013), welcher die Bildung von Subskalen ermöglicht, zu dieser Zeit noch nicht
veröffentlicht war und ein Interviewverfahren aufgrund der niederschwelligen
Konzeption von „ESS-KIMO“ keine Alternative zum Einsatz von Fragebögen
darstellte, wurde der SOCQ-ED (von Brachel et al., 2012) eingesetzt und auf
Einzelitem-Ebene ausgewertet. Die Evaluation des Programms lässt schlussfolgern,
dass sich über das Internet angebotene Ansätze zur Steigerung der Änderungsmotivation bei Essstörungen förderlich auf die Änderungsmotivation auswirken und
auch bezüglich weiterer Symptome erste Abhilfe leisten können. Eine Herausforderung
für die Entwicklung ähnlicher Angebote wie „ESS-KIMO“ stellt in der Zukunft
insbesondere die Reduktion des Dropouts dar.
9.3.
Schlusswort
In dieser teilweise von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; VO1750/1-1)
geförderten Promotionsarbeit wurden unterschiedliche Aspekte untersucht, welche mit
der Änderungsmotivation bei AN und BN im Zusammenhang stehen. Die Ergebnisse
der vorliegenden Arbeit liefern einen wichtigen Beitrag zur Forschung im Bereich der
Änderungsmotivation bezüglich Essstörungen.
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63
Anhang
11. Anhang
11.1. Persönliche Daten
Name:
Anschrift:
Telefon:
E-Mail:
Geburtsdatum:
Geburtsort:
Katrin Hötzel
Grünewaldstraße 8
D-44795 Bochum
Festnetz: 0234-4388496
Mobil: 0162-4005362
katrin.hoetzel@rub.de
19. Oktober 1980
Bochum
11.2. Vita
Oktober 2000 – Februar 2006
Studium der Psychologie an der Ruhr-Universität
Bochum
April 2006 – März 2009
Weiterbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin
an der Ruhr-Universität Bochum
April 2006 – März 2007
Psychologin in Ausbildung zur Psychologischen
Psychotherapeutin in der LWL-Klinik Dortmund
April 2007 – März 2009
Ambulante psychotherapeutische Tätigkeit im Rahmen
der Ausbildung zur Psychologischen Psychotherapeutin
im Zentrum für Psychotherapie der Ruhr-Universität
Bochum
Juli 2009
Erteilung der Approbation als Psychologische
Psychotherapeutin
seit April 2009
Ambulante psychotherapeutische Tätigkeit im
Forschungs- und Behandlungszentrum (FBZ) der RuhrUniversität Bochum
Tätigkeiten als wissenschaftliche Mitarbeiterin am
Lehrstuhl für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie
seit Juni 2009
64
Anhang
(Prof. Dr. Silvia Schneider) und am Lehrstuhl für
Klinische Psychologie und Psychotherapie (Prof. Dr.
Jürgen Margraf) der Ruhr-Universität Bochum
Oktober 2011 – Februar 2013
Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Rahmen eines
DFG-Projekts (Titel: „Steigerung der
Änderungsmotivation bei Frauen mit Merkmalen einer
Essstörung mittels eines internetbasierten Programms“)
unter der Leitung von Prof. Dr. Silja Vocks am
Lehrstuhl für Klinische Psychologie und
Psychotherapie der Universität Osnabrück
seit Januar 2011
Tätigkeiten als Dozentin in der Weiterbildung zum
Psychologischen Psychotherapeuten (Studiengang
Psychotherapie Bochum; Zentrum Ausbildung
Psychotherapie – ZAP Bad Salzuflen;
Weiterbildungsstudiengang Psychotherapie der
Universität Osnabrück)
seit September 2010
Praktische ambulante psychotherapeutische Arbeit mit
Kindern sowie Jugendlichen im Forschungs- und
Behandlungszentrum (FBZ) der Ruhr-Universität
Bochum sowie theoretische Fortbildung zum Erwerb
der Zusatzqualifikation zur Psychologischen Kinderund Jugendpsychotherapeutin
Januar 2013
Bestellung zur Prüferin im Staatsexamen für Psychologische Psychotherapeuten durch das Landungsprüfungsamt für Medizin, Psychotherapie und Pharmazie
65
Anhang
11.3. Liste der Veröffentlichungen
Erschienene Publikationen
Hötzel, K., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, E., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2013). An internet-based program to enhance motivation to
change in females with symptoms of an eating disorder: A randomizedcontrolled trial. Psychological Medicine, 16, 1-17.
Hötzel, K., von Brachel, R., Schloßmacher, L. & Vocks, S. (2013). Assessing
motivation to change in eating disorders: A systematic review. Journal of Eating
Disorders, 1, 1-9.
von Brachel, R., Hötzel, K., Schloßmacher, L., Hechler, T., Kosfelder, J., Rieger, E.,
Rüddel, H., Braks, K., Huber, T. J. & Vocks, S. (2012). Entwicklung und
Validierung
einer
Veränderungsmotivation
deutschsprachigen
bei
Essstörungen
Skala
–
zur
The
Erfassung
Stages
of
der
Change
Questionnaire for Eating Disorders (SOCQ-ED). Psychotherapie Psychosomatik
Medizinische Psychologie, 62, 1-12
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörries, A., von Brachel, R., Braks, K., Huber,
T. J. & Vocks, S. (2012). Explizite Lebensziele von Patientinnen mit Anorexia
und Bulimia nervosa. Verhaltenstherapie, 22, 173-180.
Weitere, sich in Arbeit befindende Publikationen
von Brachel, R., Hötzel, K., Hirschfeld, G., Schmidt, U., Rieger, E., Kosfelder, J.,
Hechler, T., Schulte, D. & Vocks, S. (in revision). Predicting dropout from an
internet-based program for women with eating disorders.
von Brachel, R., Hirschfeld, G., Hötzel, K., Dörries, A., Striegler, K., Braks, K., Huber,
T. J. & Vocks, S. (submitted). Measuring the benefits and burdens of anorexia
and bulimia nervosa – The German version of the Pros and Cons of Eating
Disorders Scale.
Hirschfeld, G., Kulewski, E., von Brachel, R., Hötzel, K. & Vocks, S. (in prep.).
Trajectories of readiness to change in women with eating disorders.
66
Anhang
Kongressbeiträge
Hötzel, K., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2013, September). An internet-based program to enhance
motivation to change in females with symptoms of an eating disorder: A
randomized-controlled trial (Vortrag). 43rd Annual Congress European
Association for Behavioural and Cognitive Therapies (EABCT), Marrakech,
Morocco.
Vocks, S., von Brachel, R., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Hötzel, K. (2013, Mai). Wirksamkeit eines Internetprogramms zur
Steigerung der Änderungsmotivation bei Essstörungen (ESS-KIMO): Eine
randomisiert-kontrollierte Studie (Vortrag). 31. Symposium der Fachgruppe
Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für
Psychologie (DGPs), Trier, Deutschland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Schmidt, U., Rieger, L., Kosfelder, J., Hechler, T., Schulte,
D. & Vocks, S. (2012, März). ESS-KIMO – Ein Online-Programm für Frauen
mit Essstörungen. Erste Ergebnisse der randomisiert-kontrollierten Studie
(Vortrag). 27. DGVT-Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und
Beratung, Berlin, Deutschland.
Brezinka, V., Hötzel, K. & Vocks, S. (2012, März). Der Einsatz neuer Medien in der.
Behandlung psychischer Störungen (Leitung und Moderation des Symposiums).
27. DGVT-Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung,
Berlin, Deutschland.
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörris, A., Braks, C., Huber, T., von Brachel, R.
& Vocks, S. (2011, September). Explicit goals of patients with anorexia and
bulimia nervosa (Poster). 41st Annual Congress of the European Association of
Cognitive and Behavioural Therapies (EABCT), Reykjavik, Iceland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Striegler, K., Dörries, A., Braks, C., Huber, T. & Vocks, S.
(2011, September). Adaptation and validation of the Pros and Cons of Eating
Disorders scale (P-CED) in German women with eating disorders (Poster). 41st
Annual Congress of the European Association of Cognitive and Behavioural
Therapies (EABCT), Reykjavik, Iceland.
67
Anhang
Hötzel, K., Michalak, J., Striegler, K., Dörris, A., Braks, C., Huber, T., von Brachel, R.
& Vocks, S. (2011, Juni). Explizite Lebensziele bei Patientinnen mit Anorexia
und Bulimia Nervosa (Poster). 7. Workshop Kongress der Fachgruppe Klinische
Psychologie und Psychotherapie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie
(DGPs), Berlin, Deutschland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Dörries, A., Striegler, K., Braks, C., Huber, T. & Vocks, S.
(2011, Juni). Ambivalenzmessung bei Essstörungen: Die deutschsprachige Pros
and Cons of Eating Disorders scale (P-CED) (Poster). 7. Workshop Kongress
der Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen
Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Berlin, Deutschland.
von Brachel, R., Hötzel, K., Hechler, T., Schulte, D., Schmidt, U., Rieger, E.,
Kosfelder, J. & Vocks, S. (2009, Mai). Internetbasierte Interventionen zur
Erhöhung der Psychotherapiemotivation bei Essstörungen (Poster). 6. Workshop
Kongress für Klinische Psychologie und Psychotherapie und 27. Symposium der
Fachgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie der Deutschen
Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Zürich, Schweiz.
Praxis-Workshops
Hötzel, K. (2012, Oktober). Steigerung der Änderungsmotivation bei Patientinnen mit
Anorexia und Bulimia nervosa; Workshop gehalten auf dem 8. Jahreskongress
Psychotherapie „Wissenschaft-Praxis“ des Hochschulverbundes Psychotherapie
NRW und der Psychotherapeutenkammer NRW, Bochum, Deutschland.
Hötzel, K. & von Brachel, R. (2012, März). Steigerung der Änderungsmotivation bei
Anorexia und Bulimia nervosa; Workshop gehalten auf dem 27. DGVTKongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung, Berlin,
Deutschland.
von Brachel, R. & Hötzel, K. (2011, Oktober). Steigerung der Änderungsmotivation bei
Patientinnen mit Anorexia und Bulimia nervosa; Workshop gehalten auf dem 7.
Jahreskongress Psychotherapie „Wissenschaft-Praxis“ des Hochschulverbundes
Psychotherapie NRW und der Psychotherapeutenkammer NRW, Bochum,
Deutschland.
68
Anhang
Vocks, S., Hötzel, K. & von Brachel, R. (2011, Februar). Steigerung der
Änderungsmotivation bei Patientinnen mit Anorexia und Bulimia nervosa;
Workshop gehalten im Supervisoren-Kolloquium der Ruhr-Universität Bochum,
Deutschland.
Hötzel, K. & von Brachel, R. (2010, November). Körperbildtherapie bei Kindern und
Jugendlichen; Workshop gehalten auf dem Kongress des Berufsverbandes für
Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie in
Deutschland e. V. (BKJPP), Bochum, Deutschland.
Hötzel, K. & von Brachel, R. (2010, Oktober). Steigerung der Änderungsmotivation bei
Patientinnen mit Anorexia und Bulimia nervosa; Workshop gehalten auf dem 6.
Jahreskongress Psychotherapie „Wissenschaft-Praxis“ des Hochschulverbundes
Psychotherapie NRW und der Psychotherapeutenkammer NRW, Bochum,
Deutschland.
69
Anhang
11.4. Erklärung über die Eigenständigkeit der erbrachten
wissenschaftlichen Leistung
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit ohne unzulässige Hilfe Dritter und
ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe. Die aus
anderen Quellen direkt oder indirekt übernommenen Daten und Konzepte sind unter
Angabe der Quelle gekennzeichnet.
Bei der Auswahl und Auswertung folgenden Materials haben mir die nachstehend
aufgeführten Personen in der jeweils beschriebenen Weise entgeltlich/ unentgeltlich
geholfen:
Hier ist keine Person zu erwähnen.
Weitere Personen waren an der inhaltlichen materiellen Erstellung der vorliegenden
Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich hierfür nicht die entgeltliche Hilfe von
Vermittlungs- bzw. Beratungsdiensten (Promotionsberater oder andere Personen) in
Anspruch genommen. Niemand hat von mir unmittelbar oder mittelbar geldwerte
Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorgelegten
Dissertation stehen.
Die Arbeit wurde bisher weder im In- noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form
einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt.
Bochum, 21.03.2014
.........................................................
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(Ort, Datum)
(Unterschrift Katrin Hötzel)
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