Sibylla - Trigonale
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Sibylla - Trigonale
Sonntag, 4. September | 15 Uhr Seminarkirche Tanzenberg I Sibylla Was Wunders geschehen ist / und noch geschehen soll ursprünglichen Mystik und dem apokalyptischen Charakter I behielten, widmeten sich vorwiegend dem Kommen eines Messias, was dazu führte, dass ihnen in der frühen katholischen Liturgie eine bedeutende Rolle zuteilwurde. So war bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Der Gesang der Sibylle am Heiligen Abend in weiten Teilen Europas zu hören, nach einer Reform der Liturgie und Kirchenmusik am Konzil von Trient (1545–1563) verblasste diese Tradition allerdings mehr und mehr und blieb bis zum heutigen Tag nur noch in einigen Gegenden auf der Iberischen Halbinsel lebendig. Die Existenz der allgemein als Sibyllen bekannten Prophetinnen der griechischen Antike und deren Weissagungen sind uns schriftlich seit dem 5. Jahrhundert v. Chr. überliefert. Ab dem 2. Jahrhundert n. Chr. – nach erfolgter sorgfältiger Überarbeitung und Erweiterung – fanden die Schriften Eingang in die Tradition des Christentums und wurden begleitend zur Prophetie des Alten Testamentes zu Rate gezogen. Die überarbeiteten Texte, die viel von ihrer Die einzige noch existierende vollständige Vertonung der zwölf Sibyllinischen Weissagungen verdanken wir Orlando di Lasso (1532–1594). Obwohl diese Komposition bereits 1555 entstand und sein erstes größeres Werk war, zeichnen sich die Prophetiae Sibyllarum in seinem Gesamtschaffen durch besondere harmonische Kühnheit und Originalität aus. Ihre Bekanntheit beruht zum einen auf ihrer intensiven und düsteren Chromatik, zum anderen sorgte die Diskreditierung der Weissagungen am Konzil von Trient dafür, dass es keine weiteren Vertonungen dieser geben und Lassos Werk im Hinblick auf den Text und seinen harmonischen Ausdruck dadurch einzigartig bleiben sollte. Im Jahr 2015 komponierten zwei Professorenkollegen von Gabriel Crouch an der Princeton University – Dan Trueman 48 | Trigonale 2016 – Vorschau Trigonale 2016 – Vorschau | 49 I und Dmitri Tymoczko – ihre ganz persönlichen Antworten auf Lassos Meisterwerk. Trueman setzt die Sibylle von Delphi als irische Mystikerin in Szene und bereichert das Werk um die Klänge irischer Folk Music und Passagen in gälischer Sprache, während Tymoczko eine Sequenz völlig neuer »Sibyllen« nach den Visionen des amerikanischen Dichters Jeff Dolven schuf, von denen sich jede auf eine andere Stadt in Amerika bezieht. Der Name des Ensembles Gallicantus, in der wörtlichen Bedeutung »der Hahnenschrei«, geht zurück auf eine alte klösterliche Tradition: es ist die Bezeichnung für das Stundengebet, welches unmittelbar vor Tagesanbruch gehalten wurde; eine Zeremonie, die an die täglich wiederkehrende Erneuerung des Lebens erinnern soll. Mit seiner Spezialisierung auf Musik der Renaissance verfügt das Ensemble unter der Leitung von Gabriel Crouch über einen reichen Erfahrungsschatz im Consort-Gesang. Gemeinsam ist den Mitgliedern der Gruppe ihre Begeisterung für die musikalische Arbeit an Texten. In ihren Programmen erarbeiten sie übergreifende thematische Gemeinsamkeiten in augenscheinlich gegensätzlichen Repertoires; zu diesem Zweck verwenden sie ebenso viel Sorgfalt auf die Vermittlung eines Kontexts und Hintergrunds an ihr Publikum wie auf die kunstvolle Interpretation der Musik, die sie lieben. Zu den jüngsten Höhepunkten zählten Auftritte im Vereinigten Königreich (Wigmore Hall, Spitalfields Festival, York Early Music Festival), in Deutschland (Essen, Maria Laach, Regensburg), Polen (Wrocław), Italien (Cremona), Belgien (Antwerpen) sowie in den USA, wo sie 2014 Ensemble in Residence an der Princeton University waren und mit dort studierenden Sängern und Komponisten auftraten und zusammenarbeiteten. Zu ihren Auftritten in der Saison 2014/15 zählten ihre Rückkehr an die Princeton University sowie Konzerte in Utrecht (Holland), Schwetzingen (Deutschland), London (Temple Winter Music Festival, Chapel Royal, Palace of Westminster) und Cratfield (UK). Gallicantus veröffentlicht regelmäßig CD-Aufnahmen mit Referenzcharakter für das Label Signum Classics. Diese Einspielungen bilden die Grundlage ihrer Konzertprogramme. Ihr Robert White gewidmetes Programm Hymns, Psalms and Lamentations bezeichneten die Kritiker als »beeindruckendes Debüt« (Observer) mit »passionierter, fesselnder Musik« (The Times), während es in der Zeitschrift Gramophone Magazine hieß: »Welch eine herausragende Aufnahme … Die Eröffnung der Lamentations könnte als illuminierte Initiale am Anfang einer kostbaren Handschrift stehen, so transparent und hell leuchtend ist ihr Klang«. Ihre zweite Aufnahme Dialogues of Sorrow – Passions on the Death of Prince Henry wurde von TheArts 50 | Trigonale 2016 – Vorschau Trigonale 2016 – Vorschau | 51 Gallicantus David Allsopp – Countertenor Nicholas Todd, Chris Watson – Tenor Gabriel Crouch – Bariton William Gaunt – Bass I I Desk.com als »eine der besten Veröffentlichungen von Vokalmusik des Jahres« beschrieben, ihr Gesang zeichne sich durch »… Klarheit, Flexibilität und Leidenschaft» aus (Daily Telegraph), während die International Record Review begeistert äußerte: »… ein wunderbar gesungenes, intelligent produziertes und minutiös recherchiertes Projekt, dem großer Erfolg beschieden sein dürfte». Die 2012 erschienene Aufnahme The Word Unspoken mit Musik von William Byrd und Philippe de Monte wurde von der Kritik ebenfalls mit Lob aufgenommen. In der Sunday Times hieß es: »Die Intensität der Musik kommt in den ästhetisch inszenierten Auftritten von Gallicantus aufs Beste zum Ausdruck«. Die vierte CD der Gruppe – das bemerkenswerte Lagrime di San Pietro von Orlando di Lasso – festigte den Ruf von Gallicantus als eines der besten Ensembles für Alte Musik in Europa, zählte zum zweiten Mal in Folge zum Editor's Choice von Gramophone und wurde 2014 für den begehrten Gramophone Award nominiert. »Was Gallicantus anpackt, wird zu Gold« – Adrian Horsewood, Early Music Today den Gramophone Award nominierten Ensemble Gallicantus zusammen, das er mitbegründet hat. Sein solistisches Repertoire ist sehr weit gespannt und reicht von mittelalterlicher Musik bis zu zeitgenössischen Werken. Besondere Aufmerksamkeit erregten seine Interpretationen von Arvo Pärts Passio (BBC Proms), der Carmina Burana (in Mailand und Malta) und Leonard Bernsteins Chichester Psalms (diese wird er 2016 mit Tenebrae aufnehmen). Aber letztlich sind es die Werke von Bach und Händel, für die er am meisten Anerkennung gefunden hat, die JohannesPassion und die Matthäus-Passion (Ex Cathedra, Nieuwe Philharmonie Utrecht, Nederlandse Bach Vereningen), das Weihnachtsoratorium (BBC Singers) und der Messias (RLPO, Bournemouth Symphony, Huddersfield Choral Society). Seine Diskographie als Solist, schon jetzt eindrucksvoll, wächst beständig und enthält Israel in Egypt, Joshua und Jephtha. Sein Operndebut war eine konzertante Aufführung von Händels Susanna bei den Karlsruher Händelfestspielen unter Leitung von Christian Curnyn, aber auch mit Helmut Rilling, Jonathan Cohen und Martin Brabbins hat er schon zusammengearbeitet. David Allsopp gilt heute als einer der vielseitigsten Countertenöre seiner Generation. Er war Choral Scholar am King's College in Cambridge und nach Abschluss seines Studium Mitglied des Chors der Westminster Cathedral. Später wirkte er bei vielen CD-Aufnahme von Tenebrae, Polyphony und Gabrieli Consort & Players mit. Er ist zunehmend als Solist gefragt, trotzdem arbeitet er aber weiter mit dem auf frühe Vokalmusik spezialisierten und soeben für Nicholas Todd begann seine Lauf bahn als Chorknabe an der Kathedrale von Salisbury. Danach war er Choral Scholar am King's College, Cambridge, anschließend begann seine Karriere als freischaffender Tenor, als welcher er bei Ensembles wie Polyphony, The King's Consort, The Sixteen und The Cardinall's Musick sang. 1997 wurde er festes Mitglied des Huelgas Ensemble, mit dem er überall in Europa Auftritte als Consort-Sänger und als Solist hatte. 2002 52 | Trigonale 2016 – Vorschau Trigonale 2016 – Vorschau | 53 I I wurde Nicholas ständiges Mitglied der Tallis Scholars und machte daraufhin mit diesem Ensemble regelmäßig Aufnahmen und Konzerte in den Vereinigten Staaten, dem fernen Osten und überall in Europa. Gleichzeitig begann er zu unterrichten und wurde kürzlich zum Assistant Director of Music an der King's School Canterbury ernannt. Neben seiner Tätigkeit als Sänger ist er immer häufiger auch als Dirigent tätig, dennoch arbeitet er weiterhin mit einigen wenigen Vokalensembles wie Alamire, Tenebrae und Gallicantus, die alle darauf hoffen, dass er ihnen auch weiterhin als Sänger erhalten bleibt. Diskografie, viele davon haben internationale Beachtung gefunden und wurden mit Preisen ausgezeichnet (mehrere Diapason d'Or, Gramophone Awards und ein Grammy). Darüber hinaus leitet er gemeinsam mit dem Komponisten John Duggan den in Oxford beheimateten Chor Sospiri. Inzwischen haben sie schon fünf CDs herausgebracht und einige Tourneen in Frankreich, Italien und natürlich zuhause in Großbritannien unternommen. Außerdem war Chris Gastchorleiter beim bekannten dänischen Vokalensemble Ars Nova Copenhagen. Christopher Watson hat inzwischen mehr als 20 Jahre Erfahrung, und das auf höchstem Niveau, denn er singt mit einigen der bekanntesten Ensembles Alter Musik. So hat er im Laufe der Zeit beinahe 200 Konzerte mit den Tallis Scholars gegeben, und auch Alamire, Gallicantus und das Collegium Vocale Gent zählen auf ihn, nicht zu vergessen die Ensembles Tenebrae und Theatre of Voices – um nur einige zu nennen. Seine Erfahrung mit Consortmusik ist geradezu allumfassend, hat er doch beinahe alles gesungen, was es in diesem Bereich zu singen gibt, von Musik des frühen Mittelalters bis zu Stockhausen, Berio und Pärt – darunter waren auch einige Weltpremieren. Er wurde von Dirigenten wie Paul McCreesh, Trevor Pinnock, Paul Hillier und Philippe Herreweghe sowie von Ensembles wie Le Concert Lorrain, der Lautten Compagney, Concerto Copenhagen und the City of Birmingham Symphony Orchestra zur Zusammenarbeit eingeladen. Mehr als 50 Aufnahmen zählt seine turer für Musik an der Princeton University. Mit acht Jahren begann der Bariton seine Sängerlauf bahn, denn in diesem Alter wurde er Mitglied des Chors der Westminster Abbey, mit dem er beispielsweise ein Solo bei der Hochzeit von HRH Prince Andrew and Miss Sarah Ferguson sang. Später war er Choral Scholar am Trinity College, Cambridge, 1996 wurde er Mitglied der King's Singers. In den folgenden acht Jahren machte er mit diesem berühmten Vokalsextett ein Dutzend CD-Aufnahmen für BMG, gab über 900 Konzerte in beinahe jedem bedeutenden Konzertsaal der Welt und traf in gemeinsamen Projekten auf einige der international bekanntesten Musiker wie die Schlagzeugerin Evelyn Glennie, den Pianisten George Shearing, die Sängerin Barbara Hendricks und 'Beach Boy' Bruce Johnston. Seit er 2005 in die Vereinigten Staaten übersiedelt war, wo er zunächst den Chor der DePauw University in Indiana leitete, ehe er nach Princeton berufen wurde, hat er immer mehr internationale Anerkennung erfahren – in China 54 | Trigonale 2016 – Vorschau Trigonale 2016 – Vorschau | 55 Gabriel Crouch ist Direktor des Chors und Senior Lec- I I gleichermaßen wie in Australien, in Europa und in den Vereinigten Staaten. 2008 wurde er Leiter von Gallicantus, mit dem er inzwischen vier CDs für das Label Signum herausgebracht hat, die begeisterte Kritik ernteten. Getoppt wurde das noch 2012 durch die Veröffentlichung der CD 'The Word Unspoken' – sie kam auf die Liste der neun besten CDs des Jahres der BBC Radio CD Review. Soweit es ihm seine Aufgaben an der Universität erlauben, kombiniert Gabriel sozusagen zwei Karrieren: einerseits die akademische und pädagogische, andererseits das Singen und Produzieren von CDs, was mit häufigen Transatlantikflügen verbunden ist. Er singt mit Tenebrae und dem Gabrieli-Choir, in den Staaten gibt er Lautenlieder-Konzerte mit so bekannten Lautenisten wie Daniel Swenberg und Nigel North. Als Produzent hat er zuletzt mit dem Winchester Cathedral Choir, The Gabrieli Consort und Tenebrae gearbeitet. Seine Erfolge als Sänger, Lehrer und musikalischer Leiter haben dazu geführt, dass er häufig in die Jury von Wettbewerben eingeladen wird, so z.B. zu dem vor allem gemischten Chören gewidmeten Bewerb 'Sainsbury's Choir of the Year', der vom Fernsehen der BBC übertragen wird. Überdies findet sich Gabriels Name auf der Liste der 'Great British Hopes' der Londoner Times. Der Bassist William Gaunt begann seine musikalische Lauf bahn als Chorknabe an der Kathedrale von Ripon. Er gewann mehrere Stipendien und verbrachte daraufhin seine Schulzeit an der Uppingham School. Danach, als Choral Scholar am King's College, Cambridge, studierte er Altphilologie. 56 | Trigonale 2016 – Vorschau Einige seiner solistischen Auftritte in jüngster Zeit waren Bachs Johannespassion mit der Bournemouth Sinfonietta, dem Chor des Christ Church College in Oxford und der Solihull Choral Society, Bachs Matthäuspassion mit dem Armonico Consort, Händels Messias und Acis and Galatea mit der Nottingham Harmonic Society, Händels Samson mit der Uppingham Choral Society, Monteverdis Marienvesper mit dem Hertfordshire Chorus, die Nelson Messe von Haydn bei den Festivals von Norfolk und Norwich mit dem Chor des King's College, Cambridge unter Leitung von Stephen Cleobury, Purcells Come, ye Sons of Art, away unter Leitung von Paul McCreesh beim Luberon Festival (Provence) und last but not least die Rolle des Arioch in Händels Belshazzar in einer Aufführung des Orchestra of the Age of Enlightenment unter Leitung von Sir Charles Mackerras bei den Proms. In den nächsten Monaten ist er von der Eastcote Choral Society (Robert Jones) für Mozarts Requiem und seine Spatzenmesse eingeladen, und vom Chor von Christ Church, Oxford (Stephen Darlington) für die Partie des Christus in Bachs Johannespassion. Aber auch in mehreren Chören und Consorts ist er tätig: er ist ständiges Mitglied des Chors der Westminster Cathedral, und wenn es seine Zeit erlaubt, singt er bei Ensembles wie Tenebrae, The Sixteen, Polyphony, The Gabrieli Consort, Gallicantus, The BBC Singers, Ex Cathedra und The Binchois Consort. Trigonale 2016 – Vorschau | 57 I