Tieroekologie 01 Populationen
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Tieroekologie 01 Populationen
Tierökologie Roland Gerstmeier Populationen - Wie ist eine Population definiert - Wie ist eine Population organisiert - Welchen zeitlichen Veränderungen unterliegt eine Population - Welche räumlichen Veränderungen ergeben sich für eine Population 1. Definition Als eine Population wird die Gesamtheit der Individuen einer Art in einem in sich mehr oder weniger kontinuierlichen Areal bezeichnet. Annahmen: 1. Die Organismen eines Ökosystems lassen sich nach Arten klassifizieren und jede Population stellt einen eigenen Genpool dar. 2. Populationen bestehen aus einer mehr oder weniger großen Anzahl von Individuen. Die Individuen einer Population bilden eine Fortpflanzungsgemeinschaft. 3. Populationen besitzen eine räumliche und zeitliche Kontinuität und sind von anderen Populationen der gleichen Art getrennt. Tierökologie Roland Gerstmeier Was ist ein Individuum? Menschen, Tiere sind Individuen, ausgezeichnet durch eine unitare Natur: Form, Entwicklung, Wachstum und Lebensspanne sind vorgegeben. Modulare Organismen können selbst weitere, ähnliche Funktionseinheiten (Module) hervorbringen. Die meisten Pflanzen sind modular. Über Wurzelausläufer, Rhizome, etc. können neue Sprosse entstehen. Tiere: Porifera, Hydra, Anthozoa, Bryozoa. Tierökologie Roland Gerstmeier 2. Populationsgröße, Populationsdichte populationsökologische Untersuchungen basieren auf Kenntnis oder Schätzung der Populationsgröße = N (Anzahl der Individuen) Biomasse = Menge an organischer Substanz 12 – 18 mm Frischgewicht Trockengewicht Energieeinheiten ca. 3 mm Populationsdichte oder Abundanz (N/Areal oder N/Volumen) Tierökologie Roland Gerstmeier 3. Populationsstrukturen Strukturprinzipien: Altersstruktur - zahlenmäßiges Verhältnis der Altersklassen Tierökologie Roland Gerstmeier Stand 31.12.2000 Tierökologie Roland Gerstmeier Sozialstruktur - Populationsgeschehen wird von sozialen Untereinheiten der Tierpopulationen bestimmt Dichtestruktur - räumliche Verteilung; steht in engem Zusammenhang mit der Alters- und Sozialstruktur Konzept der „optimalen Dichte“ Nachteile bei zu hoher Organismenkonzentration: - Nahrungsmangel - Lichtmangel - Platzmangel - Akkumulation schädlicher Ausscheidungsprodukte - erhöhte Ansteckungs- bzw. Parasitengefahr - Stress-Erscheinungen aber: gewisse Dichte erforderlich, bei: - Auffinden eines Geschlechtspartners - Sozialjagd (Wölfe, Löwen, etc.) - Sozialverteidigung - Sozialfürsorge Tierökologie Roland Gerstmeier 4. Populationsdynamik 4.1. Natalität und Mortalität ideale Natalität wird nie erreicht → reale ökologische Natalität minimale oder ideale Mortalität wird nie erreicht → reale Mortalität Bilanz zwischen Natalität und Mortalität → Wachstumsrate einer Population 4.2. Wachstumsformen ohne negative Umwelteinflüsse → exponentielle Vermehrung = exponentielle Wachstumskurve Eisturmvogel in England Tierökologie Roland Gerstmeier 1000000 100000 10000 1000 100 10 1 Fulmarus glacialis Eissturmvogel Tierökologie Roland Gerstmeier extrapolierte Vorhersage Schätzung 1936 z.Zt. 7,2 Milliarden Tierökologie Roland Gerstmeier initiale Phase exponentielle Phase asymptotische Phase Tierökologie Roland Gerstmeier Tierökologie Roland Gerstmeier 4.3. Schwankungen der Populationsdichte 4.3.1. Dichteabhängige Faktoren wirken bei geringer Populationsdichte weniger, und um so mehr, je höher die Abundanz ist (z.B. Seuchenausbreitung, Parasitierung) Beispiel: Parasitierung einer Gallmückenpopulation durch Schlupfwespen Gallmücken pro Blattfläche Parasitierungsgrad 43 Larven pro m² 14% 148 Larven pro m² 45% 4.3.2. Dichteunabhängige Faktoren Klimafaktoren, ohne Rücksicht auf die Abundanz Teich 1 N = 55.200 Teich 2 N = 16.900 Teich 3 N = 2.000 95,4% 93,6% 92,6% 2.600 1.000 150 Tierökologie Roland Gerstmeier Massenwechsel ist die von Räuber-Beute-Beziehungen unabhängige kurzfristige Schwankung der Populationsdichte (Abundanz) 4.3.3. Extinktion wird die Anzahl der produzierten Individuen geringer als die Anzahl der absterbenden, so wird die Populationsdichte abnehmen ohne Einwanderung Population stirbt aus! 4.4. Überwindung des Umweltwiderstandes durch Abundanzstrategie Problematik: genügend Individuen zur Fortpflanzung kommen zu lassen, aber nicht zuviele → Konkurrenz, Ressourcenverknappung 2 unterschiedliche Strategien: Vermehrungsstrategie Anpassungsstrategie Tierökologie Roland Gerstmeier Vermehrungsstrategie / r-Strategie → Überschuss an Nachkommen instabile Umwelt Populationen schwanken Neubesiedelung Anpassungsstrategie / K-Strategie → wenige, widerstandsfähige Nachkommen stabile Umwelt Populationen erreichen K kleine Arten jährl. Reproduktionsleistung groß Konkurrenz große Arten Kurzlebigkeit jährl. Reproduktionsleistung gering Langlebigkeit viele, kleine Nachkommen wenig Jungtiere Brutpflege möglich wenige, große Nachkommen Tierökologie Roland Gerstmeier Vermehrungsstrategie / r-Strategie → Überschuss an Nachkommen • Blattläuse • Kohlweißling (500-1000 Eier) • Sperlinge • Kleinsäuger Anpassungsstrategie / K-Strategie → wenige, widerstandsfähige Nachkommen • Waldbäume • Apollo-Falter (60-120 Eier) • Stichling • große Vögel • Primaten Sinnvoller Vergleich nur bei nah verwandten und in etwa gleich großen Arten allerdings: es gibt viele Beispiele, die nicht mit dem r/K-Schema übereinstimmen Tierökologie Roland Gerstmeier 5. Die räumliche Verteilung von Organismen Vorratsschädlinge in Lebensmittelvorräten Wolfspinnen im Getreidefeld Huftierherden Ameisenkolonien inäqual regelmäßig Polsterpflanzen Fisch- u. Vogelschwärme Raupennester aggregativ, geklumpt insular Tierökologie Roland Gerstmeier am weitesten verbreitet: aggregative Verteilung Corvus brachyrhynchus - Amerikanerkrähe Corvus ossifragus - Fischkrähe b) a) Winter-Verteilung a) weit verbreitet, aber geklumpt („hot spots“) b) eingeschränkte Verbreitung, auch hot spots Tierökologie Roland Gerstmeier Vireo olivaceus - Rotaugenvireo Brutzeit (Juni) niedrige Zahlen in den meisten Transekten, hohe Zahlen in hot spots Tierökologie Roland Gerstmeier Metapopulationen Eine Metapopulation besteht aus (zahlreichen) Subpopulationen, wobei ein gewisser Individuenaustausch gegeben ist. Ilkka Hanski: 4 Bedingungen 1) Klar abgrenzbare Habitatinseln („patches“) 2) Erhebliches Aussterberisiko, sogar auf den größten Subpopulationen 3) Habitatinseln dürfen nicht so weit auseinanderliegen, dass sie nach dem Aussterben ihrer Subpopulation nicht wieder neu besiedelt werden könnten 4) Populationsdynamik der einzelnen Subpopulationen verläuft uneinheitlich Tierökologie Roland Gerstmeier meist aber auch: Metapopulation = Gruppe von Populationen, bestehend aus einer größeren Kernpopulation und mehreren Satellitenpopulationen. Das Aussterberisiko für die Kernpopulation kann auch sehr gering sein. Lokale Ebene (Subpopulation): Interaktion der Individuen (Nahrungssuche, Paarungen, etc.) Regionale Ebene (Metapopulation): Interaktionen der Subpopulationen (Aus- und Einwanderungen, Neubesiedelung) Euphydryas editha Tierökologie Roland Gerstmeier Zwischen dem Aussterben lokaler Populationen und der Kolonisation unbesiedelter Habitatinseln besteht ein dynamisches Gleichgewicht. P* = 1 – e/m P* = Gleichgewichtswert e = Aussterbewahrscheinlichkeit m = Besiedelungswahrscheinlichkeit Tierökologie Roland Gerstmeier Habitatgröße und Isolationsgrad beeinflussen die Dynamik von Metapopulationen. Metrioptera bicolor Zweifarbige Beißschrecke > 100m: Kolonisation sinkt > 250m: keine Neubesiedelung mehr Südschweden Aussterberisiko steigt mit sinkender Habitatgröße Tierökologie Roland Gerstmeier Habitat-Heterogenität beeinflusst die Beständigkeit lokaler Populationen. Populationen, die Habitate mit einer vielfältigen Vegetationsstruktur besiedelten wiesen geringere Fluktuationen in der Individuendichte auf; auch das lokale Aussterberisiko war herabgesetzt. Tierökologie Roland Gerstmeier Subpopulationen werden von Quellpopulationen aus kolonisiert. „Klassisch“: Besiedelung von Inseln durch Individuen einer Festlandpopulation. Aber auch rein terrestrisch, z.B. Euphydryas editha bayensis in California: Man spricht auch von Quellhabitaten und Zuwanderungshabitaten. Tierökologie Roland Gerstmeier Synchrone Prozesse (oder Faktoren) können zu einem erhöhten Aussterberisiko einer Metapopulation führen, z.B. regionaler Kälteeinbruch, Dürreperiode. 2 Faktoren: Umwandlung von Weide- in Ackerflächen Bekämpfung der Wildkaninchen Tierökologie Roland Gerstmeier Ausbreitungsrate ist eine wichtige Komponente bei der Besiedelung neuer Habitate. ist von Art zu Art sehr unterschiedlich, z.B. Insekten, die ephemere Habitate oder solche mit schwankenden Umweltbedingungen besiedeln. Flugunfähigkeit bei Insekten geht mit verringerter Habitatvielfalt und einer dauerhaften Beständigkeit des Habitats einher. Auch das Aussterberisiko einer Population ist von Art zu Art verschieden. Geringe Körpergröße könnte die Aussterbewahrscheinlichkeit verringern (da höhere Individuendichte erreicht werden könnte). Größere Arten brauchen einen größeren Mindestlebensraum. Tierökologie Roland Gerstmeier 3 Typen von „Hoheitsgebieten“ Wohngebiet Areal, welches ein Tier während seines Lebens normalerweise besucht groß, bei Zugvögeln, wandernden Huftieren – aber auch bei standorttreuen Arten, wie z.B. Auerhuhn Wohngebiet wird nur zum Teil genutzt und nicht gegen andere Tiere verteidigt Territorien Fest besetzte Gebiete (Reviere), die genügend Raum und Nahrung für die Aufzucht der Jungen gewährleisten wird gegen eindringende Artgenossen verteidigt z.B. besonders Singvögel und Säuger Unmittelbarer Nestbereich auch artfremde Eindringlinge vergleichbarer Größe werden vertrieben; Vögel und Säuger (v.a. koloniebrütende Vögel und dauernd in Herden lebende Säuger) Tierökologie Roland Gerstmeier 6. Räumliche Veränderung von Populationen Gebietsveränderungen - Wanderungen 6.1. Ausbreitungsmechanismen Eigenbewegung → Ausbreitung der Art festsitzende Tiere → eigenbewegliche Entwicklungsstadien oder Verfrachtung / Transport EXPANSION = Vergrößerung des Populationsareals Girlitz – Ausdehnung der Brutverbreitung 1990 Türkentaube 1890 Tierökologie Roland Gerstmeier 6.2. Wanderungen (Migrationen) zeitlich koordinierte und gerichtete (Massen)bewegungen, häufig periodisch → Nahrungssuche → Fortpflanzung / Reproduktion → Flucht vor widrigen Umweltbedingungen (i.w. Nahrung) Reproduktion: Aale, Lachse, Russischer Bär Widrige Umweltbedingungen: z.B. Vertikalwanderung Zooplankton Tierökologie Roland Gerstmeier Nahrungserwerb: Zugvögel Wanderheuschrecken Lemminge Karibus afrikanische Huftiere Eisbär (> 5000 km) Bachstelze Tierökologie Roland Gerstmeier Populationsmanagement Gesamtzahl der Geburten und Wachstumsraten der Individuen sind hoch, wenn eine Population deutlich unter ihrer Umweltkapazität liegt. Probleme - Bejagung Überfischung Entzug von Lebensraum Bekämpfung (?Schädlinge) Manche Fischpopulationen können stark befischt werden, wenn eine hohe Fortpflanzungsfähigkeit besteht. Eher nicht: Kabeljau (Dorsch), Scholle, Schwertfisch, Seezunge, etc. Tierökologie Roland Gerstmeier Getötete Wale 1950 - 1985 Management schwierig, da: geringe Reproduktionsrate werden als „internationale Ressource“ betrachtet, → keine Einigung der Walfangnationen Tierökologie Roland Gerstmeier Populationsbekämpfung bei Schädlingen (z.B. Ratten) ? ?Vergiften → höhere Vermehrungsrate nur möglich durch Verringerung der Umweltkapazität, d.h. den Ratten keine Abfälle zugänglich machen. Tierökologie Roland Gerstmeier Afrikanischer Elefant Ausgangssituation: Bis Mitte der 1980er Jahre Dezimierung der Elefantenpopulationen durch Wilderei (Elfenbein; z.B. Kenya: 1973-1989: 85% Verlust) oder gezielten Abschuss („culling“), z.B. Kruger NP: 1967-1995 – 14.562 Tiere abgeschossen Verbot des Elfenbeinhandels 1989/1990 Zunahme der Populationen stimmt das ?? Trifft eigentlich nur zu, für: Botswana – Südafrika – Namibia Gründe: - Effektiver Naturschutz (→ weniger Wilderei), basierend auf mehr Geld - Parks eingezäunt (nicht in Botswana) - Einwanderung von Nachbarstaaten (polit. Situation, Krieg) - Zerstückelung der Landschaft (→ Konzentration in NP‘s) - Künstliche Wasserstellen Tierökologie Roland Gerstmeier Fakten Afrika: ~ 422.000 Elefanten südliches Afrika ~ 300.000 (jährl. Zuwachs: 4-5%) Kruger NP: Zunahme seit 1995 von 8.000 auf > 13.000 Individuen Tierökologie Roland Gerstmeier Problematik • Zerstörung der natürlichen Baumvegetation • Zerstörung landwirtschaftlicher Kulturen, Konflikt Mensch • andererseits: wichtig für Samenverbreitung (Acacia) Förderung neuer Flora und Fauna Entdeckung von Wasservorräten im Boden Situation in anderen afrik. Ländern • Selbstregulation / Dezimierung durch Wilderei • von Kriegsgebieten umgeben → viele Waffen → Wilderei heute auch „bush meat“ • korrupte Regierungen (weniger Geld, „wenig“ Naturschutz) • Schutzgebiete nicht (oder nur teilweise) umzäunt • Bevölkerungsexplosion • Landnutzung (Wasserstellen) durch Nutztiere Tierökologie Roland Gerstmeier Maßnahmen (v.a.) in Südafrika • Trophy hunting • Culling (1995 in Südafrika abgeschafft) • Translocation • Contraception (Immunocontraception) Alternativen • Keine künstlichen Wasserstellen • Neue Landnutzungspläne • Geschützte Korridore • Grenzübergreifende Schutzgebiete (ohne Zäune) • Abwehrmaßnahmen (Chili-Zäune, Bienen) Tierökologie Roland Gerstmeier Immunocontraception PZP = porcine zona pellucida