exkursion theologie-studierender nach ägypten von
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PROFILE EXKURSION THEOLOGIE-STUDIERENDER NACH ÄGYPTEN VON EREMITEN UND KLOSTERBRÜDERN MUM 04 | 2008 16 Um frühchristliches Mönchtum vor Ort zu studieren, machte sich eine Gruppe LMU-Studierender zu Beginn des Jahres nach Ägypten auf. Die angehenden katholischen, evangelischen und orthodoxen Theologinnen und Theologen nahmen dabei Kurs auf verlassene Eremitenhöhlen und auf Klöster mit weltgewandten Mönchen. räume und Gärten. Die schwarz gekleideten Mönche empfangen die Gruppe „freundlich und relativ locker“, so Wenz. Auch die Studentinnen erhalten problemlos Zutritt in das Männerkloster. Innen erfahren die Münchener mehr über die Geschichte des Wüstenheiligen Antonius, auf den das Kloster zurückgeht. Es herrscht nicht gerade Urlaubswetter, als die 25 Studierenden Ende Februar ihre Exkursion in Kairo starten: Bei kühlen Temperaturen nieselt es beständig auf das koptische Stadtviertel nieder, durch das sie streifen. Angeleitet werden sie von Professor Athanasios Vletsis von der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie der LMU, Professor Bertram Stubenrauch von der KatholischTheologischen Fakultät sowie Professor Gunther Wenz von der Evangelisch-Theologischen Fakultät. Das Ziel der Seminarexkursion: Frühchristliches Mönchtum in Ägypten zu studieren. Zunächst ist das koptische Leben in Kairo von Interesse. Das Wort „Kopten“ geht zwar auf das griechische „Aigyptioi“ zurück und ist gleichbedeutend mit „Ägypter“, steht heute aber vorrangig für die ägyptischen Christen. In Kairo werden die Münchner von koptischen Klerikern empfangen, besuchen palmenumstandene koptische Kirchen, lernen die koptische Liturgie kennen. Auch im Regen beeindruckt das fremde Land: Vom Hotelzimmer aus, wenige Kilometer von der Hauptstadt entfernt gelegen, sieht man die Pyramiden von Gizeh. Nach den Besuchen im Moloch Kairo, wo die Gruppe auch die muslimische Universität sowie einige Moscheen besichtigt, geht es in Richtung Rotes Meer. Unweit von Hurghada, wo Urlauber durch Korallenriffe schnorcheln, liegt das Antonius-Kloster. Inmitten rötlich schimmernder Berge tut sich eine riesige Anlage vor ihnen auf; schließlich umfasst das Kloster Kirchen, Wohn- WUNDERTATEN IN DER EINSAMKEIT Antonius war der bei weitem bekannteste unter den frühchristlichen Eremiten. 251 n.Chr. in Mittelägypten geboren, soll eine Bibelstelle – das Evangelium vom reichen Jüngling in Matthäus 19 – ihm den Anstoß zur Abkehr gegeben haben. Daraufhin entzog Antonius sich schon als Zwanzigjähriger der Gesellschaft seiner Mitmenschen, um mal in einem Grabmal, mal einem verödeten Kastell und schließlich in einer Höhle des unwirtlichen Felsengebirges nahe des heutigen Klosters zu hausen. Hier führte er ein entbehrungsreiches, innerlich aber wohl erfülltes Einsiedlerdasein. Weisheitslehre, strenge Askese und sogar Wundertätigkeit werden ihm nachgesagt. Der Wüstenheilige wird als vorbildlicher Christ charakterisiert, der trotz allen Strebens nach Einsamkeit dennoch anderen Trost, Rat und Hilfe spendete. Eine seiner Antworten auf die Frage, welcher Weg zur vollendeten Seligkeit führe, lautete: „Baue nicht auf deine eigene Gerechtigkeit, sondern verlasse dich ganz auf Jesus Christus.“ Antonius soll über hundert Jahre alt geworden sein. Die Höhle, in der er gehaust und gewirkt haben soll, können die Studierenden der LMU und ihre Professoren bei ihrer Exkursion besichtigen. Vom Kloster aus steigen sie durch das unwirtliche Sandfelsengebirge hinauf zur Antonius-Höhle. „Wir mussten die Schuhe ausziehen“, erzählt Gunther Wenz, „und die Höhle durch einen Gang betreten, der so eng war, dass wir einzeln gehen mussten.“ PROFILE 7 Die Studierenden mit ihren Professoren vor dem Antonius-Kloster. Das sogenannte Anachoreten- oder Eremitentum, das sie zwischen den Felswänden der kargen Höhle erahnen können, muss es als Lebensform Einzelner schon vor Antonius gegeben haben, erklärt Gunther Wenz. „Asketischen Enthusiasmus gab es in der Christenheit von Anbeginn.“ Ein Einsiedler löste alle Bindungen – die zu seiner Familie, zu Angehörigen und zur Gesellschaft – um einsam und fern der Heimat ein geistliches Dasein zu führen. Seinen Leib kasteite er; durch Fasten, Wachen und beständiges Beten sollte jegliches sinnliches Begehren im Keim erstickt werden. So wollte der Eremit ganz Einkehr halten in Gott und so zu sich selbst finden. Geistiger Irrsinn wurde dabei eine ernstzunehmende Gefahr. Viele sogenannte „Narren in Christo“ berichteten von Dämonen, die ihnen in Gestalt schreckenserregender Bestien, verführerischer Nackter oder teuflischer Stimmen erschienen. „Sowohl die körperliche als auch die seelische Not muss in vielen Fällen groß gewesen sein“, erklärt Gunther Wenz, „nicht zuletzt deshalb war die Begründung des sogenannten Koinobitentums durch den Ägypter Pachomius um 320 n.Chr. zweifellos eine christliche Großtat – und ein Dienst am Mitmenschen von sehr heilsamer Wirkung.“ Denn mit der Regel einer geordneten Klostergemeinschaft schuf er einen wichtigen Typus monastischen Lebens. Gott, sagte Pachomius, hat den Menschen nicht als vereinzeltes, sondern als geselliges Wesen erschaffen. Auch der nach Heiligung strebende Mönch soll deshalb in eine geregelte Gemeinschaftsordnung eingefügt sein – und dabei dennoch Abstand von der sinnlichen Außenwelt nehmen. ASKESEGEBOTE VON EINEM ENGEL Beim Ort Tabennese in der Gegend von Theben soll Pachomius gemeinschaftswillige Einsiedler in einem Kloster gesammelt haben, aus dem bald andere Koinobitensiedlungen hervorgingen. Auch ein Frauenkloster gründete er. Der Legende nach soll die pachomianische Ordensregel, die maßvolle Askesegebote mit Zugangsbestimmungen und Alltagsregelungen verband, von einem Engel höchstselbst übergeben worden sein. Sie gliederte monastische Abteilungen nach dem Alphabet, ordnete Gebetszeiten und die Abfolge des liturgischen Dienstes und legte Regeln zu Nahrung, Kleidung und Beschäftigung fest. Die eremitische Pflicht persönlicher Bedürfnislosigkeit wurde einerseits verschärft zu striktem Eigentumsverzicht, andererseits abgemildert durch Gemeinschaftsversorgung. Die Regelungen des Pachomius zu Askese, Armut und Gehorsam wurden bald Gemeingut aller Koinobitenordnungen. Im bergenden Raum eines Klosters konnten Mönche und Nonnen ihrer Weltentsagung so auf geregelte Weise entsprechen und in Gemeinschaft leben. Allerdings mutierten viele pachomianische Klosterverbände zu Massenbetrieben und wirtschaftlichen Großunternehmen, sodass es besonders ernste Geister wieder hinaus in die Einsamkeit der Wüste zog. Die Münchener Gruppe macht sich anderntags westwärts auf in Richtung der libyschen Wüste, in ein Kloster des Wadi al-Natrum, wo es seit alters Eremitensiedlungen gab. Hier liegt der Schwerpunkt der jetzigen Mönchstraditionen, und hier sitzt auch der Papst der Kopten, ein älterer Herr, den die Gruppe während ihres Aufenthalts leider nicht antrifft. Auch in den Klöstern, die sie im Wadi al-Natrum besuchen, sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer überrascht von der „außerordentlichen Weltoffenheit dieser sprachlich sehr gebildeten Leute“, so Wenz. Mancher Mönch spricht perfekt Deutsch, fast alle Englisch und andere Sprachen. „Das ist eigentlich das Wichtigste an solchen Reisen“, sagt Professor Wenz, „die Mentalität der Menschen kennen zu lernen, das elementare Fremdheitsgefühl zu überwinden. Und als Theologe zu erkennen: Es gibt etwas jenseits der christlichen Tradition, die wir kennen.“ ■ ajb MUM 04 | 2008 17