als Heilmittel - Dr. Beatrice Wagner
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als Heilmittel - Dr. Beatrice Wagner
u Von Beatrice Wagner u Sex als Heilmittel So wirkt die schönste Sache der Welt auf unsere Gesundheit. Ein Rausch. Ein paar Sekunden, dann ist es wieder vorbei. Nur wenige haben das Glück, das Erlebnis direkt wiederholen zu können. Für die meisten Menschen vergeht dagegen eine Weile – bis sie einen erneuten Orgasmus erleben können. Beim Liebesspiel bevorzugt jeder eine eigene Choreografie – und Topografie. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten: Mehr als 50 Botenstoffe versetzen den Körper dabei in lustvolle Hochstimmung. 20 Medical Tribune G&M September 2008 Foto: iStockphotos.com/XXXXXXXXXXX Tanz der Hormone entfacht Aber warum dann der ganze Wirbel um Sex? „Lustvolle Sexualität entfacht einen Tanz der Hormone. Mehr als 50 verschiedene Botenstoffe sind an den Orgasmusempfindungen beteiligt. Und deren Wirkungen halten teilweise weit über die Dauer des Geschlechtsverkehrs hinaus an“, erklärt der Sexualmediziner und Männerarzt Dr. Georg Pfau aus Linz das Phänomen der Wichtigkeit von Sexualität in unserem Leben. Dass ein gelungener Sexualakt das Zusammengehörigkeitsgefühl der Partner stärkt, wissen die meisten Menschen aus eigener Erfahrung. Oder auch, dass man sich anschließend begehrenswerter und jünger fühlt. Für Frauen ist dieser Effekt sogar bereits wissenschaftlich belegt. Doch auch abgesehen von diesen positiven Wirkungen der gelebten Sexualität auf Psyche und Partnerschaft gibt es eine ganze Reihe von physischen Effekten auf die Gesundheit – sodass man durchaus von Sexualität als Therapie oder Heilmittel reden kann. „Die gesundheitsfördernde Wirkung von Sexualität setzt nicht erst mit dem Orgasmus ein. Schon beim ersten Streicheln beginnt das Gehirn, Glückshormone auszuschütten, nämlich zunächst Endorphine und daraufhin auch Dopamin. Diese Stoffe sorgen dafür, dass man sich entspannt und wohlfühlt“, sagt Sexualmediziner Pfau. Dopamin ist das Hormon, das auch für das High-Gefühl beim Sport oder auch bei Er- folgserlebnissen verantwortlich gemacht wird. Ein Mangel des Hormons Dopamin hingegen kann sogar Depressionen auslösen. Georg Pfau erklärt: „Sex wirkt antidepressiv. Die durch Sex aktivierten Endorphine vermitteln ein Stimmungshoch und lindern sogar akute und chronische Schmerzen.“ Optimales Kreislauf-Training Steigt die sexuelle Erregung, führt das zu einem Anstieg des Hormons Vasopressin. Diese blutdrucksteigernde Substanz bringt den Kreislauf auf Touren. „Das Herz beginnt, immer schneller zu schlagen. Der Puls kann auf um 120 Schläge pro Minute steigen und der Blutdruck für kurze Zeit deutlich in die Höhe schnellen. Man atmet dann bis zu 40-mal pro Minute ein und aus“, so Georg Pfau. Der sportliche Nebeneffekt: Die Leistungsfähigkeit des Herzens wird trainiert und das Blut in alle Blutgefäße bis in die kleinsten Verästelungen hineingepumpt. Sich regelmäßig einmal am Tag körperlich zu verausgaben – dabei muss es sich übrigens nicht nur um sexuelle Aktivitäten handeln – beugt Herzinfarkt und Arteriosklerose vor. „Eine Studie mit 3000 Probanden belegt, dass sexuell aktive Menschen um 50 Prozent weniger tödlich verlaufende Herzerkrankungen erleiden“, zitiert Georg Pfau. September 2008 Medical Tribune G&M 21 Und welche Rolle spielt das Hormon Testosteron? Sexualität ist ohne Testosteron nicht denkbar, denn es sorgt für sexuelle Lust. Es gibt eine gewisse Menge von freiem Testosteron, das im Blut zirkuliert. Diese Menge entscheidet, wie schnell Mann – und auch Frau – erregbar ist. Gleichzeitig unterliegt Testosteron einer interessanten Rückkoppelungsschleife: Ist viel von dem Lusthormon vorhanden, entsteht schnell eine Erregung. Dadurch wird – über den Umweg Hirnanhangsdrüse und deren Steuerhormone – die weitere Testosteronproduktion angekurbelt. Sie findet in den Leydigzellen der Hoden statt bzw. in den Theka-Zellen um die weiblichen ovariellen Follikel, sprich Eibläschen. Der Gegenspieler von Testosteron ist übrigens das Stresshormon Kortisol, weshalb man – also wieder sowohl Mann als auch Frau – im Stress auch schwer erregbar ist. Ocytocin – so heißt einer der Zauberstoffe Im Körper der Frau wird ein Großteil des Testosterons in Östrogen umgewandelt. Dadurch wird die Scheide feucht, die Gebärmutter richtet sich auf und der Beckenbodenbereich wird besser durchblutet. Und generell sorgt das auf natürlichem Wege produzierte Östrogen bzw. Testosteron dafür, dass Frauen weiblicher und Männer männlicher wirken. „Es sind ja alles Regelkreisläufe, man kann nicht eine Wirkung auf nur eine Ursache zurückführen. Aber die Menge der Geschlechtshormone steigt, wenn viel lustvoller Sex erlebt wird. Und damit ändert sich auch die Ausstrahlung und die Wirkung auf mögliche Partner“, so Georg Pfau. Foto: iStockphotos.com/XXXXXXXXXXX Und danach – hat das hormonelle Feuerwerk seine glücklich machenden Spuren im Körper hinterlassen. Nach diesem langen hormonellen Vorspiel kommt es nun endlich zum sexuellen Akt. Jetzt tritt ein Hormon auf den Plan, dass dazu da ist, Sexualität zu einem gemeinschaftlichen Erlebnis zu machen, bei dem sich Verbundenheit einstellt. Wenn also ein Stoff dafür verantwortlich ist, dass Liebe blind macht, dann dieser: Oxytocin. Gebildet wird das Hormon im Hypothalamus, einer wichtigen Schaltzentrale des Gehirns. Der Hypophysen-Hinterlappen dient als Speicher. Genau genommen profitiert der Mensch schon sehr früh von den Wirkungen dieses Hormons – es löst nämlich den Geburtsvorgang aus, indem es die Gebärmutter-Muskulatur aktiviert. Danach stellt dieser Power-Stoff sicher, dass sich eine Mutter auch um ihr Baby kümmern und für es sorgen will. Für die Sexualität sind gleich beide Effekte förderlich. Denn: „Je mehr Oxytocin zum Zeitpunkt X in unserem Blut kreist, umso intensiver erleben wir die Gefühle beim Orgasmus“, schreibt der Chemiker Dr. Marco Rauland in seinem Buch „Feuerwerk der Hormone“. Um etwa das Dreifache ist der Oxytocinspiegel im Blut während des Orgasmus im Vergleich zum Normalwert erhöht. Durch das Hormon fallen die Zuckungen im Unterleib stärker aus. Bei der Frau ist es die Gebärmutter, deren Muskelkontraktionen die Orgasmusgefühle verstärken, beim Mann das rhythmische Pulsieren der Prostata. Und damit nicht genug: Das Hormon puscht auch emotional! So berichtet Marco Rauland über eine Untersuchung, bei der freiwilige Versuchspersonen Oxytocin mit einem Nasenspray inhalierten. Anschließend stimulierten sie sich selbst. „Die Wirkung Sex aktiviert auch das Immunsystem Wer zweimal pro Woche sexuell aktiv ist, erhöht die Konzentration von Immunglobulin A, also speziellen Eiweißstoffen, im Speichel um 30 Prozent. Dieses Immunglobulin steht beim körperlichen Abwehrkampf des Organismus an vorderster Front. Dies könnte erklären, dass sexuell aktive Menschen seltener Schnupfen haben. Mög- 22 Medical Tribune G&M September 2008 licherweise hat dies auch etwas mit der Beobachtung zu tun, dass sexuell aktive Männer ein etwas geringeres Risiko haben, an Prostatakrebs zu erkranken. Allerdings gilt hierbei in Bezug auf das Immunsystem: Die Dosis macht’s. Wer mehr als dreimal pro Woche heißen Sex hat, bei dem könnte die gegenteilige Wirkung auf- treten. So wiesen die niedrigsten IgA-Spiegel jene Zeitgenossen auf, die mindestens dreimal pro Woche sexuell ausgiebig ihren Spaß hatten. „Generell gilt: Allzuviel ist ungesund“, davon ist auch Georg Pfau überzeugt. Denn ab einer gewissen Obergrenze artet Sex in Stress aus. Und der schwächt das Immunsystem. war verblüffend: Die Testpersonen berichteten ausnahmslos über sehr gefühlvolle Orgasmen und manch einer sogar vom Orgasmus seines Lebens.“ Blockierte man hingegen die Wirkung von Oxytocin durch ein Medikament, so hatten die Versuchsteilnehmer zwar einen Orgasmus, empfanden allerdings kein Gefühl der Befriedigung oder Freude beim Höhepunkt. „Oxytocingesteuerte Menschen sind besser fähig, vertrauensvolle Beziehungen einzugehen, sich auf den Partner einzulassen“, erklärt auch Georg Pfau. Eine glückliche Beziehung ohne Stress und ohne viel Streit wiederum hat einen wesentlichen Einfluss auf die Lebensqualität und damit wiederum auf die Gesundheit. Aber auch das Hormon Prolaktin darf nicht unterschätzt werden. Vor dem Beginn der Erregungskurve wird es noch durch Dopamin unterdrückt, damit es nicht zum Spielverderber wird: Denn Prolaktin vermittelt das Gefühl von Befriedigung, Ruhe, Zuneigung und Zufriedenheit – also sozusagen den Zustand des Hinterher. Bei einigen Männern sorgt Prolaktin für den häufig zitierten Ef- fekt, sich direkt aus den Armen der Partnerin in Morpheus Arme begeben zu wollen. Bei anderen Männern kann die Prolaktinkurve nach dem Orgasmus aber auch steil nach unten sinken. Dann hat das Dopamin eine neue Chance, eine Erregungskurve zu starten. Doch das Phänomen, sofort nach dem erfüllten Liebesspiel wieder „startklar“ zu sein, ist recht selten. Viel Prolaktin hat auch etwas Gutes: „Wir dürfen Prolaktin für unsere grauen Zellen nicht verachten“, erklärt der Sexualtherapeut Pfau. „Denn Prolaktin aktiviert das endogene Stammzellenwachstum des Gehirns. Somit macht Sex auch schlau und kreativ.“ Und übrigens: Eine „mechanische Aktion“, die nur durchgeführt wird, um die Gesundheit zu fördern, hat nur wenig Heilwirkung. Beim Sex zählt nun mal das Feeling ... u Die Autorin Dr. Beatrice Wagner ist Humanbiologin und Journalistin für Wissenschaft und Medizin. ANZEIGE Speichel zeigt Karies die Zähne! Wem die Spucke wegbleibt, der kommt bald auf dem Zahnfleisch daher! Im wahrsten Sinne, denn Speichel ist unentbehrlich für die Mundgesundheit. Nach jedem Essen und Trinken bauen Bakterien den Zucker in der Nahrung zu Säuren ab. Karies entsteht, wenn diese Säuren die Zahnoberfläche angreifen und ihr notwendige Mineralstoffe entziehen. Hier setzt die Schutzfunktion des Speichels ein. Er umspült und reinigt die Zähne und puffert aggressive Nahrungssäuren ab. Zudem enthält Speichel wichtige Mineralstoffe wie z.B. Kalzium und Phosphat, die den Wiederaufbau des Zahnschmelzes f ördern. Es gibt ein einfaches Rezept, um den Speichel im Fluss zu halten und somit Karies vorzubeugen: regelmäßig einen zuckerfreien Zahnpflegekaugummi kauen, wie z.B. Wrigley’s Extra Professional Strong Mint. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kaugummikauen zusätzlich zum zweimal täglichen Zähneputzen hilft, das Kariesrisiko um bis zu 40 % zu reduzieren. Kaugummikauen stimuliert dabei den Speichelfluss bis um das Zehnfache! „Insbesondere nach dem Essen oder Trinken tagsüber, wenn keine Möglichkeit zum Zähneputzen besteht, sind spezielle Zahnpflegekaugummis aus medizinischer Sicht sehr zu empfehlen“, so Professor Joachim Klimek, Universität Gießen. Wissenschaftlich ist nachgewiesen: Kaugummikauen zusätzlich zum zweimal täglichen Zähneputzen hilft, das Kariesrisiko um bis zu 40 % zu reduzieren. September 2008 Medical Tribune G&M 23