Erasmus Erfahrungsbericht Madrid
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Erasmus Erfahrungsbericht Madrid
Erfahrungsbericht Erasmus Aufenthalt an der Universität Complutense de Madrid (UCM) Wintersemester 2011/2012 und Sommersemester 2012 von Henrike Fleischer Madrid und Spanien Für meinen einjährigen Auslandsaufenthalt hatte ich mich für Spanien entschieden, da ich zum einen meine Spanischkenntnisse vertiefen, zum anderen schon immer einmal längere Zeit in einem mediterranen Land leben und studieren wollte, um Kultur, Menschen und Lebensweise richtig kennen zu lernen. Neugierig war ich auch auf die Betrachtung Europas aus dem Blickwinkel eines anderen europäischen Staates. Meine Wahl fiel auf Madrid, da ich von seinem einzigartigen und vielfältigen kulturellen Angebot angezogen wurde und die Stadt als pulsierende Metropole einen aufregenden Kontrast zu meinem studentischen Alltagsleben in Heidelberg versprach. Auch war ich motiviert, in der Hauptstadt des Landes zu leben. Im zentralistischen Spanien ist Madrid das politische Zentrum, in dem gesellschaftliche Veränderungen, die Spanien seit den Zeiten des Bürgerkriegs und der Franco-Diktatur durchlaufen hat, und aktuelle politische Diskurse besonders spürbar sind. Ich erhoffte mir durch den Aufenthalt in Madrid, auch die Prozesse der rechtlichen und politischen Meinungsbildung des Landes intensiv verfolgen zu können. Wer nach Madrid kommt, ist sofort fasziniert von seinem einzigartigen Zusammenspiel von Tradition und Moderne, das sich auch im Stadtbild besonders widerspiegelt. Neben dem Königspalast laden viele historische Stadtteile und Gebäude zum Besichtigen ein, während sich Madrid in vielen anderen Teilen wieder als moderne Großstadt präsentiert. Dazu ist Madrid ein Schmelztiegel der vielfältigen Kulturen Spaniens. So kann man baskische und galizische Spezialitäten probieren, andalusischen Flamenco erleben und vieles mehr. Madrids Vielseitigkeit äußert sich auch durch die Verschiedenheit der Stadtviertel, die das Zentrum ausmachen. Neben den „typisch spanischen“, touristischen Stadtteilen und Einkaufsstraßen um die imposante Prachtstraße Gran Via herum und den Ausgehvierteln Huertas und La Latina, wo sich Restaurants und Tapas-Bars aneinanderreihen, lohnen vor allem das 1 alternative, studentische Viertel Malasaña mit individuellen Läden, Cafés und Bars, das extravagante Schwulenviertel Chueca und das Künstler- und Einwandererviertel Lavapies mit seinem besonderen multikulturellen Flair einen Besuch. In der Stadt, die nie schläft und die mehr als hundert Kinos, 20.915 Kneipen, Terrassen und Bars sowie 335 Clubs und Discotheken vorweisen kann, ist für jeden etwas dabei. Universität Complutense Die UCM ist eine sowohl innerhalb Spaniens als auch auf internationaler Ebene renommierte, historische Universität und mit ca. 88.000 Studenten die größte Präsenz-Universität Spaniens und sogar die zweitgrößte Universität Europas. Die einzelnen Fakultäten sind weit auf dem Campus der Ciudad Universitaria verstreut, sodass es keine Zentralmensa gibt, sondern jede Fakultät über ihre eigene cafetería verfügt. Einschreibung, Sprachkurs und Kurse der juristischen Fakultät Zunächst sollte man seine Ankunft beim Oficina de Relaciones Internacionales melden und sich dann beim jeweiligen oficina de Erasmus seiner Fakultät einschreiben. Mitte September bietet die Universität Complutense einen 2wöchigen freiwilligen und kostenlosen Sprachkurs an, für den es einen Einstufungstest gibt und an dessen Ende man nach regelmäßiger Teilnahme ein Zertifikat erhält. Diese Veranstaltung ist eine gute Gelegenheit, ins Spanische „hineinzufinden“ und andere Studenten kennen zu lernen. Anfang Oktober vor Vorlesungsbeginn gibt es eine Begrüßungsveranstaltung für die Erasmus- Studenten. Dort erhält man wichtige Informationen wie z.B. über Bibliothek und Ausleihe von Büchern, das Uni-Intranet und die Beantragung des Studentenausweises. Zusätzlich wird auch eine Einführungsveranstaltung für die Erasmus-Studenten der juristischen Fakultät abgehalten, in welcher vor allem das System der Kurswahlen erklärt wird. Obwohl Erasmus-Studenten aus dem gesamten Kursangebot auswählen dürfen, und die einzelnen Fächer mehrfach, d.h. von verschiedenen Professoren zu verschiedenen Zeiten vormittags und nachmittags unterrichtet werden, ist es gar nicht so einfach, sich einen 2 vernünftigen Stundenplan zusammen zu stellen. Nicht alle Professoren sind nämlich dazu bereit, Erasmus Studenten in ihre Kurse aufzunehmen. Dazu ist man unter Umständen in seinen Präferenzen und Interessen etwas limitiert, da nur wenige der in Spanien angebotenen Kurse für das deutsche Jurastudium von Relevanz sind wie z.B. Völkerrecht und Europarecht. Wer sich gar nicht mit dem spanischen Recht beschäftigen möchte, hat zwar noch die Möglichkeit, Kurse wie „Einführung in die Wirtschaft“, „Staatsfinanzen“ (Hacienda Pública) und Grundlagenkurse wie z.B. römisches Recht zu wählen. Allerdings ergibt sich bei einer so durchmischten Zusammenstellung aus verschiedensten Semestern häufig die Schwierigkeit, dass sich die für die Erasmus-Studenten in Frage kommenden Kurse zeitlich überschneiden. Problematisch ist auch, dass man an seine Kurswahl gebunden bleibt, sobald man sich einmal festgelegt hat. Zwar hat man die Möglichkeit, 2 Wochen lang unverbindlich Kurse zu besuchen, um sie auszuprobieren. Doch muss man nach dieser Probezeit auch schon für das 2. Semester verbindlich seine Kurse wählen, obwohl viele Kurse noch gar nicht probeweise besucht werden konnten, da diese nur semesterweise angeboten werden. Leider ist das oficina de Erasmus bei der Bewältigung dieser Probleme nicht sehr hilfreich und man sollte lieber nicht darauf hoffen, dass von dieser starren Regelung mal eine Ausnahme gemacht werden könnte. Empfehlenswert für das probeweise Besuchen der Kurse und der anschließenden Wahl ist vor allem, darauf zu achten, ob man den jeweiligen Professor auch gut verstehen kann. Mit Einführung des Bologna Systems werden die Kurse in theoretische (teóricas) Unterrichtsstunden und praktische Unterrichtsstunden (prácticas) unterteilt. Im theoretischen Teil gibt der Professor Frontalunterricht, so wie man es im deutschen Jurastudium gewohnt ist, ohne Interaktionen mit den Studenten. In den wiederum sehr an Schulzeiten erinnernden prácticas unterteilt der Professor die ganze Klasse in kleine Gruppen bis zu 15 Studenten, in denen Anwesenheitspflicht herrscht und Hausaufgaben aufgegeben und besprochen werden. Meistens sollen Fälle oder Urteile vorbereitet werden, manchmal wird auch der in den teoricas behandelte Stoff abgefragt. Die Beteiligung in den prácticas kann bis zu 40 % der Endnote ausmachen. Trotz sprachlicher Schwierigkeiten lassen sich die Kurse meiner Erfahrung nach mit vergleichsweise wenig Vorbereitung bestehen, wenn man regelmäßig den Unterricht besucht hat oder sich vollständige Mitschriften besorgt. Die Examen haben nahezu ausschließlich die 3 in der Vorlesung behandelten Themen zum Gegenstand, sodass die Mitschriften (apuntes) auch das Lehrbuch ersetzen können. Das Niveau der Veranstaltungen ist sehr von dem jeweiligen Professor abhängig. Überrascht hat mich besonders, dass insgesamt sehr wenig mit Gesetzestexten und Methodik gearbeitet wurde. Meistens durfte man auch in die Prüfungen kein Gesetz mitnehmen, sodass man sehr viel zum Auswendiglernen und schlichtem Reproduzieren angehalten wird. Leider lässt die Bibliothekenausstattung zum Teil zu wünschen übrig: aktuelle Gesetzestexte und Lehrbücher sind rar und sehr schwer zu ergattern. Auch darf man Bücher nur eine Woche ausleihen. Gesetzestexte sind sehr viel teurer als in Deutschland und auch das Kopieren in der Fakultät ist etwas teurer als in deutschen Universitäten. Obwohl das Kopieren von kompletten Werken verboten ist, haben einige Copy Shops eine Lizenz zum Kopieren von Lehrbüchern. Zwar ist der Preis pro Seite dann doppelt so hoch wie bei „normalen Kopien“, sodass das kopierte Buch schlussendlich genauso viel wie das Original kostet, doch ist es erlaubt, von dem kopierten Werk wiederum Kopien zum Normaltarif machen zu lassen. So hat man die Möglichkeit, die Bücher günstiger zu erwerben, wenn man sich mit seinen Kommilitonen zusammen tut. Positiv hervorzuheben ist, dass es an der juristischen Fakultät häufig Gastvorträge und Podiumsdiskussionen über aktuelle Themen gibt, die von jedem besucht werden können, so z.B. über die Eurokrise und ihre Auswirkungen auf Spanien, Eurobonds und die Verankerung von einer Schuldenbremse in der Verfassung. Wohnungssuche: Madrids Mietpreise sind astronomisch, sodass es fast nicht möglich ist, ein ansprechendes Zimmer im unmittelbaren Zentrum unter 400 € zu finden. Studentenwohnheime wie in Deutschland gibt es in Madrid nicht, sondern nur sogenannte residencias, in denen für die Studenten auch gekocht und Wäsche gewaschen wird und deren Miete an die 600 € monatlich kostet. Studentische Wohngemeinschaften mit Spaniern sind schwer zu finden, da die meisten Studenten bei ihren Eltern zuhause wohnen. Studenten aus anderen Städten mit wohlhabenden Eltern oder diejenigen, die neben dem Studium noch arbeiten, können es sich leisten, in einer WG zu wohnen, doch das sind nur wenige. Die meisten Spanier wohnen erst dann in einer 4 WG, wenn sie einen festen Job haben. Daher gibt es viele Wohngemeinschaften von Erasmus Studenten. Viele Studenten-WGs können sich auch ihre Mitbewohner gar nicht aussuchen, da häufig der Vermieter die neuen Mieter sucht und bestimmt. Er nimmt natürlich gleich denjenigen, der als erstes zusagt. Da auf diese Weise die Hürde des „Castings“ entfällt, ist es leicht, ein Zimmer zu bekommen, für das man die Chance der Besichtigung erhalten hat. Der Nachteil ist, dass man seine zukünftigen Mitbewohner bei der Wohnungsbesichtigung eventuell gar nicht zu Gesicht bekommt. Häufig verläuft das Mietverhältnis auch ohne schriftlichen Vertrag. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man meiner Meinung nach aber lieber auf das Aufsetzen eines Mietvertrags bestehen, in dem auch die Zahlung der Kaution festgehalten wird. Im Internet kann man auf den Seiten www.idealista.com, www.easypiso.com und www.segundamano.es nach Wohngemeinschaften (pisos compartidos) suchen. Mir persönlich hat am besten die Seite idealista.com gefallen (easypiso.com gestattet eine erweiterte Suche nur für Bezahlung). An der Metro Station des Unicampus Ciudad Universitaria, an den Busstationen auf dem Campus, sowie in den Fakultäten selbst hängen an Anschlagetafeln auch oft Aushänge. Eine bei Studenten sehr beliebte Wohngegend ist das alternative Viertel Malasaña oder das Schwulenviertel Chueca. Etwas günstiger wohnen als im unmittelbaren Zentrum, aber immer noch sehr zentral kann man in den Vierteln Argüelles, Quevedo und Cuatro Caminos. Die Metro Verbindung ist so gut, dass man in wenigen Minuten im Zentrum ist. Auch in dem Einwanderer- und Künstlerviertel Lavapies sind die Mieten deutlich niedriger, doch muss man hier abends und nachts etwas mehr auf seine Sicherheit Acht geben. Fortbewegung Obwohl Madrid uferlos erscheint, muss man selten riesige Distanzen überwinden, wenn man einigermaßen zentrumsnah wohnt. Innerhalb des Zentrums kann man Vieles sogar zu Fuß erreichen. Das beste und schnellste Mittel, um sich fortzubewegen ist die Metro. Die hochmoderne Metro Madrid hat ein sehr übersichtliches Streckennetz und umfasst nicht nur die Stadt selbst, sondern auch den Flughafen und mehrere Vororte. Unter der Woche zu Hauptverkehrszeiten 5 fahren die Züge in Zentrumsnähe alle 2-4 Minuten, weiter entfernt oder zu ungünstigeren Zeiten alle 6-8 Minuten. Monatskarten, Zehnfahrtentickets und Einzelfahrscheine waren bis dato noch sehr günstig, doch soll sich dies im Zuge der geplanten Einsparungsmaßnahmen in Spanien bald ändern. Alternativ kann man mit Madrids Stadtbussen fahren, doch ist es etwas schwierig, den exakten Fahrplan der Busse herauszufinden. Auch kommen die Busse nicht zu festgesetzten Zeiten. Fahrradfahrer sieht man auf Madrids Straßen fast nie. Weitere Strecken in die Umgebung Madrids kann man mit Bussen oder den Cercanías (Vorortzüge) der spanischen Staatseisenbahn Renfe zurücklegen, die auch in das Metronetz integriert sind. Reisen Madrid eignet sich aufgrund seiner zentralen Lage hervorragend als Ausgangspunkt für Ausflüge und Reisen. Im Umkreis von Madrid gibt es lohnende Tagesausflugsziele wie Segovia, Toledo, Aranjuez und Escorial. Mehrere Busunternehmen fahren zu jeder Tages und Nachtzeit in alle Teile Spaniens. Die schnellere (aber sehr viel teurere) Alternative sind die Hochgeschwindigkeitszüge (AVE) des Renfe, die in 2 ½ Stunden nach Sevilla oder Barcelona rasen können. Billigfluglinien wie Easyjet und Ryan Air haben in Madrid eine Basis, sodass man für einen Besuch auch fernere Ziele wie Marokko, Portugal oder die Kanarischen Inseln in Erwägung ziehen kann. Kultur und Sport Madrid hat ein vielfältiges kulturelles Angebot. Neben den 3 berühmten großen Kunstmuseen Prado, Reina Sofia und Thyssen-Bornemisza gibt es ein breites Spektrum an Museen, Ausstellungen und Galerien. Die Musikszene reicht von traditionellem Flamenco, spanischen Operetten (Zarzuelas) und klassischen Opern über lateinamerikanische Salsa-Musik bis zu Pop-, Rock-, Electro- und House-Massenkonzerten von Weltrang; Live-Konzerte jedes 6 Genres gibt es überall andauernd. Der Anfang der Prachtstraße der Gran Via, wo sich Kinopaläste und Musicals aneinander reihen, erinnert an New Yorks Broadway. Bekannt ist Madrid auch für seine Jazz-Cafés mit Live-Konzerten. In Madrids verschiedensten Diskotheken und Tanzbars findet schlussendlich jeder etwas nach seinem Musikgeschmack. Fussball hat generell in Spanien und in Madrid ganz besonders einen hohen Stellenwert. Einen Besuch lohnt das Stadion Santiago Bernabéu des Vereins Real Madrid oder das Vicente-Calderón-Stadion des Vereins Atlético Madrid. Der Unisport der Complutense ist leider schlecht organisiert und daher schwer zu durchschauen. Es gibt Fussball und Rugby-Teams, und man kann sich auch für Gymnastik oder Fitness Kurse anmelden. Plätze sind jedoch sehr begrenzt und dazu auch nicht gerade günstig. Um Sport zu treiben kann man sich auch in einem der mehr als vierzig öffentlichen Sporteinrichtungen Madrids anmelden, wo man für wenig Geld Fußball- oder Tennisplätze reservieren, eine Tanzstunde nehmen oder einfach im Fitnessstudio trainieren kann. Die Parks Templo de Debod, Parque Oeste, Retiro und Casa de Campo bieten gute Möglichkeiten zum Radfahren und Joggen und im Sommer öffnen verschiedene Freibäder. Die Stadt Madrid organisiert jedes Jahr einen Marathon und einen Halbmarathon und mehrmals im Jahr sportliche Veranstaltungen wie z.B. Wohltätigkeits-Läufe. Tipps für die Anfangszeit Obwohl der Personalausweis zum Einreisen ausreicht, sollte man seinen Reisepass auf jeden Fall mitbringen, da häufig explizit der Reisepass gefordert wird, wenn man z.B. ein Bankkonto eröffnen oder eine Handy Prepaid-Karte kaufen möchte. Für Prepaid-Karten gibt es verschiedene Anbieter, die sich in ihren Tarifen nicht sonderlich unterscheiden. Kurze Telefonate sind teurer als in Deutschland, da man für den Rufaufbau mehr bezahlen muss als für die darauf folgenden Minuten des Telefonierens. 7 Empfehlen würde ich Vodafone oder Orange (Happy Mobile und Yoigo sind zwar die billigsten Tarife, doch hat man dann manchmal Probleme mit der Netzfindung). Studenten können bei der Bank Santander gebührenfrei ein Girokonto einrichten. Es empfiehlt sich, vor Reiseantritt eine größere Anzahl an Passfotos zu machen, da man gerade in der Anfangszeit bei der Einschreibung in der Uni (für Sprachkurs, Studentenausweis und die Namenskärtchen der Professoren (fichas) etc.) immer wieder Passfotos braucht. Da es in Madrid viele Taschendiebe gibt, sollte man nicht nur in der Metro, in Clubs und dichtgedrängten Menschenmassen sondern auch in Cafés und Parks immer gut auf seine Sachen aufpassen! Wer sich einen regen Kontakt mit Spaniern wünscht, sollte versuchen, in eine WG mit Spaniern zu ziehen, da durch das gemeinsame Wohnen der Kontakt besonders intensiv ist und man so die spanische Lebensweise am Besten kennen lernt. In der Uni ist es nicht einfach, Kontakte mit Spaniern zu knüpfen, da die spanischen Studenten dort bereits ihren festen Freundeskreis haben und selten von sich aus die Initiative ergreifen, ausländische Studenten kennen zu lernen. Fazit Mein Erasmus-Aufenthalt in Madrid war eine tolle Erfahrung und in vieler Hinsicht eine große Bereicherung, die ich unter keinen Umständen missen möchte. Durch das Studium hatte ich die Möglichkeit, einen Einblick in eine andere Rechtsordnung zu erhalten und mich vertieft mit Themen beschäftigen zu können, für die während des Heidelberger Studiums nicht genug Zeit geblieben wäre, die aber für die juristische (Aus)Bildung sehr wichtig sind. Das Leben in Madrid hat mir unglaublich gut gefallen. Die Stadt hat so viele verschiedene Attraktivitäten zu bieten, dass es selbst nach einem Jahr noch hunderte von Gründen gibt, noch einmal für einen Besuch zurückzukommen. Auch wenn viele Dinge im Alltagsleben in 8 Spanien länger als in Deutschland dauern oder auch mal nicht funktionieren, wird man zwangsweise von der spanischen Lebensfreude angesteckt, die überall in den Straßencafés und Bars und Plätzen Madrids spürbar ist. Durch die optimale geographische Lage der Stadt und die guten Reisemöglichkeiten konnte ich viele Teile Spaniens besuchen und die Verschiedenheit der autonomen Gemeinschaften mit ihren eigenen Kulturen und Sprachen kennen lernen, was für das Verständnis des Landes wesentlich ist. Auch denke ich, dass ich in keiner anderen Stadt Spaniens die gegenwärtige politische Meinungsbildung so deutlich hätte wahrnehmen können. Mit Verschärfung der Finanzkrise und der wirtschaftlichen Verschlechterung Spaniens gehörten Demonstrationen und Proteste gegen die sozialen Kürzungen durch die Regierung bald zum täglichen Leben. Mehrmals während meines Aufenthaltes gab es einen Generalstreik. Die öffentliche Wahrnehmung Deutschlands erfuhr ich nicht nur durch die Zeitungen sondern auch unmittelbar durch die Menschen, die mit mir als Deutscher oft den Diskurs suchten. Dennoch scheint die Krise und die tragische Situation der Jugendarbeitslosigkeit in Spanien die Lebendigkeit und Lebensfreude der Stadt kaum zu dämmen. Nach wie vor sind Bars und Restaurants vor allem an den Wochenenden brechend voll und die Madrileños machen sich zu fortgeschrittener Stunde auf zur berühmte Madrider "marcha", wie hier das Nachtleben genannt wird. Ich würde mich wieder für ein Auslandsjahr und insbesondere für Madrid entscheiden und kann nur empfehlen, sich die Zeit für einen Erasmus-Aufenthalt zu nehmen. Die mit Sicherheit größte Bereicherung waren für mich die Begegnungen und Freundschaften mit anderen jungen Leuten Europas, die sicherlich auch mein Verständnis für Europa positiv beeinflusst haben. 16. Juli 2012 9