CURA ANIMARUM

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CURA ANIMARUM
CURA ANIMARUM
Seelsorge im Deutschordensland
Preußen
Herausgegeben von
Stefan Samerski
2013
BÖHLAU
VERLAG
KÖLN WEIMAR
WIEN
ARl\O MENTzEL-REuTERs
DER DEUTSCHE
ORDEN ALS GEISTLICHER
ORDEN'
Ein mittelalterlicher Ritterorden ist immer ein geistlicher Orden. Die Forschung trägt
dem Rechnung, indem sie heute vom "Deutschen Orden" spricht und andere Bezeichnungen nur mehr in ihrem historischen Kontext benutzt.' Der eher säkulare "deutsche
Ritterorden" ist etwas Neuzeitliches, der "deutsche Ritterorden", wie ihn Heinrich
von Treitschke- darstellt, gar das Produkt einer Geschichtsklitterung.' Darüber wäre
eigens zu handeln: Hier beschränke ich mich auf das Mittelalter.
Thematisch geht es nicht nur um das in zahlreichen jüngeren Forschungen behandelte "Selbstverständnis" des Deutschen Ordens,' sondern zu einem nicht unerheblichen Teil um ein von außen an den Deutschen Orden herangetragenes Verständnis, das sich nicht zuletzt aus den durch die Errichtung als ,ordo militaris"
vorgegebenen Rollen speist. Hier handelt es sich um von außen vorgegebene Aufträge und Erwartungen, denen die innere normative Selbstsetzung nicht zwangsläufig entsprach - ebenso wie diese in der Innenansicht ganz anders ausgestaltet
*
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3
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5
Dieser Beitrag ist Udo Arnold zu seinem 70. Geburtstag am 6.9.2010 gewidmet. Am Abend dieses
Tages wurde der ihm zugrunde liegende Vortrag in Danzig-Oliva gehalten.
Das modeme Bild des Ordens wurde maßgeblich bestimmt durch die von der Internationalen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens gestaltete Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums 1990 in Nürnberg und ihren Katalog: 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellungskatalog
des
Germanischen Nationalmuseums.
Hg. v. Gerhard BOTTund Udo ARNoLD,Gütersloh 1990.
Zu Heinrich von Treitschke (1834--1896), Professor für Geschichte in Berlin und nationalliberaler
Reichstagsabgeordneter
FRP';U:\. Ansgar: Treitschke. Heinrich von. In: Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon (BBKL) 12 (1997),442--444. - Speziell zum Deutschen Orden: TREITSCIIKE,Heinrich
von: Das deutsche Ordensland Preußen. In: DERS.,Ausgewählte Schriften Bd. I, Leipzig 31907, 48-135.
Die Rezeption von Treitschkes Deutschordensbild
nach 1945 behandelt BoocKMANN, Hartmut: Der
deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 1981 (Beck'sche Sonderausgaben),
242f. Vg!. auch Anm. 128.
MILlTZFR,Klaus: Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens. Bd. I. 1190--1309, Marburg 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen
Ordens 56 / Veröffentlichungen
der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des
Deutschen Ordens 9), 96-109. - ME"TZFI-RH:TFRS, Arno: Arma Spiritualia. Bibliotheken, Bücher und
Bildung im Deutschen Orden. Wiesbaden 2003 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 47), 1742. - Allgemein zusammenfassend CZAJA,Roman: Das Selbstverständnis der geistlichen Ritterorden
im Mittelalter. Bilanz und Forschungsperspektive.
In: Selbstbild und Selbstverständnis der geistlichen
Ritterorden. Hg. v, Roman CZAJAund Jürgen SAR:\OWSKY,Torun 2005 (Ordines militares 13), 7-22.
Zum Begriff und seiner Abhängigkeit von der Zisterzienserspiritualität
DEMURGER,Alain: Die Templer. Aufstieg und Niedergang 1120-1314, München 1991,37-46.
16
Amo Mentzel-Reuters
gewesen sein konnte als in der nach Außen gerichteten Präsentation." Völlig offen
bleibt, inwieweit einer solchen aus polyvalenten Rollenerwartungen erwachsenden
Organisation eine überindividuelle Willensbildung unterstellt werden kann.' Man
muss sich wohl darauf beschränken, Gemeinsamkeiten in verschiedenen Bereichen
des Alltagslebens und seiner Organisation aufzuzeigen. Insofern besteht die hier gestellte Aufgabe darin, einmal die Spiritualität und zum zweiten die Lebenswirklichkeit der dem Deutschen Orden vorgegebenen Statuten zu untersuchen. Nur was sich
gleichermaßen in verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens niederschlug,
kann als die Gemeinschaft prägendes Moment gelten. Hier wird es um die Rituale
gehen, die das Ordensbuch vorschrieb. Welche Ausprägungen erfuhren sie in personeller Organisation, Architektur und Literatur (im weitesten Sinne)?
Es gehört zu den Besonderheiten des Ordenslebens, dass es sich weit über die Liturgie hinaus schriftlich fixierter Rituale bedient. Wenn im Verlaufe des Aufnahmerituals der Meister dem um Aufnahme Ersuchenden den weißen Mantel mit schwarzem
Kreuz verlieh,' so bedeutete dies fur den neuen "miles christianus" die lebenslängliche Unterwerfung seiner bislang höfischen Lebensweise unter die "Ordensregel" im
Sinne des hI. Benedikt und erhob gleichzeitig den weltlichen Ritter zum "coenobita",
zum in Gemeinschaft lebenden Mönch." Er war für würdig befunden worden, den
"habitus" zu tragen, insbesondere den Ordensmantel.'? Schon die Templer verbanden
- und nach ihrem Vorbild später die Ritterbrüder des Deutschen Ordens" - programmatisch das weiße Gewand der Zisterzienser mit dem Symbol des Kreuzfahrers." Unklar ist, wie weit der immer wieder diskutierte Einfluss der Dominikaner reichte bzw.
6 Diesen Unterschied arbeitet heraus BCRGTORF,Jochen: Das Selbstverständnis der Templer und Johanniter im Spiegel von Briefen und Urkunden (12. und 13. Jahrhundert). In: Selbstbild (wie Anm. 4),
23-46, hier 24f.
7 BURGTORF(wie Anm. 6), 24: ,,Im Falle der Ritterorden kommt hinzu, daß idealerweise das Selbstverständnis des Individuums und das des Kollektivs eine Einheit bildeten. In der Praxis traten die beiden
jedoch bisweilen auseinander, d.h. neben dem kollektiven Selbstverständnis
blieb das individuelle
Selbstverständnis manchmal deutlich erkennbar." Doch kann auch aus der Unkenntlichkeit individueller Anliegen nicht auf deren Auflösung in einem kollektiven Willen geschlossen werden.
8 Zum Deutschordenshabit
und seiner Symbolik SALCH, Dieter: Vestis alba et crux nigra - weisser
Mantel und schwarzes Kreuz. Die Insignien des Deutschen Ordens. Ein Beitrag zum Recht und zur
Rechtsgeschichte des Deutschen Ordens. Marburg 2009 (Quellen und Studien zur Geschichte des
Deutschen Ordens 62 / Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 7).
9 SCHWAIGER,
Georg: Mönchtum,
München42003,292.
lODEMURGER (wie Anm. 5),67.
I1 SALClI(wie Anm. 8),44-46.
12 SALCH(wie Anm. 8), 5-7.
Orden, Klöster. Von den Anfangen bis zur Gegenwart.
Ein Lexikon,
Der Deutsche Orden als geistlicher Orden
17
(was ich für unwahrscheinlich halte) inwieweit die Statuten des Deutschen Ordens auf
den Predigerorden ausstrahlten."
Solchen Befunden widerspricht nicht, dass die Ritterorden diese historische Ableitung schon bald nicht mehr zur Kenntnis nahmen und im Deutschen Orden sogar
die Vorstellung seiner himmlischen Begründung vor aller Zeit vertreten wurde." Die
Ritterorden mussten mit beständiger spiritueller Konkurrenz der anderen Gemeinschaften leben und waren von Anfang an, insbesondere aber nach dem Verbot der
Templer, dem Vorwurf ausgesetzt, keine richtigen Mönche zu sein. Die Reaktionen
hierauf verdienten eine eigene Untersuchung; grob gesehen scheint es aber so, dass
die "ordines rnilitares" die Reformorden des Hochmittelalters nicht kopieren, sondern
ergänzen wollten - gelegentlich dann wohl auch übertreffen.
Ein Bestehen gegen diese Konkurrenz war möglich, solange im Adel ein Bewusstsein für eine spirituelle "Ritterschaft" existierte. Der Adel war gleichermaßen fur das
Requirieren neuer Mitglieder wie als Errichter von frommen Stiftungen zugunsten des
Ordens von zentraler Bedeutung. Seiner Befriedung galten der Kreuzfahreraufrufund
das spirituelle Programm der Ritterorden. Die Schriften Bernhards von Clairvaux, so
verbreitet sie unter dem Klerus auch waren, haben ihn kaum erreicht.
So war es von hoher Bedeutung, dass der "miles christianus" in die höfische Literatur eindringen konnte. Im .Parzival" des Wolfram von Eschenbach klingen Motive der
"militia Christi" nur an; immerhin werden die Gralsritter nach dem altfranzösischen
.Jempliers" als "Templeisen" bezeichnet; ihre riesige Burg ist um einen "Tempel" herum gebaut." Deutlicher sind die Bezüge im ersten altfranzösischen Prosaroman, dem
sogenannten .Perlesvaus", 16 Hier erringt der zweitbeste Ritter, Gauvain, den Schild
des Judas Makkabäus. Perlesvaus selbst ist ein sehr aggressives und seine Erblande
mit dem Schwert christianisierendes Alter Ego von Chretiens und Wolframs Perceval/Parzival. Er trim am Ende des Romans nach einer westwärts gerichteten Seereise
zu einer geheimnisvollen Insel auf eine Schar Ritter in weißen Gewändern mit roten
13 Hierzu - keineswegs abschließend MILlTZER(wie Anm. 4), 49. - In der Liturgie ist der Einfluss der
Dominikaner besser belegt, da Papst Innozenz IV. am 13. Februar 1244 dem Deutschen Orden gestattete, Messe und Stundenliturgie nach dem Ritus der Dominikaner zu feiern. Die Entstehung einer
eigenen Deutschordensliturgie liegt aber nach wie vor im Dunkeln. Einzelfragen beleuchten LÖFFLER,Anette: Die Reimoffizien des Deutschen Ordens. Liturgische Aspekte der Heiligenverehrung.
In: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat in Preußen. Leben und Nachleben.
Hg. v. Jaroslaw WENTA,Sieglinde HARTMANN
und Gise1a VOLLMANN-PROFE,
Torun 2008 (Sacra bella
septentrionalia I), 107-123.
14 Vgl. Anm. 61.
15 MERTENs,Volker: Der Gral. Mythos und Literatur, Stuttgart 2003, 71.
16 Le Haut Livre du Graal (Perlesvaus). Texte etabli, presente et traduit par Armand STRUBEL,
Paris 2007
(Lettres Gothiques), 1000-1013. - Das Werk wird zwischen 1200 und 1225 datiert. LOOMIS,Roger
Sherman: The Grail. From Celtic Myth to Christian Symbol. Princeton 1963,99.
18
Arno Mentzel-Reuters
Kreuzen,'? die den aus Europa entschwundenen
Gral in einem monumentalen Refektorium verwahren und dereinst auch den Helden aufnehmen wollen. Am radikalsten
tritt der "miles christianus" aber Mitte des 13. Jahrhunderts in der Schlussredaktion
des altfranzösischen
Lancelot-Gral-Zyklus
auf. Der überaus höfische, aber sündige
Minneritter Lancelot zeugt unwissend den besten Ritter - Galaad - der der Welt entsagen und in der orientalischen Stadt Sarras in Anbetung des Grals verscheiden wird,
während das Artusreich in sinnlosem Morden untergeht. Da den Helden immer wieder
"weiße Mönche" zur Seite stehen, ist die Vermutung geäußert worden, es handele sich
bei dieser Redaktion um ein Werk aus dem Umfeld der Zisterzienser."
Die Verbreitung dieser Literatur im europäischen Adel kann kaum überschätzt
werden; ihre Kenntnis brachten nicht nur die neuen Mitglieder in die Schar der Ritterbrüder, auch die Jahr für Jahr in Königsberg eintreffenden adligen Preußenfahrer
werden ihre Kunde verbreitet haben. Tilo von Kulm, samländischer
Domherr und
mithin Priesterbruder des Deutschen Ordens, ließ in seiner allegorischen Ausdeutung
der zwölf apokalyptischen
Siegel den Graloberhalb
von Noahs Arche schweben."
Dieses von ihm nicht kommentierte
Bild setzt die Kenntnis des altfranzsösischen
Prosa-Lancelot voraus.
Nichtsdestotrotz
waren höfische Romane nicht als geistige Speise für die Ordensbrüder selbst gedacht und wurden dort auch wohl nur, falls überhaupt, privatim gele-
sen."
Überhaupt
ist die Spiritualiät
im Orden von jener der höfischen Romane verschie-
den. Perlesvaus und Galaad lasen nicht und ließen sich auch nur im Ausnahmefall
etwas vorlesen. Der Ritterbruder war (und der Priesterbruder naturgemäß noch mehr)
mit der Bücherwelt konfrontiert. Das geschah nicht dadurch, dass man ihm ein Studium auferlegte, wie dies die Bettelorden taten. Die Bildungsanforderungen
waren
vielmehr gering." Die Konfrontation ergab sich aus der Übernahme der klaustralen
Lebensform.
17 "Li uns des maistres
paignie.
11avoient
sona un appel .iii. cols: II i vinrent
Le Haut Livre du Graal (Perlesvaus).
(Lettres
Gothiques),
burg 1889 (Klassische
1002,24-26.
Dichtungen
Meister, AMR) drei Zeichen
Texte etabli, presente
In deutscher
und Dichter
mit einer Glocke,
in den Saal, alle in weißen Gewändern
der "Militia
Christi"
.xxx. et .iii. home en la salle, tot d'une
blans dras vestus, et n'i avoit celui qui n'eüst une vermeille
im Roman
Übersetzung
corn-
croiz en mi son piz".
et traduit par Armand
STRUßEL, Paris 2007
GIETMANN,Gerhard:
Ein Gralbuch.
Frei-
3 l, 364: "Nun gab aber der eine der Führer [eigent!.:
und sieh, dreiunddreißig
Männer
traten nacheinander
und mit einem rothen Kreuze auf der Brust." - Zur Frage nach
äußert sich STRCBELin Einleitung
EBD.73f. sehr zurückhaltend.
18 MERTENS(wie Anm. 15), 119f.
19 MENTZEL-REUTERS,Arno: "Durch
formschritt.
Freimut
In: Yom vielfachen
mins herczen
Schriftsinn
LOSERund RalfPÄsLER, Hamburg
20
Für Troja-Dichtungen
21
MENTZEL-REUTERS:Arma spiritualia
gral". Die .Siben
im Mittelalter.
2005, 283-307,
speziell
zeigt dies MENTZEL-RECTERS:Arma spiritualia
(wie Anm. 4), 43-48.
Ingesigel"
Festschrift
Tilos von Kulm als Re-
für Dietrich
zum Gralsmotiv
Schmidtke.
Hg. v.
305-307.
(wie Anm. 4), 200 und 301 f.
Der Deutsche
Orden
als geistlicher
19
Orden
Im Zentrum dieses Lebens stand das so genannte "Ordensbuch".
Es umfasste im
Falle des Deutschen Ordens die um 1250 definierte Ordensregel, die später daran
gelagerten "Gesetze" (d.h. ergänzende Beschlüsse der frühen Generalkapitel bzw. einzelner Hochmeister) und die in ihrer Entstehung nicht mehr zu verifizierenden, gleichwohl mit normativer Kraft besetzten "Gewohnheiten".
Darüber hinaus enthielten die
Ordensbücher noch eine Reihe kleinerer Texte, von denen später die Rede sein soll.
Rechtssetzungen
wurden in diesem System durch spätere Beschlüsse oder Verordnungen nicht aufgehoben, sondern repetiert und meist auch präzisiert. Widersprüche
zwischen einzelnen Regeln galt es nach dem von Gratian entwickelten Grundprinzip
einer "concordantia disconcordantium"
zu harmonisieren.
Damit wurde es möglich,
über mehrere hundert Jahre nach einer Regel zu leben, die im Ursprung auf ganz bestimmte Verhältnisse zugeschnitten war. Dies waren im Falle des Deutschen Ordens
das Königreich Jerusalem und die Nachbarschaft der älteren Ritterorden vom Tempel
des Herrn und vom hI. Johannes.
Der Deutsche Orden wurde von seinen Begründern - zu denen maßgeblich auch
Personen zählten, die ihm dann nicht angehörten, aber an seiner Existenz interessiert
waren und ihn prägten - nicht als eine Kopie, sondern als eine Weiterentwicklung
dieser älteren Orden verstanden. Damit verbanden sie jedoch nicht den Gedanken
einer Elite oder Supremie." In diesem Umfeld war der Deutsche Orden so etwas wie
einjüngerer Bruder, durchaus nicht von den anderen abhängig, aber stets im Schatten
der anderen beiden Orden. Mit der Verlegung des Hochmeistersitzes
nach Marienburg
im Jahr 1309 emanzipierte sich der Deutsche Orden aus dieser Nachordnung."
Er
bestand zu diesem Zeitpunkt seit ungefähr 120 Jahren; die Ordensregel seit ungefähr
60 Jahren.
Solche zeitliche Dimensionen muss man beachten, wenn man über die Statuten
und ihre Vorbilder spricht. Der Deutsche Orden in Preußen 1309 war eine andere
Korporation als der Deutsche Orden 1244 (dem mutmaßlichen Datum der Deutschordensregel") im Königreich Jerusalem. Hier war er ein Ritterorden unter vielen, dort
der Landesherr,"
22
Die umstrittene
These
von einem projektierten
Anm. 3), 55 - vorsichtiger
ses Konzept,
23
staufischen
so es denn bestand,
spätestens
beim Tode Konrads
Zu um 1250 gemachten
Versuchen,
Heilige
Land zu binden,
und deren Niederschlag
über Beschlüsse
aufgestellt
Analog
dazu die das neue Haupthaus
in Venedig
25
Die Landesherrschaft
wurde als eine Nebenfunktion
vor unsern hömeister
unde vor alle gebitere
Ordens.
von Generalkapiteln
betreffenden
MILlTlER (wie Anrn. 4), 48. Das genaue
stellen, es muss aber vor 1251 gelegen
von Thüringen
in den Statuten
24
tuten des Deutschen
Hausorden,
MIl.ITZER(wie Anm. 4), 147f. - kann hier vernachlässigt
weil die-
1240 obsolet wurde.
den Hochmeister
an das
MILlTZER (wie Anm. 4), 148-152.
Beschlüsse:
Datum der Beschlussfassung
BOOCKMAN:-.I
(wie
werden,
cbd., 159-162.
über die Regel ist nicht festzu-
haben: ebd., 49.
des Hochmeisteramtes
unsers ordens,
Hg. v. Max PFRLBACII,Halle,
verstanden:
den lant un de lute bevolen
1890, 131, 38f.
"Bittet
ouch
sint", Die Sta-
20
Amo
Mcntzel-Rcuters
Noch elementarer war die Emanzipation,
die der Templerorden erreichte. Wenn
man sich um 1244 für die Deutschordensregel
am Vorbild der Templer orientierte,
galt dies dem zeitgenössischen
Templerorden. Er bestand zu diesem Zeitpunkt seit
etwa 100 Jahren und hatte sich in erstaunlicher und nicht vorhersehbarer
Weise entwickelt. Hugo von Payns (ea, 1080-1137) und seine ersten Gefährten hatten sich als
kleiner ritterlicher Kampfverband unter die Regel der Kanoniker vom Heiligen Grab
gestellt", er und seine Nachfolger mussten sich die Stellung der Gruppe als eigener "Orden" mit eigener Regeln erst erkämpfen, und mehr noch die Anerkennung
als spirituelle Gemeinschaft sui generis." Die benediktinischen
Ordenszweige sahen
mit Misstrauen auf die ihrer Meinung nach unangemessene
Verbindung von Krieger- und Mönchstum." Denn anders als die Johanniter, die als klerikale Institution
begannen, verfügten die Templer zunächst nicht über eigene Priester und damit auch
nicht über Eigenkirchen. Das Recht hierauf wurde ihnen erst nach etwa 20 Jahren in
der Erstfassung der Bulle "Omne datum optimum" durch Innozenz 11. im Zuge einer
fortschreitenden
Emanzipation gegenüber dem Weltklerus zugestanden (1139). Die
Deutschordensregel
hingegen unterschied von vorne herein zwischen Priesterbrüdern
und Laienbrüdern, und unter den Laienbrüdern wiederum zwischen Ritterbrüdern,
Graumäntlem " und weiteren dienenden Gruppen von Laien", darunter auch - es wird
noch die Rede davon sein - Frauen.
Die während des gesamten Mittelalters nie wesentlich veränderten Deutschordensstatuten beschrieben einen vornehmlich aus adligen Laien gebildeten, im Heiligen Land angesiedelten
Ritter- und Hospital-Orden,
wie er in den Köpfen ihrer
Urheber um 1244 existierte." Aber die Texte waren schon zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift nicht frei von Fiktion. Es waren die Wunschvorstellungen,
die allerdings
nicht aus dem Nichts entstanden"
und die vor allem seitens des Papsttums an den
neuen Orden herangetragen
wurden - auch wenn vielleicht der päpstliche Legat
26
DEMURGER(wie Anm. 5), 17-26.
27
DEMURGER(wie Anm. 5), 59f.
28
DEMURGER(wie Anm. 5), 59-65. 1139 wurde der Orden exemt.
Mantel mit dem roten Kreuz verliehen.
29
BARBER,Malcolm:
30
So genannte
Halb-
Geschichte
oder Serjantbrüder.
Burchards
von Schwanden
Gesetze
Burchards
nur vier Mal vertreten,
Düsseldorf2005,
gewidmet.
52-56.
4). 68-70.
Ihnen ist der Großteil
In den Statutenhandschriften
die daraus gezogenen
Gesetze
der
sind die vollständigen
über die Halbbrüder
aber in
Codices.
31
Ausführlich
32
Zur Entstehung
zu den einzelnen
der Statuten
Gruppen
gegeben
für den Deutschen
daran, dass es schon 1198 eine Vorläuferregel
haben muss. über die jedoch
Orden konfirmiert,
sten aber den Templern
MILlTZER(wie Anm. 4).53-78.
MILlTZER(wie Anm. 4), 47-52.
MILlTZER(wie Anm. 4),4 7f. erinnert
der Johanniter
und Mythos.
MILlTZER (wie Anm.
Gesetze
zehn weiteren
33
Die Templer.
1147 wurde ihm als Habit der weiße
entsprechen
nichts bekannt
dass die Regel im Bereich
solle.
nach dem Vorbild
ist. 1199 wurde von Innozenz
des Spitals den Johannitern,
HI.
anson-
Der Deutsche
Orden als geistlicher
Orden
21
Wilhelm von Modena (t 1251 )34 nicht als alleiniger Autor der Statuten angesprochen werden kann."
In Entsprechung zur Regel des Templerordens waren sämtliche Leitungsämter
auch des Deutschen Ordens den Ritterbrüdern vorbehalten;" auch wenn die Rolle
der Priesterbrüder von Anfang an präziser und verbindlicher vorgeschrieben wurde
als dort."
Das war der Kirche keineswegs immer recht. So soll Papst Sixtus IV. im Jahr 1474
wütend ausgerufen haben: "Deleatur pessima ilia nigra crux, maledictus enim ordo,
ubi laicus regit clerum", als der Hochmeister den unbotmäßigen samländischen Bischof Dietrich von Cuba in der Burg Tapiau zu Tode hungern ließ." Vom legistischen
Standpunkt aus war das so. Die Ritterbrüder hatten im Deutschen Orden die höchsten Ämter, den Priesterbrüdem gedachten die Statuten nur dienende, seelsorgerische
Aufgaben ZU.39 Aber es klafften Satzungsrecht und Satzungswirklichkeit weit auseinander. Was wäre das Hochmeistertum schon des 14. (und mehr noch des 15.) Jahrhunderts ohne den Generalprokurator in Rom, meist ein Priesterbruder,'" was ohne
den hochmeisterliehen Kaplan, der die Kanzlei des Ordensstaates leitete und erster
Ansprechpartner am Marienburger Hof in klerikalen Angelegenheiten war? Am Ende
des Ordensstaates hieß er nur mehr ,,(Ordens- )Kanzler"4l und mit dieser Titulatur ging
das Amt auch in die Verwaltung des Herzogtums Preußen über.
34 LCCKERATH,Carl August: Wilhelm von Modena. In: Lexikon des Mittelalters.
157f.
Bd. 9, München 2000,
35 MILlTZER(wie Anm. 4), 48f.
36 So betont mit Recht GORKSI,Karol: Das Kulmer Domkapitel in den Zeiten des Deutschen Ordens. Zur
Bedeutung der Priester im Deutschen Orden. In: Die geistlichen Ritterorden Europas. Hg. v. JosefFLEKKENSTElN
und Manfred HELLMANN,
Sigmaringen 1980 (Vorträge und Forschungen 26), 329-337, hier 329.
37 MlLlTZER(wie Anm. 4), 66--69. - MENTzEL-REuTERs:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 86f. mit Verweis
auf die Bulle .Dmne datum optimum" Innozenz' 11.vom 29.3.1139, mit der die Aufnahme von Weltgeistlichen in den Templerorden ohne Zustimmung des jeweiligen Bischofs gestattet wurde - offenbar
um einern eklatanten Priesterrnangel zu begegnen. Vielleicht noch bedeutender ist die Bulle "Militia
Dei" Eugens Ill. vorn 7.4.1145, die dem Templerorden das Eigenkirchenrecht zusprach und damit den
Templerkaplänen eine höhere Stellung verschaffte.
38 Bericht von Paul Pole, gedruckt Scriptores rerum Prussicarum.
TOPPENund Ernst STREIILKE,Leipzig 1874,200.
Bd. 5. Hg. v. Theodor HIRSCH,Max
39 Prolog, cp. 5: .Daz sie in der cit des vrides also gIenstern mitten under in umme laufen unde manen
die leigen brüdere, daz si ir regelen vaste halden ... So man aber striten sal, so sulen sie die brüdere
sterken zu dem strite", Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 26.
40 BElJTTEL,Jan-Erik: Der Generalprokurator
des Deutschen Ordens an der Römischen Kurie. Amt,
Funktionen, personelles Umfeld und Finanzierung, Marburg 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 55).
41 MENTzFL-REuTERs:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 194-200.
22
Amo Mentzel-Reuters
Es gab Ordenshäuser, die überwiegend mit Priesterbrüdern besetzt waren (das
wichtigste war Marburg") und dementsprechend auch einen Kleriker zum Vorstand
hatten, der dann oft nicht als Komtur, sondern als Prior bezeichnet wurde." Dieses
stillschweigend aus der Johanniterregel entlehnte Amt44 wird in den Deutschordensstatuten nicht beschrieben, sondern nur im Zusammenhang mit den Bußübungen der
Priesterbrüder erwähnt - und hier auch nicht in allen Fassungen mit gleicher Zuständigkeit." Gleichwohl ist es im 13. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen." Welche
Rolle der Prior tatsächlich spielte, bleibt offen. Die Gewohnheiten des Ordens schreiben die Oberaufsicht über die Priesterbrüder dem Großkomtur ZU.47 Ob es nach der
Verlegung des Hochmeistersitzes nach Preußen noch bestand, ist fraglich. Ende des
15. Jahrhunderts wurde kurz über die Wiedereinführung des Amtes auf Beschluss des
Generalkapitels diskutiert." Es blieb jedoch ohne Folgen.
Dafür hören wir im "Marienburger Ämterbuch" über das Institut von Chorherren"
in der Konventskirche; sicher wurden der Kaplan des Meisters und vier Priesterbrüder
42 BRAAscH-ScHwERsMANN,Ursula: Das Deutschordenshaus
Marburg. Wirtschaft und Verwaltung einer
spätmittelalterlichen
Grundherrschaft.
Marburg 1989 (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte
11), 196: "Demnach lebten im Haupthaus an der Lahn durchschnittlich
22 Brüder, von denen die Hälfte Priester war", wobei die andere Hälfte neben Rittern auch Schüler
und Pfründner umfasste. 1280 war das Verhältnis 10 Priester von insgesamt 27 Personen. In den letzten Jahrzehnten des IS. Jahrhunderts lebten sogar 14 Priester im Ordenshaus.
43 BRAAscH-ScHwERsMANN(wie Anm. 42), 197. - MILlTZER(wie Anm. 4), 292. Die Kapelle auf dem
Tannenberger Schlachtfeld wurde von einem Probst geleitet, der zu den Marienburger Chorherren
gehörte: EKDAHL,Sven: Ein Inventar der Propstei auf dem Schlachtfeld von Tannenberg aus dem Jahre
1442. In: Preußenland 21 (1983), 1-9, hier 6.
44 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XLII.
45 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 87-89: Gesetze 40-44. Gesetz 43 nennt den Prior nur
in der lateinischen Fassung: "in arbitrio superioris et prioris et fratrum", in der deutschen heißt es:
"sö stet ez an des obersten unde der brüdere bescheidenheit", Statuten des Deutschen Ordens (wie
Anm. 25), 89.
46 MILlTZER(wie Anm. 4), 67.
47 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 106: Gewohnheit 28: "Zu des grözen commendüres
ambehte gehöret der schaz unde daz getreide, die schifimde alle die brüder pfaffen unde leigen unde
alle der gesinde, di däheime wonent ( ... I", MILlTZER(wie Anm. 4), 67 schließt daraus, dass der Großkomtur die "Oberaufsicht über den Prior und die Priesterbriider des Haupthauses führte". Dies ist ein
Schluss ex silentio, vom Prior ist hier nicht die Rede.
48 Im Reformentwurfdes
Ordenskanzlers Michael Sculteti (t 1501) von 1494, gedruckt bei MENTZELREuTERs,Amo: Reformschrifttum und Humanismus. Der Deutsche Orden am Vorabend der Reformation. In: Die Rolle der Schriftlichkeit in den geistlichen Ritterorden des Mittelalters. Hg. v. Roman
CZAJAund Jürgen SARNOWSKY,
Torun 2009 (Ordines militares 15),53-84, hier 81 Nr. 6: "Item daß man
yn vnßrem orden widder wmb macht eynen Prioren der alle geistlicheit zu straffen hette nemlich aber
dy priesterbruder nach lawth unsers ordens buch privilegia und gemeyne rechte wen daß kann nicht
geßeyn daß eyn Comthur eynem geweyten busße setze und daß man yn eyner itzlichen comthurej
eynen Prioren machete". - Das geplante Generalkapitel fand nicht statt.
49 Zum Begriff SCHWAIGER
(wie Anm. 9), 131-134.
Der Deutsche
Orden
als geistlicher
23
Orden
hierzu gezählt." Möglicherweise wurde die Bezeichnung als bloßer Ehrentitel verwendet." Streng genommen schließt sie ein, dass die Chorherren ein eigenes Kapitel
bildeten."
Dies war sicher der Fall bei den vier preußischen Domkapiteln, die mit Ausnahme
des Ermlands dem Deutschen Orden "inkorporiert" waren," ebenso im kurländischen
Bistum und für kurze Zeit sogar im Metropolitanbistum in Riga." Die Inkorporation bedeutete aber auch, dass die Domherren und der Bischof selbst Angehörige des
Deutschen Ordens sein mussten, dem Hochmeister Gehorsam schuldeten und den
Deutschordenshabit trugen.
Diesen Orden, wie er uns im 14., 15. und im frühen 16. Jahrhundert mit seiner landesherrlichen Gewalt in Preußen entgegentritt, beschreiben die für das Heilige Land
konzipierten Statuten nicht. Manche Ämter, wie das des Tempelmeisters, bestanden
schon lange nur mehr auf dem Pergament", andere, wie jene der Domherren oder des
Leiters der hochmeisterliehen Kanzlei, fanden keine Berücksichtigung in den Statuten. Auch wird das vom Hochmeister als Landesherrn beherrschte Preußenland, das
50 Das Marienburger
Ämterbuch.
die vier Priesterbrüder,
Sinthyn
Hg. v. Walther
darunter
dem korherren".
Nikolaus
- Zu Nikolaus
1916 (MÄB), 128,40-129,4 nennt
131, I 0 erwähnt den Titel: "Niclus
ZIESEMER, Danzig
von Sintheim.
von Sintheim
- MÄB
MENTZEL-REUTERs:Arma spiritualia
(wie Anm.
nahe. Er führte das Institut der Chorherren
auf Statu-
4),209f.
51 So legt es der Danziger
ten Wemers
Titel .Herr' beehren
wollen."
Chronist
"Die Priesterbriider,
und sie Chorherren
Zitiert nach VOIGT, Johannes:
gange der Herrschaft
des Deutschen
nennen,
52 Dazu passt die gesonderte
der Meister,
sie möchten
Geschichte
solle man forthin mit dem
schon Priester seyn oder es noch werden
Preußens
von den ältesten
Bd. 4, Königsberg
Ordens,
Unterbringung
der Apsis der Marienkirche
sich die schwierige
im Parcham
teilte das Kirchenschiff
kirche in der dem Kapitelsaal
einen ungeteilten
Zeiten bis zum Unter-
1830,620. - Zur Fiktionalität
dieser
zugewandten
Z dziej6w
kapitul katedralnych
ordenskapitel.
krzyzacki
DERS.: Biskupstwa
duchowienstwa
der nördlich
ist irreführend).
der Marienkirche
Hälfte. Alle älteren
ksztaltowania
i organizacji
der preußischen
panstwa
panstwa
w Prusach.
kryzackiego
[Bischöfliche
von
Hier schließt
selbst an. Die Rekonstruktion
am Hochaltar
Darstellungen
dert. Zur kirchengeschichtlichen
In: Die Domkapitel
und eine Laien-
des Innenraums
zeigen
GlAVERT, Münster
Domkapitel
Hg. v. Zenon
w Prusach
krzyzackich,
Inkorporpoacje
und Organisation
in den Deutschen
Hubert NowAK, Torun
XIII-XIV
wieku.
der Deutsch-
Orden).
In: Zakon
1995, 123-137
Z dziej6w
organizacji
13.-14. Jahrhundes Klerus), Torun 1999, insbesondere 28-57.
Organisation
des Deutschen
kapitul
[Ausgestaltung
Staaten des Deutschen
54 Hierzu zuletzt GlAVERT, Mario: Die Bindungen
und Mario
Pfaffenturm.
Bauzustand
in ein Presbyterium
do zakonu krzyzackiego
Die Inkorporation
a spoleczenstwo
koscielnej
im so genannten
Raum. Vg!. auch Anm. 123.
53 RADZIM1'SKI, Andrzej:
pruskich
der Priester
stand (der heutige
Frage nach der Raumaufteilung
19. Jahrhunderts
des späten
Ordens.
gebietet
ebd., 619-624.
Statuten
sowie
Simon Grunau
von Orseln zuriick:
des Domkapitels
Ordens
in Preußen
Ordens
in Preußen,
von Riga an die Regel des Deutschen
und Livland.
2004 (Zeitschrift für die Geschichte
Hg. v. Radoslaw
und Altertumskunde
B1SKUP
Ermlands,
Beiheft 17),269-316.
55 In der Marienburg ist "Tempel" ein Vorratshaus in der Vorburg. Belege in: Das Ausgabenbuch
des
Marienburger
Hauskomturs
für die Jahre 1410-1420. Hg. v. Walther ZIESEMER,Königsberg 1911,460.
24
Amo Mentzel-Reuters
in den Arengen der hochmeisterliehen
Urkunden einen immer bedeutenderen
Platz
einnahm, mit keinem Wort erwähnt. Dennoch wurden die Statuten nie der neuen Verfassungswirklichkeit
angepasst. Als das Generalkapitel von 1442 nochmals über den
Text der Statuten befand, geschah dies lediglich, um eine den Deutschmeister
begünstigende Fälschung abzulehnen (die sogenannten von-Orseln'schen
Statuten)." In
erstaunlicher philologischer Präzision halten die beiden erhaltenen Normhandschriften den Text der Regel und der nach ihr erlassenen Bestimmungen
fest und nehmen
beinahe das Ergebnis vorweg, das Max Perlbach zwischen 1886 und 1890 mit Hilfe
der modernen historisch-kritischen
Methode auf der Grundlage von über 30 Handschriften erstellte.
Eine Anpassung des Regelwerks an die Faktizität
wohl auch nicht durchsetzbar gewesen.
wurde nicht versucht und wäre
Man behalf sich anders. Es haben sich Reste einer Kommentierung
der Deutschordensregel erhalten. Ihre Erforschung steht, obschon die Texte längst bekannt sind,
erst am Anfang. 1335 wurde Papst Benedikt XII. (Papst 1335-1342) die lateinische
Schrift eines Deutschordenspriesters
namens Ulrich überreicht, über den wir weiter
nichts wissen." Zumindest ihre erste Hälfte wurde im IS. Jahrhundert ins Deutsche
übertragen; diese Handschrift befindet sich noch heute in Deutschordensbesitz.i"
Das
Werk wurde nicht für den Papst verfasst, sondern nur für ihn überarbeitet oder kompiliert. Der Autor spricht mehrfach ein Publikum als "dilectissimi fratres" bzw. .Jratres
karissimi" an." Gegenstand des Traktates ist eine allegorische Auslegung der Deutschordensregel.
Im ersten Buch wird der Orden unter Heranziehung
des Ordensbuches
mit
dem irdischen Paradies, im zweiten mit dem himmlischen Jerusalem verglichen. Das
dritte zeigt ihn als Streiter wider den Satan, der sich auch - und das ist der politische
Hintergrund der aktuellen Zusammenstellung'"
- in kirchlichen Würdenträgern manifestiere. Die Kühnheit der Auslegung ist groß; der Orden sei eine gegen den Teufel
gerichtete Schöpfung vor aller Zeit, die mit Hilfe der Templer und Johanniter ihren
irdischen Kampfaufgenommen
habe. "Volebat divina providencia cum sua clemencia
suam ecclesiam cum spiritualibus novis et quadris lapidibus murare, quando contra
56 Zum gesamten Komplex SERAPHIM,
August: Zur Geschichte und Kritik der angeblichen Statuten
des Hochmeisters Werner von Orseln. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 28 (1915), 1-82.
57 Zu dieser von der Forschung gänzlich vernachlässigten Schritt HOL'BEN,Hubert: Eine Quelle zum
Selbstverständnis des Deutschen Ordens im 14. Jahrhundert: der Codex Vat. Ottobon. Lat. 528. In:
Selbstbild (wie Anm. 4),139-153.
58 Überliefert durch die Handschrift Deutschordenszentralarchiv Wien, Cod. 787. Die Provenienz ist
unklar, die Makulatur weist auf Württemberg als Region des Buchbinders. HOLBEN(wie Anm. 57),
140f. und 148 Anrn, 6 mit einer Kurzbeschreibung.
59 HaUBEN(wie Anm. 57), 145.
60 Der Autor richtet sich nur vage gegen .Jiuius pie domus theutonive impium inimicum", HOUBEN
(wie
Anm. 57), 142. Houben bezieht es auf die Anklage des für Preußen zuständigen Metropoliten Friedrich von Riga (ebd., 139, 143).
Der Deutsche
Orden
als geistlicher
Orden
25
infideles eandem religionem cum duplicibus armis spiritualibus et corporalibus studuit plantare."?' Bemerkenswert ist nicht die Erwähnung des waffenführenden
Heidenkampfes: Das ist angesichts eines Ritterordens eine Banalität. Bemerkenswert
ist die
Überformung dieses Kampfes durch seine Einbettung in die Bemühungen zum Bau
der Kirche, die von .spirituales novi" betrieben werden. Dies kann sich nur auf die benediktinischen Reformorden beziehen, allen voran die Zisterzienser. Das verstand der
Adressat der gelehrten Schrift sofort. Benedikt XII., der vor seiner Wahl durch die Ketzerprozesse in Montaillou von sich reden gemacht hatte, gehörte diesem Orden an." Es
entsprach der Erwartungshaltung
des Papstes, wenn Ulrich den Deutschen Orden als
Bollwerk gegen Satan und Gefährten der weißen Mönche beschrieb. Es war aber doch
wohl auch mehr als eine panegyrische Übung. Noch einmal werden die von Peter von
Dusburg beschriebenen "arma spiritualia" eingefordert, ohne die die "arma corporalia"
nutzlos sind: "Sed quia Judith non in armorum potencia, sed in virtute laudatur, eo
quod occidit Holofernem; quis in arcu suo speravit et gladius eius salvavit eum?" heißt
es in der Chronik, die nicht zufällig mit einer das Aufnahmeritual
kommentierenden
Predigtsequenz "De armis carnalibus et spiritualibus" beginnt."
Der Duktus solcher Sätze ist der des Predigers. Das schließt nicht aus, dass sie
nach ihrer schriftlichen Fixierung auch in Form von auszugsweiser Tischlesung rezipiert wurden." Aber ihren Ursprung haben sie dort nicht. Es sind "Sermones ad
fratres karissimos". Diese haben, gerade in der Form einer Auslegung der Regel, bei
Konventskapitel."
allen Orden ihren festen Platz im wöchentlichen
von noch sprechen.
Diese Verwandlung
der konkreten
und lebenspraktischen
Wir werden da-
Anweisungen
des Or-
densbuches in einen nicht nur literal, sondern vor allem allegorisch zu lesenden spirituellen Text erleichterte das Auseinanderdriften
von Satzungstext und Satzungswirklichkeit. Im frühen 16. Jahrhundert schließlich, als sich der Hochmeister Friedrich
von Sachsen" nicht in Preußen aufhielt, um nicht den seit 1466 erforderlichen
Le61 Horns» (wie Anm. 57),144, das Zitat aus dem Cod. Vat. Ottobon.
62 Zu ihm und seiner Reformpolitik
und die Reformdiskussion
tion N.R. 17).
63
Peter von Dusburg:
carum
64
I, Leipzig
BALL\\EG,Jan: Konziliare
14. Jahrhundert.
im frühen
Chronicon
Terrae
Prussiae.
Ordensreform:
2001 (Spätmittelalter
Tübingen
Hg. v. Max TOEPPEN. In: Scriptores
HOLBD; (wie Anm. 57), 147. Er geht aber zu selbstverständlich
ebd., 146) entstanden.
aber Bruder Ulrich griff redigierend
66
XII.
Prussi-
Die Kompilation,
Veranlassung
wie wir sie heute kennen,
Textstruktur
(durch Luder von
ist so entstanden,
auf ältere Texte zurück.
zu den Tisch-
abzuzweigen.
Zu ihm und seiner Epoche immer noch grundlegend
Ordensstaat
rerum
von einer einschichtigen
Zweck und aufkonkrete
65 HOLBE" (wie Anm. 57), 146 nähert sich diesem Aspekt, um dann aber auf der Folgeseite
lesungen
Benedikt
und Reforma-
186 L I-290, hier. 40: Lb. 1,2,8.
aus, als sei jeder Satz nur für einen konkreten
Braunschweig,
Lat. 528, 10r.
oder päpstliche
zum Fürstentum.
unter den Hochmeistern
Geistige
Friedrich
und politische
und Albrecht
ist die Monographie
Wandlungen
von FORSTREUTER,Kurt: Vom
im Deutschordensstaate
(1498-1525), Kitzingen
1951, 16-59.
Preußen
26
Amo
Mentzel-Reuters
henseid an den polnischen König leisten zu müssen, leitete der pomesanische Bischof
Hiob von Dobeneck (1450-1521 )67 das Ordensland - dem Status nach nicht mehr und
nicht weniger als ein Priesterbruder des Ordens. Irgendein in den Statuten vorgesehenes Amt bekleidete er nie, aber er war de facto der Landesherr und der Vorstand des
preußischen Ordenszweiges. Sein Selbstverständnis wurde im Dom von Marienwerder in einer repräsentativen Neuaustattung verewigt. Von seinem Herrschaftsanspruch
kündet zum einen der monumentale spätgotische Bischofsthron am Hauptaltar, zum
anderen ein Wandbild auf der Ostempore des Doms, im so genannten Presbyterium.
Symbolträchtig wird das hier zum Gebet versammelte Domkapitel erweitert: Es erscheint (wie zuvor im Kapitelsaal der 1457 dem Orden verlorengegangenen Maricnburg) die Gottesmutter mit ihrem Kinde, zur ihrer Rechten stehen 17 pomesanische
Bischöfe, zu ihrer Linken jedoch (möglicherweise in Fortführung der Hochmeisterreihen der Marienburg) die drei in der Kirche bestatteten Hochmeister," Die Vision
schuf eine spirituelle Legitimation, wo die legistische fehlte. Nur von der Heiligen
Jungfrau und den verstorbenen Hochmeistern, nicht aus den Ordenstatuten, wurde so
seine Stellung legitimiert.?" Dennoch passte man die Ordensregel diesen veränderten
Verhältnissen nie an, und es wurde auch zu Hiobs Tagen nie die Forderung danach
erhoben."
Auch in der Endphase des preußischen Ordenszweiges blieb die Option auf die
Anwendung militärischer Gewalt gegen Heiden und was immer man zu "Heiden"
erklären mochte." Hiobs Nachfolger auf dem Riesenburger Bischofssitz, Erhard von
Queis (t 1529), war maßgeblich an der preußischen Reformation beteiligt. Er wurde
1523 aufVorschlag des Hochmeisters Albrecht zum Bischof von Pomesanien gewählt
67
FORSTREUTER,Kurt: Dobeneck,
Ordensstaat
68
Die heute freigelegten
Gräber
auch in der frühen Neuzeit
Gottlob:
Erdbeschreibung
ben, der die polnische
gehalten
Urseln,
Hiob von. In: Neue Deutsche
Biographie
4 (1959), 4f. - FORSTREUTFR.
(wie Anm. 66), 53-59.
der Hochmeister
zum kultischen
der preußischen
Kirche
genannt,
unterhalb
der Domkirche.
des Presbyteriums
Bd. I. Halle 1791, 739f.: "In den Chor dersel-
Monarchie
Königs, und Heinrichs
dreyer
gehörten
hierzu LEONHARDI,Friedrich
und wo auch noch itzt in pohlnischer
wird, findet man die Begräbnisse
Ludolph
und Bischöfe
Kembestand
Hochmeister
des teutschen
von Plawen und 17 Pomesanischer
Sprache
Gottesdienst
Ordens,
Wemers
Bischöfe
von
nebst ihren Bild-
nissen."
69
70
Mit vergleichbarer
wurde der Kapitelsaal
Bilderreihe
deren Versammlung
Gottesmutter
von der thronenden
Der nicht umgesetzte
Orden aufraffen
71
Deutlichkeit
derts mit einer den Raum umlaufenden
Reformentwurf
geleitet
des Ordenskanzlers
schon Ende des 14. Jahrhun-
stehenden
Hochmeistern
versehen,
wurde.
Michael
Sculteti
war alles, wozu sich der
konnte (vgI. Anm. 48).
BRAUER,Michael:
Die Entdeckung
des .Heidentums:
des Spätmittelalters
und der Reformation.
Synodalgesetzgebung
die Komplexität
Streitschriften
der Marienburg
von aufrecht
der königlich-polnischen
in Preußen.
Die Prußen in den Reformdiskursen
Berlin 2011 (Europa im Mittelalter
des Heidenbegriffs
17) zeigt u.a. an der
im 15. und 16. Jahrhundert,
Seite aus naheliegenden
Motiven
vereinfacht
die in den
wurde.
Der Deutsche
Orden als geistlicher
Orden
27
und trat dann dem Orden bei. ~2 1525 machte er sich für die Aufhebung aller Orden
stark, mit Ausnahme "solcher Orden, der gegen die Ungläubigen und Heiden streitet,
wie der deutsche Orden ist"." Hier schien für einen kurzen Augenblick der Triumph
über die in ihrer Askese unerreichbaren weißen Mönche möglich.
Aber das war zu keinem Zeitpunkt das tragende Konzept des Ordens, sondern eher
die letzte Rückzugslinie. Es war fachliche Schwäche und Hilflosigkeit, wenn die vom
Hochmeister beauftragten Advokaten versuchten, vor dem Basler Konzil den König
Jagiello als Heiden vom Schlage eines Baibars oder Saladin darzustellen. Der König
hatte hier die besseren Advokaten, die den Orden in diese und manche andere Falle
lockten.
Hauptthema der Statuten ist nicht etwa der Heidenkampf oder sonst wie geartetes
höfisch-ritterliches Tun oder Denken. Ganz anders als die Templerregel verzichten die
Deutschordensregel und die sie ergänzenden Gewohnheiten und Gesetze aufkriegerische oder militärische Aspekte. Auch die vielen denkbaren Vergehen, deren Buße die
Gewohnheiten und Gesetze regeln, betreffen nicht den ritterlichen Ehrencodex, nicht
Fragen der Kampfordnung oder der Schonung von Besiegten, von Lösegeldforderungen usw. Das Verhalten während der Kampfeinsätze wird im Abschnitt der Gewohnheiten über das Amt des Obersten Marschalls mit wenigen, die allgemeine Disziplin
betreffenden Sätzen geregelt." Der Grund hierfür ist einfach. Die Verfasser der Statuten des Deutschen Ordens und die sie fortschreibenden Generalkapitel begriffen
den Orden nicht primär als Kampfverband und pflegten auch keine .Jdeologie" des
Heidenkrieges. Die Übernahme des weißen Habits und eines großen Teils der Templerregel setzte den Deutschen Orden in die Traditionslinie der "Armen Ritter Christi"
(d.h. der Templer). Nicht der Wunsch nach praktizierter Gewalt hatte diesen Orden
begründet, sondern der Wunsch, feudale Selbstherrlichkeit und Gewaltbereitschaft zu
regulieren und spirituellen Zwecken dienstbar zu machen. Der Templerorden entwickelte sich in den siebzig Jahren vor der Gründung des Deutschen Ordens von einer
frommen Kämpfertruppe. die ihre Kraft religiösen Zwecken unterordnen und u.a. den
christlichen Tempelberg und seine Pilger beschützen wollte, zu einer Mönchsgemeinschaft nach dem Vorbild und mit dem Segen der Zisterzienser."
Das Aufnahmeritual," das nicht zu den eigentlichen Statuten gehört, ist der einzige Teil des Ordensbuches, aus dem - in der Schwertweihe und der Ritterweihe - ein
militärischer Charakter spürbar wird.
72 ME>;TZEL-RELTERS:
Anna Spiritualia (wie Anm. 4), 358 mit weiterer Literatur, zu seinen Büchern 365368. - Mt>;TZLL-Rn;TERS: Reformschriftturn (wie Anm. 48), 77.
73 Zitiert nach TSClIACKERT.Paul: Urkundenbuch
1890,101. Nr. 300.
zur Reformationsgeschichte
74 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25).110-114:
heit60.
75 DBILRGER (wie Anm. 5), 27-46, 75-82.
76 Statuten des Deutschen
Ordens (wie Anm. 25), 127-131.
Gewohnheiten
Preußens.
Bd. 2, Leipzig
44-54, sowie 116: Gewohn-
28
Arno Mentzel-Reuters
Gerade in diesem markanten Unterschied zur Templerregel wird eine Umprägung
des Konzeptes der "militia nova':" erkennbar, die der Deutsche Orden von den Templern" nicht nur übernommen" hat, sondern offenbar auch weiterentwickelte. Schon von
ihnen wurde es in das typologische Bild der .neuen Makkabäer" gefasst." Kaum zufällig tituliert Honorius Ill. 1221 den Deutschen Orden als .riovi sub tempore gratiae
Machabei" - wie zuvor Alexander Ill. den Templerorden in der Neufassung der Bulle
.Dmne datum optimum" vom 17.7.l179.8~ Im Prolog der Deutschordensregel werden
die Makkabäer als eine .Ritterschaft':" zitiert, die gegen die Heiden gekämpft habe.
Im Kontext der Zeit hieß "neue Makkabäer" aber nicht, wahllos im Blut von Heiden zu waten. Sonst hätte nicht Alexander 11.bereits im Jahr 1070 - also Jahrzehnte
vor dem ersten Kreuzzug - die Reichsabtei Lorsch und ihre Schutzherrn als .movi
Machabei" bezeichnet. 84
77 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 24: Prolog, cp. 3: .Diese ritterschaft ist ouch bezeichent bie der himelischen und irdischen ritterschaft unde ist die vorderste, wande sie gelobet hat, das
sie Gotes versmenisse unde sines cruces wollen rechen unde vehten umbe daz heilige lant, daz der
cristen sin sal, daz die heidene under sich hänt betwungen. Sente Johannes sach ouch, daz ein nüwe
ritterschaft von dem himele herabe giene."
78 Wie eng der Begriff einer "militia Dei" mit dem Templerorden verbunden ist, zeigt der Umstand, dass
die vor der Gründung des Ordens entstandene Chronik Fulchers von Chartres den Ausdruck nur ein
einziges Mal und eher beiläufig verwendet. Hieraufverweist Er=, Verena: Fulcher von Chartres. Studien zur Geschichtsschreibung des ersten Kreuzzuges, Düsseldorf 1990 (Studia humaniora 15), 260.
79 "Wir gedenken ouch des lobe lichen strites, der wert vor Gote was, der rittere, die dä heizent Machäbei,
wie stereliehe die durch ir e unde umme den gelouben striten mit den heiden, die sie twingen wolden,
daz sie Gotes verlougenten, unde mit siner helfe si so gar uberwunden unde vertiligeten, daz sie die
heiligen stete wider gereinegeten, die sie hetn geunreint, unde den vride macheten wider in dem
lande." Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 25. Die lateinische und die altfranzösische
Fassung geben die biblischen Ereignisse präziser wider (Abdruck ebd),
80 Beispiele hierfür und weiterführende Literatur bei FElST:-iER,
EdithINEEcKE,MichaeINoLLMANN-PRoFE,
Gisela: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Deutschen Orden als Modell korporativer Identitätsbildung. Tübingen 2007 (Hermea 114), 157 Anm. 227.
81 BOOR,Helmut de/Nswau», Richard: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zur Gegenwart. Bd, 3, Zerfall und Neubeginn 1250 - 1350, 5. Aufl. neu bearb. v. Johannes JANOTA.
München
1997 (Handbücher für das germanistische Studium), 422.
82 Rudolf HIESTAND:
Papsturkunden für Templer und Johanniter. Vorarbeiten zum Oriens Pontificus 11,
neue Folge. Göttingen 1984 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.hist. Kl. 3. Folge 135),88-89.
83 Das Wort schwankt zwischen einer bloßen Übersetzung des kirchlichen Begriffs einer "militia" und
dem in der höfischen Dichtung mit einem konkreten Tugendsystem umwobenen volkssprachigen
Begriff "riterschefte". Zum kirchlichen Sprachgebrauch und dem Gegensatz von "militia Dei" und
"militia saecularis" ausführlich HERBERs,Klaus: Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der "Liber
Sancti Jacobi". Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter,
Wiesbaden 1984 (Historische Forschungen 7). I 53f. und 194.
84 Monumenta Germaniae Historica, scriptorum tomus 2 I, ed. Georgius Heinricus PERTZ,Hannover
1869,417,33.
Der Deutsche
Orden
als geistlicher
29
Orden
Nicht der erst 1120 gegründete Templerorden hatte das Massaker bei Eroberung
von Jerusalem 1099 zu verantworten - das übrigens auch bei den abendländischen
Chronisten helles Entsetzen auslöste. Judas Makkabäus war auch für die Templer
nicht der martialische "conquering hero", den Händel in seinem Oratorium" feiert:
Ebenso wichtig wie seine militärischen Erfolge war die Neueinweihung des von Heliodor geschändeten Tempels im Jahr 164 vor Christus." Was in der jüdischen Tradition durch das nun wahrlich nicht kriegerische Chanukka-Fest" vergegenwärtigt
wird, war auch für Bemhard von Clairvaux und die Templer eine Vorausdeutung auf
die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und auf das gereinigte Himmlische Jerusalem. So steht es auch ganz klar im Prolog der Deutschordensregel: Mit Gottes Hilfe
haben die Makkabäer die Heiden "uberwunden und vertilgeten, daz si die heiligen
stete wider gereinigeren. die sie heten geunreint, unde den vride macheten wider in
dem lande"."
Nun, Frieden machten die Ritterorden in Palästina nicht, aber sie waren keineswegs .Karnpfmaschinen Gottes". Und trotz aller aktuellen Polemik: Das von den
Templern und Johannitern immer stärker abhängige Königreich Jerusalem war ein
nach mittelalterlichen Maßstäben verlässliches und auf wirtschaftliche Kooperation
ausgerichtetes Staatswesen, das sich im Zweifelsfall ebenso gut mit islamischen wie
mit christlichen Reichen verbündete oder zerstritt; apokalyptisch wirkten im vorderen
und mittleren Orient des 13. Jahrhunderts nur die Mongolen.
Die Ritterorden waren wegen ihres immensen Landbesitzes und der ihnen zufließenden mildtätigen Stiftungen bedeutende Wirtschaftsmächte. Der .Heidenkarnpt"
in Palästina war für die Ritterorden nicht nur Selbstzweck, sondern auch ein Aushängeschild, mit dem sie in Europa Mitglieder und vor allem Ablässe und Stiftungen
anwarben - auch das fand nie Eingang in die Statuten. Diese offenbaren vielmehr einzig ein inneres Ziel: Die Unterwerfung der impulsgesteuerten Aggressivität unter die
Kontrolle durch eine zönobitäre Gemeinschaft. Innereuropäisch waren Kreuzzüge,
wie schon Urban n. 1095 auf der Synode von Clermont betonte, dem Konzept des
Gottesfriedens" verpflichtet, der das willkürliche feudale Gewaltmonopol durch eines
85
Diese Chorpartie
Sion'
verbreitet
- in Deutschland
lich in das Makkabäeroratorium
Duke of Cumberland
Freiheitskämpfer
als Weihnachtschoral
- bezog sich ursprünglich
Das Händel-Handbuch.
(HWV 63) eingeschoben.
(1721-1765)
(Schlacht
V gl. I Makk 4.36-61.
87
GALLEY, Susanne:
1523),101-108.
88
Statuten
5. Händels
89
KAISER, Reinhold:
Das jüdische
des Deutschen
gestiftet,
von Culloden
197. - STREATFEILD.R. A.: Handel,
86
mit dem später unterlegten
auf Josua (HWV 64) und wurde
Es wurde zur Feier von William Augustus
der allerdings
als Sieger
1746) eher das Gegenbild
Instrurnentalrnusik,
Text "Tochter
1751 von Händel nachträg-
über die letzten
zu Judas Makkabäus
hg. v. Hans Joaehim
schottischen
abgab, vgl.:
MARx, Laaber
Jahr. Feste, Gedenk-
und Feiertage.
München
2003 (Bcck'sche
Ordens (wie Anm. 25),25.
Gottesfriede.
2008,
New York 1909, 314f.
In: Lexikon
des Mittelalters.
Bd. 4, München
1989, 1587-1592.
Reihe
30
Amo
Mentzel-Reuters
der Kirche zu ersetzen suchte. Die Templerregel griff das auf: "Et donques nos vos
amonestons, vos qui aves menee seculiere chevalerie jusques ci, en laquelle Jhesu
Crist nen fu mie cause, mais solement por l'umaine favour vos I'embrassastes, que
vos segues ceaus les ques Dieu a eslis de la masse de perdession et a ordenes per sa
agreable pitie a la defension de sainte yglise, que vos vos hastes de ajoster a eaus
perpetuelment. "90
Der Lohn dafür ist es, "a tenir compaignie entre les martirs qui donerent por Jhesu
Crist lor armes"." Märtyrer in den eigenen Reihen sicherten einen bedeutenden Anteil
am ewigen Schatz der Kirche, aus dem heraus Ablässe gewährt werden konnten; das
für den Orden vergossene Blut versetzte diesen in die Lage, Sündern, die nicht gegen
Heiden zum Schwert griffen, dennoch Anteil am Heil der Kreuzzüge zu gewähren,
wenn sie den Orden durch Seelstiftungen förderten.
Das Anliegen der Domestizierung von feudaler Gewalt und Willkür blieb in den
Ritterorden präsent. Die Johanniter und der Deutsche Orden waren zudem nicht nur
Ritter-, sondern Spitalorden, die für die Betreuung der Pilger und der Kranken von
vorne herein stärker als die Templer Logistik und Verwaltungsaufgaben für sich requirierten: Das späte Königreich Jerusalem war im Grunde schon so etwas wie ein
Johanniter-Staat.
Der Deutsche Orden kehrte sich als erster von diesem unglückseligen Projekt in
Outremer ab. Auch dies kann man als Ausdruck seiner Emanzipation vom zunächst
übermächtigen Vorbild der beiden älteren Ritterorden sehen. Als 1291 mit Akkon die
letzte Bastion der Kreuzfahrer im Heiligen Land fiel, hatte der Deutsche Orden schon
lange in Preußen Fuß gefasst, und hier machte er auch für knapp 100 Jahre Frieden
- nach mittelalterlichen Maßstäben. Er hatte aber in Palästina noch etwas mitbekommen, das weniger für Preußen als für die Balleien im Reich ungemein wichtig wurde
und einmal mehr seine nicht-militärische Seite zeigt. Er konnte beobachten, wie um
1270 die Johanniter von den sich zurückziehenden Prämonstratensern die Seelsorge
für Frauenkonvente übernahmen, die zumeist dem aussagekräftigen Patrozinium der
hI. Maria Magdalena unterstellt waren - es handelte sich also um sog. ReuerinnenKonvente." Es ist dies die Missing Link zwischen dem Selbstverständnis eines Hospitalordens und den inneren Vorgängen im Deutschen Orden an der Schwelle zum
90 In der lateinischen
Fassung:
.Hortarnur
non fuit causa, sed solo humano
itaque qui usque nunc miliciam
favore amplexati
estis, quatinus
perdicionis elegit et ad defensionem
sancte aecclesiae",
regle du Temple. Paris 1886, II f.: R 1.
91 CURZON(wie Anm. 90),12: R. 2. Die lateinische
ter observetur
92
inter militantes
MENTZEL-REUTERS,Amo:
Fassung
beide Fassungen
durchaus
animas
suas dederunt
Zum so genannten
Psalter
Friedrichs
des Mittelalters
in qua Christus
bei CURZON, Henri de: La
abweichend:
qui pro Christo
323). In: Deutsches Archiv fur Erforschung
secularem,
horum unitati, quos Deus ex massa
"pure et perseveran-
sortern obtinere
II. (Florenz,
mercberis."
BibI. Riccardiana
65 (2009), 111-136, hier 126f.
Ms.
Der Deutsche
Orden als geistlicher
Orden
31
und im 14. Jahrhundert. Es war wohl auch der Anfang von dem, was wir mehr oder
minder glücklich als .Deutschordensliteratur?"
bezeichnen.
Die Ordensregel erlaubte aus Sorge um den Seelenfrieden der Brüder keine vollgültige Aufnahme von Frauen: "wende daz ofte geschit, daz manlicher müt von wiplicher heimeliehe sehedeliehe dicke wirt erweichet."?' Sie befand die Frauen aber für
"etteliche dienest der sic hen in den spitälen unde ouch de vihes" für nützlich und
erkannte ihnen den Dienst als .Jialpswesteren"
ZU.95
In einem 1293 entstandenen Gedicht des Deutschordensritters
Hugo von Langenstein aus der Kommende Beuggen am Bodensee lesen wir, dass er von der Priorin eines Dominikanerinnenkonventes
ersucht wurde, die lateinische Legende der
hi. Martina fur sie in deutsche Verse zu bringen." Solche Kontakte zu Reuerinnen"
häufen sich im 13. Jahrhundert: Im Umfeld der Kommende Beuggen befand sich
ein eigener Frauenkonvent des Deutschen Ordens, der 1311 der Kommende Beuggen
selbst angegliedert und irgendwann kurz vor 1393 aufgelöst wurde. Bei der Übertragung des thüringischen Augustinerchorherrenstifts
Schiffenberg im Jahr 1323 an
den Deutschen Orden wurden diesem Haus zwar die bisherigen Patronatsrechte
an
dem Frauenkonvent
zu Cella aberkannt, doch verblieben seelsorgerische Aufgaben
weiterhin beim nunmehr im Deutschordenshabit
gekleideten Schiffenberger PriesterKonvent. In Bern unterstellte sich 1341 ein Frauenkonvent
im Rüwenthal dem Orden, dessen letzte Schwester 1421 im Berner Ordenshaus nachgewiesen werden kann.
Auch fur Frankfurt,
im Umfeld der "Theologia
deutsch",
sind Konventualinnen
nach
der Deutschordensregel
nachgewiesen, die ab 1353 ein Spital versorgten. In Preußen
sind Schwestern selten belegt, Einzelfälle aus dem IS. Jahrhundert weisen nach Marienwerder,
Danzig und Marienburg.
Zusammenfassend
lässt sich sagen, dass diese
93 LOSER.Freimut: Literatur im Deutschen Orden. Vorüberlegungen zu ihrer Geschichte. In: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat
in Preußen (wie Anm. 12),331-354.
94 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 52 Regel 31.
95 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 52,12 in der deutschen Regel 31; in der älteren lateinischen Fassung ebd. Zeile 9 ist allgemein von .consorores'' die Rede, was eigentlich eine Gleichstellung bedeutet; "Halbschwestern"
wären eigentlich .semisorores". Die schwierige Begriffiichkeit wird
erörtert bei TO\I\IASSI, Franceso: Men and Women of the Hospitaller, Templar and Teutonic Orders.
Twelth to Fourteenth Centuries. In: Hospitaller women in the Middle Ages. Hg. v. Anthony LUTRELL
und Helen J. NICOI50', Aldershot 2006, 71-88, hier 80f.
96 Hugo von Langenstein: Martina, Hg. v. Adelbert von KELLER.Stuttgart 1856 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 38), V. 1,21-30. - Zum Werk allgemein jetzt MOHR, Robert: Präsenz und
Macht. eine Untersuchung zur "Martina" Hugos von Langenstein, Frankfurt am Main 20 I0 (Kultur,
Wissenschaft, Literatur - Beiträge zur Mittelalterforschung
23). - Zum Kontext im Deutschen Orden
ME'TZEL-RECTERS:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 82-85.
97 BERTAl',Kar!: Die "Goldene Schmiede" zwischen Rittern und Reuerinnen. In: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster. Hg. v. Nigel F. PALMERund Hans-Jochen
SCHIEWER,Tübingen 1999, 113-1·tQ.
32
Amo
Frauen "zu den Semireligiosen"
gestaltete. "98
Mentzel-Reuters
zählten, "deren Stellung der Orden je nach Bedürfnis
Was ging hier vor sich? 1304- I 3 I4 vernichteten der französische König und
der Papst den Templerorden. Die Johanniter und der Deutsche Orden wurden nicht
aufgehoben, waren aber gewarnt. Im 14. Jahrhundert bemühen sie sich einerseits
um die Befestigung ihres mit Waffengewalt gewonnenen territorialen Besitzes - in
Zypern, Malta oder eben in Preußen -, aber daneben überall im Reichsgebiet um
seelsorgerische Aufgaben. Das war nicht nur Taktik oder Liebdienerei gegenüber
der Kirchenführung.
Es hat im Deutschen Orden stets auch Gruppen gegeben, die
nach einer vertieften Spiritualität strebten. Warum sonst sollte sich gegen Ende des
vierzehnten Jahrhunderts der .frater Herrnannus" des Ordenshauses zu Gierigen'?
an der Brenz eine Handschrift zulegen, die lediglich zwei Texte enthielt: das gereimte deutsche Evangelium Nicodemi des Heinrich von Hesler und das Buch von
der ewigen Weisheit des Heinrich Seuse?'?? Der Gipfel dieser Strömung, die in der
Forschung leichtfertig marginalisiert wird, ist die "Theologia deutsch" des so genannten "Frankfurters", der im I 4. Jahrhundert in der Kommende Sachsenhausen
schrieb.'?'
Bei dieser Vielfalt fällt es schwer, pauschal von "dem" Deutschen Orden und gar
seiner .Jdeologie" zu sprechen. Aber es gab natürlich auch hier den inneren Zusammenhalt in der monastischen Gemeinschaft. Er organisierte sichjedoch nicht (wie die
ältere Forschung anscheinend glaubte) über Verwaltungsakte und Bürokratie, sondern
über Texte und Rituale. Gerade darum konnte auch eine mystische Strömung in einem
der militärischen Aktion verpflichteten Ordo bestehen.
Man könnte den Zustand der Ordensgemeinschaft
durch ein Drei-Schichten-Modell beschreiben. Die oberste und für alle offenkundige Schicht stellt die reale Ordensleitung dar, deren innere Verfassung sich mit den Jahrhunderten stark wandelte.
Durch den Erlass von konkreten Bestimmungen (die sog. "Gesetze") suchte sie den
Anschluss an die nächst tiefere Schicht, die konkret durch die Ordensliturgie und das
Ordensbuch bestimmt ist. Darunter aber liegt eine weitere Schicht. Es sind die Grundprinzipien einer Zoenobitengemeinschaft
schlechthin, also letztlich das Regelwerk
98
MENTZEL-REUTERS:Arma spiritualia
99
Zum im 15. Jahrhundert
100
Heute WLB Stuttgart,
(wie Anm. 4). 86f.
aufgehobenen
von Hesler. Hg. v. Karl HELM. Tübingen
IX.
101
HINTEN, Wolfgang
Zürich
von: Theologia
1982 (Münchener
PETERS,Christian:
Ordenshaus
MIUTZER (wie Anm. 4), 314.
Cod. theol. Q. 98. Zur Handschrift
1902 (Bibliothek
Deutsch.
Kritische
Texte und Untersuchungen
Theologia
deutsch.
In: Theologische
Das Evangelium
des Literarischen
Textausgabe.
zur deutschen
Nicodemi
,.Der Franckforter".
Literatur
Realenzyklopädie
von Heinrich
Vereins in Stuttgart
München
des Mittelalters
33 (2002),
224),
258-262.
u.
78). _
Der Deutsche
Orden als geistlicher
Orden
33
des hI. Benedikt. Das Herzstück dieser Gemeinschaft und ihrer Ordensregel ist ein
von ihr ..geregeltes" und nach innen gerichtetes Ritual: das Ordenskapitel.''"
Schon in den frühmittelalterlichen
benediktinischen Abteien befanden sich Kapitelsäle. in deren Mitte meist ein Lesepult stand.!" Es sind oft die größten und schönsten Räume eines Klosters. Doch war es die Zisterzienserregel,
die dem Kapitel als
Bußübung besondere Bedeutung beimaß - und über die Templerregel auch den Deutschen Orden prägte. Im sogenannten "bemhardinischen
Idealplan'"?' wird der Kapitelsaal neben die Sakristei in den Ostflügel der Zisterze gelegt, von ihm führt eine
Treppe zum Dormitorium im Obergeschoß des Flügels, West- und Südftügel werden
für Vorratsräume. getrennte Refektorien für Konversen und Mönche sowie die Küche
genutzt. Das Langhaus der Kirche bildet den Nordflügel. sie besteht aus einem durch
eine Chorschranke abgeteilten Konversenchor im Westen und einem Mönchschor im
Osten, das wiederum vom Hochaltar abgetrennt war, der sich im Sanktuarium befand,
das teils als Apsis. teils als rechtwinkliger Raum gestaltet werden kann.
Die preußischen Konvente des Deutschen Ordens verfügten nicht über ein so
ausgefeiltes Raumprograrnrn.?" Ihre im Ordensland strenger als im Reichsgebiet beachtete Orthogonität mag man - was bei Sakralbauten ja ohnehin kaum fehlleitend
sein kann - mit Kazimierz Pospieszny und anderen als typologische Vorwegnahme
des neuen Jerusalems deuten'?". Doch geht es zu weit, dies aus dem Apokalypsen102 Allgemein ~IAY. Georg: Kapitel (I). In: Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg [u.a.] Bd. 5
('1996). 1214f. - Von unschätzbarer Bedeutung für die Beurteilung und Vergleichung der Praxis
des Kapitelhaltens bei den Ritterorden war für mich der Anmerkungsteil
im 7. Buch ("Vom Capitel") MCSTER. Friedrich von: Statutenbuch des Ordens der Tempelherren. Aus einer altfranzösischen Handschrift hg. und erläutert. Erster Theil. Berlin 1794, 221-250. Die lateinische Deutschordensregel wird im Apparat konsequent mit der Templerregel verglichen, wohingegen Statuten des
Deutschen Ordens (wie Anm. 25) sich auf den Nachweis vereinzelter Parallelen beschränkt. Die
Benutzbarkeit von MC-SUR ist leider dadurch beeinträchtigt, dass MÜNTERdie Bestimmungen neu systematisiert und der zweite Teil, in dem die historische Folge der Satzungen gegeben werden sollte.
nie erschien.
103 Zur Forrngeschichte KOCH. Laurentius: Kapitelsaal. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg
[u.a.] Bd. 5 (996). 1217f. Dem dort beschriebenen Bautypus entspricht die St. Armenkapelle auf
der Marienburg weit mehr als der Saal im oberen Stockwerk (Doppeltürigkeit,
annähernd quadratischer Grundriss. Fenster an der Stirnseite und Sepultur).
104 Zum Folgenden: EBERLE.Jürgen: Mittelalterliche Zisterzienserklöster
in Deutschland, Österreich
und der Schweiz. Petersberg 2011 (im Druck).
e
105 Zum Folgenden: TORBcs. Tomasz: Die Konventsburgen im Deutschordensland
Preußen, Oldenburg
1998 (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 11),307-314.
106 P()SPIESZ~Y.Kazimierz: Die Architektur des Deutschordenshauses
in Preußen als Ausdruck- und Herstellungsmittel der Ordensrnission und Herrscherpolitik.
In: Selbstbild (wie Anm. 4). 227-241, hier
229. - Dygdala-Ktosinska,
Barbara: Die apokalyptische Gottesmutter als Propagandabild des Deutschen Ordens in Preußen. In: Terra sanctae Mariae. Mittelalterliche Bildwerke der Marienverehruna
im Deutschordensland
Preußen. Hg. v, Gerhard EIMER.Ernst GIERUCII [u.a.], Bonn 2009,137-154,
148f.
34
Amo Mentzel-Reuters
kommentar des Heinrich von Hesler'?' zu begründen.!" der lange vor diesen Bauten
und ohnehin nicht im Deutschen Orden entstanden ist.!" Das Himmlische Jerusalem
spielt im Bildprogramm
der Deutschordenshandschriften
dieses Reimkommentars
zwar eine Rolle'!" - aber es wird hier als ringförmige, zwölftorige Stadt gezeigt und
keinesfalls als Viereck.'!' Eher wären Bezüge zur allegorischen Regelauslegung
des
Bruder Ulrich herauszustellen.!"
Die in den Konventsburgen realisierte Spiritualität war sowohl einfacher wie auch
augenfälliger. Ihr Standardprogramm
bildeten Schlafraum, Remter, Kapelle und Kapitelsaalein geistliches Konzept, das, wie hier zu zeigen sein wird, viel dem Idealplan aus Clairvaux verdankt. Dabei ist insbesondere der Kapitelsaal hervorzuheben,
da er der einzige Raumtypus ist, der in keinem Fall auf einer säkularen Burg zu finden
ist. Umgekehrt kommt der spezielle Wehrcharakter der Anlage in der äußeren Gestaltung und dem Bergfried zum Ausdruck, der jedoch beim weiteren Ausbau der Burgen in die anderen Baukörper integriert wurde und in der Marienburg gleichzeitig als
Glockenturm fungierte. Auch das vermauerte Ostfenster der Marienkapelle hat einen
107 Heinrich von Heslcr: Die Apokalypse. Hg. v. Karl HED!, Berlin 1907 (Deutsche Texte des Mittelalters 8).
108 So ausdrücklich POSPIESZ'W:
Architektur (wie Anm. 106).229. Die Darlegung gewinnt ihre innere
Schlüssigkeit durch wenig überzeugende Textarbeit. ..Der dutschen hus" wird ohne Versangabe zitiert (Vers 5827!). falsch mit "das Ordenshaus" übersetzt und direkt in eine Beschreibung des Himmlischen Jerusalems gezogen. die aus nicht zusammen stehenden Versgruppen montiert ist (Verse
21069-21073, 20800--20804, 20812f.. 22334-22336). - Mit der Domus Theutonicorum ist der Orden selbst gemeint, der hier nicht etwa verherrlicht, sondern an dritter Stelle nach den Templern
und Johannitern wegen seiner Habgier verurteilt wird. Zu dieser Attacke MENTzEL-REuTERs:
Arma
spiritualia (wie Anm. 4), 27f.
109 MENTZlL-RwlERS,Arno: Bibeldichtung und deutscher Orden: Studien zur Judith und zu Heinrichs
von Hesler Apokalypse. In: Daphnis 26 (1997). 209-261. widerlegte als erster die Entstehung im
Deutschen Orden, geht aber noch von einer Spätdatierung aus, die durchjüngere Handschriftenfunde
obsolet wurde. Hierzu jetzt zusammenfassend EHRlcff.Susanne: Die .Apokalypse' Heinrichs von
Hesler in Text und Bild. Traditionen und Themen volkssprachlicher Bibeldichtung und ihre Rezeption im Deutschen Orden, Berlin 2010 (Philologische Studien und Quellen 223),10--22.
110 Vg!. WLB Stuttgart. HB XIII I!. 153v und Torun, BUMK Rps. 44/IV, I 82v. Abbildungen bei JAGOIlZINSKI,
Sabinc: Die illustrierte Apokalypse Heinrichs von Hesler im Deutschen Orden. Studien
zu Bild. Text und Kontext. Stuttgart 2009 (CISA - Cultural and Interdisciplinary Studies in Art 6).
LXXIII und LXXIX. Ebd. LXIX und LXXVIII Bildmaterial zur Darstellung der apokalyptischen
Frau im Hinblick auf die Ostfassade der Marienkirche. Die zugehörigen Betrachtungen 91-111 sind
leider unergiebig, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine Magisterarbeit handelt.
III POSPIESZNY:
Architektur (wie Anm. 106). 230 und 239, Anm. 39 bemüht Heslers Beschreibung der
12 Tore fur eine Interpretation der Verlegung des Zugangs zum Hochschloss der Marienburg aus der
Mitte des Nordflügeis an die Westecke: .Jn der axialen Ausgangskonzeption der Burg handelt es sich
sicherlich um die Betonung des Tores. das zum Marienburger .paradisus monachorum: führte". Ein
solcher Bezug wäre allerdings durch die Anlage von 12 Toren sinnfälliger zu gestalten - so wie es
die Handschriftenbilder
zu Heslers Text tun.
112 Vgl, Anm. 61.
Der Deutsche
wehrtechnischen
Weise verkleidet
Orden als geistlicher
Aspekt, der mit der monumentalen
wurde. IJ3
35
Orden
Marienfigur
in symbolträchtiger
Die Lokalisation der Räume in den erhaltenen Baudenkmälern
istjedoch nicht immer einfach. Die vergleichsweise
gut erhaltenen Häuser von Mewe und Rehden dienen im Allgemeinen als Vorlagen für einen Idealtypus der Konventsburg. Hier "besaß
der Kapitelsaal nach der Kapelle die sorgfältigste architektonische
und bauplastische
Ausstattung".'!'
Das Hochschloss der Marienburg scheint diesem Plan in seiner ersten
Bauphase!" weitgehend entsprochen zu haben, wurde aber 1331-1344 unter Luder
von Braunschweig
(HM 1331-1335) und Dietrich von Altenburg (HM 1335-1341)
gravierend verändert.'!" So scheint der Raum vor der Marienkirche im Hochschloss,
der seit den Wiederherstellungsarbeiten
des 19. Jahrhundert'!" als "Kapitelsaal" identifiziert wird, nach neueren Studien in der ersten Bauphase als Refektorium genutzt
worden zu sein.!" Ähnliche Gegenüberstellungen
finden wir noch heute in den Ruinen
der Konventsburgen von Mewe"? und Rehden.!" Dort ist allerdings zwischen Kapelle
und Refektorium ein kleinerer Zwischenraum,
der direkt über dem Haupttor sitzt. Er
wird wegen seiner kleinen Fenster zur Kirche hin nach verschiedenen Verlegenheits-
113 Die Marienfigur mag zwar "den sinnfälligsten Ausdruck für das Patronat der Gottesmutter über den
Deutschen Orden" geben, so EIMER.Gerhard: Terra sanctae Mariae. Das Deutschordensland als Marienland. In: Terra sanctae Mariae (wie Anm. 106), 7-9, hier 7. Im Innenraum wirkt es aber wenig
imposant - nämlich wie das vermauerte Fenster, das es ja auch ist. Für den Verteidigungsfall wurde
damit eine gefährliche Maueröffnung verschlossen, durch die andernfalls mühelos Brandgeschosse
ins Kircheninnere geschleudert werden konnten, was bei dem hohen Anteil an Holz und Stoffen in
der Einrichtung rasch den gesamten Nordftügel des Hochschlosses in Brand gesetzt hätte. Es ist kein
Zufall, dass die gesamte Ostseite des Hochschlosses kaum Fenster hatte, und dass die freiliegenden
Fenster an der Nordseite der Marienkirche zum offenen Land hin durch den Pfaffenturm verdeckt
wurden.
114 TORBUS(wie Anm. 105),309.
115 TORSUS(wie Anm. 105),291-294.
116 TORBUS(wie Anm. 105),496-498,520
(Grundrisse). - Zur Bautätigkeit unter Luder HELMS,Simon:
Luther von Braunschweig. Der Deutsche Orden in Preußen zwischen Krise und Stabilisierung und
das Wirken eines Fürsten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, Marburg 2009 (Quellen und
Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 67), 156-158.
117 KNAPP,Heinrich: Das Schloss Marienburg
nach 1456, Lüneburg 1990, 95f, 99.
in Preußen. Quellen und Materialien
zur Baugeschichte
118 JOZWIAK,Slawornir/Tnumcox, Janusz: Organizacja zycia na zamku krzyzackirn w Malborku w czasach wielkich mistrzow (1309-1457) [Organisation des Lebens auf dem Deutschordensschloß
Marienburg zur Zeit der Hochmeister], Malbork 2007, 139-145. - Im Ausgabenbuch der Marienburger
Hauskomturs wird mehrfach die Lieferung von Trinkgefäßen und einmal sogar von Essen .arffs
cappitill" verzeichnet, offenbar fanden hier die abendlichen Collationes und in Ausnahmefällen weiterhin Mahlzeiten statt. Ausgabenbuch (wie Anm. 55), 420 mit den entsprechenden
Belegstellen,
z.B. das Essen 155,17 zum 1.12.1415.
119 TORSus (wie Anm. 105),540-554.
120 TORBGS(wie Anm. 105), 595--608.
36
Amo Mentzel-Reuters
lösungen früherer Forschung nunmehr als Firmarie gedeutet. Spuren eines solchen
Raumes haben sich auch in der Marienburg finden lassen. 121 Mit seiner Beseitigung
und der Erweiterung des Kapitelsaals rückte dieser unmittelbar an die Marienkirche
heran. Damit entstand eine ungewöhnliche Raumkonstellation. Die besonders auf der
Kirchenseite prächtig ausgebaute Wand trennt und verbindet gleichermaßen zwei ritualisierte Bereiche der Gemeinschaft: den nach außen - d.h. auf Gott - gerichteten
liturgischen Raum der Marienkirche und den nach innen - d.h. auf die Lebensform _
gerichteten Kapitelsaal.!"
Die gab im 19. Jahrhundert Raum für blumige Spekulationen: Es habe eine Zwischentüre gegeben und nach der Wahl eines neuen Hochmeisters "trat der Erwählte
aus dem Saal in jene Thür und zeigte sich der in der Kirche harrenden Menge". m
Wenn dies auch als Phantasie nach dem Vorbild der Papstwahl zurückgewiesen werden muss!" - es gab diesen Durchbruch zwischen Kapitelsaal und Kirchenempore
nicht!" -, so versucht es doch, die Bestimmungen des Ordensbuches zu lokalisieren
(Gewohnheit Nr. 6126) und lenkt das Augenmerk auf das zu wenig beachtete funktio121 POSP1ESZNV,
Kazimierz: Orte der Reliquienpräsentation in den Deutschordensburgen in Preußen. Ein
Beitrag zu neueren Forschungen. In: Ecclesiae omatae. Kirchenausstattungen des Mittelalters und
der frühen Neuzeit. Hg. v. Gerhard E1\fER,Ernst G1ERLlCH
und Matthias MCLLER,Bonn 2009 (Kunsthistorische Arbeiten der KuIturstiftung der deutschen Vertriebenen 6), 311-326, hier 314-319.
122 POSPIESZNV:
Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121), 322 deutet die Kammern unter der Empore als Autbewahrungsort für Reliquien. Das Marienburger Ämterbuch (wie Anm. 50) lässt aber
keinen Zweifel daran, dass die Reliquien entweder an den Altären oder in den Sakristeien der Kirche
aufbewahrt wurden, z.B. "sunte Agathe houpte" am Hochaltar (MÄB 131,21), "item in dem schaffe
vor unser lieben frowen altare in der muer acht stucke mit dem groszen crucze" (MÄB 131,24f.) usw.
123 Schloss Marienburg in Preußen. In: Illustrirte Zeitung, Berlin, vom 1.6.1850, 345f., hier 346. Eine
Ansicht der Westernpore im damaligen Zustand (d.h. als aufgegebene Jesuitenkirche vor allen Restaurierungsmaßnahmen durch den preußischen Staat) bringt die Ausgabe Nr. 593 vom 11.11.1854,
316 (1850 wurde die Zeitung noch nicht gezählt). Ähnliches Bild bei POSPlESZNV:
Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121),313. Die vorgefundene Ausstattung der Kirche wird detailfreudig
geschildert; hinsichtlich der Empore wird vermutet, sie sei für den Stuhl des Hochmeisters bestimmt.
Das ist jedoch unwahrscheinlich, da in der mittelalterlichen Kirche dem Herrscher ein Platz am
Hochaltar zustand.
124 So wurde die Wahl des Hochmeisters nach dem Vorbild der Templerregel durch Wahlmänner vorgenommen und nicht durch das Generalkapitel. Ausführlich zum Verfahren MILlTZER
(wie Anm. 4),
137-140.
125 Zumindest zeigt keiner der bei K."IAPP
(wie Anm. 117), 180-183 und bei POSPlESZNV:
Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121),315 abgedruckten historischen Grundrisse einen solchen Durchgang; die auch heute noch in der Mitte der Ostwand des Kapitelsaales zu erkennende Nische war
auch vor der Einpassung eines "Hochmeisterstuhles" und der weiteren hölzernen Sitzreihen (im
frühen 20. Jahrhundert) vermauert, wie aus den vor 1900 gedruckten Postkarten des Vereins zur
Herstellung und Ausschmückung der Marienburg hervorgeht.
126 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 95.15-29: .Zu hant sulen die brüder pfaffen hochzitlichen anheben Te Deum laudamus unde sulen die glocken zusamene lüten unde der brüder, der
an des meisteres stat was, der sal den, der dä ist erwelt, vur den alter vüren unde sal ime dä vor allen
Der Deutsche
Orden als geistlicher
Orden
37
nale Nebeneinander der geistlichen Räume im Nordflügel des Hochschlosses, das auf
zisterziensische Vorbilder verweisen könnte.!"
Hinweise auf den Kapitelsaal des Hochschlosses als Ort der Hochmeisterwahl gehören zur Topik der Fremdenführer.I" aber primär war der Raum für den eigentlichen
Konvent bestimmt, der darin wöchentlich seine "gewöhnlichen" Kapitel abhielt, 129in
denen (wie schon im Templerorden) "nichts anderes verhandelt ward, als was die Geschäfte jedes einzelnen Hauses und die Disciplin desselben betraf"!" - es waren also
primär Schuldkapitel.!" Die Schlussformel, die in den Gewohnheiten vorgeschrieben
wird, macht das deutlich: "Brüder, ir habt unsre regel, unsere gesetzede unde unsre
gewonheit nun unde zu den andem ziten wol gehört, daz ir iuch damauch rihten,
daz fuget sich wol. (... ) Bruder chommend zu iur geziten, nach dem als iuch danne
di glock bescheyde. Bruder, chommend zu iur tavelen und nement do dez ordens
almüsen unde gut. Bruder, sy ieman hie, der urloub wolle nehmen zu sprechen, der
sprech in Gotes namen, sy dez icht, so emphelven wir unsere sach unserm hem Jesu,
Amen."132Die Kapitel fanden sonntäglich statt, die Teilnahme war für alle Brüder verpflichtend.!" Wer nicht dem Konvent angehörte, hatte keinen Zutritt.
den brüderen daz ambeht der meisterschefte mit dem vingerllne unde mit dem insigel antwerten
unde bevel hen un de sal in des manen, daz er also der berihtunge des hüses unde dem ordene vor SI".
Paraphrasiert M1LlTZER(wie Anm. 4), 139 f.
127 KOCH (wie Anm. 103), 1217 weist darauf hin, dass dem Kapitelsaal seit dem 11. Jahrhundert und
insbesondere bei den Zisterziensern "vielfach östlich eine Marienkapelle angegliedert" wurde.
128 Einer unter vielen: WOLFRL'M,Heinrich: Die Marienburg. Das Haupthaus des Deutschen Ritterordens
und seine Geschichte, Leer 1972, 21. Das Buch ist im Übrigen ein spätes Zeugnis für die Wirksamkeit von Treitschkes Deutschordensbild.
129 Vor dieser Verwechslung warnt ausdrücklich
130 MÜ~TER(wie Anm. 102),221 Anm. *.
MÜNTER(wie Anm. 102),221 Anm. *.
131 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 77,35-78,7: "Sint ouch der apostel sprichet: were
daz wir uns selben urteileten, so enwurden wir niht geurteilet, so sezzen wir, daz man der verholnen
schulde, alleine dunken SI cleine, heimeliehe kume zu blhte unde daz man offenbare schulde in deme
capite le rüge unde darumme da entphähe gevelliche büze, daz also die Gotes e werde ervullet nach
deme daz die schulde sint, so sal man die siege mäzen, unde swie man daz äne zwivel äne swere
schulde behalten sule, doch sal man ez an den minnesten niht versürnen, wende sente Gregorius sprichet: sw er die minnesten versümet, der vlüzet algemehellche zu den grözen", Zitiert werden Gregors
Moralia in lob X 11,21.
132 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 133,16-28.
133 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 74,12-19 (Gesetze Nr. 27): "In allen hüseren sal
man die regelen unde die gesetzede in deme iäre drlstunt lesen in den octaven zu wlnahten un de zu
österen unde zu der schiffurige zu des heiligen cruces messe unde in den capitelen, unde darzu in
allen sunnetagen, ob ez mit vügen mac sin, so sal man den brüderen ettelich teil der regelen unde der
gesetzede lesen".
38
Arno Mcntzel-Reuters
In diesem Raum war der Konvent ganz bei sich. Auf einem Lesepult sollte - zumindest im Idealfall- das Ordensbuch liegen, aus dem zu Beginn des sonntäglichen'>
gewöhnlichen Kapitel im lahresumlauf jeweils ein Kapitel der Ordensregel verlesen wurde: "Wenne man get zu capitel, so spricht ye der prüder VII pater unde VII
äve Maria. Darnäch liset der priester prüder ein capitel in der regelen, ein capitel in
den gesetzeden, ein capite I in den gewonheyden unde kundet die heylstage derselben
wüchen, damauch spricht er die enphelhunghe, als hernach geschriben stät.:"" Auf
den für den Herbst vorgeschriebenen "großen Kapiteln" war sogar die vollständige
Regel zu verlesen.!"
Durch das Vorlesen des Ordensbuches trat der Ordensbruder in Kontakt mit den
Statuten - er las sie nicht selbst. Doch erschöpfte sich das Kapitel nicht mit dem Verlesen der Satzungen. Im Anschluss hielt der ranghöchste Anwesende als Leiter des
Kapitels oder aber der Priesterbruder einen Sermo ad fratres über ein von ihm frei
gewähltes moraltheologisches Thema -letztlich also eine Mahn- oder Bußpredigt!" _
und forderte abschließend die Anwesenden auf, ihre Verfehlungen gegen die Regel zu
bekennen.
Es ist Aufgabe der Gemeinschaft, nach Maßgabe der Statuten dafür das Strafmaß
zu bestimmen. Der Ritualcharakter wird an den heute noch erhaltenen Ordensbüchern
deutlich, in denen neben dem legistischen Kern aus Statuten, Gewohnheiten und Gesetzen der mit den charakteristischen liturgischen Festen ausgezeichnete Kalender
und das Aufnahmeritual für neue Brüder enthalten sind.
Will man den Charakter dieser Bücher verstehen, muss man ihre Textkompilationen als solche betrachten und nicht auf ein Abstraktum ("die Deutschordensregel")
reduzieren. Diesen kann man nur aus der jeweiligen Handschrift ermitteln.
Max Perlbach hat für die Edition der Deutschordensstatuten 34 Handschriften herangezogen und in seiner Einleitung bzw. im kritischen Apparat der Edition dokumentiert. Hieraus lassen sich die Umrisse der jeweiligen Codices erahnen, aber nicht
immer mit letzter Gewissheit rekonstruieren.
Um die Schwankungsbreite erkennbar zu machen, habe ich die Überlieferung der
Kleintexte ausgewertet, die in Perlbachs Edition zu einem völlig unhistorischen Block
134
MÜNTER (wie Anm. 102), 157,224-225
59--60: Gesetze 11a-b.
Anm. **. - Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25).
135 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). 133: Gebet Nr. 14.
136 Am Tag der Kreuzerhöhung (14.9. nach demjulianischen Kalender). Statuten des Deutschen Ordens
(wie Anm. 25), 102: Gewohnheit 18. Die Gestaltung der Generalkapitel in Preußen wird sich erheblich von dem unterschieden haben, was die noch auf die Landmeister von Armenien und Zypern
Rücksicht nehmenden Bestimmungen der Gewohnheit 18 vorgeben. Als unter Hans von Tiefen am
Ende des 15. Jahrhunderts ein Generalkapitel geplant wurde, musste der Kanzler Sculteti erst das
Ordensbriefarchiv auswerten, um ein sinnvolles Procedere entwerfen zu können. ME~TZEL-REUTERS:
Reformschrifttum (wie Anm. 48), 66.
137 An ihre Stelle kann auch eine Lectio treten. MC"TER (wie Anm. 102),224-225
Anm.
**.
Der Deutsche
Orden
als geistlicher
39
Orden
am Ende der Edition verschmolzen sind - soweit sie überhaupt in die Edition aufgenommen wurden. Für diesen Bereich ist der Abdruck der Neufassung des Ordensbuches von 1442 von unschätzbarem Nutzen, den Ernst Hennig 1806 veranstaltete.':"
Der rituelle Charakter des Ordensbuches wird in 17 der 34 von Perlbach herangezogenen Handschriften durch ein Kalendarium unterstrichen, das traditionell Messbüchern, Psalterien oder Gebetbüchern vorangeht. Diese Quote von 50% bleibt vom
späten 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts konstant.
Anders ist es mit dem Aufnahmeritual.!"
Seine Zugehörigkeit zum Corpus ist unstrittig, denn die Aufnahme neuer Brüder musste vor dem Kapitel geschehen. Dennoch wird das vollständige Ritual in den Ordensbüchern
nur in drei Handschriften
verzeichnet, von denen zwei dem 14. Jahrhundert angehören und eine dem 16., wobei anzunehmen ist, dass es in letzterer nur aus historischem Interesse bzw. durch
die Verwendung einer Vorlage aus dem 14. Jahrhundert aufgenommen wurde. Meist
werden nur die Benediktionen aus dem Aufnahmeritual
(die zur Schwert- und Ritterweihe gehören) aufgenommen - dreizehn weitere Handschriften führen sie ohne das
vollständige Ritual, wobei auch hier das 14. Jahrhundert überproportional
vertreten
ist.':'? Ganz anders sieht es mit den so genannten Venien!" aus. Banal gesagt, handelt
es sich um Anweisungen,
wann die Brüder das Knie beugen oder gar kniend beten
sollen, sowohl grundsätzlich (etwa beim Betreten und Verlassen der Kirche, während
des Gloria oder dem Invitatorium) aber auch bei speziellen Anlässen über den Jahreskreis hinweg. Dabei wird das lateinische .veniarn facere" durch das deutsche Verb
.venien" (z.B. "man sal venien") übersetzt, eine merkwürdige
der Handschriften
enthalten
diese Vorschriften,
Wortschöpfung.
76%
darunter praktisch alle Handschriften
nach 1300. Diese Demutsgeste hat sich offenbar erst im 14. Jahrhundert durchgesetzt.
Als letzte große Beigabe finden wir schließlich die Anweisungen über das Abhalten
von Vigilien, also der Nachtwachen vor den großen Heiligenfesten und vor der Beerdigung eines Bruders bzw. an den Gräbern der Hochmeister. Diese Vorschrift ist nur in
den deutschen Ordensbüchern zu finden und offenbar vor allem den späten: Während
sie noch im 14. Jahrhundert nur in die Hälfte der Codices eingetragen wurde, geschah
dies im späten 15. Jahrhundert in allen Abschriften.
Einer der letzten Zuwächse zum Corpus der Kapiteltexte war das große Gebet, mit
dem das Kapitel eröffnet wurde.!? Im 13. Jahrhundert fehlt es in den Handschriften
138
HE1I:~IG. Ernst: Die Statuten
des Deutschen
den Anmerkungen,
historisch-diplomatischen
etymologischen
heimes
139
140
141
142
Statuten
einigen
Glossarium,
Staatsarchiv
10 von 19 Handschriften,
Ordens
zum
Statuten
des Deutschen
Ordens
Statuten
des Deutschen
Ordens
lung der verschiedenen
Nach dem Original-Exemplar,
Baylagcn
mit sinnerläutern-
und einem vollständigen
historisch-
1806. Bei der Vorlage handelt es sich um den Codex GeKulturbesitz
in Berlin, XX. Hauptabteilung.
Ordensfoliant
60.
(wie Anm. 25), 127-131.
Vergleich: von den acht Handschriften
nach 1400 nur mehr eine.
(wie Anm. 25), 120-126.
(wie Anm. 25), 131-133. Aus der unübersichtlichen
Zusammenstel-
Königsberg
Preußischer
des Deutschen
Ordens.
Fassungen.
die hier nicht wie sonst parallel
sondern
sukzessive
abgedruckt
40
Amo Mentzel-Reuters
noch völlig. SBPK Berlin, Ms. Boruss. 1 aus dem 14. Jh. ist der älteste Überlieferungsträger.!" In zwei Handschriften des 14. Jahrhunderts wurde es erst im IS. Jahrhundert nachgetragen!", ebenso in einer Handschrift des IS. Jahrhunderts.!" Erst die
erneuerten Statuten von 1442 machen es zum festen Bestandteil des Corpus.
Der Form nach ist es eine .Dratio pro omni gradu ecclesiae", wie sie in der Liturgie nach der Allerheiligenlitanei zu sprechen war.':" Aber es ist eben in seiner Ausformung ein besonderer Text. Es besteht aus elf einzelnen Gebetsaufforderungen. Nicht
eine zeigt eine aggressive oder nach Vorherrschaft oder auf militärische Absichten
zielende Programmatik. Insbesondere möge der Orden an "Gnade, Zucht und geistlichem Leben" zunehmen.
1.
Gott gebe Trost, Frieden und Schutz vor allem Übel der gesamten Christenheit.
2.
Bitte für den Papst, .xlaz rlche" (das Regnum teutonicum), fur die geistlichen
und weltlichen Anführer und Richter der Christenheit.
3.
Für den Orden; das Spiritualisierungsprogramm wird in klare Worte gefasst:
.xlaz den unser herre laze zunemen an gnaden, an zucht, an geistlichem lebene,
unde beneme allen den Personen, die darinne sint unde in anderen orden, alles,
daz wider sime lobe unde sime willen sie."!"
4.
Für den Hochmeister und alle Würdenträger des Ordens, .xlaz sie dem orden unde iren ampten also bevor sin, daz sie von Gote nimmer gescheiden
werden."!"
5.-6. Für die Brüder, die kein Amt versehen und für alle im Stand der Todsünde.
7.
Die Bitte um die Bekehrung der Heidenschaft. Eine gewaltsame Bekehrung
wird nicht propagiert. "Bittet ouch vor alle die lant, die vor der heidenschaft
legen, daz in Got mit sime rate unde craft zu hulfe korne, daz Gotes geloube
unde minne da inne gebreitet werde, also daz sie allen iren vienden mugen
widersten." Das Ordensbrevier formuliert es eine Spur aggressiver: "inimiwerden, ist der Sitz dieses Gebetes im Ordensleben nicht zu erkennen. Der 1442 auf dem Generalkapitel zu Marienburg definierte Normcodex (vgl, Anm. 138) formuliert es in einer deutlichen Rubrik:
"Wie die prister bruder in dem capittil sullin bitten vor den cristenthum." Zitiert nach HEt-:NIG
(wie
Anm. 138),216.
143 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XVI Nr. 2.
144 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). Xf. Nr. 2, XXII Nr. 14.
145 Torun, Biblioteka UMK Rps 78111,175r (ehemals Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg Ms.
1556). Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XX Nr. 9. - PÄSLER, Ralf: Katalog der mittelalterlichen Deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek
Königsberg. Nebst Beschreibungen der mittelalterlichen deutschsprachigen Fragmente des ehemaligen Staatsarchivs Königsberg. Auf der Grundlage der Vorarbeiten Ludwig Deneckes, München 2000
(Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 15), I22f.
146 Zum Gebet im Deutschordensbrevier vgl. MEt-:TzEL-REuTERs:
Arma spiritualia (wie Anm. 4), 246
Anm. 1560 (mit Textabdruck).
147 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). 131 Z. 36f.
148 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 131 Z. 391:
Der Deutsche
cis nostris
Orden
als geistlicher
et nobis veram charitatem
41
Orden
largire,
incredulos
converte,
errantes
corrige"."?
8.-10. Für die Förderer und Wohltäter des Ordens, insbesondere für die aus der Narratio de primordiis bekannten staufischen Förderer Heinrich VI. und seinen
Bruder Herzog Friedrich von Schwaben, sowie Leopold von Österreich und
Konrad von Masowien, sowie alle verstorbenen .Iirüdere unde swestere unsers
ordens".""
11.
.Eyn iclicher gedenke ouch sines vater unde muter sele unde siner geswisteride
unde aller siner vründe sele, Gedenke ouch ein iclicher der eilenden selen, die
niemandes haben, der ir gedenke. Damitte gedenket aller geloubigen selen, daz
in Got gebe die ewige rü. Requiescant in pace. Amen."151
Was folgt daraus? Das Kapitel war der Ort, an dem jeder einzelne Deutschordenskonvent sich seiner Identität vergewisserte, aber es war kein Ort des Kampfesgeistes,
sondern stand in der Tradition des abendländischen
Mönchstums.
In der von Kampfhandlungen
geprägten Frühzeit war es wohl nicht weiter ausdifferenziert, aber während des weitgehend friedlichen 14. Jahrhunderts erfuhr es eine
spirituelle Erweiterung und Bereicherung, die nach 1410- ich komme an den Anfang
meiner Überlegungen zurück - zunächst wohl einbrach, dann aber als gezielte geistliche Demutsübung wieder neu gestaltet wurde. Das deckt sich mit den Aufträgen
an die Visitatoren jener Zeit, die streng darauf achten sollten, dass die Regel befolgt
und die Kapitel gehalten wurden. Schon 1338 sprach Dietrich von Altenburg in einer
Instruktion für die nach Böhmen entsandten Visitatoren von seiner Verpflichtung, das
geistliche Leben im Orden zu pflegen und zu überwachen.'?
Im Umfeld der Neufassung der Statuten 1442 hat Konrad von Erlichshausen mehrere Visitationen durchfuhren lassen und Instruktionen für die Visitatoren ausgegeben. Es geht auch um Landbesitz, Vieh und Waffen, aber vor allem um die Lebensform der Brüder,'?
149
Breviarium
secundum
ordinem
nach ME"TlEL-REl;TERS:
Hinweis
gelegte
150
darauf,
Anna
fratrum
Teutonicorum,
spiritualia
dass die Bitte zur Bekehrung
frühmittelalterliche
Formular
Nürnberg:
(wie Anm. 4), 246 Anm.
der Ungläubigen
eingeschoben
des Deutschen
Ordens
(wie Anm. 25), 132, 20f.
151
Statuten
des Deutschen
Ordens
(wie Anm. 25), 132, 24-26.
152
Visitationen
Teil I: 1236-1449,
VeröfTentlichungen
Ordens
Marburg
Besonders
sondere
2002 (Quellen
der internationalen
10), 13: Nr. 12: ..Quoniam
regulis vita perfeccionem
salubriter est inventum."
153
Orden im Mittelalter.
detailliert
194: Nr. I14.
eine nicht datierte
in das dem Breviergebet
Hg. v. Marian
und Studien
historischen
de presentibus
ac pestifere
1485, 663. Hier zitiert
1562 der
zugrunde
wurde.
Statuten
im Deutschen
Stuchs
1560. Ebd., 247 Anm.
depravacionis
Instruktion,
BISKUPund Irena JANosz-BlsKuPowA.
zur Geschichte
Kommission
provinciis
sacram
more suffocando
Visitationen
des Deutschen
zur Erforschung
reiligionum
visitacionis
(wie Anm.
Ordens
50 I
des Deutschen
fundatoribus
per
officium
debite
152), 193-197,
insbe-
42
Arno Mentzel-Reuters
Die politische und zunehmend auch wirtschaftliche Bedrängnis des Ordens führte,
wie in anderen Orden auch, im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts zu einer Verstärkung der Aszese und der inneren geistlichen Disziplin, bis hin zur Restaurierung der
Ordensstatuten auf dem Generalkapitel von 1442. Die Ordensbücher strebten an, die
monastische Seite der Brüder zu stärken, damit sie - wie einstmals Judith - nicht wegen der Macht ihrer Waffen, sondern wegen ihrer Tugend gepriesen würden.
Das ist, soweit sie den Orden selbst betraf, auch die Zielrichtung der "Ermahnung des Kartäusers", die Paul von Rusdorf 1428 übergeben wurde.'>' Der Verfasser betonte, er handle aus "gantczer czugenegeter liebe und treue, die ich das
Got weys, trage zcu deme erwirdigen orden und dem lande Preussen", ja sein Gewissen treibe ihn, seine Erkenntnisse in schrifften offenbar zu machen. Ein Ende
der Ordensherrschaft konnte sich der Kartäuser vorstellen, falls mangels geistlicher - nicht etwa militärischer - Disziplin das Land durch Gottes Zorn .widder
bey dy heyden kome"!" - wobei offen blieb, wer hier mit "Heiden" gemeint war
(JagieHo?). Auch das warnende Beispiel der Templer wird beschworen, "dy grosse
lande hatten, ummb irer hofart willen und boses lebens hot men sy daraus getreben." 156 Das drohe auch dem Deutschen Orden, denn seine Brüder entzögen
sich dem klösterlichen Leben, regierten willkürlich, ungerecht und prassten; im
verarmenden Land herrschten Wucher, Ehebruch und Gier; die Heiden seien frech
geworden. Der Kirchenzehnte verschwinde im OrdenstresseI, während die Priester
sich selbst um ihren Unterhalt kümmern müssten und daher ihre geistlichen Aufgaben vernachlässigten.
Die Ordensleitung hatte derartige Ermahnungen durchaus Ernst genommen, auch
wenn spätere Danziger Chronisten das Gegenteil behaupteten.!" Es war ein Grund
mehr, die Stärkung des monastischen Lebens voranzutreiben. Solche Initiativen waren so erfolgreich und so erfolglos wie andernorts die der Observanten. Auch im
Ordensstaat wandten sich etliche Gruppen, die Ende des 15. Jahrhunderts von den
Zönobiten eine strengere Askese forderten, schließlich zur lutherischen These von
der falschen Keuschheit und der Forderung nach Auflösung aller klaustralen Gemeinschaften im Lande. Der Versuch des Bischofs Erhard von Queis, den Deutschen Orden
aus dieser allgemeinen Erosion des Mönchtums herauszuhalten, 158 hatte ebenso wenig
154 Die Ermahnung des Carthäusers. In: Scriptores rerum Prussicarum. Bd. 4. Hg. v. Theodor HIRSCH,
Leipzig 1870, 448--465. - Zur Schrift allgemein OU';;SKI, Piotr: Die Ermahnung des Kartäusers an
die Deutschordensritter. In: Mittelalterliche Kultur und Literatur (wie Anm. 12),473--481.
155 Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),457.
156 Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),457.
157 Theodor HIRSCHin der Einleitung zur Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),450 (nach Bemt
STEGEMANN).
- Zur Rezeption im Orden MESTZEl-REl':TERS:Reformschrifttum (wie Anm. 48), 65~7.
158 Vg!. Anm. 73.
Der Deutsche Orden als geistlicher Orden
eine Chance wie Luthers Entwurf einer besitzlosen,
Deutschherrengemeinschaft
für den Türkenkrieg.':"
aber weitgehend
43
säkularisierten
So endete im bisherigen Ordensstaat, dem neuen Herzogtum Preussen, der Deutsche Orden zusammen mit allen anderen geistlichen Körperschaften
- nicht früher
und nicht später. Insofern ist es müßig, über Erfolg oder Misserfolg der Reformbemühungen des 15. Jahrhunderts zu diskutieren. Eher ist festzustellen, dass die monastische Überformung des Ritterideals nach dem Vorbild der Zisterzienser bis zum
Ende des Ordensstaates ohne Alternative blieb. Der Deutsche Orden hat während des
gesamten Mittelalters versucht, dem hohen geistlichen Anspruch gerecht zu werden,
den schwarzes Kreuz und weißer Mantel symbolisierten.
159 Zu Luthers Schrift an die Herren Deutschen Ordens von 1523 MENTZEL-REUTLRS:Reformschrifttum
(wie Anm. 48).75-77.