CURA ANIMARUM
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CURA ANIMARUM
CURA ANIMARUM Seelsorge im Deutschordensland Preußen Herausgegeben von Stefan Samerski 2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN ARl\O MENTzEL-REuTERs DER DEUTSCHE ORDEN ALS GEISTLICHER ORDEN' Ein mittelalterlicher Ritterorden ist immer ein geistlicher Orden. Die Forschung trägt dem Rechnung, indem sie heute vom "Deutschen Orden" spricht und andere Bezeichnungen nur mehr in ihrem historischen Kontext benutzt.' Der eher säkulare "deutsche Ritterorden" ist etwas Neuzeitliches, der "deutsche Ritterorden", wie ihn Heinrich von Treitschke- darstellt, gar das Produkt einer Geschichtsklitterung.' Darüber wäre eigens zu handeln: Hier beschränke ich mich auf das Mittelalter. Thematisch geht es nicht nur um das in zahlreichen jüngeren Forschungen behandelte "Selbstverständnis" des Deutschen Ordens,' sondern zu einem nicht unerheblichen Teil um ein von außen an den Deutschen Orden herangetragenes Verständnis, das sich nicht zuletzt aus den durch die Errichtung als ,ordo militaris" vorgegebenen Rollen speist. Hier handelt es sich um von außen vorgegebene Aufträge und Erwartungen, denen die innere normative Selbstsetzung nicht zwangsläufig entsprach - ebenso wie diese in der Innenansicht ganz anders ausgestaltet * 2 3 4 5 Dieser Beitrag ist Udo Arnold zu seinem 70. Geburtstag am 6.9.2010 gewidmet. Am Abend dieses Tages wurde der ihm zugrunde liegende Vortrag in Danzig-Oliva gehalten. Das modeme Bild des Ordens wurde maßgeblich bestimmt durch die von der Internationalen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens gestaltete Ausstellung des Germanischen Nationalmuseums 1990 in Nürnberg und ihren Katalog: 800 Jahre Deutscher Orden. Ausstellungskatalog des Germanischen Nationalmuseums. Hg. v. Gerhard BOTTund Udo ARNoLD,Gütersloh 1990. Zu Heinrich von Treitschke (1834--1896), Professor für Geschichte in Berlin und nationalliberaler Reichstagsabgeordneter FRP';U:\. Ansgar: Treitschke. Heinrich von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL) 12 (1997),442--444. - Speziell zum Deutschen Orden: TREITSCIIKE,Heinrich von: Das deutsche Ordensland Preußen. In: DERS.,Ausgewählte Schriften Bd. I, Leipzig 31907, 48-135. Die Rezeption von Treitschkes Deutschordensbild nach 1945 behandelt BoocKMANN, Hartmut: Der deutsche Orden. Zwölf Kapitel aus seiner Geschichte, München 1981 (Beck'sche Sonderausgaben), 242f. Vg!. auch Anm. 128. MILlTZFR,Klaus: Von Akkon zur Marienburg. Verfassung, Verwaltung und Sozialstruktur des Deutschen Ordens. Bd. I. 1190--1309, Marburg 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 56 / Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 9), 96-109. - ME"TZFI-RH:TFRS, Arno: Arma Spiritualia. Bibliotheken, Bücher und Bildung im Deutschen Orden. Wiesbaden 2003 (Beiträge zum Buch- und Bibliothekswesen 47), 1742. - Allgemein zusammenfassend CZAJA,Roman: Das Selbstverständnis der geistlichen Ritterorden im Mittelalter. Bilanz und Forschungsperspektive. In: Selbstbild und Selbstverständnis der geistlichen Ritterorden. Hg. v, Roman CZAJAund Jürgen SAR:\OWSKY,Torun 2005 (Ordines militares 13), 7-22. Zum Begriff und seiner Abhängigkeit von der Zisterzienserspiritualität DEMURGER,Alain: Die Templer. Aufstieg und Niedergang 1120-1314, München 1991,37-46. 16 Amo Mentzel-Reuters gewesen sein konnte als in der nach Außen gerichteten Präsentation." Völlig offen bleibt, inwieweit einer solchen aus polyvalenten Rollenerwartungen erwachsenden Organisation eine überindividuelle Willensbildung unterstellt werden kann.' Man muss sich wohl darauf beschränken, Gemeinsamkeiten in verschiedenen Bereichen des Alltagslebens und seiner Organisation aufzuzeigen. Insofern besteht die hier gestellte Aufgabe darin, einmal die Spiritualität und zum zweiten die Lebenswirklichkeit der dem Deutschen Orden vorgegebenen Statuten zu untersuchen. Nur was sich gleichermaßen in verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens niederschlug, kann als die Gemeinschaft prägendes Moment gelten. Hier wird es um die Rituale gehen, die das Ordensbuch vorschrieb. Welche Ausprägungen erfuhren sie in personeller Organisation, Architektur und Literatur (im weitesten Sinne)? Es gehört zu den Besonderheiten des Ordenslebens, dass es sich weit über die Liturgie hinaus schriftlich fixierter Rituale bedient. Wenn im Verlaufe des Aufnahmerituals der Meister dem um Aufnahme Ersuchenden den weißen Mantel mit schwarzem Kreuz verlieh,' so bedeutete dies fur den neuen "miles christianus" die lebenslängliche Unterwerfung seiner bislang höfischen Lebensweise unter die "Ordensregel" im Sinne des hI. Benedikt und erhob gleichzeitig den weltlichen Ritter zum "coenobita", zum in Gemeinschaft lebenden Mönch." Er war für würdig befunden worden, den "habitus" zu tragen, insbesondere den Ordensmantel.'? Schon die Templer verbanden - und nach ihrem Vorbild später die Ritterbrüder des Deutschen Ordens" - programmatisch das weiße Gewand der Zisterzienser mit dem Symbol des Kreuzfahrers." Unklar ist, wie weit der immer wieder diskutierte Einfluss der Dominikaner reichte bzw. 6 Diesen Unterschied arbeitet heraus BCRGTORF,Jochen: Das Selbstverständnis der Templer und Johanniter im Spiegel von Briefen und Urkunden (12. und 13. Jahrhundert). In: Selbstbild (wie Anm. 4), 23-46, hier 24f. 7 BURGTORF(wie Anm. 6), 24: ,,Im Falle der Ritterorden kommt hinzu, daß idealerweise das Selbstverständnis des Individuums und das des Kollektivs eine Einheit bildeten. In der Praxis traten die beiden jedoch bisweilen auseinander, d.h. neben dem kollektiven Selbstverständnis blieb das individuelle Selbstverständnis manchmal deutlich erkennbar." Doch kann auch aus der Unkenntlichkeit individueller Anliegen nicht auf deren Auflösung in einem kollektiven Willen geschlossen werden. 8 Zum Deutschordenshabit und seiner Symbolik SALCH, Dieter: Vestis alba et crux nigra - weisser Mantel und schwarzes Kreuz. Die Insignien des Deutschen Ordens. Ein Beitrag zum Recht und zur Rechtsgeschichte des Deutschen Ordens. Marburg 2009 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 62 / Veröffentlichungen der Internationalen Historischen Kommission zur Erforschung des Deutschen Ordens 7). 9 SCHWAIGER, Georg: Mönchtum, München42003,292. lODEMURGER (wie Anm. 5),67. I1 SALClI(wie Anm. 8),44-46. 12 SALCH(wie Anm. 8), 5-7. Orden, Klöster. Von den Anfangen bis zur Gegenwart. Ein Lexikon, Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 17 (was ich für unwahrscheinlich halte) inwieweit die Statuten des Deutschen Ordens auf den Predigerorden ausstrahlten." Solchen Befunden widerspricht nicht, dass die Ritterorden diese historische Ableitung schon bald nicht mehr zur Kenntnis nahmen und im Deutschen Orden sogar die Vorstellung seiner himmlischen Begründung vor aller Zeit vertreten wurde." Die Ritterorden mussten mit beständiger spiritueller Konkurrenz der anderen Gemeinschaften leben und waren von Anfang an, insbesondere aber nach dem Verbot der Templer, dem Vorwurf ausgesetzt, keine richtigen Mönche zu sein. Die Reaktionen hierauf verdienten eine eigene Untersuchung; grob gesehen scheint es aber so, dass die "ordines rnilitares" die Reformorden des Hochmittelalters nicht kopieren, sondern ergänzen wollten - gelegentlich dann wohl auch übertreffen. Ein Bestehen gegen diese Konkurrenz war möglich, solange im Adel ein Bewusstsein für eine spirituelle "Ritterschaft" existierte. Der Adel war gleichermaßen fur das Requirieren neuer Mitglieder wie als Errichter von frommen Stiftungen zugunsten des Ordens von zentraler Bedeutung. Seiner Befriedung galten der Kreuzfahreraufrufund das spirituelle Programm der Ritterorden. Die Schriften Bernhards von Clairvaux, so verbreitet sie unter dem Klerus auch waren, haben ihn kaum erreicht. So war es von hoher Bedeutung, dass der "miles christianus" in die höfische Literatur eindringen konnte. Im .Parzival" des Wolfram von Eschenbach klingen Motive der "militia Christi" nur an; immerhin werden die Gralsritter nach dem altfranzösischen .Jempliers" als "Templeisen" bezeichnet; ihre riesige Burg ist um einen "Tempel" herum gebaut." Deutlicher sind die Bezüge im ersten altfranzösischen Prosaroman, dem sogenannten .Perlesvaus", 16 Hier erringt der zweitbeste Ritter, Gauvain, den Schild des Judas Makkabäus. Perlesvaus selbst ist ein sehr aggressives und seine Erblande mit dem Schwert christianisierendes Alter Ego von Chretiens und Wolframs Perceval/Parzival. Er trim am Ende des Romans nach einer westwärts gerichteten Seereise zu einer geheimnisvollen Insel auf eine Schar Ritter in weißen Gewändern mit roten 13 Hierzu - keineswegs abschließend MILlTZER(wie Anm. 4), 49. - In der Liturgie ist der Einfluss der Dominikaner besser belegt, da Papst Innozenz IV. am 13. Februar 1244 dem Deutschen Orden gestattete, Messe und Stundenliturgie nach dem Ritus der Dominikaner zu feiern. Die Entstehung einer eigenen Deutschordensliturgie liegt aber nach wie vor im Dunkeln. Einzelfragen beleuchten LÖFFLER,Anette: Die Reimoffizien des Deutschen Ordens. Liturgische Aspekte der Heiligenverehrung. In: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat in Preußen. Leben und Nachleben. Hg. v. Jaroslaw WENTA,Sieglinde HARTMANN und Gise1a VOLLMANN-PROFE, Torun 2008 (Sacra bella septentrionalia I), 107-123. 14 Vgl. Anm. 61. 15 MERTENs,Volker: Der Gral. Mythos und Literatur, Stuttgart 2003, 71. 16 Le Haut Livre du Graal (Perlesvaus). Texte etabli, presente et traduit par Armand STRUBEL, Paris 2007 (Lettres Gothiques), 1000-1013. - Das Werk wird zwischen 1200 und 1225 datiert. LOOMIS,Roger Sherman: The Grail. From Celtic Myth to Christian Symbol. Princeton 1963,99. 18 Arno Mentzel-Reuters Kreuzen,'? die den aus Europa entschwundenen Gral in einem monumentalen Refektorium verwahren und dereinst auch den Helden aufnehmen wollen. Am radikalsten tritt der "miles christianus" aber Mitte des 13. Jahrhunderts in der Schlussredaktion des altfranzösischen Lancelot-Gral-Zyklus auf. Der überaus höfische, aber sündige Minneritter Lancelot zeugt unwissend den besten Ritter - Galaad - der der Welt entsagen und in der orientalischen Stadt Sarras in Anbetung des Grals verscheiden wird, während das Artusreich in sinnlosem Morden untergeht. Da den Helden immer wieder "weiße Mönche" zur Seite stehen, ist die Vermutung geäußert worden, es handele sich bei dieser Redaktion um ein Werk aus dem Umfeld der Zisterzienser." Die Verbreitung dieser Literatur im europäischen Adel kann kaum überschätzt werden; ihre Kenntnis brachten nicht nur die neuen Mitglieder in die Schar der Ritterbrüder, auch die Jahr für Jahr in Königsberg eintreffenden adligen Preußenfahrer werden ihre Kunde verbreitet haben. Tilo von Kulm, samländischer Domherr und mithin Priesterbruder des Deutschen Ordens, ließ in seiner allegorischen Ausdeutung der zwölf apokalyptischen Siegel den Graloberhalb von Noahs Arche schweben." Dieses von ihm nicht kommentierte Bild setzt die Kenntnis des altfranzsösischen Prosa-Lancelot voraus. Nichtsdestotrotz waren höfische Romane nicht als geistige Speise für die Ordensbrüder selbst gedacht und wurden dort auch wohl nur, falls überhaupt, privatim gele- sen." Überhaupt ist die Spiritualiät im Orden von jener der höfischen Romane verschie- den. Perlesvaus und Galaad lasen nicht und ließen sich auch nur im Ausnahmefall etwas vorlesen. Der Ritterbruder war (und der Priesterbruder naturgemäß noch mehr) mit der Bücherwelt konfrontiert. Das geschah nicht dadurch, dass man ihm ein Studium auferlegte, wie dies die Bettelorden taten. Die Bildungsanforderungen waren vielmehr gering." Die Konfrontation ergab sich aus der Übernahme der klaustralen Lebensform. 17 "Li uns des maistres paignie. 11avoient sona un appel .iii. cols: II i vinrent Le Haut Livre du Graal (Perlesvaus). (Lettres Gothiques), burg 1889 (Klassische 1002,24-26. Dichtungen Meister, AMR) drei Zeichen Texte etabli, presente In deutscher und Dichter mit einer Glocke, in den Saal, alle in weißen Gewändern der "Militia Christi" .xxx. et .iii. home en la salle, tot d'une blans dras vestus, et n'i avoit celui qui n'eüst une vermeille im Roman Übersetzung corn- croiz en mi son piz". et traduit par Armand STRUßEL, Paris 2007 GIETMANN,Gerhard: Ein Gralbuch. Frei- 3 l, 364: "Nun gab aber der eine der Führer [eigent!.: und sieh, dreiunddreißig Männer traten nacheinander und mit einem rothen Kreuze auf der Brust." - Zur Frage nach äußert sich STRCBELin Einleitung EBD.73f. sehr zurückhaltend. 18 MERTENS(wie Anm. 15), 119f. 19 MENTZEL-REUTERS,Arno: "Durch formschritt. Freimut In: Yom vielfachen mins herczen Schriftsinn LOSERund RalfPÄsLER, Hamburg 20 Für Troja-Dichtungen 21 MENTZEL-REUTERS:Arma spiritualia gral". Die .Siben im Mittelalter. 2005, 283-307, speziell zeigt dies MENTZEL-RECTERS:Arma spiritualia (wie Anm. 4), 43-48. Ingesigel" Festschrift Tilos von Kulm als Re- für Dietrich zum Gralsmotiv Schmidtke. Hg. v. 305-307. (wie Anm. 4), 200 und 301 f. Der Deutsche Orden als geistlicher 19 Orden Im Zentrum dieses Lebens stand das so genannte "Ordensbuch". Es umfasste im Falle des Deutschen Ordens die um 1250 definierte Ordensregel, die später daran gelagerten "Gesetze" (d.h. ergänzende Beschlüsse der frühen Generalkapitel bzw. einzelner Hochmeister) und die in ihrer Entstehung nicht mehr zu verifizierenden, gleichwohl mit normativer Kraft besetzten "Gewohnheiten". Darüber hinaus enthielten die Ordensbücher noch eine Reihe kleinerer Texte, von denen später die Rede sein soll. Rechtssetzungen wurden in diesem System durch spätere Beschlüsse oder Verordnungen nicht aufgehoben, sondern repetiert und meist auch präzisiert. Widersprüche zwischen einzelnen Regeln galt es nach dem von Gratian entwickelten Grundprinzip einer "concordantia disconcordantium" zu harmonisieren. Damit wurde es möglich, über mehrere hundert Jahre nach einer Regel zu leben, die im Ursprung auf ganz bestimmte Verhältnisse zugeschnitten war. Dies waren im Falle des Deutschen Ordens das Königreich Jerusalem und die Nachbarschaft der älteren Ritterorden vom Tempel des Herrn und vom hI. Johannes. Der Deutsche Orden wurde von seinen Begründern - zu denen maßgeblich auch Personen zählten, die ihm dann nicht angehörten, aber an seiner Existenz interessiert waren und ihn prägten - nicht als eine Kopie, sondern als eine Weiterentwicklung dieser älteren Orden verstanden. Damit verbanden sie jedoch nicht den Gedanken einer Elite oder Supremie." In diesem Umfeld war der Deutsche Orden so etwas wie einjüngerer Bruder, durchaus nicht von den anderen abhängig, aber stets im Schatten der anderen beiden Orden. Mit der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Marienburg im Jahr 1309 emanzipierte sich der Deutsche Orden aus dieser Nachordnung." Er bestand zu diesem Zeitpunkt seit ungefähr 120 Jahren; die Ordensregel seit ungefähr 60 Jahren. Solche zeitliche Dimensionen muss man beachten, wenn man über die Statuten und ihre Vorbilder spricht. Der Deutsche Orden in Preußen 1309 war eine andere Korporation als der Deutsche Orden 1244 (dem mutmaßlichen Datum der Deutschordensregel") im Königreich Jerusalem. Hier war er ein Ritterorden unter vielen, dort der Landesherr," 22 Die umstrittene These von einem projektierten Anm. 3), 55 - vorsichtiger ses Konzept, 23 staufischen so es denn bestand, spätestens beim Tode Konrads Zu um 1250 gemachten Versuchen, Heilige Land zu binden, und deren Niederschlag über Beschlüsse aufgestellt Analog dazu die das neue Haupthaus in Venedig 25 Die Landesherrschaft wurde als eine Nebenfunktion vor unsern hömeister unde vor alle gebitere Ordens. von Generalkapiteln betreffenden MILlTlER (wie Anrn. 4), 48. Das genaue stellen, es muss aber vor 1251 gelegen von Thüringen in den Statuten 24 tuten des Deutschen Hausorden, MIl.ITZER(wie Anm. 4), 147f. - kann hier vernachlässigt weil die- 1240 obsolet wurde. den Hochmeister an das MILlTZER (wie Anm. 4), 148-152. Beschlüsse: Datum der Beschlussfassung BOOCKMAN:-.I (wie werden, cbd., 159-162. über die Regel ist nicht festzu- haben: ebd., 49. des Hochmeisteramtes unsers ordens, Hg. v. Max PFRLBACII,Halle, verstanden: den lant un de lute bevolen 1890, 131, 38f. "Bittet ouch sint", Die Sta- 20 Amo Mcntzel-Rcuters Noch elementarer war die Emanzipation, die der Templerorden erreichte. Wenn man sich um 1244 für die Deutschordensregel am Vorbild der Templer orientierte, galt dies dem zeitgenössischen Templerorden. Er bestand zu diesem Zeitpunkt seit etwa 100 Jahren und hatte sich in erstaunlicher und nicht vorhersehbarer Weise entwickelt. Hugo von Payns (ea, 1080-1137) und seine ersten Gefährten hatten sich als kleiner ritterlicher Kampfverband unter die Regel der Kanoniker vom Heiligen Grab gestellt", er und seine Nachfolger mussten sich die Stellung der Gruppe als eigener "Orden" mit eigener Regeln erst erkämpfen, und mehr noch die Anerkennung als spirituelle Gemeinschaft sui generis." Die benediktinischen Ordenszweige sahen mit Misstrauen auf die ihrer Meinung nach unangemessene Verbindung von Krieger- und Mönchstum." Denn anders als die Johanniter, die als klerikale Institution begannen, verfügten die Templer zunächst nicht über eigene Priester und damit auch nicht über Eigenkirchen. Das Recht hierauf wurde ihnen erst nach etwa 20 Jahren in der Erstfassung der Bulle "Omne datum optimum" durch Innozenz 11. im Zuge einer fortschreitenden Emanzipation gegenüber dem Weltklerus zugestanden (1139). Die Deutschordensregel hingegen unterschied von vorne herein zwischen Priesterbrüdern und Laienbrüdern, und unter den Laienbrüdern wiederum zwischen Ritterbrüdern, Graumäntlem " und weiteren dienenden Gruppen von Laien", darunter auch - es wird noch die Rede davon sein - Frauen. Die während des gesamten Mittelalters nie wesentlich veränderten Deutschordensstatuten beschrieben einen vornehmlich aus adligen Laien gebildeten, im Heiligen Land angesiedelten Ritter- und Hospital-Orden, wie er in den Köpfen ihrer Urheber um 1244 existierte." Aber die Texte waren schon zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift nicht frei von Fiktion. Es waren die Wunschvorstellungen, die allerdings nicht aus dem Nichts entstanden" und die vor allem seitens des Papsttums an den neuen Orden herangetragen wurden - auch wenn vielleicht der päpstliche Legat 26 DEMURGER(wie Anm. 5), 17-26. 27 DEMURGER(wie Anm. 5), 59f. 28 DEMURGER(wie Anm. 5), 59-65. 1139 wurde der Orden exemt. Mantel mit dem roten Kreuz verliehen. 29 BARBER,Malcolm: 30 So genannte Halb- Geschichte oder Serjantbrüder. Burchards von Schwanden Gesetze Burchards nur vier Mal vertreten, Düsseldorf2005, gewidmet. 52-56. 4). 68-70. Ihnen ist der Großteil In den Statutenhandschriften die daraus gezogenen Gesetze der sind die vollständigen über die Halbbrüder aber in Codices. 31 Ausführlich 32 Zur Entstehung zu den einzelnen der Statuten Gruppen gegeben für den Deutschen daran, dass es schon 1198 eine Vorläuferregel haben muss. über die jedoch Orden konfirmiert, sten aber den Templern MILlTZER(wie Anm. 4).53-78. MILlTZER(wie Anm. 4), 47-52. MILlTZER(wie Anm. 4),4 7f. erinnert der Johanniter und Mythos. MILlTZER (wie Anm. Gesetze zehn weiteren 33 Die Templer. 1147 wurde ihm als Habit der weiße entsprechen nichts bekannt dass die Regel im Bereich solle. nach dem Vorbild ist. 1199 wurde von Innozenz des Spitals den Johannitern, HI. anson- Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 21 Wilhelm von Modena (t 1251 )34 nicht als alleiniger Autor der Statuten angesprochen werden kann." In Entsprechung zur Regel des Templerordens waren sämtliche Leitungsämter auch des Deutschen Ordens den Ritterbrüdern vorbehalten;" auch wenn die Rolle der Priesterbrüder von Anfang an präziser und verbindlicher vorgeschrieben wurde als dort." Das war der Kirche keineswegs immer recht. So soll Papst Sixtus IV. im Jahr 1474 wütend ausgerufen haben: "Deleatur pessima ilia nigra crux, maledictus enim ordo, ubi laicus regit clerum", als der Hochmeister den unbotmäßigen samländischen Bischof Dietrich von Cuba in der Burg Tapiau zu Tode hungern ließ." Vom legistischen Standpunkt aus war das so. Die Ritterbrüder hatten im Deutschen Orden die höchsten Ämter, den Priesterbrüdem gedachten die Statuten nur dienende, seelsorgerische Aufgaben ZU.39 Aber es klafften Satzungsrecht und Satzungswirklichkeit weit auseinander. Was wäre das Hochmeistertum schon des 14. (und mehr noch des 15.) Jahrhunderts ohne den Generalprokurator in Rom, meist ein Priesterbruder,'" was ohne den hochmeisterliehen Kaplan, der die Kanzlei des Ordensstaates leitete und erster Ansprechpartner am Marienburger Hof in klerikalen Angelegenheiten war? Am Ende des Ordensstaates hieß er nur mehr ,,(Ordens- )Kanzler"4l und mit dieser Titulatur ging das Amt auch in die Verwaltung des Herzogtums Preußen über. 34 LCCKERATH,Carl August: Wilhelm von Modena. In: Lexikon des Mittelalters. 157f. Bd. 9, München 2000, 35 MILlTZER(wie Anm. 4), 48f. 36 So betont mit Recht GORKSI,Karol: Das Kulmer Domkapitel in den Zeiten des Deutschen Ordens. Zur Bedeutung der Priester im Deutschen Orden. In: Die geistlichen Ritterorden Europas. Hg. v. JosefFLEKKENSTElN und Manfred HELLMANN, Sigmaringen 1980 (Vorträge und Forschungen 26), 329-337, hier 329. 37 MlLlTZER(wie Anm. 4), 66--69. - MENTzEL-REuTERs:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 86f. mit Verweis auf die Bulle .Dmne datum optimum" Innozenz' 11.vom 29.3.1139, mit der die Aufnahme von Weltgeistlichen in den Templerorden ohne Zustimmung des jeweiligen Bischofs gestattet wurde - offenbar um einern eklatanten Priesterrnangel zu begegnen. Vielleicht noch bedeutender ist die Bulle "Militia Dei" Eugens Ill. vorn 7.4.1145, die dem Templerorden das Eigenkirchenrecht zusprach und damit den Templerkaplänen eine höhere Stellung verschaffte. 38 Bericht von Paul Pole, gedruckt Scriptores rerum Prussicarum. TOPPENund Ernst STREIILKE,Leipzig 1874,200. Bd. 5. Hg. v. Theodor HIRSCH,Max 39 Prolog, cp. 5: .Daz sie in der cit des vrides also gIenstern mitten under in umme laufen unde manen die leigen brüdere, daz si ir regelen vaste halden ... So man aber striten sal, so sulen sie die brüdere sterken zu dem strite", Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 26. 40 BElJTTEL,Jan-Erik: Der Generalprokurator des Deutschen Ordens an der Römischen Kurie. Amt, Funktionen, personelles Umfeld und Finanzierung, Marburg 1999 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 55). 41 MENTzFL-REuTERs:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 194-200. 22 Amo Mentzel-Reuters Es gab Ordenshäuser, die überwiegend mit Priesterbrüdern besetzt waren (das wichtigste war Marburg") und dementsprechend auch einen Kleriker zum Vorstand hatten, der dann oft nicht als Komtur, sondern als Prior bezeichnet wurde." Dieses stillschweigend aus der Johanniterregel entlehnte Amt44 wird in den Deutschordensstatuten nicht beschrieben, sondern nur im Zusammenhang mit den Bußübungen der Priesterbrüder erwähnt - und hier auch nicht in allen Fassungen mit gleicher Zuständigkeit." Gleichwohl ist es im 13. Jahrhundert urkundlich nachgewiesen." Welche Rolle der Prior tatsächlich spielte, bleibt offen. Die Gewohnheiten des Ordens schreiben die Oberaufsicht über die Priesterbrüder dem Großkomtur ZU.47 Ob es nach der Verlegung des Hochmeistersitzes nach Preußen noch bestand, ist fraglich. Ende des 15. Jahrhunderts wurde kurz über die Wiedereinführung des Amtes auf Beschluss des Generalkapitels diskutiert." Es blieb jedoch ohne Folgen. Dafür hören wir im "Marienburger Ämterbuch" über das Institut von Chorherren" in der Konventskirche; sicher wurden der Kaplan des Meisters und vier Priesterbrüder 42 BRAAscH-ScHwERsMANN,Ursula: Das Deutschordenshaus Marburg. Wirtschaft und Verwaltung einer spätmittelalterlichen Grundherrschaft. Marburg 1989 (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 11), 196: "Demnach lebten im Haupthaus an der Lahn durchschnittlich 22 Brüder, von denen die Hälfte Priester war", wobei die andere Hälfte neben Rittern auch Schüler und Pfründner umfasste. 1280 war das Verhältnis 10 Priester von insgesamt 27 Personen. In den letzten Jahrzehnten des IS. Jahrhunderts lebten sogar 14 Priester im Ordenshaus. 43 BRAAscH-ScHwERsMANN(wie Anm. 42), 197. - MILlTZER(wie Anm. 4), 292. Die Kapelle auf dem Tannenberger Schlachtfeld wurde von einem Probst geleitet, der zu den Marienburger Chorherren gehörte: EKDAHL,Sven: Ein Inventar der Propstei auf dem Schlachtfeld von Tannenberg aus dem Jahre 1442. In: Preußenland 21 (1983), 1-9, hier 6. 44 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XLII. 45 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 87-89: Gesetze 40-44. Gesetz 43 nennt den Prior nur in der lateinischen Fassung: "in arbitrio superioris et prioris et fratrum", in der deutschen heißt es: "sö stet ez an des obersten unde der brüdere bescheidenheit", Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 89. 46 MILlTZER(wie Anm. 4), 67. 47 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 106: Gewohnheit 28: "Zu des grözen commendüres ambehte gehöret der schaz unde daz getreide, die schifimde alle die brüder pfaffen unde leigen unde alle der gesinde, di däheime wonent ( ... I", MILlTZER(wie Anm. 4), 67 schließt daraus, dass der Großkomtur die "Oberaufsicht über den Prior und die Priesterbriider des Haupthauses führte". Dies ist ein Schluss ex silentio, vom Prior ist hier nicht die Rede. 48 Im Reformentwurfdes Ordenskanzlers Michael Sculteti (t 1501) von 1494, gedruckt bei MENTZELREuTERs,Amo: Reformschrifttum und Humanismus. Der Deutsche Orden am Vorabend der Reformation. In: Die Rolle der Schriftlichkeit in den geistlichen Ritterorden des Mittelalters. Hg. v. Roman CZAJAund Jürgen SARNOWSKY, Torun 2009 (Ordines militares 15),53-84, hier 81 Nr. 6: "Item daß man yn vnßrem orden widder wmb macht eynen Prioren der alle geistlicheit zu straffen hette nemlich aber dy priesterbruder nach lawth unsers ordens buch privilegia und gemeyne rechte wen daß kann nicht geßeyn daß eyn Comthur eynem geweyten busße setze und daß man yn eyner itzlichen comthurej eynen Prioren machete". - Das geplante Generalkapitel fand nicht statt. 49 Zum Begriff SCHWAIGER (wie Anm. 9), 131-134. Der Deutsche Orden als geistlicher 23 Orden hierzu gezählt." Möglicherweise wurde die Bezeichnung als bloßer Ehrentitel verwendet." Streng genommen schließt sie ein, dass die Chorherren ein eigenes Kapitel bildeten." Dies war sicher der Fall bei den vier preußischen Domkapiteln, die mit Ausnahme des Ermlands dem Deutschen Orden "inkorporiert" waren," ebenso im kurländischen Bistum und für kurze Zeit sogar im Metropolitanbistum in Riga." Die Inkorporation bedeutete aber auch, dass die Domherren und der Bischof selbst Angehörige des Deutschen Ordens sein mussten, dem Hochmeister Gehorsam schuldeten und den Deutschordenshabit trugen. Diesen Orden, wie er uns im 14., 15. und im frühen 16. Jahrhundert mit seiner landesherrlichen Gewalt in Preußen entgegentritt, beschreiben die für das Heilige Land konzipierten Statuten nicht. Manche Ämter, wie das des Tempelmeisters, bestanden schon lange nur mehr auf dem Pergament", andere, wie jene der Domherren oder des Leiters der hochmeisterliehen Kanzlei, fanden keine Berücksichtigung in den Statuten. Auch wird das vom Hochmeister als Landesherrn beherrschte Preußenland, das 50 Das Marienburger Ämterbuch. die vier Priesterbrüder, Sinthyn Hg. v. Walther darunter dem korherren". Nikolaus - Zu Nikolaus 1916 (MÄB), 128,40-129,4 nennt 131, I 0 erwähnt den Titel: "Niclus ZIESEMER, Danzig von Sintheim. von Sintheim - MÄB MENTZEL-REUTERs:Arma spiritualia (wie Anm. nahe. Er führte das Institut der Chorherren auf Statu- 4),209f. 51 So legt es der Danziger ten Wemers Titel .Herr' beehren wollen." Chronist "Die Priesterbriider, und sie Chorherren Zitiert nach VOIGT, Johannes: gange der Herrschaft des Deutschen nennen, 52 Dazu passt die gesonderte der Meister, sie möchten Geschichte solle man forthin mit dem schon Priester seyn oder es noch werden Preußens von den ältesten Bd. 4, Königsberg Ordens, Unterbringung der Apsis der Marienkirche sich die schwierige im Parcham teilte das Kirchenschiff kirche in der dem Kapitelsaal einen ungeteilten Zeiten bis zum Unter- 1830,620. - Zur Fiktionalität dieser zugewandten Z dziej6w kapitul katedralnych ordenskapitel. krzyzacki DERS.: Biskupstwa duchowienstwa der nördlich ist irreführend). der Marienkirche Hälfte. Alle älteren ksztaltowania i organizacji der preußischen panstwa panstwa w Prusach. kryzackiego [Bischöfliche von Hier schließt selbst an. Die Rekonstruktion am Hochaltar Darstellungen dert. Zur kirchengeschichtlichen In: Die Domkapitel und eine Laien- des Innenraums zeigen GlAVERT, Münster Domkapitel Hg. v. Zenon w Prusach krzyzackich, Inkorporpoacje und Organisation in den Deutschen Hubert NowAK, Torun XIII-XIV wieku. der Deutsch- Orden). In: Zakon 1995, 123-137 Z dziej6w organizacji 13.-14. Jahrhundes Klerus), Torun 1999, insbesondere 28-57. Organisation des Deutschen kapitul [Ausgestaltung Staaten des Deutschen 54 Hierzu zuletzt GlAVERT, Mario: Die Bindungen und Mario Pfaffenturm. Bauzustand in ein Presbyterium do zakonu krzyzackiego Die Inkorporation a spoleczenstwo koscielnej im so genannten Raum. Vg!. auch Anm. 123. 53 RADZIM1'SKI, Andrzej: pruskich der Priester stand (der heutige Frage nach der Raumaufteilung 19. Jahrhunderts des späten Ordens. gebietet ebd., 619-624. Statuten sowie Simon Grunau von Orseln zuriick: des Domkapitels Ordens in Preußen Ordens in Preußen, von Riga an die Regel des Deutschen und Livland. 2004 (Zeitschrift für die Geschichte Hg. v. Radoslaw und Altertumskunde B1SKUP Ermlands, Beiheft 17),269-316. 55 In der Marienburg ist "Tempel" ein Vorratshaus in der Vorburg. Belege in: Das Ausgabenbuch des Marienburger Hauskomturs für die Jahre 1410-1420. Hg. v. Walther ZIESEMER,Königsberg 1911,460. 24 Amo Mentzel-Reuters in den Arengen der hochmeisterliehen Urkunden einen immer bedeutenderen Platz einnahm, mit keinem Wort erwähnt. Dennoch wurden die Statuten nie der neuen Verfassungswirklichkeit angepasst. Als das Generalkapitel von 1442 nochmals über den Text der Statuten befand, geschah dies lediglich, um eine den Deutschmeister begünstigende Fälschung abzulehnen (die sogenannten von-Orseln'schen Statuten)." In erstaunlicher philologischer Präzision halten die beiden erhaltenen Normhandschriften den Text der Regel und der nach ihr erlassenen Bestimmungen fest und nehmen beinahe das Ergebnis vorweg, das Max Perlbach zwischen 1886 und 1890 mit Hilfe der modernen historisch-kritischen Methode auf der Grundlage von über 30 Handschriften erstellte. Eine Anpassung des Regelwerks an die Faktizität wohl auch nicht durchsetzbar gewesen. wurde nicht versucht und wäre Man behalf sich anders. Es haben sich Reste einer Kommentierung der Deutschordensregel erhalten. Ihre Erforschung steht, obschon die Texte längst bekannt sind, erst am Anfang. 1335 wurde Papst Benedikt XII. (Papst 1335-1342) die lateinische Schrift eines Deutschordenspriesters namens Ulrich überreicht, über den wir weiter nichts wissen." Zumindest ihre erste Hälfte wurde im IS. Jahrhundert ins Deutsche übertragen; diese Handschrift befindet sich noch heute in Deutschordensbesitz.i" Das Werk wurde nicht für den Papst verfasst, sondern nur für ihn überarbeitet oder kompiliert. Der Autor spricht mehrfach ein Publikum als "dilectissimi fratres" bzw. .Jratres karissimi" an." Gegenstand des Traktates ist eine allegorische Auslegung der Deutschordensregel. Im ersten Buch wird der Orden unter Heranziehung des Ordensbuches mit dem irdischen Paradies, im zweiten mit dem himmlischen Jerusalem verglichen. Das dritte zeigt ihn als Streiter wider den Satan, der sich auch - und das ist der politische Hintergrund der aktuellen Zusammenstellung'" - in kirchlichen Würdenträgern manifestiere. Die Kühnheit der Auslegung ist groß; der Orden sei eine gegen den Teufel gerichtete Schöpfung vor aller Zeit, die mit Hilfe der Templer und Johanniter ihren irdischen Kampfaufgenommen habe. "Volebat divina providencia cum sua clemencia suam ecclesiam cum spiritualibus novis et quadris lapidibus murare, quando contra 56 Zum gesamten Komplex SERAPHIM, August: Zur Geschichte und Kritik der angeblichen Statuten des Hochmeisters Werner von Orseln. In: Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte 28 (1915), 1-82. 57 Zu dieser von der Forschung gänzlich vernachlässigten Schritt HOL'BEN,Hubert: Eine Quelle zum Selbstverständnis des Deutschen Ordens im 14. Jahrhundert: der Codex Vat. Ottobon. Lat. 528. In: Selbstbild (wie Anm. 4),139-153. 58 Überliefert durch die Handschrift Deutschordenszentralarchiv Wien, Cod. 787. Die Provenienz ist unklar, die Makulatur weist auf Württemberg als Region des Buchbinders. HOLBEN(wie Anm. 57), 140f. und 148 Anrn, 6 mit einer Kurzbeschreibung. 59 HaUBEN(wie Anm. 57), 145. 60 Der Autor richtet sich nur vage gegen .Jiuius pie domus theutonive impium inimicum", HOUBEN (wie Anm. 57), 142. Houben bezieht es auf die Anklage des für Preußen zuständigen Metropoliten Friedrich von Riga (ebd., 139, 143). Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 25 infideles eandem religionem cum duplicibus armis spiritualibus et corporalibus studuit plantare."?' Bemerkenswert ist nicht die Erwähnung des waffenführenden Heidenkampfes: Das ist angesichts eines Ritterordens eine Banalität. Bemerkenswert ist die Überformung dieses Kampfes durch seine Einbettung in die Bemühungen zum Bau der Kirche, die von .spirituales novi" betrieben werden. Dies kann sich nur auf die benediktinischen Reformorden beziehen, allen voran die Zisterzienser. Das verstand der Adressat der gelehrten Schrift sofort. Benedikt XII., der vor seiner Wahl durch die Ketzerprozesse in Montaillou von sich reden gemacht hatte, gehörte diesem Orden an." Es entsprach der Erwartungshaltung des Papstes, wenn Ulrich den Deutschen Orden als Bollwerk gegen Satan und Gefährten der weißen Mönche beschrieb. Es war aber doch wohl auch mehr als eine panegyrische Übung. Noch einmal werden die von Peter von Dusburg beschriebenen "arma spiritualia" eingefordert, ohne die die "arma corporalia" nutzlos sind: "Sed quia Judith non in armorum potencia, sed in virtute laudatur, eo quod occidit Holofernem; quis in arcu suo speravit et gladius eius salvavit eum?" heißt es in der Chronik, die nicht zufällig mit einer das Aufnahmeritual kommentierenden Predigtsequenz "De armis carnalibus et spiritualibus" beginnt." Der Duktus solcher Sätze ist der des Predigers. Das schließt nicht aus, dass sie nach ihrer schriftlichen Fixierung auch in Form von auszugsweiser Tischlesung rezipiert wurden." Aber ihren Ursprung haben sie dort nicht. Es sind "Sermones ad fratres karissimos". Diese haben, gerade in der Form einer Auslegung der Regel, bei Konventskapitel." allen Orden ihren festen Platz im wöchentlichen von noch sprechen. Diese Verwandlung der konkreten und lebenspraktischen Wir werden da- Anweisungen des Or- densbuches in einen nicht nur literal, sondern vor allem allegorisch zu lesenden spirituellen Text erleichterte das Auseinanderdriften von Satzungstext und Satzungswirklichkeit. Im frühen 16. Jahrhundert schließlich, als sich der Hochmeister Friedrich von Sachsen" nicht in Preußen aufhielt, um nicht den seit 1466 erforderlichen Le61 Horns» (wie Anm. 57),144, das Zitat aus dem Cod. Vat. Ottobon. 62 Zu ihm und seiner Reformpolitik und die Reformdiskussion tion N.R. 17). 63 Peter von Dusburg: carum 64 I, Leipzig BALL\\EG,Jan: Konziliare 14. Jahrhundert. im frühen Chronicon Terrae Prussiae. Ordensreform: 2001 (Spätmittelalter Tübingen Hg. v. Max TOEPPEN. In: Scriptores HOLBD; (wie Anm. 57), 147. Er geht aber zu selbstverständlich ebd., 146) entstanden. aber Bruder Ulrich griff redigierend 66 XII. Prussi- Die Kompilation, Veranlassung wie wir sie heute kennen, Textstruktur (durch Luder von ist so entstanden, auf ältere Texte zurück. zu den Tisch- abzuzweigen. Zu ihm und seiner Epoche immer noch grundlegend Ordensstaat rerum von einer einschichtigen Zweck und aufkonkrete 65 HOLBE" (wie Anm. 57), 146 nähert sich diesem Aspekt, um dann aber auf der Folgeseite lesungen Benedikt und Reforma- 186 L I-290, hier. 40: Lb. 1,2,8. aus, als sei jeder Satz nur für einen konkreten Braunschweig, Lat. 528, 10r. oder päpstliche zum Fürstentum. unter den Hochmeistern Geistige Friedrich und politische und Albrecht ist die Monographie Wandlungen von FORSTREUTER,Kurt: Vom im Deutschordensstaate (1498-1525), Kitzingen 1951, 16-59. Preußen 26 Amo Mentzel-Reuters henseid an den polnischen König leisten zu müssen, leitete der pomesanische Bischof Hiob von Dobeneck (1450-1521 )67 das Ordensland - dem Status nach nicht mehr und nicht weniger als ein Priesterbruder des Ordens. Irgendein in den Statuten vorgesehenes Amt bekleidete er nie, aber er war de facto der Landesherr und der Vorstand des preußischen Ordenszweiges. Sein Selbstverständnis wurde im Dom von Marienwerder in einer repräsentativen Neuaustattung verewigt. Von seinem Herrschaftsanspruch kündet zum einen der monumentale spätgotische Bischofsthron am Hauptaltar, zum anderen ein Wandbild auf der Ostempore des Doms, im so genannten Presbyterium. Symbolträchtig wird das hier zum Gebet versammelte Domkapitel erweitert: Es erscheint (wie zuvor im Kapitelsaal der 1457 dem Orden verlorengegangenen Maricnburg) die Gottesmutter mit ihrem Kinde, zur ihrer Rechten stehen 17 pomesanische Bischöfe, zu ihrer Linken jedoch (möglicherweise in Fortführung der Hochmeisterreihen der Marienburg) die drei in der Kirche bestatteten Hochmeister," Die Vision schuf eine spirituelle Legitimation, wo die legistische fehlte. Nur von der Heiligen Jungfrau und den verstorbenen Hochmeistern, nicht aus den Ordenstatuten, wurde so seine Stellung legitimiert.?" Dennoch passte man die Ordensregel diesen veränderten Verhältnissen nie an, und es wurde auch zu Hiobs Tagen nie die Forderung danach erhoben." Auch in der Endphase des preußischen Ordenszweiges blieb die Option auf die Anwendung militärischer Gewalt gegen Heiden und was immer man zu "Heiden" erklären mochte." Hiobs Nachfolger auf dem Riesenburger Bischofssitz, Erhard von Queis (t 1529), war maßgeblich an der preußischen Reformation beteiligt. Er wurde 1523 aufVorschlag des Hochmeisters Albrecht zum Bischof von Pomesanien gewählt 67 FORSTREUTER,Kurt: Dobeneck, Ordensstaat 68 Die heute freigelegten Gräber auch in der frühen Neuzeit Gottlob: Erdbeschreibung ben, der die polnische gehalten Urseln, Hiob von. In: Neue Deutsche Biographie 4 (1959), 4f. - FORSTREUTFR. (wie Anm. 66), 53-59. der Hochmeister zum kultischen der preußischen Kirche genannt, unterhalb der Domkirche. des Presbyteriums Bd. I. Halle 1791, 739f.: "In den Chor dersel- Monarchie Königs, und Heinrichs dreyer gehörten hierzu LEONHARDI,Friedrich und wo auch noch itzt in pohlnischer wird, findet man die Begräbnisse Ludolph und Bischöfe Kembestand Hochmeister des teutschen von Plawen und 17 Pomesanischer Sprache Gottesdienst Ordens, Wemers Bischöfe von nebst ihren Bild- nissen." 69 70 Mit vergleichbarer wurde der Kapitelsaal Bilderreihe deren Versammlung Gottesmutter von der thronenden Der nicht umgesetzte Orden aufraffen 71 Deutlichkeit derts mit einer den Raum umlaufenden Reformentwurf geleitet des Ordenskanzlers schon Ende des 14. Jahrhun- stehenden Hochmeistern versehen, wurde. Michael Sculteti war alles, wozu sich der konnte (vgI. Anm. 48). BRAUER,Michael: Die Entdeckung des .Heidentums: des Spätmittelalters und der Reformation. Synodalgesetzgebung die Komplexität Streitschriften der Marienburg von aufrecht der königlich-polnischen in Preußen. Die Prußen in den Reformdiskursen Berlin 2011 (Europa im Mittelalter des Heidenbegriffs 17) zeigt u.a. an der im 15. und 16. Jahrhundert, Seite aus naheliegenden Motiven vereinfacht die in den wurde. Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 27 und trat dann dem Orden bei. ~2 1525 machte er sich für die Aufhebung aller Orden stark, mit Ausnahme "solcher Orden, der gegen die Ungläubigen und Heiden streitet, wie der deutsche Orden ist"." Hier schien für einen kurzen Augenblick der Triumph über die in ihrer Askese unerreichbaren weißen Mönche möglich. Aber das war zu keinem Zeitpunkt das tragende Konzept des Ordens, sondern eher die letzte Rückzugslinie. Es war fachliche Schwäche und Hilflosigkeit, wenn die vom Hochmeister beauftragten Advokaten versuchten, vor dem Basler Konzil den König Jagiello als Heiden vom Schlage eines Baibars oder Saladin darzustellen. Der König hatte hier die besseren Advokaten, die den Orden in diese und manche andere Falle lockten. Hauptthema der Statuten ist nicht etwa der Heidenkampf oder sonst wie geartetes höfisch-ritterliches Tun oder Denken. Ganz anders als die Templerregel verzichten die Deutschordensregel und die sie ergänzenden Gewohnheiten und Gesetze aufkriegerische oder militärische Aspekte. Auch die vielen denkbaren Vergehen, deren Buße die Gewohnheiten und Gesetze regeln, betreffen nicht den ritterlichen Ehrencodex, nicht Fragen der Kampfordnung oder der Schonung von Besiegten, von Lösegeldforderungen usw. Das Verhalten während der Kampfeinsätze wird im Abschnitt der Gewohnheiten über das Amt des Obersten Marschalls mit wenigen, die allgemeine Disziplin betreffenden Sätzen geregelt." Der Grund hierfür ist einfach. Die Verfasser der Statuten des Deutschen Ordens und die sie fortschreibenden Generalkapitel begriffen den Orden nicht primär als Kampfverband und pflegten auch keine .Jdeologie" des Heidenkrieges. Die Übernahme des weißen Habits und eines großen Teils der Templerregel setzte den Deutschen Orden in die Traditionslinie der "Armen Ritter Christi" (d.h. der Templer). Nicht der Wunsch nach praktizierter Gewalt hatte diesen Orden begründet, sondern der Wunsch, feudale Selbstherrlichkeit und Gewaltbereitschaft zu regulieren und spirituellen Zwecken dienstbar zu machen. Der Templerorden entwickelte sich in den siebzig Jahren vor der Gründung des Deutschen Ordens von einer frommen Kämpfertruppe. die ihre Kraft religiösen Zwecken unterordnen und u.a. den christlichen Tempelberg und seine Pilger beschützen wollte, zu einer Mönchsgemeinschaft nach dem Vorbild und mit dem Segen der Zisterzienser." Das Aufnahmeritual," das nicht zu den eigentlichen Statuten gehört, ist der einzige Teil des Ordensbuches, aus dem - in der Schwertweihe und der Ritterweihe - ein militärischer Charakter spürbar wird. 72 ME>;TZEL-RELTERS: Anna Spiritualia (wie Anm. 4), 358 mit weiterer Literatur, zu seinen Büchern 365368. - Mt>;TZLL-Rn;TERS: Reformschriftturn (wie Anm. 48), 77. 73 Zitiert nach TSClIACKERT.Paul: Urkundenbuch 1890,101. Nr. 300. zur Reformationsgeschichte 74 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25).110-114: heit60. 75 DBILRGER (wie Anm. 5), 27-46, 75-82. 76 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 127-131. Gewohnheiten Preußens. Bd. 2, Leipzig 44-54, sowie 116: Gewohn- 28 Arno Mentzel-Reuters Gerade in diesem markanten Unterschied zur Templerregel wird eine Umprägung des Konzeptes der "militia nova':" erkennbar, die der Deutsche Orden von den Templern" nicht nur übernommen" hat, sondern offenbar auch weiterentwickelte. Schon von ihnen wurde es in das typologische Bild der .neuen Makkabäer" gefasst." Kaum zufällig tituliert Honorius Ill. 1221 den Deutschen Orden als .riovi sub tempore gratiae Machabei" - wie zuvor Alexander Ill. den Templerorden in der Neufassung der Bulle .Dmne datum optimum" vom 17.7.l179.8~ Im Prolog der Deutschordensregel werden die Makkabäer als eine .Ritterschaft':" zitiert, die gegen die Heiden gekämpft habe. Im Kontext der Zeit hieß "neue Makkabäer" aber nicht, wahllos im Blut von Heiden zu waten. Sonst hätte nicht Alexander 11.bereits im Jahr 1070 - also Jahrzehnte vor dem ersten Kreuzzug - die Reichsabtei Lorsch und ihre Schutzherrn als .movi Machabei" bezeichnet. 84 77 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 24: Prolog, cp. 3: .Diese ritterschaft ist ouch bezeichent bie der himelischen und irdischen ritterschaft unde ist die vorderste, wande sie gelobet hat, das sie Gotes versmenisse unde sines cruces wollen rechen unde vehten umbe daz heilige lant, daz der cristen sin sal, daz die heidene under sich hänt betwungen. Sente Johannes sach ouch, daz ein nüwe ritterschaft von dem himele herabe giene." 78 Wie eng der Begriff einer "militia Dei" mit dem Templerorden verbunden ist, zeigt der Umstand, dass die vor der Gründung des Ordens entstandene Chronik Fulchers von Chartres den Ausdruck nur ein einziges Mal und eher beiläufig verwendet. Hieraufverweist Er=, Verena: Fulcher von Chartres. Studien zur Geschichtsschreibung des ersten Kreuzzuges, Düsseldorf 1990 (Studia humaniora 15), 260. 79 "Wir gedenken ouch des lobe lichen strites, der wert vor Gote was, der rittere, die dä heizent Machäbei, wie stereliehe die durch ir e unde umme den gelouben striten mit den heiden, die sie twingen wolden, daz sie Gotes verlougenten, unde mit siner helfe si so gar uberwunden unde vertiligeten, daz sie die heiligen stete wider gereinegeten, die sie hetn geunreint, unde den vride macheten wider in dem lande." Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 25. Die lateinische und die altfranzösische Fassung geben die biblischen Ereignisse präziser wider (Abdruck ebd), 80 Beispiele hierfür und weiterführende Literatur bei FElST:-iER, EdithINEEcKE,MichaeINoLLMANN-PRoFE, Gisela: Krieg im Visier. Bibelepik und Chronistik im Deutschen Orden als Modell korporativer Identitätsbildung. Tübingen 2007 (Hermea 114), 157 Anm. 227. 81 BOOR,Helmut de/Nswau», Richard: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfangen bis zur Gegenwart. Bd, 3, Zerfall und Neubeginn 1250 - 1350, 5. Aufl. neu bearb. v. Johannes JANOTA. München 1997 (Handbücher für das germanistische Studium), 422. 82 Rudolf HIESTAND: Papsturkunden für Templer und Johanniter. Vorarbeiten zum Oriens Pontificus 11, neue Folge. Göttingen 1984 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Phil.hist. Kl. 3. Folge 135),88-89. 83 Das Wort schwankt zwischen einer bloßen Übersetzung des kirchlichen Begriffs einer "militia" und dem in der höfischen Dichtung mit einem konkreten Tugendsystem umwobenen volkssprachigen Begriff "riterschefte". Zum kirchlichen Sprachgebrauch und dem Gegensatz von "militia Dei" und "militia saecularis" ausführlich HERBERs,Klaus: Der Jakobuskult des 12. Jahrhunderts und der "Liber Sancti Jacobi". Studien über das Verhältnis zwischen Religion und Gesellschaft im hohen Mittelalter, Wiesbaden 1984 (Historische Forschungen 7). I 53f. und 194. 84 Monumenta Germaniae Historica, scriptorum tomus 2 I, ed. Georgius Heinricus PERTZ,Hannover 1869,417,33. Der Deutsche Orden als geistlicher 29 Orden Nicht der erst 1120 gegründete Templerorden hatte das Massaker bei Eroberung von Jerusalem 1099 zu verantworten - das übrigens auch bei den abendländischen Chronisten helles Entsetzen auslöste. Judas Makkabäus war auch für die Templer nicht der martialische "conquering hero", den Händel in seinem Oratorium" feiert: Ebenso wichtig wie seine militärischen Erfolge war die Neueinweihung des von Heliodor geschändeten Tempels im Jahr 164 vor Christus." Was in der jüdischen Tradition durch das nun wahrlich nicht kriegerische Chanukka-Fest" vergegenwärtigt wird, war auch für Bemhard von Clairvaux und die Templer eine Vorausdeutung auf die Vertreibung der Händler aus dem Tempel und auf das gereinigte Himmlische Jerusalem. So steht es auch ganz klar im Prolog der Deutschordensregel: Mit Gottes Hilfe haben die Makkabäer die Heiden "uberwunden und vertilgeten, daz si die heiligen stete wider gereinigeren. die sie heten geunreint, unde den vride macheten wider in dem lande"." Nun, Frieden machten die Ritterorden in Palästina nicht, aber sie waren keineswegs .Karnpfmaschinen Gottes". Und trotz aller aktuellen Polemik: Das von den Templern und Johannitern immer stärker abhängige Königreich Jerusalem war ein nach mittelalterlichen Maßstäben verlässliches und auf wirtschaftliche Kooperation ausgerichtetes Staatswesen, das sich im Zweifelsfall ebenso gut mit islamischen wie mit christlichen Reichen verbündete oder zerstritt; apokalyptisch wirkten im vorderen und mittleren Orient des 13. Jahrhunderts nur die Mongolen. Die Ritterorden waren wegen ihres immensen Landbesitzes und der ihnen zufließenden mildtätigen Stiftungen bedeutende Wirtschaftsmächte. Der .Heidenkarnpt" in Palästina war für die Ritterorden nicht nur Selbstzweck, sondern auch ein Aushängeschild, mit dem sie in Europa Mitglieder und vor allem Ablässe und Stiftungen anwarben - auch das fand nie Eingang in die Statuten. Diese offenbaren vielmehr einzig ein inneres Ziel: Die Unterwerfung der impulsgesteuerten Aggressivität unter die Kontrolle durch eine zönobitäre Gemeinschaft. Innereuropäisch waren Kreuzzüge, wie schon Urban n. 1095 auf der Synode von Clermont betonte, dem Konzept des Gottesfriedens" verpflichtet, der das willkürliche feudale Gewaltmonopol durch eines 85 Diese Chorpartie Sion' verbreitet - in Deutschland lich in das Makkabäeroratorium Duke of Cumberland Freiheitskämpfer als Weihnachtschoral - bezog sich ursprünglich Das Händel-Handbuch. (HWV 63) eingeschoben. (1721-1765) (Schlacht V gl. I Makk 4.36-61. 87 GALLEY, Susanne: 1523),101-108. 88 Statuten 5. Händels 89 KAISER, Reinhold: Das jüdische des Deutschen gestiftet, von Culloden 197. - STREATFEILD.R. A.: Handel, 86 mit dem später unterlegten auf Josua (HWV 64) und wurde Es wurde zur Feier von William Augustus der allerdings als Sieger 1746) eher das Gegenbild Instrurnentalrnusik, Text "Tochter 1751 von Händel nachträg- über die letzten zu Judas Makkabäus hg. v. Hans Joaehim schottischen abgab, vgl.: MARx, Laaber Jahr. Feste, Gedenk- und Feiertage. München 2003 (Bcck'sche Ordens (wie Anm. 25),25. Gottesfriede. 2008, New York 1909, 314f. In: Lexikon des Mittelalters. Bd. 4, München 1989, 1587-1592. Reihe 30 Amo Mentzel-Reuters der Kirche zu ersetzen suchte. Die Templerregel griff das auf: "Et donques nos vos amonestons, vos qui aves menee seculiere chevalerie jusques ci, en laquelle Jhesu Crist nen fu mie cause, mais solement por l'umaine favour vos I'embrassastes, que vos segues ceaus les ques Dieu a eslis de la masse de perdession et a ordenes per sa agreable pitie a la defension de sainte yglise, que vos vos hastes de ajoster a eaus perpetuelment. "90 Der Lohn dafür ist es, "a tenir compaignie entre les martirs qui donerent por Jhesu Crist lor armes"." Märtyrer in den eigenen Reihen sicherten einen bedeutenden Anteil am ewigen Schatz der Kirche, aus dem heraus Ablässe gewährt werden konnten; das für den Orden vergossene Blut versetzte diesen in die Lage, Sündern, die nicht gegen Heiden zum Schwert griffen, dennoch Anteil am Heil der Kreuzzüge zu gewähren, wenn sie den Orden durch Seelstiftungen förderten. Das Anliegen der Domestizierung von feudaler Gewalt und Willkür blieb in den Ritterorden präsent. Die Johanniter und der Deutsche Orden waren zudem nicht nur Ritter-, sondern Spitalorden, die für die Betreuung der Pilger und der Kranken von vorne herein stärker als die Templer Logistik und Verwaltungsaufgaben für sich requirierten: Das späte Königreich Jerusalem war im Grunde schon so etwas wie ein Johanniter-Staat. Der Deutsche Orden kehrte sich als erster von diesem unglückseligen Projekt in Outremer ab. Auch dies kann man als Ausdruck seiner Emanzipation vom zunächst übermächtigen Vorbild der beiden älteren Ritterorden sehen. Als 1291 mit Akkon die letzte Bastion der Kreuzfahrer im Heiligen Land fiel, hatte der Deutsche Orden schon lange in Preußen Fuß gefasst, und hier machte er auch für knapp 100 Jahre Frieden - nach mittelalterlichen Maßstäben. Er hatte aber in Palästina noch etwas mitbekommen, das weniger für Preußen als für die Balleien im Reich ungemein wichtig wurde und einmal mehr seine nicht-militärische Seite zeigt. Er konnte beobachten, wie um 1270 die Johanniter von den sich zurückziehenden Prämonstratensern die Seelsorge für Frauenkonvente übernahmen, die zumeist dem aussagekräftigen Patrozinium der hI. Maria Magdalena unterstellt waren - es handelte sich also um sog. ReuerinnenKonvente." Es ist dies die Missing Link zwischen dem Selbstverständnis eines Hospitalordens und den inneren Vorgängen im Deutschen Orden an der Schwelle zum 90 In der lateinischen Fassung: .Hortarnur non fuit causa, sed solo humano itaque qui usque nunc miliciam favore amplexati estis, quatinus perdicionis elegit et ad defensionem sancte aecclesiae", regle du Temple. Paris 1886, II f.: R 1. 91 CURZON(wie Anm. 90),12: R. 2. Die lateinische ter observetur 92 inter militantes MENTZEL-REUTERS,Amo: Fassung beide Fassungen durchaus animas suas dederunt Zum so genannten Psalter Friedrichs des Mittelalters in qua Christus bei CURZON, Henri de: La abweichend: qui pro Christo 323). In: Deutsches Archiv fur Erforschung secularem, horum unitati, quos Deus ex massa "pure et perseveran- sortern obtinere II. (Florenz, mercberis." BibI. Riccardiana 65 (2009), 111-136, hier 126f. Ms. Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 31 und im 14. Jahrhundert. Es war wohl auch der Anfang von dem, was wir mehr oder minder glücklich als .Deutschordensliteratur?" bezeichnen. Die Ordensregel erlaubte aus Sorge um den Seelenfrieden der Brüder keine vollgültige Aufnahme von Frauen: "wende daz ofte geschit, daz manlicher müt von wiplicher heimeliehe sehedeliehe dicke wirt erweichet."?' Sie befand die Frauen aber für "etteliche dienest der sic hen in den spitälen unde ouch de vihes" für nützlich und erkannte ihnen den Dienst als .Jialpswesteren" ZU.95 In einem 1293 entstandenen Gedicht des Deutschordensritters Hugo von Langenstein aus der Kommende Beuggen am Bodensee lesen wir, dass er von der Priorin eines Dominikanerinnenkonventes ersucht wurde, die lateinische Legende der hi. Martina fur sie in deutsche Verse zu bringen." Solche Kontakte zu Reuerinnen" häufen sich im 13. Jahrhundert: Im Umfeld der Kommende Beuggen befand sich ein eigener Frauenkonvent des Deutschen Ordens, der 1311 der Kommende Beuggen selbst angegliedert und irgendwann kurz vor 1393 aufgelöst wurde. Bei der Übertragung des thüringischen Augustinerchorherrenstifts Schiffenberg im Jahr 1323 an den Deutschen Orden wurden diesem Haus zwar die bisherigen Patronatsrechte an dem Frauenkonvent zu Cella aberkannt, doch verblieben seelsorgerische Aufgaben weiterhin beim nunmehr im Deutschordenshabit gekleideten Schiffenberger PriesterKonvent. In Bern unterstellte sich 1341 ein Frauenkonvent im Rüwenthal dem Orden, dessen letzte Schwester 1421 im Berner Ordenshaus nachgewiesen werden kann. Auch fur Frankfurt, im Umfeld der "Theologia deutsch", sind Konventualinnen nach der Deutschordensregel nachgewiesen, die ab 1353 ein Spital versorgten. In Preußen sind Schwestern selten belegt, Einzelfälle aus dem IS. Jahrhundert weisen nach Marienwerder, Danzig und Marienburg. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese 93 LOSER.Freimut: Literatur im Deutschen Orden. Vorüberlegungen zu ihrer Geschichte. In: Mittelalterliche Kultur und Literatur im Deutschordensstaat in Preußen (wie Anm. 12),331-354. 94 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 52 Regel 31. 95 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 52,12 in der deutschen Regel 31; in der älteren lateinischen Fassung ebd. Zeile 9 ist allgemein von .consorores'' die Rede, was eigentlich eine Gleichstellung bedeutet; "Halbschwestern" wären eigentlich .semisorores". Die schwierige Begriffiichkeit wird erörtert bei TO\I\IASSI, Franceso: Men and Women of the Hospitaller, Templar and Teutonic Orders. Twelth to Fourteenth Centuries. In: Hospitaller women in the Middle Ages. Hg. v. Anthony LUTRELL und Helen J. NICOI50', Aldershot 2006, 71-88, hier 80f. 96 Hugo von Langenstein: Martina, Hg. v. Adelbert von KELLER.Stuttgart 1856 (Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart 38), V. 1,21-30. - Zum Werk allgemein jetzt MOHR, Robert: Präsenz und Macht. eine Untersuchung zur "Martina" Hugos von Langenstein, Frankfurt am Main 20 I0 (Kultur, Wissenschaft, Literatur - Beiträge zur Mittelalterforschung 23). - Zum Kontext im Deutschen Orden ME'TZEL-RECTERS:Arrna spiritualia (wie Anm. 4), 82-85. 97 BERTAl',Kar!: Die "Goldene Schmiede" zwischen Rittern und Reuerinnen. In: Mittelalterliche Literatur und Kunst im Spannungsfeld von Hof und Kloster. Hg. v. Nigel F. PALMERund Hans-Jochen SCHIEWER,Tübingen 1999, 113-1·tQ. 32 Amo Frauen "zu den Semireligiosen" gestaltete. "98 Mentzel-Reuters zählten, "deren Stellung der Orden je nach Bedürfnis Was ging hier vor sich? 1304- I 3 I4 vernichteten der französische König und der Papst den Templerorden. Die Johanniter und der Deutsche Orden wurden nicht aufgehoben, waren aber gewarnt. Im 14. Jahrhundert bemühen sie sich einerseits um die Befestigung ihres mit Waffengewalt gewonnenen territorialen Besitzes - in Zypern, Malta oder eben in Preußen -, aber daneben überall im Reichsgebiet um seelsorgerische Aufgaben. Das war nicht nur Taktik oder Liebdienerei gegenüber der Kirchenführung. Es hat im Deutschen Orden stets auch Gruppen gegeben, die nach einer vertieften Spiritualität strebten. Warum sonst sollte sich gegen Ende des vierzehnten Jahrhunderts der .frater Herrnannus" des Ordenshauses zu Gierigen'? an der Brenz eine Handschrift zulegen, die lediglich zwei Texte enthielt: das gereimte deutsche Evangelium Nicodemi des Heinrich von Hesler und das Buch von der ewigen Weisheit des Heinrich Seuse?'?? Der Gipfel dieser Strömung, die in der Forschung leichtfertig marginalisiert wird, ist die "Theologia deutsch" des so genannten "Frankfurters", der im I 4. Jahrhundert in der Kommende Sachsenhausen schrieb.'?' Bei dieser Vielfalt fällt es schwer, pauschal von "dem" Deutschen Orden und gar seiner .Jdeologie" zu sprechen. Aber es gab natürlich auch hier den inneren Zusammenhalt in der monastischen Gemeinschaft. Er organisierte sichjedoch nicht (wie die ältere Forschung anscheinend glaubte) über Verwaltungsakte und Bürokratie, sondern über Texte und Rituale. Gerade darum konnte auch eine mystische Strömung in einem der militärischen Aktion verpflichteten Ordo bestehen. Man könnte den Zustand der Ordensgemeinschaft durch ein Drei-Schichten-Modell beschreiben. Die oberste und für alle offenkundige Schicht stellt die reale Ordensleitung dar, deren innere Verfassung sich mit den Jahrhunderten stark wandelte. Durch den Erlass von konkreten Bestimmungen (die sog. "Gesetze") suchte sie den Anschluss an die nächst tiefere Schicht, die konkret durch die Ordensliturgie und das Ordensbuch bestimmt ist. Darunter aber liegt eine weitere Schicht. Es sind die Grundprinzipien einer Zoenobitengemeinschaft schlechthin, also letztlich das Regelwerk 98 MENTZEL-REUTERS:Arma spiritualia 99 Zum im 15. Jahrhundert 100 Heute WLB Stuttgart, (wie Anm. 4). 86f. aufgehobenen von Hesler. Hg. v. Karl HELM. Tübingen IX. 101 HINTEN, Wolfgang Zürich von: Theologia 1982 (Münchener PETERS,Christian: Ordenshaus MIUTZER (wie Anm. 4), 314. Cod. theol. Q. 98. Zur Handschrift 1902 (Bibliothek Deutsch. Kritische Texte und Untersuchungen Theologia deutsch. In: Theologische Das Evangelium des Literarischen Textausgabe. zur deutschen Nicodemi ,.Der Franckforter". Literatur Realenzyklopädie von Heinrich Vereins in Stuttgart München des Mittelalters 33 (2002), 224), 258-262. u. 78). _ Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 33 des hI. Benedikt. Das Herzstück dieser Gemeinschaft und ihrer Ordensregel ist ein von ihr ..geregeltes" und nach innen gerichtetes Ritual: das Ordenskapitel.''" Schon in den frühmittelalterlichen benediktinischen Abteien befanden sich Kapitelsäle. in deren Mitte meist ein Lesepult stand.!" Es sind oft die größten und schönsten Räume eines Klosters. Doch war es die Zisterzienserregel, die dem Kapitel als Bußübung besondere Bedeutung beimaß - und über die Templerregel auch den Deutschen Orden prägte. Im sogenannten "bemhardinischen Idealplan'"?' wird der Kapitelsaal neben die Sakristei in den Ostflügel der Zisterze gelegt, von ihm führt eine Treppe zum Dormitorium im Obergeschoß des Flügels, West- und Südftügel werden für Vorratsräume. getrennte Refektorien für Konversen und Mönche sowie die Küche genutzt. Das Langhaus der Kirche bildet den Nordflügel. sie besteht aus einem durch eine Chorschranke abgeteilten Konversenchor im Westen und einem Mönchschor im Osten, das wiederum vom Hochaltar abgetrennt war, der sich im Sanktuarium befand, das teils als Apsis. teils als rechtwinkliger Raum gestaltet werden kann. Die preußischen Konvente des Deutschen Ordens verfügten nicht über ein so ausgefeiltes Raumprograrnrn.?" Ihre im Ordensland strenger als im Reichsgebiet beachtete Orthogonität mag man - was bei Sakralbauten ja ohnehin kaum fehlleitend sein kann - mit Kazimierz Pospieszny und anderen als typologische Vorwegnahme des neuen Jerusalems deuten'?". Doch geht es zu weit, dies aus dem Apokalypsen102 Allgemein ~IAY. Georg: Kapitel (I). In: Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg [u.a.] Bd. 5 ('1996). 1214f. - Von unschätzbarer Bedeutung für die Beurteilung und Vergleichung der Praxis des Kapitelhaltens bei den Ritterorden war für mich der Anmerkungsteil im 7. Buch ("Vom Capitel") MCSTER. Friedrich von: Statutenbuch des Ordens der Tempelherren. Aus einer altfranzösischen Handschrift hg. und erläutert. Erster Theil. Berlin 1794, 221-250. Die lateinische Deutschordensregel wird im Apparat konsequent mit der Templerregel verglichen, wohingegen Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25) sich auf den Nachweis vereinzelter Parallelen beschränkt. Die Benutzbarkeit von MC-SUR ist leider dadurch beeinträchtigt, dass MÜNTERdie Bestimmungen neu systematisiert und der zweite Teil, in dem die historische Folge der Satzungen gegeben werden sollte. nie erschien. 103 Zur Forrngeschichte KOCH. Laurentius: Kapitelsaal. In: Lexikon für Theologie und Kirche. Freiburg [u.a.] Bd. 5 (996). 1217f. Dem dort beschriebenen Bautypus entspricht die St. Armenkapelle auf der Marienburg weit mehr als der Saal im oberen Stockwerk (Doppeltürigkeit, annähernd quadratischer Grundriss. Fenster an der Stirnseite und Sepultur). 104 Zum Folgenden: EBERLE.Jürgen: Mittelalterliche Zisterzienserklöster in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Petersberg 2011 (im Druck). e 105 Zum Folgenden: TORBcs. Tomasz: Die Konventsburgen im Deutschordensland Preußen, Oldenburg 1998 (Schriften des Bundesinstituts für Ostdeutsche Kultur und Geschichte 11),307-314. 106 P()SPIESZ~Y.Kazimierz: Die Architektur des Deutschordenshauses in Preußen als Ausdruck- und Herstellungsmittel der Ordensrnission und Herrscherpolitik. In: Selbstbild (wie Anm. 4). 227-241, hier 229. - Dygdala-Ktosinska, Barbara: Die apokalyptische Gottesmutter als Propagandabild des Deutschen Ordens in Preußen. In: Terra sanctae Mariae. Mittelalterliche Bildwerke der Marienverehruna im Deutschordensland Preußen. Hg. v, Gerhard EIMER.Ernst GIERUCII [u.a.], Bonn 2009,137-154, 148f. 34 Amo Mentzel-Reuters kommentar des Heinrich von Hesler'?' zu begründen.!" der lange vor diesen Bauten und ohnehin nicht im Deutschen Orden entstanden ist.!" Das Himmlische Jerusalem spielt im Bildprogramm der Deutschordenshandschriften dieses Reimkommentars zwar eine Rolle'!" - aber es wird hier als ringförmige, zwölftorige Stadt gezeigt und keinesfalls als Viereck.'!' Eher wären Bezüge zur allegorischen Regelauslegung des Bruder Ulrich herauszustellen.!" Die in den Konventsburgen realisierte Spiritualität war sowohl einfacher wie auch augenfälliger. Ihr Standardprogramm bildeten Schlafraum, Remter, Kapelle und Kapitelsaalein geistliches Konzept, das, wie hier zu zeigen sein wird, viel dem Idealplan aus Clairvaux verdankt. Dabei ist insbesondere der Kapitelsaal hervorzuheben, da er der einzige Raumtypus ist, der in keinem Fall auf einer säkularen Burg zu finden ist. Umgekehrt kommt der spezielle Wehrcharakter der Anlage in der äußeren Gestaltung und dem Bergfried zum Ausdruck, der jedoch beim weiteren Ausbau der Burgen in die anderen Baukörper integriert wurde und in der Marienburg gleichzeitig als Glockenturm fungierte. Auch das vermauerte Ostfenster der Marienkapelle hat einen 107 Heinrich von Heslcr: Die Apokalypse. Hg. v. Karl HED!, Berlin 1907 (Deutsche Texte des Mittelalters 8). 108 So ausdrücklich POSPIESZ'W: Architektur (wie Anm. 106).229. Die Darlegung gewinnt ihre innere Schlüssigkeit durch wenig überzeugende Textarbeit. ..Der dutschen hus" wird ohne Versangabe zitiert (Vers 5827!). falsch mit "das Ordenshaus" übersetzt und direkt in eine Beschreibung des Himmlischen Jerusalems gezogen. die aus nicht zusammen stehenden Versgruppen montiert ist (Verse 21069-21073, 20800--20804, 20812f.. 22334-22336). - Mit der Domus Theutonicorum ist der Orden selbst gemeint, der hier nicht etwa verherrlicht, sondern an dritter Stelle nach den Templern und Johannitern wegen seiner Habgier verurteilt wird. Zu dieser Attacke MENTzEL-REuTERs: Arma spiritualia (wie Anm. 4), 27f. 109 MENTZlL-RwlERS,Arno: Bibeldichtung und deutscher Orden: Studien zur Judith und zu Heinrichs von Hesler Apokalypse. In: Daphnis 26 (1997). 209-261. widerlegte als erster die Entstehung im Deutschen Orden, geht aber noch von einer Spätdatierung aus, die durchjüngere Handschriftenfunde obsolet wurde. Hierzu jetzt zusammenfassend EHRlcff.Susanne: Die .Apokalypse' Heinrichs von Hesler in Text und Bild. Traditionen und Themen volkssprachlicher Bibeldichtung und ihre Rezeption im Deutschen Orden, Berlin 2010 (Philologische Studien und Quellen 223),10--22. 110 Vg!. WLB Stuttgart. HB XIII I!. 153v und Torun, BUMK Rps. 44/IV, I 82v. Abbildungen bei JAGOIlZINSKI, Sabinc: Die illustrierte Apokalypse Heinrichs von Hesler im Deutschen Orden. Studien zu Bild. Text und Kontext. Stuttgart 2009 (CISA - Cultural and Interdisciplinary Studies in Art 6). LXXIII und LXXIX. Ebd. LXIX und LXXVIII Bildmaterial zur Darstellung der apokalyptischen Frau im Hinblick auf die Ostfassade der Marienkirche. Die zugehörigen Betrachtungen 91-111 sind leider unergiebig, wobei zu berücksichtigen ist, dass es sich um eine Magisterarbeit handelt. III POSPIESZNY: Architektur (wie Anm. 106). 230 und 239, Anm. 39 bemüht Heslers Beschreibung der 12 Tore fur eine Interpretation der Verlegung des Zugangs zum Hochschloss der Marienburg aus der Mitte des Nordflügeis an die Westecke: .Jn der axialen Ausgangskonzeption der Burg handelt es sich sicherlich um die Betonung des Tores. das zum Marienburger .paradisus monachorum: führte". Ein solcher Bezug wäre allerdings durch die Anlage von 12 Toren sinnfälliger zu gestalten - so wie es die Handschriftenbilder zu Heslers Text tun. 112 Vgl, Anm. 61. Der Deutsche wehrtechnischen Weise verkleidet Orden als geistlicher Aspekt, der mit der monumentalen wurde. IJ3 35 Orden Marienfigur in symbolträchtiger Die Lokalisation der Räume in den erhaltenen Baudenkmälern istjedoch nicht immer einfach. Die vergleichsweise gut erhaltenen Häuser von Mewe und Rehden dienen im Allgemeinen als Vorlagen für einen Idealtypus der Konventsburg. Hier "besaß der Kapitelsaal nach der Kapelle die sorgfältigste architektonische und bauplastische Ausstattung".'!' Das Hochschloss der Marienburg scheint diesem Plan in seiner ersten Bauphase!" weitgehend entsprochen zu haben, wurde aber 1331-1344 unter Luder von Braunschweig (HM 1331-1335) und Dietrich von Altenburg (HM 1335-1341) gravierend verändert.'!" So scheint der Raum vor der Marienkirche im Hochschloss, der seit den Wiederherstellungsarbeiten des 19. Jahrhundert'!" als "Kapitelsaal" identifiziert wird, nach neueren Studien in der ersten Bauphase als Refektorium genutzt worden zu sein.!" Ähnliche Gegenüberstellungen finden wir noch heute in den Ruinen der Konventsburgen von Mewe"? und Rehden.!" Dort ist allerdings zwischen Kapelle und Refektorium ein kleinerer Zwischenraum, der direkt über dem Haupttor sitzt. Er wird wegen seiner kleinen Fenster zur Kirche hin nach verschiedenen Verlegenheits- 113 Die Marienfigur mag zwar "den sinnfälligsten Ausdruck für das Patronat der Gottesmutter über den Deutschen Orden" geben, so EIMER.Gerhard: Terra sanctae Mariae. Das Deutschordensland als Marienland. In: Terra sanctae Mariae (wie Anm. 106), 7-9, hier 7. Im Innenraum wirkt es aber wenig imposant - nämlich wie das vermauerte Fenster, das es ja auch ist. Für den Verteidigungsfall wurde damit eine gefährliche Maueröffnung verschlossen, durch die andernfalls mühelos Brandgeschosse ins Kircheninnere geschleudert werden konnten, was bei dem hohen Anteil an Holz und Stoffen in der Einrichtung rasch den gesamten Nordftügel des Hochschlosses in Brand gesetzt hätte. Es ist kein Zufall, dass die gesamte Ostseite des Hochschlosses kaum Fenster hatte, und dass die freiliegenden Fenster an der Nordseite der Marienkirche zum offenen Land hin durch den Pfaffenturm verdeckt wurden. 114 TORBUS(wie Anm. 105),309. 115 TORSUS(wie Anm. 105),291-294. 116 TORBUS(wie Anm. 105),496-498,520 (Grundrisse). - Zur Bautätigkeit unter Luder HELMS,Simon: Luther von Braunschweig. Der Deutsche Orden in Preußen zwischen Krise und Stabilisierung und das Wirken eines Fürsten in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, Marburg 2009 (Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens 67), 156-158. 117 KNAPP,Heinrich: Das Schloss Marienburg nach 1456, Lüneburg 1990, 95f, 99. in Preußen. Quellen und Materialien zur Baugeschichte 118 JOZWIAK,Slawornir/Tnumcox, Janusz: Organizacja zycia na zamku krzyzackirn w Malborku w czasach wielkich mistrzow (1309-1457) [Organisation des Lebens auf dem Deutschordensschloß Marienburg zur Zeit der Hochmeister], Malbork 2007, 139-145. - Im Ausgabenbuch der Marienburger Hauskomturs wird mehrfach die Lieferung von Trinkgefäßen und einmal sogar von Essen .arffs cappitill" verzeichnet, offenbar fanden hier die abendlichen Collationes und in Ausnahmefällen weiterhin Mahlzeiten statt. Ausgabenbuch (wie Anm. 55), 420 mit den entsprechenden Belegstellen, z.B. das Essen 155,17 zum 1.12.1415. 119 TORSus (wie Anm. 105),540-554. 120 TORBGS(wie Anm. 105), 595--608. 36 Amo Mentzel-Reuters lösungen früherer Forschung nunmehr als Firmarie gedeutet. Spuren eines solchen Raumes haben sich auch in der Marienburg finden lassen. 121 Mit seiner Beseitigung und der Erweiterung des Kapitelsaals rückte dieser unmittelbar an die Marienkirche heran. Damit entstand eine ungewöhnliche Raumkonstellation. Die besonders auf der Kirchenseite prächtig ausgebaute Wand trennt und verbindet gleichermaßen zwei ritualisierte Bereiche der Gemeinschaft: den nach außen - d.h. auf Gott - gerichteten liturgischen Raum der Marienkirche und den nach innen - d.h. auf die Lebensform _ gerichteten Kapitelsaal.!" Die gab im 19. Jahrhundert Raum für blumige Spekulationen: Es habe eine Zwischentüre gegeben und nach der Wahl eines neuen Hochmeisters "trat der Erwählte aus dem Saal in jene Thür und zeigte sich der in der Kirche harrenden Menge". m Wenn dies auch als Phantasie nach dem Vorbild der Papstwahl zurückgewiesen werden muss!" - es gab diesen Durchbruch zwischen Kapitelsaal und Kirchenempore nicht!" -, so versucht es doch, die Bestimmungen des Ordensbuches zu lokalisieren (Gewohnheit Nr. 6126) und lenkt das Augenmerk auf das zu wenig beachtete funktio121 POSP1ESZNV, Kazimierz: Orte der Reliquienpräsentation in den Deutschordensburgen in Preußen. Ein Beitrag zu neueren Forschungen. In: Ecclesiae omatae. Kirchenausstattungen des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Hg. v. Gerhard E1\fER,Ernst G1ERLlCH und Matthias MCLLER,Bonn 2009 (Kunsthistorische Arbeiten der KuIturstiftung der deutschen Vertriebenen 6), 311-326, hier 314-319. 122 POSPIESZNV: Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121), 322 deutet die Kammern unter der Empore als Autbewahrungsort für Reliquien. Das Marienburger Ämterbuch (wie Anm. 50) lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Reliquien entweder an den Altären oder in den Sakristeien der Kirche aufbewahrt wurden, z.B. "sunte Agathe houpte" am Hochaltar (MÄB 131,21), "item in dem schaffe vor unser lieben frowen altare in der muer acht stucke mit dem groszen crucze" (MÄB 131,24f.) usw. 123 Schloss Marienburg in Preußen. In: Illustrirte Zeitung, Berlin, vom 1.6.1850, 345f., hier 346. Eine Ansicht der Westernpore im damaligen Zustand (d.h. als aufgegebene Jesuitenkirche vor allen Restaurierungsmaßnahmen durch den preußischen Staat) bringt die Ausgabe Nr. 593 vom 11.11.1854, 316 (1850 wurde die Zeitung noch nicht gezählt). Ähnliches Bild bei POSPlESZNV: Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121),313. Die vorgefundene Ausstattung der Kirche wird detailfreudig geschildert; hinsichtlich der Empore wird vermutet, sie sei für den Stuhl des Hochmeisters bestimmt. Das ist jedoch unwahrscheinlich, da in der mittelalterlichen Kirche dem Herrscher ein Platz am Hochaltar zustand. 124 So wurde die Wahl des Hochmeisters nach dem Vorbild der Templerregel durch Wahlmänner vorgenommen und nicht durch das Generalkapitel. Ausführlich zum Verfahren MILlTZER (wie Anm. 4), 137-140. 125 Zumindest zeigt keiner der bei K."IAPP (wie Anm. 117), 180-183 und bei POSPlESZNV: Orte der Reliquienpräsentation (wie Anm. 121),315 abgedruckten historischen Grundrisse einen solchen Durchgang; die auch heute noch in der Mitte der Ostwand des Kapitelsaales zu erkennende Nische war auch vor der Einpassung eines "Hochmeisterstuhles" und der weiteren hölzernen Sitzreihen (im frühen 20. Jahrhundert) vermauert, wie aus den vor 1900 gedruckten Postkarten des Vereins zur Herstellung und Ausschmückung der Marienburg hervorgeht. 126 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 95.15-29: .Zu hant sulen die brüder pfaffen hochzitlichen anheben Te Deum laudamus unde sulen die glocken zusamene lüten unde der brüder, der an des meisteres stat was, der sal den, der dä ist erwelt, vur den alter vüren unde sal ime dä vor allen Der Deutsche Orden als geistlicher Orden 37 nale Nebeneinander der geistlichen Räume im Nordflügel des Hochschlosses, das auf zisterziensische Vorbilder verweisen könnte.!" Hinweise auf den Kapitelsaal des Hochschlosses als Ort der Hochmeisterwahl gehören zur Topik der Fremdenführer.I" aber primär war der Raum für den eigentlichen Konvent bestimmt, der darin wöchentlich seine "gewöhnlichen" Kapitel abhielt, 129in denen (wie schon im Templerorden) "nichts anderes verhandelt ward, als was die Geschäfte jedes einzelnen Hauses und die Disciplin desselben betraf"!" - es waren also primär Schuldkapitel.!" Die Schlussformel, die in den Gewohnheiten vorgeschrieben wird, macht das deutlich: "Brüder, ir habt unsre regel, unsere gesetzede unde unsre gewonheit nun unde zu den andem ziten wol gehört, daz ir iuch damauch rihten, daz fuget sich wol. (... ) Bruder chommend zu iur geziten, nach dem als iuch danne di glock bescheyde. Bruder, chommend zu iur tavelen und nement do dez ordens almüsen unde gut. Bruder, sy ieman hie, der urloub wolle nehmen zu sprechen, der sprech in Gotes namen, sy dez icht, so emphelven wir unsere sach unserm hem Jesu, Amen."132Die Kapitel fanden sonntäglich statt, die Teilnahme war für alle Brüder verpflichtend.!" Wer nicht dem Konvent angehörte, hatte keinen Zutritt. den brüderen daz ambeht der meisterschefte mit dem vingerllne unde mit dem insigel antwerten unde bevel hen un de sal in des manen, daz er also der berihtunge des hüses unde dem ordene vor SI". Paraphrasiert M1LlTZER(wie Anm. 4), 139 f. 127 KOCH (wie Anm. 103), 1217 weist darauf hin, dass dem Kapitelsaal seit dem 11. Jahrhundert und insbesondere bei den Zisterziensern "vielfach östlich eine Marienkapelle angegliedert" wurde. 128 Einer unter vielen: WOLFRL'M,Heinrich: Die Marienburg. Das Haupthaus des Deutschen Ritterordens und seine Geschichte, Leer 1972, 21. Das Buch ist im Übrigen ein spätes Zeugnis für die Wirksamkeit von Treitschkes Deutschordensbild. 129 Vor dieser Verwechslung warnt ausdrücklich 130 MÜ~TER(wie Anm. 102),221 Anm. *. MÜNTER(wie Anm. 102),221 Anm. *. 131 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 77,35-78,7: "Sint ouch der apostel sprichet: were daz wir uns selben urteileten, so enwurden wir niht geurteilet, so sezzen wir, daz man der verholnen schulde, alleine dunken SI cleine, heimeliehe kume zu blhte unde daz man offenbare schulde in deme capite le rüge unde darumme da entphähe gevelliche büze, daz also die Gotes e werde ervullet nach deme daz die schulde sint, so sal man die siege mäzen, unde swie man daz äne zwivel äne swere schulde behalten sule, doch sal man ez an den minnesten niht versürnen, wende sente Gregorius sprichet: sw er die minnesten versümet, der vlüzet algemehellche zu den grözen", Zitiert werden Gregors Moralia in lob X 11,21. 132 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 133,16-28. 133 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 74,12-19 (Gesetze Nr. 27): "In allen hüseren sal man die regelen unde die gesetzede in deme iäre drlstunt lesen in den octaven zu wlnahten un de zu österen unde zu der schiffurige zu des heiligen cruces messe unde in den capitelen, unde darzu in allen sunnetagen, ob ez mit vügen mac sin, so sal man den brüderen ettelich teil der regelen unde der gesetzede lesen". 38 Arno Mcntzel-Reuters In diesem Raum war der Konvent ganz bei sich. Auf einem Lesepult sollte - zumindest im Idealfall- das Ordensbuch liegen, aus dem zu Beginn des sonntäglichen'> gewöhnlichen Kapitel im lahresumlauf jeweils ein Kapitel der Ordensregel verlesen wurde: "Wenne man get zu capitel, so spricht ye der prüder VII pater unde VII äve Maria. Darnäch liset der priester prüder ein capitel in der regelen, ein capitel in den gesetzeden, ein capite I in den gewonheyden unde kundet die heylstage derselben wüchen, damauch spricht er die enphelhunghe, als hernach geschriben stät.:"" Auf den für den Herbst vorgeschriebenen "großen Kapiteln" war sogar die vollständige Regel zu verlesen.!" Durch das Vorlesen des Ordensbuches trat der Ordensbruder in Kontakt mit den Statuten - er las sie nicht selbst. Doch erschöpfte sich das Kapitel nicht mit dem Verlesen der Satzungen. Im Anschluss hielt der ranghöchste Anwesende als Leiter des Kapitels oder aber der Priesterbruder einen Sermo ad fratres über ein von ihm frei gewähltes moraltheologisches Thema -letztlich also eine Mahn- oder Bußpredigt!" _ und forderte abschließend die Anwesenden auf, ihre Verfehlungen gegen die Regel zu bekennen. Es ist Aufgabe der Gemeinschaft, nach Maßgabe der Statuten dafür das Strafmaß zu bestimmen. Der Ritualcharakter wird an den heute noch erhaltenen Ordensbüchern deutlich, in denen neben dem legistischen Kern aus Statuten, Gewohnheiten und Gesetzen der mit den charakteristischen liturgischen Festen ausgezeichnete Kalender und das Aufnahmeritual für neue Brüder enthalten sind. Will man den Charakter dieser Bücher verstehen, muss man ihre Textkompilationen als solche betrachten und nicht auf ein Abstraktum ("die Deutschordensregel") reduzieren. Diesen kann man nur aus der jeweiligen Handschrift ermitteln. Max Perlbach hat für die Edition der Deutschordensstatuten 34 Handschriften herangezogen und in seiner Einleitung bzw. im kritischen Apparat der Edition dokumentiert. Hieraus lassen sich die Umrisse der jeweiligen Codices erahnen, aber nicht immer mit letzter Gewissheit rekonstruieren. Um die Schwankungsbreite erkennbar zu machen, habe ich die Überlieferung der Kleintexte ausgewertet, die in Perlbachs Edition zu einem völlig unhistorischen Block 134 MÜNTER (wie Anm. 102), 157,224-225 59--60: Gesetze 11a-b. Anm. **. - Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). 135 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). 133: Gebet Nr. 14. 136 Am Tag der Kreuzerhöhung (14.9. nach demjulianischen Kalender). Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 102: Gewohnheit 18. Die Gestaltung der Generalkapitel in Preußen wird sich erheblich von dem unterschieden haben, was die noch auf die Landmeister von Armenien und Zypern Rücksicht nehmenden Bestimmungen der Gewohnheit 18 vorgeben. Als unter Hans von Tiefen am Ende des 15. Jahrhunderts ein Generalkapitel geplant wurde, musste der Kanzler Sculteti erst das Ordensbriefarchiv auswerten, um ein sinnvolles Procedere entwerfen zu können. ME~TZEL-REUTERS: Reformschrifttum (wie Anm. 48), 66. 137 An ihre Stelle kann auch eine Lectio treten. MC"TER (wie Anm. 102),224-225 Anm. **. Der Deutsche Orden als geistlicher 39 Orden am Ende der Edition verschmolzen sind - soweit sie überhaupt in die Edition aufgenommen wurden. Für diesen Bereich ist der Abdruck der Neufassung des Ordensbuches von 1442 von unschätzbarem Nutzen, den Ernst Hennig 1806 veranstaltete.':" Der rituelle Charakter des Ordensbuches wird in 17 der 34 von Perlbach herangezogenen Handschriften durch ein Kalendarium unterstrichen, das traditionell Messbüchern, Psalterien oder Gebetbüchern vorangeht. Diese Quote von 50% bleibt vom späten 13. bis zum Ende des 15. Jahrhunderts konstant. Anders ist es mit dem Aufnahmeritual.!" Seine Zugehörigkeit zum Corpus ist unstrittig, denn die Aufnahme neuer Brüder musste vor dem Kapitel geschehen. Dennoch wird das vollständige Ritual in den Ordensbüchern nur in drei Handschriften verzeichnet, von denen zwei dem 14. Jahrhundert angehören und eine dem 16., wobei anzunehmen ist, dass es in letzterer nur aus historischem Interesse bzw. durch die Verwendung einer Vorlage aus dem 14. Jahrhundert aufgenommen wurde. Meist werden nur die Benediktionen aus dem Aufnahmeritual (die zur Schwert- und Ritterweihe gehören) aufgenommen - dreizehn weitere Handschriften führen sie ohne das vollständige Ritual, wobei auch hier das 14. Jahrhundert überproportional vertreten ist.':'? Ganz anders sieht es mit den so genannten Venien!" aus. Banal gesagt, handelt es sich um Anweisungen, wann die Brüder das Knie beugen oder gar kniend beten sollen, sowohl grundsätzlich (etwa beim Betreten und Verlassen der Kirche, während des Gloria oder dem Invitatorium) aber auch bei speziellen Anlässen über den Jahreskreis hinweg. Dabei wird das lateinische .veniarn facere" durch das deutsche Verb .venien" (z.B. "man sal venien") übersetzt, eine merkwürdige der Handschriften enthalten diese Vorschriften, Wortschöpfung. 76% darunter praktisch alle Handschriften nach 1300. Diese Demutsgeste hat sich offenbar erst im 14. Jahrhundert durchgesetzt. Als letzte große Beigabe finden wir schließlich die Anweisungen über das Abhalten von Vigilien, also der Nachtwachen vor den großen Heiligenfesten und vor der Beerdigung eines Bruders bzw. an den Gräbern der Hochmeister. Diese Vorschrift ist nur in den deutschen Ordensbüchern zu finden und offenbar vor allem den späten: Während sie noch im 14. Jahrhundert nur in die Hälfte der Codices eingetragen wurde, geschah dies im späten 15. Jahrhundert in allen Abschriften. Einer der letzten Zuwächse zum Corpus der Kapiteltexte war das große Gebet, mit dem das Kapitel eröffnet wurde.!? Im 13. Jahrhundert fehlt es in den Handschriften 138 HE1I:~IG. Ernst: Die Statuten des Deutschen den Anmerkungen, historisch-diplomatischen etymologischen heimes 139 140 141 142 Statuten einigen Glossarium, Staatsarchiv 10 von 19 Handschriften, Ordens zum Statuten des Deutschen Ordens Statuten des Deutschen Ordens lung der verschiedenen Nach dem Original-Exemplar, Baylagcn mit sinnerläutern- und einem vollständigen historisch- 1806. Bei der Vorlage handelt es sich um den Codex GeKulturbesitz in Berlin, XX. Hauptabteilung. Ordensfoliant 60. (wie Anm. 25), 127-131. Vergleich: von den acht Handschriften nach 1400 nur mehr eine. (wie Anm. 25), 120-126. (wie Anm. 25), 131-133. Aus der unübersichtlichen Zusammenstel- Königsberg Preußischer des Deutschen Ordens. Fassungen. die hier nicht wie sonst parallel sondern sukzessive abgedruckt 40 Amo Mentzel-Reuters noch völlig. SBPK Berlin, Ms. Boruss. 1 aus dem 14. Jh. ist der älteste Überlieferungsträger.!" In zwei Handschriften des 14. Jahrhunderts wurde es erst im IS. Jahrhundert nachgetragen!", ebenso in einer Handschrift des IS. Jahrhunderts.!" Erst die erneuerten Statuten von 1442 machen es zum festen Bestandteil des Corpus. Der Form nach ist es eine .Dratio pro omni gradu ecclesiae", wie sie in der Liturgie nach der Allerheiligenlitanei zu sprechen war.':" Aber es ist eben in seiner Ausformung ein besonderer Text. Es besteht aus elf einzelnen Gebetsaufforderungen. Nicht eine zeigt eine aggressive oder nach Vorherrschaft oder auf militärische Absichten zielende Programmatik. Insbesondere möge der Orden an "Gnade, Zucht und geistlichem Leben" zunehmen. 1. Gott gebe Trost, Frieden und Schutz vor allem Übel der gesamten Christenheit. 2. Bitte für den Papst, .xlaz rlche" (das Regnum teutonicum), fur die geistlichen und weltlichen Anführer und Richter der Christenheit. 3. Für den Orden; das Spiritualisierungsprogramm wird in klare Worte gefasst: .xlaz den unser herre laze zunemen an gnaden, an zucht, an geistlichem lebene, unde beneme allen den Personen, die darinne sint unde in anderen orden, alles, daz wider sime lobe unde sime willen sie."!" 4. Für den Hochmeister und alle Würdenträger des Ordens, .xlaz sie dem orden unde iren ampten also bevor sin, daz sie von Gote nimmer gescheiden werden."!" 5.-6. Für die Brüder, die kein Amt versehen und für alle im Stand der Todsünde. 7. Die Bitte um die Bekehrung der Heidenschaft. Eine gewaltsame Bekehrung wird nicht propagiert. "Bittet ouch vor alle die lant, die vor der heidenschaft legen, daz in Got mit sime rate unde craft zu hulfe korne, daz Gotes geloube unde minne da inne gebreitet werde, also daz sie allen iren vienden mugen widersten." Das Ordensbrevier formuliert es eine Spur aggressiver: "inimiwerden, ist der Sitz dieses Gebetes im Ordensleben nicht zu erkennen. Der 1442 auf dem Generalkapitel zu Marienburg definierte Normcodex (vgl, Anm. 138) formuliert es in einer deutlichen Rubrik: "Wie die prister bruder in dem capittil sullin bitten vor den cristenthum." Zitiert nach HEt-:NIG (wie Anm. 138),216. 143 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XVI Nr. 2. 144 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). Xf. Nr. 2, XXII Nr. 14. 145 Torun, Biblioteka UMK Rps 78111,175r (ehemals Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg Ms. 1556). Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), XX Nr. 9. - PÄSLER, Ralf: Katalog der mittelalterlichen Deutschsprachigen Handschriften der ehemaligen Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg. Nebst Beschreibungen der mittelalterlichen deutschsprachigen Fragmente des ehemaligen Staatsarchivs Königsberg. Auf der Grundlage der Vorarbeiten Ludwig Deneckes, München 2000 (Schriften des Bundesinstituts für ostdeutsche Kultur und Geschichte 15), I22f. 146 Zum Gebet im Deutschordensbrevier vgl. MEt-:TzEL-REuTERs: Arma spiritualia (wie Anm. 4), 246 Anm. 1560 (mit Textabdruck). 147 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25). 131 Z. 36f. 148 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 131 Z. 391: Der Deutsche cis nostris Orden als geistlicher et nobis veram charitatem 41 Orden largire, incredulos converte, errantes corrige"."? 8.-10. Für die Förderer und Wohltäter des Ordens, insbesondere für die aus der Narratio de primordiis bekannten staufischen Förderer Heinrich VI. und seinen Bruder Herzog Friedrich von Schwaben, sowie Leopold von Österreich und Konrad von Masowien, sowie alle verstorbenen .Iirüdere unde swestere unsers ordens"."" 11. .Eyn iclicher gedenke ouch sines vater unde muter sele unde siner geswisteride unde aller siner vründe sele, Gedenke ouch ein iclicher der eilenden selen, die niemandes haben, der ir gedenke. Damitte gedenket aller geloubigen selen, daz in Got gebe die ewige rü. Requiescant in pace. Amen."151 Was folgt daraus? Das Kapitel war der Ort, an dem jeder einzelne Deutschordenskonvent sich seiner Identität vergewisserte, aber es war kein Ort des Kampfesgeistes, sondern stand in der Tradition des abendländischen Mönchstums. In der von Kampfhandlungen geprägten Frühzeit war es wohl nicht weiter ausdifferenziert, aber während des weitgehend friedlichen 14. Jahrhunderts erfuhr es eine spirituelle Erweiterung und Bereicherung, die nach 1410- ich komme an den Anfang meiner Überlegungen zurück - zunächst wohl einbrach, dann aber als gezielte geistliche Demutsübung wieder neu gestaltet wurde. Das deckt sich mit den Aufträgen an die Visitatoren jener Zeit, die streng darauf achten sollten, dass die Regel befolgt und die Kapitel gehalten wurden. Schon 1338 sprach Dietrich von Altenburg in einer Instruktion für die nach Böhmen entsandten Visitatoren von seiner Verpflichtung, das geistliche Leben im Orden zu pflegen und zu überwachen.'? Im Umfeld der Neufassung der Statuten 1442 hat Konrad von Erlichshausen mehrere Visitationen durchfuhren lassen und Instruktionen für die Visitatoren ausgegeben. Es geht auch um Landbesitz, Vieh und Waffen, aber vor allem um die Lebensform der Brüder,'? 149 Breviarium secundum ordinem nach ME"TlEL-REl;TERS: Hinweis gelegte 150 darauf, Anna fratrum Teutonicorum, spiritualia dass die Bitte zur Bekehrung frühmittelalterliche Formular Nürnberg: (wie Anm. 4), 246 Anm. der Ungläubigen eingeschoben des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 132, 20f. 151 Statuten des Deutschen Ordens (wie Anm. 25), 132, 24-26. 152 Visitationen Teil I: 1236-1449, VeröfTentlichungen Ordens Marburg Besonders sondere 2002 (Quellen der internationalen 10), 13: Nr. 12: ..Quoniam regulis vita perfeccionem salubriter est inventum." 153 Orden im Mittelalter. detailliert 194: Nr. I14. eine nicht datierte in das dem Breviergebet Hg. v. Marian und Studien historischen de presentibus ac pestifere 1485, 663. Hier zitiert 1562 der zugrunde wurde. Statuten im Deutschen Stuchs 1560. Ebd., 247 Anm. depravacionis Instruktion, BISKUPund Irena JANosz-BlsKuPowA. zur Geschichte Kommission provinciis sacram more suffocando Visitationen des Deutschen zur Erforschung reiligionum visitacionis (wie Anm. Ordens 50 I des Deutschen fundatoribus per officium debite 152), 193-197, insbe- 42 Arno Mentzel-Reuters Die politische und zunehmend auch wirtschaftliche Bedrängnis des Ordens führte, wie in anderen Orden auch, im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts zu einer Verstärkung der Aszese und der inneren geistlichen Disziplin, bis hin zur Restaurierung der Ordensstatuten auf dem Generalkapitel von 1442. Die Ordensbücher strebten an, die monastische Seite der Brüder zu stärken, damit sie - wie einstmals Judith - nicht wegen der Macht ihrer Waffen, sondern wegen ihrer Tugend gepriesen würden. Das ist, soweit sie den Orden selbst betraf, auch die Zielrichtung der "Ermahnung des Kartäusers", die Paul von Rusdorf 1428 übergeben wurde.'>' Der Verfasser betonte, er handle aus "gantczer czugenegeter liebe und treue, die ich das Got weys, trage zcu deme erwirdigen orden und dem lande Preussen", ja sein Gewissen treibe ihn, seine Erkenntnisse in schrifften offenbar zu machen. Ein Ende der Ordensherrschaft konnte sich der Kartäuser vorstellen, falls mangels geistlicher - nicht etwa militärischer - Disziplin das Land durch Gottes Zorn .widder bey dy heyden kome"!" - wobei offen blieb, wer hier mit "Heiden" gemeint war (JagieHo?). Auch das warnende Beispiel der Templer wird beschworen, "dy grosse lande hatten, ummb irer hofart willen und boses lebens hot men sy daraus getreben." 156 Das drohe auch dem Deutschen Orden, denn seine Brüder entzögen sich dem klösterlichen Leben, regierten willkürlich, ungerecht und prassten; im verarmenden Land herrschten Wucher, Ehebruch und Gier; die Heiden seien frech geworden. Der Kirchenzehnte verschwinde im OrdenstresseI, während die Priester sich selbst um ihren Unterhalt kümmern müssten und daher ihre geistlichen Aufgaben vernachlässigten. Die Ordensleitung hatte derartige Ermahnungen durchaus Ernst genommen, auch wenn spätere Danziger Chronisten das Gegenteil behaupteten.!" Es war ein Grund mehr, die Stärkung des monastischen Lebens voranzutreiben. Solche Initiativen waren so erfolgreich und so erfolglos wie andernorts die der Observanten. Auch im Ordensstaat wandten sich etliche Gruppen, die Ende des 15. Jahrhunderts von den Zönobiten eine strengere Askese forderten, schließlich zur lutherischen These von der falschen Keuschheit und der Forderung nach Auflösung aller klaustralen Gemeinschaften im Lande. Der Versuch des Bischofs Erhard von Queis, den Deutschen Orden aus dieser allgemeinen Erosion des Mönchtums herauszuhalten, 158 hatte ebenso wenig 154 Die Ermahnung des Carthäusers. In: Scriptores rerum Prussicarum. Bd. 4. Hg. v. Theodor HIRSCH, Leipzig 1870, 448--465. - Zur Schrift allgemein OU';;SKI, Piotr: Die Ermahnung des Kartäusers an die Deutschordensritter. In: Mittelalterliche Kultur und Literatur (wie Anm. 12),473--481. 155 Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),457. 156 Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),457. 157 Theodor HIRSCHin der Einleitung zur Ermahnung des Carthäusers (wie Anm. 154),450 (nach Bemt STEGEMANN). - Zur Rezeption im Orden MESTZEl-REl':TERS:Reformschrifttum (wie Anm. 48), 65~7. 158 Vg!. Anm. 73. Der Deutsche Orden als geistlicher Orden eine Chance wie Luthers Entwurf einer besitzlosen, Deutschherrengemeinschaft für den Türkenkrieg.':" aber weitgehend 43 säkularisierten So endete im bisherigen Ordensstaat, dem neuen Herzogtum Preussen, der Deutsche Orden zusammen mit allen anderen geistlichen Körperschaften - nicht früher und nicht später. Insofern ist es müßig, über Erfolg oder Misserfolg der Reformbemühungen des 15. Jahrhunderts zu diskutieren. Eher ist festzustellen, dass die monastische Überformung des Ritterideals nach dem Vorbild der Zisterzienser bis zum Ende des Ordensstaates ohne Alternative blieb. Der Deutsche Orden hat während des gesamten Mittelalters versucht, dem hohen geistlichen Anspruch gerecht zu werden, den schwarzes Kreuz und weißer Mantel symbolisierten. 159 Zu Luthers Schrift an die Herren Deutschen Ordens von 1523 MENTZEL-REUTLRS:Reformschrifttum (wie Anm. 48).75-77.