Bundesweites Integrationsprogramm
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Bundesweites Integrationsprogramm
Bundesweites Integrationsprogramm Angebote der Integrationsförderung in Deutschland – Empfehlungen zu ihrer Weiterentwicklung Inhalt inhalt Inhalt Vorwort 7 ADas bundesweite Integrationsprogramm: Integrationsangebote weiterentwickeln und koordinieren, Potenziale nachhaltig nutzen 9 1. Entstehung und Struktur des Berichts 12 2. Handlungsfelder und zentrale Themen 14 2.1 Sprachliche Integration 14 2.2 Bildung und Integration 17 2.3 Gesellschaftliche Integration 23 B Sprachliche Integration 30 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld sprachliche Integration 30 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld sprachliche Integration 31 2.1 Bildungssprache Deutsch durchgängig fördern 31 2.1.1 Durchgängige sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen und Schulen: Frühe Grundlagen legen – Bildungssprache Deutsch vermitteln 32 2.1.2 Eltern bei der sprachlichen Bildung partnerschaftlich einbeziehen und unterstützen 38 2.1.3 Sprachliche Bildung am Übergang Schule – Ausbildung: Berufsvorbereitende Deutschkenntnisse vermitteln, Ausbildungschancen stärken 40 2.1.4 Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals für die frühkindliche und schulische sprachliche Bildung 45 2.2 Grundlegende Deutschkenntnisse vermitteln: Der Integrationskurs 52 2.3 Sprachliche Bildung für Beruf und berufliche Weiterbildung: Berufsbezogene Deutschförderung weiterentwickeln 57 2.3.1 Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals im Bereich berufsbezogene Deutschförderung 59 2.3.2 Sprachbedarfsermittlung 63 2.3.3 Feststellung der Deutschkenntnisse 65 2.3.4 Koordinierung der Akteure und Angebote berufsbezogener Deutschförderung 67 2.3.5 Qualitätsanforderungen an Kursträger 69 2.3.6 Rahmenbedingungen 71 2.4 Kompetenzen für die globalisierte Welt: Mehrsprachigkeit fördern und nutzen C Bildung und Integration 72 78 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld Bildung und Integration 78 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld Bildung und Integration 79 3 inhalt Inhalt 2.1 Eltern mit Migrationshintergrund: Bildungs- und Erziehungskompetenzen stärken, Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen 79 2.1.1 Elternbildungsangebote 81 2.1.2 Zusammenarbeit Eltern – Schule zur individuellen Förderung des Kindes 88 2.1.3 Beteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund an Gremien schulischer Elternvertretung 93 2.1.4 Stärkung der Rolle von Migrantenorganisationen in der Elternarbeit und Elternbildung 98 2.2 Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gewinnen 101 2.2.1 Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – Kompetenzen und Herausforderungen 102 2.2.2 Lehramt – (k)ein Studium für Studierende mit Migrationshintergrund? 103 2.2.3 Ansätze zur Steigerung des Anteils von Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund 104 DGesellschaftliche Integration 110 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration 110 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration 112 2.1 Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung stärken 112 2.1.1 Auf- und Ausbau tragfähiger Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen 115 2.1.2 Partizipation durch Professionalisierung der Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen 120 2.1.3 Partizipation durch bürgerschaftliches Engagement in und durch Migrantenorganisationen 131 2.1.4 Interkulturelle Öffnung: Positive Effekte für Migrantenorganisationen 137 2.2 Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen stärken: Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit 138 2.2.1 Förderung der Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in anerkannten Jugendverbänden 2.2.2 Integration von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Jugendverbandsstrukturen E Qualität sichern, Wirkung feststellen: Evaluation und Qualitätssicherung in der Integrationsförderung 146 150 156 1. Ausgangslage und Herausforderungen 156 1.1 Evaluation von Angeboten der Integrationsförderung in Deutschland 156 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Evaluation im Bereich der Integrationsförderung 161 F Zusammenfassung: Zentrale Themen und Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms 164 GAusblick: Umsetzung und weiteres Vorgehen 170 4 Inhalt inhalt HAnhang 172 Beteiligte Institutionen und Personen 172 Abkürzungsverzeichnis 186 Literaturverzeichnis 189 5 6 Vorwort Vorwort Der Auftrag des § 45 Aufenthaltsgesetz zur Erarbei- und Ländern sind die Ergebnisse dieser Arbeit tung des bundesweiten Integrationsprogramms geht grundlegend. zurück auf die Empfehlungen der Unabhängigen Kommission Zuwanderung von 2001 unter Leitung Das bundesweite Integrationsprogramm ist ein Ge- der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Bundes- meinschaftswerk. Es ist das Ergebnis eines Pro- tages, Frau Prof. Rita Süssmuth. Die Kommission zesses, in dem sich zahlreiche Praktiker wie auch hatte angesichts der Vielzahl paralleler Integrations- Experten der Integrationsarbeit intensiv und umfas- maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen send mit den großen Themenfeldern der Integra dringend geraten, bestehende Programme und Ini- tionspolitik befasst haben. Ihnen allen gilt mein be- tiativen zu erfassen und zu systematisieren. sonderer Dank. Hervorheben möchte ich die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Nicht- Angesichts der aktuellen Haushaltssituation und be- regierungsorganisationen und Migrantenorganisa- grenzter Ressourcen müssen wir stärker denn je tionen. Integration ist eine gesamtgesellschaft- darauf achten, effektiv zu arbeiten und Synergien zu - liche Aufgabe. Ihr Gelingen hängt ganz wesentlich schaffen. Parallele Strukturen und Mehrfachför vom Engagement der Zivilgesellschaft und vom derungen gilt es zu vermeiden. Beitrag jedes Einzelnen ab. Gemeinsam können wir viel erreichen. Seit 2001 sind wir bei der Integra- Mit dem bundesweiten Integrationsprogramm hat tion in wichtigen Feldern gut vorangekommen. Dazu das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat das bundesweite Integrationsprogramm einen wichtige Grundlagenarbeit geleistet. Das vorliegende wichtigen Beitrag geleistet. Dokument stellt bestehende Integrationsmaßnahmen nicht nur fest, sondern enthält auch zahlreiche Ansatzpunkte für deren Fortentwicklung. Damit bildet es einen Referenzrahmen für die zukünftige Abstimmung von Integrationsmaßnahmen und die Zusammenarbeit in der Integrationsför- Dr. Thomas de Maizière, MdB derung. Auch für die Zusammenarbeit zwischen Bund Bundesminister des Innern 7 8 a – das bundesweite integrationsprogramm A Das bundesweite Integrationsprogramm: Integrationsangebote weiterentwickeln und koordinieren, Potenziale nachhaltig nutzen Die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutsch- wirtschaftliche, demographische und gesellschaft- land ist durch die Migration der letzten Jahrzehnte liche Entwicklung Deutschlands, sie muss jedoch vielfältiger geworden – kulturell, religiös und sprach- gestaltet werden. lich: Rund 15,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben heute in Deutschland – fast Die Zusammensetzung der Bevölkerung mit Migra ein Fünftel der Bevölkerung, darunter 8,3 Millionen tionshintergrund hat sich in den vergangenen Deutsche. Rund 10,6 Millionen sind selbst nach Jahren gewandelt, die Vielfalt der Gesellschaft in Deutschland zugewandert. Neben 7,3 Millionen Aus- Deutschland ist Veränderungen unterzogen: Präg- länderinnen und Ausländern leben viele (Spät) ten bis Anfang der 1990er Jahre Menschen aus den Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler in Deutsch- ehemaligen Anwerbestaaten (etwa der Türkei, land; seit 1950 sind rund 4,5 Millionen zugewan- Italien und dem ehemaligen Jugoslawien) sowie dert.1 Genau bestimmen lässt sich ihre aktuelle Aussiedlerinnen und Aussiedler das Bild der Zahl nicht, sie wird in der amtlichen Statistik nicht Bevölkerung mit Migrationshintergrund, hat sich explizit ausgewiesen. Schätzungen reichen von 3,1 ihre Zusammensetzung in den letzten Jahren bis 4,1 Millionen. 2 Hinzu kommen seit dem Inkraft- durch die verstärkte Zuwanderung aus anderen treten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts im Teilen der Welt verändert. Die größten Gruppen Jahr 2000 mehr als eine Million Personen, die der Menschen mit Migrationshintergrund in eingebürgert wurden, sowie die Kinder von Migran- Deutschland bilden weiterhin diejenigen mit tinnen und Migranten, die bereits bei Geburt die türkischem Migrationshintergrund sowie (Spät) deutsche Staatsangehörigkeit erhalten haben. Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler. Unter den 3 Diese Vielfalt ist eine Chance für die kulturelle, Menschen, die neu nach Deutschland zuwandern, sind heute jedoch viele Menschen aus Osteuropa – 1 Seit 2005 ermöglichen die Daten des Mikrozensus die Iden tifizierung von Personen mit Migrationshintergrund. Die Hochrechnung der ausländischen Bevölkerung im Mikrozen sus schätzt diese auf der Grundlage der Bevölkerungsfortschreibung auf 7,3 Millionen und weicht damit von der im Ausländerzentralregister erfassten Zahl von 6,7 Millionen Menschen ab. Vgl. Bundesministerium des Innern / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2008): Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Bundesregierung. Migrationsbericht 2007, Nürnberg sowie Statistisches Bundesamt (2010): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2008, Wiesbaden. 2 Die Unterschiede in den Schätzungen der Zahl der (Spät)Aus- siedlerinnen und (Spät)Aussiedler erklären sich wie folgt: Die Zahl 3,1 Millionen basiert auf dem Mikrozensus 2008 und umfasst Personen, die selbst mit (Spät)Aussiedlerstatus nach Deutschland eingereist sind sowie ihre zeitgleich eingereisten Ehegatten und Kinder (bis 31.12.1992 Aussiedler, ab 1.1.1993 Spätaussiedler). Die Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration der Bundesregierung kommt in ihrem 7. Bericht zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland unter Einbeziehung auch der in Deutschland geborenen Kinder von (Spät)Aussiedlern auf die Zahl von 4,1 Millionen. 3 Bundesministerium des Innern / Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2008): a. a. O. insbesondere aus Polen und Rumänien –, aber auch aus Afrika und Asien. Man könnte sagen, die Vielfalt ist vielfältiger geworden. Integrationsförderung muss darauf reagieren. Begriffsklärung In diesem Bericht werden die Begriffe „Menschen mit Migrationshintergrund“, „Migrantin / Migrant“ und „Ausländerin / Ausländer“ verwendet. Mit dem Begriff „Migrationshintergrund“ kann die Gesamtheit aller Menschen mit eigener Migrationserfahrung bzw. Migrationserfahrung der Eltern und damit Integration im Generationenprozess abgebildet werden. Er ermöglicht es, auch die spezifische Situation der zweiten und dritten Generation zu berücksichtigen, insbesondere in den Bereichen 9 a – das bundesweite integrationsprogramm Bildung und Arbeitsmarkt. Der Begriff soll jedoch gleichberechtigte Teilhabe am ökonomischen, nicht implizieren, dass alle Menschen mit Migrati- sozialen, kulturellen und politischen Leben zu er- onshintergrund Integrationsbedarf haben. möglichen. Sie sollen nicht nur Adressaten von Integrationsmaßnahmen sein, sondern auch gesell Nach der Definition des Statistischen Bundesamtes schaftliche Entscheidungsprozesse mitgestalten gehören zu den Personen mit Migrationshinter- können. Das Zusammenleben in Deutschland soll von grund neben Ausländerinnen / Ausländern und Respekt, gegenseitigem Vertrauen, von Zusammenge- (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedlern sowie den hörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung in Deutschland geborenen Eingebürgerten geprägt sein.5 Integration kann jedoch nicht verordnet auch alle in Deutschland Geborenen mit deutscher werden. Der innere Zusammenhalt unserer Gesell- Staatsangehörigkeit mit zumindest einem schaft – die innere Verfasstheit Deutschlands – setzt zugewanderten oder als Ausländerin / Ausländer in Anstrengungen und Engagement beider Gruppen, Deutschland geborenem Elternteil.4 von Menschen mit und ebenso ohne Migrationshintergrund voraus. Von allen Beteiligten werden Verände- Eine Person mit Migrationshintergrund, die im rungs- und Verantwortungsbereitschaft gefordert. Ausland geboren wurde und selbst eingewandert ist, wird als „Migrantin / Migrant“ im engeren Ausgangsbasis der Integrationsförderung sind die Sinn bezeichnet. Der Begriff „Ausländerin / Aus- Bedarfe von Migrantinnen und Migranten. länder“ wird vor allem in rechtlichen und Dabei sind insbesondere ihre Potenziale, Kom- statistischen Zusammenhängen verwendet. Eine be- petenzen und Fähigkeiten in den Blick zu nehmen sondere Gruppe bilden (Spät)Aussiedlerinnen und damit auch die Frage, wie diese für ihre und (Spät)Aussiedler (sowie deren Ehegatten und individuelle Integration und die Gesellschaft Nachkommen). Sie werden bei einzelnen Themen eingesetzt werden können. Dies spiegelt sich auch des bundesweiten Integrationsprogramms deshalb im Prinzip des „Förderns und Forderns“ und der gesondert thematisiert. Ressourcenorient ierung der aktuellen Integrationspolitik des Bundes wider, die auch Grundlage Integrationsförderung in Deutschland: Aufgaben und Akteure der integrationspolit ischen Ziele und Leitlinien des Nationalen Integrationsplans sind. Es gibt zahlreiche Beispiele gelungener Integration – viele Menschen mit Migrationshintergrund Staatliche Integrationspolitik muss die Rahmenbe- haben ihren Platz in unserer Gesellschaft gefunden. dingungen bereitstellen, damit das Zusammenleben Dennoch besteht auch weiterhin Bedarf an Ange in der Zuwanderungsgesellschaft als respekt volles boten, die ihre Teilhabechancen in der Gesellschaft Miteinander gestaltet werden kann und die erhöhen. Die Integration neu zugewanderter, aber gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit zum Teil auch bereits länger hier lebender Menschen Migrationshintergrund an der Gesellschaft möglich mit Migrationshintergrund ist deshalb eine ist. Der Staat kommt dieser Verantwortung nicht langfristige Herausforderung und Aufgabe für Staat zuletzt durch die im Gesetz über den Aufenthalt, die und Gesellschaft. Für ein gutes Miteinander braucht Erwerbstätigkeit und die Integration von Auslän- es dabei gemeinsamen Gestaltungswillen und die dern im Bundesgebiet (kurz Aufenthaltsgesetz) Bereitschaft aller, die im deutschen Grundgesetz getroffenen Neuregelungen zur Integrationsförde- verankerten Werte anzuerkennen und für unsere Ge- rung nach, die seit 1.1.2005 in Kraft sind. Bund und sellschaft Verantwortung zu übernehmen. Länder unterstützen die Integration insbesondere durch Angebote in den Handlungsfeldern sprach- Integrationsförderung hat das Ziel, Menschen mit liche Integration, Bildung sowie berufliche und Migrationshintergrund Chancengleichheit und gesellschaftliche Integration. 4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2006): Leben in Deutschland – Haushalte, Familien und Gesundheit, Ergebnisse des Mikrozensus 2005, Wiesbaden. 5 CDU/CSU/FDP (2009): „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP. 17. Legislaturperiode“, Berlin, S. 74. 10 a – das bundesweite integrationsprogramm Integration ist jedoch mehr als die Summe ein- Bundesebene durch die Bündelung von Aufgaben zelner Förderangebote. Ob das Zusammenleben und die Neustrukturierung der Integrationspolitik in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft zu überwinden. Hierzu wurde ein Grundangebot ge- oder misslingt, entscheidet sich zu allererst an Integrationsförderung des Bundes gesetzlich vor Ort. Wichtig für die Gestaltung von Integra- geregelt und ein großer Teil der Integrationsauf- tionsprozessen sind deshalb Kommunen und gaben – vor allem die Förderung der Deutsch- zivilgesellschaftliche Akteure – Wirtschaft und kenntnisse – beim Bundesamt für Migration und Gewerkschaften, Kirchen und Religionsgemein- Flüchtlinge gebündelt. schaften, Stiftungen und Vereine von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund. Sie sind Orte, an Das bundesweite Integrationsprogramm ist Bestand- denen das Miteinander der Menschen praktisch teil dieses Prozesses der Bündelung und zugleich erfahren werden kann. selbst ein Instrument zur stärkeren Koordinierung der Integrationsförderung. Nach § 45 Satz 2 Integrationsprozesse setzen auch die Bereitschaft Aufenthaltsgesetz sollen im bundesweiten Integra der Menschen ohne Migrationshintergrund voraus, tionsprogramm die Vielfalt dieser Angebote erfasst, sich der wachsenden Vielfalt zu öffnen. Zielgruppe strukturiert und konkrete Vorschläge für ihre von Integrationsaktivitäten ist deshalb auch die Weiterentw icklung formuliert werden. Mit der Mehrheitsgesellschaft. Interkulturelle Lernprozesse Entwicklung hat das Bundesministerium des Innern sind jedoch nicht immer einfach und brauchen (BMI) das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Unterstützung. Auch dies ist ein Aufgabenfeld von (Bundesamt) beauftragt. Unter der Federführung Integrationspolitik. des Bundesamts haben Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Praxis der Integrationsför- Wozu ein bundesweites Integrationsprogramm? derung und Wissenschaft gemeinsam drängende Die Vielfalt der Integrationsangebote in Deutsch- Handlungsbedarfe identifiziert und konkrete Emp- land ist groß, ihre Koordination war lange Zeit jedoch fehlungen und Strategien entwickelt, die direkte eher gering ausgeprägt. Es fehlte eine übergrei- Anwendung in der Praxis finden können. Diese fende strategische Ausrichtung, aus der sich Ziele sind in diesem Band zusammengestellt. In Zeiten und Maßnahmen ableiten konnten. Die Unabhän- knapper Haushaltsmittel kann das bundesweite gige Kommission Zuwanderung unter Leitung der Integrationsprogramm als Fachprozess zur Weiter- ehemaligen Präsidentin des Deutschen Bundestags entwicklung der Integrationsangebote auch dazu Prof. Dr. Rita Süssmuth bezeichnete das System der genutzt werden, Vorhaben im Vorfeld stärker Integrationsförderung in Deutschland in ihrem abzustimmen um beispielsweise Doppelförderung Abschlussbericht aus dem Jahr 2001 mit dem Begriff zu vermeiden. des „pragmatischen Improvisierens“. Sie kritisierte die Differenzierung von Integrationsmaßnahmen Es bestehen enge Bezüge zwischen dem bundes- nach dem Aufenthaltsstatus der Migrantinnen und weiten Integrationsprogramm und dem Nationalen Migranten sowie das Fehlen einer umfassenden, Integrationsplan der Bundesregierung, der im Juli strategischen Integrationspolitik. 2007 im Rahmen des zweiten Nationalen Integra- 6 tionsgipfels vorgestellt wurde. Dieser hat auf poliDie Regierung der Bundesrepublik Deutschland tischer Ebene Leitthemen und -ziele der Integration hat die Forderungen nach einer systematischen mit rund 400 Selbstverpflichtungen und Empfeh- Integrationspolitik an verschiedenen Stellen lungen staatlicher und nichtstaatlicher Akteure aufgegriffen: Ein wesentliches Ziel des Aufenthalts- formuliert.7 Der Koalitionsvertrag der 17. Legislatur- gesetzes im Bereich der Integrationsförderung ist periode sieht vor, den Nationalen Integrationsplan es, die Fragmentierung der Zuständigkeiten auf 6 Vgl. Unabhängige Kommission Zuwanderung (2001): Zuwanderung gestalten, Integration fördern, Berlin, S. 199. 7 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): Der Nationale Integrationsplan. Neue Wege – Neue Chancen, Berlin sowie (2008): Nationaler Integrationsplan. Erster Fortschrittsbericht, Berlin. Vgl. http://www.integrationsbeauftragte.de. 11 a – das bundesweite integrationsprogramm zu einem Aktionsplan weiter zu entwickeln.8 Das zu entwickeln, konkrete Handlungsvorschläge zu bundesweite Integrationsprogramm leistet einen formulieren und zu erproben. Es schafft auf diese Beitrag zur Umsetzung des Nationalen Integrations- Weise die Möglichkeit, die Vielfalt der Bevölkerung plans, indem es Themen und Ergebnisse aufgreift mit Migrationshintergrund und ihre unterschied- und Vorschläge zu ihrer Weiterentwicklung und lichen Integrationsbedarfe bei der Weiterentwick- praktischen Erprobung erarbeitet. Ergänzend lung der Angebote einzubeziehen. Sein gesetzlicher werden auch aktuelle Handlungsbedarfe bearbeitet, Auftrag besteht dabei nicht darin, Empfehlungen die keinen umfassenden Eingang in den Nationalen oder Selbstverpflichtungen verbindlich durch den Integrationsplan gefunden haben. Bund vorzugeben. Vielmehr sollen gemeinsam mit 9 den Akteuren der Integrationsförderung – unter Die Interministerielle Arbeitsgruppe Integration Berücksichtigung der Ressort- bzw. föderalen unter der Leitung des Bundesministeriums des Zuständigkeiten – umsetzungsorientierte Empfeh- Innern10 hat das Mandat des Bundesamts zur Er- lungen formuliert werden. stellung des bundesweiten Integrationsprogramms konkretisiert: Seine Entwicklung soll handlungs feldbezogen erfolgen. Damit soll es keinen übergreifenden Beitrag zur allgemeinen Debatte um Integration leisten, sondern praxisbezogene Vorschläge 1. Entstehung und Struktur des Berichts zur Verbesserung insbesondere der strukturellen Integration entwickeln – zum gleichberechtigten Im Zentrum des bundesweiten Integrationspro- Zugang von Menschen mit Migrationshintergrund zu gramms stehen die Handlungsfelder sprachliche Inte- Bildung, Ausbildung, Arbeit, Wirtschaft und Ge- gration, Bildung, berufliche und gesellschaftliche sellschaft. In der Praxis heißt dies: Nicht umfassende Integration sowie das Thema Evaluation der Inte- Leitlinien, sondern ganz konkrete Fragen stehen grationsförderung. Keines dieser Handlungsfelder im Mittelpunkt, etwa: Was müssen Bildungseinrich- ist in der Praxis isoliert, sie zeichnen sich alle tungen, pädagogisches Personal, aber auch Eltern durch Überschneidungen und Abhängigkeiten wissen und können, um Kinder beim Erwerb von aus. Integrationserfolge in einem Bereich machen Deutsch als Zweitsprache zu unterstützen? Wie kann Erfolge in anderen Bereichen wahrscheinlicher. es Kindertageseinrichtungen und Schulen gelingen, erfolgreich mit Eltern mit Migrationshintergrund Aus den Handlungsfeldern wurden gemeinsam zusammenzuarbeiten? Was kann getan werden, um mit Expertinnen und Experten gezielt Schwer- das Know-how von Migrantenorganisationen stärker punktthemen gewählt, für die aus Sicht der Praxis in die Integrationsförderung einzubinden? ein besonderer Handlungsdruck besteht. Hierbei konnte an den Nationalen Integrationsplan ange- Das bundesweite Integrationsprogramm bietet knüpft werden, der bereits wichtige Handlungsbe- einen Rahmen, solche Fragen auf Fachebene darfe in der Integrationsförderung identifiziert und mit Expertinnen und Experten zu diskutieren, Ideen Bestandsaufnahmen durchgeführt hat. 8 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 74. 9 Bezüge bestehen auch zur Deutschen Islam Konferenz (DIK), die 2006 als institutionalisierter Dialog zwischen staatlichen und muslimischen Vertretern etabliert wurde und in der 17. Legislatur- periode fortgesetzt wird. Die Islamkonferenz erarbeitet Emp- fehlungen und stößt Projekte an, die der Förderung der Integration muslimischer Migrantinnen und Migranten dienen sollen. In den Arbeitsprozessen der DIK werden Lösungen erarbeitet für Fragen, die in erster Linie religiös bedingte Ursachen haben. Auch Erfahrungen aus diesem Prozess sind, wenn auch in allgemein gehaltener Form, in die Erarbeitung des Integrationsprogramms eingeflossen. Zu den bisherigen Ergebnissen vgl. http://www.deutsche-islam-konferenz.de. 10 In diesem Gremium sind alle mit Integration befassten Ministerien und Beauftragten des Bundes vertreten. 12 Aus der Praxis für die Praxis wurden Empfehlungen und Vorschläge zu den Schwerpunktthemen entwickelt. Viele Expertinnen und Experten haben in Arbeitsgruppen, Expertengesprächen, Workshops und Fachtagungen ihre Erfahrungen und Handlungsvorschläge eingebracht. Ergänzt wurde dieser fachliche Austausch durch inhaltliche Recherchen von Angeboten und Bedarfen, Analysen von Beispielen guter Praxis sowie wissenschaftliche Expertisen zu ausgewählten Fragestellungen. An der Entwick- a – das bundesweite integrationsprogramm lung der Empfehlungen war je nach Thema eine Viel- ergänzt durch praktische Hinweise und Beispiele zahl von Vertreterinnen und Vertretern von Bund, guter Praxis, die Möglichkeiten zur Umsetzung der Ländern und Kommunen sowie der Zivilgesellschaft Empfehlungen illustrieren. beteiligt. Eine Übersicht der Einrichtungen und Per11 sonen ist dem Anhang zu entnehmen. Aus ihrer Vielfalt Die Empfehlungen richten sich an all diejenigen, die leitet sich auch eine Vielfalt an Vorschlägen und Emp- Strukturen und Angebote der Integrationsförderung fehlungen ab. Alle Beteiligten eint dabei das Bemühen weiterentwickeln und damit die Situation von Men- um eine Optimierung der Integrationsangebote. schen mit Migrationshintergrund verbessern möchten – insbesondere an Bund, Länder und Kommunen als Die Ergebnisse der Arbeitsprozesse zu den Handlungs- Mittelgeber bzw. Verantwortliche für öffentlich geför- feldern sprachliche Integration, Integration und derte Integrationsangebote; Programmentwickler; Bildung, gesellschaftliche Integration sowie Träger von Angeboten und ihre Mitarbeiterinnen und zum Thema Evaluation sind in dieser Publikation Mitarbeiter; Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiter- zusammengefasst. Eine Besonderheit bildet das bildung sowie Wissenschaftlerinnen und Wissen- Handlungsfeld berufliche Integration: Hier wurde schaftler; Stiftungen, Vereine und Initiativen der Mehr- der Schwerpunkt auf die Themen Anerkennung heitsgesellschaft und Migrantenorganisationen, um ausländischer Abschlüsse und Anpassungsqualifizie- nur einige zu nennen. Die Empfehlungen adressieren rung gelegt, da von Expertenseite zu diesen Themen dabei auch die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft dringender Handlungsbedarf gerade auch auf der und ihrer Einrichtungen – insbesondere der öffent- praktischen Ebene identifiziert wurde. Gegenwärtig lichen Verwaltung und der Bildungseinrichtungen. ist auf Bundesebene eine Gesetzesinitiative zum Themenkomplex Anerkennung ausländischer Ab- Angesichts der bundesweit sehr unterschiedlichen schlüsse in Vorbereitung. Erkenntnisse, die im Gegebenheiten können die Empfehlungen des bun- Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms desweiten Integrationsprogramms nur Vorschläge gewonnen wurden, fließen in diesen Prozess ein. bilden. Welche der hier zusammengestellten Maß- Ausarbeitungen zu diesem Themenbereich wurden nahmen durchgeführt werden sollen, kann letztlich daher in die vorliegende Publikation nicht auf- nur unter Berücksichtigung der konkreten Verhält genommen. Das Bundesamt für Migration und Flücht- nisse vor Ort und der finanziellen Situation der öffent- linge wird außerhalb des bundesweiten Integrations- lichen Haushalte entschieden werden. programms einzelne Beiträge zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Anpassungsqualifizie- Datenquellen rung in ausgewählten Berufen sowie zum Thema Bei der Erarbeitung der Empfehlungen wurde neben Kompetenzfeststellung veröffentlichen. den für das bundesweite Integrationsprogramm erstellten wissenschaftlichen Expertisen und themen- In diesem Band werden für jedes der Schwerpunkt spezifischen Forschungsarbeiten eine Reihe zentraler themen zunächst Aufgaben, Angebote und Akteure Datenquellen verwendet. Hierzu zählen insbesondere dargestellt und analysiert, darauf aufbauend Hand- die gemeinsamen Bildungsberichte des Bundes- lungsbedarfe identifiziert und Empfehlungen und ministeriums für Bildung und Forschung und der Konzepte formuliert. Die Empfehlungen werden Kultusministerkonferenz der Länder, der 7. Lagebericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, 11 U. a.: Bundes- und Länderministerien, Bundesagentur für Arbeit, Grundsicherungsstellen, Kultusministerkonferenz der Länder, Integrationsbeauftragte, Spätaussiedlerbeauftragte, Wohlfahrts- verbände, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, Berufsund Fachverbände, Beratungsstellen, Unternehmen, Religionsgemeinschaften, Migrantenorganisationen, Migrantinnen- organisationen, Vereine von Eltern mit Migrationshintergrund, Träger von Integrations- und Weiterbildungsangeboten sowie Integrations- bzw. Deutschkursen, Einrichtungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung im pädagogischen Bereich, Schulen, Stiftungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Studierendengruppen sowie Jugendverbände und -vereine. Flüchtlinge und Integration, der Nationale Integra tionsplan und sein erster Fortschrittsbericht, Publikationen aus der Reihe „Working Papers“ des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der Migrationsbericht des Bundesministeriums des Innern und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sowie Daten des Statistischen Bundesamts. Eine ausführliche Literaturliste ist im Anhang beigefügt. 13 a – das bundesweite integrationsprogramm Zu vielen Themen liegen nur Daten für Menschen mit die 25 Prozent der gesamten Jugendlichen in dieser ausländischer bzw. deutscher Staatsangehörigkeit Altersgruppe ausmachen, ist die Förderung ausbil- vor. Insbesondere auf der Grundlage der Bildungs- dungsbezogener Deutschkenntnisse besonders und Arbeitsmarktstatistik sind daher nur begrenzt relevant. In den höheren Altersgruppen ist der An- Aussagen zur gesamten Gruppe der Menschen mit teil der Personen mit Migrationshintergrund Migrationshintergrund möglich. Ebenso lassen sich dagegen deutlich geringer (19 Prozent der 35- bis differenzierte Analysen zu einzelnen Teilgruppen – 45-Jährigen, 16 Prozent der 45- bis 55-Jährigen etwa (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedler und und 15 Prozent der 55- bis 65-Jährigen). Für diese Eingebürgerte – nur begrenzt vornehmen. Wo Gruppen werden insbesondere Angebote der sachlich begründet und möglich, werden Schlüsse berufbezogenen Deutschförderung zur Unterstüt- aus den Daten zur Situation der Menschen mit zung ihrer Integration in den Arbeitsmarkt und zur ausländischer Staatsangehörigkeit auf die gesamte beruflichen Weiterentwicklung benötigt. Bevölkerung mit Migrationshintergrund gezogen. Auch der Zeitpunkt der Zuwanderung, Vorkenntnisse und Lerngewohnheiten sind von Relevanz für 2. Handlungsfelder und zentrale Themen 2.1 Sprachliche Integration die Deutschförderung: Neuzugewanderte benötigen einführende Angebote zum Erwerb alltagsrelevanter Deutschkenntnisse. Kinder und Jugendliche, die erst im Lauf ihrer Schulzeit nach Deutschland zuwandern, haben als Seiteneinsteiger Integration führt zuerst über Sprache, Bildung und in das deutsche Schulsystem einen kurzfristigen Ausbildung. Gute deutsche Sprachkenntnisse sind und intensiven Deutschförderbedarf. Für Lernunge- die Basis für Bildungserfolge und ein eigenständiges wohnte sind niederschwellige Angebote 14 wichtig, Leben. Für den gleichberechtigten Zugang von Men- Analphabeten müssen Grundkenntnisse erwerben schen mit Migrationshintergrund zu Bildung, Aus- und Schnelllerner benötigen einen Kurs, der Lern bildung, Arbeit, Wirtschaft und Gesellschaft sind sie erfolge in kürzerer Zeit möglich macht. Voraussetzung. Deutschförderung ist daher eine wichtige Säule einer aktivierenden Integrationspolitik. Anhaltspunkte zu Sprachkenntnissen und Sprachförderbedarf lassen sich auch aus Sprachstandserhe- In den einzelnen Phasen einer Bildungsbiografie bungen und empirischen Untersuchungen ableiten. ergeben sich dabei unterschiedliche Förderbe- Studien – wie etwa die Repräsentativuntersuchung darfe. Ganz besonders wichtig ist die Förderung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland“ von Deutsch als Zweitsprache bei Kindern und (RAM), die das Bundesamt für Migration und Flücht- Jugendlichen: Gut ein Drittel der Kinder bis 5 Jahre linge durchgeführt hat – arbeiten vielfach mit dem hat einen Migrationshintergrund, bei den 5- bis Instrument der Selbsteinschätzung der Sprachkennt- 10-Jährigen und 10- bis 15-Jährigen sind es 31 bzw. nisse der Befragten. Von den in der RAM-Unter- 29 Prozent (2008).12 Sprachstandserhebungen im suchung Befragten schätzte ein nicht geringer Teil Vorschulalter und Schulstudien im Grundschulalter die eigenen Deutschkenntnisse als mittelmäßig, und in der Mittelstufe weisen auf Lernrückstände schlecht oder sehr schlecht ein: 52,8 Prozent der be- von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als fragten türkischen Frauen und 37,5 Prozent der Zweitsprache hin.13 Angebote der Deutschförderung Griechinnen stuften sich selbst als gar nicht bis im frühen Alter sind daher besonders wichtig. Für mittelmäßig Deutsch sprechend ein. Bei den Frauen die 15- bis 20-Jährigen mit Migrationshintergrund, mit polnischer, italienischer oder einer Staatsangehörigkeit des ehemaligen Jugoslawiens waren 12 Vgl. für diesen Abschnitt: Statistisches Bundesamt (2010): a. a. O., S. 32f. 13 Haug, Sonja (2008): Sprachliche Integration von Migranten in Deutschland. Working Paper 14 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, S. 6. 14 es jeweils rund 28 Prozent. Ein größerer Anteil der 14 Angebote, die auf bildungsferne Teilnehmende zugeschnitten sind und spezifische, grundlegende Kompetenzen fördern sollen. a – das bundesweite integrationsprogramm polnischen (44,7 Prozent) als der türkischen Männer und (Spät)Aussiedler vorgenommen worden. Dieser (36,9 Prozent) gab an, mittelmäßig oder schlechter Schätzung zufolge verfügen rund 300 000 EU-Bür- Deutsch zu sprechen – deutlich mehr, als die griech- gerinnen und -Bürger nicht über ausreichende ischen und italienischen Männern (je 23,8 Prozent) Deutschkenntnisse, bei erwachsenen Eingebür- sowie die männlichen Ex-Jugoslawen (20,0 Prozent).15 gerten und (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedlern sind es rund 360 000. Insgesamt ergibt sich so eine Doch nicht nur Ausländerinnen und Ausländer, auch Gruppe von knapp 1,8 Millionen Menschen, die (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler sowie Unterstützung beim Erwerb von Deutschkenntnissen Eingebürgerte beherrschen nicht immer ausrei- benötigen. Zwar sind diese Zahlen nur Schätzwerte chend Deutsch, um im Alltag erfolgreich kommu- und die genannten Förderbedarfe damit nicht ab- nizieren zu können. Um Aussagen für die Planung schließend. Es wird jedoch deutlich, welche Bedeu- und Weiterentwicklung der bundesgeförderten tung die Deutschförderung im Rahmen der Integra- Integrationskurse für alle Migrantengruppen in tion auch langfristig haben wird. Deutschland zu erhalten, hat die Forschungsgruppe des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge In vielen Familien mit Migrationshintergrund spielt im Jahr 2007 in einer empirischen Untersuchung auch die Herkunftssprache eine wichtige Rolle; hundert zufällig ausgewählte Ausländerbehörden der Spracherwerb von Kindern und Jugendlichen mit schriftlich befragt, wie hoch sie den Anteil erwach- Migrationshintergrund ist häufig von Zwei- bzw. sener Ausländerinnen und Ausländern aus Dritt- Mehrsprachigkeit geprägt. Hier setzen Angebote staaten (Nicht-EU-Staaten) mit nicht ausreichenden zur sprachlichen Bildung in Herkunftssprachen er- Deutschkenntnissen einschätzen. Auf der Grundlage gänzend an. Die bei uns neben dem Deutschen ge- der Rückmeldungen wurde eine Schätzung des sprochenen Sprachen werden von der Bevölkerungs- Sprachstandes und der Förderbedarfe unterschied- und Bildungsstatistik nicht erfasst. Die bedarfs- licher Migrantengruppen vorgenommen. gerechte Planung von ergänzenden Angeboten zur bildungssprachlichen Förderung von Herkunfts- Die Hochrechnung der Befragungsergebnisse zeigt, sprachen wird dadurch erschwert. Anhaltspunkte dass laut Einschätzung der beteiligten Ausländer können Schätzungen liefern, die sich auf schulische behörden rund 1,1 Millionen erwachsene Drittstaats- Sprachenerhebungen stützen. Demzufolge kann angehörige nicht ausreichend Deutsch können.16 davon ausgegangen werden, dass in Deutschland Ausgehend von den Ergebnissen der Befragung ist über hundert verschiedene Migrantensprachen auch eine näherungsweise Schätzung der Deutsch gesprochen werden. Sie sind geografisch ungleich- förderbedarfe der EU-Bürgerinnen und -Bürger, mäßig verteilt und werden von unterschiedlich der Eingebürgerten und der (Spät)Aussiedlerinnen großen Gruppen gesprochen. Die zehn in Deutschland von Menschen mit Migrationshintergrund 15 Vgl. Babka von Gostomski, Christian (2010): Basisbericht: Berichtsband Repräsentativbefragung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland 2006/2007“ (RAM). Zur Situation der fünf größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen. Im Auftrag des Bundesministeriums des Innern. Nürnberg, S. 119 f. Die Selbsteinschätzung erfolgte getrennt nach den Bereichen verstehen, lesen, sprechen und schreiben. 16 Von nicht ausreichenden Deutschkenntnissen wurde ausgegangen, wenn diese unter dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen lagen und sich die Personen im täglichen Leben nicht selbstständig sprachlich zurechtfinden können. B 1 setzt folgende sprachliche Fähigkeiten bei allen Sprachkompetenzen (Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben) voraus: Kann die Hauptpunkte verstehen, wenn klare Standardsprache verwendet wird und es um vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. geht. Kann die meisten Situationen bewältigen, denen man auf Reisen im Sprachgebiet begegnet. Kann sich einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern. Kann über Erfahrungen und Ereignisse berichten, Träume, Hoffnungen und Ziele beschreiben und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben. am häufigsten gesprochenen Sprachen sind Russisch, Türkisch, Polnisch, Italienisch, Kurdisch, Serbisch, Albanisch, Rumänisch, Kroatisch und Griechisch (in absteigender Häufigkeit).17 Sprachliche Integration von Kindern und Jugendlichen Aufgrund der engen Verknüpfung von Deutschkenntnissen und Bildungserfolgen hat die frühe und kontinuierliche Förderung von Kindern, die Deutsch 17 Vgl. Reich, Hans et al. (2008): Sprachenbeschreibungen von Migrantenherkunftssprachen in Deutschland. Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Koblenz-Landau, S. 12 f. 15 a – das bundesweite integrationsprogramm als Zweitsprache lernen, eine besondere Bedeutung. ausreichend in Aus-, Fort- und Weiterbildung vermit- Sie bildet einen zentralen Schwerpunkt des Engage- telt werden. Die Qualifizierungsangebote ments der Länder. Diese haben ihr Engagement für Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrkräfte müssen in der frühkindlichen Sprachförderung als Teil des daher künftig noch stärker als bisher Anleitung im Achten Sozialgesetzbuches beschriebenen zum Umgang mit sprachlich hetergenen Gruppen Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen und zur Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache in den letzten Jahren verstärkt. Im Nationalen geben. In den letzten Jahren wurden hierzu bereits Integrationsplan haben sie sich dazu verpflichtet, wichtige Schritte unternommen (vgl. B.2.1.4). sprachliche Bildung als Querschnittsaufgabe in den Konzepten der Kindertageseinrichtungen zu implementieren. Sprachstandsmessungen vor der 18 Sprachliche Integration zwischen Schule und Arbeitsmarkt Einschulung zur Identifikation individueller Neue sprachliche Herausforderungen stellen sich Deutschförderbedarfe und entsprechende Förderan- für Jugendliche an der Schwelle von der Schule in die gebote sind die Säulen der Deutschförderung der Ausbildung. Bei vielen Jugendlichen zeigt sich hier, Länder im frühkindlichen Bereich (vgl. B.2.1.1). dass ihre Deutschkenntnisse noch nicht ausreichen, Teilweise richten sich ihre Angebote dabei auch um einen Ausbildungsplatz zu finden. Sie benötigen an Kinder ohne Migrationshintergrund, die gezielte Unterstützung bei der Entwicklung berufs- besonderen Förderbedarf haben. Insbesondere im bezogener, ausbildungsvorbereitender Deutsch- Rahmen der frühkindlichen Deutschförderung kenntnisse. Eine wichtige Rolle spielen dabei die ist die Einbeziehung der Eltern wichtig. Hierzu gibt Förderangebote des Übergangsmanagements. Aber es unterschiedliche Ansätze, die vor Ort erprobt auch während einer Ausbildung kann ergänzende werden (vgl. B.2.1.2). Deutschförderung erforderlich sein, um Jugendlichen einen erfolgreichen Abschluss zu ermöglichen In der Schule werden Kinder häufig mit der Wissens- (vgl. B.2.1.3). Berufsbildende Schulen und Ausbil- vermittlung in einer Sprache konfrontiert, die ihnen dungsbetriebe sind daher zunehmend auch Lernorte nicht ausreichend vertraut ist. Je weiter der Fachun- im Rahmen der sprachlichen Integration. terricht voranschreitet, desto höher werden insbesondere die schriftsprachlichen Anforderungen. Sprachliche Integration von Erwachsenen Auch die schulische sprachliche Bildung fällt in die Erwachsene haben andere Deutschförderbedarfe Zuständigkeit der Länder. Im Nationalen Integra- als Kinder und Jugendliche – bei ihnen stehen das tionsplan haben sie sich verpflichtet, Kindern mit Zurechtfinden im Alltag und das sprachlich kompe- Defiziten im Deutschen „die Förderung zukommen tente Handeln im Beruf im Vordergrund. Angebote, zu lassen, die ihnen eine gleichberechtigte Teil die diese Aspekte aufgreifen, bilden den Schwer- nahme an Unterricht und Bildung ermöglicht.“ Sie punkt der staatlich finanzierten Deutschförderung. kommen dieser Selbstverpflichtung mit unter- Der Bund setzt hier zwei Schwerpunkte: Mit den schiedlichen Angeboten nach (vgl. B.2.1.1) und ver- im Aufenthaltsgesetz neu geschaffenen Integrations- stehen dies als Aufgabe aller Lehrkräfte und Fächer, kursen (§ 43 Aufenthaltsgesetz) fördert er seit Schulformen und Schularten. dem 1.1.2005 bundesweit ein Angebot der allgemein- 19 sprachlichen Deutschförderung (vgl. B.2.2). Neben Der Umgang mit einer wachsenden Zahl von Kindern, einem Sprachkurs, der in der Regel 600 Stunden die Deutsch als Zweitsprache lernen, stellt auch umfasst, besteht der Integrationskurs auch aus pädagogische Einrichtungen und ihr Personal vor einem Orientierungskurs, der in 45 Stunden Grund- große Herausforderungen und erfordert spezifische kenntnisse über die Rechtsordnung, die Geschichte Kompetenzen, die jedoch bisher häufig noch nicht und Kultur der Bundesrepublik Deutschland vermitteln soll. Ergänzt werden die bundesgeförderten 18 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 25. 19 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 25. 16 Integrationskurse durch berufsbezogene Deutschkurse, insbesondere im Rahmen des aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds geförderten ESF-BAMF- a – das bundesweite integrationsprogramm Programms (vgl. B.2.3). Berufsbezogener Unterricht Ballungszentren der alten Bundesländer haben Deutsch als Zweitsprache wird zudem auch von bereits bis zu 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen einigen Ländern angeboten. einen Migrationshintergrund. 20 Rund 3,4 Millionen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter Neben den Integrationskursen wird vor Ort eine Reihe grund besuchen allgemeinbildende oder berufs- von zielgruppenspezifischen und niederschwelligen bildende Schulen. 21 Die Debatten um die demo- Kursen insbesondere für Frauen bzw. Mütter / Eltern graphische Entwicklung und die wachsende inter- durchgeführt. Durch frauenspezifische Kurse sollen nationale Konkurrenz um hoch qualifizierte Migrantinnen angesprochen werden, denen aufgrund Fachkräfte machen besonders deutlich, von welcher traditioneller familiärer Bindungen der Zugang zu Bedeutung Bildung und Wissen für diese Gruppe den herkömmlichen Sprachförderangeboten und die Zukunft Deutschlands sind. Bildungserfolge schwerer fällt. Länder und Kommunen bieten vielfach eröffnen Teilhabechancen in anderen gesellschaft- sogenannte ‚Mama lernt Deutsch‘-Kurse an. Daneben lichen Bereichen, insbesondere am Arbeitsmarkt. gibt es gemeinsame Angebote für Mütter und Kinder, Umgekehrt haben Integrationsdefizite im Bildungs- beispielsweise die Programme „Rucksack“ und bereich individuelle, gesellschaftliche und volks- „Griffbereit“, die in vielen Kommunen durchgeführt wirtschaftliche Konsequenzen. werden. Und nicht zuletzt bieten zahlreiche öffentliche und private Bildungsträger Sprachkurse Die mit dem Mikrozensus 2005 erstmalig verfüg- für verschiedene Zielgruppen an, deren institutionali- baren Daten zur Bevölkerung mit Migrations- sierter Deutscherwerb nicht staatlich gefördert wird, hintergrund und aufbauende Analysen der gemein- etwa für ausländische Doktorandinnen und Dokto- samen Bildungsberichte von Bund und Ländern randen mit mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland (erstmals 2006) bestätigen, wie auch in internatio- oder auch für Beschäftigte in Betrieben. nalen Bildungsstudien festgestellt, den erheblichen Einfluss, den soziale und ethnische Herkunft im Angesichts des sehr heterogenen und stark lebens- deutschen Bildungssystem auf Bildungserfolge phasen-bezogenen Bedarfs an Förderung der sprach- bzw. -misserfolge haben. Bereits in der Grundschule lichen Bildung wurde bei der Bearbeitung dieses bestehen Unterschiede im Kompetenzniveau Handlungsfelds ein biografiebegleitender Ansatz ver- zwischen Schülerinnen bzw. Schülern mit und ohne folgt und die folgenden Schwerpunkte aufgegriffen: Migrationshintergrund, die im Laufe des Sekun- Deutsch als Zweitsprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen durchgängig fördern Grundlegende Deutschkenntnisse im Integrationskurs vermitteln Sprachliche Bildung für Ausbildung, Beruf und berufliche Weiterbildung weiterentwickeln Mehrsprachigkeit als Potenzial für Ausbildung und Beruf nutzen darbereichs noch deutlich zunehmen. Kinder mit Migrationshintergrund haben mehr Schwierigkeiten auf höhere Schularten zu gelangen und auch dort zu verweilen, in der Konsequenz ist auch ihre Abiturientenquote und Studienbeteiligung niedriger:22 23 Prozent der ausländischen Schülerinnen und Schüler besuchten im Schuljahr 2007/2008 ein Gymnasium (Deutsche: 46 Prozent). Dagegen lag der Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen bei 34 Prozent Eine Beschreibung der Angebote und Herausforderungen zu diesen Bereichen sowie Empfehlungen und Umsetzungshinweise finden sich in Kapitel B. 2.2 Bildung und Integration Gut ein Viertel der etwa 15,6 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist im bildungsrelevanten Alter unter 25 Jahren. In den 20 Die amtliche Schulstatistik umfasst gegenwärtig nur die Staatsangehörigkeit und nicht den Migrationshintergrund – auf diese Weise werden weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien erfasst. Um diesem Problem begegnen zu können, hat die Kultusminister- konferenz beschlossen, die amtliche Bildungsstatistik zu überarbeiten und künftig auch den Migrationshintergrund der Schülerinnen und Schüler als Merkmal aufzunehmen. 21 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.): a. a. O., S. 178. 22 Vgl. im Folgenden Statistisches Bundesamt (2010): a. a. O., S. 144 f, 285 ff. 17 a – das bundesweite integrationsprogramm (Deutsche: 13 Prozent). Auch in Förderschulen waren Bildungsniveau. 24 Auch die Entwicklung des Bil- sie anteilig häufiger vertreten: Unter den deutschen dungsstandes der zweiten und dritten Generation Schülerinnen und Schülern besuchen 4 Prozent in einzelnen Migrantengruppen ist unterschied- eine Förderschule, unter den ausländischen sind es lich: (Spät)Aussiedlerinnen / (Spät)Aussiedler und mit 7 Prozent fast doppelt so viele. Migrantinnen / Migranten aus den ehemaligen Anwerbestaaten weisen in der zweiten und dritten Ausländische Schülerinnen und Schüler weisen Generation einen deutlich höheren Anteil an durchschnittlich schlechtere Schulabschlüsse auf als Personen mit Hochschulreife auf als in der ersten deutsche und erreichen seltener höhere Abschlüsse. Generation. 40 Prozent der ausländischen Absolventinnen und Absolventen erreichten 2008 einen Hauptschul-, Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Bildungsbiogra- knapp 33 Prozent einen Realschulabschluss und 12 fien von Kindern und Jugendlichen mit Migrations- Prozent die Fach-/Hochschulreife. Dagegen verließen hintergrund. Sie sind ein positives Zeichen für die nur 21 Prozent der deutschen Absolventinnen und Auflösung des engen Zusammenhangs zwischen Absolventen die Schule mit einem Hauptschulab- sozialer Herkunft und Bildungserfolgen. Nicht nur schluss, aber 32 Prozent mit der Fach-/Hochschulreife. mit Blick auf individuelle Integrationsverläufe, Besonders deutlich wird dieser Unterschied bei den auch für den langfristigen Erfolg Deutschlands als fehlenden Schulabschlüssen: Nur 1,8 Prozent der Wissensgesellschaft müssen ihre Potenziale jedoch Menschen ohne Migrationshintergrund verfügen noch stärker erschlossen werden. Integration über keinen allgemeinen Schulabschluss, bei durch Bildung ist daher ein Gewinn für die gesamte Menschen mit Migrationshintergrund sind es 14,2 Gesellschaft, sie ist aber auch eine Aufgabe, die alle Prozent – fast achtmal so viele (rund 1,6 Millionen, Bereiche des Bildungssystems umfasst. Dabei sind alle Altersgruppen). Die geringeren Bildungser- drei Aspekte wichtig: die Nutzung und Förderung folge von Jugendlichen mit Migrationshintergrund (mitgebrachter) Potenziale, der Ausgleich sprach- sind dabei primär auf soziale Faktoren und nur se- licher Defizite und die Beseitigung von Nachteilen kundär auf migrationsspezifische Faktoren zurück- im Bildungssystem für Menschen mit Migrations- zuführen. Kinder und Jugendliche mit Migrations hintergrund und ihre Nachkommen. 23 hintergrund leben überproportional häufig in nissen, die es Eltern – unabhängig vom Migrations- Bildung und Integration in der Kindertages- betreuung und in Schulen hintergrund – oft erschweren, ihre Kinder in der Nach der föderalen Kompetenzordnung liegt die Ver- Schule zu unterstützen. Das deutsche Bildungssystem antwortung im Bereich des Bildungswesens grund- tut sich schwer damit, dies auszugleichen. sätzlich bei den Ländern. Diese Zuständigkeit umfasst Familien in schwierigen sozioökonomischen Verhält- den Schulbereich, den Hochschulbereich, die allgeIn der Bildungsbeteiligung der Bevölkerung mit meine Erwachsenenbildung und die Weiterbildung. Migrationshintergrund in Deutschland lassen sich aber Unterschiede feststellen: Junge Frauen Die Kindertagesbetreuung gehört rechtlich und mit Migrationshintergrund sind mehrheitlich im organisatorisch zur Kinder- und Jugendhilfe: Bildungssystem erfolgreicher als junge Männer. Die Gesetzgebungskompetenz liegt bei Bund und Dennoch finden sie schwerer als diese einen Ländern, die Ausführungskompetenz bei den Ausbildungsplatz. Ausländerinnen und Ausländer Ländern und Kommunen. Der Bund hat von seiner haben im Durchschnitt das niedrigste, (Spät) Aussiedlerinnen und (Spät)Aussiedler sowie Eingebürgerte ein mittleres und „Sonstige Deutsche mit Migrationshintergrund“ das relativ höchste 23 Diese Zahlen berücksichtigen nicht diejenigen Personen, die sich noch in Ausbildung befinden. 18 24 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.): a. a. O., S. 146 f.; im ersten Integrationsbericht des Landes NordrheinWestfalen aus dem Jahr 2008 schneiden Eingebürgerte in Bildung, Beruf und Einkommen ebenfalls besser ab als Ausländerinnen und Ausländer. Vgl. Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen (2008): „Nordrhein-Westfalen. Land der neuen Integrationschancen. 1. Integrationsbericht der Landesregierung“, Düssel- dorf , S. 192. a – das bundesweite integrationsprogramm konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch insbesondere bei der sprachlichen Förderung von die Regelung der Förderung von Kindern in Tagesein- Kindern und Jugendlichen, der Zusammenarbeit richtungen und Kindertagespflege im Achten Buch mit den Eltern und der interkulturellen Öffnung des Sozialgesetzbuches (SGB VIII) Gebrauch gemacht. der Schulen. Der Bund hat nicht nur seine zentralen integrationspolitischen Programme – insbesondere Bund, Länder und Kommunen haben unterschied- die Integrationskurse – qualitativ und quantitativ liche Maßnahmen eingerichtet, um Kinder und verbessert, sondern auch seine mittelbar integrati- Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt zu onsfördernden Maßnahmen mit Bezug zum Bereich fördern. Im Nationalen Integrationsplan haben sie Bildung weiter auf die Bedarfe von Migrantinnen umfangreiche Selbstverpflichtungen ausgespro- und Migranten zugeschnitten. Im Hinblick auf die chen, die unter anderem den quantitativen und quali- Integrationsförderung sind speziell folgende tativen Ausbau der Betreuung von Kindern unter Selbstverpflichtungen der Länder im Nationalen drei Jahren, die Ausweitung der Bildungspläne im Integrationsplan und Maßnahmen der Qualifizie- Kindergarten auf Kinder unter drei Jahren, Maß- rungsinitiative von besonderer Bedeutung: nahmen zur frühen Sprachförderung, Fortbildung der Lehrkräfte im Bereich Sprachförderung oder die Verminderung der Quoten von Schulabbrechern betreffen. Kommunen und Träger der freien Jugendhilfe ergänzen diese Angebote. Der Bund ist u. a. für die Kinder- und Jugendpflege, Ausbildungsförderung, Maßnahmen zur Arbeitsförderung, Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und die außerschulische berufliche Aus- und Weiterbildung zuständig. Er kann darüber hinaus die Länder durch Vorhaben der Bildungsforschung unterstützen. Des Der Bund wird die frühe Sprachförderung mit Integrationskursen für Eltern flankieren. Die Länder verfolgen gemeinsam das Ziel, bis 2012 die Abbrecher- und Wiederholquoten deutlich zu senken und die Angleichung der Quoten von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund an den Gesamtdurchschnitt aller Schülerinnen und Schüler zu erreichen (Nationaler Integrationsplan). Die Länder streben an, bis 2015 die Zahl der Schulabgänger ohne Abschluss im Bundesdurchschnitt von 8 Prozent auf 4 Prozent zu senken (Qualifizierungsinitiative). Die Länder werden gemeinsam mit entsprechenden Partnern (z. B. Bundesagentur für Arbeit und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) integrationsrelevante Angebote für Migrantinnen und Migranten von der Alphabetisierung bis zur Berufsreife weiterentwickeln und ausbauen. Weiteren kann der Bund mit den Ländern bei internationalen Vergleichsstudien im Bildungsbereich zusammenwirken, ebenso bei der Förderung von Vorhaben der Wissenschaft an Hochschulen. Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben bei Weiterbildung ihrem Treffen am 22. Oktober 2008 in Dresden die Qualifizierungsinitiative für Deutschland beschlossen. 25 Angesichts der wachsenden Rolle des lebenslangen Gemeinsam haben sich die Bundeskanzlerin und die Lernens gewinnt zunehmend auch die Weiterbildung Regierungschefs der Länder auf das Ziel verständigt, an Bedeutung. Die Weiterbildungsbeteiligung von den Anteil der Aufwendungen für Bildung und Personen mit Migrationshintergrund ist weiterhin Forschung in Deutschland auf zehn Prozent des Brutto- geringer als die der Deutschen ohne Migrations- inlandprodukts bis zum Jahr 2015 zu steigern. Die hintergrund, der Abstand ist in den letzten Jahren Länder haben zudem zugesagt, bis zum Jahr 2010 ver- jedoch deutlich zurück gegangen. Die Bevölkerung bindliche Sprachstandsfeststellungen und bis zum mit ausländischer Staatsangehörigkeit hat ihren Jahr 2012 eine intensivierte Sprachförderung der Kinder Rückstand dabei noch stärker aufgeholt als die rechtzeitig vor Eintritt in die Schule sicher zu stellen. Personen mit Migrationshintergrund und deutscher Staatsangehörigkeit.26 Ursächlich für die geringere Bei der fortlaufenden Umsetzung der Qualifizierungsinitiative legen die Länder Schwerpunkte 25 http://www.aufstieg-durch-bildung.de 26 TNS Infratest im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (2008): Weiterbildungsbeteiligung in Deutschland, München, S. 64 und Öztürk, Halit: Weiterbildungsbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland. In: Aus Politik und Zeitgeschichte 5/2009, Bonn, S. 24-30. 19 a – das bundesweite integrationsprogramm Beteiligung an Weiterbildungsangeboten können haben mit ihren Hochschulen darüber hinaus unter anderem die sprachlichen Anforderungen von Zielvereinbarungen abgeschlossen, um den Anteil Weiterbildung sein, die den Zugang von Menschen der Studierenden, der Absolventinnen und Absol- mit Migrationshintergrund erschweren. Forschungs- venten und des wissenschaftlichen Personals mit ergebnisse27 zeigen einen engen Zusammenhang Migrationshintergrund zu erhöhen. 29 zwischen den erreichten Bildungsabschlüssen und der Teilnahme an Weiterbildungen, der bei Menschen Heterogenität und interkulturelles Lernen mit Migrationshintergrund, die überproportional Das deutsche Bildungssystem muss nachhaltiger auf keinen oder einen niedrigeren Bildungsabschluss den demographischen Wandel reagieren, pädago- haben, besonders deutlich zum Tragen kommt. gische Fachkräfte benötigen Unterstützung, um Lernerfolge heterogenerer Schülergruppen sichern Weiterbildung betrifft nicht nur berufliche Bildung: zu können. Die Arbeit in sprachlich, kulturell und Auch im Bereich der interkulturellen Verständi- religiös heterogenen Lerngruppen erfordert dabei gung, Bildungsarbeit gegen Rechtsextremismus besondere Kompetenzen. Interkulturelle Pädagogik und der Vermittlung von Wissen über Gesellschaft findet daher zunehmend Eingang in die Bildungs- und Wertesystem in Deutschland sind Angebote pläne der Länder, einige haben Handbücher für der außerschulischen Jugend- und Erwachsenen- Unterricht und Praxis der interkulturellen Bildung bildung angesiedelt, die von Bedeutung für den oder Handreichungen und Unterrichtsmaterialien Bereich der Integration sind. Sie richten sich gerade zum interkulturellen Lernen entwickelt, die auch an Menschen ohne Migrationshintergrund. zum Beispiel über den deutschen Bildungsserver abrufbar sind. 30 Darüber hinaus existieren Hochschule Angebote zur professionellen Förderung interkul- Hochschulen haben für die Integration durch Bildung tureller Verständigung und zum Aufbau demo- eine Doppelrolle: Einerseits sind sie Ausbildungs- kratischer Konfliktlösungskompetenzen, die über stätten für künftige Lehrende, andererseits sind sie externe Partner an Schulen durchgeführt werden durch ihre internationale Studierendenschaft ein können. Viele Schulen haben in den vergangenen Ort, an dem Integration gelebt und praktiziert wird. Jahren Schulprogramme oder Leitbilder entwickelt, Bildungsinländer sind an Hochschulen in Deutsch- in denen sich ein positives Verständnis von Vielfalt land jedoch deutlich unterrepräsentiert. Nach der spiegelt. 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerkes hatten lediglich acht Prozent aller Studierenden des Auch in der Lehreraus- und -fortbildung gewinnt Sommersemesters 2006 einen Migrationshinter- das Thema an Bedeutung. In Hamburg ist das grund. Damit waren rund 136.000 Studierende mit Thema „Umgang mit kultureller und sozialer Migrationshintergrund an deutschen Hochschulen Heterogenität“ seit 2000 eines von drei prioritären immatrikuliert. Im Rahmen der Qualifizierungs- Themen der Lehrerbildung. Die Beratungsstelle initiative „Aufstieg durch Bildung“ will der Bund Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut die Studienanfängerquote auf 40 Prozent eines für Lehrerbildung und Schulentwicklung in Jahrganges anheben. Dies bietet auch die Chance, Hamburg bietet Qualifizierungen zum Umgang mit Studieninteressierte mit Migrationshintergrund kultureller Heterogenität in allen Bereichen der verstärkt anzusprechen. Hamburg und Thüringen Lehrerbildung an. 31 27 Vgl. Öztürk (2009), a. a. O. 28 Mit den Daten der Sozialerhebung sind identifizierbar: Eingebürgerte Studierende; Studierende, die neben der deutschen eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen und Studierende mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die ihre Hochschul- zugangsberechtigung in Deutschland erworben haben – so- genannte Bildungsinländer. Bildungsausländer sind nicht erfasst. Es ist daher anzunehmen, dass der Anteil Studierender mit Migrationshintergrund nach der Definition des Mikro- zensus höher liegt, als der in der 18. Sozialerhebung angegebene Anteil. Zur Förderung der Integration speziell von musli- 28 20 mischen Schülerinnen und Schülern hat sich die 29 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 131. 30 http://www.bildungsserver.de 31 Mehr Informationen sind unter http://www.li-hamburg.de/bie abrufbar. a – das bundesweite integrationsprogramm Deutsche Islam Konferenz für die Einführung von oder „Interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ islamischem Religionsunterricht (IRU) aus- als eigene Studienfächer oder im Rahmen der Betriebs- gesprochen. Viele Länder führen bereits entspre- wirtschaftslehre bzw. der Ethnologie angeboten. chende Schulversuche durch. So unterstützt etwa die Hessische Landesregierung aktiv den Prozess, Zusammenarbeit mit Eltern islamischen Religionsunterricht nach ver- Bildungs- und Integrationschancen von Kindern fassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 GG und Jugendlichen werden stark durch das als ordentliches Lehrfach an staatlichen Schulen Wissen und die Unterstützung der Eltern geprägt. einzuführen. Mit dem IRU wird der Islam im Laut OECD ist der familiäre Einfluss auf die Lese- Schulalltag auf Augenhöhe mit den anderen großen kompetenz, die mathematische und natur- Religionen in Deutschland gestellt. Wissenschaft- wissenschaftliche Kompetenz doppelt so stark wie liche Auswertungen von Modellversuchen belegen, der von Schule, Lehrkräften und Unterricht. 33 Die dass islamische Religionslehrerinnen und -lehrer Bedeutung von Bildung, Bildungserfolgen und eine wichtige Mittlerposition zwischen anderen Deutschkenntnissen ist bei den meisten zugewan- Lehrkräften, muslimischen Schülerinnen und derten Eltern, wie auch bei denen ohne Migra- Schülern sowie ihren Eltern einnehmen können. tionshintergrund, anerkannt. Ihr Interesse und ihre Motivation, sich für die Verbesserung der Der Wissenschaftsrat, der die Bundesregierung Bildungssituation ihrer Kinder einzusetzen, werden und die Regierungen der Länder in Fragen der aber häufig unterschätzt (vgl. C.2.1). inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung Die Länder messen der Kooperation mit Eltern im berät, erwartet mittel- bis langfristig eine Nationalen Integrationsplan einen hohen Einführung des islamischen Religionsunterrichts Stellenwert bei. Die Kultusministerkonferenz hat und erachtet einen weiteren Ausbau islamischer im Dezember 2007 gemeinsam mit Migrantenor- Religionspädagogik als notwendig. Er betrachtet es ganisationen eine Erklärung zur Zusammenarbeit außerdem als dringlich, dass dieser von der Einrich- mit Eltern veröffentlicht. 34 Die Landesregierung tung theologisch orientierter Islamischer Studien Nordrhein-Westfalen hat als erstes Land ein in Deutschland begleitet wird. Nach Auffassung des Elternnetzwerk von und für Eltern mit Migrations- Wissenschaftsrates bietet eine akademische Fundie- hintergrund ins Leben gerufen, das auch dazu rung die Möglichkeit, plurale religiöse Normen dient, das Know-how von Elternvereinen an andere und Wertvorstellungen in angemessener Weise in Eltern und ihre Organisationen weiterzugeben. 35 die akademischen wie öffentlichen Debatten Empfehlungen des Wissenschaftsrats. Das Bundes- Vernetzung von Bildungseinrichtungen mit anderen Akteuren im Sozialraum ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Bildung ist mehr als nur Unterricht. Sie entsteht im wird entsprechende Initiativen der Hochschulen Zusammenwirken zahlreicher Akteure innerhalb und Länder flankieren. und außerhalb der formalen Bildungseinrichtungen. einzubringen. 32 Die Bundesregierung begrüßt die Durch die Zusammenarbeit mit außerschulischen Interkulturelles Lernen muss auch außerhalb der Trägern lassen sich ergänzende Lernräume schaffen. Schule stattfinden. Wichtige Akteure sind die Träger Erfahrungen mit gemeinwesenorientierten Inte- der Erwachsenenbildung, ebenso wie Behörden und grationsansätzen zeigen, dass eine sozialräumliche Unternehmen in Bezug auf ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit einigen Jahren werden an verschiedenen Universitäten „Interkulturelle Kommunikation“ 32 Vgl. Wissenschaftsrat: Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Theologien und religionsbezogenen Wissenschaften an deutschen Hochschulen (Januar 2010), http://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdf, S. 77 f. 33 Vgl. Organisation for Economic Development (2001): Lernen für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schul- leistungsstudie PISA 2000. Paris. 34 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancen- gerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisationen von Menschen mit Mi- grationshintergrund. Berlin, 2007. 35 http://www.elternnetzwerk.nrw.de 21 a – das bundesweite integrationsprogramm Öffnung und Vernetzung von Bildungseinrichtungen vorbilder für Kinder mit Migrationshintergrund. mit anderen Akteuren im Sozialraum und eine aktive Mehr pädagogisches Personal mit Migrationshinter- und aktivierende Elternarbeit die Probleme von grund macht Vielfalt in der Schule bewusst und trägt Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten dazu bei, Chancen aufzudecken, die in dieser Vielfalt entschärfen können. Durch gemeinschaftliche liegen. Die Steigerung des Anteils von Menschen mit Organisation und Vernetzung vor Ort werden neue Migrationshintergrund in pädagogischen Berufen Beteiligungsstrukturen geschaffen und Probleme ist deshalb eine wichtige Aufgabe, die erstmals vom gemeinsam dort gelöst, wo sie entstanden sind. Verband Bildung und Erziehung im Jahr 2006 artikuliert wurde. Seither haben Akteure aus Gesellschaft Die Einführung eines kommunalen Bildungs- und Politik dem Thema wachsende Aufmerksamkeit managements und bildungsbezogener Integra- gewidmet. Der Nationale Integrationsplan regt an, tions- und Diversitätsstrategien in den Kommunen, darauf hinzuwirken, dass deutlich mehr Personen die z. B. durch das Programm „Lernen vor Ort“ des mit Migrationshintergrund für pädagogische Berufe BMBF unterstützt werden, ermöglichen die gleich- gewonnen, qualifiziert und eingestellt werden.36 Die berechtigte Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger Kultusministerkonferenz und Migrantenorganisa- am öffentlichen Leben und tragen dazu bei, ein tionen betonen gemeinsam die Notwendigkeit der neues Bewusstsein in Bezug auf demographische, Erhöhung des Anteils von Lehrkräften mit Migrati- ethnische und kulturelle Vielfalt als gesellschaft- onshintergrund. Die Gewerkschaft Erziehung und liche Ressource zu schaffen. Wissenschaft fordert, an jeder Bildungseinrichtung mindestens einen Pädagogen oder eine Pädagogin Der Zusammenhang von Bildungsherkunft und Bil- mit Migrationshintergrund zu beschäftigen. dungserfolg muss so früh wie möglich aufgebrochen Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr werden. An vielen Schulen haben sich um Förderver- Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund eine herum Bildungsbündnisse zusammengefunden, zu gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in die oftmals von Lehrkräften und Eltern gemeinsam Deutschland (vgl. C.2.2). getragen werden und soziale und pädagogische Arbeit leisten. Sie initiieren neue Formen der Zusam- Zur Förderung der Bildungschancen und -erfolge menarbeit von Schulen, Eltern und gemeindlichem von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter- Umfeld. Diese reichen zum Beispiel durch Dolmet- grund sind in der Folge des Nationalen Integrations- scherdienste gerade auch in die Gruppen von Eltern plans und des Bildungsgipfels vielfältige Initiativen hinein, die in anderen Kulturen verwurzelt sind. insbesondere vonseiten der Länder und des Bundes Diese Initiativen wird der Bund unterstützen, um die angestoßen worden. Um Parallelprozesse zu ver- Bildungschancen von Kindern mit Migrationshinter- meiden, wurden im Rahmen des bundesweiten Inte- grund zu erhöhen. Das BMBF sieht hierfür in der 17. grationsprogramms keine Themen aufgegriffen, Legislaturperiode insgesamt eine Milliarde Euro vor. die bereits in diesen Prozessen bearbeitet werden. Viel- Jede der 16 400 Grundschulen in Deutschland braucht mehr wird die Intention verfolgt, diese Prozesse beglei- ein starkes Bildungsbündnis. Jedem Förderverein tend zu unterstützen und zu ergänzen. Vor diesem an einer Brennpunktschule soll daher auf Antrag ein Hintergrund wurden Themen bearbeitet, die starke Be- Bildungsbudget von bis zu 40 000 Euro zur Verfügung züge zu anderen Handlungsfeldern haben und für gestellt werden. deren Weiterentwicklung eine Systematisierung der bisherigen Aktivitäten einen wichtigen Beitrag leisten Pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund spielen eine wichtige Rolle bei der interkulturellen Öffnung der Bildungseinrichtungen, der Zusammenarbeit mit zugewanderten Eltern und der Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit. Sie sind zudem wichtige Rollen- 22 kann: Eltern mit Migrationshintergrund: Bildungs- und Erziehungskompetenzen stärken, Zusammen arbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen 36 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a.a.O., S. 65. a – das bundesweite integrationsprogramm Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migra tionshintergrund gewinnen. Integrationsförderung als auch selbst Zielgruppen von Angeboten (vgl. D.2.1). 2.3 Gesellschaftliche Integration Bürgerschaftliches Engagement Integration lebt vom Miteinander. Dieses kann ent- Bürgerschaftliches Engagement kann Zugang zu stehen, wenn Menschen sich kennenlernen, wert- gesellschaftlichen Positionen und zu kulturellem schätzen, sich zusammen für eine gemeinsame Kapital (Wissen, Kompetenzen) schaffen und den Sache engagieren, wenn sie teilhaben an der Gesell- Aufbau von sozialem Kapital (soziale Beziehungen, schaft und sich selbst als Teil von ihr erleben. Netzwerkpositionen) unterstützten. Im bürger- Gesellschaftliche Teilhabe und gesellschaftlicher schaftlichen Engagement liegt daher ein großes Zusammenhalt können jedoch nicht verordnet Potenzial für die Integration (vgl. Kapitel D). Dies werden – sie setzen auf beiden Seiten Anstren- betrifft nicht nur Beteiligungsformen, die speziell gungen und den Willen zur Integration voraus: Von für das Politikfeld der Integration entwickelt Menschen mit Migrationshintergrund erfordern wurden, sondern das freiwillige, gemeinnützige sie – genauso wie von Menschen ohne Migrations- Engagement in vielen gesellschaftlichen Bereichen. hintergrund – die Bereitschaft, die im Grundgesetz verankerten Werte anzuerkennen, sich auf ein Die Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft spiegelt Leben in Deutschland einzulassen und die eigenen sich auch in den Formen des bürgerschaftlichen Ressourcen zur gemeinsamen Gestaltung der Engagements von und mit Menschen mit Migrations- Gesellschaft einzubringen. hintergrund wider. Menschen mit Migrationshintergrund und ihre Organisationen beteiligen sich Der Bund hat durch die im Aufenthaltsgesetz bislang nur wenig an den Strukturen im bürger- verankerten Orientierungskurse ein allgemeines schaftlichen Engagement (vgl. D.2.1.3). Studien zei- Angebot zur Orientierung in der deutschen gen jedoch: Sie engagieren sich nicht weniger, aber Gesellschaft für Neuzuwanderinnen und Neuzu- häufig anders, z. B. im familiären und nachbar- wanderer entwickelt. Gesellschaftliche Integration schaftlichen Umfeld. als Handlungsfeld umfasst jedoch eine große Themenvielfalt. Initiativen zur Verbesserung des Auf Bundesebene unterstützt das Bundesmini- Zusammenlebens im Wohnumfeld, zur Förderung sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Dialogs und des gemeinsamen bürgerschaft- (BMFSFJ) bürgerschaftliches Engagement im lichen Engagements aber auch konsequentes Rahmen der Initiative Zivil-Engagement. In dieser Vorgehen gegen Ausländerfeindlichkeit und Initiative werden seit 2008 unter anderem auch Diskriminierung unterstützen die gesellschaft- ein Modellprojekt zur Qualifizierung von Migranten- liche Teilhabe und Integration. Im Nationalen organisationen als Träger von Jugendfreiwilligen- Integrationsplan wurden umfangreiche Selbst- diensten durchgeführt und ein Forschungs- verpflichtungen in gesellschaftlichen Bereichen projekt zum freiwilligen Engagement von Migran- wie Medien, Sport, Kultur, Gesundheit und Alten- tinnen und Migranten gefördert. Das vom BMFSFJ hilfe sowie bürgerschaftliches Engagement und geförderte Nationale Forum für Engagement Integration vor Ort ausgesprochen. Ange- und Partizipation nimmt auch die Partizipation von bote zur gesellschaftlichen Integration werden Menschen mit Migrationshintergrund in den insbesondere von Bund, Ländern, Kommunen Blick und soll im Auftrag der Bundesregierung und freien Trägern wie den Wohlfahrtsverbänden konkrete Vorschläge für eine nationale Strategie zur durchgeführt. Migrantenorganisationen und Engagementförderung entwickeln. Die Engagement- Vereine von Jugendlichen mit Migrationshinter- strategie soll im Herbst 2010 dem Bundeskabinett grund sind sowohl wichtige zivilgesellschaftliche vorgelegt werden. Das Bundesamt für Migration und Organisationen und Partner im Rahmen der Flüchtlinge unterstützt im Rahmen seiner Projekt- 37 förderung unter anderem Integrationsprojekte zur 37 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O. Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. 23 a – das bundesweite integrationsprogramm In einzelnen Ländern, etwa Nordrhein-Westfalen, durchschnittlich durch Armut, Bildungsferne und Berlin und Sachsen-Anhalt, existieren Programme Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Der Anteil von zur Förderung der Selbstorganisation von Menschen Menschen mit Migrationshintergrund ist hier be- mit Migrationshintergrund, die gleichzeitig das sonders hoch. Oftmals sind sie von sozialen Engagement von Migrantenorganisationen für die Konflikten und Segregationstendenzen geprägt, Integrationsförderung nutzen. Die Hessische etwa durch die Abwanderung des Mittelstandes. Landesregierung hat ein Integrationslotsennetzwerk aufgebaut, das auch im Internet präsent ist. Eine Förderung von Beteiligungsstrukturen kann Auch die Kommunen fördern das Engagement und derartigen Problemen entgegenwirken und gehen dabei unterschiedliche Wege: Größere Integration befördern: Zum einen wird der soziale Städte fördern häufig eigenständige Infrastruktur- Zusammenhalt von Menschen mit und ohne einrichtungen wie Freiwilligenzentren und Migrationshintergrund durch gemeinschaftliche Seniorenbüros, kleinere Gemeinden richten eher Aktivitäten, Netzwerke zur Selbsthilfe und daraus engagementfördernde Anlaufstellen in der resultierende nachbarschaftliche Kontakte befördert. Verwaltung ein. Zunehmend sind öffentliche Ein- Zum anderen werden durch Beteiligung die Identifi- richtungen wie Schulen, aber auch Vereine kation mit dem Wohnumfeld und die Übernahme von wichtige Kooperationspartner der kommunalen Verantwortung gestärkt. Um dies zu unterstützen, Engagementförderungen. Von Bedeutung sind zu- fördern das Bundesministerium des Innern und das dem die vielfältigen zivigesellschaftlichen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemeinwe- Akteure: Freiwilligenagenturen und -zentren, senorientierte Projekte vor Ort.41 38 Stiftungen – insbesondere Bürgerstiftungen, deren Anzahl in den letzten Jahren erheblich angestiegen Einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Inte- ist –, Netzwerke für bürgerschaftliches Engagement gration im Wohnumfeld leistet das Bund-Länder- auf Bundes- und Landesebene, Kirchen bzw. Programm „Stadtteile mit besonderem Entwicklungs- Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Wohl- bedarf – Soziale Stadt“ des Bundesministeriums für fahrtsverbände, Jugendverbände sowie Migranten- Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, das der räum- organisationen bzw. Vereine von Jugendlichen mit lichen und sozialen Spaltung in den Städten entgegen Migrationshintergrund. wirken soll. Ein eigenes Handlungsfeld betrifft das Zusammenleben unterschiedlicher sozialer und Integration im Wohnumfeld ethnischer Gruppen. Das Programm arbeitet in 571 Im Fortschrittsbericht zum Nationalen Integrations- Gebieten in 355 Gemeinden (Stand 2009) und wird plan wird darauf hingewiesen, dass aufgrund gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen der „abnehmenden Integrationskraft des Arbeits- finanziert.42 Auch einzelne Länder setzen einen Schwer- marktes“, die „Integration im Stadtraum, in Ver- punkt auf das Wohnumfeld im Zusammenhang mit einen, Communities und anderen Organisationsformen im Wohnumfeld immer wichtiger“ werde. Integrationsförderung. So wurden etwa in Hamburg 39 mit dem im Juli 2009 beschlossenen Rahmenpro- Im Integrationskontext bildet das Wohnquartier gramm „Integrierte Stadtteilentwicklung“ (RISE) der einen wichtigen Bezugsrahmen. Handlungsbedarf Integration von Menschen mit Migrationshinter- besteht insbesondere in sogenannten benachteiligten grund ein zentraler Stellenwert eingeräumt sowie Wohnquartieren. Dort ist die Bevölkerung über- Strategien und Qualitätsstandards zu ihrer Beteiligung 40 und Aktivierung formuliert.43 38 Vgl. Jakob, Gisela / Koch, Claudia (2007): Lokale Engagementförderung in hessischen Kommunen. Akteure, Infrastrukturen, Instrumente, Darmstadt, S. 3. 39 Dies entspricht der Sicht des Landes Berlin. Siehe Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a.a.O., S. 59. 40Vgl. Friedrich, Lena (2008): Wohnen und innerstädtische Se- gregation von Migranten in Deutschland. Working Paper 21 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, sowie Soziale Stadt - info 22 (2008), Newsletter zum Bund-Länder-Programm Soziale Stadt. 24 Integration in den Wohnvierteln ist darüber hinaus eines der zentralen Themen kommunaler Integra41 Mehr Informationen unter: http://www.integration-indeutschland.de 42 http://www.sozialestadt.de 43 http://www.buergerschaft-hh.de/Parldok/tcl/PDDocView.tcl? mode=show&dokid=26868&page=0 a – das bundesweite integrationsprogramm tionsförderung, primär durch die Gewährleistung politischer Bedeutung gewonnen. Auslöser für der strukturellen Rahmenbedingungen sowie eine breitere politische Diskussion war die Charta durch die Steuerung baulicher Projekte. der Vielfalt, die unter der Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin durchgeführt und von der Interkulturelle Öffnung / Diversity Management Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Integra- Flüchtlinge und Integration unterstützt wird. tion spielt die interkulturelle Sensibilisierung und Ebenfalls unter der Federführung der Integrati- Öffnung der gesamten Gesellschaft, ihrer Institu- onsbeauftragten steht die Kampagne „Vielfalt als tionen und Organisationen eine wichtige Rolle. Chance“, die mit intensiver Werbung und Öffent- Interkulturelle Öffnung betrifft gleichermaßen lichkeitsarbeit, mit Veranstaltungen und Wettbe- Menschen mit wie ohne Migrationshintergrund. werben für Vielfalt in Wirtschaft und Verwaltung Sie soll dazu beitragen, Vorurteile auf beiden eintritt. Das Bundesministerium des Innern Seiten abzubauen: Gesellschaftlicher Zusammen- unterstützt mit dem Pilotprojekt „Migranten in halt in einer von Vielfalt geprägten Gesellschaft die Bundespolizei“ die interkulturelle Öffnung der fordert von jedem die Bereitschaft, sich auf diese Bundespolizei. Vielfalt einzulassen. Auch die Länder streben die interkulturelle Öffnung Besonders wichtig ist die interkulturelle Öffnung ihrer Verwaltung und der Gesundheits- und von Behörden, freien Trägern, sozialen Diensten sozialen Dienste an.44 Mehrere Landesregierungen und des Gesundheitswesens, aber auch in der Wirt- haben die Charta der Vielfalt unterzeichnet, um schaft. Ihr Ziel ist die Stärkung der interkulturellen die interkulturelle Öffnung der Landesverwaltung Kompetenz aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu unterstützen. Prozesse der interkulturellen ihre interkulturelle Aus- und Weiterbildung sowie Öffnung auf kommunaler Ebene zielen darauf, den die vermehrte Rekrutierung von Personal mit gleichberechtigten und ungehinderten Zugang Migrationshintergrund. Interkulturelle Öffnung aller Einwohnerinnen und Einwohner, unabhängig wird dabei sowohl als Personal- als auch als Organi- von ihrer ethnischen oder kulturellen Zugehö- sationsentwicklungsprozess verstanden: Der Begriff rigkeit, zu den Dienstleistungen der Kommune interkulturell betont die Gegenseitigkeit – auch sicherzustellen. Zur Unterstützung der Kommunen Menschen mit Migrationshintergrund und ihre bei diesem Prozess hat etwa die Kommunale Organisationen müssen sich gegenüber Deutschen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement ohne Migrationshintergrund und anderen Zuwan- Leitlinien zur interkulturellen Öffnung der Kommu- derungsgruppen öffnen. nalverwaltung veröffentlicht. Konzepte des Diversity Managements, die zumeist An- Interkultureller Dialog wendung in der Wirtschaft finden, verfolgen einen Interkultureller Dialog findet auf zwei Ebenen umfassenderen Ansatz. Hier geht es um die Her- statt: Zum einen dienen Dialoginitiativen stellung von Chancengleichheit in Hinsicht auf alle dazu, Interessen und Bedarfe von ethnischen, wahrnehmbaren und alle subjektiven Unterschiede religiösen und kulturellen Minderheiten der für die gesamte Belegschaft und auf allen Hierarchie- Mehrheitsgesellschaft bekannt zu machen und stufen einer Organisation. In Bezug auf Menschen insbesondere öffentliche Stellen und Träger mit Migrationshintergrund gelangen die Vorteile hierfür zu sensibilisieren. Zum anderen haben sie einer ethnisch vielfältigen Belegschaft in den Fokus, auch den Anspruch, Erwartungen der Mehrheits- vor allem im Hinblick auf eine Öffnung von Beratungs- gesellschaft aufzugreifen und Ängste abzubauen. strukturen oder auf die Gewinnung neuer Kunden- Ziel des interkulturellen Dialogs ist ein friedliches potenziale und Erschließung ausländischer Märkte. Zusammenleben verschiedener Ethnien, Kulturen Konzepte der interkulturellen Öffnung und des Diversity Managements haben erheblich an 44 Z. B. http://www.berlin-braucht-dich.de/ und http://www.hamburg.de/bist-du-dabei/62924/bist-du-dabei.html 25 a – das bundesweite integrationsprogramm und Religionen in einer pluralistischen und Wettbewerb „Demokratisch Handeln“, der die demokratischen Gesellschaft. Bund, Länder aber demokratische Haltung und demokratische Kultur vor allen Dingen auch Kommunen und zivilge- im gelebten Alltag von Schule und Jugendarbeit sellschaftliche Akteure haben unterschiedliche stärken soll. Auch verschiedene Länder wie Nord- Initiativen gestartet, um den interkulturellen rhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg, haben Dialog zu unterstützen. Antidiskriminierungsarbeit zum Schwerpunkt ihrer Integrationspolitik gemacht, indem sie lokale Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung Bündnisse und Projekte gegen Diskriminierung Verschiedene Studien zeigen, dass fremdenfeind- fördern. Die Freie und Hansestadt Hamburg hat im liche Orientierungen und damit verbundene Dis- August 2009 in der Justizbehörde die Arbeitsstelle kriminierungserfahrung von Menschen mit Migra- Vielfalt eingerichtet, in der Aufgaben im Bereich tionshintergrund in Deutschland weit verbreitet der Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsar- sind und Integrationsbarrieren darstellen können. und Rassismus im Rahmen von Landesprogrammen 45 Um Diskriminierung entgegenzuwirken, wurde beit gebündelt werden. U. a. ist sie zentrale Ansprechstelle für Fragen und Angelegenheiten der auf Bundsebene das Allgemeine Gleichbehand- Gleichstellung, für interkulturelle Fragen sowie zu lungsgesetz (AGG) geschaffen, das verschiedene Maßnahmen gegen Rassismus und Rechtsextre- EU-Richtlinien46 umsetzt und eine zentrale Antidis- mismus. kriminierungsstelle eingerichtet. Zudem fördert der Bund Maßnahmen gegen Fremdenfeindlichkeit, Politische Bildung Rassismus und Rechtsextremismus. Das „Bündnis Politische Bildung will Menschen Verständnis für für Demokratie und Toleranz – gegen Extremismus politische Sachverhalte vermitteln, das demokra- und Gewalt“ wurde im Jahr 2000 gemeinsam vom tische Bewusstsein festigen und die Bereitschaft zur BMI und dem Bundesministerium für Justiz als zen- aktiven politischen Mitarbeit stärken. Damit trägt traler Ansprechpartner und Servicestelle gegründet. sie zur Herausbildung und Weiterentwicklung einer Seither hat sich eine Vielzahl von Organisationen aktiven Bürgerschaft und Teilhabe bei. Auch angeschlossen. Das Programm „Vielfalt tut gut“ im Integrationskontext ist politische Bildung von Be- des BMFSFJ verfolgt das Ziel, Vielfalt, Toleranz und deutung, denn Informationen und Bildungsan- Demokratie als zentrale Werte der gesamten gebote über politische Landeskunde und politische Gesellschaft zu festigen und gerade Kinder und Ju- Beteiligungsmöglichkeiten für Menschen mit gendliche früh für die grundlegenden Regeln Migrationshintergrund sind eine wichtige Voraus- eines friedlichen und demokratischen Zusammen- setzung für gesellschaftliche Integration. Im lebens zu gewinnen. Auch das Bundesprogramm Bereich der politischen Bildung engagiert sich der „kompetent. für Demokratie – Beratungsnetzwerke Bund durch die Bundeszentrale für politische gegen Rechtsextremismus“ des BMFSFJ unterstützt, Bildung, die zum Geschäftsbereich des BMI gehört. interveniert und berät bei Vorfällen mit rassistischem, Auf Landesebene sind es die Landeszentralen für rechtsextremistischem oder antisemitischem Hinter- politische Bildung (außer Niedersachsen). Seit 2001 grund. Das BMBF fördert seit 1989 den schulischen sind Menschen mit Migrationshintergrund explizit Adressaten politischer Bildungsmaßnahmen der 45 Diskriminierung liegt vor, wenn eine Person aufgrund von Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung usw. in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person, erfahren hat oder erfahren würde. Vgl. Heitmeyer, Wilhelm (Hg.) (2006): Deutsche Zustände. Folge 4,GMF-Survey, Frankfurt a. M., S. 26 f.; Gille, Martina / Sardei-Biermann, Sabine / Gaiser, Wolfgang / Rijke, Johann de (2006): Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. Lebensverhältnisse, Werte und gesellschaftliche Beteiligung 12- bis 29-Jähriger, Wiesbaden. 46Antirassismusrichtlinie (2000/43/EG), Rahmenrichtlinie Beschäftigung (2000/78/EG), „Gender-Richtlinie“ (2002/73/EG) und die Richtlinie zur Gleichstellung der Geschlechter auch außerhalb der Arbeitswelt (2004/113/EG). 26 Bundeszentrale für politische Bildung. Migrationsspezifische Beratungsangebote Migrationsspezifische Beratungsangebote sind ein spezielles Förderangebot zur Begleitung von Integrationsprozessen. Die Beratung ist darauf ausgerichtet, die Eigenverantwortlichkeit und die Hilfe zur Selbsthilfe von Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Das BMI stellt seit 2005 Fördergelder zur a – das bundesweite integrationsprogramm Durchführung eines Beratungsangebotes für erwach- einen präventiven Charakter und stellen den Bezug sene Migrantinnen und Migranten bereit, mit der zu Erziehungskompetenzen in den Vordergrund Umsetzung ist das Bundesamt betraut. Diese Migrati- (vgl. C.2.1). Im Integrationskontext sind die Fragen onsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) steht nach der Teilhabe von Familien mit Migrations- neuzugewanderten und bereits länger hier lebenden hintergrund an Angeboten zur Familienbildung erwachsenen Migrantinnen und Migranten offen und sowie nach migrationsspezifischem Bedarf und verfolgt einen ganzheitlichen, an den Ressourcen der Teilnahmehürden von Bedeutung. Regelangebote Zielgruppe ausgerichteten Integrationsansatz. Derzeit sind Menschen mit Migrationshintergrund häufig führen die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrts- nicht bekannt oder sind als mittelschichtorientierte pflege und der Bund der Vertriebenen im Auftrag des Angebote für bildungsferne Migrantenfamilien Bundesamts bundesweit in rund 600 Beratungsein- nicht passgenau. richtungen dieses Angebot durch. In allen Bundesländern werden in Kooperation mit Das BMFSFJ fördert bundesweit die Begleitung junger zahlreichen freien Trägern, insbesondere Fami- Menschen mit Migrationshintergrund im Alter von lienbildungsstätten, Elternbildungsprogramme 12 bis 27 Jahren durch derzeit 417 Beratungsstellen angeboten. Das BMFSFJ und das Bundesamt fördern der Jugendmigrationsdienste (JMD). Die JMD bieten ebenfalls Projekte zur Stärkung der Erziehungs- jungen Menschen eine individuelle Integrationspla- kompetenz der Eltern. Länder und Kommunen för- nung auf Basis des Case Managements an. Sie be- dern verschiedene Maßnahmen im niederschwel- gleiten die Jugendlichen besonders während der ligen Bereich, wie die Programme „HIPPY“, Integrationskurse sowie am Übergang Schule – Aus- „Rucksack“ „Acilim“ „Al-Ussra“. Sie verbinden An- bildung – Beruf. Ihre Arbeit zeichnet sich durch sätze der Familienbildung mit Sprachförderung, interkulturelle Kompetenz, sprachliche Vielfalt und vor allem zur Unterstützung des frühkindlichen langjährige Berufserfahrung aus ebenso wie durch Spracherwerbs (vgl. Kapitel B und C). Viele Kommunen eine intensive Vernetzung von Schule, Ausbildungs- fördern eigene Projekte und Beratungsstellen zu betrieb und Freizeiteinrichtung. So sollen die Entwick- Erziehungskompetenz und Gewaltprävention. lungsperspektiven junger Menschen mit Migrations- Überregionale Beratungsangebote sind auch im hintergrund verbessert und die Partizipation in Rahmen einzelner Programme verfügbar, etwa die allen Bereichen des sozialen, kulturellen und poli- interkulturelle Familienberatung des Arbeitsk reises tischen Lebens gesteigert werden. Neue Erziehung e.V. Auch einige Bundesländer fördern zielgruppenspe- Jugendarbeit zifische Beratung (zum Beispiel Brandenburg und Die Jugendarbeit ist neben der Bildung und Erziehung Sachsen-Anhalt), unterhalten spezielle Angebote wie im Elternhaus, Kindergarten, Schule und beruflicher Integrationslotsen, Integrationszentren, Integrati- Ausbildung ein wichtiger, ergänzender Bildungs- onsagenturen (etwa Saarland, Hamburg, Nordrhein- bereich in der Freizeit der Kinder und Jugendlichen. Westfalen), beraten Zielgruppen, die durch die Neben verbandlich organisierter Jugendarbeit sind MBE nicht abgedeckt sind (beispielsweise Schleswig- die offene Jugend(sozial)arbeit sowie die Schul- Holstein) oder haben Fachdienste für allgemeine sozialarbeit Arbeitsbereiche, die insbesondere auch Migrationsberatung ohne Zielgruppenfestlegung ein- Jugendliche mit Migrationshintergrund adressieren. gerichtet (unter anderem Thüringen). Ein der MBE ver- Jugendvereine und -verbände sind wichtige zivil- gleichbares Beratungsangebot fördern Bayern, Nieder- gesellschaftliche Akteure, die zur Wertevermittlung, sachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Bildung und Demokratieentwicklung beitragen und die Interessen von Jugendlichen gegenüber Familienbildung und Familienhilfe Staat und Gesellschaft vertreten. Jugendvereine Der Familienbildung kommt in der Integrationsför- sind zudem Orte eigenverantwortlicher Freizeitge- derung eine wichtige Rolle zu. Die Angebote sind stalt ung, an denen sich Jugendliche mit und ohne vor allem auf Eltern und Kinder ausgerichtet, haben Migrationshintergrund begegnen und gemein- 27 a – das bundesweite integrationsprogramm same Aktivitäten entwickeln können. Sie werden Integration des Landes Nordrhein-Westfalen und aus öffentlichen Mitteln finanziell gefördert. Es des Bundesamts seit 2007 das Projekt „spin – sport gibt in der Bundesrepublik Deutschland derzeit interkulturell“, das zusammen mit der Sportjugend mehr als 90 überregionale Jugendverbände, die NRW im Ruhrgebiet durchgeführt wird. Ziel des das gesamte Spektrum jugendlicher Interessen Projektes ist es, Sportvereine in die Lage zu versetzen, und Aktivitäten widerspiegeln. Wichtig ist, dass ihre Funktion als wichtige Orte stadtteilbezogener sich ihre Angebote auch an den Interessen von Integration und außerschulischen Lernens besser Jugendlichen mit Migrationshintergrund orien- wahrnehmen zu können und mehr Migrantinnen zu tieren (vgl. D.2.2). erreichen. Auch andere Länder haben Projekte und 47 Programme zur Förderung von IntegrationsmaßIntegration und Sport nahmen im Sport initiiert. Niedersachsen fördert ein Sportbezogene Freizeitangebote für Kinder, Ju- Integrationslotsenprojekt, um Menschen mit gendliche und Erwachsene fördern soziale Migrationshintergrund in den organisierten Sport Kontakte und Möglichkeiten der Verständigung einzubeziehen und Sportvereine für die positiven und Teilhabe. Mit der Festschreibung eines Auswirkungen dieser Einbeziehung zu sensibili- eigenen Handlungsfelds „Sport“ im Nationalen sieren. In Hamburg wird ein mehrsprachiges Inter- Integrationsplan wurde dem integrationsför- net-Informationsportal für junge Frauen und deren dernden Potenzial des Sports Rechnung getragen. Familien zu lokalen Sportangeboten entwickelt. 2008 wurde von der Integrationsbeauftragten Damit sollen vor allem Mädchen und junge Frauen der Bundesregierung und dem Beauftragten mit Migrationshintergrund angesprochen und für der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und den Sport gewonnen werden. 50 In Hessen werden nationale Minderheiten die ständige Arbeits- über die Initiative „START-Sport überspringt kultu- gruppe „Integration und Sport“ einberufen, die relle Hürden“, Trainerinnen mit Migrationshinter- Empfehlungen entwickelt, wie die Integration von grund als Übungsleiterinnen ausgebildet und in Menschen mit Migrationshintergrund in den Sport Sportvereinen eingesetzt. Auch viele lokale Initia- und durch den Sport verbessert werden kann. tiven und Projekte fördern das Zusammenleben von 48 Menschen mit und ohne Migrationshintergrund Die große Bedeutung des Sports für die Integration durch Sport – insbesondere im Rahmen des Quar- wird durch das bundesgeförderte Programm tiersmanagements in benachteiligten Stadtteilen. „Integration durch Sport“ aufgegriffen. Das Programm wird vom Deutschen Olympischen Sport Integration und Kultur bund und den 16 Landessportbünden bzw. den Die kulturelle Dimension von Integration wird meist Einrichtungen der Sportjugend umgesetzt und vom in Bezug auf zwei Aspekte diskutiert: Erstens wird BMI / Bundesamt gefördert. Ziel des Programms eine Akzeptanz des in der Verfassung repräsentierten ist die Heranführung von Menschen mit Migrations- Wertekanons gefordert und gleichzeitig betont, hintergrund an den Sport in Vereinen. Hierbei dass dies nicht die Aufgabe der eigenen kulturellen wurden im Jahr 2007 knapp 500 Stützpunktvereine Identität der Menschen mit Migrationshintergrund mit insgesamt etwa 38 000 Teilnehmerinnen und bedeute. Zweitens wird darauf hingewiesen, dass Teilnehmern gefördert. Menschen mit Migrations- ein angemessener Umgang mit und die Akzeptanz hintergrund stellen mit 20 900 die Mehrzahl. von kultureller Vielfalt eine notwendige Kompetenz 49 für das Leben in einer zunehmend heterogenen Die Stiftung Mercator fördert mit Unterstützung des Gesellschaft sei. Im Nationalen Integrationsplan ist Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und der Bereich der Kultur als ein Handlungsfeld der Integrationsförderung benannt. Angesetzt wird 47 Weitere Informationen sind unter http://www.dija.de abrufbar. 48 http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2009/08/2009-08-12-boehmer-sport-bringtbewegung.html 49 Vgl. Baur, Jürgen (Hg.): Evaluation des Programms „Integration durch Sport“, Potsdam 2009. 28 hier vor allem bei der Förderung der kulturellen Bildung von Menschen mit Migrationshintergrund, 50Vgl. http://www.shemoves.hamburg.de a – das bundesweite integrationsprogramm der interkulturellen Öffnung der Kulturinstitutionen sowie der Verankerung von Integration als Querschnittsthema der Kulturpolitik und Kulturverwaltung. Da kulturelle Bildung integrationsfördernd vor allem vor Ort stattfindet, engagieren sich hier auch die Länder und Kommunen in Zusammenarbeit mit zahlreichen freien Trägern. Seit 2003 fördert beispielsweise Nordrhein-Westfalen Kunst- und Kulturprojekte etwa aus den Bereichen Theater, Musik, Bildende Kunst, Performance, Tanz, multimediale Projekte, die kulturelle Elemente unterschiedlicher Nationalitäten kombinieren und die traditionellen Grenzen auflösen. In Fokus des vielfältigen Handlungsfelds gesellschaftliche Integration steht die aktive Teilhabe und Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben. Dabei geht es insbesondere auch um die Förderung und Einbeziehung ihrer Kompetenzen und Ressourcen. Bearbeitet werden sollten im bundesweiten Integrationsprogramm daher insbesondere Aspekte, mit denen ein Beitrag zur Förderung der aktiven Mitwirkung von Menschen mit Migrationshintergrund geleistet werden kann: Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung stärken Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen durch interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit verbessern Bürgerschaftliches Engagement Querschnittsthemen Neben diesen Themen gibt es eine Reihe übergreifender Fragestellungen, die in allen Handlungsfeldern von Belang sind und ebenfalls Berücksichtigung gefunden haben. Dies sind insbesondere Mitgestaltung und Partizipation, interkulturelle Öffnung und Antidiskriminierung, Evaluation und Qualitätssicherung sowie die Vernetzung von Akteuren und Angeboten im Rahmen der Integration. Auch zu diesen Aspekten sind Empfehlungen formuliert worden. Mit Ausnahme des Themas Evaluation, für das ein eigenes Kapitel verfasst wurde, wurden sie dabei als Querschnittsthemen in den einzelnen Handlungsfeldern behandelt. 29 B – Sprachliche Integration B Sprachliche Integration 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld sprachliche Integration Integrationsangebote und -bemühungen in allen Hand- als nur umgangssprachliche Deutschkenntnisse er- lungsfeldern – Bildung, berufliche und gesellschaft- forderlich. Schulische Leistungsfähigkeit hängt liche Integration – sind auf Kommunikation angewie- weniger von der allgemeinen Kommunikationsfähig- sen. Miteinander leben setzt voraus, von anderen keit, sondern vom Verfügen über spezifische verstanden zu werden und andere selbst verstehen zu Redemittel ab, die in Lernaufgaben, Lehrwerken und können. Angebote zur Förderung der Deutschkennt- Prüfungen verwendet werden.51 Die Lern- und Bildungs- nisse sind daher Kern der Integrationsförderung von erfolge von Kindern mit Migrationshintergrund Bund und Ländern. Sie werden ergänzt durch vielfältiges werden daher besonders auch davon bestimmt, ob sie Engagement von Kommunen und privaten Trägern. diejenigen sprachlichen Fähigkeiten besitzen, die schul- und unterrichtsrelevant sind. Internationale Ver- Die Förderung von Deutsch als Zweitsprache setzt an gleichsstudien, insbesondere die PISA-Studien, zeigen, den zentralen bildungsbiografischen Abschnitten dass Jugendliche mit Migrationshintergrund im an. Sie soll sicherstellen, dass Kindern, Jugendlichen Durchschnitt nicht über die gleichen Lesekompetenzen und Erwachsenen, deren Muttersprache nicht Deutsch verfügen wie Schülerinnen und Schüler ohne Migrati- ist, der Zugang zu Bildung, Ausbildung, Arbeit und onshintergrund. Sind die sprachlichen Kompetenzen anderen gesellschaftlichen Bereichen nicht durch gleich, werden Kinder mit Migrationshintergrund fehlende Deutschkenntnisse verwehrt oder deutlich gegenüber Kindern ohne Migrationshintergrund im erschwert wird. Deutschförderung geschieht daher Übergang von der Grundschule in die weiterführende nie isoliert, sondern muss immer Bezug nehmen auf die Schule nicht benachteiligt. Dieser Befund macht jeweiligen Bildungsphasen, insbesondere die früh- deutlich: Bildungssprachliche Deutschkenntnisse sind kindliche Bildung, das Lernen in der allgemeinbilden- zentral für den Schulerfolg und damit auch den ge- den Schule, die Ausbildung im Betrieb und in der samten weiteren Bildungsweg.52 berufsbildenden Schule, das Studium oder die berufliche Weiterqualifizierung. Spracherwerb ist ein viel- Neben guten Deutschkenntnissen kann auch die schichtiger Prozess, der nicht nur die Aneignung der Herkunftssprache ergänzend eine wichtige Ressource Redemittel im engeren Sinne (Wörter, Sätze, Texte etc.), für die Integration darstellen, insbesondere in sondern darüber hinaus die kulturellen und sozialen bestimmten Bereichen des Arbeitsmarkts. Voraus- Aspekte von Sprache umfasst. Er bedarf gezielter För- setzung ist jedoch, dass sie – wie das Deutsche – auf derung, lebt aber auch vom Erproben der Sprachkennt- bildungssprachlichem Niveau beherrscht wird. nisse außerhalb formaler Bildungssituationen. Auch Vielfach entspricht die in den Familien vermittelte informelle Lern- und Kommunikationsorte, etwa die Herkunftssprache jedoch nicht den (Schrift-)Stan- Familie oder der Freundeskreis, spielen daher eine Rolle. dardsprachen der Herkunftsländer. Um erfolgreich einen Schul- oder Berufsabschluss zu erreichen, ein Studium zu absolvieren oder an einer beruflichen Weiterbildung teilzunehmen, sind mehr 30 51 Vgl. hierzu insbesondere die Arbeiten von Ingrid Gogolin. 52 Vgl. Haug (2008): a. a. O., S. 21. B – Sprachliche Integration Angesichts der grundlegenden Bedeutung der sprach- Jahren aus, bis Kinder, die in zwei Sprachen leben, dem lichen Integration und des engen Zusammenhangs Unterricht in ihrer Zweitsprache genau so folgen zu den einzelnen Bildungsabschnitten wurde für die können wie einsprachige Kinder. Arbeit im bundesweiten Integrationsprogramm in diesem Handlungsfeld ein breiter Ansatz gewählt. Im Die Deutschförderung für Kinder sollte daher Zentrum stand der Erwerb von (bildungssprachlichen) möglichst früh einsetzen und Brüche an den Über- Deutschkenntnissen in den unterschiedlichen gängen zwischen Kindertageseinrichtungen und bildungsbiografischen Phasen. Entwickelt werden Schulen einerseits sowie zwischen unterschiedlichen sollten Empfehlungen insbesondere für die Bereiche Förderangeboten andererseits vermeiden. Die Be- Deutsch als Zweitsprache in Kindertageseinrichtungen und Schulen durchgängig fördern Sprachliche Bildung für Ausbildung, Beruf und berufliche Weiterbildung vermitteln Mehrsprachigkeit als Potenzial für Ausbildung und Beruf nutzen deutung einer früh einsetzenden, kontinuierlichen Förderung des Deutscherwerbs wird auch im Nationalen Integrationsplan betont: Sprachliche Förderung muss, so der Beitrag der Länder, „möglichst früh und regelmäßig beginnen sowie systematisch aufgebaut sein.“53 Die Förderung von Kindern und Jugendlichen, die Deutsch als Zweitsprache lernen, ist Dabei standen u. a. Inhalte und Methoden der sprach- dabei nicht nur Aufgabe spezieller Förderangebote lichen Bildung, Aus-, Fort- und Weiterbildung des oder des Deutschunterrichts. Alle pädagogischen Fach- Personals, Qualitätssicherung, die Verknüpfung und kräfte sowie Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer Anschlussfähigkeit der Maßnahmen und die Koordi- müssen zunehmend in der Lage sein, neben ihren nation und Kooperation der Akteure und Angebote im pädagogischen und fachlichen Aufgaben auch die ent- Vordergrund. Auch der Integrationskurs stand im sprechenden sprachlichen Aspekte zu vermitteln. Fokus der Arbeiten. Dieser breite Ansatz unterscheidet Wichtig ist es auch, Eltern systematisch in die Förderung die Arbeit in diesem Handlungsfeld von der Vorgehens- der sprachlichen Entwicklung und damit auch der weise des Integrationsprogramms in anderen Bereichen. Bildungschancen von Kindern mit einer anderen Erstsprache als Deutsch einzubeziehen und ihnen die Das bundesweite Integrationsprogramm knüpft dabei hierfür erforderlichen Kompetenzen zu vermitteln. direkt an die Arbeiten des Nationalen Integrationsplans zu den Themen „Von Anfang an deutsche Sprache Sprachliche Bildung für Kinder und Jugendliche sollte fördern“ und „Gute Bildung und Ausbildung sichern, Umgangssprache und Schulsprache, gesprochene Arbeitsmarktchancen erhöhen“ an und entwickelt Sprache und Schriftsprache, (kindliche) Kommunika- Vorschläge zur Umsetzung einzelner Selbstverpflich- tion und fachlichen Diskurs miteinander verbinden. tungen aus diesen Bereichen. Das Konzept der durchgängigen sprachlichen Bildung setzt hier an.54 Durchgängige sprachliche Bildung 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld sprachliche Integration 2.1Bildungssprache Deutsch durch- gängig fördern Umgangssprachliche Fähigkeiten in der Zweitsprache können verhältnismäßig schnell erreicht werden. Der Erwerb bildungssprachlicher Kenntnisse dagegen erfordert eine langfristige, kontinuierliche Förderung – Experten gehen von einer Förderdauer von rund sechs 53 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 25. 54 Das Konzept der durchgängigen sprachlichen Bildung wurde im Rahmen des Modellprogramms „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ (FörMig) entwickelt und erprobt, das von 2005 bis Mitte 2009 von den zehn Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, NordrheinWestfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Schleswig-Holstein durchgeführt und vom Bundesministerium für Bildung und Förderung unterstützt wurde. Die Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms bauen unter anderem auf den Erfahrungen von FörMig auf. Die Konferenz der Kultusminister der Länder konnte sich nicht darauf verständigen, FÖRMIG nach Ende der Modellphase als gemeinsames Programm weiterzuführen. In den bisher beteiligten Ländern wurden jedoch Transferprojekte initiiert, die für die Weiterentwicklung und Verstetigung der gewonnenen Erfahrungen sorgen sollen. Koordiniert wird der Transfer durch eine vom Land Hamburg finanzierte Transferstelle an der Universität Hamburg. Vgl. http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de. 31 B – Sprachliche Integration umfasst neben der zeitlichen auch weitergehende Di- deren Deutschförderbedarf bei Kindern frühzeitig mensionen. Hinter dem Ansatz steht der Gedanke zu ermitteln. Die Einschätzung des Sprachstandes gezielte, systematische sprachliche Bildung von früh an und während der gesamten Bildungsbiografie für Kinder und Jugendliche sicherzustellen und Methodik und Angebote auf das Alter und die Sprachentwicklung der Kinder und Jugendlichen abzustimmen, von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund wird in der Regel im Alter zwischen vier und fünfeinhalb Jahren vorgenommen, um bei Bedarf vor der Einschulung noch ausreichend Zeit für eine gezielte Förderung zu haben. Die überwiegende Zahl der Spracherfassungsverfahren, die in den Ländern sprachliche Bildung in der Schule als Aufgabe aller Fächer zu verstehen und in ein ganzheitliches und aufeinander aufbauendes Gesamtkonzept einzubetten, eingesetzt werden, ist einsprachig Deutsch. Einzelne viele Beteiligte am Bildungsprozess eines Kindes einzubinden, neue Partner zu finden und Kooperationen zwischen den am Sprachbildungsprozess Beteiligten zu fördern, Sprachstands Fünfjähriger (HAVAS-5).55 Die Bundes- wo möglich, die Erst- und Zweitsprache zweisprachig aufwachsender Kinder füreinander fruchtbar zu machen. Verfahren versuchen, die Mehrsprachigkeit von Kindern mit Migrationshintergrund einzubeziehen, etwa das Hamburger Verfahren zur Analyse des regierung unterstützt verbindliche bundesweit vergleichbare Sprachstandstests für alle Kinder im Alter von vier Jahren und bei Bedarf eine verpflichtende gezielte Sprachförderung vor der Schule.56 Die Angebote zur frühkindlichen Deutschförderung der Länder sind in den letzten Jahren deutlich Dabei gibt es kein allgemeingültiges Konzept durch- ausgebaut und weiterentwickelt worden. Sie haben gängiger sprachlicher Bildung. Die Umsetzung dieser überwiegend einen kompensatorischen Ansatz und Grundsätze muss jeweils auf der Ebene der einzelnen sollen migrationsbedingte Deutschdefizite vor der Bildungseinrichtung geschehen und sich an ihren Einschulung ausgleichen. Teilweise richten sie sich jeweiligen Rahmenbedingungen und Bedürfnissen auch an Kinder ohne Migrationshintergrund, die orientieren. Die folgenden Empfehlungen geben besonderen Förderbedarf haben. Im Vordergrund Hinweise, wie die Umsetzung vor Ort geschehen kann. stehen insbesondere Kommunikation und alltägliche 2.1.1 Verständigung, teilweise auch ein erstes Heranführen Durchgängige sprachliche Bildung in Kindertageseinrichtungen und Schulen: Frühe Grundlagen legen – Bildungs- sprache Deutsch vermitteln an Schrift und Texte (Literacy-Erziehung). Einige Länder finanzieren zusätzliches pädagogisches Fachpersonal für die Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen mit hohem Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund (Bayern, Berlin, Hamburg, Frühkindliche sprachliche Bildung Hessen Niedersachsen und Rheinland-Pfalz).57 Die Sprachliche Bildung ist ein wesentlicher Aspekt des Mehrzahl der Länder setzt bei der frühkindlichen Bildungsauftrages und der Integrationsleistung von Deutschförderung auf freiwillige Maßnahmen. Kindertageseinrichtungen. Als Einrichtungen an Verpflichtend sind sie derzeit in Bayern, Berlin, Bran- der Schnittstelle zur Schule tragen sie maßgeblich denburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Sachsen- dazu bei, die Zukunftsperspektiven von Kindern – Anhalt und Schleswig-Holstein. In Rheinland-Pfalz mit und ohne Migrationshintergrund – zu gestalten. können im Einzelfall Verpflichtungen ausgesprochen Kinder, die Deutsch als Zweitsprache lernen, haben in ihren Familien nicht immer ausreichend Möglichkeit, Deutsch zu hören und zu sprechen. Frühzeitige Förderung in Kindertageseinrichtungen ist für sie daher von besonderer Bedeutung. Alle Länder haben systematische Sprachstandsmessungen vor der Einschulung eingeführt, um beson- 32 55 Vgl. Haug, Sonja (2008): a. a. O., S. 17. Hier ist auch eine ausführliche Übersicht der einzelnen Verfahren der Länder enthalten (Stand Mai 2008). Siehe auch Ehlich, Konrad et al. (2005): Anforderungen an Verfahren der regelmäßigen Sprachstandsfeststellung als Grundlage für die frühe und individuelle Förderung von Kindern mit und ohne Migrationshintergrund (BMBF, Bildungsreform Band 11), Bonn, Berlin 2005. 56 Vgl. CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 59 f. 57 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 114. B – Sprachliche Integration werden. In Nordrhein-Westfalen leiten sich aus der maßnahmen für die Schülerinnen und Schüler und verpflichtenden Sprachstandsfeststellung zwei andererseits Unterstützung für das pädagogische Jahre vor der Einschulung zusätzliche Sprachförder- Personal im Umgang mit dieser Herausforderung, maßnahmen ab. Hessen und das Saarland ergänzen etwa durch entsprechende Qualifizierungsangebote. freiwillige Vor(lauf)kurse vor der Schule durch eine Vorklasse, sollten die Deutschkenntnisse nach dem Schulische sprachliche Bildung fällt in die Zustän- Besuch der Vor(lauf)kurse nicht ausreichen. digkeit der Länder. Der Bund hat keine direkte Zuständigkeit, setzt jedoch politische und fachliche Übergang in die Grundschule Impulse und unterstützt die sprachliche Bildung Von besonderer Bedeutung sind an der Schnittstelle in der Schule durch die Verbesserung der Rahmen- zwischen Kindertageseinrichtungen und Grund- bedingungen, insbesondere durch die Förderung schulen die Kontinuität der Förderung und die Nach- der Ganztagsschule und der Bildungsforschung. haltigkeit der Lernfortschritte. In einigen Ländern Sie verstehen dies als Aufgabe aller Lehrkräfte und gibt es übergreifende Konzepte zur durchgängigen Fächer, Schulformen und Schularten. sprachlichen Bildung, die Brüche im Lern- und Bildungsprozess zwischen den Bildungseinrichtungen Mehrere Länder haben Rahmenrichtlinien bzw. vermeiden sollen, etwa in Berlin, Hessen oder Lehrpläne für Deutsch als Zweitsprache entwickelt, Schleswig-Holstein. Im Nationalen Integrationsplan etwa Bayern, Berlin, Hamburg, Thüringen und haben sich die Länder verpflichtet, gemeinsame bzw. Sachsen. Alle Länder bieten eine additive Förderung eng aufeinander abgestimmte Bildungs- und Er- „Deutsch als Zweitsprache“ an, den Schwerpunkt ziehungspläne für Kindertageseinrichtungen und legen sie dabei auf die frühe Förderung im Primar- Grundschulen zu erarbeiten. Diese Selbstverpflich- bereich sowie in der Sekundarstufe I (insbesondere tung ist in nahezu allen Ländern umgesetzt. In Bayern, in Haupt- und Realschulen). Für Kinder, die bei der Berlin, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein- Einschulung Deutschförderbedarf haben, gibt es Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein ist in einigen Ländern – etwa in Hessen und Baden- die institutionalisierte Kooperation zwischen Kin- Württemberg – Vor(bereitungs)klassen, durch die dertageseinrichtungen und Grundschulen gesetzlich die Kinder möglichst schnell an den Regelunterricht festgeschrieben. In manchen Ländern sind die herangeführt werden sollen. Fast alle Länder bieten Deutschförderangebote vor der Einschulung bzw. die zudem ergänzende Förderangebote an, in denen entsprechenden Fortbildungsangebote für das päda- Schülerinnen und Schüler in kleineren Gruppen ihre gogische Personal gezielt auf die Zusammenarbeit der Deutschkenntnisse verbessern können. Solche Förder- beiden Bildungseinrichtungen ausgerichtet. kurse finden zum Beispiel in Berlin, Brandenburg oder 58 Nordrhein-Westfalen statt. Ergänzt wird die DeutschSchulische sprachliche Bildung förderung der Länder häufig durch Elternbildung Aus der pädagogischen Praxis wird immer wieder bzw. -beratung sowie pädagogische Angebote oder berichtet, dass Schülerinnen und Schüler mit Deutsch Bildungsberatung für Schülerinnen und Schüler. In als Zweitsprache häufig nicht an den eigentlichen Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Hamburg, fachlichen Anforderungen des Unterrichts scheitern, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, sondern an seinen sprachlichen Voraussetzungen. Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen Für Schulen entsteht angesichts der wachsenden sollen zudem Probleme mit der Zweitsprache in Anzahl von Kindern mit unzureichenden Deutsch- allen Fächern berücksichtigt werden.59 Einzelne kenntnissen (in erster Linie Kinder mit Migrati- Länder fördern zudem weitere Angebote zur onshintergrund, aber auch Kinder mit Deutsch als Lernunterstützung, die insbesondere auch Kindern Erstsprache) dringender Handlungsbedarf. Dies und Jugendlichen mit Migrationshintergrund zugute betrifft insbesondere einerseits ergänzende Förder- kommen, wie etwa das von der Landesregierung 58 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 114. 59 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 120. 33 B – Sprachliche Integration Baden-Württemberg finanzierte Programm „Haus- haben häufig einen speziellen Förderbedarf. Für aufgaben, Sprach- und Lernhilfen“. Ergänzt werden Seiteneinsteiger gibt es in der Regel Vorbereitungs- diese Regelangebote durch Angebote privater Träger, maßnahmen, in denen sie zwischen sechs Monaten die – oft mit bürgerschaftlichem Engagement – Schü- und zwei Jahren von spezifisch qualifizierten lerinnen und Schülern mit Sprachschwierigkeiten Lehrkräften in ihrem Integrationsprozess begleitet Unterstützung und einen geschützten Raum zur werden. Um sowohl eine intensive Deutschförderung Spracherprobung und Lernunterstützung bieten. zu gewährleisten, als auch eine Integration in den Regelunterricht und den Klassenverband zu ermög- Rund ein Drittel der jungen Bevölkerung mit Migra- lichen, werden Förderklassen, Intensivklassen bzw. tionshintergrund (knapp 1,9 Millionen Personen) Sprachlernklassen angeboten, in denen sprachinten- ist selbst zugewandert. Viele von ihnen steigen erst sive Fächer getrennt unterrichtet werden, während während der Sekundarschulzeit oder der beruflichen in den weniger sprachorientierten Fächern bereits Ausbildung in das deutsche Bildungssystem ein. Sie eine Integration in den Klassenverband stattfindet. Empfehlungen Förderangebote abstimmen und aneinander koppeln Angebote zur sprachlichen Bildung in Kinder- koordinierte Deutsch- und Muttersprachenförderung tageseinrichtungen und Schulen sollten eng im Primarbereich. Das Gesamtkonzept schließt miteinander abgestimmt sein und aneinander darüber hinaus die Weitebildung des pädagogischen anknüpfen, damit Lernerfolge aufeinander Personals für die sprachliche Bildung ein. aufbauen können. Dies betrifft beispielsweise Vgl. http://www.stadt-koeln.de Deutsch(förder)unterricht, Fachunterricht, ergänzende Hausaufgabenhilfe und ähnliche In Baden-Württemberg wird im Rahmen der seit Angebote. 2009 eingeführten Einschulungsuntersuchung bei Kindern, für die ein besonderer Förderbedarf Die zur durchgängigen Förderung notwendigen besteht, ein runder Tisch einberufen, der sich aus Kooperationen zwischen Bildungseinrichtungen der Erzieherin / dem Erzieher, der Kooperations- sowie zwischen speziellen Förderangeboten und lehrkraft der aufnehmenden Grundschule, einer Regelangeboten sollten verstärkt und systemati- Ärztin bzw. einem Arzt des Gesundheitsamtes und siert werden. den Eltern zusammensetzt. Hier werden die individuellen Fördermaßnahmen für das Kind beraten Die Stadt Köln hat im Jahr 2004 die Umsetzung des und vereinbart. Durch dieses Forum können unter- „Kölner Gesamtkonzepts zur Sprachförderung“ schiedliche Förderangebote individuell gekoppelt beschlossen. Im Sinne einer stadtweit abgestimmten, und langfristig geplant werden. umfassenden bildungsbegleitenden und bildungsintegrierten Sprachförderung benennt das Konzept In Hessen werden durch das Programm „Modell- Handlungsschritte für einzelne Förderbereiche regionen Integration“ ganzheitliche Handlungs- ebenso wie zur Verbindung der Bildungsbereiche konzepte in den Regionen umgesetzt, um die untereinander und für die Zusammenarbeit aller verschiedenen Ebenen und Akteure auch im Bereich Beteiligten in Netzwerken. Einen Schwerpunkt Bildung / Sprachförderung zusammen zu führen. setzt das Kölner Gesamtkonzept dabei auch auf die Zusammenarbeit mit externen Institutionen. Neben Umsetzungshinweis: Anschlussfähigkeit herstellen der Deutschförderung findet auch die Förderung von Um Brüche des Lernerfolgs am Übergang zwischen Mehrsprachigkeit Berücksichtigung – etwa durch Bildungseinrichtungen zu vermeiden, sollten 34 B – Sprachliche Integration Mechanismen gefunden werden, die sicherstellen, Einheiten durch die zukünftigen Grundschullehr- dass Lernstand und -fortschritte der Kinder in einer kräfte. Zwischen beiden Bildungseinrichtungen Bildungseinrichtung dem pädagogischen Personal erfolgt eine enge Abstimmung, so dass ein nahtloser in der sich anschließenden Bildungseinrichtung Übergang der sprachlichen Förderung Gewähr transparent gemacht werden können, etwa durch leistet werden kann. Vgl. http://www.hamburg.de/ ein Lernportfolio. Auf Länderebene bestehen zum Teil bildung und www.stmas.bayern.de datenschutzrechtliche Schwierigkeiten, die im Sinne werden sollten. Im Interesse einer vertrauensvollen Konzepte durchgängiger sprachlicher Bildung in Bildungseinrichtungen umsetzen Zusammenarbeit zwischen Eltern und Bildungs- Um ein Konzept umfassender, durchgängiger einrichtungen ist die Zustimmung der Eltern zu sprachlicher Bildung erfolgreich und nachhaltig in einem Austausch von Informationen über Stand und Bildungseinrichtungen zu verankern, müssen deren Fortschritte der sprachlichen Bildung der Kinder von Leitung und Mitarbeitende unterstützt werden. zentraler Bedeutung. Erforderlich ist vor allem die Einbindung und Quali- der Kinder möglichst unbürokratisch überwunden fizierung des gesamten Personals für die DeutschverDie Anschlussfähigkeit sprachlicher Förderung und mittlung und den Umgang mit Mehrsprachigkeit. die Nachhaltigkeit der Lernerfolge am Übergang zweier Bildungseinrichtungen kann durch gemein- Die durchgängige Einbeziehung des Aspekts Sprache same Fortbildungen des pädagogischen Personals und Sprachvermittlung in den Alltag von Kinder- der beiden Bildungseinrichtungen (etwa von tageseinrichtungen und Schulen ist zeitintensiv. Um Kindertageseinrichtungen und Grundschulen) oder das Konzept konsequent umzusetzen und nachhal- durch gegenseitige Hospitationen der Fachkräfte der tige Wirkungen zu ermöglichen, sind angemessene betroffenen Bildungseinrichtungen gestärkt werden. Stunden- und Personalzuweisungen notwendig. Im Rahmen des Kooperationsprojektes „Sprachförderung in Kindertagesstätten unter der Mitwirkung von Grundschullehrkräften“ der Umsetzungshinweis: Rahmenbedingungen und Unterstützung für Kindertageseinrichtungen und Schulen Hamburger Behörde für Schule und Berufsbildung Die Einführung und langfristige Umsetzung eines übernehmen Pädagoginnen und Pädagogen Konzepts durchgängiger sprachlicher Bildung in aus den Grundschulen in Kooperation mit den Fach- Kindertageseinrichtungen und Schulen berührt dort kräften aus den Kindertageseinrichtungen die alle Bereiche und erfordert ein systematisches und sprachliche Förderung, um einen erfolgreichen gesteuertes Vorgehen. Die Umsetzung eines solchen Übergang aller Kinder in die Grundschule zu unter- Konzepts kann zum Beispiel durch den Einsatz von stützen. Es werden insbesondere Kinder gefördert, Sprachunterstützungslehrerinnen und -lehrern die nicht über die ihrer Altersgruppe entsprechenden oder Sprachassistentinnen und -assistenten begleitet Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen und werden. Hilfreich können auch feste wöchentliche deren Einschulung zum folgenden Schuljahr bevor- Treffen zum fachlichen Austausch und zur kollegi- steht. Die sprachliche Entwicklung der geförderten alen Beratung nicht nur für Deutsch-, sondern auch Kinder wird dokumentiert; die standardisierten für Fachlehrkräfte sein. Berichte sichern die Kontinuität der sprachlichen Förderung beim Übergang in die Grundschule. In den Bundesländern sollten die bisherigen Erfahrungen von Kindertageseinrichtungen und Ein ähnliches Konzept mit dem Namen „Vorkurs Schulen – wo sinnvoll – dokumentiert bzw. evaluiert Deutsch 240“ wird an bayerischen Kindertages- und hieraus Standards entwickelt werden, an denen stätten und Grundschulen umgesetzt. Hier erhalten sich Einrichtungen und pädagogische Fachkräfte Kinder mit Sprachförderbedarf im letzten Jahr vor orientieren können. Hierauf aufbauend sollten auch der Einschulung jeweils 120 Fördereinheiten durch Qualitätsstandards zur Vermittlung von und zum die Fachkräfte der Kindergärten und weitere 120 Umgang mit Sprache sowie interkulturelle Erziehung 35 B – Sprachliche Integration entwickelt werden (siehe dazu auch Kapitel C). Um sachsen, Bayern und Berlin seit 2008 ein Modellprojekt Maßnahmen in Kindertageseinrichtungen und Schulen durch, in dessen Rahmen Schülerinnen und Schülern stärker zu verzahnen, sollte diese Entwicklung von mit Migrationshintergrund an Hauptschulen er- Standards im Dialog zwischen der Jugend- und Famili- gänzende Deutschförderung angeboten wird. Gemein- enministerkonferenz und der Kultusministerkonferenz sam mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, der Länder geschehen. Bei (Modell)Programmen Unterrichtspraxis und Verwaltung wird ein Unter- und Projekten sollte dem Ergebnistransfer besonders richtskonzept zum begleitenden bildungssprachlichen Rechnung getragen werden – etwa in Form eines Deutschunterricht entwickelt, dessen Ziel es ist, Leitfadens für Kindertageseinrichtungen und Schulen. sprachliche Defizite auszugleichen, die einem erfolg- Ein bundesweites Portal mit Beispielen guter Praxis, reichen Schulabschluss entgegen stehen. Dabei steht Qualifizierungs- und Materialangeboten für die Praxis die Bildungssprache Deutsch im Mittelpunkt: Mit den sollte die breite Umsetzung durchgängiger sprachlicher erworbenen Kenntnissen sollen die Jugendlichen Bildung unterstützen. Hierzu kann beispielsweise das dem Unterricht besser folgen und sich mündlich und bereits bestehende Informationsangebot des Deutschen schriftlich aktiv an ihm beteiligen können. Das Projekt Bildungsservers ausgebaut werden. stellt Module für einen ergänzenden bildungssprachlichen Deutschunterricht von der 5. bis zur 9. Klasse Bildungssprachliche Deutschkenntnisse in der Schule vermitteln bereit. Die Umsetzung begann 2009 in den beteiligten In den Schulen kann der Deutschunterricht allein kann durch Maßnahmen der Länder ergänzt werden, nicht die erforderlichen, umfangreichen fach etwa durch Elternarbeit oder intensive Beratung sprachlichen Anforderungen der einzelnen Schul- und Begleitung der Jugendlichen am Übergang in die fächer vermitteln. In allen Unterrichtsfächern ist Ausbildung. Das Modellprojekt, das bis 2011 läuft, daher eine systematische, koordinierte Vermittlung wird wissenschaftlich evaluiert. Es verdeutlicht, wie der Bildungssprache Deutsch erforderlich, damit Bund und Länder ihre Kräfte bündeln können, ohne die Schülerinnen und Schüler schul- und bildungs- Zuständigkeiten aufzulösen. Ländern an jeweils sieben Standorten. Der Unterricht relevante sprachliche Fähigkeiten in verschiedenen Themen- und Wissensbereichen ausbilden können. Fachliches und sprachliches Lernen sollte 60 Umsetzungshinweis: Fächerübergreifende Vermittlung von Deutsch dazu in den einzelnen Fächern stärker miteinander In der Praxis hat es sich für Schülerinnen und Schüler verbunden werden. als hilfreich erwiesen, wenn bei der fächerüber greifenden Vermittlung von Deutsch durchgängig die Für Kinder und Jugendliche, die zusätzlichen Deutsch- gleichen Methoden verwendet werden. Einzelne förderbedarf haben, um dem Fachunterricht erfolgreich Schulen haben hierbei gute Erfahrungen etwa mit zu folgen, können ergänzend auch extracurriculare fächerübergreifend in der Klasse genutzten Lese- Lernangebote zur Stärkung ihrer bildungssprachlichen Rechtschreibkladden oder kontinuierlich fortgeschrie- Kompetenzen bereitgehalten werden. benen Fachglossaren gemacht. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt ge- Besondere Lernräume für die Deutschförderung nutzen meinsam mit Partnern in den Bundesländern Nieder Die besonderen Möglichkeiten, die sich in Kindertageseinrichtungen und Horten bieten, um 60 Die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz der Länder für das Fach Deutsch in Haupt- und Realschule weisen insbesondere mit Blick auf die Unterstützung des sprachlichen Lernens von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund darauf hin, dass die Ausbildung sprachlicher Fähigkeiten auch in den anderen Fächern bewusst gestärkt und weiterentwickelt werden muss. Vgl. Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder (Hg.) (2005): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz - Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Hauptschulabschluss (Jahrgangsstufe 9), München, S. 7 bzw. Dies. (2004): Beschlüsse der Kultusministerkonferenz Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Schulabschluss, München, S. 7. 36 Alltagssituationen und die Interaktion der Kinder untereinander für die sprachliche Förderung zu nutzen, sollten systematisch und auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse der Spracherwerbsforschung erschlossen werden. Auch in Ganztagsschulen bieten sich besondere Chancen, die Lebenswelt und Bildungsgelegen- B – Sprachliche Integration zu nutzen. Die zusätzliche Zeit sollte intensiv für Lehr- und Lernmaterialien für durchgängige sprachliche Bildung entwickeln die Sprachförderung genutzt werden. Um Zur Umsetzung durchgängiger sprachlicher diese Chancen für die sprachliche Bildung wahr- Bildung – insbesondere im Fachunterricht – ist es zunehmen, sollten die Schulprogramme und notwendig, entsprechende Lehr- / Lernmaterialien pädagogischen Konzepte von Ganztagsschulen zu entwickeln. Um eine größere Verbreitung systematisch um den Aspekt der sprachlichen zu erreichen, sollten diese auch computergestützte Bildung und einen bewussten Umgang mit Mehr- Selbstlernmöglichkeiten enthalten (vgl. das sprachigkeit ergänzt werden. Beispiel des von der Universität Hamburgs entwi- heiten im Alltag für die sprachliche Förderung ckelten Qualifizierungsbausteins „durchgängige Umsetzungshinweis: Durchgängige sprachliche Bildung in Ganztagsschulen Sprachförderung“ in Abschnitt 2.1.4 dieses Kapitels.) Die regionalen Serviceagenturen, die im Rahmen eingerichtet wurden und den Schulen vor Ort Akteure außerhalb der Kindertageseinrichtungen und Schulen einbeziehen Erfahrungsaustausch, den Transfer guter Beispiele Akteure und Lernorte außerhalb von Kinder- sowie Beratungs- und Fortbildungsangebote tageseinrichtungen und Schulen können ermöglichen sollen, sollten die Schulen auch bei der wertvolle Beiträge zur Verknüpfung formeller Verankerung von Angeboten sprachlicher Bildung und informeller Sprachförderung leisten unterstützen. Dies kann beispielsweise durch ein und zusätzliche Sprechgelegenheiten schaffen. begleitendes Coaching bei der Umsetzung von Hierzu können insbesondere Kooperationen durchgängigen Sprachförderkonzepten, durch zwischen Kindertageseinrichtungen / Schulen Unterstützung bei der Entwicklung entsprechender und Angeboten von Migrantenorganisationen, Schulprogramme oder durch Fortbildungsveranstal- Einrichtungen der Jugendarbeit und zu Bibli- tungen geschehen. otheken und anderen Einrichtungen genutzt des Ganztagsschulprogramms des Bundes werden. Diese Kooperationen sollten systeCurricularen Rahmen bereitstellen matisch gefördert werden, etwa durch die Ein- Bildungspläne für Kindertageseinrichtungen sowie bindung in lokale Netzwerke der sprachlichen Bildungs-, Lehr- und Rahmenpläne für Schulen Bildung oder durch gemeinsame Projekte sollten durch die zuständigen Länderministerien (vergleiche auch Kapitel C). im Hinblick auf durchgängige sprachliche Bildung, den Umgang mit Mehrsprachigkeit und interkul- Bürgerschaftliches Engagement kann die profes- turelle Erziehung systematisch überarbeitet und sionelle Arbeit von pädagogischen Fachkräften stärker aneinander angeglichen werden. im Bereich sprachliche Bildung bereichern und ergänzen, jedoch keinesfalls ersetzen. Als Die Initiativen einzelner Länder, gemeinsame ergänzende Angebote durch bürgerschaftliches bzw. eng aufeinander abgestimmte Bildungs- und Engagement eignen sich insbesondere inter- Erziehungspläne für Kindertageseinrichtungen kulturelle Projekte und Begegnungen, Erkundungen, und Grundschulen zu erarbeiten – wie etwa in Hessen sprachliche Begegnungen, Lesepaten, Lesenächte, und Thüringen –, sollten ausgebaut und auch in Tutorenprogramme und ähnliche Angebote. anderen Bundesländern aufgegriffen werden. Sie Die Kooperation von Bildungseinrichtungen mit sollten auch die weiterführenden Schulen Freiwilligen bzw. Ehrenamtlichen braucht ver- einbeziehen. lässliche, stützende und begleitende Strukturen, um eine erfolgreiche Verbindung von professi- Die unterschiedlichen Aktivitäten zur Förderung oneller Arbeit und freiwilligem Engagement zu bildungssprachlicher Fähigkeiten sollten fächer ermöglichen (vergleiche hierzu auch die Aus- übergreifend in einem Gesamtsprachencurriculum führungen zu bürgerschaftlichem Engagement in verknüpft werden. Kapitel D). 37 B – Sprachliche Integration Angebote für Seiteneinsteiger bereitstellen Förder-, Intensiv- bzw. Sprachlernklassen, in denen Sprachliche Bildung bei der Umsetzung von Bildungsstandards berücksichtigen sprachintensive Fächer getrennt unterrichtet werden, Fragen des Stellenwerts des Bereichs Deutsch als während in weniger sprachorientierten Fächern Zweitsprache sowie der interkulturellen Bildung im bereits eine Integration in den Klassenverband statt- Qualitätsdiskurs schulischer Bildung in Deutsch- findet, sollten auf maximal 2 Jahre begrenzt werden. land sollten bei der Umsetzung der Nationalen Kompetenzen und Fähigkeiten sollten nicht aufgrund Bildungsstandards stärker Rechnung getragen von Sprachschwierigkeiten ungenutzt bleiben; der werden.61 Auch Herkunftssprachen als fremdsprach- fachsprachliche Einsatz der Herkunftssprache kann liche Angebote an Schulen haben bei der Entwick- dabei unterstützend genutzt werden. lung und Diskussion von Bildungsstandards bisher nur wenig Berücksichtigung gefunden. Vor diesem Für Seiteneinsteiger, die über eine „gymnasiale Hintergrund sollten die von der Kultusministerkon- Oberstufen-Berechtigung“, jedoch nicht über ferenz der Länder entwickelten Bildungsstandards ausreichende Deutschkenntnisse für einen direkten und ihre Umsetzung dahingehend überprüft Übergang in das Gymnasium verfügen, sollten werden, wie diesen Aspekten stärker Rechnung passgenaue Maßnahmen entwickelt werden, die getragen werden kann. einen raschen Erwerb bildungssprachlicher Deutschkenntnisse und damit die Aufnahme in die Forschungsdesiderate gymnasiale Oberstufe ermöglichen, etwa im Verstärkte Forschung ist notwendig zur Beschrei- Rahmen von Vorkursen. bung altersgemäßer Sprachentwicklung, zum Problem der Weiterentwicklung der Sprachkompe- Umsetzungshinweis: Beratungsangebote für Seiteneinsteiger tenz in der Erst- und Zweitsprache nach der Phase des Primärspracherwerbs (longitudinale Studien), Um den spezifischen Förder- und Beratungsbedürf- zur Beschreibung von Unterrichtsprozessen, zur nissen von Seiteneinsteigern (und ihren Eltern) Wirkung mehrsprachiger Bildungskonzepte, zur gerecht zu werden, kann es hilfreich sein, bei den Rolle von interkulturellen Kompetenzen in der Schulämtern Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sprachvermittlung, zur Wirkung von Interventionen speziell für die Beratung von Seiteneinsteigern ein- und längerfristig angelegten Sprachbildungs- zusetzen. Diese können gezielt auf geeignete konzepten, zur Wirksamkeit, Praktikabilität und Förderangebote (auch außerschulischer Träger) Anschlussfähigkeit von Sprachstandsfeststellungs- hinweisen und grundsätzliche Informationen über verfahren und Sprachtests an die pädagogische das deutsche Bildungssystem vermitteln (vergleiche Praxis sowie zur Entwicklung von Qualitätskon- Kapitel C). Darüber hinaus können sie Schulen dabei zepten für den Unterricht Deutsch als Zweitsprache. unterstützen, bei Seiteneinsteigern sprachliche und sonstige Lernschwierigkeiten zu unterscheiden, und sie bei der Entwicklung bedarfsgerechter Förderangebote beraten. 61 Zur Entwicklung und Umsetzung der Bildungsstandards vgl. http://www.kmk.org/bildung-schule/qualitaetssicherung-inschulen/bildungsstandards/ueberblick.html. 2.1.2Eltern bei der sprachlichen Bildung partner- schaftlich einbeziehen und unterstützen Kinder lernen Sprache in Beziehungen. Der Spra- und Weise der Kommunikationsanlässe, an denen cherwerb wird in den ersten Lebensjahren eines sie sich beteiligen. Intensive Interaktion der Eltern Kindes daher maßgeblich von Eltern und Familie mit dem Kind, die Sprechanreize schafft, unter- geprägt. Zentral für die kindliche sprachliche stützt die natürliche Sprachentwicklung. Eltern Entwicklung sind die Qualität der Sprechimpulse, mit einer anderen Erstsprache brauchen jedoch welche an die Kinder gerichtet werden und die Art oft Hilfe und Anleitung, wie sie ihre Kinder bei der 38 B – Sprachliche Integration Sprachentwicklung im Deutschen zielgerichtet Kindertagesstättenbesuch und Sprachentwicklung fördern können. umfassen.“62 Die Einbindung der Eltern in den Sprachförder- Eltern mit einer anderen Herkunftssprache sollten prozess und die Stärkung ihrer Erziehungskom- dazu ermutigt werden, in derjenigen Sprache mit petenzen sind bereits wichtige Bestandteile vieler ihren Kindern zu sprechen, die sie am besten beherr- frühkindlicher Sprachförderangebote. Häufig schen und in der sie sich am wohlsten fühlen. Bei vielen werden parallel zum Spracherwerb der Kinder wird dies ihre Herkunftssprache sein. Für den Inte- Angebote an die Eltern zur Partizipation am Alltag grationsprozess der Familie und den Bildungsweg der der Kindertageseinrichtung und zum Erlernen der Kinder ist aber auch die Bereitschaft der Eltern von deutschen Sprache oder Angebote der Bildungs- und Bedeutung, ihre eigenen Deutschkenntnisse zu ver- sozialen Beratung gemacht, etwa in Form beglei- bessern. Sie sollten deshalb motiviert werden, selbst tender Eltern-Kind-Veranstaltungen, teilweise Deutsch zu lernen. Um dies zu unterstützen, haben die auch als umfassende Erziehungspartnerschaften Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flücht- (vergleiche auch Kapitel C). linge und Integration, die Kultusministerkonferenz der Länder und das Bundesamt für Migration und Die intensive Zusammenarbeit mit Eltern zum Flüchtlinge in einem gemeinsamen Schreiben Anfang Thema Sprachförderung sollte über das Engage- 2009 Schulen in Deutschland über Integrationskurse ment einzelner Kindertageseinrichtungen und für Eltern informiert. Unter dem Titel „Deutsch lernen – Schulen hinaus jedoch grundsätzlich integraler Deutschland kennenlernen. Damit unsere Kinder bes- Bestandteil der pädagogischen Arbeit der Bildungs- sere Chancen haben“ hat das Bundesamt für Migration einrichtungen sein. Wichtig ist in diesem Zu- und Flüchtlinge im Sommer 2009 eine Motivationskam- sammenhang die Frage, wie Eltern mit Migrations- pagne initiiert, um Eltern für die Teilnahme an Eltern- hintergrund systematisch und nachhaltig dabei integrationskursen zu gewinnen (vgl. auch Kapitel C). unterstützt werden können, die Entwicklung der Deutschkenntnisse ihrer Kinder gezielt zu för- Die folgenden Empfehlungen beziehen sich auf die dern. Der Nationale Integrationsplan betont Rolle der Eltern bei der sprachlichen Bildung die zentrale Rolle der Zusammenarbeit mit Eltern ihrer Kinder. Empfehlungen zur Zusammenarbeit in diesem Zusammenhang. Die Länder setzen mit Eltern werden in Kapitel C dargestellt. sich dort für „die Einführung systematischer und zielgerichteter Elternansprache und -information ein, die die Themen frühe Förderung, frühzeitiger 62 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 26. Empfehlungen Inhalte und Formen der Zusammenarbeit mit Eltern zur sprachlichen Förderung ausgestalten Ansätze der Zusammenarbeit mit Eltern mit Mi- Eltern, Kindertageseinrichtungen und Schulen grationshintergrund sollten auch Angebote sollten ihre Aktivitäten zur sprachlichen Förderung zur Stärkung der Kompetenzen der Eltern zur der Kinder aufeinander beziehen, um eine Unterstützung des Spracherwerbs ihrer Kinder möglichst große Wirkung zu erreichen. Die Kinder- umfassen, etwa durch Elternbildungsprogramme tageseinrichtungen und die Schulen sollten ihre bzw. „Family-Learning-Kurse“. Für Elternbil- Erwartungen an die Eltern dabei klar formulieren. dungsprogramme sollten die Möglichkeiten der Familienbildung als Teil der Jugendhilfe nach Multiplikatorenprogramme erleichtern die Arbeit mit § 16 SGB VIII Kinder- und Jugendhilfegesetz stärker Eltern und wirken über die Kindertageseinrichtungen genutzt werden. und Schulen hinaus. In verstärktem Maße sollten 39 B – Sprachliche Integration deshalb Kooperationen zwischen professionellen Kinder verbessern können – unabhängig davon, Sprachförderangeboten in Bildungseinrichtungen ob die Kinder ein- oder mehrsprachig aufwachsen. und Akteuren mit Multiplikatorenfunktion gefördert Die Elternbriefe werden vom Arbeitskreis Neue werden, etwa bei der Ausbildung von „Stadtteil- Erziehung herausgegeben und erreichen über ein müttern“ (vgl. die Ausführungen zum Projekt „Stadt- bundesweites Netz von Jugendämtern, freien teilmütter“ in Berlin-Neukölln in Kapitel C). Trägern der Jugendhilfe sowie Familienbildungsund -beratungseinrichtungen rund 500 000 Eltern. Umsetzungshinweis: Formen der Zusammenarbeit mit Eltern Die Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshin- Sprachliche Bildung als Bestandteil von Erziehungspartnerschaften einführen tergrund bei der Förderung der sprachlichen Bildung Im Rahmen von Erziehungspartnerschaften ihrer Kinder kann – auf partnerschaftlicher Ebene zwischen Elternhaus und Kindertageseinrichtung und orientiert an den Bedürfnissen der Eltern und bzw. Schule sollten Eltern auch über Fördermöglich- Kinder – unterschiedliche Formen annehmen: keiten der sprachlichen Entwicklung ihrer Kinder Aufsuchende Elternarbeit informiert und dazu ermutigt werden, ihre eigenen Spielgruppen für Eltern und Kinder Vorstellungen zu formulieren. Zusammenarbeit mit Elternvereinen zugewanderter Eltern Elterninformationsabende und -kongresse Unterstützung bei Weiterbildungswünschen Elternschulungen zu Themen der (sprachlichen) Bildung (auch mehrsprachig) Elternbildungsprogramme zur Erhöhung der Erziehungskompetenz Elternbriefe Umsetzungshinweis: Sprachliche Bildung als Aspekt von Erziehungspartnerschaften In Elterngesprächen kann die jeweils individuell passende Vorgehensweise bei der Einbeziehung der Eltern in die sprachliche Bildung der Kinder gemeinsam bestimmt werden. Konkrete Inhalte und Formen der Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtung und Eltern bei der sprachlichen Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Förderung der Kinder können in einer Bildungsver- Frauen und Jugend bietet seit 2009 zwei Extra-Eltern- einbarung gemeinsam festgehalten werden. briefe zum Thema Sprachentwicklung und Sprachförderung an. Die neuen Elternbriefe sind neben Forschungsdesiderate Deutsch in weiteren neun Sprachen verfügbar: Die Wirkung von Programmen, die Eltern aktiv in Englisch, Polnisch, Türkisch, Arabisch, Französisch, die Sprachförderung ihrer Kinder einbeziehen, muss Griechisch, Italienisch, Russisch und Serbisch. Die systematisch evaluiert und erforscht werden. Ebenso Elternbriefe greifen Fragen rund um die sprachliche fehlen umfassende Forschungsarbeiten zur Frage, Entwicklung von Kindern auf und geben Eltern welche kultursensible Ansprache notwendig ist, um praxisnahe Tipps, wie sie die Fähigkeiten ihrer Eltern mit Migrationshintergrund zu erreichen. 2.1.3 Sprachliche Bildung am Übergang Schule – Ausbildung: Berufsvorbereitende Deutschkenntnisse vermitteln, Ausbildungschancen stärken Die Bedeutung von Sprache ist in Ausbildung und berufsbezogenen Deutschkenntnissen ist deshalb zu Arbeit kontinuierlich gewachsen. Fehlende bildungs- einem wichtigen Bestandteil der beruflichen sprachliche und berufsbezogene Deutschkenntnisse Bildung und Weiterbildung von Jugendlichen mit sind in vielen Fällen eine der Hauptursachen für Migrationshintergrund geworden und sollte als die geringe Ausbildungsbeteiligung von Jugendlichen Auftrag aller zuständigen Bildungsinstitutionen mit Migrationshintergrund. Die Vermittlung von im Übergangssystem Schule – Ausbildung bzw. Be- 40 B – Sprachliche Integration ruf verstanden werden. Herkunftssprachliche mit ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen an, Kenntnisse können ergänzend eine Ressource für die auch über das Ende der Schulzeit hinausgehen Ausbildung und Beruf darstellen. Das Erlernen (vgl. B.2.1.1).63 Eine solche Einbindung von Sprachför- fachsprachlicher Kenntnisse ihrer Herkunftssprache derangeboten in lokale Netzwerke des Übergangs- kann deshalb für Jugendliche am Übergang in den managements findet bisher selten statt. Beruf ebenfalls von Bedeutung sein. Für Jugendliche, die nicht direkt in eine betriebUnterschiedliche Phasen der Vorbereitung auf liche, schulische oder universitäre Ausbildung eine Berufstätigkeit stellen Jugendliche und junge wechseln (können), werden unterschiedliche Erwachsene vor verschiedene sprachliche Heraus- Angebote in verschiedener staatlicher Trägerschaft forderungen, die in den Qualifizierungsangeboten bereitgehalten. Jugendliche mit Migrationshin- adäquat reflektiert werden müssen. Konzepte der tergrund sind in diesen Maßnahmen überdurch- schulischen und außerschulischen sprachlichen schnittlich häufig vertreten. Sprachliche Bildung ist Bildung am Übergang Schule - Ausbildung sollten in diesen Angeboten entweder ein eigenständiger daher an die drei Kernbereiche Berufsorientierung, Bestandteil oder spielt zumindest indirekt eine Ausbildungs- bzw. Berufsvorbereitung und Ausbil- Rolle. So gibt es etwa im Rahmen des Berufsvorbe- dungsbegleitung (auch zur Vermeidung von Ausbil- reitungsjahres bzw. Berufseinstiegsjahres, das in dungsabbrüchen) angelehnt sein. Eine wichtige Baden-Württemberg für schulpflichtige Jugend- Rolle spielt dabei das Übergangsmanagement. liche verpflichtend ist, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, auch Klassen gezielt für Jugend- Für Jugendliche und junge Erwachsene werden liche ohne bzw. mit geringen Deutschkenntnissen. sprachliche Bildungsangebote in den letzten Jahren Auch das in Bayern angebotene Berufsintegrations- der Sekundarstufen I und II angeboten, die vielfach jahr verbindet Elemente der betrieblichen Praxis, auch bereits den Eintritt ins Erwerbsleben in den der allgemeinen sowie der berufsvorbereitenden Blick nehmen. Diese Maßnahmen enthalten häufig schulischen Qualifizierung mit Sprachförderung. auch andere Elemente der berufsvorbereitenden Qualifizierung und Beratung. Die meisten enden Die Bundesagentur für Arbeit erprobt an 14 Stand- jedoch mit dem Ende der Schulzeit. Projekte, die im orten das Modellprojekt „GINCO-Ganzheitliches Sinne einer tatsächlichen „Übergangsbegleitung“ Integrationscoaching für junge Menschen in Sprachförderung mit Berufsorientierung und berufsschulischen Maßnahmen“. Das Modell- aktiver Unterstützung bei der Ausbildungsplatz- projekt ist eines von sechs Programmelementen suche bzw. bei den ersten Schritten in der Aus- der „Gemeinsamen Initiative zur verbesserten bildung verbinden und eine Kontinuität über den Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Schulabschluss hinaus herstellen, werden kaum Migrationshintergrund“ der Integrations- durchgeführt. Erschwert wird eine solche langfris- beauftragten des Bundes, des BMAS und der tige Förderung über die Schulzeit hinaus unter Bundesagentur für Arbeit. Ziel ist es, den direkten anderem auch durch förderrechtliche Schwierig- Übergang von Jugendlichen, die sich in einer keiten bei der Verzahnung von Regelinstrumenten Berufsvorbereitung an Berufsschulen befinden aus unterschiedlichen Rechtskreisen. Ein Beispiel für (z. B. BVJ, BGJ, Jungarbeiterklassen) in reguläre einen übergreifenden Ansatz ist das Kooperations- Ausbildung signifikant zu erhöhen. Hierbei haben projekt „Chancen nutzen, Perspektiven schaffen – die Träger große Freiheiten, ihre ganzheitlichen Berufsorientierung und Sprachförderung für inhaltlichen Ansätze konzeptionell den indi- Jugendliche mit Migrationshintergrund“ des Landes viduellen Bedarfen der Teilnehmerinnen und Niedersachsen. In diesem Modellprojekt bietet Teilnehmer anzupassen. Neben dem Erwerb von Niedersachsen gemeinsam mit dem Bundesamt für sozialen Kompetenzen spielt die Vermittlung Migration und Flüchtlinge unterrichtsergänzende bildungssprachliche Deutschförderung für Hauptschülerinnen und -schüler in Kombination 63 Das Modellprojekt wird auch mit / in den Ländern Bayern und Berlin durchgeführt, hier jedoch ohne zusätzliche ausbildungsvorbereitende Maßnahmen. 41 B – Sprachliche Integration berufsvorbereitender Deutschkenntnisse eine Ausbildungsvorbereitende Deutschkenntnisse besonders wichtige Rolle. können auch in den bundesgeförderten Jugendintegrationskursen vermittelt werden. Diese Wichtiger Ort der berufsbezogenen sprachlichen richten sich an nicht mehr schulpflichtige junge Bildung für Jugendliche in einer Ausbildung ist Erwachsene bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres die Berufsschule. Die Länder haben im Nationalen und werden schwerpunktmäßig dazu genutzt, die Integrationsplan zugesagt, der berufsbezogenen Teilnehmerinnen und Teilnehmer sprachlich auf Sprachförderung für Jugendliche besondere Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt Aufmerksamkeit zu schenken. Fast alle Länder vorzubereiten. Durch die von 630 auf bis zu 945 haben mittlerweile Maßnahmen ergriffen, um die Unterrichtseinheiten erhöhte Dauer des Jugend- berufsbezogene Deutschförderung an berufsbil- integrationskurses konnte ein größerer Anteil denden Schulen zu verbessern – durch zusätzliche berufsorientierender Sprach- und Lerninhalte auf- Förderangebote, spezielle Ausgestaltung genommen werden. Ergänzt wird dies durch berufsvorbereitender Maßnahmen, Zuweisung die Möglichkeit, im Rahmen einer Praxisphase von zusätzlichen Lehrerstundenkontingenten innerhalb des Kurses erste praktische Erfahrungen oder Qualifizierungsmaßnahmen für Lehrkräfte in der Ausbildungs- und Arbeitswelt zu sammeln. an berufsbildenden Schulen.64 Doch auch der Im Rahmen sogenannter „Verbundprojekte“ kann Ausbildungsbetrieb trägt erheblich zur Förderung der Sprachkurs mit dem Erwerb eines Abschlusses der Sprachkompetenz bei. Für ausbildende Betriebe oder beruflicher Tätigkeit kombiniert werden. können Modelle entwickelt und erprobt werden, die diese gezielt in die sprachliche Bildung einbeziehen. Die folgenden Empfehlungen sollen einen Beitrag Dabei sollte nach Wegen gesucht werden, wie dazu leisten, eine Strategie für die Vermittlung Ausbildungsbetriebe als sprachliche Lernorte berufsbezogener Deutschkenntnisse zu entwickeln, erschlossen werden können, ohne diese sowie die die umfassend und nachhaltig dazu beiträgt, die dort tätigen Ausbilderinnen und Ausbilder zu vergleichsweise geringere Ausbildungsbeteiligung überfordern. dieser Jugendlichen zu verbessern. Grundlage einer Weiterentwicklung der Angebote muss dabei eine 64Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 130. genaue Beschreibung der Zielgruppen und ihrer Bedarfe sein. Empfehlungen Curriculare Rahmenbedingungen bereitstellen Sprachliche Bildung und interkulturelle Kompe- (können), sollten noch stärker als bereits bisher zur tenzen sollten Bestandteil der Rahmencurricula der Verbesserung der arbeitsweltbezogenen sprach- berufsbildenden Schulen werden. Darüber hinaus lichen Kompetenzen genutzt werden, etwa die durch sollte durch den Bund in seiner Zuständigkeit für die Bundesagentur für Arbeit finanzierten Aktivie- den Bereich der Ausbildungsverordnungen in rungshilfen für Jüngere oder berufsvorbereitenden Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern geprüft Bildungsmaßnahmen. Programmträger sollten ihre werden, in welchem Ausmaß die Vermittlung Angebote entsprechend modifizieren. Dabei sollte interkultureller Kompetenzen in der betrieblichen sichergestellt werden, dass diese Kurse sowohl neu Berufsausbildung verankert werden kann. zugewanderten Jugendlichen mit berufsvorbereitendem Sprachförderbedarf offenstehen, als auch Übergangsangebote systematisch für Deutsch förderung nutzen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die eine Übergangsangebote für Jugendliche, die nach der aber keinen Abschluss erworben bzw. trotz Abschluss Schule nicht direkt eine Berufsausbildung antreten sprachlichen Förderbedarf haben. Die Angebote 42 allgemeinbildende Schule in Deutschland besucht, B – Sprachliche Integration sollten sich an den jeweiligen Erfordernissen vor Ort Diese sollten systematisch dokumentiert, mit Blick orientieren und in das regionale Übergangsmanage- auf Transfermöglichkeiten ausgewertet und der ment eingebunden sein. Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden etwa im Rahmen einer Datenbank zu Beispielen guter Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die Praxis. Hierzu könnte gegebenenfalls das bereits ohne Abschluss die Schule verlassen, fehlen häufig bestehende „Good Practice Center“ zur beruflichen aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse auch Förderung von Benachteiligten des Bundesinstituts grundlegende Inhalte, die in der Schule in früheren für Berufsbildung genutzt werden. Klassenstufen behandelt werden. Neben Angeboten -absolventen sollten deshalb auch niederschwellige Sprachliche Bildung an berufsbildenden Schulen systematisch verankern Angebote der nachholenden Bildung mit hohen Da der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshin- sprachlichen Anteilen gefördert werden, die tergrund stetig ansteigt, ist der Fachunterricht in Jugendlichen die Chance bieten, nachträglich einen den berufsbildenden Schulen zunehmend auch Schulabschluss zu erwerben. Zweitsprachenunterricht. Die Rolle der berufs- zur Förderung von Schulabsolventinnen und bildenden Schulen im Bereich Deutsch als ZweitAktuelle Initiativen zur Koordinierung und sprache sollte deshalb deutlicher definiert werden, Optimierung der Angebote des Übergangsmanage- unter anderem durch die Entwicklung spezifischer ments und der stärkeren Orientierung am lokalen Konzepte zur Vermittlung bildungssprachlicher, Bedarf sollten insbesondere auch den Aspekt der berufsbezogener Kenntnisse von Deutsch als Zweit- berufsvorbereitenden bzw. arbeitsmarktorien- sprache. Länder, Kommunen und Hochschulen tierten Förderung von Deutsch als Zweitsprache bei sollten entsprechende Qualifizierungsangebote für der Entwicklung von lokalen Netzwerken des Lehrkräfte an beruflichen Schulen anbieten. Übergangsmanagements berücksichtigen. Hier bietet die Förderinitiative des Bundesministeriums Das Kompetenzzentrum Sprachförderung der Stadt für Bildung und Forschung „Regionales Über- Köln (2003 - 2007) hat ein Fortbildungsangebot gangsmanagement“ im Programm „Perspektive entwickelt, das eine Umsetzungsbegleitung für Berufsabschluss“ einen geeigneten Rahmen. Lehrkräfte von Berufskollegs sowie Lehrkräfte von Haupt-, Real- und Gesamtschulen, die am Übergang Umsetzungshinweis: Maßnahmen der niederschwelligen beruflichen Qualifizierung zur berufsvorbereitenden Deutschförderung nutzen Schule – Beruf arbeiten, enthält. Diese Lehrerinnen und Lehrer stehen oft vor dem Problem, in ihren sprachlich meist heterogenen Klassen Schülerinnen Die Bundesagentur für Arbeit fördert sogenannte und Schüler zum Lernen zu motivieren und zugleich Aktivierungshilfen, die sich an Jugendliche richten, sprachlich optimal zu fördern. Im Mittelpunkt die auf andere Weise nicht für eine berufliche Qua- der Fortbildungen steht die Förderung von Lese-, lifizierung motiviert werden können. Diese und Schreib- und Sprechfertigkeit sowie von Lernbe- ähnliche Angebote sollten noch stärker mit Mög- reitschaft und Lernfähigkeit bei den Schülerinnen lichkeiten der berufsvorbereitenden Förderung und Schülern. Hinzu kommen Fortbildungen zu von Deutsch als Zweitsprache ergänzt werden. Dabei Grammatik, zu Mehrsprachigkeit im Unterricht, ist zu klären, welcher Kostenträger die Finanzierung zu ressourcenorientierter Sprachdiagnose und zu dieser Ergänzungsangebote übernehmen kann. Methodentraining. Die Fortbildung richtet sich sowohl an Deutsch- als auch an Fachlehrkräfte. Umsetzungshinweis: Aus Erfahrungen bisheriger Projekte lernen Die Durchführung von getrenntem fachlichem Hilfreich sind in diesem Zusammenhang auch Unterricht und sprachlicher Förderung bringt Erfahrungen bereits vorhandener Modellprojekte häufig nicht die gewünschten Ergebnisse. Der zur berufsvorbereitenden bzw. berufsbezogenen Vorzug ist daher integrierten Fördermaßnahmen in Sprachförderung am Übergang Schule – Ausbildung. Form von Spracharbeit im Fachunterricht zu geben. 43 B – Sprachliche Integration Dies gilt sowohl für den Unterricht in Berufsschulen kenntnisse weiterentwickelt werden. Die Materialien im Rahmen der dualen Ausbildung als auch für die können begleitend zum Selbstlernen oder direkt im vollschulische Ausbildung in Berufsfachschulen. Unterricht eingesetzt werden. Neben Online-Modulen Dieser Aspekt sollte darüber hinaus in die von der mit interaktiven Übungen und Animationen werden Kultusministerkonferenz mit dem Nationalen auch Kopiervorlagen der Trainingsmaterialien und Integrationsplan angekündigte Überprüfung der Internetressourcen bereitgestellt. Die Entwicklung Wirkung bisheriger Maßnahmen berufsbezogener der Online-Materialien wurde vom Bundesamt Sprachförderung einbezogen werden. für Migration und Flüchtlinge unterstützt. Weitere 65 Informationen unter: http://www.sprachtraining Umsetzungshinweis: Angebote an berufsbildenden Schulen beruf.de kerung berufsbezogener sprachlicher Förderung des Sprachliche Bildung für Seiteneinsteiger am Übergang in die Ausbildung bereitstellen Deutschen als Zweitsprache in berufsbildenden Schulen Viele Jugendliche, die während ihrer Schulzeit nach sollte eine systematische Erfassung und Auswertung der Deutschland zuwandern, steigen erst in der Sekun- bereits bestehenden Angebote (der Länder) zur sprach- darschulzeit oder der beruflichen Ausbildung in das lichen Bildung in beruflichen Schulen vorgenommen deutsche Bildungssystem ein. Auch sie benötigen ge- sowie bestehende Rahmenpläne, Methoden und zielte, berufsvorbereitende Deutschförderung. Gerade Instrumente im Feld der berufsbildenden Schulen auf für diese Zielgruppe ist auch die Anerkennung ihren Anteil berufsbezogener Sprachförderung hin ihrer Herkunftssprache als Fremdsprache bedeutsam. Als Grundlage für eine verstärkte, systematische Veran- analysiert werden. Ausbildungsbetriebe als Sprachlernorte nutzen Begleitend sollte die Entwicklung didaktischer Materi- Die Sozialpartner sollten Ausbilderinnen und Aus- alien für den Berufsschulunterricht erfolgen, die bilder über die Thematik sprachliche Bildung und die Bedürfnisse von mehrsprachigen Auszubildenden interkulturelle Kompetenzen informieren und gege- aufgreifen. Hilfreich können hier auch computerge- benenfalls in Zusammenarbeit mit den Kammern stützte Online-Lerntools sein, die Möglichkeiten bieten, entsprechende Schulungsangebote organisieren. den Umgang mit berufsbezogener Kommunikation einzuüben wie beispielsweise das Führen von Berichts- Die Vermittlung von ausbildungs- und berufsbezo- heften. genem Deutsch als Zweitsprache ist in der Praxis der Berufsausbildung nur begrenzt möglich. Be- Im Rahmen des Projekts „Sprachtraining für Schule triebe sollten bei der Ausbildung junger Menschen und Beruf“ hat das Institut für Auslandsgermanistik / mit einer anderen Herkunftssprache deshalb falls Deutsch als Fremd- und Zweitsprache der Universität erforderlich durch ausbildungsbegleitende Hilfen im Jena neben einem Handbuch ein Online-Angebot Rahmen der Benachteiligtenförderung nach SGB III entwickelt, das sich sowohl an Schülerinnen und unterstützt werden. Bei einer Ausweitung ausbil- Schüler am Übergang von der Schule in den Beruf als dungsbegleitender Hilfen sollte der berufsbezogenen auch an ihre Lehrkräfte richtet. Für unterschiedliche sprachlichen Bildung als ausbildungsbegleitender Berufsfelder wurden Selbstlern- und Lehrmaterialien Förderung besonderes Augenmerk gelten. entwickelt und als Download zur Verfügung gestellt, die Jugendliche mit Migrationshintergrund unterstützen sollen, die sprachlichen Anforderungen einer Umsetzungshinweis: Unterstützung für Betriebe im Bereich sprachliche Bildung Berufsausbildung zu meistern. In einzelnen Modulen Betriebe sollten bei Bedarf verstärkt organisatorische können anhand konkreter Beispiele – etwa das Führen Unterstützung von Forschung und Praxis der eines Berichtshefts – ausbildungsbezogene Deutsch- Förderung des Deutschen als Zweitsprache erhalten. So könnten Hochschulen beispielsweise Beratungs- 65 Vgl. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 27. 44 angebote für Firmen entwickeln. Eine solche flankierende Förderung kann auch dazu beitragen, B – Sprachliche Integration den überproportional hohen Ausbildungsabbrüchen dass die Aufnahme einer Berufsausbildung der bei Migrantenjugendlichen entgegenzuwirken. entscheidende Schritt für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in Deutschland ist, ermöglicht es Zielgruppe ausbildungsbegleitender Hilfen sind nach vielen Jugendlichen mit Migrationshintergrund, SGB III lernbeeinträchtigte (§ 245 SGB III) und sozial die Notwendigkeit entsprechender Sprachkurse benachteiligte Ausbildungssuchende (§ 15 SGB III) und / zu erkennen. Beratungsangebote für Jugendliche oder Auszubildende (§ 14 SGB III), die wegen der in und Eltern mit Migrationshintergrund sollten ihrer Person liegenden Gründe ohne die Förderung vor diesem Hintergrund verstärkt werden und eine Berufsausbildung nicht beginnen, fortsetzen oder den Aspekt der sprachlichen Anforderungen einer erfolgreich beenden können. Förderungsbedürftig sind Berufsausbildung einbeziehen. auch Auszubildende, bei denen ohne eine Förderung ein Abbruch ihrer Ausbildung droht. Um ausbildungs- Forschungsdesiderate begleitende Hilfen umfassender zur Unterstützung Forschung ist notwendig zu Diagnoseinstrumenten von Auszubildenden mit Förderbedarf im Deutschen zur Sprachstandsanalyse und Evaluation des zu nutzen, müsste ggf. der gesetzlich förderfähige Lernerfolgs im berufsbezogenen Deutschunterricht Personenkreis erweitert werden. am Übergang Schule – Ausbildung. Träger ausbildungsbegleitender Hilfen müssen im Umsetzungshinweis: Zielgruppen- und Bedarfs analyse Rahmen ihrer Maßnahmen Förderunterricht anbieten, um bestehende Defizite, insbesondere auch Eine umfassende Analyse der Zielgruppen innerhalb der in den berufsbildenden Schulen, aufzuarbeiten. Dazu heterogenen Gruppe der Jugendlichen mit Migrations- gehört bei sprachlichen Problemen der Auszubil- hintergrund und ihrer spezifischen Bedarfe ist denden auch gezielte Sprachförderung, deren Umfang Voraussetzung für die Entwicklung konkreter Anforde- und Inhalt sich am individuellen Förderbedarf rungsprofile sowie für ergebnis- und bedarfsorientiert orientieren. Um berufsbezogene sprachliche Bildung gestaltete Angebote sprachlicher Bildung am Übergang stärker als bisher im Rahmen ausbildungsbegleitender Schule – Ausbildung bzw. Beruf und ihrer Verankerung Hilfen anzubieten, ist eine entsprechende Qualifizie- in einem Gesamtkonzept. Eine entsprechende Be- rung der Dozentinnen und Dozenten notwendig, die darfsanalyse könnte durch die Ressortforschungsein- im Bereich ausbildungsbegleitender Hilfen tätig sind. richtungen des Bundes durchgeführt werden. Eltern und Jugendliche zu sprachlichen Anforderungen von Berufsausbildungen beraten Die Einbeziehung der Eltern bei der Berufswahl kann in Fragen der Sprachkenntnisse entscheidend sein. Erst das Bewusstsein in den Familien, 2.1.4 Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals für die frühkindliche und schulische sprachliche Bildung Die Anforderungen, die sich an Fachkräfte der vor große Herausforderungen und erfordert spezi- sprachlichen Bildung, aber auch an andere fische Kompetenzen, die jedoch bisher häufig noch pädagogische Fachkräfte bei der Vermittlung von nicht ausreichend in Aus-, Fort- und Weiterbildung Sprache stellen, haben sich in den letzten Jahren vermittelt werden. gewandelt. Der Umgang mit einer wachsenden Zahl von Kindern, die Deutsch als Zweitsprache lernen, Sprachliche Bildung, der Umgang mit Mehrspra- stellt pädagogische Einrichtungen und ihr Personal chigkeit und interkulturelle Erziehung werden 45 B – Sprachliche Integration zunehmend als Aufgabe nicht nur spezieller Förder- Deutsch als Zweit- bzw. Fremdsprache kann eine angebote bzw. des Deutschunterrichts, sondern Chance bieten, bei der Neugestaltung der Studien- auch des Fachunterrichts und des allgemeinen angebote diese Fragestellungen in den Entwick- pädagogischen Alltags verstanden. Sie gewinnen lungsprozess einzubringen. daher in allen Aus-, Fort- und Weiterbildungen im pädagogischen Bereich an Bedeutung. Erziehe- Da neu qualifiziertes Personal kurzfristig nicht rinnen und Erzieher lernen in ihrer Ausbildung, ausreichend zur Verfügung steht, um den Bedarf Entwicklungs- und Bildungspotenziale zu diagnos- zu decken, ist auch die Fortbildung der bereits tizieren und sprachliche Förderkonzepte zu entwi- berufstätigen Lehrenden und Erziehenden ckeln. Aufgrund der Ausbildungsdauer und -breite von Bedeutung. Die Länder haben sich 2007 im kann die Regelausbildung jedoch häufig nicht Nationalen Integrationsplan verpflichtet, in den die hier erforderliche Tiefe erreichen. Fortbildungen folgenden fünf Jahren die notwendigen Fortbil- für Erzieherinnen und Erzieher zur frühkindlichen dungsmaßnahmen zu stellen, die es allen Lehr- Sprachförderung gehören zwar in allen Ländern kräften ermöglichen, ihren Sprachbildungsauftrag zum Regelangebot. Eine umfassende, vertiefende im Unterricht wahrzunehmen.66 Die meisten bieten Aufnahme der besonderen Sprachförderbedarfe heute fachübergreifende Fortbildungsmaßnahmen von mehrsprachigen Kindern in die reguläre für den Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“ und Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher steht in als Ergänzung Fortbildungen zur Vermittlung der Breite jedoch noch aus. interkultureller Kompetenz an. Die Teilnahme an den Angeboten ist in der Regel freiwillig. In der Mehrzahl der Länder wird das Thema Deutsch als Zweitsprache verstärkt in alle grund- Kompetenzen in Bezug auf sprachliche Bildung ständigen Lehramtsstudiengänge aufgenommen. und Mehrsprachigkeit sind jedoch nicht nur In Berlin wurde mit dem Wintersemester 2007/08 für Erzieherinnen und Erzieher bzw. Lehrkräfte für alle Studierenden, die einen Lehramtsabschluss relevant. Insbesondere für folgende weitere anstreben, ein Pflichtmodul „Deutsch als Zweit- Berufsgruppen im pädagogischen Bereich sind sie sprache“ eingeführt, das aus einem Grundlagen- ebenfalls von Bedeutung: Sozialpädagogen bzw. modul in der Bachelor-Phase und einem Aufbau- Schulsozialarbeiter, Personal an Hochschulen, modul in der Master-Phase besteht. Für die Ausbil- das mit der Lehrkräfteausbildung betraut ist, dung zum Lehramt an berufsbildenden Schulen gilt Ausbildungspersonal in der zweiten Lehrkräfte- das Modul „Erziehungswissenschaft und Deutsch ausbildungsphase, im Bereich außerschulische als Zweitsprache“. In Hamburg soll künftig ein Sprachförderung für Kinder und Jugendliche entsprechendes Modul in die Masterausbildung Tätige, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zum Lehramt aufgenommen werden. In Nordrhein- Leitungskräfte von außerschulischen Bildungsein- Westfalen sollen ab dem Wintersemester 2011/2012 richtungen. Studierende aller Lehramtsstudiengänge das Fach „Deutsch für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte“ als Pflichtmodul belegen. Die ersten Studiengänge werden ab dem Wintersemester 2009/2010 angeboten. Diese Beispiele können eine Orientierung bieten, um künftig durchgängig in Ausbildung, Studium und Vorbereitungsdienst von Beginn an zu vermitteln, dass pädagogische Fachkräfte neben einem fachlichen auch einen Auftrag zur sprachlichen Bildung haben. Die Umstellung der Studienstruktur auf Bachelor-/Master-Studiengänge im Studienfach 46 66Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 25. B – Sprachliche Integration Empfehlungen Rahmenbedingungen der Qualifizierung des päda gogischen Personals berücksichtigen Aus-, Fort- und Weiterbildung der pädagogischen Beratungs- und Informationsstellen zum Thema Fachkräfte müssen praxisgerecht umgesetzt und sprachliche Bildung. in einen konzeptionellen und institutionellen auf andere relevante Aspekte nehmen (zum Beispiel Inhalte der Qualifizierung und Umsetzung ausgestalten Literacy–Erziehung) und in Koordination und Die Priorität der Aus-, Fort- und Weiterbildungen Kooperation mit den Pädagoginnen und Pädagogen sollte auf der Methodik und Didaktik von Deutsch in den beteiligten Einrichtungen erfolgen. als Zweitsprache sowie dem wertschätzenden Rahmen eingebettet werden. Sie sollte dabei Bezug Umgang mit Mehrsprachigkeit liegen. Fachschulen Maßnahmen der Professionalisierung und Quali- und Hochschulen sollten eine noch stärkere Ver- fizierung sind dann besonders gewinnbringend, bindung von Theorie und Praxis in der Qualifizierung wenn sie längerfristig ausgerichtet sind, etwa in anstreben. Form von Fortbildungsreihen. Die Pädagoginnen und Pädagogen in KindertagesBesondere Beachtung sollten Teilzeitstudiengänge stätten und Schulen sollten bei ihrer Querschnitts- finden, die eine berufsbegleitende Weiterbildung aufgabe als Sprachvermittler durch adäquate Spiel-, ermöglichen. Erzieherinnen/Erzieher, Lehrkräfte Unterrichts- und Praxismaterialien unterstützt und andere pädagogische Kräfte, die an Weiter- werden. Die Fachverlage sollten die Anforderungen bildungsveranstaltungen teilnehmen, sollten sprachlich zunehmend heterogener Lerngruppen rechtzeitig und problemlos freigestellt werden kön- in den von ihnen entwickelten Materialien stärker nen. Für die damit verbundenen Aufwendungen berücksichtigen. sollten im Voraus finanzielle und personelle Ressourcen bereit stehen. Dies setzt aber auch entsprechendes Engagement der pädagogischen Kräfte voraus. Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen Personals für den Elementar- und Primarbereich sicherstellen Die Länder sollten für Erzieherinnen und Erzieher Umsetzungshinweis: Umsetzungsbegleitung ein Modul „Sprachliche Bildung“ bzw. eine Um eine nachhaltige Wirkung von Aus-, Fort- und Zusatzausbildung verpflichtend einführen, in Weiterbildungen sicherstellen zu können, ist eine deren Rahmen ein vielfältiges Repertoire zur Begleitung der Umsetzung der neuen Inhalte Sprachstandsfeststellung und sprachlichen Bildung und Methoden wichtig. Diese sollte die Teilnehmen- der Kinder unter Einbeziehung von interkultureller den dabei unterstützen, das Gelernte in ihren Pädagogik vermittelt wird. Entsprechende Weiter- Einrichtungen zu verankern. Sie sollte zudem die bildungsangebote, die Theorie und Praxis der Leitungsebene von Schulen und Kindertages- sprachlichen Bildung verbinden, können beispiels- einrichtungen bei der strategisch-programma- weise von den Fachschulen für Sozialpädagogik tischen Umsetzung begleiten. Hilfreich kann die angeboten werden. Einrichtung eines solchen Begleitsystems auf der Ebene des Schulbezirks sein. Ergänzend können Im Rahmen des Modellprojekts: „ErzieherInnen weitere Beratungs- und Unterstützungsformen als ExpertenInnen für Sprachförderung (PEES)“ den Transfer der Ausbildungsinhalte stärken, zum der Technischen Universität Dortmund ist ein Beispiel Foren und Arbeitsgruppen für einen Curriculum für einen weiterbildenden Aufbaubil- kollegialen Erfahrungsaustausch oder die Ein- dungsgang Sprachförderung an Fachschulen für richtung von „Sprachlernkoordinatorinnen und Sozialpädagogik entwickelt worden. Im Zentrum -koordinatoren“ an Kindertageseinrichtungen dieser Weiterbildung steht neben Sprachdiagnostik und Schulen – wie etwa in Hamburg – bzw. von und Sprachförderung auch interkulturelles Lernen. 47 B – Sprachliche Integration Studierenden dieses Aufbaubildungsgangs wird Gelegenheiten geboten, ihr Vorwissen in berufs- Qualitätsstandards für die Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule und Evaluation. spezifischen (didaktisch aufbereiteten) Situationen zu erproben. Sie werden durch Lehrende begleitet Weitere Informationen unter und unterstützt, die ihnen ergänzendes Fachwissen http://www.mk.niedersachsen.de vermitteln und sie zur intensiven Reflexion anleiten. Der Aufbaubildungsgang umfasst 600 Unterrichts- Rheinland-Pfalz fördert die Weiterbildung von stunden und wird berufsbegleitend angeboten. Fachkräften für die frühkindliche Deutschförderung auf der Grundlage eines seit 2008 geltenden Die für die inhaltliche Neuausrichtung der Erzie- Qualitätsrahmens. Landesweit wurden rund herinnen- und Erzieherausbildung erforderlichen 1 000 Expertinnen und Experten zu „Sprachför- Ressourcen und Strukturen sollten durch die derkräften“ weitergebildet und ein landesweites Einstellung zusätzlichen Personals geschaffen Netz von über 50 Weiterbildungsanbietern werden. Diese Forderung greift auch der Koalitions- geschaffen. Die Sprachförderkräfte werden im vertrag der CDU / CSU – FDP-Regierungskoalition Rahmen des Landesprogramms „Zukunftschance auf. Um die Höhe zusätzlicher Finanzierung Kinder – Bildung von Anfang an“ eingesetzt, in im Rahmen zu halten sollte geprüft werden, welche dem jährlich rund 18 000 Kinder zusätzlich zur Strukturveränderungen notwendig sind bzw. normalen Bildungs- und Erziehungsarbeit in den ob und welche Bereiche wegfallen können, um neue Kindergärten in ihrer Sprachentwicklung gefördert Inhalte im Bereich sprachliche Bildung aufzu- werden. Weitere Informationen sind unter nehmen. http://www.sprachfoerderkraefte.de/ abrufbar. Um eine enge Zusammenarbeit zwischen Kinder- Umsetzungshinweis: Aus-, Fort- und Weiterbildung im Elementarbereich 67 tageseinrichtung und Grundschule bei der sprachlichen Bildung zu erreichen, sollten Konzepte und Angebote der Aus-, Fort- und Weiterbildung, die Angebote für gemeinsame Fortbildungen von Sprachförderkompetenzen und Kompetenzen für den Erzieherinnen und Erziehern, Lehrkräften und Umgang mit mehrsprachigen Gruppen für Erziehe- Sozialpädagoginnen und -pädagogen entwickelt rinnen und Erzieher vermitteln, sollten insbesondere werden. umfassen: Allgemeine Spracherziehung dung“ des Landes Niedersachsen werden Fachkräfte Spezifische Sprachbildung (insbesondere für mehrsprachige Kinder) aus Kindergärten und Grundschulen in folgenden Kenntnisse über Erst- und Zweitsprachentwicklung Bereichen gemeinsam weiterqualifiziert: Kenntnisse über Schriftsprachvorläufer Im Rahmen des Modellprojekts „Teams für Fortbil- Kenntnisse über Sprachentwicklungsprobleme Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Bildung und Lernen, Methoden der Sprachstandserfassung / diagnostische Fähigkeiten Verfahren zur Beobachtung und Dokumentation des Entwicklungsstands und der Lernentwicklung von Kindern in Kindergarten und Grundschule, Methoden der Sprachförderarbeit Anleitung zur Einbeziehung von Eltern in die sprachliche Bildung der Kinder Interkulturelle Pädagogik Planung und Umsetzung von Fördermaßnahmen auf der Grundlage der Ergebnisse von Beobachtungsverfahren unter Berücksichtigung der Lernfelder im Orientierungsplan und der Kerncurricula, Die Bundesagentur für Arbeit hat im Rahmen Zusammenarbeit mit den Eltern, Migrationshintergrund“ zusammen mit der der „Gemeinsamen Initiative für die verbesserte Arbeitsmarktintegration für Menschen mit Integrationsbeauftragten der Bundesregierung 67 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 60 f. 48 und dem BMAS eine Maßnahme zur Verbesserung B – Sprachliche Integration der Integrationschancen von arbeitslosem Die Zahl der Hochschulstandorte, an denen Studien- pädagogischem Betreuungspersonal entwickelt. gänge Deutsch als Zweitsprache angeboten werden, ist Die Teilnehmenden werden insbesondere in nicht ausreichend, um die geforderten Pflichtmodule den Bereichen frühkindliche Sprachförderung, für alle Lehramtsstudiengänge flächendeckend interkulturelle Kompetenz sowie Kommunikation anzubieten und den Bedarf an Fort- und Weiterbildun- und Elternarbeit geschult. So sollen nicht nur gen zu decken. Vor diesem Hintergrund muss zunächst die Erhöhung der Integrationschancen von die institutionelle Basis geschaffen werden, um arbeitslosem pädagogischem Betreuungspersonal die Aspekte Sprache und Interkulturalität stärker im aufgrund der erworbenen Kompetenzen, sondern Lehramtsstudium aufzunehmen. Die Entwicklung auch die verbesserte Frühförderung von Kindern einer netzgestützten und damit dezentralen Deutsch mit Migrationshintergrund erreicht werden. als Zweitsprache-Ausbildung mit Online- bzw. interaktiven Lernmaterialien kann die Teilnahme an Modulen Studienfach „Deutsch als Zweitsprache“ stärker an der Praxis orientieren „Deutsch als Zweitsprache“ auch an Standorten ermöglichen, die keinen solchen Schwerpunkt haben. Die Inhalte des Faches Deutsch als Zweitsprache sollten sich stark an den Erfordernissen der Praxis Im Rahmen des Modellprojekts „FörMig online Durch- orientieren. Forschung und Praxis des Lernens und gängige Sprachförderung: Ein Qualifizierungsbau- Lehrens von Deutsch als Zweitsprache sollten noch stein für Lehrkräfte aller Fächer in der Sekundarstufe I“ stärker miteinander verzahnt werden. entwickelt die Universität Hamburg aufbauend auf den Erkenntnissen aus dem Modellprojekt „Förderung Absolventinnen und Absolventen des Faches Deutsch von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter- als Zweit- bzw. Fremdsprache ist in der Regel eine grund“ multimediale Qualifizierungsbausteine für die reguläre Tätigkeit im Schuldienst nicht möglich (eine Lehrkräftefortbildung zu den Themen durchgängige Ausnahme bilden die deutschen Auslandsschulen). Sie Sprachförderung und Umgang mit sprachlich hetero- könnten jedoch verstärkt als Beraterinnen und Berater genen Lerngruppen. Das Material wird in Kombination für sprachliche Bildung in Bildungseinrichtungen – von Präsenzlehrangeboten und Selbststudium flexibel auch der Schule – eingesetzt werden, etwa zur Beglei- einsetzbar sein. Das Projekt wird als Modellprojekt tung der Umsetzung eines Konzepts durchgängiger des bundesweiten Integrationsprogramms durch das sprachlicher Bildung oder zur Weiterqualifizierung Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gefördert. des pädagogischen Personals. Dies sollte bereits während der Ausbildung berücksichtigt werden. Für die inhaltliche Neuausrichtung der Bachelorund Master-Studiengänge könnten die notwen- Aus-, Fort- und Weiterbildung für die sprachliche Bildung in allgemein- und berufsbildenden Schulen umfassend gewährleisten digen Ressourcen und Strukturen durch zusätzliche Für Lehrkräfte aller Fachrichtungen, Schulformen stellt werden. Um die Höhe zusätzlicher Finanzie- und Schulstufen sollte ein Modul sprachliche Bildung rung im Rahmen zu halten, sollte geprüft werden, verpflichtend sein, das in die Vermittlung von welche strukturellen Änderungen notwendig Deutsch als Zweitsprache einführt und interkultu- sind bzw. ob und welche Bereiche zugunsten relle Kompetenzen sowie solche für den Umgang neuer Inhalte der sprachlichen Bildung wegfallen mit Mehrsprachigkeit umfasst. Die Akkreditierung könnten. Lehrkapazitäten und Finanzierung von Bildungsforschung zur Unterstützung der Länder bereitge- neuer Bachelor- und Master-Studiengänge in allen Lehramtsstudiengängen sollte an ein solches, Um den hohen Bedarf an Weiterqualifizierung des verpflichtendes Studienmodul gebunden sein, so wie pädagogischen Personals kurz- bis mittelfristig zu es etwa in Nordrhein-Westfalen der Fall ist. Besonders decken, kann die Konzentration auf die Ausbil- dringend notwendig ist die verstärkte Einführung dung von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren von Elementen der Didaktik des Deutschen als und die Entwicklung von Online- bzw. interaktiver Zweitsprache für die berufsbildenden Schulen. Lernmaterialien hilfreich sein. 49 B – Sprachliche Integration Umsetzungshinweis: Gesamtkonzept „Deutsch als Zweitsprache / sprachliche Bildung“ Zur Erarbeitung von Vorschlägen für die Weiterentwicklung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte bzw. des pädagogischen Personals im Bereich sprachliche Bildung / Deutsch als Zweitsprache und eines ent- Fähigkeit, die Mehrsprachigkeit von Schülerinnen und Schülern als Potenzial wahrzunehmen und zu fördern Kenntnisse über die Bedeutung der familiären bzw. außerschulischen Kommunikationspraxis und die Fähigkeit, vor allem Eltern als Bildungspartner zu gewinnen sprechenden Gesamtkonzepts sollten bestehende Gremien wie etwa der Fachverband Deutsch als Fremd- Die Angebote sollten mit der Praxis der Ausbildungs-, sprache stärker genutzt werden. Gegebenenfalls kann Berufs- und Arbeitswelt verknüpft werden. Hierzu eine Arbeitsgruppe mit Beteiligung aller zentralen Ak- sollten Fachkräfte aus der Praxis in die Konzipierung teure eingerichtet werden. Das Bundesamt für Migration von Fort- und Weiterbildungen einbezogen werden. Zur und Flüchtlinge kann hierfür Unterstützung anbieten. Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften können auch die Erfahrungen der Studienkollegs an Hochschulen Umsetzungshinweis: Inhalte und Praxisanbindung der Aus-, Fort- und Weiterbildung für die schulische sprachliche Bildung von Deutsch als Zweitsprache genutzt werden. Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote zur sprach- In Nordrhein-Westfalen sieht das Gesetz zur Neuge- lichen Bildung sollten Fach(lehr)kräfte dafür sensibilisie- staltung der Lehrerausbildung vor, dass alle Lehramts- ren, dass die Vermittlung von fachlichen Inhalten mit studierende Leistungen in „Deutsch für Schülerinnen einem Eingehen auf die sprachlichen Fähigkeiten und die und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte für alle Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen einher- Lehrämter“ als eigenständiger Einheit erbringen gehen muss. Inhalte von Studienmodulen für Lehramts- müssen. Die Technische Universität Dortmund sowie studierende bzw. Weiterbildungsangeboten sollten je die Universitäten Duisburg / Essen und Köln haben nach Intensität und Dauer insbesondere sein: gemeinsam mit der Stiftung Mercator ein Modul Kenntnisse über Zweitsprachenerwerbstheorien „Deutsch als Zweitsprache“ für die Lehrerbildung Methodisch-didaktische Aspekte der Vermittlung des Deutschen in heterogenen Lerngruppen, die Kenntnisse über grammatische Besonderheiten der deutschen Sprache einschließen entwickelt, das die Anforderungen des Gesetzes Kenntnisse über Prinzipien zur Sprachaneignung, nach Alter und Lernsituation differenziert umsetzt und neben der wissenschaftlichen Ausbildung auch einen praktischen Anwendungsbereich als Förderlehrkraft vorsieht. Das Modul gliedert sich in ein Grundlagenmodul für die Bachelor-Phase Kenntnisse über Prozesse, die den Spracherwerb und das Sprachenlernen unterstützen und einen Aufbauteil für die Master-Phase. Im Diagnostische Fähigkeiten zur Feststellung lernerspezifischer Entwicklungen mehrsprachige und multikulturelle Lehrpraxis Beispielhaft strukturelle Fremdsprachenkenntnisse in Partnersprachen, um Fehlerdiagnosen zu erstellen, Lernschwierigkeiten zu erkennen und individuelle Sprachfördermaßnahmen einleiten zu können sammenhang zwischen Erst- und Zweitsprache. In der Bachelor-Modul werden die Studierenden auf die vorbereitet und erhalten erste Einblicke in den ZuMasterphase sollen sie insbesondere darin geschult werden, den Zusammenhang von fachlichem Reflexion von Unterrichtskommunikation und Kenntnisse im Umgang mit Binnendifferenzierung im Unterricht und sprachlichem Lernen zu durchdringen. Das Kritische Auseinandersetzung mit den Einsatzmöglichkeiten von Materialien für Deutsch als Zweitsprache- und den Fachunterricht schulen des Landes zur Verfügung gestellt. Informa- Interkulturelle Bildung Weitere Schlüsselkompetenzen (zum Beispiel Präsentationskompetenz, Moderationskompetenz, Organisationskompetenz, Empathie, Kooperationsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Beratungskompetenz) 50 mit der Gestaltung von Fachunterricht für Lernende Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen hat das Modul allen Hochtionen zum Modul sind unter http://www.mercatorfoerderunterricht.de erhältlich. Qualität der Aus-, Fort- und Weiterbildung „Deutsch als Zweitsprache“ sicherstellen Länder, Hochschulen und Fachverbände (und gegebenenfalls weitere Akteure) sollten gemeinsam ein- B – Sprachliche Integration heitliche Standards bzw. Qualitätskriterien für die Ausbildung im Bereich Deutsch als Zweitsprache entwickeln und umsetzen. Diese können als Grundlage für eine weitere Ausdifferenzierung von Studien- und Förderung der Sprachbewusstheit bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Erfassen sprachlicher Kenntnisse der Lernenden und didaktisch-methodische Umsetzung Ausbildungsangeboten dienen. Verbunden damit sollte Sowie insbesondere für den Bereich der beruflichen die Einführung eines zentralen Qualitätsmanage- Bildung: ments in der Ausbildung des pädagogischen Personals Interkulturelle Kompetenz als Qualifikation, wo für die jeweilige Berufsausbildung relevant bzw. der Lehrkräfte durch die Hochschulen sein. Didaktik des Lesens von Fachtexten Instrumente der Qualitätsentwicklung und -sicherung für den Unterricht von Deutsch als Zweitsprache sollten in Fortbildungen an bereits tätige pädagogische Fachkräfte bzw. Lehrkräfte vermittelt werden. Entsprechende Angebote sollten gemeinsam durch Hochschulen und Träger konzipiert und angeboten werden. Intensive Kommunikation und Kooperation zwischen Schule und Betrieb (Neue) Kommunikationsformen und -regeln im Betrieb / am Arbeitsplatz Transparenz und Information sicherstellen Bereits bestehende Aus-, Fort- und Weiterbildungs Umsetzungshinweis: Qualitätsentwicklung angebote sollten transparent und systematisch Qualitätskriterien bzw. Standards für Aus-, Fort- und gebündelt der Fachöffentlichkeit zugänglich Weiterbildungen im Bereich Deutsch als Zweitsprache gemacht werden. Bisherige Erfahrungen von sollten die Aspekte Service-, Produkt- und Programm- Modellprojekten sollten systematisch ausgewertet qualität einschließen. Qualitätsmerkmal sollte dabei und für den Transfer aufbereitet werden. auch eine enge Verbindung von Forschung und Praxis sein. Um neu zu entwickelnde Standards für Studien- Es sollten regionale „Sprachzentren“ eingerichtet gänge bzw. -module „Deutsch als Zweitsprache“ auf werden, in denen Fortbildung und Materialent- eine breite Basis zu stellen, sollten bei ihrer Erarbeitung wicklung, Vernetzung zwischen den Trägern von Hochschulinstitute für Deutsch als Zweitsprache Ausbildungsangeboten und Schulen, Migrantenor- beteiligt sein, ebenso die Sprach- und Trägerverbände ganisationen sowie anderen Akteuren sprachlicher und die Länder. Bildung koordiniert und angeboten werden. Didaktische Materialien entwickeln Umsetzungshinweis: Informationsangebot Es müssen hochschuldidaktische Materialien entwickelt Hilfreich kann in diesem Zusammenhang die werden, die das Thema für alle Richtungen und Ziel- Entwicklung eines Online-Informationssystems sein, gruppen des Deutschunterrichts und des Fachunter- das von den Deutsch als Zweitsprache-Instituten richts aufbereiten. Auch für Fort- und Weiterbildungs- der Universitäten bzw. von Weiterbildungsträgern maßnahmen muss didaktisches Material für die befüllt wird und perspektivisch auch als Lern- und einzelnen Einsatzfelder entwickelt werden. In die Studienplattform bzw. als Forum für Expertinnen Materialentwicklung sollten auch die Erfahrungen und Experten, Praktikerinnen und Praktikern von Kammern und Berufsverbänden eingehen, insbe- genutzt werden kann (gegebenenfalls unter Weiter- sondere bei der Erstellung von Materialien für die entwicklung bestehender Online-Angebote). Weiterbildung von Ausbilderinnen und Ausbildern. Umsetzungshinweis: Didaktische Materialien Pädagogisches Personal mit Migrationshintergrund: Potenziale für die sprachliche Bildung nutzen Didaktische Materialien für die unterschiedlichen Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migrations- Einsatzfelder der sprachlichen Bildung sollten sich hintergrund können eine wichtige Rolle bei der mit neu entstandenen Herausforderungen be- interkulturellen Öffnung der Bildungseinrichtungen, fassen wie: der Zusammenarbeit mit zugewanderten Eltern Mehrsprachigkeit in Lerngruppe, Klassenzimmer und Betrieb und der Wertschätzung und Förderung von Mehrsprachigkeit und der sprachlichen Bildung 51 B – Sprachliche Integration spielen (vergleiche hierzu Kapitel C). Für bereits hier Erstellung von Sprachprofilen tätige zugewanderte pädagogische Fachkräfte Mitarbeit an Sprachförderplänen in Abstimmung mit dem Förderunterricht Deutsch und Lehrkräfte, die bisher häufig ausschließlich im herkunftssprachlichen Unterricht eingesetzt werden, sind bedarfsorientierte Qualifizierungsangebote notwendig, um einen breiteren Einsatz zu ermöglichen. Umsetzungshinweis: Bedarfsanalyse Aufbauend auf einer Bedarfsanalyse müssen passgenaue Angebote zur Nachqualifizierung entwickelt werden, die eine qualifizierte Tätigkeit im Bildungssystem bzw. im Bereich der sprachlichen Bildung ermöglichen. Die Kompetenzen mehrsprachiger pädagogischer Fachkräfte sollten für ein breiteres Tätigkeitsfeld im Bereich (sprachliche) Bildung erschlossen werden). In der deutschen Gestaltung eines an der Mehrsprachigkeit der Kinder orientierten Herkunftssprachenunterrichts Beratung und Kontakt zu Eltern, Schullaufbahnberatung, Übergangsentscheidungen; Tätigkeit als interkulturelle Mittler bzw. Berater für die Kindertageseinrichtungen, Schulen und Elternhaus Tätigkeit als Weiterbildner in der (beruflichen) Jugend- und Erwachsenenbildung Planung und Durchführung interkultureller Projekte sowie Zusammenarbeit mit Partnerschulen im Ausland. Sprache gut qualifizierte herkunftssprachliche Lehrkräfte sollten für den Einsatz im Bereich Deutsch Forschungsdesiderate als Zweitsprache weitergebildet werden, insbesondere Verstärkte Forschung ist notwendig zur Entwick- zugewanderte Lehrkräfte, die im Ausland Deutsch lung von Anforderungsprofilen in der Aus-, als Fremdsprache studiert bzw. unterrichtet haben. Fort- und Weiterbildung sowie zu der Frage, wie diese Qualifizierungsangebote zu einer veränderten Umsetzungshinweis: Einsatzbereiche für pädagogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund im Bereich (sprachliche) Bildung Praxis der Pädagogik und sprachlichen Bildung führen können. Forschung sollte auch im Bereich Deutsch als Zweitsprache verstärkt werden: Die folgenden Bereiche können unter anderem für Aufbauend auf den Erfahrungen thematisch rele- den Einsatz von mehrsprachigen pädagogischen vanter Graduiertenkollegs sollte ein solches spezi- Fachkräften erschlossen werden: fisch zur Thematik sprachliche Bildung eingerichtet Sprachstandsfeststellungen und Sprachfeststellungsprüfungen in Herkunftssprachen; werden. Dies kann im Verbund mehrerer Hochschulen geschehen. 2.2 Grundlegende Deutschkenntnisse vermitteln: Der Integrationskurs Bis Ende 2004 war die Deutschförderung für Auslän- längerfristiger Aufenthaltsperspektive. Zugelassen derinnen und Ausländer einerseits und Spätaussiedle- werden können auch Migrantinnen und Migranten, rinnen bzw. Spätaussiedler andererseits in verschie- die schon seit längerer Zeit in Deutschland leben. dene Angebote getrennt und lag in der Zuständigkeit Die Zuständigkeit für die Umsetzung der Inte- mehrerer Bundesministerien. Mit den durch das grationskurse liegt beim Bundesamt für Migration Aufenthaltsgesetz am 1.1.2005 eingeführten bundes- und Flüchtlinge, das für die Durchführung vor Ort einheitlichen Integrationskursen für alle Zugewan- private und öffentliche Träger beauftragt. derten wurde die sprachliche Grundförderung in einer Zuständigkeit gebündelt. Damit wurde der Tatsache Ein Integrationskurs besteht aus einem Sprach- und Rechnung getragen, dass Sprachbedarfe von Zugewan- einem Orientierungskurs. Der Sprachkurs ist in einen derten unabhängig von deren Rechtsstatus sind. jeweils 300-stündigen Basis- und Aufbausprachkurs gegliedert. Ziel ist es, die Teilnehmerinnen und Der Integrationskurs richtet sich in erster Linie Teilnehmer in 600 Unterrichtsstunden à 45 Minuten an Neuzuwanderinnen und Neuzuwanderer mit bis zum Sprachniveau B1 entsprechend dem Gemein- 52 B – Sprachliche Integration samen Europäischen Referenzrahmen (GER) zu Lehrkräfte, die im Integrationskurs unterrichten führen. Kenntnisse auf dieser Niveaustufe befähigen wollen, werden vom Bundesamt für Migration und dazu, alle wichtigen Alltagssituationen ohne die Flüchtlinge nach standardisierten Kriterien zuge- Hilfe Dritter sprachlich zu bewältigen. Neben dem lassen. Um eine solche Zulassung zu erhalten, müssen allgemeinen Integrationskurs gibt es auch Integra- sie über ein abgeschlossenes Studium Deutsch als tionskurse für spezielle Zielgruppen mit bis zu 945 Fremd- oder Zweitsprache verfügen. Falls sie nicht Unterrichtsstunden: über diese Qualifikation verfügen, müssen sie an Jugendintegrationskurse für junge Erwachsene, die auf ihren späteren beruflichen Lebensweg vorbereitet werden sollen Elternintegrationskurse, für Mütter und Väter, die ein besonderes Interesse an Erziehung, Bildung und Ausbildung ihrer Kinder haben Frauenintegrationskurse für Frauen, die aus religiösen oder kulturellen Gründen nicht am allgemeinen Integrationskurs teilnehmen können oder wollen Alphabetisierungskurse für Zugewanderte, die nicht ausreichend lesen und schreiben können Förderkurse für bereits länger in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten mit besonderem sprachpädagogischem Förderbedarf einer vom Bund geförderten Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Integrationskursen teilnehmen. Je nach Qualifikation und Unterrichtserfahrung der Lehrkräfte findet die Zusatzqualifizierung in verkürzter (70 Unterrichtsstunden) oder unverkürzter Form (140 Unterrichtsstunden) statt. Die Zusatzqualifizierung wird bundesweit von 19 vom Bundesamt akkreditierten Institutionen angeboten. Die Ausnahmeregelung, nach der Lehrkräfte im begründeten Einzelfall auch ohne Vorliegen dieser Qualifikationen bzw. Teilnahme an der Zusatzqualifizierung unterrichten konnten, ist Ende 2009 ausgelaufen. Für Lehrkräfte in Alphabetisierungs- und in Orientierungskursen gibt es zudem seit 2009 additive Zusatzqualifizierungen für, die 80 bzw. 30 Unter- Der Integrationskurs kann auch als Intensivkurs richtsstunden umfassen. Diese Qualifizierungen für Schnelllerner und Hochqualifizierte angeboten können von den Lehrkräften besucht werden, wenn werden. Der Sprachkurs umfasst hierbei 400, der sie selbst einen Fortbildungsbedarf für sich festge- Orientierungskurs 30 Unterrichtsstunden. stellt haben; sie sind jedoch nicht verpflichtend. Der Sprachkurs schließt mit der skalierten Sprach- Entwicklungen seit 2005 prüfung „Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) ab, Das Bundesministerium des Innern hatte im Jahr welcher die Sprachniveaus A2 und B1 abbildet. Wird 2005 die Firma Rambøll Management mit einer trotz ordnungsgemäßer Teilnahme am Sprachkurs externen Evaluation der Kurse beauftragt. Das und am Abschlusstest das Ziel B1 nicht erreicht, zentrale Ergebnis des Ende 2006 vorgelegten besteht die Möglichkeit, 300 Unterrichtsstunden zu Abschlussberichts lautete, dass sich das Integra- wiederholen und den Test noch einmal abzulegen. tionskurssystem etabliert und bewährt hat und eine systematische und qualitativ hochwertige Der 45-stündige Orientierungskurs findet nach dem Förderung bietet. Es wurden jedoch auch Hinweise Sprachkurs statt und hat zum Ziel, Grundkenntnisse auf Möglichkeiten der Verbesserung des Systems der Rechtsordnung, Geschichte und Kultur der identifiziert, die in der Folge aufgegriffen wurden. Bundesrepublik Deutschland zu vermitteln. Der Weitere Veränderungen haben sich mit Inkraft- Orientierungskurs besteht aus den drei Modulen treten des Gesetzes zur Umsetzung von aufenthalts- „Politik in der Demokratie“, „Geschichte und und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen Verantwortung“ sowie „Mensch und Gesellschaft“. Union (Richtlinienumsetzungsgesetz) vom 28. Teilnehmende, die sowohl den „Deutsch-Test für August 2007 ergeben. Zuwanderer“ als auch den Abschlusstest des Orientierungskurses bestehen, erhalten das „Zertifikat So entstand eine Reihe von Neuregelungen und Integrationskurs“, das einen erfolgreichen Besuch Verbesserungen, u. a. die Erhöhung der Stun- des Kurses bescheinigt. denzahl bei den Integrationskursen für spezielle 53 B – Sprachliche Integration Zielgruppen auf bis zu 945 Unterrichtsstunden, zeigt, in welchen gesellschaftlichen Kontexten Mi- die Einführung kostenloser Abschlusstests für alle grantinnen und Migranten Deutsch nutzen Teilnehmergruppen, die Möglichkeit, 300 Unter- wollen bzw. müssen. Davon ausgehend werden richtsstunden zu wiederholen sowie die Anhebung maximal mögliche Lernziele detailliert beschrieben, des teilnehmerbezogenen Stundensatzes von 2,05 den Niveaustufen A1, A2 und B1 des GER zuge- auf 2,35 Euro. ordnet und in die zwölf wichtigsten Lebensbereiche von Migrantinnen und Migranten eingruppiert. Parallel wurden die Integrationskurse auch inhaltlich-konzeptionell weiterentwickelt. Die Um diese Lebensbereiche zu identifizieren und zu überarbeitete Integrationskursverordnung, die definieren, ging der Entwicklung des Rahmencur- am 08. Dezember 2007 in Kraft trat, machte eine riculums eine Recherche und Dokumentation Aktualisierung der bis dahin bestehenden hinsichtlich der Sprachbedarfe von Teilnehmenden Konzepte für den allgemeinen und die speziellen an Integrationskursen durch Befragung von Insti- Integrationskurse erforderlich. Darüber hin- tutionen, Kursträgern und Kursteilnehmerinnen aus wurden zwei neue Konzepte für Intensiv- bzw. und -teilnehmern durch die Ludwig-Maximilians- Förderkurse entwickelt. Bis auf das neue Konzept für Universität München voraus. Das Rahmencurri- einen bundesweiten Förderkurs sind im Jahr 2009 culum und die Kurskonzepte stehen somit auf einer alle neuen und überarbeiteten Konzepte in Kraft stabilen wissenschaftlichen Basis. getreten. Der Orientierungskurs findet seit 2008 auf der Grundlage eines bundesweit einheitlichen Bilanz und Perspektiven Curriculums statt. Die Integrationskurse sind von drei längerfristigen Trends geprägt: Seit dem 1. Juli 2009 wird zum Abschluss des Sprachkursteils des Integrationskurses die skalierte Sprachprüfung „Deutsch-Test für Zuwanderer“ (DTZ) eingesetzt. Dieser Test unterscheidet sich von der bis dahin eingesetzten Prüfung zum „Zertifikat Deutsch“ in zwei wesentlichen Punkten: Er bildet Sprachkenntnisse auf den beiden Sprachniveaus A2 und B1 des GER ab. Mit der alten Prüfung zum „Zertifikat Deutsch“ konnte bisher nur nachgewiesen werden, ob Sprachkenntnisse mindestens auf dem Niveau B1 vorlagen oder nicht. Er richtet sich ausschließlich an in Deutschland lebende zugewanderte Personen, während die Prüfung zum „Zertifikat Deutsch“ auch an ein internationales Publikum gerichtet war. Nicht nur Neuzugewanderte, sondern gerade auch Migrantinnen und Migranten, die schon viele Jahre in Deutschland leben, zeigen ein großes Interesse an den Kursen und absolvieren sie freiwillig. Ihr Anteil beträgt über die Hälfte aller Teilnehmenden. Die Integrationskurse erreichen die wichtige Zielgruppe der Frauen: Ihr Anteil belief sich in den vergangenen Jahren gleichbleibend auf rund zwei Drittel. Die Nachfrage nach Integrationskursen für spezielle Zielgruppen steigt. Dennoch ist der allgemeine Integrationskurs mit einem Anteil von rund 60 Prozent an allen Integrationskursen nach wie vor die beliebteste Kursart. Mit der durch die Integrationskurse eingeführten Grundstruktur der Förderung von Deutsch als 2009 wurde auch der bundeseinheitliche Test zum Zweitsprache wurde eine neue Qualität erreicht: Orientierungskurs eingeführt. Nicht mehr der Rechtsstatus der Migrantinnen und Migranten bestimmt den Umfang und das Ziel der Eine wichtige Grundlage für die inhaltlich-konzep- Förderung, sondern allein ihr Bedarf, ausreichende tionelle Weiterentwicklung der Integrationskurse Deutschkenntnisse zu erwerben. Gut fünf Jahre bildet das „Rahmencurriculum für Integrations- nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zeigt kurse – Deutsch als Zweitsprache“. Das Anfang 2008 sich, dass die Integrationskurse beachtliche Erfolge veröffentlichte Rahmencurriculum wurde vom erzielt haben. Mehr als 800 000 Personen haben Goethe-Institut im Auftrag des BMI erarbeitet und seit ihrer Einführung die Möglichkeit erhalten, 54 B – Sprachliche Integration an einem Integrationskurs teilzunehmen. Bisher Kursträger stärker zu entsprechen. Neben den oben haben von ihnen etwa 600 000 Personen einen skizzierten Veränderungen, die auf die Evaluation von über 43 600 Integrationskursen bei rund der Umsetzung der Integrationskurse zurückgehen, 1 500 Kursträgern im Bundesgebiet besucht oder sind Empfehlungen zur Weiterentwicklung der besuchen ihn gerade. Seit 2005 haben 55 Prozent Kurse darüber hinaus auch in der Arbeitsgruppe der Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer „Integrationskurse verbessern“ des Nationalen in der Abschlussprüfung des Sprachteils des Integrationsplan formuliert worden. Im Zentrum Integrationskurses das B1-Niveau nachgewiesen, stand hier eine stärkere Ausrichtung der Kurse auf den Orientierungskurstest abgelegt und damit das den Erfolg der Teilnehmenden.69 „Zertifikat Integrationskurs“ erhalten. Im Jahr 2009 hat der Bund 205 Millionen Euro zur Finanzierung Eine kontinuierliche Qualitätssicherung und von Integrationskursen zur Verfügung gestellt. -entwicklung der Integrationskurse wird außerdem durch die unter Leitung des BMI stehende Bewertungs- Die Erfolgsbilanz der Integrationskurse gerade der kommission garantiert, die den Integrationskurs letzten zwei Jahre ist nicht nur auf die Änderung der fachlich begleitet. Dieses Gremium, in dem Vertrete- Rahmenbedingungen der Kurse zurückzuführen, rinnen und Vertreter der Praxis, der Wissen- sondern auch auf die inhaltliche Fortentwicklung schaft, der Bundesregierung einschließlich ihrer und Differenzierung, welche sich im weiter Integrationsbeauftragten, des Bundesamts, der oben beschriebenen Rahmencurriculum und in Bundesländer sowie der kommunalen Spitzenver- insgesamt sieben unterschiedlichen Kurskonzepten bände zusammenarbeiten, entwickelt Verfahren der widerspiegelt. Mit einer solchen Differenzierung Qualitätskontrolle und optimiert das Konzept wird den verschiedenen Bedarfen und Lebenslagen des bundesweiten Integrationskurses. Es ist auch von Zugewanderten Rechnung getragen. Dieser zuständig für die Bewertung und Weiterentwicklung Prozess zeigt, dass eine kontinuierliche Fortent- der Lehrpläne und der Abschlusstests sowie der wicklung von Angeboten der Integrationsförderung Lehr- und Lernmittel. Darüber hinaus hat die Firma maßgeblich dazu beiträgt, Angebote an den Rambøll Management im Jahr 2009 im Auftrag des Bedürfnissen der Zielgruppe zu orientieren und sie Bundesamtes das Finanzierungssystem der Integrati- damit erfolgreicher zu machen. onskurse untersucht. Eine große Rolle spielten dabei Ansätze zur Optimierung der Situation der Lehrkräfte. Mit Blick auf die Stärkung der Nachhaltigkeit der Integrationskurse führt das Bundesamt für Migration Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsvertrag und Flüchtlinge seit 2007 ein Forschungsprojekt auf weitere wichtige Schritte zur Optimierung der zum „Integrationsverlauf von Integrationskursteil- Integrationskurse verständigt.70 So sollen die Kurse nehmern“ durch, mit dem die weitere Integration von flexibilisiert sowie quantitativ und qualitativ auf- Integrationskursteilnehmenden nach Abschluss gewertet werden. Weitere Ziele bestehen darin, einen des Kursbesuchs in einer Paneluntersuchung analy- stärkeren inhaltlichen Bezug zum Arbeitsmarkt siert wird.68 herzustellen und die Möglichkeit zu schaffen, die Sprachkurse auch über das Niveau B1 hinaus weiter- Weiterentwicklung der Integrationskurse zuführen. Dies wird ebenfalls zu einer schnelleren Seit seiner Einführung im Jahr 2005 ist der Integra- Integration der Teilnehmerinnen und Teilnehmer in tionskurs mehrfach weiterentwickelt worden, um das Berufsleben beitragen. Um diesen die Chance zu den Bedürfnissen der Teilnehmenden und auch der geben, mehr über die Funktionsweise des demo- 68 Siehe Rother, Nina (2008): Das Integrationspanel. Ergebnisse zur Integration von Teilnehmern zu Beginn ihres Integrationskurses. Working Paper 19 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg sowie (2009): Das Integrationspanel. Entwicklung von alltagsrelevanten Sprachfertigkeiten und Sprachkompetenzen der Integrationskursteilnehmer während des Kurses. Working Paper 23 der Forschungsgruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg. 69 Vgl. Bundesministerium des Innern (Hg.) (2006): Evaluation der Integrationskurse nach dem Zuwanderungsgesetz. Abschlussbericht und Gutachten über Verbesserungspotenziale bei der Umsetzung der Integrationskurse, Berlin sowie Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 15 f und S. 37 ff. 70 CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 75. 55 B – Sprachliche Integration kratischen Rechtsstaates zu erfahren, soll der der Integrationskurse gelegt. Im Zuge der Arbeiten Orientierungskurs künftig 60 statt wie bisher 45 sind jedoch einzelne Empfehlungen entstanden, Unterrichtseinheiten umfassen. die einen Beitrag zur Umsetzung der im Koalitionsvertrag dargestellten Schritte leisten können und Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Aktivitäten weitere Möglichkeiten zur Optimierung der Kurse zur Weiterentwicklung der Integrationskurse aufzeigen. Ausführliche Empfehlungen zum wurde im Rahmen des bundesweiten Integrations- Elternintegrationskurs als Angebot der Elternbildung programms kein Schwerpunkt auf den Bereich finden sich in Kapitel C.2.1.1. Empfehlungen Arbeitsmarktbezug stärken Um den Integrationskurs vermehrt dazu zu nutzen, am ESF-BAMF-Programm haben – für diese Perso- die Teilnehmenden stärker auf die Anforderungen nengruppe wird ein gesondertes Fördermodul zur des Arbeitsmarktes vorzubereiten, bieten sich der berufsbezogenen Sprachförderung angeboten. allgemeine Integrationskurs, der Jugendintegrationskurs, der Förderkurs sowie der Intensivkurs an. Nachhaltigkeit der Integrationskurse verbessern Die Nachhaltigkeit der Lernergebnisse der Teil Integrationskursträger und Teilnehmende sollten nehmerinnen und Teilnehmer der Integrations- noch stärker bereits während der Kurse auf die kurse soll künftig noch verbessert werden. Hierzu berufsbezogenen Deutschkurse des ESF-BAMF-Pro- sollte insbesondere eine stärkere Vernetzung gramms aufmerksam gemacht werden. Bei Be- der Kurse mit der Migrationsberatung und mit darf sollten Teilnehmende direkt im Anschluss an berufsbezogenen Maßnahmen erreicht und die den Integrationskurs in einen berufsbezogenen Abstimmung der jeweiligen Träger intensiviert Deutschkurs im Rahmen des ESF-BAMF-Programms werden. Ziel ist es, zwischen Abschluss des vermittelt werden, der ihren individuellen Integrationskurses und der Aufnahme einer wei- Sprachständen und Qualifikationsbedürfnissen teren Qualifizierung oder dem Eintritt in den entspricht. Beruf möglichst wenig Zeit vergehen zu lassen, um Lernfortschritte zu halten. In Hamburg wurde, gefördert durch Mittel des ESF-Hamburg sowie durch Landesmittel, ein Projekt Neue Medien nutzen aufgelegt, das über aufsuchende Beratung in den Der Einsatz von neuen Medien spielt im Rahmen Integrationskursen für berufsbezogene Deutschkurse der Wissens- und Kompetenzvermittlung eine des ESF-BAMF-Programms werben und die Inte- zunehmend wichtige Rolle. Dies gilt auch für den grationskursabsolventinnen und -absolventen zur Sprachunterricht. Ein Teil der Migrantinnen und Teilnahme motivieren will. Darüber hinaus soll sicher- Migranten, die einen Integrationskurs besuchen, gestellt werden, dass allen, die zur Teilnahme an muss den Umgang mit Computer, E-Mail und einem Kurs des ESF-BAMF-Programms berechtigt sind, Internet allerdings noch erlernen. In den Integra- diese auch tatsächlich ermöglicht wird. Dies kann tionskursen sollten daher – wo sinnvoll – sowohl z. B. durch Informationen für und Vernetzung von verstärkt Möglichkeiten der Sprachvermittlung Unternehmern mit Migrationshintergrund erfolgen, durch neue Medien genutzt als auch die dafür für die die Organisation der Teilnahme ihrer Mitarbei- notwendige Medienkompetenz entwickelt werden. terinnen und Mitarbeiter an den Kursen übernommen wird. Zum anderen sollen auch jene Personen zur Jugendintegrationskurs ausbauen Teilnahme an einer berufsbezogenen Sprachförder- Die Jugendintegrationskurse sollten in der Fläche maßnahme angeregt werden, die als Arbeitssuchende verstärkt angeboten werden können, um jungen ohne Leistungsbezug keine Teilnahmemöglichkeit Menschen mit Migrationshintergrund den ortsnahen 56 B – Sprachliche Integration Zugang zu einem auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen das Projekt „Starthilfen für Integrationskurse Angebot zu ermöglichen. Dabei sollten auch die an Hamburger Schulen, Kindertagesstätten und besonderen Bedingungen im ländlichen Raum berück- Einrichtungen der Elternbildung“ eingerichtet. sichtigt werden, die ein Zustandekommen von Jugend- Mit dem Verbundprojekt soll die Angebotsstruktur integrationskursen häufig erschweren. der Integrationskurse in Hamburg regional verbessert und ausgebaut werden. Die beteiligten Eltern verstärkt zur Teilnahme an Integrationskursen motivieren Träger der Integrationskurse schließen mit Die Elternintegrationskurse bieten die Möglichkeit Elternschulen Kooperationsvereinbarungen ab, für Eltern mit Migrationshintergrund, Deutsch- ermitteln gemeinsam den Sprachförderbedarf der kenntnisse, Informationen über das Bildungssystem Eltern, motivieren die Förderberechtigten zum sowie zu erziehungsrelevanten Themen zu erhalten, Deutschlernen, helfen bei der Antragstellung und Kontakte zu Bildungseinrichtungen zu knüpfen richten einen Integrationskurs ein. Die Kurse sollen und sich mit anderen Eltern auszutauschen. Das An- im vertrauten Umfeld der Kursteilnehmenden, gebot der Elternintegrationskurse sollte daher in der Nähe einer von den Kindern besuchten noch bekannter gemacht werden, wie etwa durch die Einrichtung oder, wenn möglich, in deren Räumen Kampagne „Deutsch lernen – Deutschland kennen stattfinden. Der erhöhte Organisations- und Koope- lernen. Damit unsere Kinder bessere Chancen haben“, rationsaufwand für das Zustandekommen eines die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Integrationskurses auf Grundlage einer Koope- Herbst 2009 durchgeführt hat (vgl. C.2.1.1). rationsvereinbarung wird durch eine pauschale interessierten Schulen, Kindertagesstätten oder Aufwandsentschädigung in Höhe von 1 763 Euro pro Es sollten vermehrt Elternintegrationskurse an den Kurs aus Landesmitteln erstattet. Kindertagesstätten oder Schulen der Kinder stattfinden, um den Eltern so aus erster Hand einen Einblick Angebot für Hochqualifizierte attraktiver gestalten in das deutsche Bildungssystem zu ermöglichen. Die Rolle des Intensivkurses als „Katalysator“ für einen schnellen Einstieg in das Berufsleben oder in ein Um den Zugang zum Integrationskurs für Eltern Studium für Hochqualifizierte und schnell Lernende zu erleichtern, hat Hamburg im Dezember 2009 sollte zukünftig noch deutlicher sichtbar werden. 2.3 Sprachliche Bildung für Beruf und berufliche Weiterbildung: Berufsbezogene Deutschförderung weiterentwickeln In Deutschland hat sich die Zahl der Tätigkeiten beispielsweise im Lager-, im Verkaufs- oder im drastisch reduziert, bei denen Deutschkenntnisse Pflegebereich. In vielen Feldern sind in den letzten keine oder nur eine untergeordnete Rolle spielen. Jahren durch die immer umfassenderen Qualitäts- In nahezu allen Arbeitsbereichen sind heute unter- sicherungs- und Dokumentationsanforderungen schiedliche komplexe sprachlich-kommunikative auch die Ansprüche an die schriftsprachlichen Kompetenzen erforderlich, insbesondere für hoch Fähigkeiten enorm gestiegen.71 Um erfolgreich qualifizierte Tätigkeiten. Gute berufsbezogene auf dem Arbeitsmarkt agieren zu können, sind Deutschkenntnisse werden aber zunehmend auch berufsbezogene Deutschkenntnisse somit ganz bei solchen Tätigkeiten benötigt, die überwiegend überwiegend unverzichtbar. Berufsbezogene von niedrig qualifizierten sowie un- und angelernten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ausgeübt werden. Dies gilt auch für Bereiche, die früher nicht als ausgeprägt sprachintensiv galten, 71 Vgl. Grünhage-Monetti, Matilde (2009): Sprachlicher Bedarf von Personen mit Deutsch als Zweitsprache in Betrieben. Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Bonn, S. 59. 57 B – Sprachliche Integration Deutschförderung bildet daher eine wichtige Säule Menschen, bei denen berufsbezogene Deutsch- der sprachlichen Bildung für Erwachsene. kenntnisse zur (Re)Integration in den Arbeitsmarkt beitragen sollen, sowie Berufstätige, die im Zuge Erwerb und Ausbau berufssprachlicher und der Fort- und Weiterbildung ihre berufsbezogenen arbeitsplatzbezogener Deutschkenntnisse dienen Deutschkenntnisse verbessern wollen bzw. müssen. der Verbesserung der beruflichen Handlungs- Berufsbezogene Deutschförderung richtet sich fähigkeit und sind damit auch eine wichtige daher insbesondere an Menschen in folgenden Voraussetzung für die Teilhabe an beruflicher Maßnahmen: Weiterbildung. Insofern kann der berufsbezogene Unterricht Deutsch als Zweitsprache auch ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung sein. Vielen Unternehmen ist die Bedeutung von Sprache und Kommunikation für den erfolgreichen Arbeitsablauf bewusst, Deutschkurse Qualifizierungen im Rahmen des SGB II und III; dazu gehören auch überbetriebliche Ausbildungsmaßnahmen für die Gruppe der U25 (unter 25 Jahre) Innerbetriebliche Fortbildung werden jedoch bisher selten als Instrumente der Ein großer Teil der Angebote für Menschen mit Personalentwicklung eingesetzt. In Betrieben, Migrationshintergrund kann bis zum Jahr 2013 in denen z. B. aufgrund spezieller Anforderungen durch das ESF-BAMF-Programm abgedeckt besonderer Sprachförderbedarf besteht, sollten werden. Die vom Europäischen Sozialfonds (ESF), entsprechende Angebote geprüft werden. Sowohl Programmteil „Qualifikation und Weiterbildung Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer können davon für Personen mit Migrationshintergrund durch profitieren, wenn Unternehmen ihre sprachlichen berufsbezogene Maßnahmen, insbesondere berufs- Anforderungen explizit formulieren und diese zur bezogene Sprachkurse und Praktika“72 geförderten Grundlage von Weiterbildungsangeboten machen. Kurse richten sich primär an Leistungsempfänger Als mittel- oder langfristiges Ziel des berufsbezo- nach SGB III und II sowie an Beschäftigte in genen Deutschunterrichts kann auch der Erwerb Betrieben. Für die Förderperiode 2007-2013 hat das von formalen Berufsabschlüssen berücksichtigt Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) werden, gegebenenfalls auch die Anerkennung von das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Berufsabschlüssen aus dem Herkunftsland. der Durchführung der Kurse beauftragt. Zielgruppe des Programms sind alle nicht schulpflichtigen In jedem Betrieb und jeder öffentlichen Institution Personen mit Migrationshintergrund, die einer gibt es kommunikative Regeln, welche die Beherr- fachlichen und sprachlichen Qualifizierung für den schung spezieller sprachlicher Register notwendig ersten Arbeitsmarkt bedürfen. Die Kurse bestehen machen. Darüber hinaus weisen jeder Beruf und aus einem berufsbezogenen Deutschunterricht jedes Berufsfeld – unabhängig vom jeweiligen und Qualifizierungsteilen, welche je nach Bedarf Betrieb – eigene Formen der Kommunikation auf. der Lerngruppe Fachunterricht, Praktika und Berufsbezogener Deutschunterricht muss vor diesem Betriebsbesichtigungen umfassen können. Die Hintergrund konkrete berufs(feld)- und arbeitsplatz- maximale Gesamtförderdauer beträgt 730 Unter- bezogene Inhalte sowie Kenntnisse über kommuni- richtsstunden. kative Regeln am Arbeitsplatz vermitteln. Dies macht eine spezielle Didaktik und Methodik notwendig. In Deutschland stehen von 2007 bis 2013 rund Angebote müssen gegebenenfalls differenziert 330 Millionen Euro aus dem ESF zur Verfügung. werden nach Arbeitsplatzbezogenheit, Berufs(feld) bezogenheit sowie Arbeitsmarktorientierung. Berufsbezogener Deutschunterricht richtet sich an verschiedene Zielgruppen. Zwei große Gruppen mit unterschiedlichen Bedarfen und Lernzielen sind dabei primär von Bedeutung: arbeitslose 58 72 Mit dem ESF werden von der EU Maßnahmen mit dem Ziel gefördert, die Zugangschancen von Arbeitslosen zum Arbeitsmarkt zu erhöhen, Arbeitslosigkeit zu vermeiden und die Chancengleichheit aller beim Zugang zum Arbeitsmarkt zu fördern. Im Rahmen des ESF legen Mitgliedstaaten und Regionen ihre eigenen operationellen Programme vor, um auf die Bedürfnisse vor Ort reagieren zu können. Zur Umsetzung des ESF in Deutschland haben sowohl die Länder als auch der Bund Programme erstellt. B – Sprachliche Integration Die Maßnahmen müssen zu 50 Prozent (alte Deutschkurse im Anschluss an die Integrationskurse, Bundesländer und Berlin) bzw. zu 25 Prozent (neue aber auch für die Verbindung von Kursen im Rahmen Bundesländern und ehemaliger Regierungsbezirk des ESF-BAMF-Programms mit Maßnahmen der Lüneburg) mit Leistungen nach SGB II oder III, Bundesagentur für Arbeit oder der ARGEn oder Sozialversicherungsbeiträgen, Ländermitteln, Optionskommunen. Die folgenden Empfehlungen kommunalen und privaten Mittel oder Eigenmit- setzen an diesen Punkten an und wollen einen teln der Träger kofinanziert werden. Förderfähig Beitrag zur Weiterentwicklung und Systematisierung sind nicht nur arbeitssuchende oder arbeitslose der sprachlichen Bildung in Beruf und in beruflicher Personen, sondern auch Menschen, die im Rahmen Weiterbildung leisten.74 einer beruflichen Weiterqualifizierung berufsbegleitenden Deutschförderbedarf haben. Die ersten Kurse haben Anfang 2009 begonnen. Auch im Rahmen der ESF-Programme der Länder werden 2.3.1 Aus-, Fort- und Weiterbildung des Personals im Bereich berufsbezogene Deutsch förderung unter anderem Angebote der berufsbezogenen Deutschförderung finanziert. Sofern über das In den Studiengängen Deutsch als Fremd- bzw. Angebot des ESF-BAMF-Programms hinaus weitere Zweitsprache spielt das Thema berufsbezogenes berufsbezogene Deutschförderung im Rahmen Deutsch bisher nur eine untergeordnete Rolle. von Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung Die „Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte in Inte- erforderlich ist, ist dies grundsätzlich möglich. grationskursen“ des Bundesamtes für Migration 73 Bei den Inhalten solcher Weiterbildungsmaß- und Flüchtlinge vermittelt bereits praktizierenden nahmen müssen jedoch die beruflichen Inhalte Lehrkräften zwar das notwendige Rüstzeug für überwiegen. den Umgang mit Menschen, die Deutsch als Zweitsprache lernen, jedoch steht das Thema berufsbe- Mit der bundesweiten Implementierung des ESF- zogenes Deutsch auch dort nicht im Mittelpunkt. BAMF-Programms ist ein großer Schritt in Richtung Im Rahmen des vom BMAS geförderten Netzwerks einer umfassenden, einheitlichen und nachhal- „Integration durch Qualifizierung – IQ“ finden unter tigen Strategie zur Vermittlung berufsbezogener der Regie der Koordinierungsstelle Berufsbezo- Deutschkenntnisse unternommen worden, weitere genes Deutsch seit 2005 regelmäßige Fortbildungen Schritte müssen folgen. Dabei sollten, wo erfor- für Kursleitende zu didaktisch-methodischen derlich, auch Zielgruppen in den Blick genommen Themen des berufsbezogenen Deutschunterrichts werden, die bis dato nicht an Kursen des ESF-BAMF- statt. Ziel ist es, Lehrkräften für Deutsch als Zweit- Programms teilnehmen, weil es für sie keine sprache Instrumente an die Hand zu geben, um den unterstützenden Kofinanzierungsmöglichkeiten Anforderungen im berufsbezogenen Deutschun- gibt, insbesondere Arbeitssuchende ohne terricht zu begegnen und damit die Qualität der Leistungsbezug. In Hamburg etwa hat eine Daten- Angebote zu gewährleisten. Das Fortbildungsan- auswertung ergeben, dass rund 30 Prozent der gebot richtet sich primär an das regionale Netzwerk Klientinnen und Klienten von Integrationszentren in Hamburg. Die stark zunehmende Nachfrage aus bzw. Teilnehmenden von Integrationsprojekten in dem gesamten Bundesgebiet dokumentiert jedoch diese Zielgruppe fallen. Häufig handelt es sich um den großen Weiterbildungsbedarf, der zu diesem Frauen, deren Ehepartner berufstätig ist und die als Thema bundesweit besteht. Ehefrauen selbst keine Leistungsempfänger nach SGB II oder III sind. Berufsbezogenes Deutsch ist jedoch schon im Fachunterricht präsent, da auch die Vermittlung Auch das Zusammenspiel vorhandener Maßnahmen sowie ihre Anschlussfähigkeit sollte untereinander gestärkt werden. Dies gilt für berufsbezogene 73 Vgl. §§ 77 ff SGB III oder § 16 SGB II i.V. mit § 77, s. auch § 85 SGB III. fachlicher Inhalte stets durch das Medium Sprache 74 In die Formulierung der Empfehlungen sind Ergebnisse der Facharbeitskreise „Berufsbezogenes Deutsch“ und „Berufliche Qualifizierung“ des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten bundesweiten Netzwerks „IQ - Integration durch Qualifizierung“ eingeflossen. 59 B – Sprachliche Integration geschieht. Teilweise werden der Fachunterricht bzw. genen Sprachförderung zu erfüllen. Hierzu zählen fachpraktische Maßnahmen durch berufsbe- insbesondere: zogenen Deutschunterricht ergänzt. So können mehrere Personen für den Unterricht verantwortlich sein: auf der einen Seite die Deutsch- und auf der anderen Seite die Fachlehrkräfte, hier insbesondere die Ausbilderinnen und Ausbilder in Betrieben oder Weiterbildungsmaßnahmen sowie Lehrkräfte in berufsbildenden Schulen. Auch Fachlehrkräfte müssen auf die (deutsch)sprachlichen Probleme ihrer Teilnehmenden eingehen können. Sie sind in der Regel jedoch nicht ausrei- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Agenturen für Arbeit und Grundsicherungsstellen Personalverantwortliche in Betrieben und öffentlichen Institutionen Betriebs- und Personalräte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kursträgern in der Konzeption und Umsetzung von Maßnahmen Personal von Migrations- und von Bildungs beratungsstellen chend qualifiziert, um mit der spezifischen Lernsituation sprachlich heterogener Gruppen umzugehen. Erste Ansätze hierzu sind bereits vorhanden. So ist Häufig werden fachliche Defizite diagnostiziert, die etwa die Beachtung der Bedürfnisse unterschied- in Wirklichkeit auf (deutsch)sprachliche Verständnis- licher Kundengruppen als Anforderung an die Mitar- schwierigkeiten zurückgehen. beiterinnen und Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit im Kompetenzmodell der Bundesagentur für Arbeit Nicht zuletzt benötigen auch Personen, die an der definiert. Darüber hinaus verfügt die Bundesagentur Konzeption und Planung von Qualifizierungs- über ein Konzept zur Vermittlung von Diversity- oder Deutschfördermaßnahmen beteiligt sind, so- Kompetenz in der Aus- und Fortbildung der Integra- wie diejenigen, die Personen mit Deutsch als tionsfachkräfte: Die Bundesagentur verfolgt damit Zweitsprache beraten und in Kurse vermitteln, eine eine Doppelstrategie mit einer Ausrichtung einerseits Sensibilität für die berufsbezogenen Sprachförder- auf die Belegschaft und andererseits auf die Kunden- bedarfe der Kundinnen und Kunden einerseits und orientierung. Die Inhalte des Diversity Managements die sprachlichen Anforderungen im Berufsleben sind Bestandteil des Qualifizierungsangebots und die andererseits, um ihre jeweiligen Aufgaben im Vermittlung von Diversity-Kompetenz ist in Ausbil- Rahmen der Arbeitsvermittlung oder Konzipierung dung und Qualifizierung der Beschäftigten und in die und Betreuung von Angeboten der berufsbezo- Führungskräftequalifizierung integriert. Empfehlungen Aus-, Fort- und Weiterbildung von Deutschlehr kräften sicherstellen Die Studiengänge „Deutsch als Fremdsprache“ und „Deutsch als Zweitsprache“ an den Hochschulen sollten den berufsbezogenen Deutschunterricht zu einem Studienschwerpunkt machen und den künftigen Lehrkräften dabei insbesondere folgendes Rüstzeug an die Hand geben: Kenntnisse über berufsfeldübergreifende Kommunikationsstrukturen, -formen und Textsorten sowie die Fähigkeit, diese zielgruppenspezifisch zu vermitteln Kenntnisse der wichtigsten Lehrwerke im Bereich berufsbezogenes Deutsch sowie die Fähigkeit, 60 diese zu bewerten und im Unterricht effektiv einzusetzen Fähigkeit zur Erstellung eigener Unterrichts materialien Methoden zur Recherche in Betrieben zu deren Kommunikationsstrukturen Die Studiengänge für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache an deutschen Hochschulen sind in der Regel polyvalent angelegt und vermitteln ihren Absolventen zentrale Kompetenzen, die auch für den Bereich der berufsbezogenen Zweitsprachen- B – Sprachliche Integration förderung relevant sind. Die folgenden Standorte eingerichtet werden, das zu einer qualifizierten berücksichtigen das Segment in ihren Studien- Tätigkeit als Lehrkraft für berufsbezogenes Deutsch gängen bereits jetzt mit spezifischen Angeboten: befähigt. Dieses sollte durch spezielle Komponenten Universität Bielefeld Sowohl im Bachelor „Deutsch als Fremdsprache“ als auch im Master „Deutsch als Fremdsprache und Germanistik“ gibt es Module, in denen regelmäßig Lehrveranstaltungen zur Zweitsprachenförderung in der beruflichen Ausbildung und in der beruflichen Weiterbildung von Erwachsenen angeboten werden. Mit der Einrichtung einer Professur mit Schwerpunkt Deutsch als Zweitsprache wurde dieses Segment deutlich gestärkt. Mittelfristig wird der Bachelor-Studiengang unter anderem im Hinblick auf eine stärkere Berücksichtigung von Deutsch als Zweitsprache umstrukturiert. Es ist geplant, den Studiengang in Zukunft als Bachelor „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ mit einer noch stärkeren Berücksichtigung der beruflichen Zweitsprachenförderung anzubieten. Darüber hinaus wird seit Juli 2009 im Rahmen eines Drittmittelprojektes (EU-Programm XENOS) die wissenschaftliche Begleitung eines Vorhabens zur berufsbezogenen Zweitsprachenförderung in einer Produktionsschule für Jugendliche und junge Erwachsene durchgeführt. Friedrich-Schiller-Universität Jena Sowohl im Bachelor „Deutsch als Fremd- und Zweitsprache“ als auch im Internationalen Master „Auslandsgermanistik – Deutsch als Fremdsprache – Deutsch als Zweitsprache“ werden Module angeboten, die die berufsbezogene Zweitsprachenförderung thematisieren. Im Bachelor ist dies das Modul „Deutsch als Zweitsprache in Schule und Beruf“; im Master handelt es sich um die Module „Fremdsprachen im Beruf und Planungskompetenz“ und „Bildung und Ausbildung im Einwanderungsland Deutschland“. Darüber hinaus werden am Institut für Auslandsgermanistik im Rahmen des vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Modellvorhabens „Sprachtraining für Fachunterricht und Beruf“ für Ausbildungsberufe in den Berufsfeldern Pflege, Handel und Metall OnlineModule zur sprachlichen Förderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund entwickelt (http://www.sprachtraining-beruf.de). (Siehe dazu auch B.2.1.3) ergänzt werden, die sich auf die lokalen oder regionalen Gegebenheiten vor Ort beziehen. Kompetenzen von Ausbilderinnen und Ausbildern / Fachlehrerinnen und Fachlehrern für den Umgang mit sprachlich heterogenen Gruppen schulen Die neue Ausbildereignungsverordnung, die zum 1. August 2009 in Kraft getreten ist, berücksichtigt die Anforderungen heterogener Lerngruppen. Die gezielte Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache ist dort nicht als explizite Aufgabe von Ausbilderinnen und Ausbildern vorgesehen. Bei der Ausbildung von Jugendlichen mit anderen Herkunftssprachen können sie jedoch ebenso wie Fachlehrkräfte von spezifischen Kompetenzen für den Umgang mit sprachlich und kulturell heterogenen Lernergruppen profitieren. Dies sind insbesondere: Kenntnisse über die sprachlichen Bedarfe der jeweiligen Lernergruppe Sensibilisierung für die sprachlichen Hürden, die bei der Vermittlung von Fachinhalten bestehen könnten Methodisch-didaktische Instrumente, um nichtmuttersprachlichen Personen Fachinhalte zu vermitteln und das Verständnis dieser Inhalte zu sichern Sprachliche Entlastung von Fachtexten Hierzu können in Zusammenarbeit von Forschung und Praxis unter Berücksichtigung vorhandener Ansätze Aus- und Weiterbildungsprogramme und didaktisch-fachliche Handreichungen entwickelt werden, die Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Fachlehrkräfte bei ihrer Arbeit unterstützen. Um die sprachlichen Implikationen ihres fachlichen Unterrichts zu reflektieren und diesen weiterzuentwickeln, sollten Fachlehrkräfte in einen intensiven Austausch mit Deutschlehrkräften treten. Das Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Wie bei der Zusatzqualifizierung für Lehrkräfte Stadt Frankfurt bietet Fortbildungen für Ausbilde- in Integrationskursen sollte auch für den Bereich rinnen / Ausbilder und Fachlehrkräfte an, die in berufsbezogener Unterricht Deutsch als Zweit- Weiterbildungsmaßnahmen tätig sind, die von der sprache ein bundesweites Weiterbildungssystem örtlichen Grundsicherungsstelle, der Rhein-Main- 61 B – Sprachliche Integration Job-Center GmbH, finanziert werden. Es werden lichen Schulen in Berlin erprobt. Finanziert wurde zwei verschiedene Module angeboten: das Projekt vom Berliner Senat sowie von der Europäischen Union. Mehr Informationen sind unter Für Ausbilder und Fachlehrkräfte: Verbesserung http://www.spas-berlin.de erhältlich der sprachlichen Kommunikation mit Teilnehihrer Deutsch-Kompetenzen: Dieses Modul zielt Institutionelle Akteure für sprachliche Bildung sensibilisieren darauf ab, die Teilnehmenden so zu sensibilisieren, Personal, das neben den Sprach- und Fachlehrkräften dass sie fachliche Inhalte sprachlich bewusster an der Förderung der beruflichen Integration von Per- vermitteln können und ihre Sprache teilnehmer- sonen mit Migrationshintergrund beteiligt ist, sollte adäquat wählen, den Teilnehmenden aber auch für die Themen berufsbezogenes Deutsch und Kom- helfen können, ihre sprachlichen Fähigkeiten zu munikation mit Menschen mit Deutsch als Zweitsprache verbessern. Im Mittelpunkt dieses Moduls steht je nach Bedarf in unterschiedlicher Tiefe sensibilisiert die mündliche Kommunikation. werden. Entsprechende Maßnahmen zur Förderung menden anderer Herkunftssprachen und Förderung und Stärkung der Sensitivität der Mitarbeiterinnen Für Fachlehrkräfte und alle, die Fachunterricht erteilen: und Mitarbeiter sollten in Zusammenarbeit zwischen „Fachtexte knacken“ – Fachtexte als besondere Forschung und Praxis unter Berücksichtigung bereits Herausforderung für Lernende nicht-deutscher Her- vorhandener Ansätze entwickelt werden. kunftssprachen: Im Rahmen dieses Moduls werden die Schwierigkeiten thematisiert, welche die Teil- Die Rhein-Main-Jobcenter GmbH in Frankfurt am Main nehmenden damit haben, aus Fachtexten die Ausbil- bietet seit 2005 zur Sensibilisierung der Mitarbeite- dungsinhalte zu entnehmen. Lehrkräfte sollen in die rinnen und Mitarbeiter regelmäßig praxisorientierte Lage versetzt werden, typische sprachliche Strukturen Qualifizierungen an. Dazu gehören neben flächen- von Fachtexten zu erkennen und diese aufzulösen. deckendem Trainings zu den Themen „Interkulturelle Darüber hinaus sollen sie diese Bearbeitungsstrategien Kompetenzen“, „Zuwanderungsgeschichte und recht- an die Teilnehmenden weitergeben können. Weitere In- liche Grundlagen“ sowie „Anerkennung im Ausland formationen unter http://www.stadt-frankfurt.de/amka. erworbener Abschlüsse“ auch halbtägige Fortbildungen für die persönlichen Ansprechpartnerinnen und Das 2009 beendete Modellprojekt „Integrierte -partner sowie die Teamleitungen zu den Integrations- Sprachförderung in Berufsvorbereitung, Berufs- kursen und zum ESF-BAMF-Programm. Die Veranstal- ausbildung, Jugendberufshilfe und Schule (SPAS)“ tungen werden vom Amt für multikulturelle Angelegen- der Berliner Gesellschaft für berufsbildende heiten der Stadt Frankfurt durchgeführt und vermittelt: Maßnahmen e.V. (GFBM) hatte insbesondere die Sprachförderung von Jugendlichen mit Migrations- 1.Leistungsrechtlich relevante Informationen über hintergrund zum Ziel. Teilziele waren die Ent- Förderprogramme im Bereich Deutsch als wicklung von berufsfeldbezogenen Sprachförder- Zweitsprache und detaillierte Darstellungen zu den modulen sowie die Entwicklung und Evaluation jeweils notwendigen Verwaltungsverfahren. des Sprachstanderhebungsverfahren Texteasy 5.0 für Jugendliche im Übergang von der Schule in den Beruf. Dies geschah – in Ergänzung zu vielen 2.Basisinformationen zu Zweitsprachenerwerb und Alphabetisierung bzw. Zweitschrifterwerb. anderen Sprachförderangeboten im Bereich Deutsch als Zweitsprache – durch Integration von Darüber hinaus sollen den Mitarbeiterinnen und Sprachfördermodulen in den berufsvorbereitenden Mitarbeitern relevante Entscheidungshilfen für bzw. berufsausbildenden Fachunterricht (Integrierte Qualifizierung und Vermittlung in Arbeit an die Sprachförderung). Dazu wurden Module für Hand gegeben werden. unterschiedliche Berufsfelder wie etwa Gesundheit, Körperpflege, Gastronomie, Handel, Büro oder Weitere Informationen unter Handwerk entwickelt und an verschiedenen beruf- rmj-frankfurt-main@arge-sgb2.de. 62 B – Sprachliche Integration Die Vermittlungsfachkräfte in den Agenturen für kontakte, Kontakte zu Kunden, die ebenfalls Arbeit und den Grundsicherungsstellen sollten einen Migrationshintergrund haben). Dies betrifft Instrumente an die Hand bekommen, anhand herkunftssprachliche Kenntnisse, aber auch derer sie bei Kundinnen und Kunden fachlichen interkulturelle Kompetenzen und Qualifikationen. und sprachlichen Fortbildungsbedarf feststellen Hierbei können Gewerkschaften und Arbeitge- können. Zur Entwicklung solcher Instrumente berverbände als Multiplikatoren auch künftig kann das Know-how von Akteuren wie dem Fach- eine wichtige Rolle spielen. So unterstützt z. B. die arbeitskreis Berufsbezogenes Deutsch und von Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberver- Lehrstühlen mit Schwerpunkt berufsbezogenes bände aktiv die weitere Verbreitung der „Charta der Deutsch als Zweitsprache genutzt werden. Vielfalt“ bei den Unternehmen in Deutschland. Um eine bedarfsgerechte Vermittlung in (sprach- Darüber hinaus sollten Personalverantwortliche als liche) Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen, auch Betriebs- bzw. Personalräte in die Lage versetzt sollten die Bundesagentur für Arbeit und die werden, fachliche und sprachliche Weiterbildungs- Grundsicherungsstellen in Zukunft verstärkt auch bedarfe von Menschen mit Migrationshintergrund Leistungen von Personen in Anspruch nehmen, zu erkennen und bei Bedarf mit geeigneten die auf den Gebieten Deutsch als Zweitsprache Maßnahmen decken zu können. Hierzu können in kompetent sind. Kooperation mit Universitätsinstituten für Deutsch als Zweitsprache und Weiterbildungsträgern Fort- Auch die Fach- und Führungskräfte, die in Agenturen bildungsveranstaltungen durchgeführt werden. für Arbeit, den Grundsicherungsstellen und den Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten, die das regionalen Einkaufszentren für die Maßnahmepla- ESF-BAMF-Programm für Beschäftigte in Betrieben nung, den Maßnahmeeinkauf und die Vergabe von bietet, noch bekannter gemacht werden. Maßnahmen verantwortlich sind, sollten in der Lage sein, die Bedarfe von Kundinnen und Kunden mit Bildungsberatungsstellen informieren Migrationshintergrund zu erfassen und bei Ausschrei- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bildungs- bung und Vergabe angemessen zu berücksichtigen. beratungsstellen müssen das Know-how erhalten, Migrantinnen und Migranten eine fachlich Personalverantwortliche sowie Personal- und Betriebsräte sensibilisieren fundierte Berufswegeberatung unter Einbezie- Die Personalverantwortlichen sowie Personal- als Zweitsprache zu bieten. Auch hierzu können und Betriebsräte in Betrieben und öffentlichen Ins- in Kooperation mit Universitätsinstituten für titutionen sollten weiterhin für die Potenziale Deutsch als Zweitsprache und Weiterbildungsträ- sensibilisiert werden, die der Einsatz von Personen gern Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt mit Migrationshintergrund bieten kann (Auslands- werden. hung des Aspektes berufsbezogenes Deutsch 2.3.2 Sprachbedarfsermittlung Sprachbedarfsermittlung ist ein Instrument, um bestimmte Berufsfelder und Arbeitsabläufe die sprachlichen Anforderungen am Arbeits- wichtig sind. platz einerseits und die individuellen Sprachbedürfnisse der Beschäftigten mit Deutsch als Sprachbedarfsermittlung stellt die Grundlage für Zweitsprache andererseits festzustellen. (standardisierte) Kurs- und Materialentwicklungen Befragungen, teilnehmende Beobachtungen im dar. Mit ihr kann sich das Aufgabenspektrum Betrieb sowie das Sammeln von Fachtexten und von Deutschlehrkräften erweitern. Dieses kann Arbeitsanweisungen stellen Zugänge dar, um neben der Tätigkeit im Unterrichtsraum auch zu identifizieren, welche sprachlichen Mittel für die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit 63 B – Sprachliche Integration Betrieben und anderen relevanten Institutionen beispielsweise der betrieblichen Weiterbildung, sowie darauf aufbauend Kurs- und Materialentwick- der Forschung und der begleitenden Evaluation lung, aber auch Zusammenarbeit mit Fachleuten umfassen. Empfehlungen Sprachliche Anforderungen und sprachliche Bildung in Betrieben erfassen Institute für Deutsch als Zweitsprache und Träger Schulungspraxis. Diese basieren auf Interviews von Angeboten berufsbezogener Deutschförderung mit Führungskräften und Mitarbeitenden in sollten sich als kompetente Partner für Betriebe und Betrieben mit hohem Anteil an Beschäftigten mit deren Beschäftigte anbieten. Vonseiten der Wissen- Migrationshintergrund. Ein weiteres Produkt schaft können Unterstützungsangebote für Unter- stellen die Ergebnisse der sprachdidaktischen nehmen entwickelt werden, um gemeinsam mit ihnen Analyse von authentischen innerbetrieblichen Ge- sowie gegebenenfalls mit Kammern bzw. Berufs- sprächen und schriftlichen Texten in den portrai- verbänden und Gewerkschaften sprachliche Anforde- tierten Betrieben dar. rungen zu formulieren und aufbauend darauf passende Weiterbildungsangebote zu entwickeln. Schließlich wird ein Leitfaden Bildungsanbietern und Betrieben ein praktisches Instrument zur Umsetzungshinweis: Unterstützungsangebote Ermittlung von objektivem Bedarf und subjektiven Unterstützungsangebote für Betriebe können insbe- Erwartungen und Bedürfnissen der Schlüssel- sondere die Erstellung von Korpora umfassen, welche akteure sowie zur Entwicklung und Evaluation die im Arbeitsleben vor Ort üblichen Kommunikations- von passenden Angeboten bieten. strukturen darstellen und als Grundlage für die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten dienen können. Mehr Informationen sind beim erhältlich unter: http://www.die-bonn.de In dem Projekt „Deutsch am Arbeitsplatz: Grundlage einer organisationsbezogenen Zweit- Sprachbedarf als Grundlage für Förderangebote durchgängig ermitteln sprachenförderung“ dokumentiert und analysiert Sprachbedarfsermittlung ist für den Aufbau und die die Studiengruppe „Deutsch am Arbeitsplatz“ Planung von berufsbezogenem Unterricht Deutsch Kommunikation am Arbeitsplatz unter Berücksich- als Zweitsprache essenziell. Daher muss sie sowohl tigung betrieblicher Organisationsstrukturen und vor als auch während des Kurses integraler Bestand- Inhalte sowie im Hinblick auf die Zweitsprachför- teil der Planung und Entwicklung sein. Untersuchung zur Kommunikation im Betrieb als derung von beschäftigten bzw. arbeitssuchenden Migrantinnen und Migranten. Die Studiengruppe Für die Praxiseinbindung sowohl in der Vorphase wird von der Volkswagen Stiftung gefördert und der Sprachbedarfsermittlung als auch während vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung bzw. im Anschluss der Maßnahmen ist eine konti- geleitet. Sie besteht aus Expertinnen und Experten nuierliche Zusammenarbeit zwischen Betrieben aus Wissenschaft (Friedrich-Schiller-Universität und Sprachkursträgern bzw. Beschäftigungs- und Jena und Institut für Gesprächsforschung, Weiterbildungsträgern wichtig. Mannheim) und Praxis (VHS Braunschweig und Ottakring sowie Henkel KGaA). Die Ergebnisse werden in einer Online-Publikation veröffentlicht. Umsetzungshinweis: Instrumente der Sprachbedarfsermittlung Für die Entwicklung von Sprachkursangeboten im Eine Reihe von Firmenportraits illustrieren die Zuge von beruflichen Aus-, Fort- und Weiterbildungs- dortigen kommunikativen Anforderungen und die angeboten sollten Unterrichtshospitationen in den 64 B – Sprachliche Integration jeweiligen Qualifizierungsmaßnahmen stattfinden, darfserhebung und Schulungen für Kurskonzipie- Fachliteratur gesichtet werden sowie die Ausbilde- rende entwickelt werden. rinnen/Ausbilder oder Fachlehrkräfte zu den sprachlichen Anforderungen, die ihre Teilnehmenden zu Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung hat im bewältigen haben, befragt werden. Gleiches gilt Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge für Kursangebote im Umfeld von Ausbildungen eine Expertise über den sprachlichen Bedarf von Per- und Berufsschulunterricht im Rahmen des Dualen sonen mit Deutsch als Zweitsprache in Betrieben Systems. erstellt. Die empirische Untersuchung erfasst spezifische Merkmale sprachlicher Kommunikation am Arbeits- Für die Entwicklung von innerbetrieblichen Kurs- platz sowie hebt den Zusammenhang zwischen Organi- angeboten sollten Befragungen von Kolleginnen sation der Arbeit(swelt) und Kommunikation hervor. und Kollegen und Vorgesetzten zu den sprachlichen Gezeigt wird, wie eine integrationsfördernde Sprach- Anforderungen an den jeweiligen Arbeitsplätzen didaktik die konkrete Arbeits- und Kommunikations- stattfinden. Darüber hinaus sollten die relevanten wirklichkeit in Unternehmen ermitteln und analy- schriftlichen Unterlagen (Schichtpläne, Sicherheits- sieren kann, um daraus Angebote zu entwickeln, die bestimmungen etc.) gesichtet werden. die Teilhabe an der Kommunikation am Arbeitsplatz ermöglichen. Die Expertise mündet in konkreten Vorhandene Ansätze berücksichtigen Handlungsempfehlungen für Akteure, die im Bereich Bereits vorhandene Arbeitsansätze im Bereich Sprach- innerbetriebliche Weiterbildung für Personen mit bedarfsermittlung sollten gesichtet, dokumentiert Deutsch als Zweitsprache tätig sind. Sie ist auf den und bewertet werden. Dafür sollten substanzielle Internet-Seiten des Bundesamtes für Migration und Kriterienkataloge und Arbeitsinstrumente für die Be- Flüchtlinge als Download erhältlich. 2.3.3 Feststellung der Deutschkenntnisse Grundlegende Voraussetzung für die Passgenauig- Zwar gibt es grundsätzliche Leitlinien, die zur keit einer Maßnahme ist eine qualitativ hoch- Entwicklung von Instrumenten zur Feststel- wertige Feststellung der berufsbezogenen Deutsch- lung von Deutschkenntnissen dienen können, kenntnisse der potenziellen Teilnehmenden im doch besteht weiter die Notwendigkeit, detail- Vorfeld. Es fehlt im deutschsprachigen Raum jedoch lierte, zielgruppenspezifischere Prüfungen an fundierten Qualitätskriterien für Sprachstands- und Tests sowie die dazugehörigen Kriterien zu feststellungen im Bereich berufsbezogenes Deutsch. erarbeiten. Empfehlungen Deutschkenntnisse feststellen Eine fachlich angemessene Feststellung der Deutschkenntnissen neben dem Sprachniveau Deutschkenntnisse für Leistungsbezieher nach auch folgende Angaben erhoben werden: SGB II und III, Personen am Übergang Schule Beruf, Berufstätige und Arbeitssuchende ohne Lernerbiografie, insbesondere Deutschlernbiografie Leistungsbezug muss sichergestellt werden. Arbeitserfahrung im In- und Ausland Um einen zielgruppenspezifischen Unterricht zu Selbstlernpotenzial: Lernt der/die potenzielle Kursteilnehmende eigenständig zu Hause, wenn ja, wie garantieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden eingehen zu können, sollten im Rahmen einer Feststellung von Von den potenziellen Teilnehmenden selbst eingeschätzte sprachliche Bedarfe und Wünsche an einen Kurs 65 B – Sprachliche Integration Die Feststellung von Deutschkenntnissen sollte und damit einhergehend die kommunikativen An- folgende Ergebnisse hervorbringen: forderungen am Arbeitsplatz in den letzten Jahren Fachlich begründete Einschätzung für das Erreichen eines für einen Beruf oder ein Berufsfeld notwendigen Deutsch-Niveaus Vorschläge für entsprechende Schulungswege dorthin Fachlich begründete Einschätzung für die sprachlich erfolgreiche Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme bzw. Empfehlungen zu deren Realisierung radikal verändert: Die Arbeit wird heute von modernen Maschinen erledigt, die der Bedienung durch qualifiziertes Personal bedürfen. Die neuen Formen der Arbeitsorganisation erfordern mehr Kooperation und sprachliche Kommunikation: So müssen etwa Störungen an Maschinen zügig gemeldet werden und die Beschreibung von Arbeitsprozessen ist für Audits und Qualitätssicherung unverzichtbar geworden. Des Weiteren profitieren verschiedene Arbeitsabläufe und das Betriebsklima davon, Für Teilnehmende aus den Rechtskreisen SGB II / wenn sich Mitarbeitende verschiedener ethnischer SGB III bietet der Psychologische Dienst der Gruppen untereinander verständigen können. Die Bundesagentur für Arbeit einen standardisierten Koordinierungsstelle wurde damit beauftragt, Deutsch-Test an, welcher Hinweise zum aktuellen ein individuell auf diesen Betrieb zugeschnittenes allgemeinsprachlichen Niveau sowie Schlussfol- Konzept zur sprachlichen und fachlichen Qualifizie- gerungen zur weiteren Sprachförderung liefert. rung der Mitarbeitenden zu entwickeln. Dazu waren Ist eine generelle Eignungsaussage für eine insbesondere folgende Schritte notwendig: spezifische Weiterbildung gefragt, kann beim Psychologischen Dienst eine psychologische Begutachtung beantragt werden, die neben den sprachlichen Eignungsvoraussetzungen auch kognitive, schulische und motivationale Aspekte von Eignung überprüft. Ermittlung der Ziele und Interessen des Betriebes Erhebung des konkreten Sprachbedarfs sowie der individuellen Sprachbedürfnisse am Arbeitsplatz Entwicklung eines passgenauen Unterrichtskonzepts und entsprechender Unterrichtsmodule Entscheidungen darüber, welche Materialien und Methoden eingesetzt werden sollten Kriterien für Sprachstandsfeststellungen von Kenntnissen in berufsbezogenem Deutsch als Zweitsprache entwickeln Entwicklung von Materialien auf der Grundlage der Sprachbedarfsanalyse Bereits existierende Instrumente zur Feststellung Der Kurs umfasste 100 Unterrichtseinheiten und wurde von (berufsbezogenen) Deutschkenntnissen sollten in der abschließenden Evaluation positiv bewertet. gesichtet, dokumentiert und nach einheitlichen Detaillierte Informationen unter: http://www.deutsch- Kriterien bewertet werden. Als Ergebnis sollten in am-arbeitsplatz.de/innerbetrieblich.html oder einem zweiten Schritt ausführliche Kriterien für Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Hg.): ein qualitativ hochwertiges Verfahren zu entspre- Deutsch als Zweitsprache, Heft 2/2007, S. 36 - 43. chenden Sprachstandsfeststellungen entwickelt und entsprechende Schulungen für Prüfungs- und Forschungsdesiderate Testkonzipierende angeboten werden. Viele Indizien und erste Forschungsansätze sprechen dafür, dass der Förderbedarf im Bereich berufsbezo- Die „Koordinierungsstelle Berufsbezogenes genes Deutsch von Migrantinnen und Migranten, die Deutsch“ in Hamburg (Träger: die gemeinnützige erst nach ihrer Ausbildung nach Deutschland einge- Gesellschaft für Arbeit und Integration passage wandert sind, nicht identisch ist mit demjenigen von gGmbH) hat in den Jahren 2007 und 2008 einen Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Migrations- Deutschkurs für Angehörige eines norddeutschen hintergrund, die überwiegend das deutsche Schul- Produktionsbetriebes konzipiert, durchgeführt system durchlaufen haben. Forschungsbedarf besteht und evaluiert. In dem Betrieb arbeiten 400 Mit- für letztere Zielgruppe sowohl für die Feststellung der arbeitende aus 21 Nationen. Wie in vielen anderen Deutschkenntnisse als auch für die Ausbildungs- und Betrieben haben sich auch hier die Arbeitsweise Unterrichtsgestaltung. 66 B – Sprachliche Integration 2.3.4 Koordinierung der Akteure und Angebote berufsbezogener Deutschförderung Jenseits der eigentlichen Unterrichtsinhalte und deren Vermittlung ist der berufsbezogene Unterricht Deutsch als Zweitsprache in einen komplexen Rahmen aus fachlichen, organisatorischen und institutionellen Faktoren eingebunden: Die Teilnehmenden haben unterschiedliche persönliche Voraussetzungen wie Sprachstand im Deutschen, weitere Sprachen, fachliche Qualifikationen oder Alter Fach- und Deutschunterricht werden in der Regel von verschiedenen Trägern verantwortet Die Teilnehmenden werden in unterschiedlichen Rechtskreisen betreut (SGB II, SGB III) und/oder bewegen sich in verschiedenen Institutionen (Schule, Berufsschule, Betrieb). Sie unterliegen damit verschiedenen Zuständigkeiten und Förderbedingungen Sowohl die Bedarfe der regionalen Arbeitsmärkte als auch die Trägerlandschaft vor Ort sind sehr unterschiedlich Vor Ort ist eine große Bandbreite von Akteuren involviert, insbesondere Agenturen für Arbeit und Grundsicherungsstellen, Kommunen, Träger (Sprachkursträger, Beschäftigungs- und Weiterbildungsträger) und Trägerkooperationen, Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern, Unternehmen, berufsbildende Schulen sowie Regionalstellen bzw. ESF-Außendienstmitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist eine enge Zusammenarbeit aller Akteure wichtig, die mit der Förderung, Konzeption, Organisation und Erteilung von berufsbezogenem Unterricht Deutsch als Zweitsprache, Weiterqualifizierung oder beidem gleichzeitig befasst sind. Aufgrund der Vielfalt der Akteure und deren unterschiedlicher Zuständigkeit sollte eine solche Zusammenarbeit sowohl auf lokaler als auch auf Bundesebene erfolgen. Empfehlungen Akteure und Angebote vor Ort koordinieren Die berufsbezogenen sprachlichen Bildungsange- Angebote sowie das Zusammenspiel der Akteure bote sollten für Leistungsempfänger im SGB II berufsbezogener Sprachförderung (Agentur noch stärker an den regionalen Anforderungen des für Arbeit bzw. Träger der Grundsicherung, Weiter- Arbeitsmarktes ausgerichtet werden. Die Erfah- bildungsträger etc.) in einem Referenzprozess rungen der Kommunen auch aus angrenzenden zur berufsbezogenen Deutschförderung dargestellt Politikfeldern, wie z. B. der Kinder- und Jugendhilfe werden. und der Wirtschaftsförderung, sollten hierbei stärker einbezogen werden. Um die Zusammenarbeit im Bereich der berufsbezogenen Deutschförderung vor Ort zu unterstützen, Während einer Maßnahme und im Anschluss daran, sollte eine lokale oder regionale Koordinierungs- aber auch während einer Ausbildung sollten die stelle als Serviceleistung für die beteiligten Akteure zuständigen Stellen ein Beratungsangebot für die Teil- eingerichtet werden. Aufgaben einer solchen nehmenden sicherstellen. Eine solche Beratung kann Koordinierungsstelle sollten insbesondere sein: fehlende berufliche und persönliche Netzwerke kompensieren und trägt dazu bei, die persönliche und berufliche Handlungskompetenz weiter zu fördern. Um eine langfristige und zielorientierte Planung und Steuerung individueller Integrationsprozesse vor Ort zu ermöglichen, sollten sowohl auf lokaler als auch auf regionaler Ebene die Zuständigkeiten und Institutionelle Vernetzung der lokalen / regionalen Akteure Organisation fachlichen Austauschs Informationen über Fortbildungsmöglichkeiten, gegebenenfalls Organisation und Durchführung von Fortbildungen Kontakt zur bundesweiten Fachstelle (siehe unten) 67 B – Sprachliche Integration In der Koordinierungsstelle sollten Personen arbeiten, die eine Qualifikation in den Bereichen Deutsch als Zweitsprache und berufsbezogenes Deutsch sowie ein ausreichendes Maß an interkultureller Kompetenz aufweisen können. Umsetzungshinweis: regionale Koordinierung Vor Beginn einer regionalen Koordinierung sollten die relevanten und lokal / regional spezifischen Rahmenbedingungen für gelingende Kooperation Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kammern und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, um berufsbezogene Deutschförderangebote in den Betrieben zu verankern Entwicklung von Fortbildungen für Deutsch- und Fachlehrkräfte sowie Ausbilderinnen und Ausbilder und Information über bestehende Angebote Fachliche Beratung von Akteuren der beruflichen Qualifizierung, zum Beispiel von Grundsicherungsträgern und Arbeitsagenturen identifiziert werden. Wo eine Koordinierungsstelle sinnvoller Weise angesiedelt werden sollte, muss jeweils Informationen und Unterstützung erhalten Akteure vor dem Hintergrund der Gegebenheiten, Interessen der berufsbezogenen Deutschförderung (Kurs- und Anforderungen vor Ort entschieden werden. träger und Lehrkräfte sowie Unternehmen) bei der Es gibt bereits unterschiedliche Modelle, in denen Hamburger „Koordinierungsstelle Berufsbezogenes einzelne Teilbereiche des hier in den Blick genommenen Deutsch“. Die Koordinierungsstelle recherchiert Feldes vernetzt und koordiniert werden, etwa auf und bündelt Konzepte und Materialien zum berufs- der Ebene der Kommune oder durch den Träger der bezogenen Deutschunterricht, entwickelt innerbe- Grundsicherung. Diese Modelle sollten evaluiert und triebliche Weiterbildungen sowie Fortbildungen weiterentwickelt werden. für Multiplikatoren und begleitet den fachlichen Austausch zwischen Praxis, Verwaltung und Koordination und Information auf Bundesebene: Bundesweite Fachstelle einrichten Wissenschaft. In ihrem Internetangebot findet man Zur fachlichen Unterstützung der Akteure der Deutsch als Zweitsprache, Anregungen, Vorschläge berufsbezogenen Deutschförderung vor Ort sollte und Beispiele für die Unterrichts- und Kursplanung, eine bundesweite Fachstelle eingerichtet werden, Rezensionen von Lehrwerken, Termine für Fortbil- deren Aufgaben insbesondere sein können: dungen, Tagungsdokumentationen und Hinweise Feststellung, für welche Zielgruppen Konzepte weiterentwickelt werden müssen bzw. neue Konzepte erforderlich sind Systematische Dokumentation bereits vorhandener Projekte und Programme und Auswertung mit Blick auf Transfermöglichkeiten Informationen von Trägern und Teilnehmenden zu Ausschreibungsverfahren des Bundes, der Länder und der Kommunen im Rahmen der berufsbezogenen sprachlichen Bildung sowie zu Angeboten, Inhalten etc. auf einer zentralen Seite im Internet Materialien und Konzepte für berufsbezogene Kurse auf aktuelle Tagungen, Informationen und Materialien zu innerbetrieblicher Weiterbildung „Deutsch am Arbeitsplatz“ sowie ein Glossar zu wichtigen Begriffen des berufsbezogenen Zweitsprachunterrichts. http://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de Informationen für Träger und Teilnehmende zu Ausschreibungsverfahren des Bundes, der Länder und der Kommunen im Rahmen der berufsbezogenen sprachlichen Bildung sowie zu Angeboten, Inhalten etc. sollten auf einer zentralen Seite im Internet Dokumentation und Auswertung erfolgreich erprobter Konzepte und Aufbereitung der Ergebnisse für die (Fach)Öffentlichkeit im Rahmen einer Datenbank mit Beispielen guter Praxis gebündelt und leicht zugänglich dargestellt werden. Beratung von Akteuren hinsichtlich ihrer Kurskonzepte mit Beispielen guter Praxis. Hierzu könnte beispiels- Information über Forschungsarbeiten und -vorhaben deutsch-am-arbeitsplatz.de erweitert werden, die im Vernetzung und Erfahrungsaustausch der Koordinierungsstellen rung“ vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales 68 Die Ergebnisse von bisherigen Programmen und Projekten sollten der Fachöffentlichkeit zugänglich gemacht werden, etwa im Rahmen einer Datenbank weise die bereits bestehende Internetseite www. Rahmen des Netzwerks „Integration durch Qualifizieund der Bundesagentur für Arbeit gefördert wird. B – Sprachliche Integration 2.3.5 Qualitätsanforderungen an Kursträger Sprachkursträger sowie Beschäftigungs- und wurden Qualitätskriterien für Beschäftigungs- Weiterbildungsträger sind für diejenigen Vorausset- und Weiterbildungsträger etabliert. Qualitäts- zungen für den Erfolg einer Maßnahme verantwort- kriterien für Kursträger im Bereich Deutsch als lich, die nicht individuell bei den Teilnehmenden Zweitsprache finden sich in den Zulassungs- liegen. Dies betrifft unter anderem folgende Punkte: kriterien des Bundesamtes für Migration und Zusammenarbeit mit Betrieben, Kammern, Arbeitsagenturen und Grundsicherungsstellen vor Ort sowie sonstigen relevanten Behörden Fachliche Zusammenarbeit mit anderen Trägern Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmenkonzepten Flüchtlinge für Träger in Integrationskursen, ebenso wie in den Bewertungskriterien für die Auswahl der Trägerkooperationen im Rahmen des ESF-BAMF-Programms. Darüber hinaus werden im ESF-BAMF-Programm detaillierte Vor-OrtPrüfungen vorgenommen, die sowohl die verwaltungstechnische Umsetzung als auch die Unter- Information und Beratung der Kursteilnehmenden vor, während und nach der Maßnahme richtsqualität in den konkreten Kursen überprüfen, Beschäftigung von Lehr- und Verwaltungskräften und durch anonyme Teilnehmerbefragungen. Beratung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern unter anderem durch Unterrichtsbeobachtungen Verbindliche allgemeingültige Anforderungen für Träger, die Sprachkurse und Weiterqualifizierung Im Rahmen der durch die Bundesagentur für miteinander verbinden, gibt es jedoch noch Arbeit vorgegebenen Zertifizierung der Träger nicht. Empfehlungen Zusammenarbeit mit anderen Akteuren fördern Die Zusammenarbeit der Sprachkursträger mit anderen Programms ein berufsbezogener Sprachkurs im Akteuren vor Ort wie zum Beispiel den Grundsiche- Bereich Lager und Logistik durchgeführt. Der Kurs rungsstellen, den Ausländerämtern, den Regional- war ein Projekt der Kooperationsgemeinschaft stellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, „Arbeitskreis Sprache“ und wurde von der den Jugendmigrationsdiensten bzw. Migrations- Deutschen Angestellten Akademie (DAA) und dem beratungsstellen für erwachsene Zuwanderer oder Bildungszentrum Handel und der Dienstleistung Weiterbildungs- und Qualifizierungsträgern sollte im gGmbH veranstaltet. Sinne der Teilnehmenden so gestaltet werden, dass diesen rasch geeignete Maßnahmen angeboten werden Das Kurskonzept war auf die örtlichen wirtschaft- und die entsprechende Zuweisung ebenso schnell lichen Strukturen ausgerichtet. Ein Internet-Versand funktioniert. Diese Zusammenarbeit bildet auch ein hatte geplant am Standort Bad Hersfeld mit einem Bewertungskriterium im Antragsverfahren für 96 000 m2 großem Logistikzentrum zu expandieren Einrichtungen, die als Kursträger im Rahmen des und dafür 3 000 - 5 000 Arbeitsplätze zu schaffen. ESF-BAMF-Programms tätig sein wollen. Vor diesem Hintergrund wurde dieser Kurs konzipiert und die Ausrichtung des Qualifizie- Zur stärkeren Nutzung von Synergieeffekten und rungsteils des ESF-BAMF-Kurses auf den Lager- und Anschlussfähigkeit von Angeboten können Träger- Logistikbereich gelegt. Da es sich beim Landkreis kooperationen eingerichtet werden, um vor Ort das Hersfeld-Rotenburg um eine Optionskommune gesamte thematische Spektrum an berufsbezogenem handelt, wurden die Teilnehmenden des Kurses Deutsch und zur Weiterqualifizierung anzubieten. alle durch den Fachdienst des Landkreises HersfeldRotenburg als ALG II-Leistende Stelle ausgewählt. Im Landkreis Hersfeld-Rotenburg (Hessen) Die Meldung, Teilnehmereinschätzung und Projekt- wurde im Jahr 2009 im Rahmen des ESF-BAMF- beschreibung sowie das anschließende Votum 69 B – Sprachliche Integration durch den Leistungsträger lagen in einer Hand fachlichen Anforderungen bei der Maßnahme- und ermöglichten eine schnelle und zielgerichtete planung berücksichtigen, Personal auswählen Teilnehmerauswahl. Hervorzuheben ist vor allem und weiterbilden sowie die (potenziellen) Teilneh- die unbürokratische Abwicklung: Hierzu wurde menden angemessen beraten kann. durch die Optionskommune zur Vorsprache eingeladen, um dem Träger die Möglichkeit zu geben, Zulassungskriterien weiterentwickeln Teilnehmende einzuschätzen, um anschließend Für den Bereich des ESF-BAMF-Programms für ein direktes Votum durch die ARGE zum konkreten berufsbezogene Deutschkurse sowie weitere in Projekt zu erhalten. Zukunft durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder andere Stellen ausgeschrie- Die Maßnahme konnte bereits nach drei Monaten bene Programme müssen Zulassungskriterien erste Erfolge verzeichnen: Fünf Teilnehmende hatten für Träger weiterentwickelt werden, die eine Durch- bereits eine konkrete Zusicherung auf eine Festan- führung anhand der zuvor beschriebenen Punkte stellung bei dem Internet-Versand erhalten. Dies lag gewährleistet. Dabei können unter anderem die unter anderem daran, dass sich die Teilnehmenden Erfahrungen genutzt werden, die bei den Vor-Ort- während der Praktikumsphasen bewähren konnten. Prüfungen des ESF-BAMF-Programms gemacht werden. Integration in den Arbeitsmarkt als Leitgedanke implementieren Qualität der Angebote sichern Das Ziel, die Integration der Teilnehmenden in den Für die Qualitätssicherung bei Trägern, die berufs- Arbeitsmarkt zu erleichtern bzw. ihre Beschäftigung bezogenen Deutschunterricht anbieten, zu sichern, sollte sich als Leitgedanke in den Kurskon- müssen zusätzliche Kriterien erarbeitet werden. zepten berufsbezogener Sprachförderung wider- Hierzu kann insbesondere das Know-how des spiegeln, wie es auch im pädagogischen Konzept des Facharbeitskreises Berufsbezogenes Deutsch des ESF-BAMF-Programms der Fall ist. Ein weiteres Netzwerks Integration durch Qualifizierung, wichtiges Kriterium ist die Frage, wie sprachliche in von Universitätsinstituten mit Schwerpunkt fachliche Unterrichtsinhalte integriert oder wie diese berufsbezogenes Deutsch als Zweitsprache und von sinnvoll miteinander verbunden werden können. Programmträgern, unter anderem des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge herangezogen Lehrpersonal fortbilden werden. Desgleichen sollte festgelegt werden, wie Die in der Kurskonzeption formulierten Lernziele und und durch wen diese Qualitätsanforderungen Inhalte sollten didaktisch und methodisch professi- überprüft werden sollen und wie das Personal für onell umgesetzt werden. Daher sollte ein Kursträger diese Aufgabe qualifiziert wird. in seiner Maßnahme nur entsprechend qualifizierte Lehrkräfte beschäftigen. Dem Lehrpersonal sollte bei der Umsetzung der Angebote Handlungsspielraum gegeben werden, um den konkreten Bedürfnissen der Lernergruppen gerecht werden zu können. Träger müssen ihre Lehrkräfte bei der Umsetzung ihrer Aufgaben unterstützen, ihnen den Fachaustausch und fachliche Begleitung sowie entsprechende kontinuierliche Fortbildung ermöglichen. Die Unterrichtserfahrung der Lehrkräfte sollte in die Fortentwicklung der Curricula einbezogen werden. Träger müssen auch in der Verwaltung entsprechend qualifiziertes Personal beschäftigen, das die 70 B – Sprachliche Integration 2.3.6 Rahmenbedingungen Um diese Handlungsempfehlungen umsetzen zu können, ist eine Reihe von Rahmenbedingungen notwendig. Empfehlungen Weitere Zielgruppen mit Förderbedarfen berück- sichtigen Bei der Weiterentwicklung der Angebote berufsbe- oft durch die Kursleitenden und ohne zusätzliche zogener Deutschförderung in Deutschland sollten Ressourcen übernommen werden, um die Grund- die Förderbedarfe einzelner Zielgruppen in den Blick lagen für einen Kurs zu schaffen. genommen werden, die bis dato nicht zu den Teilnahmeberechtigten von Angeboten im Rahmen des Eine regionale Koordinierungsstelle sollte finanziell ESF-BAMF-Programms zählen. Dies betrifft ins- und personell so ausgestattet sein, dass sie alle Hand- besondere Arbeitssuchende ohne Leistungsbezug. lungsbedarfe abdecken kann, die sich aus ihren Aufga- Durch alternative Kofinanzierungsmodelle sollten ben ergeben. Eine bundesweite Fachstelle sollte öffent- Möglichkeiten gefunden werden, die ESF-BAMF- lich finanziert werden, fachlich jedoch unabhängig sein. Kurse auch für diese Gruppe zu öffnen. Programmkonzeption erstellen Zeitlichen Umfang von Maßnahmen im Bereich SGB II und III angemessen planen Bei der Konzeption von Programmen, der Vergabe Die Maßnahmen sollten zeitlich so zugeschnitten von Fördermitteln und der Ausschreibung von sein, dass ein integrierendes Lernen mit hetero- Projekten sollte beachtet werden, dass genen Gruppen angemessen realisiert werden Ansätze gefördert werden, die eine frühzeitige Verzahnung mit der Praxis vorsehen die Entwicklung qualitativ hochwertiger Angebote zur Verbesserung der kommunikativen Kompetenz von Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden gefördert wird eine enge Kooperation mit Unternehmen, Verbänden, Kammern und Gewerkschaften erfolgt, um eine Anbindung von Angeboten an die Bedarfe des Arbeitsmarkts sicherzustellen kann. Dazu gehört insbesondere die Unterstützung für Teilnehmende mit Deutsch als Zweitsprache. Auch unterstützende Angebote wie weiterbildungsbegleitender Unterricht sollten nach Bedarf und flexibel angeboten werden. Lokale Gegebenheiten bei Vergabe berücksichtigen Die Rahmenbedingungen für die Vergabe von Aufträgen in der Weiterbildung sollten so gestaltet werden, dass sie die Gegebenheiten vor Ort angemessen berücksichtigen und eine qualitative Finanzierung sicherstellen Weiterentwicklung der Maßnahmen in Abstim- Den (Weiterbildungs-)Einrichtungen sollten mung mit den Auftraggebern möglich ist. finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, die Weiterbildung ihres Personals sichern, wo Berufliche Perspektiven für Sprach- und Fachlehrkräfte eröffnen nötig Teamteaching finanzieren, den fachlichen Deutsch- und Fachlehrkräften sollte die Möglichkeit Austausch von Lehrkräften realisieren und eine gegeben werden, eine berufliche Perspektive zu angemessene Beratung der Teilnehmenden sicher- entwickeln: Wo möglich, sollten auch sozialversi- stellen können. cherungspflichtige Beschäftigungsmöglichkeiten damit sie den Unterricht angemessen gestalten, geschaffen oder zumindest eine an bestehenden Sprachbedarfserhebungen bedürfen einer geregel- Tarifen orientierte Entlohnung ermöglicht werden, ten Finnzierung. Gegenwärtig muss diese Aufgabe die eine Mehrbelastung der Lehrkräfte durch den 71 B – Sprachliche Integration zusätzlichen Aufwand (Bedarfsanalyse in Betrieben, verbände und Universitätsinstitute mit Schwerpunkt Netzwerkarbeit) ausgleicht. Die Bedingungen für berufsbezogenes Deutsch in der Verantwortung. die Deutsch- und Fachlehrkräfte sollten so gestaltet Forschungsdesiderate werden, dass sich für sie eine dauerhafte Beschäftigung mit einer beruflichen Perspektive ergibt, ihnen eine der hohen professionellen Anforderung entsprechende finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung zuteilwird, sie Verantwortung auf der Handlungs- und Gestaltungsebene des Unterrichts übernehmen können. Verstärkte Forschung ist notwendig zur Erstellung bzw. Weiterentwicklung von Korpora, die Kommunikationsstrukturen in Betrieben und Institutionen liefern, zu Instrumenten der Sprachstandsanalyse / Lernerfolgsdokumentation berufsbezogener Deutschförderung sowie zur Evaluation und Wirkung von berufsbezogenen Sprachbildungskonzepten für erwachsene Menschen mit Migrationshintergrund. Bereits vorhandene Projekte und Programme sollten systematisch dokumentiert und mit Blick auf Transfer- Standards hinsichtlich der Qualität erfordern auch möglichkeiten ausgewertet werden, etwa die im Standards hinsichtlich der Bezahlung; dies ist bei Rahmen von EQUAL entwickelten und erprobten Maß- der Erstellung der Haushalte angemessen zu berück- nahmen zur beruflichen Orientierung und Sprachför- sichtigen. derung von Erwachsenen mit Migrationshintergrund. Unterrichtsmaterialien und Fortbildungen ent- wickeln Vertreter von Maßnahmeträgern sollten gemeinsam Die Entwicklung von standardisierten Unterrichtsma- Grundverständnis für das Feld der berufsbezogenen terialien und Fortbildungsmodulen für Deutschlehr- Förderung von Deutsch als Zweitsprache und Strate- kräfte und bei Bedarf auch für Ausbilderinnen und gien der Umsetzung in der Praxis entwickeln. Hierfür Ausbilder sollte, wo immer möglich, vorangetrieben können bereits bestehende Gremien wie etwa der Fach- werden. Hier sind die Fachverlage, aber auch die Fach- arbeitskreis Berufsbezogenes Deutsch genutzt werden. mit Vertretern des Faches Deutsch als Zweitsprache ein 2.4Kompetenzen für die globalisierte Welt: Mehrsprachigkeit fördern und nutzen In vielen Familien mit Migrationshintergrund wird in deren Mittelpunkt die Frage steht, ob und in auch oder sogar ausschließlich die Sprache des welchem Umfang herkunftssprachlicher Unterricht Herkunftslandes gesprochen. Der Spracherwerb von durch öffentliche Mittel gefördert werden sollte. Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen Die Befürworter argumentieren u. a., die deutsche mit Migrationshintergrund in Deutschland ist deshalb Sprache könne als Zweitsprache nur vollständig vielfach von Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit geprägt. erworben werden, wenn eine gute herkunfts- Bereits im Jahr 2001 hat eine in Hamburg durchge- sprachliche Basis vorhanden sei. Das frühe Lernen führte Untersuchung ergeben, dass dort jedes dritte mehrerer Sprachen fördere zudem die Sprach- Kind im Grundschulalter mit einer weiteren Sprache bewusstheit. Die Gegner staatlich finanzierten als Deutsch aufwächst. Herkunftssprachenunterrichts sehen eine gegen- 75 seitige positive Beeinflussung beim parallelen Über die Rolle von Mehrsprachigkeit ist in den Lernen zweier Sprachen dagegen nicht als nachge- letzten Jahren eine intensive Fachdebatte entstanden, wiesen. Wegen ihrer wichtigen Bedeutung für die Integration in Schule, Beruf und Gesellschaft 75 Vgl. Fürstenau, S.; Gogolin, I; Yağmur, K. (Hg.) (2003): Mehrsprachigkeit in Hamburg. Ergebnisse einer Sprachenerhebung an den Grundschulen in Hamburg, Münster. 72 sei der Vermittlung der deutschen Sprache der Vorzug zu geben. B – Sprachliche Integration Die Priorität der Deutschförderung als staatliche onshintergrund setzen die Länder unterschiedliche Aufgabe war im Rahmen der Entwicklung des Akzente. Im Nationalen Integrationsplan haben bundesweiten Integrationsprogramms unum- sie sich verpflichtet, geeignete Maßnahmen zu stritten. Vielmehr stand hier die Frage im Mittel- identifizieren, die Mehrsprachigkeit im Schulalltag punkt, welchen konkreten, ergänzenden Mehrwert angemessen verankern.79 Die Lehrpläne bzw. Mehrsprachigkeit für einzelne gesellschaftliche Richtlinien für das Fach Deutsch als Zweitsprache Bereiche – insbesondere für Ausbildung und Beruf heben fast alle hervor, dass die Berücksichtigung und letztlich für Deutschland als Wirtschafts- der Migrantensprachen im Fach Deutsch als Zweit- standort – bedeuten kann. Mehrsprachigkeit kann sprache von Bedeutung ist. So heißt es beispiels- zumeist jedoch nur dann umfassend auf dem weise im bayerischen Lehrplan, der von Berlin, Bildungs- und Berufsweg genutzt werden, wenn die Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Herkunftssprache auf bildungssprachlichem Thüringen übernommen wurde: „Die Erstsprache Niveau beherrscht wird. Dies betrifft vor allem die ist ein bedeutender Mittler zwischen den Lebens- Schriftsprache. Die schriftliche Beherrschung der welten Familie und Schule. Ihre Akzeptanz und ihre Sprache des Herkunftslandes – die schriftliche Präsenz im Unterricht fördern den Zweitspracher- Bilingualität –, ist jedoch weitaus seltener als die werb. Mehrsprachigkeit erhält in einem modernen mündliche. Diskutiert wurden deshalb konkrete Sprachunterricht eine besondere Bedeutung.“80 Die Möglichkeiten, wie Herkunftssprachen für den Ein- Kultusministerkonferenz der Länder weist in ihren satz in Ausbildung und Beruf zielgerichtet ergänzend Bildungsstandards für das Fach Deutsch in Haupt- zum Deutschen gefördert werden können. und Realschule darauf hin, dass Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit zu vertiefter Sprachkompetenz Vorrangige Förderung des Deutscherwerbs und Wert- und Sprachbewusstheit führen.81 schätzung bzw. Unterstützung von Mehrsprachigkeit sind kein Widerspruch. Einzelne Bildungspläne der Bei der Förderung von Herkunftssprachen verfol- Länder für den Elementarbereich streben die För- gen die Länder unterschiedliche Ansätze: In einigen derung sowohl der deutschen, als auch der Herkunfts- existiert seit den 1970er Jahren muttersprachlicher sprache an. Zwei- bzw. mehrsprachige Fördermaß- Ergänzungsunterricht, besonders in den Sprachen nahmen wurden von einzelnen Ländern im Rahmen der ehemaligen Anwerbestaaten der Bundesrepublik, des Programms „FörMig“ erprobt.77 Angebote, die das als freiwilliges Angebot unter staatlicher Schulauf- mehrsprachige Potenzial von Kindern in Kindertages- sicht, etwa in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz einrichtungen fördern, werden zusätzlich von oder dem Saarland. Dieser Unterricht wurde in Kommunen getragen, häufig in Form von Mutter- der Regel mit der Intention eingerichtet, eine Kind-Programmen wie „Griffbereit“, „Rucksack“ oder sprachliche „Brücke“ zum Herkunftsland (der Eltern) „Koala“. Die Förderung des Deutschen wird hierbei zu bilden. Diese Funktion des herkunftssprachlichen mit der Förderung der Herkunftssprache gekoppelt, Unterrichts steht heute nicht mehr im Mittelpunkt, Lerninhalte werden in beiden Sprachen behandelt – zu da bei den meisten Migrantinnen und Migranten Hause in der Herkunftssprache und in der Kinderta- keine Rückkehrabsicht mehr besteht. Im Zuge des gesstätte im Deutschen. verstärkten Engagements der Länder in der Deutsch- 76 78 förderung werden die für den muttersprachlichen Bei der Anerkennung und Förderung der Herkunfts- Ergänzungsunterricht aufgewendeten Mittel zum sprachen der Kinder und Jugendlichen mit Migrati- Teil in Maßnahmen zur Förderung von Deutschkenntnissen umgeleitet. In manchen Bundesländern 76 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.): Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Im Auftrag der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland / des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Bielefeld, S. 166. 77 http://www.blk-foermig.uni-hamburg.de 78 Weitere Informationen zu diesen Programmen sind unter http://www.raa.de abrufbar. wird dieser Unterricht ergänzt oder ersetzt durch 79 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 26. 80Vgl. Reich et. al. 2008: a. a. O., S. 45. 81 Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Hg.) (2005): a. a. O., S. 7 bzw. Dies. (2004): a. a. O., S. 7. 73 B – Sprachliche Integration herkunftssprachlichen Unterricht, der von den Auszubildenden in ihren künftigen Arbeitsbereichen Herkunftsländern selbst finanziert wird (sogenannter führen.“84 Angebote die darauf zielen, das Potenzial Konsularunterricht). So unterstützt z. B. der italie- von Mehrsprachigkeit für Ausbildung und Beruf nische Staat die Förderung der Italienischkenntnisse konkret nutzbar zu machen, sind bisher eher selten. von Kindern und Jugendlichen mit italienischem Zu nennen sind hier einzelne Initiativen von kom- Migrationshintergrund in Deutschland. Die munaler Seite, wie etwa Unterricht in Türkisch als Lehrpläne für den Konsularunterricht liegen in der zweite Fremdsprache, Türkeikunde und türkei- Verantwortung der Kultusbehörden der Entsende- spezifische Wirtschaftslehre für Schülerinnen und länder, die auch die Lehrkräfte finanzieren. Schüler mit türkischem Migrationshintergrund, wie er beispielsweise an einem Kölner Berufskolleg Die Länder eröffnen Kindern und Jugendlichen angeboten wird. zum Teil auch die Möglichkeit, Herkunftssprachen als Wahlpflichtfach bzw. dritte Fremdsprache oder Bei der Förderung einer gleichberechtigten Teilhabe als Pflichtfremdsprache / zweite Fremdsprache von Menschen mit Migrationshintergrund in allen zu wählen – etwa in Nordrhein-Westfalen oder Bereichen der Gesellschaft kann auch der Zugang zu Thüringen. In Nordrhein-Westfalen gibt es mehrsprachigen Dienstleistungen und Informati- herkunftssprachlichen Unterricht in staatlicher onen eine Rolle spielen, etwa im Gesundheitswesen Verantwortung flächendeckend – fast 900 oder im Kundenkontakt von Verwaltungen. Lehrerstellen werden dafür eingesetzt. Ab 2010 soll Unterschiedliche Ansätze werden hier verfolgt, die er in den weiterführenden Schulen schrittweise von mehrsprachigen Broschüren bis zum Einsatz in einen Fremdsprachenunterricht überführt von Dolmetschern bzw. Sprach- und Kulturmittlern werden. Niedersachsen hat ein am Gemeinsamen reichen. Sie sind ein Beitrag zur interkulturellen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen Öffnung der Gesellschaft.85 Ob und wie mehrspra- orientiertes Kerncurriculum „Herkunftssprach- chige Dienstleistungen und Informationen zur licher Unterricht“ als Grundlage für den Unterricht Verfügung gestellt werden, liegt dabei jeweils im im Primarbereich geschaffen. In Deutschland gibt Ermessen der zuständigen Stelle. 82 83 es außerdem etwa 600 Schulen mit bilingualem Angebot, in denen neben Deutsch auch eine Die folgenden Handlungsempfehlungen geben Fremdsprache als Unterrichtssprache verwendet Ansatzpunkte für eine Förderung der Mehrsprachig- wird. Darunter sind auch einzelne Schulen, in keit von Menschen mit einer anderen Erstsprache denen der Unterricht in Deutsch sowie einer der als Deutsch, ohne dabei die Priorität der Förderung der Hauptherkunftssprachen der Menschen mit Migra- Kenntnisse in der Bildungssprache Deutsch infrage tionshintergrund abgehalten wird, etwa Türkisch, zu stellen. Russisch oder Italienisch. Für Ausbildung und Beruf ist Deutsch die zentrale Sprache, aber: „Die Mehrsprachigkeit der Jugendlichen …“, so die Länder in ihrem Beitrag zum Nationalen Integrationsplan, „… gewinnt in der Phase der Ausbildung eine besondere Bedeutung… und sollte, wo immer dies möglich ist, berufsbezogen weiterentwickelt werden und zu einer Stärkung der 82 Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Erlass „Unterricht für Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte, insbesondere im Bereich der Sprachen“ vom 21.12.2009 (http://www.schulministerium. nrw.de/BP/Schulrecht/Erlasse/Herkunftssprache.pdf). 83 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2008): a. a. O., S. 125. 74 84Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 27. 85 Vgl. Meyer, Bernd (2008): Nutzung der Mehrsprachigkeit von Menschen mit Migrationshintergrund: Berufsfelder mit besonderem Potenzial. Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Hamburg, S. 73. B – Sprachliche Integration Empfehlungen Mehrsprachigkeit in Kindertageseinrichtungen und Schule fördern Fremdsprachenangebote und herkunftssprachlichen Unterricht an Schulen koppeln Die Anerkennung und – wo möglich – Förderung Die erste Fremdsprache in der Schule sollte grund- der Mehrsprachigkeit der Kinder und Jugendlichen sätzlich als Basis für das Erlernen weiterer Fremd- sollte als Ziel im Programm von Bildungseinrich- sprachen und für eine Erziehung zur Mehrspra- tungen verankert werden. Das Bewusstsein für die chigkeit konzipiert sein. Fremdsprachenunterricht Vielfalt der vorhandenen Kulturen und Sprachen sollte Sensibilisierung für andere Kulturen und sollte bei Kindern und Jugendlichen gestärkt Kompetenzen vermitteln, die für das Leben in werden. Die sprachlichen Erfahrungen und Kompe- interkulturellen mehrsprachigen Gesellschaften tenzen mehrsprachig aufwachsender Kinder sollten und für internationale Zusammenhänge wichtig in Kindertageseinrichtungen und Schulen verstärkt sind, wie Sprach-, Lern-, Transfer-, Sozial-, kommu- für die interkulturelle Erziehung aller Kinder nikative und interkulturelle Kompetenzen. genutzt werden. Das Fremdsprachenangebot an Schulen sollte sich Um dies zu unterstützen, können Bildungseinrich- auch an den unter der Bevölkerung mit Migra- tungen Möglichkeiten sprachlicher Begegnung tionshintergrund gesprochenen Sprachen orien- und gemeinsamen Sprachenlernens schaffen, durch tieren. Verbreitete Herkunftssprachen sollten die auch Kinder und Jugendliche, die einsprachig an Schulen unter Berücksichtigung der hierzu ge- in der deutschen Sprache aufwachsen, die Vielfalt der gebenenfalls notwendigen schulrechtlichen Herkunftssprachen und -kulturen ihrer Mitschü- Regelungen als Alternative zur 2. bzw. 3. Fremd- lerinnen und Mitschüler kennenlernen können. sprachen eingeführt werden – keinesfalls jedoch Schulen sollten darüber hinaus auch Möglichkeiten das Englische als für die Berufswelt zentrale zum Erwerb bildungssprachlicher Herkunftsspra- Sprache ersetzen. chenkenntnisse bereithalten. Herkunftssprachlicher Unterricht muss bestimmten Wo möglich, sollten die Erst- und Zweitsprache mehr- Qualitätsmerkmalen genügen, damit er sich sprachiger Kinder füreinander fruchtbar gemacht positiv auf die Sprachentwicklung bilingual lebender werden, um einen kumulativen Aufbau sprachlicher Kinder oder Jugendlicher auswirken kann. Um Fähigkeiten zu ermöglichen, etwa durch zweispra- dies zu erreichen sollten Curricula für herkunfts- chige Alphabetisierungsprogramme. sprachlichen Unterricht an den Europäischen Referenzrahmen für Sprachen orientiert, mit den Umsetzungshinweis: Einbeziehung der Mehrsprachigkeit aller Kinder / Mehrsprachigkeit im Fachunterricht Methoden modernen Sprachunterrichts und individuellen Lernens unterrichtet sowie stärker mit dem Regelunterricht verzahnt werden. In Deutschland und im Ausland sind unterschiedliche Modelle zur Einbeziehung auch der einsprachig In allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen aufwachsenden Kinder und Jugendlichen in die sollte der Erwerb berufsbezogener herkunfts- Förderung der Mehrsprachigkeit erprobt worden. sprachlicher Kenntnisse unterstützt werden. Bei Gute Erfahrungen wurden beispielsweise mit Schülerinnen und Schülern mit selteneren bilingualen Grundschulen gemacht. Diese und Herkunftssprachen können entsprechende An- andere Ansätze sollten systematisch ausgewertet und gebote schulübergreifend vorgehalten werden. auf Transfermöglichkeiten hin untersucht werden. Berufsbezogener herkunftssprachlicher Unterricht Für den Umgang mit mehrsprachigen Lerngruppen in berufsbildenden Schulen kann etwa in Form im Fachunterricht in allgemeinbildenden und von Wirtschaftstürkisch, Wirtschaftsrussisch etc. berufsbildenden Schulen sollten Handreichungen angeboten werden – einzelne berufliche Schulen bzw. Leitfäden für die Lehrkräfte entwickelt werden setzen dies schon ein, so gibt es beispielsweise (auch online). an einem Kölner Berufskolleg Wirtschaftstürkisch. 75 B – Sprachliche Integration Umsetzungshinweis: Anerkennung herkunftssprachlicher Kenntnisse rationen zwischen Bildungseinsrichtungen und Eltern entstehen können. Eltern sollten besser Leistungen in Herkunftssprachen, die an Schulen über die Bedeutung und Potenziale umfassender als Fremdsprachen angeboten werden, sollten zeug- Kenntnisse der Herkunftssprache für ihre Kinder nisrelevant sein, unter Berücksichtigung der hierzu informiert werden. gegebenenfalls notwendigen schulrechtlichen Regelungen. Das Ablegen von Prüfungen in der Migrantenorganisationen können eine wichtige Rolle Herkunftssprache sollte, wo praktikabel, ermöglicht bei der Förderung von Mehrsprachigkeit spielen, werden. Zur Anerkennung von Kenntnissen in den etwa bei der Information und Unterstützung der Eltern Herkunftssprachen können auch bereits existie- bei der herkunftssprachlichen Bildung ihrer Kinder. rende Fremdsprachenzertifikate außerschulischer Fachlich qualifizierte Aktivitäten von Migrantenorga- Bildungseinrichtungen genutzt werden. Sinnvoll nisationen im Bereich der bildungssprachlichen För- wäre die Entwicklung eines bundesweit einheit- derung der Herkunftssprachen sollten stärker unter- lichen Vorgehens zur Möglichkeit des Ablegens von stützt werden. Insbesondere sollten sie verstärkt in Schulprüfungen in Herkunftssprachen und eine Multiplikatorenausbildungen und Weiterqualifizie- Verständigung hierzu auf der Ebene der Kultusmini- rungen eingebunden bzw. als Träger solcher Angebote sterien der Länder. qualifiziert werden, etwa durch gezielte Beteiligung an der Projektförderung zu diesem Thema. Umsetzungshinweis: Herkunftssprachlicher Unterricht Information und Transparenz sicherstellen Zur Förderung von Herkunftssprachen können unter- Zur Dokumentation von Angeboten der Mehr- richtsergänzende, herkunftssprachliche Lerngruppen sprachigkeits- / Herkunftssprachenförderung sollte eingerichtet werden. Für die Förderung einzelner, eine Internetplattform mit Beispielen guter Praxis, gegebenenfalls nicht so häufig gesprochener Herkunfts- Arbeitsmaterialien etc. eingerichtet werden. sprachen können Sprachenpatenschaften zum Bei- Angeknüpft werden könnte hier beispielsweise an spiel mit Migrantenorganisationen, Volkshochschulen, das Angebot des deutschen Bildungsservers, das Bildungseinrichtungen etc. geschlossen werden. bereits umfangreiche Informationen zum Thema Sprachförderung umfasst und sich in erster Linie an Bedarf an Lehrkräften für den Unterricht der Herkunfts- Personen in pädagogischen Berufen richtet. sprachen besteht in der Grundschule in den Fächern diese Sprachen wird in Deutschland bisher nur für Mehrsprachigkeit in der Berufsausbildung nutzen und fördern die Sekundarstufen ausgebildet. Die Studienmöglich- Europäische Kooperationen während der Ausbildung keiten für das Lehramt für die Sprachen Türkisch, und der Aufbau binationaler Ausbildungsgänge Polnisch, Dari/Farsi, Serbisch/Kroatisch/Bosnisch mit Ausbildungsphasen im Ausland sollten verstärkt sollten erweitert werden. werden. Die bestehenden Möglichkeiten des Berufs- Italienisch, Portugiesisch, Spanisch und Russisch. Für bildungsgesetzes, Teile der Berufsausbildung im AusAkteure der Mehrsprachigkeitsförderung einbeziehen land durchzuführen, sollten stärker bekanntge- Ein Beitrag zur Förderung der Mehrsprachigkeit ist gesetz). macht und genutzt werden (§ 2 Abs. 3 Berufsbildungs- die Stärkung der Eltern-Kind-Kommunikation in Familien mit Migrationshintergrund. Eltern bzw. Angebote der Berufsberatung sollten die besonderen Familien sollten dabei unterstützt werden, den Kompetenzprofile und Bedürfnisse von mehrspra- Spracherwerb der Kinder in der Familiensprache zu chigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen berück- fördern und Sprechimpulse aktiver und bewusster sichtigen. Hierzu sollten interkulturell qualifizierte zu steuern. Hierfür sollten Angebote geschaffen und möglichst mehrsprachige Beraterinnen und bzw. breiter eingeführt und die strukturellen Voraus- Berater aus dem Umfeld von Schule, Weiterbildung und setzungen bereitgestellt werden, damit Koope- Übergangsmanagement tätigen Einrichtungen 76 B – Sprachliche Integration beteiligt werden. Für die Berufsberatung und die Ver- Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter formuliert und mittlerinnen und Vermittler der Grundsicherungs- diese entsprechend fortgebildet werden. stellen sollten Leitfäden entwickelt werden, die Anleitung zur Berücksichtigung der besonderen Kompetenzprofile und Bedürfnisse dieser Zielgruppe geben. Umsetzungshinweis: Einsatz von mehrsprachigem Personal in der Kranken- und Altenpflege Eine wichtige Rolle werden Migrantensprachen In Berufsfeldern, in denen Mehrsprachigkeit ein zunehmend in der Kranken- und Altenpflege besonderer Vorteil ist, sollten Ausbildungsbetriebe spielen. Für diese Bereiche ist daher die vermehrte von Kammern, Gewerkschaften und Arbeitgeber- Rekrutierung bilingualer Fachkräfte wünschenswert. verbänden gezielt hierüber informiert werden. Türkisch und Russisch sind hierbei insbesondere von Bedeutung. Medizinische Fachkräfte verfügen jedoch Sprachbezogene Themen sollten – wo relevant – in Hin- nicht notwendigerweise über das sprachliche Wissen, blick auf die spätere Berufsausübung modular in um in einer Sprache, die sie nur als Familiensprache bestehende Ausbildungsgänge integriert oder als gelernt haben und in der sie nicht beruflich ausge- Zusatzqualifikation angeboten und als Qualifizierungs- bildet wurden, komplexe medizinische Sachverhalte merkmal durch Arbeitgeber anerkannt werden. darzulegen. Es sollten daher fachsprachliche Neben nicht-akademischen Berufsausbildungen sollten Fortbildungen in den häufigsten Herkunftssprachen hierzu auch Studiengänge auf- bzw. ausgebaut wer- für den medizinischen Bereich angeboten werden, um den, in denen Studierende ihre herkunftssprachlichen Personal als „Kulturmittler“ für diesen Beruf fortzu- Kompetenzen gezielt fachbezogen vertiefen können. bilden. Es ist beim Einsatz von bilingualem Personal als Übersetzer darauf zu achten, dass dieses nicht nur Mehrsprachigkeit für den Arbeitsmarkt nutzen über die sprachlichen, sondern auch über die jeweils Bei Auswahlverfahren sollten Fähigkeiten und erforderlichen fachlichen Kenntnisse verfügt. Stärken von Menschen mit Migrationshintergrund wie Mehrsprachigkeit stärker nachgefragt werden. Forschungsdesiderate Im Zuge des „diversity managements“ sollte in Verstärkte Forschung ist notwendig zu Sprachenbe- Unternehmen das Bewusstsein für die „Ressource schreibungen von Herkunftssprachen; zu Modellen Mehrsprachigkeit“ gestärkt und fremdsprachliche der Zweisprachigkeitsförderung – insbesondere Bedarfe seitens der Unternehmen bei der Bewer- zu Wirkungen bzw. Erfolgen bilingualer Schulmodelle berauswahl und der Personalentwicklung stärker sowie zu Sprachstandsfeststellungsverfahren berücksichtigt werden. unter Berücksichtigung der Fähigkeiten in der Erstsprache. Mit Blick auf die Nutzung von Mehr- Die kommunikativen Anforderungen an Sprach- sprachigkeit im Beruf ist verstärkte Forschung er- mittlung in Berufsfeldern, die besondere Ein- forderlich zu Ablauf und Umfang mehrsprachiger satzmöglichkeiten für Herkunftssprachen bieten, Kommunikation in Berufsfeldern, in denen Mehr- müssen genauer untersucht werden. sprachigkeit von Relevanz ist. Alltagssprachliche Kenntnisse in der Herkunftssprache allein befähigen in den meisten Berufsfeldern noch nicht in ausreichendem Maß zur Kommunikation mit Kunden / Klienten. Für den Einsatz mehrsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Berufsfeldern, in denen Dienstleistungen gegebenenfalls auch in ausgewählten Herkunftssprachen bereit gehalten werden sollen, sollte deshalb nicht auf „ad-hoc-Dolmetscher“ zurückgegriffen werden, sondern qualitative Mindestanforderungen an die sprachlichen Leistungen der mehrsprachigen 77 C – Bildung und Integration C Bildung und Integration 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld Bildung und Integration Bildung ist Voraussetzung für umfassende Teilhabe Integrationsförderung heißt folglich vor allem: jedes Einzelnen in der Gesellschaft. Bildungsangebote Bildungsgerechtigkeit herstellen, Bildungsbenach- richten sich an Menschen in jedem Lebensalter mit teiligungen abbauen und gelingende Bildungs- sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürf- übergänge sichern. Dieser Aufgabe widmen sich nissen. Diese Heterogenität ist eine große Herausfor- zahlreiche Akteure auf Bundes-, Landes- und kommu- derung für das Bildungssystem und die Aufgabe naler Ebene, die mit unterschiedlichen Angeboten der Integration durch Bildung. Weichen für gelingende die Zielgruppen Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Integration werden bereits im frühen Kindesalter Eltern und pädagogisches Fachpersonal ansprechen. 86 gestellt, für einen erfolgreichen Verlauf von Integrationsprozessen sind auch die Übergänge zwischen den Eine ganz wichtige Rolle im Bildungsprozess von einzelnen Bildungseinrichtungen von besonderer Kindern und Jugendlichen spielen ihre Eltern. Insbe- Relevanz. Die Bedeutung von Bildung für den Integra- sondere Mütter haben in diesem Zusammenhang einen tionsprozess beschränkt sich jedoch nicht nur auf den großen Einfluss auf das Gelingen der Integration der curricularen Bereich, auch außerschulische Kinder- nächsten Generation. Es ist daher besonders wichtig, und Jugendbildung und (berufliche) Weiterbildung Eltern über das deutsche Bildungs- und Ausbildungssys- sind von großer Bedeutung. tem umfassend zu informieren.87 Viele Projekte – einzelne auch mit größerer Reichweite – und ein hohes Der Nationale Integrationsplan betont das Ziel einer Engagement vieler Kindertageseinrichtungen und erfolgreichen beruflichen Erstausbildung als wesent- Schulen versuchen, die Zusammenarbeit mit Eltern liche Voraussetzung für gelingende Integration. mit Migrationshintergrund langfristig und auf gleicher Die Wirtschaft und die Bundesregierung haben sich Augenhöhe zu gestalten. Damit auch andere Einrich- daher im Nationalen Pakt für Ausbildung und tungen von den hier gemachten Erfahrungen profitie- Fachkräftenachwuchs gemeinsam und verbindlich ren können, müssen Projektergebnisse systematisch verpflichtet, in enger Zusammenarbeit mit den aufbereitet und aus besonders vielversprechenden Ländern allen ausbildungswilligen und ausbildungs- Ansätzen Empfehlungen und Umsetzungshinweise fähigen jungen Menschen ein Angebot auf Ausbildung abgeleitet werden. zu unterbreiten. Mit der Erklärung „Potenziale erschließen, Integration fördern – Mehr Bildung und Problematisch im Bereich Integration und Bildung ist, Ausbildung für Jugendliche aus Zuwandererfamilien“ dass die kulturelle, sprachliche und religiöse Vielfalt, haben die Paktpartner im Februar 2009 die Kontinuität die prägend für die Gesellschaft ist, sich erst allmählich ihres Engagements für die Verbesserung der Ausbil- in Curricula, Schulbüchern, pädagogischer Praxis, der dungsreife und die Erhöhung der Ausbildungsbeteili- Zusammenarbeit mit Eltern sowie der Qualifizierung gung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund bekräftigt. 86Vgl. CDU/CSU/FDP (2009): a. a. O., S. 59. 78 87 Siehe hierzu auch: Beschlüsse der 19. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder: Hauptkonferenz am 18. und 19. Juni 2009 auf Schloss Krickenbeck / Nettetal. C – Bildung und Integration und Rekrutierung des pädagogischen Personals nieder- Eltern geprägt. Laut OECD ist der familiäre Einfluss schlägt. So stellen die Kultusministerkonferenz der auf die Lese-, mathematische und naturwissen- Länder und Organisationen von Menschen mit Migrati- schaftliche Kompetenz doppelt so stark wie der von onshintergrund in ihrer gemeinsamen Erklärung fest: Schule, Lehrkräften und Unterricht.90 Familien, die „Der Umgang mit Heterogenität und die Integration von aufgrund einer schwierigen sozioökonomischen Menschen mit Migrationshintergrund in das Bildungs- Position sowie migrationsbedingter Ursachen eine system und Erwerbsleben ist eine drängende Aufgabe. vergleichsweise große Distanz zum Bildungssystem Sie muss zügig und nachhaltig realisiert werden“. haben, sind aber oftmals in ihren Möglichkeiten 88 eingeschränkt, die Bildungs-, Ausbildungs- und Einen wichtigen Beitrag hierzu kann die verstärkte Berufswahlprozesse ihrer Kinder zu unterstützen.91 Gewinnung von Pädagoginnen und Pädagogen, Keine bzw. geringe Deutschkenntnisse, eine Lehrerinnen und Lehrern mit Migrationshintergrund unsichere Aufenthaltsperspektive, fehlende Infor- leisten. Einzelne Bundesländer, Kommunen und mationen über das deutsche Bildungssystem oder Stiftungen haben bereits Ansätze entwickelt, ein traditionell anderes Verständnis über die Rollen- um junge Menschen mit Migrationshintergrund verteilung zwischen Bildungseinrichtung und Eltern verstärkt für den Schuldienst zu gewinnen. Auf können jedoch dazu führen, dass sie sich von den diesen Erfahrungen kann aufgebaut und eine um- Anforderungen der Bildungseinrichtungen – insbe- fassende Strategie entwickelt werden. sondere der Schule – in Deutschland überfordert fühlen. Darüber hinaus können fehlende Kenntnisse Die Themen „Eltern mit Migrationshintergrund: Bil- über Bildungssystem und Bildungsabschlüsse sowie dungs- und Erziehungskompetenzen stärken, Zusam- die sich daraus ergebenden Berufswahlmöglich- menarbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen“ keiten auch zu elterlichen Entscheidungen über sowie „Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migra- Bildungskarrieren führen, die den individuellen tionshintergrund gewinnen“ sind vor diesem Hinter- Fähigkeiten ihrer Kinder nicht gerecht werden.92 Auf grund die Schwerpunktthemen des bundesweiten Inte- der anderen Seite wird aber auch das pädagogische grationsprogramms im Handlungsfeld Bildung und Personal in vielen Fällen noch nicht ausreichend Integration. auf die praktische Gestaltung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit zugewanderten Eltern vorbereitet. 2. Empfehlungen zur Weiter entwicklung von Angeboten im Handlungsfeld Bildung und Integration 2.1 Eltern mit Migrationshintergrund: Bildungs- und Erziehungskompeten zen stärken, Zusammenarbeit mit Bildungseinrichtungen unterstützen Bildungs- und Integrationschancen hängen nicht nur vom Bildungssystem und Angeboten der individuellen Förderung ab89, sondern werden auch stark durch das Wissen und die Unterstützung der 88 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund. Berlin, 2007, S. 8. 89 Vgl. hierzu auch die von der KMK im März 2010 verabschiedete „För- derstrategie für leistungsschwächere Schülerinnen und Schüler“. Die Länder messen der Kooperation mit Eltern im Nationalen Integrationsplan daher einen hohen Stellenwert bei.93 Sie haben unterschiedliche Anstrengungen unternommen, um Sprachlernmöglichkeiten 90Vgl. Organisation for Economic Development (2001): Lernen für das Leben. Erste Ergebnisse der internationalen Schul- leistungsstudie PISA 2000. Paris. 91 Einen Überblick zum Forschungsstand und den Erklärungsansätzen für den Zusammenhang zwischen sozialer und familiärer Herkunft und Bildungserfolg bieten z. B. Friedrich, Lena / Siegert, Manuel (2009): Förderung des Bildungserfolgs von Migranten: Effekte familienorientierter Projekte. Abschlussbericht zum Projekt Bildungserfolge bei Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch Zusammenarbeit mit den Eltern. Working Paper der Forschergruppe des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 24, Nürnberg, S. 10-11. 92 Vgl. Fürstenau, Sara / Gomolla. Mechthild (Hg.) (2009): Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung. Lehrbuch, Wiesbaden, S. 107. 93 Eine Übersicht über Formen der Zusammenarbeit mit Eltern bietet: „Erziehung als Auftrag von Elternhaus und Schule. Informationen der Länder über die Zusammenarbeit von Eltern und Schule“. (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 04.12.2003, siehe http://www.kmk.org). 79 C – Bildung und Integration für Eltern zu verbessern, Elterninformationen zum reichen folglich von der sprachlichen Grundförderung deutschen Bildungssystem zu verstärken und in den Elternintegrationskursen des Bundes über Erziehungsvereinbarungen mit Eltern anzuregen. Die Angebote zur Stärkung der Elternbildung und Kultusministerkonferenz hat zudem im Dezember Erziehungskompetenz,97 bis hin zu Maßnahmen und 2007 gemeinsam mit Migrantenorganisationen eine Initiativen, die eine stärkere Kooperation von Erklärung zur Zusammenarbeit mit Eltern veröffent- Elternhaus und Schule (die Beteiligung von Eltern mit licht. Bund, Länder und Kommunen unterstützen Migrationshintergrund in Gremien schulischer darüber hinaus durch unterschiedliche Initiativen Elternvertretung eingeschlossen) zum Ziel haben. Kindertageseinrichtungen, Schulen, außerschulische Eine wichtige Rolle spielen in diesem Themenbereich Bildungsträger, Migrantenorganisationen, kommu- zunehmend Vereine von Eltern mit Migrationshinter- nale Einrichtungen und andere Akteure vor Ort, Eltern grund oder andere Migrantenorganisationen selbst. 94 mit Migrationshintergrund in ihrer Bildungs- und Erziehungskompetenz zu stärken, ihnen Sprachkennt- In der Praxis der Integrationsförderung ist das Thema nisse und Kenntnisse über das deutsche Bildungs- „Eltern mit Migrationshintergrund“ gekennzeichnet system zu vermitteln und die Kooperation zwischen von Doppelungen, Angebotslücken und fehlender Kindertageseinrichtungen und Schulen einerseits und Abstimmung bestehender Angebote. Dies ist darauf Eltern andererseits zu verbessern. zurückzuführen, dass die Zuständigkeit für den Bereich der Elternbildung nicht abschließend geregelt Zur Einbindung der Eltern in die frühkindliche Bil- ist. Eine systematische Steuerung wird dadurch dung ihrer Kinder und zur Stärkung ihrer Erziehungs- erschwert, dass eine klare strukturelle Verankerung kompetenzen werden Angebote zur Partizipation und finanzielle Zuständigkeit nicht gegeben ist. am Alltag von Kindertageseinrichtungen und Schulen, zur Deutschförderung oder zur Bildungs- und sozialen Viele der folgenden Empfehlungen zeigen Möglich- Beratung gemacht, teilweise in Form umfassender keiten auf, wie pädagogische Fachkräfte, Erziehungspartnerschaften. Projekte zur Stärkung der Lehrerinnen und Lehrer mit Eltern mit Migrations- Erziehungskompetenz werden von Bund und Ländern hintergrund zusammenarbeiten können. Die Emp- gefördert, Kommunen haben Beratungsstellen fehlungen beziehen sich dabei vorrangig für Eltern mit Migrationshintergrund eingerichtet. explizit auf den schulischen Bereich. Viele der Elternarbeit findet dabei nicht nur auf Projektebene, Empfehlungen können jedoch auch analog im vor- sondern auch als systematischer Bestandteil der schulischen Bereich bzw. Übergang von der Schule pädagogischen Arbeit von Bildungseinrichtungen in Ausbildung und Beruf Anwendung finden. statt. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen Intention dieser Vorschläge ist es dabei nicht, den hat als erstes Land ein Elternnetzwerk von und für bereits vollen pädagogischen Alltag durch weitere Eltern mit Migrationshintergrund ins Leben gerufen, Aufgaben zu überfrachten. Es müssen vielmehr das auch dazu dient, das Know-how von Eltern- die erforderlichen Rahmenbedingungen geschaffen vereinen an andere Eltern und ihre Organisationen werden, um die Zusammenarbeit mit Eltern zum weiterzugeben.95 regulären Bestandteil der pädagogischen Arbeit zu machen, der nicht nur ideell wertgeschätzt, Integrationsangebote für Eltern mit Migrations- sondern insbesondere durch zeitliche und finanzi- hintergrund, die zur Steigerung der Bildungserfolge elle Ressourcen unterstützt wird. 96 von Kindern und Jugendlichen beitragen sollen, 94 „Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit“. Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrund. Berlin, 2007. 95 http://www.elternnetzwerk.nrw.de 96 Zur besseren Lesbarkeit wird im Folgenden statt „Eltern mit Migrationshintergrund“ nur „Eltern“ verwendet. In Fällen, in denen Eltern mit als auch Eltern ohne Migrationshintergrund bezeichnet werden, wird explizit darauf hingewiesen. 80 97 Vgl. Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2006): Bestandsaufnahme und Evaluation von Angeboten im Elternbildungsbereich. Berlin, S. 149. Die Stärkung der Erziehungskompetenz ist auch ein Schwerpunkt der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Projekte (vgl. z. B. Projektjahrbuch 2009). C – Bildung und Integration 2.1.1 Elternbildungsangebote Elternbildung unterstützt und begleitet Eltern in Auch die bundesgeförderten Elternintegrations- ihrer Aufgabe als Erziehende, vermittelt Kenntnisse kurse (vergleiche Kapitel B) sind ein Angebot der und Fähigkeiten und regt sie an, sich bewusst und Elternbildung. Den Elternintegrationskurs können reflektierend mit ihren Erziehungs- und Bildungs- Mütter und Väter von Kindern besuchen, die in den aufgaben auseinanderzusetzen. Dies geschieht Kindergarten oder in die Schule gehen und die ein vorwiegend in Veranstaltungen wie Elternkursen besonderes Interesse an der Bildung und Ausbildung oder -akademien, Vorträgen, Gruppen- und ihrer Kinder haben. Der Kurs sollte in der Nähe Projektarbeit oder in offenen Gesprächsrunden. der von den Kindern besuchten Bildungseinrichtung Auch Elternbriefe, Zeitschriften, Radio- und Fern- stattfinden, idealer Weise in deren Räumen. Das sehsendungen zu Erziehungs- und Familienthemen Interesse an diesen speziellen Integrationskursen können zur Elternbildung gerechnet werden. wächst, immerhin gut ein Viertel der Teilnehmenden sind Väter. Die Möglichkeit zur Kinderbe- Angebote der Elternbildung gleichen Informations- treuung, die der Kurs unter bestimmten Umständen defizite über das deutsche Schulsystem und die bietet, ist häufig ausschlaggebend dafür, dass Eltern Rolle der Eltern aus und vermitteln Kompetenzen für dieses Förderangebot wahrnehmen können. die Förderung ihrer Kinder. Dabei ist es wichtig, Eltern auch über das duale Ausbildungssystem und den Der Elternintegrationskurs ergänzt die Themen des Zusammenhang zwischen Schulabschluss und allgemeinen Integrationskurses durch die Bereiche Berufswahlmöglichkeiten zu informieren. Bewährt Kindererziehung und -betreuung, Bildung und hat sich insbesondere der Einsatz von Multiplikatoren Ausbildung. Elternbildung wird in diesen Kursen im Rahmen von Elternbildungsangeboten – häufig nicht nur unter dem sprachlichen Aspekt gesehen, selbst mit Migrationshintergrund (etwa Bildungs- sondern umfasst auch Inhalte, die Eltern in ihrer paten, Stadtteilmütter und -väter). So werden Erziehungskompetenz stärken und es ermöglichen beispielsweise über das Integrationslotsennetzwerk sollen, ihre Kinder im Bildungssystem zu unter- in Hessen Lotsen auch im Bereich der Elternbildung stützen. Der Elternintegrationskurs ist jedoch wie eingesetzt. Im Fokus ihrer Arbeit stehen Wissens- alle anderen Integrationskurse in erster Linie ein vermittlung über das deutsche Bildungs- und Aus- Angebot zur sprachlichen Grundförderung, in bildungssystem, Stärkung der Bildungs- und dessen Rahmen eine umfassende Elternbildung im Erziehungskompetenz und Eigeninitiative der Eltern, weiteren Sinne nicht möglich ist. 98 Unterstützung ihres Deutscherwerbs, Bildungs- und soziale Beratung etc. Die Vorteile von Multiplika- Es liegen bislang keine aussagekräftigen Studien zur torenprojekten scheinen insbesondere im besseren Langzeitwirkung von familienzentrierten Projekten Zugang zur Zielgruppe, im Aufbau nachhaltiger Struk- vor, in der Praxis lässt sich jedoch beobachten, dass turen sowie der zielgruppengerechten, partner- Elternbildungsangebote eine nachhaltige Wirkung auf schaftlichen Unterstützung der Eltern und damit die Familien der Teilnehmenden sowie auf die Multi- auch der Bildungsförderung der Kinder und Jugend- plikatoren selbst haben. Elternbildungsangebote mit lichen zu liegen. Es sind jedoch überwiegend Mütter, gezieltem thematischem Fokus und intensivem regel- die Angebote zur Elternbildung und Erziehungs- mäßigen (wöchentlichen) Programm zeigen dabei kompetenz besuchen, Väter werden nur selten erfolg- stärkere Wirkungen als solche mit breiten Ansätzen.99 reich angesprochen. Beispielhaft ist hier aber die Arabische Eltern-Union e.V., die zusammen mit dem Arbeitskreis Neue Erziehung e.V. eine Vätergruppe zu den Themen Kultur, Gesundheit, Politik, Familie, Schule, Ausbildung und Erziehung anbietet. 98Der Begriff wird im Folgenden als neutrale Funktionsbezeichnung verwendet – in der Praxis sind insbesondere Mütter als Multiplikatoren in der Elternarbeit aktiv. 99 Vgl. Friedrich, Lena und Manuel Siegert (2009): a. a. O. 81 C – Bildung und Integration Empfehlungen Niederschwellige Ansätze des Zugangs zu Eltern mit Migrationshintergrund wählen Hemmschwellen gegenüber Institutionen, ungewohnte Eltern persönlich, wiederholt und kultursensibel auch kulturelle Vielfalt, ein fehlendes Selbstwertgefühl im Rahmen aufsuchender Elternarbeit anzusprechen (Zweifel an eigenen Potenzialen) und mangelnde zeit- hilft, ihr Vertrauen zu gewinnen und sie für eine liche Ressourcen sind Hürden, die viele Eltern mit Zusammenarbeit zu interessieren. Hilfreich sind auch Migrationshintergrund überwinden müssen, bevor sie feste Beratungsstellen sowie muttersprachliche sich für die Teilnahme an Elternbildungsangeboten Honorarkräfte und Ehrenamtliche, die als Sprach- und entscheiden. Neben persönlicher Ansprache ist auch Kulturmittler Eltern erreichen bzw. für diese zur eine intensive, zielgruppengerechte Öffentlichkeitsar- Verfügung stehen. (Zu den Rahmenbedingungen ehren- beit wichtig, um Eltern für Bildungsangebote zu er- amtlicher Arbeit vergleiche Kapitel D) reichen. Information von Mund zu Mund – insbesondere innerhalb der gleichen Community – spielt dabei eine Bewährt haben sich auch niederschwellige Maßnahmen wichtige Rolle. Auch Familienzentren und Mehrgenera- im Freizeitbereich, um die Zielgruppe zu erreichen. tionshäuser werden zunehmend wichtige Orte der Wohnungsbaugesellschaften können zum Beispiel Begegnung, an denen Eltern als Experten angesprochen Kontakte vermitteln oder Hausgemeinschaften, in denen werden können. viele zugewanderte Familien leben, gezielt Informationen über Elternbildungsangebote zukommen lassen. Einen niederschwelligen Ansatz der aufsuchenden Elternbildung hat das in Hessen durchgeführte Projekt Praxisnahe Methodik, Didaktik und Inhalte wählen „VIP-School“ („Visiting Immigrant Parents“) gewählt. In Bildungsangebote für Eltern sollten praxisnah sein, diesem Projekt erhalten junge Zuwanderer-Eltern, ins- das heißt, sie sollten Fragen aufgreifen, die für die besondere Mütter, in regelmäßigen Hausbesuchen Eltern in ihrem täglichen Umgang mit den Kindern Hilfestellung und Beratung bei der Erziehung und För- und ihrem Bildungsweg von Bedeutung sind, derung ihrer 2 – 5 jährigen Kinder durch zweisprachige etwa die Hausaufgaben, das Gespräch mit dem Anleiterinnen. Zusätzlich werden Kurse und Seminare Klassenlehrer, der Schulausflug, aber auch der Unter- angeboten, die Eltern in ihrer Erziehungsarbeit und bei richtsstoff selbst. Bewährt haben sich Angebote, die der Förderung ihrer Kinder vertiefend unterstützen. Einzel- und Gruppenformate kombinieren. Vor allem bei Gruppenangeboten sind anfangs vertrau- Träger von Elternbildungsangeboten sollten die Mög- ensbildende Maßnahmen notwendig, damit die lichkeit nutzen, ihre Angebote in (Eltern-)Integrations- Teilnehmer auch für sensible Themen offen sind. kursen oder anderen Veranstaltungen vorzustellen. Um eine nachhaltige Wirkung der Angebote zu erreiElternbildungsangebote sollten sich in ihren Inhalten, chen, ist es wichtig, bei Teilnehmenden eine Verbind- aber auch ihren organisatorischen Rahmenbedingun- lichkeit herzustellen, die die regelmäßige Teilnahme gen an den Bedürfnissen der Eltern orientieren. am Kurs gewährleistet. Dafür können Bildungsverein- Bildungsangebote für Eltern schulpflichtiger Kinder barungen oder -verträge mit den Eltern geschlossen sollten inhaltlich und zeitlich auf das Schuljahr abge- werden. Die Angebote sollten einem festen Rahmen stimmt sein und an alltagsnahen Orten stattfinden. folgen, jedoch durch thematische Module flexibel genug 100 sein, um kurzfristige Interessen und Bedürfnisse der Umsetzungshinweis: Ansprache der Eltern Bewährt hat sich die Ansprache über mehrere Kanäle, module können in einem Netzwerk von Multiplikatoren- die sowohl Komm- als auch Gehstrukturen bieten: projekten kontinuierlich weiterentwickelt werden. 100 Vgl. Michalek, Ruth / Laros, Anna (2008): Multiplikatoren- modelle für die Arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund. Expertise im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Freiburg, S. 79. 82 Beteiligten einbeziehen zu können. Diese Baukasten- Elternbildungsangebote sollten sprachsensibel entwickelt werden. Einsprachige Angebote auf Deutsch verfehlen ihren Zweck, wenn die Deutsch- C – Bildung und Integration kenntnisse der Teilnehmenden unzureichend sind. tegrationskurse darin, Eltern Mut zu machen, sich Der Einsatz von Multiplikatoren als Übersetzer ist mit Bildung zu beschäftigen, Vertrauen in Bildungs- nur bei sprachhomogenen Gruppen adäquat einrichtungen zu schaffen und Berührungsängste möglich. Die Entscheidung über die sprachliche auf beiden Seiten abzubauen. In einigen Regionen Gestaltung der Angebote muss jeweils anhand funktioniert die Einbettung in die Schulstrukturen der Bedarfe vor Ort getroffen werden. vor Ort sehr gut und mit nachhaltigem Erfolg, in anderen muss noch an der Vernetzung und Umsetzungshinweis: Sprache Kooperation über die Bildungseinrichtungen Um Segregation vorzubeugen und alle Teilnehmen- hinweg gearbeitet werden. Dies kann analog auch den gleichermaßen zu fördern, bieten sich ver- für die niederschwelligen Frauenkurse des Bundes schiedene Möglichkeiten an: Einerseits können bzw. „Mama lernt Deutsch“-Kurse der Länder und Dolmetscher für verschiedene vertretene Sprachen Kommunen empfohlen werden. eingesetzt werden. Elternbildungsprojekte können andererseits zunächst auch mit sprachhomogenen Die Möglichkeit der Teilnehmerinnen und Teil- Gruppen beginnen und diese dann bei ausrei- nehmer von Elternintegrationskursen zu Unter- chenden Deutschkenntnissen der Teilnehmenden richtshospitationen in den Bildungseinrichtungen mischen. ihrer Kinder ist nicht einheitlich geregelt. Schulen und Schulleitungen sollten daher noch stärker für Väter als Zielgruppe für Elternbildungsangebote gewinnen die Bedeutung von Elternarbeit sensibilisiert und Es sollten verstärkt auch Väter für Elternbildungs- angeregt werden. zur Kooperation mit Elternintegrationskursträgern angebote gewonnen werden, da sie insbesondere für Jungen wichtige Bezugspersonen sind. Auch Die „Marke“ Elternintegrationskurs sollte gestärkt Männer ohne Migrationshintergrund sollten werden, indem ihr Bekanntheitsgrad an Schulen angesprochen werden, um den Austausch und das durch Werbemaßnahmen der Träger direkt oder über Zusammenleben im Stadtteil zu fördern. die Schulverwaltung erhöht wird. Erreicht werden sollte damit, dass Räumlichkeiten der Bildungsein- Umsetzungshinweis: Angebote für Väter richtungen der Kinder noch häufiger für die Möglichkeiten, um mehr Väter für die Teilnahme an Elternintegrationskurse zur Verfügung stehen, als Elternbildungsangeboten zu gewinnen, können sein: dies bisher der Fall ist. Männerpädagogische Angebote, die zur Teilnahme an Elternbildungsangeboten motivieren Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat Der Einsatz männlicher Multiplikatoren in Elternbildungsangeboten Teilnahme an Elternintegrationskursen durchge- Ermutigung der Mütter, die Elternbildungsangebote besuchen, Themen und Informationen aus den Veranstaltungen nach Hause zu tragen, und mit ihrem Partner zu diskutieren Aufgreifen von Themenbereichen über das Thema Erziehung hinaus, etwa Schulerfolg, Freizeitaktivitäten mit Kind, „Arbeitsmarkt“ und Ähnliches Anbieten gemeinsamer niederschwelliger Maßnahmen wie zum Beispiel Sportaktivitäten, Angebote aus dem IT-Bereich oder handwerkliche Angebote im Sommer 2009 eine Motivationskampagne zur führt. Unter dem Titel „Deutsch lernen – Deutschland kennenlernen. Damit unsere Kinder bessere Chancen haben“ zielte die Kampagne darauf, Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund zur Teilnahme an Elternintegrationskursen zu motivieren. Zu diesem Zweck erhielten Grundschullehrkräfte und Erzieherinnen und Erzieher an Kindertagesstätten Mappen mit Informationen und Erfahrungsberichten zu Elternintegrationskursen. Teil der Mappen war ein spezielles Elternmagazin, das von ihnen an die Elternintegrationskurse zur Kooperation zwischen Bildungseinrichtungen und Eltern nutzen Zielgruppe verteilt wurde. Das Elternmagazin war Viele Integrationskursleiterinnen und -leiter sehen verfügbar. Im Rahmen der Testphase wurden jeweils eine der grundsätzlichen Aufgaben der Elternin- rund 1 700 Mappen und Elternmagazine an in deutscher, türkischer und russischer Sprache 83 C – Bildung und Integration Kindertagesstätten und Grundschulen im gesamten angebote zu Themen aus den Bereichen Bildung, Bundesgebiet verteilt. Ausbildung und Erziehung sein. Je nach Art und Zielgruppe des geplanten Projekts können Qualifizierung und Vernetzung von Lehrkräften in Elternintegrationskursen sicherstellen dabei unterschiedliche Akteure einbezogen Viele der Teilnehmenden nutzen den geschützten Grundsicherungsstellen, Migrantenorganisationen, Raum und das vertrauensvolle Klima der Eltern- Vereine und Verbände der Mehrheitsgesellschaft, integrationskurse zu teilweise sehr persönlichen Migrationsberatungsstellen für Erwachsene und Gesprächen mit den Kursleitenden. Kursleiter- Jugendmigrationsdienste, Migranten-, Ausländer-, schulungen für Elternintegrationskurse sollten Integrationsbeauftragte, Bildungseinrichtungen, daher auf schwierige Situationen und Gespräche Unternehmen. werden, unter anderem Agenturen für Arbeit bzw. vorbereiten und das Bewusstsein dafür schaffen, dass die Aufgaben der Kursleitung auch in In Hamburg führen die Bücherhallen (städtische der sozialräumlichen Vernetzung des Kurses Büchereien) das Ehrenamtsprojekt „Dialog in und der Teilnehmenden sowie der Förderung Deutsch“ durch. Das Projekt umfasst ein breites des Kontakts zwischen Bildungseinrichtung und Angebot an offenen, kostenlosen und unbefristeten Eltern liegen. Gesprächsgruppen mit bis zu acht Personen und wendet sich an Erwachsene – insbesondere Ein bundesweites Forum mit Möglichkeiten zum Aus- Eltern – mit Migrationshintergrund, die nach der tausch von Unterrichtsmaterialien und Erfahrungen Teilnahme am Integrationskurs ihre Deutschkennt- kann Kursleitende von Elternintegrationskursen nisse trainieren und vertiefen wollen und noch unterstützen. Ein entsprechendes, online-basiertes keinen Zugang zu anderen Bildungseinrichtungen Forum müsste sowohl die Möglichkeit zum fachlichen gefunden haben. Die Gesprächsgruppen treffen Austausch als auch Materialien bereitstellen. sich einmal wöchentlich in den verschiedenen Stadtteilbücherhallen und in der Zentralbibliothek. Elternintegrationskurse werden unter anderem Hier finden die Teilnehmenden einen attraktiven aufgrund einer hohen Teilnehmerfluktuation von Ort der Begegnung, der wichtige Eigenschaften vielen Kursträgern als verhältnismäßig verwal- vereint: Er ist öffentlich und gleichzeitig geschützt, tungsintensiv eingeschätzt. Ein Erfahrungsaus- bildungsnah mit Zugang zu modernsten Medien tausch und eine Vernetzung der Kursträger sind vor und doch kein Lehrbetrieb. Die Freude am prakti- diesem Hintergrund besonders wichtig. Eine solche schen Umgang mit der Sprache steht im Vorder- Trägervernetzung kann bislang aber nur mittels grund. Die Gruppen werden von Ehrenamtlichen hohem, auch außerberuflichem Engagements von geleitet, die kontinuierlich fachlich unterstützt Kursleitenden erreicht werden. Eine regionale oder werden. überregionale Koordination zur Vorbereitung und Vernetzung der Elternkurse kann hier Abhilfe Träger von Elternbildungsangeboten vernetzen schaffen. Alternativ bieten sich auch regelmäßige Die Vielzahl an Projekten der Elternbildung und die Arbeitsgruppen der Kursträger auf regionaler bzw. Vielfalt der Anbieter überfordert Eltern oft bei der kommunaler Ebene an, die auch ein Forum Auswahl der für sie passenden Angebote. Netzwerke bieten können, um Parallelstrukturen in der Ange- und Kooperationen auf kommunaler Ebene können botslandschaft für Elternkurse zu vermeiden. dieser Überforderung gegensteuern, Information über Angebote bündeln und dazu beitragen, dass Integrationskursergänzende Maßnahmen entwickeln Träger ihre Angebote aufeinander abstimmen und Insbesondere die außersprachlichen Inhalte der sich ergänzen. Elternintegrationskurse können durch weitere Angebote der Elternbildung vertieft werden, die Bildungseinrichtungen, Familien- und Jugend- direkt an die Kurse gekoppelt sind. Dies können hilfe sollten gemeinsam mit Migrantenorganisa- etwa umfassendere Informations- und Bildungs- tionen, Elternorganisationen bzw. -vertretungen 84 C – Bildung und Integration und Trägern von Elternbildungsangeboten in Kindergarten und Schule sowie die Interaktion und vor Ort Netzwerke bilden, um Eltern gezielt anzu- Kommunikation zwischen Migrantenfamilien und sprechen. Hierzu sollte eine Koordinationsstelle deutschen Institutionen zu stärken. Hierzu wurde eine eingerichtet werden, die die Vernetzungsstruktur Fachstelle zur Förderung der strukturellen Integra- entwickelt, moderiert und aufrechterhält. Hier- tion von Migrantenkindern eingerichtet. In enger für erscheinen beispielsweise Bildungsbüros Zusammenarbeit der Fachstelle, der Kommunalver- oder Servicestellen lokaler Bildungslandschaften waltung und von Einrichtungen in den Bereichen geeignet. Von den Angeboten dieser Stelle Kindergarten und Schule wurden standardisierte können auch Eltern ohne Migrationshintergrund Strukturen und Verfahren zur Berücksichtigung der profitieren. besonderen (Bildungs-) Situation der Migrantenkinder sowie für die Qualifizierung von Multiplikatoren Elternbildungsangebote sollten in die Angebots- der Bildungseinrichtungen entwickelt. Das Projekt strukturen vor Ort eingebettet sein, um die umfasste insbesondere: teilnehmenden Eltern an die Bildungsinstitutionen vor Ort heranführen zu können. Träger von Elternbildungsangeboten sollten über institutionalisierte Strukturen verfügen und mit den Anforderungen vor Ort vertraut sein, um auf diese zielgerichtet reagieren zu können. Der Aufbau und die fachliche Steuerung eines lokalen Pools von Honorarkräften mit eigener Migrationserfahrung und zwei- bzw. mehrsprachigen Kompetenzen auf kommunaler Ebene haben sich zur Durchführung (auch herkunftssprachlicher) Elternbildungsprojekte bewährt. Erfahrungen mit der systematischen Verankerung und Förderung der Elternarbeit in regionalen Entwicklung von Informationsmaterialien Vernetzung mit medizinischen Einrichtungen, Kindergärten und Schulen Ausbildung von Integrationsbeauftragten an den Grundschulen der Stadt Gruppenangebote zu entwicklungs- und bildungsrelevanten Themen, die in Deutsch und in den vor Ort am häufigsten gesprochenen Migrantensprachen angeboten werden Individualisierte und integrationsspezifische Begleitung von Eltern und Kindern bei „kritischen Übergangsphasen“ Clearingstelle für individuelle und familienbezogene Entwicklungsfragen Muttersprachliche Sprachstandsdiagnostik bzw. landesweiten Netzwerken mit Migrantenorganisationen, Elternvereinen, Bildungseinrichtungen Die erfolgreichen Ansätze des Projekts werden in ein und anderen Akteuren der Zusammenarbeit mit kommunales Integrationskonzept eingebracht, um Eltern sollten dokumentiert, ausgewertet und die Nachhaltigkeit der Arbeit und ihrer Ergebnisse für den Transfer in andere Regionen bzw. Bundes- zu stärken. länder aufbereitet werden. Multiplikatoren in Elternbildungsangeboten einsetzen Das bis Frühjahr 2010 vom Bundesamt für Migration Als Multiplikatoren in Elternbildungsangeboten und Flüchtlinge geförderte Regensburger Projekt eignen sich am besten Menschen, die sich in einer „INMIGRA-KID“ hat dazu beitgetragen, die Bewäl- ähnlichen Lebenslage befinden wie die Zielgruppe. tigung der Übergänge „Vorkindergarten – Kinder- Ein gemeinsamer kultureller Hintergrund garten“ sowie „Kindergarten – Schule“ zu erleichtern, erleichtert den Zugang zu Eltern. Multiplikatoren die häufig Verunsicherungen auf familiärer und der gleichen Herkunftssprache wie die Zielgruppe institutioneller Ebene bei Migrantenfamilien können diese besonders gut erreichen. Im Rahmen verursachen. „INMIGRA-KID“ hat Migrantenfamilien von Elternbildungsprogrammen sollte daher mit Kindern im Alter bis sechs 6 Jahre sowie Multi- ein Multiplikatorennetz aufgebaut werden, das plikatoren der Bildungsinstitutionen angesprochen. möglichst viele verschiedene Sprachen abdeckt.101 Das Projekt zielte darauf, Elternkompetenzen für den Übertritt der Kinder 101 Michalek, Ruth / Laros, Anna (2008): a. a. O., S. 93. 85 C – Bildung und Integration Es ist notwendig, auch Männer für diese Arbeit zu gewinnen, wenn die Zielgruppe der Väter in „Wieviel Taschengeld ist sinnvoll? – Wie lernen Kinder den Umgang mit Geld?“ Zukunft stärker eingebunden werden soll. „Wie schütze ich mein Kind vor Alkohol und Drogen?“ Das Neuköllner Projekt „Stadtteilmütter“ qualifiziert seit Die Gesprächsrunden werden von Vätern oder 2004 Mütter, um Familien mit Migrationshintergrund Müttern moderiert, die auf diese Aufgabe vorbe- im Stadtteil zu unterstützen, die bisher wenig oder reitet wurden. Die Gesprächsrunden finden je nach keinen Zugang zum Erziehungssystem haben. Zum Wunsch in Türkisch, Russisch, Deutsch oder auch einen bietet das Projekt Vermittlung familienrelevanter in anderen Sprachen statt. Im Jahr 2009 wurden Informationen, zum anderen umfasst es die Quali- an 21 Standorten 1300 Elterntalks durchgeführt. fizierung und stundenweise Beschäftigung von Eine interne Evaluation des Programms zeigt, dass Migrantinnen als Beraterinnen auf Honorarbasis. rund zwei Drittel der teilnehmenden Eltern einen Damit zielt das Projekt darauf, Sprachfähigkeiten von Migrationshintergrund haben. Weitere Informati- Kindern und Eltern zu fördern, Erziehungskompetenz onen zum Programm „Elterntalk“ sind unter und Selbstbewusstsein der Eltern im Umgang mit http://www.elterntalk.net erhältlich. Bildungseinsrichtungen zu stärken, Kindertagesstätten Kitabesuch zu werben sowie konkrete Hilfen und Qualität der Ausbildung und Betreuung von Multiplikatoren sichern Informationen für Familien zu vermitteln. Als Peer- Der Erfolg von Elternbildung hängt in hohem Maße Beraterinnen arbeiten die Stadtteilmütter auf gleicher von der Qualität der Ausbildung der Multiplika- Augenhöhe. So fassen die Familien leicht Vertrauen toren ab. Empfohlen werden daher ein professioneller und lernen vieles über Bildung, Sprache, Erziehung und Ausbildungsrahmen und eine zertifizierte Aus- Gesundheit dazu. Durch die Ausbildung zu semipro- bildung von Multiplikatoren für Elternbildungs- fessionellen Helferinnen haben die Stadtteilmütter angebote. Ein Zertifikat gewährleistet auch, dass eine gewisse berufliche Qualifikation und damit den die Arbeit der überwiegend als Ehrenamtlichen Zugang zu einer entlohnten Beschäftigung erhalten. oder als Honorarkräfte Beschäftigten eine zusätz- Auch ihre eigenen Erziehungskompetenzen sind liche Anerkennung erhält. Multiplikatoren können bei Eltern bekannt zu machen und für den frühen deutlich gewachsen. Ihre neue Aufgabe und die Vorbild- ein solches Zertifikat auch zur Dokumentation funktion, die sie für andere Mütter im Stadtteil von Qualifikationen im Zuge von Bewerbungen haben, stärken ihr Selbstbewusstsein. Basierend auf nutzen. Die Aus- und Weiterbildung kann über ein den positiven Erfahrungen und Ergebnissen ist Netzwerk von Trägern von (Eltern)bildungsange- das Stadtteilmütter-Projekt mittlerweile auf mehrere boten organisiert werden. andere Kieze und Städte übertragen worden.102 Fachliche Begleitung der Arbeit der MultiplikaEltern mit Hilfe von Multiplikatoren zu Themen wie toren ist ein wichtiges Element der Qualitäts- Medien, Konsum und Suchtvorbeugung zu infor- entwicklung. Gerade im Hinblick auf die hohe mieren und ihnen die Möglichkeit zum Austausch Belastung durch zeitintensive und größtenteils mit anderen Eltern zu bieten, diesen Ansatz verfolgt ehrenamtliche Arbeit ist regelmäßige Supervision das von der Bayerischen Staatsregierung geförderte von Expertinnen und Experten der (interkultu- Programm „Elterntalk“. Elterntalk steht für: rellen) Pädagogik unerlässlich. Deshalb sollte eine Fachgespräch von Eltern für Eltern. Gastgeber sind Betreuung der Multiplikatoren und Begleitung Mütter und Väter, die andere Eltern zu sich nach ihrer Arbeit örtlich oder regional etabliert werden Hause einladen und ins Gespräch kommen über (begleitete Erprobungsphasen, Coaching und Fragen wie: Supervisionen). „Was kann ich tun, wenn mein Kind zu häufig und zu lange vor dem Fernseher sitzt?“ Die Integrationsbeauftragte der Stadt Heilbronn 102 http://www.stadtteilmuetter.de bildung eines Pools von etwa 100 Multiplikatoren 86 koordiniert und steuert die fachliche Aus- C – Bildung und Integration mit Zuwanderungsgeschichte. Diese werden seit amtlichen Paten. Eine wissenschaftliche Beglei- Herbst 2009 in 12 Grundschulen, ab Herbst 2010 tung sollte gewährleisten, dass Erfahrungen aus flächendeckend an allen Heilbronner Kinder- den Projekten und Bedingungen für eine möglichst tagesstätten und Grundschulen als Mittler und effektive Projektdurchführung systematisch Kursleiter zur Informationen über die Themen „Wie erfasst werden, um die anschließende Verbreitung funktioniert die Schule?“ und „Wie funktioniert und Übertragung der Ergebnisse zu sichern. Das der Kindergarten?“ eingesetzt und sind auch Modellprojekt wurde von der Bundesarbeitsge- für Informationsgespräche zwischen Eltern und meinschaft Evangelische Jugendsozialarbeit e.V. Lehrern buchbar. Pro Kurs werden mehrere Treffen koordiniert. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen kostenfrei in Gruppen von rund acht Teilneh- Begleitung zum Modellprojekt sind in Kürze zu merinnen und Teilnehmern durchgeführt. Die finden unter Treffen werden bei Bedarf in der Muttersprache der http://www.jugendmigrationsdienste.de und Eltern angeboten, um intensive Diskussionen und http://www.jugend-staerken.de. nachhaltigen Informationsaustausch zu ermögAkademie für Innovative Bildung und Management Angebote der Familienbildung und -beratung für Familien mit Migrationshintergrund öffnen und der Robert Bosch Stiftung. Nähere Informati- Gezielte Angebote für Eltern mit Migrationshinter- onen können unter integration@stadt-heilbronn.de grund sind wichtig. Darüber hinaus gilt es jedoch nachgefragt werden. auch, die bereits vorhandenen, allen zugänglichen lichen. Die Maßnahme wird unterstützt von der Angebote der Familienbildung und -beratung Themenunabhängige Projektziele verfolgen noch stärker für die Belange von Familien mit Übergreifende Projektziele von Elternbildungs- Migrationshintergrund zu öffnen. angeboten sollten die Vernetzung der Eltern untereinander und ihre Weitervermittlung an Der Freistaat Bayern hat zur Sensibilisierung der Angebote und Anlaufstellen im Stadtteil sein, Erziehungsberatungsstellen für die Belange damit Eltern motiviert werden, aktiv am Leben im von Familien mit Migrationshintergrund eine Stadtteil teilzuhaben. Hierbei sollten die Projekte Qualifikationskampagne für Mitarbeiterinnen flexibel vor Ort entscheiden können, welche Form und Mitarbeiter der Beratungseinrichtungen der Vermittlungs- und Vernetzungsarbeit sinnvoll mit regelmäßigen Fortbildungsangeboten zum Auf- ist – Handreichungen können darüber informieren. bau interkultureller Kompetenz durchgeführt. Im Rahmen der Jugendmigrationsdienste hat das Forschungsdesiderate Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Verstärkte Forschung ist notwendig zur Langzeit- und Jugend das Modellprojekt „Ausbildungsorien- wirkung von familienzentrierten Projekten tierte Elternarbeit im JMD“ an bundesweit zwölf sowie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden Standorten gefördert. Im Mittelpunkt stand in der Multiplikatorenarbeit, sowohl hinsichtlich die Unterstützung der Erziehungskompetenz von der Arbeitsweise von Multiplikatoren als auch Eltern mit Migrationshintergrund am Übergang ihrer Wirkung. Zur Gewinnung neuer Multiplika- ihrer Kinder von der Schule in die Ausbildung. Je toren ist Forschungsbedarf zur Motivation für nach Standort wurden unterschiedliche Schwer- eine Tätigkeit als Multiplikator hilfreich. punkte in der Elternarbeit gesetzt. Dazu gehörten Informationsveranstaltungen und Seminarreihen zum Schul- und Ausbildungssystem, individuelle Begleitung und Beratung, aufsuchende Elternarbeit, Gründung von Elterninitiativen, Kooperation mit Schulen und weiteren Akteuren im Bildungs- und Ausbildungsbereich, der Aufbau von Netzwerken sowie die Einbeziehung von Ehren- 87 C – Bildung und Integration 2.1.2 Zusammenarbeit Eltern – Schule zur individuellen Förderung des Kindes Praxisberichte von Lehrerinnen und Lehrern und relle Kommunikation und Kooperation scheitern oft Interviews mit Eltern zeigen, dass es Schwierig- an den genannten Verständnisproblemen. Es zeigt keiten in der Kommunikation zwischen Eltern mit sich, dass die pädagogischen Ansätze der Schule Migrationshintergrund und Lehrkräften gibt: Die häufig nicht den Erwartungen von Eltern mit Migra- Eltern gehen auf Lehrkräfte weniger häufig zu tionshintergrund entsprechen. Dies stellt Schulen und nutzen auch zufällige Begegnungen seltener vor neue Herausforderungen bei der Gestaltung der für Gespräche. Zudem ziehen sie aus solchen Information für und Zusammenarbeit mit Eltern mit Gesprächen auch einen geringeren Nutzen. Migrationshintergrund. Dabei wird in der Wahr- 103 nehmung beider Seiten die Verantwortlichkeit für Die Kommunikation und Kooperation zwischen ge- bzw. misslingende Kooperation häufig dem jeweils Lehrerinnen / Lehrern und Eltern mit einem anderen anderen zugeschrieben. Um den Kontakt zu Eltern zu kulturellen Hintergrund stellt für beide Seiten in verbessern, beschreiten einige Schulen alternative mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung dar. Wege, sie aktiv einzubeziehen und eine Zusammen- Obwohl rund 61 Prozent der Zuwanderer der Schule arbeit auf gleicher Augenhöhe zu ermöglichen, etwa sehr viel oder viel Vertrauen entgegenbringen,104 durch den Einsatz von Bildungspaten. erschweren Verständnisschwierigkeiten die Zusammenarbeit. Dabei beziehen sich Verständnis- In den letzten Jahren ist ein Wandel festzustellen: schwierigkeiten nicht nur auf die sprachliche Ebene, Besondere Bedeutung kommt dem Engagement einer oftmals liegen sie auch in den unterschiedlichen zunehmenden Zahl von Eltern mit Migrationshinter- Lebenswelten von Eltern und pädagogischem grund zu, die als Einzelperson oder in Vereinen den Personal begründet. Hinzu können auch familiäre Bildungsweg ihrer Kinder unterstützen. Viele dieser und institutionelle Erfahrungen in Deutschland Organisationen wenden sich mit unterschiedlichsten oder dem Herkunftsland kommen, die prägend für Angeboten an Eltern mit Migrationshintergrund, die die eigene Einstellung zu Bildung und Erziehung von kompetenter Familienberatung und Informati- sind, ein unterschiedliches Bildungsbewusstsein onsveranstaltungen bis hin zu Weiterbildungsver- und eine größere Distanz der Eltern zu Lehrenden anstaltungen zu pädagogischen und bildungspoli- und dem deutschen Schulsystem. 42 Prozent der tischen Fragen reichen. Häufig werden Elternvereine Zuwanderer haben zudem das Gefühl, dass Schüle- auch von Schulen kontaktiert bzw. treten an diese rinnen und Schüler aus Zuwandererfamilien heran, um als Mittler zwischen Lehrenden und Eltern nicht die gleichen Chancen haben wie deutsche Kinder. mit Migrationshintergrund tätig zu werden. Denn Eine Mehrheit von ihnen bemängelt bei der hier auch viele Schulen haben erkannt, dass zugewanderte geborenen dritten Generation die fehlende Chancen- Eltern bereit sind, sich für die Bildung ihrer Kinder zu gleichheit für Kinder aus Zuwandererfamilien. engagieren, sind aber unsicher, wie sie diese Eltern erreichen und einbinden können. Dieses Gefühl ist besonders stark bei Familien mit geringem sozioökonomischen Status. Ein kooperativer Kommunikations- und Kooperationsversuche zwischen Austausch zwischen Schulen bzw. Lehrkräften und Eltern mit Migrationshintergrund und Schulen Eltern mit Migrationshintergrund ist daher besonders beschränken sich meistens auf die traditionellen wichtig, aber auch besonders schwierig: Interkultu- Formen Elternabende, Mitwirkung von Eltern in Gremien und individuelle Kontakte, zum Beispiel 103 Sacher, Werner (2006): Einflüsse der Sozialschicht und des Migrationsstatus auf das Verhältnis zwischen Elternhaus und Schule, Nürnberg. 104 In der Gesamtbevölkerung liegt der Anteil nur bei 31 Prozent; vgl. für die Zahlen in diesem Abschnitt: Bertelsmann Stiftung (2009): Zuwanderer in Deutschland. Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund. Durchgeführt durch das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung, Gütersloh. 88 Beratungsgespräche. Nicht alle Eltern fühlen sich aber von diesen Formen der Elternarbeit angesprochen. Zur Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund benötigen Lehrkräfte Kenntnisse über migrations- und kulturspezifische Hintergründe. Auf Seiten der Eltern wiederum müssen ausreichende Kenntnisse C – Bildung und Integration über das Bildungssystem vorhanden sein und Koopera- Sowohl Eltern als auch Bildungseinrichtungen profi- tionsangebote auch tatsächlich wahrgenommen tieren von der gemeinsamen Arbeit. Voraussetzung werden. für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist der Aufbau eines partnerschaftlichen Verhältnisses, Gute Praxisbeispiele105 zeigen, dass auch im bestehenden das Eltern mit Migrationshintergrund als gleichbe- System erfolgreiche Elternarbeit entstehen kann, rechtigte Partner anspricht und dazu ermutigt, die Lehrerinnen und Lehrer in ihrer täglichen Arbeit ihr umfangreiches Wissen in den Erfahrungsaus- entlastet. Der flächendeckende Transfer der Erfolgs- tausch einzubringen und damit auch einen Beitrag modelle ist jedoch nur mit strukturellen Verände- zur interkulturellen Öffnung der Bildungsein- rungen der Rahmenbedingungen von Elternarbeit richtungen zu leisten. Erfolgreiche Elternarbeit erreichbar. Die Entwicklung hin zu mehr Schul- erfordert Kontinuität und langfristige Ansprech- autonomie und die zunehmende Verbreitung von partner, zu denen Vertrauen aufgebaut werden Ganztagsschulen eröffnen bereits jetzt Möglichkeiten kann. Sie sollte in den Bildungseinrichtungen der für einzelne Schulen, alternative Formen der Eltern- Elementarpädagogik einsetzen und in der Schule arbeit einzuführen, durch die auch Eltern mit Migrati- weitergeführt werden und, wenn nötig, bis hin zum onshintergrund nachhaltig in die Bildungswege ihrer erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung Kinder eingebunden werden können. andauern. 105 Ein Beispiel ist die Elternarbeit an der Grundschule in der Kleinen Kielstraße in Dortmund. 2006 erhielt diese Grundschule den Deutschen Schulpreis. An der Schule werden 400 Kinder aus 30 Nationen unterrichtet. Unter dem Motto „Was ist für unsere Kinder das Beste“ wurden verschiedene Projekte und ständige Veranstaltungen eingeführt. Gute Praxisbeispiele können zwar anderen Schulen Anregungen geben, ihre Ausgestaltung muss dabei aber immer an lokale Gegebenheiten angepasst werden. Erfolgreiche Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund existiert, bleibt allerdings oft dem Zufall und dem Engagement einzelner Eltern, Schulen und Lehrenden bzw. Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter überlassen. Empfehlungen Rahmenbedingungen und Qualität der Zusammenarbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund verbessern Damit Kooperation und Kommunikation erfolg- der Leitungsebene der Bildungseinrichtungen reich gestaltet werden können, müssen Berüh- als zentrale Aufgabe der Mitarbeiterinnen und rungsängste auf beiden Seiten abgebaut, Zugänge Mitarbeiter kommuniziert werden. Die Entscheidung für Eltern mit Migrationshintergrund zum für eine verstärkte Beschäftigung mit dem Thema Bildungssystem erleichtert und Angebote und Bil- Elternarbeit muss also vom gesamten Schulteam dungseinrichtungen interkulturell geöffnet getragen werden. werden. Entscheidend für eine erfolgreiche Elternarbeit ist die „gleiche Augenhöhe“ aller Beteiligten. Interkulturelle Erziehung schließt auch Eltern ohne Offenheit, gegenseitige Wertschätzung, Respekt Migrationshintergrund mit ein. Gemeinsame Zielrich- und Partizipation sind wichtig für ein gelingendes tungen der Arbeit mit allen Eltern sollten zwischen Miteinander und erfolgreiche Bildungskarrieren. Bildungseinrichtungen und Eltern früh erörtert und vereinbart werden. Die interkulturelle Kooperation Wirkungsvolle und nachhaltige Elternarbeit braucht mit allen Eltern sollte fester Bestandteil der Konzepte finanzielle Ressourcen – etwa für die Finanzierung der Bildungseinrichtungen sein und in Leitbildern von Veranstaltungen oder Lernmaterialien -, verläss- oder Schulprofilen festgeschrieben werden. Förderan- liche Strukturen, eine solide Vertrauensbasis und gebote für Kinder und Angebote des Elternempower- Zeit. Elternarbeit sollte systematischer Bestandteil der ments sollten zusammenwirken. Zwischen Elternhaus Tätigkeit von Bildungseinrichtungen sein und von und Schule sollten Erziehungspartnerschaften 89 C – Bildung und Integration gefördert werden, die darauf zielen, die Bildungsqua- der Schulleitung angemessen berücksichtigt lität in den Elternhäusern zu verbessern. werden. Auch die Wertschätzung entsprechender Bemühungen im Rahmen der Schulkultur (Leitbild, Umsetzungshinweis: Interkulturelle Beraterinnen und Berater an Schulen Schulprofil) kann hierzu einen Beitrag leisten. Hilfreich kann die Ernennung einer entsprechend Bildungseinrichtungen sollten professionelle qualifizierten Lehrkraft zum / zur Beauftragten für Qualifizierung und Beratung für eine gute Zusam- interkulturelle Arbeit an der Schule sein. Schul- menarbeit mit Eltern erhalten. Hilfreich können leitungen sollten ihr Kollegium auf Angebote der insbesondere stadtteilbezogene, kommunale oder interkulturellen Lehrerfortbildung aufmerksam landesweite Netzwerke sein, in denen sich Bildungs- machen bzw. gezielt bei den Landesinstituten einrichtungen, externe Partner der Elternbildung für Lehreraus- und -fortbildung entsprechende An- und Elternvereine austauschen und Beispiele guter gebote für ihr Kollegium beantragen. Praxis verbreitet werden können. Qualitätskriterien entwickeln Einzelne Bundesländer, zum Beispiel Nordrhein- Für die Zusammenarbeit mit Eltern sollten über- Westfalen und Berlin, führen landesweite Eltern- greifend Qualitätskriterien entwickelt und von den kongresse für Familien mit Migrationshintergrund einzelnen Bildungseinrichtungen bzw. Trägern durch, auf denen sich Eltern über das Bildungs- umgesetzt werden. Beteiligt werden sollten an der system und Beratungsstellen informieren können Entwicklung von Kriterien unter anderem Fach- und Möglichkeiten zur Vernetzung erhalten. verbände, Träger von Elternbildungsangeboten, Die Berliner „Servicestelle Elternbeteiligung und Servicestellen für Bildungsfragen – wie etwa die Sprachförderung“ ist eine Einrichtung, die in Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern Kitas und Schulen arbeitet und die Vernetzung und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien (RAA) von Bildungsträgern im Stadtteil unterstützt. Sie in Nordrhein-Westfalen – und Vertreter von gehört zum Kooperationsvorhaben „Werkstatt Pädagogikinstituten. Diese Kriterien müssen flexibel Integration durch Bildung“ in Kreuzberg, an dem genug sein, um die spezifischen Bedingungen die bezirkliche Schulaufsicht und das Modellpro- und Bedürfnisse vor Ort einbeziehen zu können. gramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ beteiligt sind. Umsetzungshinweis: Gütesiegel der Elternarbeit Im Zuge eines umfassenden Qualitätsentwicklungs- Im Oktober 2009 hat das nordrhein-westfälische prozesses für die Zusammenarbeit mit Eltern kann Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und (unter Einbeziehung der zentralen Akteure) auch ein Integration eine Vätertagung veranstaltet, die sich Gütesiegel für Eltern-Kind-Programme entwickelt mit der veränderten Rolle der Väter in der Familie und implementiert werden. Anregungen hierzu auseinandergesetzt hat. Ein Themenschwerpunkt können sich beispielsweise aus dem Zertifizierungs- waren Väter mit Migrationshintergrund. programm der Familienzentren in NordrheinWestfalen ergeben. Besondere Außenwirkung kann In Baden-Württemberg wurde im Rahmen des ein solches Gütesiegel entfalten, wenn es von Projekts „Integration gemeinsam schaffen – für eine den zuständigen Länderministerien vergeben wird. erfolgreiche Bildungspartnerschaft mit Eltern mit Migrationshintergrund“ von vielen im Integra- Pädagogisches Personal der Bildungseinrichtungen unterstützen tions- und Bildungsbereich tätigen Akteuren eine Erfolgreiche Elternarbeit erleichtert langfristig nerschaft mit Eltern mit Migrationshintergrund zwar vieles, bedeutet jedoch zunächst erhöhten Auf- entwickelt. Das Projekt wird gemeinsam vom wand für Lehrkräfte und Schulen. Der mit intensi- Integrationsbeauftragten der Landesregierung, der ver Elternarbeit verbundene tatsächliche zeitliche Robert Bosch Stiftung und der Breuninger-Stiftung Aufwand für die Lehrkräfte sollte vonseiten durchgeführt. Daneben gibt es viele staatliche und 90 Konzeption für eine erfolgreiche Bildungspart- C – Bildung und Integration privat geförderte Projekte, die sich mit deutschen oder herkunftssprachlichen, teils niederschwelligen Angeboten der Stärkung der Elternbildung und Erziehungskompetenz widmen. Auch in Bayern ist eine Arbeitsgruppe Elternarbeit als beratendes Gremium des Bayerischen Staatsministers für Unterricht und Kultus eingerichtet worden. Dem pädagogischen Personal sollten in Fortbildungsveranstaltungen Kenntnisse über Migrationsund Integrationsprozesse sowie die Situation von Fehlende Nachfragen seitens der Eltern sollten Lehrkräfte nicht darauf zurückführen, dass diese keine Fragen haben, sondern eher auf eine Scheu, auf die Lehrkräfte zuzugehen. Die Initiative zur Aufnahme von persönlichem Kontakt sollte daher frühzeitig von den Lehrkräften ausgehen. Um die geringe Intensität des Kontakts zwischen Eltern mit Migrationshintergrund und Lehrkräften zu verändern, haben sich auch Hausbesuche von Lehrkräften ohne „Problemanlass“ als proaktive Methode bewährt. Lehrkräfte haben so die Möglichkeit, sich ein Bild von den Lebensbedingungen ihrer Schülerinnen und Schüler zu machen. Migranten, Integrationsangebote vor Ort, sowie Hierzu kann die Zusammenarbeit mit Beratungs- Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern verbessern diensten oder Einrichtungen der Elternberatung Zur Verbesserung des Informationsflusses und In- und Migrantenorganisationen, den staatlichen formationsaustauschs zwischen Eltern und Lehr- Instituten der Lehreraus- und -fortbildung, anderen kräften bieten sich unter anderem Lerntagebücher Weiterbildungsträgern und lokalen Fachschulen / an, in welche die Lehrkräfte Woche für Woche Hochschulen eingegangen werden. Erfolge und Misserfolge der Schüler eintragen. Die innerfamiliäre Risikofaktoren vermittelt werden. Abzeichnung durch Eltern stellt sicher, dass die Elternbezogene Maßnahmen umsetzen Eltern über die Geschehnisse in der Schule informiert Um sicherzustellen, dass Eltern, die keine um- sind. Lerntagebücher können auch als Posthefte fassenden Deutschkenntnisse haben, wichtige zum Informationsaustausch zwischen Eltern und Informationen verstehen, kann der Einsatz von Lehrkräften genutzt werden. Dolmetschern, mehrsprachigen Elternbriefen und und nachdrücklich sollte auf die Notwendigkeit Niederschwellige Aktivitäten der Elternarbeit anbieten für Eltern hingewiesen werden, Deutsch zu lernen – Soziale Elemente können in „klassische“ Eltern auch als Vorbild für die eigenen Kinder. abende integriert oder als Workshops zum gegen- ähnlichen Instrumenten sinnvoll sein. Gleichzeitig seitigen Kennenlernen und dem Austausch über Eine direkte Einbeziehung der Eltern in Projekte Vorstellungen von Erziehung und Lernen gestaltet und Unterricht vermittelt Eltern einen Eindruck werden. Eltern können sich in unterrichtsnahen vom Unterricht und Schulalltag ihrer Kinder. Projekten, wie beispielsweise einem „türkischen Lehrerinnen / Lehrer und Schülerschaft können auf Tag“ oder einer Unterrichtseinheit zur „russischen diese Weise Experten für die Durchführung von Weihnacht“ engagieren, sollten aber nicht auf diese Projekten mit Bezug zu einzelnen Herkunftsländern Form der Teilnahme beschränkt werden. oder zu interkulturellen Aspekten gewinnen. Eltern als Ansprechpartner für Eltern gewinnen Umsetzungshinweis: Kontaktaufnahme / Dialog zwischen Eltern und Lehrkräften Ein Patensystem „Eltern unterstützen Eltern“ kann einen Weg der zielgruppengerechten Elternan- Zur Stärkung des Dialogs und des Austauschs sprache bilden: Eltern, deren Kinder die Schule bereits zwischen Eltern und Lehrkräften können insbeson- durchlaufen haben, können andere Eltern (gege- dere die folgenden Maßnahmen hilfreich sein: benenfalls mit gleichem Migrationshintergrund) Eltern sollten im Rahmen eines ersten Gespräches umfassend informiert werden, unter anderem über den Stundenplan und die Fächer ihrer Kinder, Notengebung, Schullaufbahn, Unterstützungsmöglichkeiten auch außerschulischer Art, Erwartungen der Schule. über die Schule, das Schulsystem, Elternarbeit und die für das Kind nötige Unterstützung informieren. Dieser niederschwellige Ansatz hilft, sprachliche und kulturelle Barrieren zu überwinden, Berührungsängste abzubauen und Vertrauen in die Schule zu 91 C – Bildung und Integration schaffen. Anregung hierfür kann etwa das Beispiel sollten daher die besonderen Bedürfnisse von Eltern der Kompetenzschulungen der Elternstiftung mit Migrationshintergrund stärker beachtet werden. Baden-Württemberg für die Zusammenarbeit mit fremdsprachigen Eltern geben.106 Die „Aktion Zusam- Umsetzungshinweis: Elternabende menwachsen“ der Beauftragten der Bundesregierung Schriftliche Einladungen in deutscher Sprache wer- für Migration, Flüchtlinge und Integration fördert den oft als unpersönlich wahrgenommen oder nicht Bildungspatenschaften durch die Einrichtung verstanden. Einladungen für Elternabende bzw. regionaler Servicestellen, die Beratung und Informa- schulische Informationsveranstaltungen sollten in tion zu Patenschaften bieten und die Angebote vor den Sprachen formuliert werden, die Eltern verstehen. Ort vernetzen. Mündliche bzw. telefonische Einladungen, gegebenenfalls gefolgt von einer schriftlichen Einladung zur Elterngespräche auf gleicher Augenhöhe führen Erinnerung, haben sich in der Praxis als erfolgreicher Elterngespräche sind wichtige Elemente des Dialogs bewährt. Zusätzlich können aktive Eltern, Bildungs- zwischen Schule / Lehrkräften und Eltern, die systema- paten oder andere Schlüsselpersonen, wie Vereinsvor- tisch genutzt, dabei aber auf die Bedürfnisse von Eltern sitzende, Muttersprachlehrer oder Imame, Werbung mit Migrationshintergrund zugeschnitten sein sollten. für schulische Veranstaltungen machen. Um Lehrkräfte gezielt auf Elterngespräche mit Eltern mit Migrationshintergrund vorzubereiten, sollten Gruppenangebote, wie Elternabende, sollten, wenn Elterngespräche stärker als bislang zum Bestandteil möglich, mehrsprachig von einem Moderatorenteam der Lehreraus- und -weiterbildung gemacht werden. durchgeführt werden, damit komplexe Themen bei Bedarf muttersprachlich erklärt werden können. Umsetzungshinweis: Elterngespräche In Elterngesprächen sollten Fragen nach dem Migrationsprozess der betreffenden Familie, der Migrationsmotivation und der Sprachbiografie – wenn nötig mit Hilfe eines Dolmetschers – geklärt werden. Bei Elterngesprächen sollten nicht Kinder und Jugendliche oder andere Verwandte als ad-hocDolmetscher eingesetzt werden, da diese von dieser professionellen Rolle überfordert sein und zudem keine neutrale Übersetzung gewährleisten können. Alle Aussagen der Lehrkräfte, Forderungen und Wünsche an die Elternvertreter sollten klar formuliert werden, um Missverständnisse zu vermeiden. Für Elterngespräche kann es zudem hilfreich sein, „neutrale“, außerschulische Orte wie Lern- und Begegnungsstätten im Stadtteil zu wählen. Dies scheint insbesondere sinnvoll, um mögliches Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen abzubauen. Einzelne Schulen berichten über den erfolgreichen Einsatz von (mehrsprachigen) Verhaltensverträgen, in denen sich Eltern zu Beginn jeden Schulhalbjahres verpflichten, Elternabende zu besuchen. Die Verhaltensverträge können sich darüber hinaus auch auf andere bildungsrelevante Verhaltensweisen beziehen, indem darin für Eltern, Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen konkrete Verhaltensweisen festgeschrieben werden, die der Erreichung der Bildungsziele der Kinder förderlich sind. Umsetzungshinweis: Elternabende Um eine größere Zahl von Eltern mit Migrationshintergrund für eine Teilnahme an Elternabenden und schulischen Informationsveranstaltungen zu gewinnen, können zum Beispiel folgende, in der Elternabende und Elternsprechtage zielgruppengerecht gestalten Weitere wichtige institutionalisierte Formen der Elternarbeit sind Elternabende und Elternsprechtage. Die Rolle und Bedeutung von Elternabenden ist (insbesondere neu zugewanderten) Eltern mit Migrationshintergrund nicht immer klar, ihre Teilnahme ist oft gering. Bei der Ausgestaltung dieser Angebote 106 http://www.elternstiftung.de 92 Praxis erprobte Ansätze hilfreich sein: Termine, die auch Eltern im Schichtdienst die Teilnahme ermöglichen, zum Beispiel am späten Nachmittag oder Wochenende Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern und ihren „Produkten“, um die Neugier der Eltern zu steigern Klare, gegebenenfalls wiederholte Kommunikation, dass eine Teilnahme erwartet und für wichtig gehalten wird Einbeziehung von Eltern in die Planung C – Bildung und Integration Berücksichtigung von religiösen Feiertagen bei der Terminfestlegung und von religiösen Essensvorschriften Raum für die Kinderbetreuung, gegebenenfalls inklusive Betreuungskraft Auch Themen von besonderer Relevanz für Eltern mit Migrationshintergrund aufgreifen, zum Beispiel Mehrsprachigkeit, mehrtägige Klassenfahrten, Sportunterricht und umfassend, falls möglich herkunftssprachlich, über das Bildungssystem, Bildungswege, Anforderungen an das Elternhaus, Unterstützungsmöglichkeiten und den Zusammenhang zwischen Schulabschluss und Berufswahlmöglichkeiten zu informieren. Erfahrungen aus Projekten zeigen, dass Bildungsberatung und Bildungsmanagement auf kommunaler Ebene einen umfassenden Überblick über lokale Bildungsangebote und -akteure ermöglichen kann.107 Erziehungspartnerschaften eingehen Zwischen Elternhaus und Kindergarten bzw. Schule Die Landeszentrale für politische Bildung Baden- sollten Erziehungspartnerschaften eingegangen wer- Württemberg entwickelt mit Unterstützung der Robert den, die darauf zielen, die Bildungsqualität in den Eltern- Bosch Stiftung Materialien für Eltern mit Migrati- häusern zu verbessern. Für eine anhaltend wirksame onshintergrund, die bereits grundlegende Deutsch- Erziehungspartnerschaft sind frühzeitige Begegnun- kenntnisse besitzen. In einem zweiten Schritt werden gen zwischen Eltern und Personal der Kindertages- Akteure aus Schulen, Kindertageseinrichtungen, einrichtungen bzw. Schulen besonders wichtig. Kinder- Volkshochschulen, Migrantenorganisationen, Jugend- gärten und Schulen sollten frühzeitig auf Eltern zugehen pflege usw. zu Kursleitern qualifiziert, die in Tandem- und diese über Fördermöglichkeiten der Entwicklung projekten von Migrantenorganisationen und kom- ihrer Kinder informieren. Darüber hinaus sollten sie munalen Bildungseinrichtungen in ihren Kommunen ermutigt werden, ihre eigenen Vorstellungen zu formu- Elternkurse durchführen. Zielgruppe dieses nieder- lieren. Grundlage für die Entwicklung von Erziehungs- schwelligen Angebots sind Eltern, die ihre Rolle in der partnerschaften sollte die Identifikation der Ressourcen, Schul- und Ausbildung ihrer Kinder bereits erkannt Kompetenzen, Interessen, Bedürfnisse, Erziehungsvor- haben und nun weiteres Wissen und die nötigen bilder und des Sprachgebrauchs der Eltern sein. Kompetenzen erwerben wollen, um ihre Kinder besser zu unterstützen. Das Material wird auch für bildungs- Ansprechpartner und Informationen bereithalten ferne einheimische Eltern hilfreich und bundesweit Die Einrichtung von Integrationsbeauftragten oder einsetzbar sein. Die Landeszentrale hat dabei den interkulturellen Fachberatern an Schulen, wie sie Anspruch, über die Vermittlung von Basiswissen hinaus beispielsweise im bayerischen Gesamtkonzept Integra- die Partizipation der Eltern zu fördern. Auch die tion vorgesehen sind, können Anlaufstellen für Eltern Hessische Landesregierung bietet in Kooperation mit mit Migrationshintergrund bieten. Besonders hilfreich verschiedenen Akteuren mehrsprachige Informationen erscheint dabei der Einsatz von neutralen Ansprech- für Eltern an, insbesondere die Anfang 2009 erschie- partnern, die weder Klassen- noch Fachlehrer sind. nene Broschüre „Unser Kind kommt in die Schule“. Eine durchgängige Schul(laufbahn)beratung (etwa im Schul- oder Jugendamt angesiedelt) kann dazu beitragen, Eltern mit Migrationshintergrund gezielt 107 Vgl. ausführlich dazu „Vorschläge zur Verbesserung der Bildungsberatung für Personen mit Migrationshintergrund – Beschluss der Bund-Länder-Kommission vom 29.03.2004.“ sowie das Programm „Lernen vor Ort“ des BMBF und deutschen Stiftungen unter http://www.lernen-vor-ort.info. 2.1.3 Beteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund an Gremien schulischer Elternvertretung Ein erhöhtes Engagement von Eltern in der Schule Schulleistung, weniger Verhaltensprobleme und hat in der Regel auch auf die Kinder selbst höhere angestrebte Bildungsabschlüsse. positive Auswirkungen, vor allem in Bezug auf Derartige Effekte haben sich insbesondere für bessere Sprachkenntnisse, allgemein höhere Angehörige ethnischer Minderheiten ge- 93 C – Bildung und Integration zeigt.108 Ein hohes Engagement von Eltern mit und ohne Migrationshintergrund ist aber auch im Sinne einer partizipativ-demokratischen Schulkultur Förderliche und hinderliche Bedingungen für das Engagement von Eltern mit Migrationshintergrund in Gremien der Elternvertretung wichtig. Orte für das Engagement von Eltern sind Engagierte Eltern mit Migrationshintergrund die institutionalisierten Gremien und Formen der halten Elternengagement für eine gute, wichtige Elternvertretung, vor allem auf Jahrgangsstufen- Möglichkeit, positive Effekte für die Schule und die bzw. Schulebene. Schülerinnen und Schüler zu erzielen. Sie engagieren sich entweder aus eigener Initiative oder erklären Engagement von Eltern im Allgemeinen und Eltern sich dazu bereit, weil andere Eltern sich nicht mit Migrationshintergrund im Besonderen ist in beteiligen. Teilweise sehen sie sich auch aufgrund doppelter Hinsicht wünschenswert: Zum einen kann ihres Migrationshintergrundes und ihres damit eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften verbundenen „Expertenwissens“ in einer beson- und Eltern einen stärkeren Konsens in Bezug auf deren Verantwortung für andere Eltern mit Migra- Erziehungsziele und Schülerverhalten zwischen tionshintergrund. Diesen Gründen stehen jedoch beiden herbeiführen. Zum anderen steigert sie bei den auch ganz handfeste Erwägungen zum „Nutzen“ Eltern das Wissen über die Erwartungen der Schule des Engagements zur Seite: Eltern versprechen sich an sie selbst und ihre Kinder, erweitert ihre Möglich- von ihrem Engagement bessere Informationen keiten zur Unterstützung bei Hausaufgaben und regt über das Geschehen in Schule und Unterricht und den Informationsaustausch mit anderen Eltern an. sie erwarten den Aufbau von guten Kontakten zu Eltern können durch ihr Engagement das Gefühl der Lehrkräften und anderen Eltern. 109 Zugehörigkeit zur Schule bei ihren Kindern erhöhen und ihr Vertrauen in die eigenen Erfolgsaussichten Als wichtige Ursachen für die geringe Beteiligung stärken. Elternengagement in Familien mit Migrations- von Eltern mit Migrationshintergrund an instituti- hintergrund kann sich auch deshalb positiv auf onalisierten Formen der Elternvertretung werden die Schulleistungen der Kinder auswirken, weil es den insbesondere unterschiedliche Auffassungen Kindern und Jugendlichen signalisiert, dass Schule von Eltern und Schule über die Rollenverteilung von und Schulerfolg wichtige Bestandteile des Lebens sind. Schule und Eltern bei der Erziehung und Bildung des Kindes – genannt.110 Zudem wird vermutet, dass In klassischen Gremien der Elternarbeit sind – auch Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit Rechts- in Schulen mit vielen Kindern mit Migrations- vorschriften und auch eine gewisse Scheu auftreten, hintergrund – in der Regel eher wenige Eltern mit von Lehrkräften und Schulleitung als unbequem Migrationshintergrund vertreten. Sie wählen wahrgenommen zu werden. Eltern selbst nennen als für ihr Engagement andere Formen und organi- Gründe gegen eine Mitarbeit in Elterngremien insbe- sieren sich zunehmend in Elternvereinen oder sondere mangelnde Deutschkenntnisse und eine informellen Zusammenschlüssen, um die Erziehung damit verbundene Angst, sich zu „blamieren“, sowie und Bildung ihrer Kinder in der Schule mit- fehlendes Wissen über das deutsche Schulsystem. zugestalten und andere Eltern durch Beratungsund Bildungsangebote zu unterstützen (siehe unten). Schwerpunkte und Strategien der Zusammenarbeit Elternvertreter mit Migrationshintergrund sehen es häufig als ihre Aufgabe, anderen Eltern 108 Grolnick W. S.; Slowiaczek, M. L. (1994): Parents’ involvement in children’s schooling: a multidimensional conceptualization and motivational model. Child Development, 65, 237-252 / Hill, N. E. & Taylor, L. C. (2004). Parental School Involvement and Children’s Academic Achievement. Current directions in Psychological Science, 13, 161-164. / Hill, N. E., Castellino, D. R., Lansford, J. E., Nowlin, P., Dodge, K. A., Bates, J. E., and Pettit, G. S. (2004). Parent Academic Involvement as Related to School Behavior, Achievement, and Aspirations: Demographic Variations Across Adolescence. Child Development, 75, 1491 – 1509. 109 Vgl. Hill und Taylor (2004): a. a. O. 94 mit Migrationshintergrund ihre Unterstützung 110 Kröner, Stephan (2009): Elternvertreter mit Migrationshintergrund an Schulen. Expertise erstellt im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, S. 33. / Jäkel, J. / Leyendecker, B. (2009): Erziehungsverhalten türkischstämmiger und deutscher Mütter von Vorschulkindern. In: Psychologie in Erziehung und Unterricht, Heft 55, S. 1-15, sowie Leyendecker, B. (2008): Bildungsziele von türkischen und deutschen Eltern - was wird unter Bildung verstanden und wer ist für die Vermittlung von Bildung zuständig? http://www.migration-boell.de/web/integration/47_1499.asp. C – Bildung und Integration anzubieten. Schwerpunkte der Zusammenarbeit ihre Belange und Lebensverhältnisse oder Vorurteile zwischen Schulen und Eltern mit Migrationshin- und Vorbehalte gegenüber Menschen mit Migrations- tergrund betreffen einerseits die Information und hintergrund seitens der Schulleitung, der Lehrkräfte Bildung von Lehrkräften, Eltern und Schülerinnen / sowie der Eltern ohne Migrationshintergrund Schülern, andererseits aber auch die persönliche wahr. Sie berichten von Schwierigkeiten im Kontakt und die institutionelle Mitarbeit, beispielsweise mit Schulleitung und Lehrkräften, insbesondere den Einsatz für die Verbesserung der Ausstattung unzureichende Information, zu späte oder zu geringe der Schule oder die Initiierung von Projekten. Kontaktaufnahme mit den Eltern sowie eine schlechte Erreichbarkeit der Lehrkräfte. Außerdem kann es Elternvertreter mit Migrationshintergrund und zuweilen an Vertrauen zwischen Eltern, Lehrkräften Schulen haben zum Teil unterschiedliche Wahrneh- und der Schulleitung mangeln. Darüber hinaus mungen in Bezug auf das Engagement von Eltern fühlen sich bei Konflikten zwischen Schülerinnen / mit Migrationshintergrund: Schulleitungen be- Schülern nicht alle Eltern von der Schulleitung gleich richten, dass sich Elternvertreter mit Migrationshin- behandelt. Eltern mit Migrationshintergrund fühlen tergrund hauptsächlich mit Themen beschäftigten, sich insbesondere dann nicht angesprochen bzw. die in Zusammenhang mit Migration und Integration reagieren irritiert, wenn die Schulleitung ihr Engage- stehen und nennen dabei etwa den Einsatz für ment nicht aktiv einfordert. Es können auch kulturelle Sprachunterricht, den Abbau von Diskriminierung Unterschiede im Alltagshandeln und der Kommu- oder die Förderung der Integration der Schülerinnen nikation sein, die die Zusammenarbeit erschweren, und Schüler. Gespräche mit Elternvertretern zeigen, etwa unterschiedliche Gewohnheiten bezüglich der dass Themen ohne konkreten Migrationsbezug Anrede per „Du“ oder per „Sie“ oder ein hoher Status ähnlich viel Raum einnehmen und sie sich auch auf von Lehrkräften in den Herkunftsländern.111 Dies schulpolitischer Ebene engagieren. verdeutlicht, dass Bemühungen um eine Steigerung des Anteils von Elternvertretern mit Migrationshin- Schwierigkeiten der Zusammenarbeit tergrund nicht nur bei den Eltern selbst, sondern Die Zusammenarbeit zwischen Gremien der Eltern- bei allen in der Schule Beteiligten ansetzen müssen. vertretung und Schulen läuft nie völlig reibungslos. Trotz aller Schwierigkeiten – Elternvertreter mit Aus der Perspektive von Eltern mit Migrationshinter- Migrationshintergrund erfahren auch viel Bestärkung grund können zu den „üblichen Reibungen“ zwischen und positive Einstellungen durch Lehrkräfte und Eltern und Schule jedoch noch weitere Aspekte Schulleitungen, Offenheit gegenüber ihrer Person und hinzukommen: Grundsätzlich können Sprachbarri- ihren Anliegen, Interesse für ihre Lebensverhältnisse eren und fehlende Kenntnisse über Rolle, Aufgabe und sowie Wertschätzung ihres Engagements. Möglichkeiten von Elternvertretern die Zusammenarbeit erschweren. Elternvertreterinnen und -vertreter mit Migrationshintergrund nehmen aber auch Vorbehalte oder Intoleranz, fehlendes Interesse für 111 Vgl. Plath, Ingrid / Bender-Szymanski, Dorothea / Kodron, Christoph (2002): Dokumentation zur Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationserfahrungen an Frankfurter Schulen im Schuljahr 2000/2001, Frankfurt am Main. Empfehlungen Interesse für Engagement wecken Elternvertreterinnen und -vertreter sind bereits häufig die Förderung der Erziehungskompetenz der Eltern seit der Kindergartenzeit ihrer Kinder in der Eltern- unterstützen und sie stärker in den Alltag der Einrich- arbeit engagiert. Es empfiehlt sich, bereits in diesen tung einbinden – wie etwa das Programm „HIPPY“.112 Institutionen mit Maßnahmen zur Förderung des Engagements von Eltern mit Migrationshintergrund zu beginnen. Als dafür besonders geeignet erweisen sich im Kindergartenalter beginnende Projekte, die 112 HIPPY (Home Instruction für Parents of Pre-school youngsters) ist ein zweijähriges Familienbildungsprogramm, das Eltern befähigt, mittels täglicher Übungen und Spiele die soziale und kognitive Entwicklung ihrer Kinder zu fördern. 95 C – Bildung und Integration Persönliche Ansprache spielt bei der Gewinnung von higkeit im Deutschen als Voraussetzung, kann jedoch Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit auch ohne perfekte Deutschkenntnisse gelingen. in einem Elterngremium eine wichtige Rolle. Es Hier sollte bei Lehrkräften und Eltern ohne Migra sollte dabei jedoch sichergestellt werden, dass die tionshintergrund ein Bewusststein dafür geschaffen angesprochenen Eltern auch wissen, was konkret von werden, auf eventuelle Lücken im Deutschen Rück- ihnen verlangt wird. Unterschiedliche – oft unausge- sicht zu nehmen und die Arbeit und das Know-how sprochene – Rollenverständnisse von Elternvertretung von Eltern mit Migrationshintergrund unabhängig können dazu führen, dass Elternvertreterinnen und von ihren Deutschkenntnissen wertzuschätzen. -vertreter augenscheinlich inaktiv sind, jedoch selbst primär auf Anfragen seitens der Schule warten und für Informelle und formelle Elternarbeit in der Gruppe nutzen die Wünsche anderer Eltern bereitstehen zu sollen. Feste werden von vielen Lehrkräften als geeignete, davon ausgehen, im Rahmen ihres Engagements niederschwellige Möglichkeiten zur Initiierung von Wertschätzung für das Engagement von Eltern mit Migrationshintergrund zeigen Elternengagement, zum Auflösen von Blockaden Der Interaktion zwischen Lehrkräften und Eltern gesehen. Gemeinsame Aktivitäten von und für ist wichtig, um Eltern für die Mitarbeit in Gremien Eltern im informellen Rahmen – beispielsweise ein zu gewinnen. Hier gilt es, den Eltern gegen- „Kaffeeklatsch“ in der Schule – können dazu über Offenheit zu signalisieren und aufeinander beitragen, dass sich Eltern mit Migrationshinter- zuzugehen. Die Zusammenarbeit mit engagierten grund und andere Eltern und Lehrkräfte besser Eltern kann sich aus Lehrersicht durchaus kennenlernen und über Möglichkeiten zur Mitwir- schwierig gestalten, beispielsweise in Gesprächen kung am Schulleben informieren. und zur Förderung der Identifikation mit der Schule um Probleme mit den Kindern. Lehrkräfte sollten erhalten – etwa zur Gesprächsführung in interkul- Themen von Relevanz für Eltern mit Migrations hintergrund aufgreifen turellen Situationen. Eltern engagieren sich insbesondere dann, wenn hierbei Unterstützung durch Fortbildungen sie ihre Vorlieben und Interessen dabei einbringen Wichtig für die Unterstützung des Engagements können und ihre Themen und Bedürfnisse „wieder von Eltern mit Migrationshintergrund in Elterngre- finden“. Hier kann es ein Ansatzpunkt für die mien ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Schulen sein, Themen zu identifizieren, die von allen Eltern über kulturelle Unterschiede hinweg. besonderer Relevanz für Eltern mit Migrationshin- Diese gelingt nicht immer reibungslos – mangelnde tergrund sind und sie bei Bedarf zum Bestandteil Offenheit und Akzeptanz, (unbewusste) Vorurteile, von Engagement in Elterngremien zu machen. mangelndes Interesse sowie fehlendes Wissen über die kulturellen Besonderheiten der Familien mit Umsetzungshinweis: Identifikation von Themen Migrationshintergrund vonseiten der Eltern ohne Eine einfache Möglichkeit hierzu ist der Einsatz Migrationshintergrund können die gemeinsame von kurzen Fragebögen zu Themenwünschen vor Zusammenarbeit erschweren. Informations- und Elternabenden. Sensibilisierungsveranstaltungen können hier hilfreich sein. Solche Veranstaltungen können in Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen entwickelt und angeboten werden. Vernetzung und Institutionalisierung – Unter stützung der Zusammenarbeit durch öffentliche Einrichtungen bereitstellen Es existieren viele städtische Einrichtungen, die Strategien und Ansätze, das Engagement von Eltern sich um die Integration von Menschen mit Migra mit Migrationshintergrund in Elterngremien zu tionshintergrund bemühen und die auch eng mit stärken, müssen auch eventuelle sprachliche Bar- Migrantenorganisationen vernetzt sind. Die Arbeit rieren im Blick haben. Mitarbeit in Elterngremien hat dieser Einrichtungen wird an den Schulen und ein gewisses Maß an Verständnis- und Ausdrucksfä- von den Elternvertreterinnen und -vertretern mit 96 C – Bildung und Integration Migrationshintergrund aber oftmals noch nicht Erziehungsberechtigter nicht-deutscher Herkunfts- hinreichend wahrgenommen. Eine stärkere Vernet- sprache als beratende Mitglieder, so sie nicht bereits zung der auf Integration ausgerichteten städtischen Mitglieder sind. Einrichtungen, der privaten Akteure wie zum Beispiel Bürgerstiftungen und der Vereine von Eltern mit § 109 des Hessischen Schul-Gesetzes (HSchG) sieht Re- Migrationshintergrund mit den örtlichen Schulen gelungen für eine stärkere Repräsentanz von Eltern kann die Zusammenarbeit zwischen Eltern mit mit Migrationshintergrund in den Schuleltern- Migrationshintergrund und Schulen unterstützen. beiräten vor: Eltern in Schulen mit mindestens 10 und höchstens 50 Prozent Anteil ausländischer Schulbeiräte gründen Schülerinnen und Schüler wählen pro 25 ausländische In Großbritannien, Kanada und den USA sind Kinder in der Primarstufe und Sekundarstufe, pro 20 „School Councils“ ein weit verbreitetes Instrument zur ausländische Jugendliche in der Sekundarstufe II und Beteiligung von Eltern bei der Ausgestaltung des pro 50 ausländische Jugendliche in der Berufsschule je Schullebens. Nach diesem Vorbild könnten auch an einen Elternvertreter für die Dauer von 2 Jahren. Diese deutschen Schulen Schulbeiräte installiert werden, Elternvertreter gehören dem Schulelternbeirat mit in denen neben den Eltern, auch andere Vertreter der beratender Stimme an. Diese Regelung sichert eine unterschiedlichen im Stadtviertel lebenden Gruppen schulinterne Einbindung von Eltern mit Migrations- vertreten sind. Der Schulbeirat engagiert sich für hintergrund in die Strukturen der Elternvertretung. In die Schule, wird bei der Einstellung von Lehrkräften Hessen sind zudem die Gremien mit Elternbeteiligung und Schulleitern miteinbezogen, kann Geld für die auf Stadt-, Kreis- und Landesebene miteinander Schule sammeln und für diese werben. Dadurch verflochten, so dass ein Austausch stattfinden kann. können Eltern leichter motiviert werden, sich auch Nach § 114 Abs. 8 HSchG können auch Repräsentanten über die Dauer des Schulbesuchs der eigenen Kinder ausländischer Eltern als Gäste an den Sitzungen der hinaus für eine Schule zu engagieren. Kreis- bzw. Stadtelternbeiräte teilnehmen. Für Gast- 113 redner besteht die Möglichkeit, auf Probleme hinzuBei der Übertragung des Modells auf deutsche weisen oder Vorschläge zu unterbreiten. So können Schulen sollte bei der Errichtung von neuen Belange von Eltern mit Migrationshintergrund auch Gremien jedoch vorher geprüft werden inwieweit über diese Gremien einfließen. Auch die spezifische es ausreicht, bereits bestehende Schulgremien in Interessenvertretung für Eltern mit Migrationshin- ihrer Funktion aufzuwerten. tergrund ist in Hessen stärker ausgeprägt: Durch das Gremium der Vertretung ausländischer Eltern besteht Ein gutes Beispiel, wie Eltern mit Migrationshinter- ein eigenständiges Konstrukt, das es ausländischen grund in Gremien schulischer Elternvertretung Eltern ermöglicht, ihre Belange gebündelt einfließen in institutionalisierter Form eingebunden werden zu lassen. Dies eröffnet ihnen die Möglichkeit der können, bietet das Berliner Schulgesetz. In § 75 ff des Organisation ihrer Interessen.114 Berliner SchulG finden sich folgende Vorschriften zur Schulkonferenz: Die Schulkonferenz ist das Forschungsdesiderate oberste Beratungs- und Beschlussgremium der Ein Großteil der verfügbaren deutschsprachigen schulischen Selbstgestaltung. Mitglieder sind neben Literatur zum Thema Elternarbeit und Migrations- Vertretern der Schulleitung, Lehrer, Erziehungs- hintergrund beschränkt sich auf eine Sammlung von berechtigten und Schüler auch ein Vertreter der Beispielen guter Praxis und erfahrungsbasierenden nicht der Schule angehört, sowie bei Schulen mit Empfehlungen. Eine systematische Überprüfung der über 50 Schülern nicht-deutscher Herkunftssprache Wirksamkeit von Ansätzen einer stärkeren Zusammen- zusätzlich eine Schülerin / ein Schüler und ein arbeit mit Eltern mit Migrationshintergrund, in- und 113 Bainski, Christiane et al. (2004): Schule und Migration. In: Heinrich-Böll-Stiftung und die Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung (Hg.): Selbständig Lernen - Bildung stärkt Zivilgesellschaft - Sechs Empfehlungen der Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung, Weinheim, S. 189-233. außerhalb von Elterngremien, ist bislang kaum erfolgt. Angesichts der wachsenden Bedeutung des Themen114 Kröner, Stephan (2009): a. a. O., S. 12. 97 C – Bildung und Integration bereichs sind in diesem Kontext daher weitere quali- gement von Eltern mit Migrationshintergrund tative und quantitative Untersuchungen erforderlich feststellbar und relevant für die Entwicklung von – insbesondere zum Engagement im Primarbereich. speziellen Angeboten sind. Nicht geklärt ist darüber hinaus die Frage, ob herkunftslandbezogene Unterschiede im Enga- 2.1.4 Stärkung der Rolle von Migrantenorganisationen in der Elternarbeit und Elternbildung Vereine zugewanderter Eltern, aber auch andere Mi- Dialogpartner, Brückenbauer, Multiplikatoren oder grantenorganisationen, unterstützen Bildungs- Bildungspaten. Um Eltern mit Migrationshintergrund einrichtungen und Eltern in ihrer Kommunikation zu erreichen und für den Bildungserfolg ihrer Kinder und Kooperation. Die genaue Zahl der Vereine von zu aktivieren, werden sie daher zunehmend von Eltern mit Migrationshintergrund in Deutschland ist Bildungsinstitutionen angesprochen. Vereine von nicht bekannt. Sie hat in den letzten Jahren jedoch Eltern mit Migrationshintergrund115 zeigen großes zugenommen – einzelne Vereine haben bereits eine Engagement und haben wichtiges Know-how in lange Tradition. Vorbild vieler Elternvereine ist die diesem Bereich aufgebaut. erfolgreiche Arbeit der spanischen Elternvereine, die sich bereits früh entschieden haben, für die Integra- Unterschiedliche Angebote und Aktivitäten haben sich tion ihrer Kinder in das deutsche Schulsystem und in für Elternvereine als effektiv und zielgruppengerecht die deutsche Gesellschaft sowie für die gleichzeitige erwiesen, um Eltern mit Migrationshintergrund zu Förderung des muttersprachlichen Unterrichts einzu- erreichen, z. B. zweisprachige Informationsangebote treten. Heute erreicht über zwei Drittel der spanischen zu bildungs- und ausbildungsrelevanten Themen. Schülerinnen und Schüler mindestens die Fachober- Migrantenorganisationen bieten häufig vor Ort schulreife. Der Bund der Spanischen Elternvereine Seminare an, die Eltern stärken sollen, den Entwick- in der B.R.D. e.V. (Confederación de Asociaciones lungsprozess ihrer Kinder zu unterstützen (etwa der Españolas de Padres de Familia en la R.F.A.) hat sich Verein Bildungslotse Nürnberg e.V.). Eine Einbettung, daher im Nationalen Integrationsplan verpflichtet, Kooperation und Vernetzung der von ihnen angebo- seine Erfahrungen an andere Migrantenorgani- tenen Programme mit Einrichtungen vor Ort – etwa sationen weiterzugeben. In Nordrhein-Westfalen Kindertageseinrichtungen, Schulen, Jugendsozial- stellt der Bund der Spanischen Elternvereine seine arbeit, Jugendberufshilfe, JMD, freie Träger, Integra- Erfahrungen und Arbeitsmethoden in der interkultu- tionskurse – ist dabei vorteilhaft. Vereine von rellen Elternarbeit zur Förderung des Schulerfolgs von Eltern mit Migrationshintergrund verleihen über diese Migrantenkindern auch anderen Eltern im Rahmen konkreten „Dienstleistungen für Eltern“ hinaus auch des Projektes „Schlaue Kinder starker Eltern“ zur den Interessen der Eltern Gewicht. Sie können helfen, Verfügung. Die Türkische Gemeinde in Deutschland die Angst vor Schulen abzubauen, Missverständnisse hat mit ihren Mitgliedsorganisationen Föderation zu vermeiden oder auszuräumen und den Kontakt zur Türkischer Elternvereine, der Föderation Türkischer Schule zu verbessern. Die Vereinsarbeit will dabei das Lehrervereine und dem Bundesverband Türkischer individuelle Engagement von Eltern für ihre Kinder Studierendenvereine die Kampagne „Bildung für die oder die Arbeit von Elterngremien aber nicht ersetzen. Zukunft“ gestartet (mehr unter ww.veli.tgd.de). Als Maßnahme zur Stärkung der Aktivitäten von Die Anerkennung der Bedeutung von Elternver- Eltern in den Bildungseinrichtungen bildet die einen und Migrantenorganisationen im Bereich Bildung und Integration hat in den letzten Jahren zugenommen. Elternvereinen sind wichtig als 98 115 Neben Elternvereinen gibt es weitere institutionalisierte Organisationsformen, in denen Migrantinnen und Migranten zu Bildungsfragen zusammenarbeiten. C – Bildung und Integration staatlich anerkannte Einrichtung der Weiterbildung Folge, dass ihre Aktivitäten mit einer Berufstätigkeit „Academia Española de Formación“ (spanische „jongliert“ werden müssen (vergleiche hierzu auch Weiterbildungsakademie e.V.) Multiplikatorinnen Kapitel D). Elternvereine schätzen dies aufgrund ihrer aus, die in Dortmund und Köln „Frauenkurse“ mit hohen und mit steigender Nachfrage von Bildungs- Müttern aus Kindertageseinrichtungen und einrichtungen und Eltern kontinuierlich wach- Grundschulen durchführen. Ziel dieser Kurse ist es, senden Arbeitsbelastung als kritisch ein. Sie befinden die Mütter an die Schulen heranzuführen und sich in einer Zwickmühle: Ihre Rolle als Mittler im Elternpartizipation in den Schulen zu fördern. Bildungsprozess wird zunehmend wichtiger, oft stehen sie aufgrund ihrer ehrenamtlichen Struk- Der mehrfach ausgezeichnete Interkulturelle turen jedoch am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Die Bildungs- und Förderverein für Schüler und Studenten Erwartungen, die seitens der Bildungseinrichtungen e.V. (IBFS) führt im Rahmen des Projektes „Pro an Eltern-Migrantenorganisationen bestehen, sind Bildung!“ Elternbildungsseminare zu den Themen dabei nicht immer klar artikuliert bzw. strukturiert. Elternbildung, Gesundheit und Medien in enger Elternvereine berichten auch von Schwierigkeiten, Zusammenarbeit mit mehreren Partnerschulen im das Vertrauen der Schulen zu gewinnen. Ruhrgebiet durch. 116 Schulen haben oft nur geringe Kenntnis und InforRahmenbedingungen der Arbeit von Elternvereinen mation über vorhandene Migrantenorganisationen Vereine von Eltern mit Migrationshintergrund haben und deren Mitwirkungsbereitschaft. Auch für in der Regel keine hauptamtlichen Strukturen – Schulen ist die Zusammenarbeit mit Vereinen zu- Ehrenamtlichkeit und bürgerschaftliches Engage- gewanderter Eltern aufgrund der schwierigen ment sind Kernelemente ihrer Arbeit. Dies hat zur Erreichbarkeit der in der Regel ehrenamtlich arbeitenden Vereine nicht immer einfach zu initiieren 116 http://www.ibfs-ev.org bzw. zu verstetigen. Empfehlungen117 Aufgaben und Rolle der Elternvereine konkretisieren Ziel von Elternvereinen sollte die Unterstützung der Rahmenbedingungen des Engagements von Elternvereinen gewährleisten Integration von Kindern und Jugendlichen in das Elternvereine benötigen zur Erfüllung ihrer deutsche Bildungssystem unter Berücksichtigung Aufgaben die Unterstützung der Institutionen der der Herkunftskultur sein. Über diese grundlegenden Mehrheitsgesellschaft. Förderlich für ihr Enga- Aspekte hinaus sollte jeder Elternverein seine Ziele gement können insbesondere die Unterstützung und Methoden genau definieren. durch Paten, finanzielle Mittel sowie die Freistellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für Zunehmendes Interesse für die Unterstützung ehrenamtliche Tätigkeiten durch Arbeitgeber sein. von Eltern mit Migrationshintergrund zeigen aber Wichtig sind darüber hinaus feste Ansprechpartner auch andere Migrantenorganisationen. Insbe- für Elternvereine bei Bildungseinrichtungen bzw. sondere diesen, oftmals kleineren und mit den An- auf der Ebene der lokalen Bildungsverwaltung. forderungen der Elternarbeit nicht vertrauten Organisationen kann mittels Weiter- und Fort- Zusammenarbeit mit Schulen gestalten bildungsveranstaltungen Unterstützung bei der Zur Unterstützung der Zusammenarbeit von Zielfindung und -erreichung angeboten werden. Schulen und Vereinen von Eltern mit Migrationshintergrund sollten verbindliche Rahmenvereinbarungen auf lokaler, regionaler oder auch 117 Viele der Empfehlungen, die in Kapitel D für die Rolle von Migrantenorganisationen formuliert werden, gelten auch für Elternvereine. Sie werden hier nicht noch einmal aufgeführt. Landesebene entwickelt werden, in denen die Zusammenarbeit von Schulen mit außerschu- 99 C – Bildung und Integration lischen Institutionen für die Bereitstellung von Vereine profitieren können. Die Gründung von Angeboten geregelt ist. Elternvereine sollten von Netzwerke sollte von Bund, Ländern und – auf lokaler Bildungseinrichtungen nicht nur als Vermittler Ebene – von Kommunen einerseits, aber auch von nachgefragt, sondern auch in die Gestaltung der privaten Akteuren wie Stiftungen unterstützt werden. Zusammenarbeit mit Eltern und die Schulgremien- Auch Dachverbände von Migrantenorganisationen arbeit einbezogen werden. Bildungseinrichtungen oder die Arbeitsgemeinschaften der Ausländerbeiräte benötigen hierfür systematische Informationen sollten eine aktive Rolle beim Aufbau von Netzwerken über Angebote und Bedarfe von Elternvereinen. von Elternvereinen spielen. Dabei ist auch die nach- Eine professionelle Begleitung der Kooperation för- haltige Weiterführung der Netzwerkarbeit nach dert die Nachhaltigkeit der Zusammenarbeit der ersten – eventuell aus Projektmitteln bestrittenen – und eine Kooperation auf gleicher Augenhöhe. Anschubfinanzierung sicherzustellen. 118 Elternvereine vor Ort sollten aktiv den Kontakt mit Bildungseinrichtungen suchen und umgekehrt. Als ersten Schritt zur Netzwerkbildung wünschen sich im Bildungsbereich aktive Migrantenorganisa- Eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung tionen ein „offenes Forum“ mit neutraler Modera- beugt auch in der Zusammenarbeit zwischen tion. Dazu sollte zunächst ein kleiner aktiver Kreis Elternvereinen und Schulen Konflikten vor. Hierfür aus Migrantenorganisationen gegründet werden, muss das Vertrauen zwischen Vereinen und Schulen der Themenvorschläge aus der Politik aufgreift und vielerorts noch aufgebaut werden. diskutiert sowie eigene Themen einbringt. Migrantenorganisationen in interkulturelle Bildung einbeziehen Umsetzungshinweis: Gründung von Elternnetz werken Migrantenorganisationen werden von Schulen bisher Folgende Aspekte sollten bei der Gründung und kaum als Partner für interkulturelle Bildungsaktivi- Weiterführung von Elternnetzwerken Berücksichti- täten einbezogen. Migrantinnen bzw. Migranten und gung finden: Migrantenorganisationen sollten nicht auf die Rolle Netzwerke sollen ihre Mitglieder in der eigenständigen und an den eigenen Bedarfen ausgerichteten Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten unterstützen. ergänzender Nachhilfeangebote oder Dolmetschertätigkeiten in Konfliktsituationen reduziert werden, sondern auch in die Entwicklung und Durchführung interkultureller Bildungsangebote von schulischen und außerschulischen Partnern eingebunden werden. Professionalisierung von Elternvereinen unterstützen Um ihre Arbeit noch umfassender ausführen zu können, benötigen Elternvereine wie andere Migrantenorganisationen auch Unterstützung bei ihrer Professionalisierung. (Ausführliche Empfehlungen zur Professionalisierung von Migrantenorganisationen finden sich in Kapitel D.) Die Vernetzung von Elternvereinen über nationale bzw. ethnische Wurzeln hinweg funktioniert auf Basis des gemeinsamen Interesses „das Wohl unserer Kinder“; allerdings benötigt es Zeit, einen gemeinsamen Rahmen für Kooperation zu finden, der verschiedene Perspektiven und Arbeitsweisen integriert. Netzwerke können unterschiedlich gestaltet werden. Von lockere Runden, über eine Stelle zur Koordination von Migrantenorganisationen, die in der Elternarbeit aktiv sind bis zu eigenständigen, aber staatlich unterstützten Gruppen wird aus der Praxis die letztgenannte Form als effektivste beschrieben. Elternnetzwerke gründen und fördern Das im März 2006 gegründete „Elternetzwerk Nord- Netzwerke von Elternvereinen können kleineren und rhein-Westfalen. Integration miteinander“ ist neu gegründeten Vereinen und Initiativen Unter- ein Zusammenschluss von Vereinen, Initiativen und stützung bieten, da sie von den Erfahrungen größerer Interessenvertretungen von Eltern mit Migrations- 118 Vgl. für Rheinland-Pfalz: Otten, Matthias (2008): Interkulturelle Bildung an Ganztagsschulen: Ein neues Kooperationsfeld für Migrantenorganisationen? In: Bildungsforschung, Jahrgang 5, Ausgabe 1, http://www.bildungsforschung.org/ index.php/bildungsforschung/article/viewFile/95/97. 100 hintergrund unter der Schirmherrschaft des Ministeriums für Generationen, Familie, Frauen und Integration. Das Ministerium möchte mit dem Netzwerk einen Rahmen und finanzielle Unterstüt- C – Bildung und Integration zung bieten, um die Brückenfunktion der engagierten Eltern mit Migrationshintergrund zu stärken. Heute engagieren sich fast 50 Vereine und Institutionen in diesem Elternnetzwerk. Das Elternnetzwerk unterstützt Eltern, die sich zu bildungspolitischen und pädagogischen Fragen weiterbilden möchten. Zu seinen Aktivitäten gehören: Hilfe bei der Vernetzung der Vereine und der Umsetzung konzeptioneller und methodischer Ansätze Ausbildung von Eltern zu Multiplikatoren in einer Elternakademie Öffentlichkeitsarbeit zu den Aktivitäten der Elternorganisationen. Familienberatung und Informationsveranstaltungen für und mit zugewanderten Eltern in Nordrhein-Westfalen 2.2 Lehramtsstudierende und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund gewinnen Auch mit Blick auf die geringe Anzahl pädago- werden [muss] in Deutschland, dass junge Menschen gischer Fachkräfte offenbart sich die unterdurch- mit Zuwanderungsgeschichte sich auch für den schnittliche Beteiligung von Menschen mit Lehrerberuf entscheiden“. Seither haben Akteure Migrationshintergrund am Bildungssystem in aus Gesellschaft und Politik der Steigerung des Deutschland: Ihr Anteil bei Lehrerinnen und Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund Lehrern liegt bei etwa 1,2 Prozent – allerdings in pädagogischen Berufen wachsende Aufmerksam- schwanken die Angaben teilweise beträchtlich. keit gewidmet. 119 Auch in Kindertageseinrichtungen sind nur wenige Fachkräfte mit Migrationshintergrund beschäftigt. Der Nationale Integrationsplan regt an, bei der Ähnlich ist die Situation in der außerschulischen Personalrekrutierung durch geeignete Maßnahmen Jugend- und Erwachsenenbildung: Sowohl in der der Werbung und Einstellung darauf hinzuwirken, allgemeinen als auch in der beruflichen Weiter- dass deutlich mehr Personen mit Migrations- bildung sind Lehrende bzw. Ausbildende sowie Trai- hintergrund für pädagogische Berufe gewonnen, nerinnen und Trainer mit Migrationshintergrund qualifiziert und eingestellt werden.120 Die Kultus- deutlich unterrepräsentiert im Vergleich zu ihrem ministerkonferenz und Migrantenorganisationen Anteil an der Bevölkerung. Eine stärkere Teilhabe an betonen gemeinsam die Notwendigkeit der pädagogischen Berufen ist deshalb mit Blick auf Erhöhung des Anteils von Lehrkräften mit Migrati- den gleichberechtigten Zugang zu hoch qualifizierten onshintergrund. Die Gewerkschaft Erziehung und Berufen bedeutsam. Der Aus- und Weiterbildung bzw. Wissenschaft fordert, an jeder Bildungseinrichtung verstärkten Beschäftigung pädagogischen Personals mindestens einen Pädagogen oder eine Pädagogin mit Migrationshintergrund sollte aber auch deshalb mit Migrationshintergrund zu beschäftigen. besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, da sie Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr angesichts der wachsenden Heterogenität der Kinder Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund und Jugendlichen zur interkulturellen Öffnung zu gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in von Schulen beitragen und eine Vorbildfunktion für Deutschland. Eine umfassende Analyse bestehender Schüler und Schülerinnen einnehmen. Ansätze, ihre bundesweite Verbreitung und Weiterentwicklung fehlt bislang jedoch. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) wies im Jahr 2006 erstmals darauf hin, dass „es … Normalität 119 Vgl. Konsortium Bildungsberichterstattung 2006 (Hg.): a. a. O., S. 139 f. Diese Zahl bezieht sich auf Lehrkräfte mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 120 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 65. 101 C – Bildung und Integration 2.2.1 Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – Kompetenzen und Herausforderungen Pädagogisches Personal und Lehrkräfte mit Migra- curricular und materiell bemerkbar machen. Bei tionshintergrund spielen eine wichtige Rolle bei der Diskussion um eine vermehrte Einstellung von der interkulturellen Öffnung von Bildungseinrich- Lehrkräften mit Migrationshintergrund ist zu tungen, der Zusammenarbeit mit zugewanderten beachten, dass diese zwar auch für integrations- Eltern und der Wertschätzung und Förderung von spezifische Aufgabenbereiche wichtig sind, dass Mehrsprachigkeit. Sie werden zudem als wichtige Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aber in der Rollenvorbilder für Kinder mit Migrationshin- gesamten Breite des schulischen Spektrums zum tergrund wahrgenommen. Mehr Lehrkräfte mit Einsatz kommen sollen. Die Frage nach der schul- Migrationshintergrund machen Vielfalt in der Schule praktischen Bedeutung der spezifischen Res- bewusst und tragen dazu bei, Chancen aufzudecken, sourcen von Lehrerinnen und Lehrern mit Migra- die in dieser Vielfalt liegen. Ihrer Beteiligung an tionshintergrund wurde von der Stabstelle des der Entwicklung von Lehr- und Lernmitteln, in Integrationsbeauftragten der Stadt Stuttgart mit Führungspositionen und der Lehreraus- und -fortbil- Projektmitteln des Bundesamtes aufgearbeitet und dung kommt eine wichtige Funktion zu. für die Öffentlichkeit dokumentiert.121 Darüber hinaus können sie Kompetenzen Der Arbeitsmarkt für Lehrkräfte in Deutschland mitbringen, die für den pädagogischen Alltag, den Die Ausbildung und Einstellung von Lehrkräften fällt Umgang mit Schülern und Eltern eine besondere in die Zuständigkeit der Länder. Nach Berechnungen Bereicherung darstellen: Aufgrund ihrer eigenen des Deutschen Philologenverbands werden in den migrations- und integrationsspezifischen Er- nächsten zehn Jahren rund 320 000 Lehrerinnen fahrungen haben Lehrkräfte mit Migrationshinter- und Lehrer von insgesamt 785 000 aus dem aktiven grund häufig einen besseren Blick für die verbor- Dienst ausscheiden, das sind rund 40 Prozent. Auch genen Ressourcen von Schülern und Schülerinnen wenn man den Rückgang der Schülerzahlen berück- mit Migrationshintergrund. Zwar ist ein eigener sichtigt, müssen in Deutschland mindestens 290 000 Migrationshintergrund nicht automatisch mit dieser ausscheidenden Lehrkräfte ersetzt werden. qualifizierten interkulturellen Kompetenzen gleich- Da im gleichen Zeitraum voraussichtlich aber nur zusetzen. Jedoch können Lehr- und andere päda- 210 000 Lehramtsbewerberinnen und -bewerber gogische Fachkräfte mit Migrationshintergrund ihre Ausbildung abschließen werden, werden in den eine größere Sensibilität für mögliche Konflikte nächsten zehn Jahren rund 80 000 Lehrerstellen und Herausforderungen haben, die sich für Kinder, nicht oder nicht adäquat durch voll ausgebildete Jugendliche und Eltern mit Migrationshintergrund Lehrkräfte besetzt werden können.122 im Alltag der Bildungseinrichtungen ergeben können. Dies kann zu einer verbesserten Qualität Diese Zahlen müssen bei der Wahl eines Lehramts- der Eltern-Lehrer-Beziehung führen, von der das studiums jedoch differenziert betrachtet werden, gesamte Schulklima profitieren kann. denn die Einstellungschancen für Lehramtsabsolventen sind stark von Schulart und Schul- Zudem können Lehrkräfte mit Migrationshinter- fächern abhängig. Die Kultusministerien der grund Vorbehalten in Lehrerkollegien entgegen- Länder bieten deshalb auf ihren Internetseiten wirken und interkulturelle Perspektiven auf Schule ständig aktualisierte Informationen zu Ein- und Unterricht eröffnen. Lehrkräfte mit einer stellungsprognosen und -voraussetzungen. Zusätz- Migrationsbiografie sind Beispiele gelungener Inte- lich hat die Kultusministerkonferenz die offene gration und nehmen eine nicht zu unterschätzende Amtschef-Arbeitsgruppe „Laufbahn / Besoldung / Rolle als Vorbilder gesellschaftlicher Heterogenität Versorgung im Schulbereich“ und die Kommission an Schulen wahr. Die interkulturelle Öffnung in Bildungseinrichtungen sollte sich jedoch nicht nur auf das Personal beziehen, sondern sich auch 102 121 http://www.stuttgart.de/migranten-machen-schule 122 http://www.bildungsserver.de/innovationsportal/bildungplus.html?artid=480 C – Bildung und Integration für Statistik im Rahmen der Stralsunder Erklärung im Verhältnis zur jeweiligen Gesamtanzahl Studie- vom 06.03.2009 gebeten, einen Vorschlag für eine render auf fast alle Studiengänge gleich. Die einzige gemeinsame Strategie zur Deckung des Lehrkräfte- Ausnahme bilden Lehramtsstudiengänge: 12 Prozent bedarfs unter Berücksichtigung der Kapazitäten in aller Studierenden ohne Migrationshintergrund den Lehramtsstudiengängen und im Vorbereitungs- entscheidet sich für ein Lehramtsstudium. Bei den dienst zu erarbeiten. Studierenden mit Migrationshintergrund beläuft 123 sich dieser Anteil auf nur 6 Prozent.124 Zwar gibt es Initiativen der Länder zur Deckung des Lehr kräftemangels keine repräsentative empirische Untersuchung zu Die Länder haben unterschiedliche Kampagnen und Jugendlicher bzw. Studierender mit Migrations- Lösungsansätze entwickelt, um dem Lehrkräfte- hintergrund können aber vor allem das geringe mangel entgegenzuwirken. So finden sich bundes- Sozialprestige, kaum wahrgenommene Karriere- weite Kampagnen einzelner Bundesländer, die mit möglichkeiten, schlechte Vorerfahrungen während breit angelegten Werbeaktionen das Ansehen des des eigenen Schulbesuchs sowie Ängste, den betreffenden Bundeslandes als Arbeitgeber für Lehr- Anforderungen im Staatsdienst nicht gewachsen zu kräfte wie auch den Stellenwert des Lehrerberufes sein, als Ursachen der geringen Studienbeteiligung an sich steigern wollen. Viele Bundesländer bieten angenommen werden. Zudem können Zweifel, Interessenten auch weitere, hauptsächlich finanzi- ob eine ausländische Staatsangehörigkeit einer elle Anreize durch höhere Einstiegsgehälter, eine Ausübung des Berufs im Beamtenverhältnis schnelle Verbeamtung, Fortbildungsoffensiven für entgegensteht, die Berufswahl verhindern. In vielen Lehrkräfte oder weniger Unterrichtsstunden. Andere Familien mit Migrationshintergrund zählt der Beruf Maßnahmen umfassen die Aufstockung der Studien- der Lehrerin / des Lehrers nicht zu den klassischen plätze, sowie Lehrkräfte- und Referendariatsstellen Aufsteigerberufen – dies stellt ein zusätzliches in gesuchten Fächern und Schularten. Einige Länder Hindernis bei der Berufswahl dar, zumal Eltern mit betreiben gezielt Werbung bei Schülerinnen und Migrationshintergrund häufig einen großen Einfluss Schülern, um über den Lehrerberuf zu informieren. auf das Berufswahlverhalten ihrer Kinder haben. Auch die Beschäftigung sogenannter Quer- und Auch die Studienabbruchquote unter Studierenden Seiteneinsteiger ohne Lehramts-, aber mit einem mit Migrationshintergrund ist höher als bei anderen Fachstudium wird von einigen Ländern als Mittel Studierenden. Viele künftige Lehrkräfte mit Mi- zur Deckung des Lehrkräftemangels insbesondere grationshintergrund kommen demnach erst gar nicht in den naturwissenschaftlichen Mangelfächern bis an die Schwelle des Berufes. Die Ursachen hier- eingesetzt. Strategien, die gezielt bereits hier für sind noch nicht ausreichend erforscht, entspre- lebende Lehrerinnen und Lehrer mit ausländischen chend schwierig ist die Entwicklung von Lösungs- Ausbildungen für eine pädagogische Tätigkeit strategien. Ein wichtiger Aspekt, der von Studierenden (vergleiche Kapitel D) oder Jugendliche mit mit Migrationshintergrund (aller Fächer) genannt Migrationshintergrund für ein Lehramtsstudium wird, sind fehlende Unterstützungsangebote während gewinnen sollen, werden nach aktuellem Kenntnis- des Studiums, in denen die sehr spezifischen Anfor- stand nicht ausreichend berücksichtigt. derungen dieser Studierendengruppe aufgegriffen den Gründen, ausgehend von Erfahrungsberichten werden, etwa im fachsprachlichen Bereich. Es ist dabei 2.2.2Lehramt – (k)ein Studium für Studierende mit Migrationshintergrund? Laut Statistischem Bundesamt ist die Verteilung von Studierenden mit bzw. ohne Migrationshintergrund 123 http://www.kmk.org/presse-und-aktuelles/meldung/ergebnisse-der-325-plenarsitzung-der-kultusministerkonferenzam-5-und-6-maerz-2009-in-stralsund.html eine wichtige gemeinsame Aufgabe aller Beschäftigten im Bereich der Ausbildung und Einstellung von Lehrkräften dafür Sorge zu tragen, dass mehr Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund 124 Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hg.) (2006): Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in der Bundesrepublik Deutschland 2006. 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt durch HIS Hochschul-Informations-System, Berlin, S. 46. 103 C – Bildung und Integration einen Abschluss erreichen, die zweite Phase der Aus- Migrationshintergrund berät. Ein Netzwerk mit bildung erfolgreich durchlaufen und einen Weg weit über 200 Mitgliedern ist entstanden, das in den Beruf finden. Das dargestellte Problem intensiv für den Lehrberuf unter Abiturientinnen fehlender pädagogischer Fachkräfte (Lehrkräfte) mit und Abiturienten wirbt, angehende Lehrkräfte Migrationshintergrund hat seine Ursache auch in mit Migrationsbiografie ehrenamtlich berät und den Problemen bei der Anerkennung von im Ausland Studierenden Patenschaften zur Examensvorberei- erworbenen Berufsabschlüssen. tung anbietet.125 Im Rahmen der Lehrerwerbetage des Ministeriums für Schule und Weiterbildung 2.2.3Ansätze zur Steigerung des Anteils von Lehramtsstudierenden mit Migrations hintergrund an den Studienseminaren im Land hat das Thema „Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte“ einen besonderen Schwerpunkt. Gemeinsam mit dem Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsge- Mehrere Aspekte sind von besonderer Bedeutung, schichte Nordrhein-Westfalen hat das Bundesamt wenn es um die Entwicklung von Ansätzen geht, mehr für Migration und Flüchtlinge im März 2010 einen Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt für Bundeskongress „Lehrkräfte mit Migrationshinter- ein Lehramtsstudium zu gewinnen und darüber grund: Potenziale gewinnen, Ausbildung begleiten, hinaus sicherzustellen, dass sie das Studium erfolgreich Personalentwicklung gestalten“ veranstaltet. Damit beenden und den Schritt vom Studium in den Beruf sollte Expertinnen und Experten aus Wissenschaft schaffen. Diese beziehen sich auf die Aufwertung des und Praxis, Vertretern der Landes- und Bundes- Lehrerberufs und der Institution Schule bei der Ziel- politik sowie bildungspolitischen Akteuren ein gruppe, die Identifikation mit dem Beruf Lehrer, den Ab- Forum geboten werden, um über Möglichkeiten bau informeller Zugangsbarrieren zum Lehramts- zur Steigerung des Anteils an Lehrkräften mit studium und zum Beruf sowie die Sensibilisierung von Migrationshintergrund zu diskutieren und Koordi- Bildungseinrichtungen und Schulleitungen für nationsstellen für Netzwerke einzurichten. die Bedeutung der interkulturellen Öffnung der Lehrerschaft. Die drei Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin haben eine Kooperation verabredet und in den ersten Konkrete Umsetzung erfährt das Bestreben, mehr Schritten auch bereits aufgenommen, um sich über Lehramtsstudierende mit Migrationshintergrund zu Einstellungsmöglichkeiten für Menschen mit Migrati- gewinnen, derzeit an mehreren Standorten in Deutsch- onshintergrund in den Vorbereitungsdienst und den land: Im Jahr 2008 wurden in Hamburg und Düssel- Schuldienst zu verständigen und länderübergreifende dorf durch einen eigens für Abiturientinnen und Abitu- Fachtage für die Seminarleitungen in der zweiten rienten ausgerichteten „Schülercampus: Migranten Phase der Lehrerbildung vorzubereiten. werden Lehrer“ (Hertie Stiftung, Zeit Stiftung, Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-West- Das Projekt „Migranten machen Schule!“ der Stabs- falen) Jugendliche mit Migrationshintergrund gezielt abteilung für Integration der Landeshauptstadt zur Aufnahme eines Lehramtsstudiums motiviert. Im Stuttgart will Schülerinnen und Schüler mit Migrati- Frühjahr 2010 fand ein solcher Schülercampus auch onshintergrund (und ihre Eltern) für den Lehrerberuf in Bayern statt, mit dem zugleich ein Netzwerk für interessieren, indem es Lehrkräfte mit Migrations- Lehrkräfte mit Migrationshintergrund initiiert wurde. hintergrund als Vorbilder zeigt.126 Zusätzlich vermit- In Nordrhein-Westfalen werden diejenigen Teilnehmer teln in Baden-Württemberg „Studienbotschafter“ des „Schülercampus“, die sich für ein Lehramtstudium (Studierende ab dem 2. Semester) ihre eigenen Er- entschieden haben, durch Patenschaften aus dem fahrungen an Schülerinnen und Schüler, um die Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte Studienwahl zu erleichtern. Kooperationspartner sind (siehe unten) durch das Studium begleitet. neben den pädagogischen Hochschulen, den Univer- In Nordrhein-Westfalen wurde eine Landeskoordinationsstelle eingerichtet, die Lehrkräfte mit 104 125 http://www.raa.de/mehr-lehrkraefte-mit-zuwanderung.html 126 http://www.stuttgart.de/migranten-machen-schule C – Bildung und Integration sitäten und Seminaren für Lehrerbildung (2. Phase) Die Fulbright-Kommission128 ermöglicht Lehramtsstu- die Schulverwaltung und die für Schule und Lehrer- dierenden mit Migrationshintergrund Studienaufent- bildung zuständigen Ministerien. Grundgedanke des halte in den USA. Projekts ist es, bedarfsgerechte Unterstützungsmaßnahmen zu initiieren und verstärkt die Ressourcen der Die ZEIT-Stiftung führt Orientierungskurse zur Studien- Lehrpersonen mit Migrationshintergrund zu nutzen. und Berufswahl durch, in denen sich Jugendliche mit Migrationshintergrund ein eigenes Bild vom Lehr- MiCoach an der Universität Bremen ist ein verpflich- amtsstudium und vom Lehrerberuf machen können. tendes Modul der Lehrerausbildung, in dessen Rahmen Schließlich veranstalten Universitäten Schnupperstu- Lehramtsstudierende Schülerinnen und Schülern das dien in Projektwochen oder bieten Lehramtsstudie- Lehramtsstudium nahebringen. Auch die Initiative renden Unterstützung beim Erwerb des akademischen „Berlin braucht Dich“ des Beauftragten für Integration Deutsch oder beim Umgang mit Diskriminierung und Migration des Landes Berlin und des Beruflichen (entsprechende Angebote gibt es an Lehrstühlen der Qualifizierungsnetzwerks für Migrantinnen und Universität Bremen und der Universität Tübingen). Migranten (BQN) in Berlin will Lehramtsstudierende Deutschlandweit gibt es viele gute Ideen, Projekte, mit Migrationshintergrund anwerben. Netzwerke, Initiativen und Forschungsvorhaben, die bislang aber nur selten länderübergreifend bekannt Stiftungen berücksichtigen (zukünftige) Lehramtsstu- sind. Auf Initiative des Netzwerks für Lehrer mit dierende mit Migrationshintergrund oder Interessierte Zuwanderungsgeschichte in Nordrhein-Westfalen in ihren Programmen: Mit der Einrichtung ihres wird ein von Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Horizonte-Programms will die Hertie-Stiftung dazu geförderter, bundesweiter Kongress das Thema aus beitragen, dass mit einem höheren Anteil an wissenschaftlicher und praxisbezogener Perspektive Lehrkräften mit Migrationshintergrund die gesell- einem breiten Publikum aus Wissenschaft und Praxis schaftliche Realität auch in den Klassenräumen vorstellen. Die folgenden Empfehlungen sollen auch verstärkt abgebildet wird. Horizonte soll dabei helfen, dazu beitragen, die Erfahrungen und erfolgreich junge Menschen für den Lehrberuf zu begeistern eingesetzten Instrumente der Projekte, Programme und Lehrerkollegien um engagierte Nachwuchskräfte und Initiativen stärker zu verbreiten. zu bereichern. Zum Wintersemester 2009/10 werden 15 Stipendien für Lehramtsstudierende in Frankfurt, Darüber hinaus hat das Bundesamt ein Konzept für Berlin und Hamburg ausgeschrieben. Partner sind eine deutsch-türkische Koproduktion entwickelt, die jeweiligen Universitäten vor Ort, die Kultusministe- die das Berufsbild „Lehrerin / Lehrer“ und Wege und rien sowie in Hamburg die ZEITStiftung und die Unterstützungsmöglichkeiten während Studium Jürgen Sengpiel Stiftung. Die Deutsche Telekomstiftung und Referendariat in einer türkischsprachigen fördert künftig verstärkt die Ausbildung von Lehr- Fernsehsendung vorgestellt hat. Ausschnitte der kräften in den so genannten MINT-Fächern Mathe- Sendung sind auf der Internetseite des Bundesamts matik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik . für Migration und Flüchtlinge veröffentlicht. 127 http://www.telekom-stiftung.de/dtag/cms/content/TelekomStiftung/de/407602 128 http://www.fulbright.de/diversity0/lehramtsstudierende.html 127 Empfehlungen Kompetenzen und Potenziale von Lehrkräften mit Migrationshintergrund benennen und fördern Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind gelungener Integration. Sie dürfen nicht auf die zunächst Fachlehrkräfte wie alle anderen auch. Funktion interkultureller Krisenmanager oder In diesem Sinne sind sie positive Vorbilder Übersetzer reduziert werden. Die Entscheidung für 105 C – Bildung und Integration oder Funktion muss jeder Lehrkraft überlassen Image des Lehrerberufs verbessern, Informationen zum Berufsbild bereitstellen bleiben. Dem geringen Ansehen des Lehrerberufs in der Ge- die Übernahme einer entsprechenden Rolle sellschaft an sich wie auch in der peer group vieler Interkulturelle Kompetenz ist nicht notwendiger- Jugendlicher kann mittels breit angelegter Informati- weise Konsequenz des Migrationshintergrunds. onskampagnen entgegengewirkt werden, die ge- Zusätzlich zur positiven Einstellung einer Lehrerin / zielt Jugendliche und Eltern mit Migrationshinter- eines Lehrers gegenüber sprachlicher und grund adressieren. Solche Initiativen sollten auch über kultureller Heterogenität ist auch eine Professiona- Einstellungschancen, Einstellungsvoraussetzungen lisierung bzw. professionelle Vermittlung interkul- (Lehrerinnen und Lehrer auch ohne deutsche tureller Kompetenz (interkulturelle Konfliktlösung, Staatsangehörigkeit) und Karrieremöglichkeiten Umgang mit Heterogenität) notwendig. informieren. Um eine möglichst große Reichweite zu ermöglichen, sollten entsprechende Aktivitäten Spezifische Ressourcen von Lehrpersonen mit Migrationshintergrund nutzen gemeinsam von den zentralen Akteuren des Bildungs- Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können ties geplant und umgesetzt werden. systems und mit Vertretern von Migrantencommuni- neben Kenntnissen in Herkunftssprachen und dem Einblick in andere Traditionen und Kulturen Umsetzungshinweis: Informationskampagne auch eine interkulturelle Perspektive auf Schule Speziell auf die Gewinnung von Lehramtsstu- und Unterricht mitbringen. Diese interkulturelle dierenden mit Migrationshintergrund angelegte Perspektive kann die Schule bereichern und Kampagnen sollten vorab definieren, welche Schulentwicklung fördern. Schulleitungen und Zielgruppen erreicht werden sollen: alle Studienbe- Kollegien müssen verstärkt angeregt und rechtigte mit Migrationshintergrund oder nur solche befähigt werden, diese migrationsbedingten mit biografischem Bezug zu bestimmten Kulturen. Ressourcen von Lehrpersonen mit Migrationshin- Entsprechende Initiativen sollten auch Bezug tergrund zu nutzen. nehmen auf die Wahrnehmung, der Lehrerberuf würde nur eine Tätigkeit in Deutschland ermögli- Zugangsbarrieren zum Lehramtsstudium abbauen chen, was einem möglichen Wunsch, später in das Herkunftsland zurückzukehren, entgegensteht. Um Strategien zu entwickeln, mehr Studienberechtigte mit Migrationshintergrund für ein Lehr- Informationsseiten für Lehramtsanwärter und amtsstudium zu interessieren, ist es erforderlich, Lehramtsanwärterinnen der Länder zu Einstellungs- die – allgemeinen oder zielgruppenspezifischen – chancen könnten, wie zum Beispiel in Hamburg, Gründe zu identifizieren, die einem Lehramts- auf ihr besonderes Interesse an der Einstellung von studium möglicherweise entgegenstehen und Lehrkräften mit Migrationshintergrund hinweisen.129 darauf aufbauend zielgruppengerechte Informationen und Angebote zu entwickeln. Information, Beratungs- und Orientierungsangebote durchführen Fehlende finanzielle Ressourcen sind generell ein Zur Motivation für ein Lehramtsstudium können Hindernis für die Aufnahme eines Studiums. Beratungsangebote zur beruflichen Orientierung Stipendienprogramme können Abhilfe schaffen. mit Blick auf Jugendliche allgemein und potenzielle Subjektive Gründe gegen ein Lehramtsstudium, Studierende mit Migrationshintergrund noch insbesondere solche, die auf Befürchtungen stärker genutzt werden: vor Diskriminierung und eigenen schlechten Erfahrungen mit der Schule basieren, sollten ernst genommen und durch frühzeitige Informationen und entsprechende Beratungsangebote entgegengewirkt werden (siehe unten). 106 Neben der allgemeinen Berufsberatung kann, wie an vielen Schulen bereits üblich, eine spezielle 129 http://www.hamburg.de/vorbereitungsdienst/64646/ einstellungschancen-referendare.html C – Bildung und Integration Berufs- und Studienorientierung am Gymnasium sinnvoll sein. Sie erfolgt durch eine Lehrerin / einen Lehrer, die / der mit den Universitäten und ihren allgemeinen und fachbezogenen Studienberatern zusammenarbeitet. Anonyme Online-Orientierungsverfahren mit detaillierter Rückmeldung für künftige Lehramtsstudierende bieten eine gute Möglichkeit der Selbsteinschätzung und Selbstorientierung. Angehende Studierende können dabei überprüfen, ob sie die persönlichen Voraussetzungen für den Lehrerberuf mitbringen.130 „Studienbotschafter“ (Mentoren, Patenprogramme) – Studierende, Referendarinnen und Referendare oder Lehrkräfte mit Migrationshintergrund – können ihre eigenen Erfahrungen in der Universität, im Vorbereitungsdienst und Referendariat an Schülerinnen und Schüler weitergeben. Eine Lehrkraft mit Migrationshintergrund, die z. B. in einer Landeskoordinierungsstelle angesiedelt ist, kann interessierten Abiturientinnen und Abiturienten Orientierung und Information vermitteln. Berufsinformationszentren und Berufsberaterinnen und -berater sollten für das Thema „Lehrer mit Migrationshintergrund“ im Rahmen der neutralen, auf das individuelle Eignungs- und Interessensprofil des Einzelnen (unabhängig ob mit oder ohne Migrationshintergrund) abzielenden Beratungsstrategie sensibilisiert werden. „Schnupperstudien“ an Universitäten bieten eine gute Möglichkeit, zukünftige Studierende umfassend zu beraten und zu informieren und ihnen einen realistischen Einblick in den Studienalltag zu gewähren. Derzeit existierende Angebote sind aber überwiegend nicht lehramtsorientiert. Die Zielgruppe erreichen Die Ansprache potenzieller Studieninteressierter mit Migrationshintergrund sollte über mehrere Kanäle erfolgen und die besonderen Bedürfnisse der Zielgruppe und die Wege, über die man sie erreichen kann, berücksichtigen. Mit einzelnen Ansätzen wurden bereits Erfahrungen in Deutschland gesammelt: Direkte Ansprache der Jugendlichen, zum Beispiel über Lehrkräfte und Migrantenorganisationen Informationsangebote für Eltern, Lehrkräfte, Schulleiterinnen / Schulleiter, Schülerinnen / Schüler, zum Beispiel durch: Schülercampus ( vgl. das Konzept der ZEITStiftung) Workshops zum Berufsbild Lehrerin / Lehrer (zum Beispiel RAA Nordrhein-Westfalen / Netzwerk Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte) Frühe Laufbahnberatung und Hinführung zum Lehramtsstudium, beispielsweise über Lehramtsstudierende, die als fester Bestandteil des Curriculums der Lehrerausbildung Schülerinnen / Schüler über das Lehramtsstudium informieren und coachen (zum Beispiel MiCoach an der Universität Bremen). Zusätzlich könnten über herkunftssprachliche Medien wie Fernsehen und Tagespresse Eltern sowie Schülerinnen und Schüler direkt angesprochen werden. Studienabbruchquote verringern Die Studienabbruchquote unter Studierenden mit Migrationshintergrund ist höher als bei Der Lehrerberuf wird auch im Internet vorgestellt. Studierenden ohne. Hier kann neben Stipendien die Der deutsche Bildungsserver bündelt diese Seiten Etablierung eines Mentoren- oder Patenprogramms und bietet unter http://www.lehrer-werden.de gegensteuern. Weitere hilfreiche Angebote sind ein Portal mit umfassenden Informationen zum Coachingprogramme und Schreibwerkstätten Berufsbild, Studium, Vorbereitungsdienst, und Links an Universitäten zur Unterstützung bei Sprach- zu relevanten Seiten der Bundesländer. Diese – und problemen, vor allem im Bereich akademisches weitere online verfügbare – Informationen zum Deutsch. Unterstützung kann auch beim Umgang Lehramtsstudium sollten dahingehend analysiert mit individueller Diskriminierungserfahrung werden, ob sie die Zielgruppe der Jugendlichen wichtig sein. Unterstützungsbedarf besteht auch erfolgreich ansprechen, oder gegebenenfalls eine in der 2. Phase der Lehrerbildung („Referendariat“), Weiterentwicklung oder Ergänzung erforderlich ist. in der die Lehramtsanwärter mit den spezifischen Anforderungen des Schulalltags (Sprachkompetenz 130 Vgl. z. B.: Lehramtsstudium in Baden-Württemberg, Selbsttest und Information http://www.bw-cct.de im Unterricht, Kooperation im Kollegium, Elternkontakte usw.) konfrontiert sind. 107 C – Bildung und Integration Erforderlich ist insbesondere eine Information der und mit geeigneten Medien (Print, Internet) allen Studierenden mit Migrationshintergrund über die Interessierten zur Verfügung gestellt werden. In für ein erfolgreiches Absolvieren des Vorbereitungs- einem zweiten Schritt können verschiedene Aktivi- dienstes unabdingbaren Sprachkenntnisse. Es hat täten in Form von Modellprojekten bildungsbiogra- sich in der Praxis gezeigt, dass bei Migrantinnen und fisch differenziert miteinander verbunden werden, Migranten der ersten Generation häufig Probleme um einen umfassenden Ansatz aus bestehenden in der Bewältigung der Unterrichtssprache (Recht- Bausteinen zu entwickeln (und gegebenenfalls schreibung, Grammatik, Artikulationsfähigkeit) durch weitere Aspekte zu ergänzen). Wichtige An- bestehen. Die Information muss mit Angeboten über sprechpartner für ein solches Vorhaben sind Sprachkurse usw. und ggf. deren Finanzierbarkeit neben den bereits aktiven Einrichtungen und Projekt- verbunden sein. trägern unter anderem die Kultusministerkonferenz bzw. die Kultusministerien der Länder, Netzwerke auf- und ausbauen Lehrerverbände und Universitäten. Studierende, Referendarinnen und Referendare und Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshinter- Forschungsdesiderate grund können von ihren Erfahrungen gegenseitig Das Thema Lehrkräfte bzw. Lehramtsstudierende profitieren. Einen Rahmen für einen solchen mit Migrationshintergrund wird bisher nur Erfahrungsaustausch bietet der Auf- und Ausbau vereinzelt in Forschungsprojekten berücksichtigt. von Netzwerken, auch schon für Studierende und Grundsätzlich sind in diesem Themenbereich Referendarinnen und Referendare, die Migran- zu den jeweiligen Zielgruppen Schülerinnen / tenorganisationen einbeziehen, Multiplikatoren Schüler, Eltern, Studierende, Lehrkräfte, Schulen ausbilden, interkulturelle Fortbildungen an- und Universitäten noch viele Fragen offen. Diese bieten und Abiturientinnen / Abiturienten und betreffen vor allem informelle Hindernisse bei Lehramtsstudierende betreuen. Bund, Länder der Wahl des Studienfachs, die Rolle der Eltern im und Kommunen aber auch Stiftungen sollten die Berufswahlprozess, das Ansehen des Lehrerberufs Gründung von Netzwerken fördern, die Lehramts- allgemein, Brüche im Studium bzw. Ursachen, studierende und Lehrer mit Migrationshinter- die den erfolgreichen Abschluss für das Lehramt grund unterstützen. verhindern und Schwierigkeiten an der Schnittstelle zwischen Studium und Beruf. Zusätzlich fehlen Einstellungskorridore gewähren Erkenntnisse aus quantitativ orientierten Quer- und Um kurzfristig eine Erhöhung des Anteils von Lehr- Längsschnittstudien, die für die Entwicklung einer kräften mit Migrationshintergrund zu erreichen, dauerhaften und zielorientierten Lösungsstrategie kommen besondere Einstellungsverfahren in unverzichtbar sind. Betracht: Eine Möglichkeit, die gegenwärtig kontrovers diskutiert wird, ist eine Quotenregelung Vor einer detaillierten Analyse sollte eine kritische für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Da- Auseinandersetzung mit vorhandenen Daten neben wird vereinzelt auch im Rahmen einzelschul- erfolgen und die Datenlage gegebenenfalls anhand bezogener Stellenausschreibungen die Möglichkeit neuer Erhebungen aktualisiert werden. Hierzu genutzt, bilinguale und / oder bikulturelle sollten auch bereits vorhandene Daten bei Behörden Erziehung zur Einstellungsvoraussetzung zu oder Ministerien herangezogen werden. machen. Umfassenden Ansatz zur Steigerung des Anteils von Lehramtsstudierenden mit Migrationshintergrund entwickeln Um einen länderübergreifenden Erfahrungsaustausch zu diesem Themenbereich zu ermöglichen, sollten zunächst alle Maßnahmen dokumentiert 108 109 D – Gesellschaftliche Integration D Gesellschaftliche Integration 1. Schwerpunktthemen im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration Gesellschaftliche Integration bedeutet Teilhabe und gesellschaftliche Integration gelegt. Der Nationale Mitgestaltung der Gesellschaft. Inwiefern sie Integrationsplan hält fest: „Ob Migrantinnen und erfolgreich ist, lässt sich insbesondere am Grad der Migranten ihre Kompetenzen zur Geltung bringen Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund können, hängt auch von den sozialen Bedingungen am sozialen, politischen und kulturellen Leben und Barrieren ab, auf die sie treffen.“131 Mit den erkennen. Aspekte wie die Mitgliedschaft in Organisa- hier vorgestellten Empfehlungen im Bereich tionen, bürgerschaftliches Engagement aber auch der gesellschaftliche Integration soll ein Beitrag dazu Zugang zu Angeboten der außerschulischen Bildung, geleistet werden, die sozialen Bedingungen so zur gesundheitlichen Versorgung, zu kulturellen zu gestalten, dass Menschen mit Migrationshin- Angeboten sowie zu sozialen Beratungsstellen und den tergrund ihre Fähigkeiten und Kenntnisse in die allgemeinen sozialen Regeldiensten (etwa Sozial- oder Gestaltung des Gemeinweisens vor Ort einbringen Familienberatungsstellen), spielen dabei eine Rolle. und Teil einer aktiven Bürgergesellschaft werden können, in der „möglichst viele Menschen Drei Entwicklungen lassen sich im Bereich der Verantwortung übernehmen und Eigeninitiative Förderung gesellschaftlicher Integration in den entwickeln.“132 letzten Jahren insbesondere beobachten: Integrationsangebote verfolgen zunehmend potenzialorientierte Ansätze: Im Fokus stehen die Ressourcen und Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund und die Frage, wie sie diese bei der Gestaltung ihrer Integration und für das Zusammenleben vor Ort einbringen können Das Ziel der gesellschaftlichen Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund wird zunehmend durch die Förderung von Selbstorganisation verfolgt Angebote richten sich verstärkt auch an Menschen ohne Migrationshintergrund, um das Thema interkulturelle Öffnung stärker zu verankern. Unter dem Leitthema „gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund stärken“ werden drei Aspekte in den Blick genommen, die die Mitwirkung von Menschen mit Migrationshintergrund – insbesondere im Gemeinwesen vor Ort – fördern: Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen am Beispiel der interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit Bürgerschaftliches Engagement Migrantenorganisationen sind Foren der Selbstorganisation und der gesellschaftlichen Betei- Hinter allen Themen, die im Rahmen des bundes- ligung. Sie sind wichtige zivilgesellschaftliche weiten Integrationsprogramms bearbeitet werden, steht der Gedanke, die Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund zu stärken. Ein besonderer Schwerpunkt hierauf wird im Handlungsfeld 110 131 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 13. 132 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 14. D – Gesellschaftliche Integration Organisationen und Partner im Rahmen der dazu kann die Jugend(verbands)arbeit leisten. Auf Integrationsförderung als auch selbst Adressat von Verbandsebene gibt es hierzu bereits einzelne, Angeboten der Integrationsförderung. Im Natio- wirkungsvolle Initiativen. Die Jugendverbandsar- nalen Integrationsplan wird ihre wichtige Rolle für beit wird jedoch bisher nicht bundesweit und auf die Integration konkretisiert: Sie bilden Brücken allen Verwaltungsebenen unter dem Blickwinkel zwischen Menschen mit und ohne Migrationshin- der Partizipationsförderung von Jugendlichen tergrund: Migrantinnen und Migranten können mit Migrationshintergrund betrachtet. Die im Migrantenorganisationen die Notwendigkeit bundesweiten Integrationsprogramm entwickelten eigener Integrationsbemühungen nahebringen. Empfehlungen sollen eine breite Umsetzung Der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund interkultureller Öffnungsprozesse in der Jugend- und der Politik können sie die Perspektiven, verbandsarbeit unterstützen und damit zu einer Potenziale aber auch Probleme der Menschen ver- stärkeren gesellschaftlichen Teilhabe von Jugend- mitteln, die sie vertreten. Der Stärkung von lichen mit Migrationshintergrund beitragen. Migrantenorganisationen kommt aufgrund ihres partizipations- und integrationsfördernden Eine große Verantwortung dafür, ob der Zusam- Potenzials hohe Bedeutung zu. Das zum Teil schon menhalt in einer Gesellschaft gelingt, trägt seit Jahren bestehende Engagement von Migran- die Zivilgesellschaft. Bürgerschaftliches Engage- tenorganisationen anzuerkennen und künftig ment – das klassische Ehrenamt aber auch neue verstärkt zu unterstützen, ist ein wichtiger Beitrag Formen des freiwilligen Engagements – spielt zu einer nachholenden Integrationsförderung. daher traditionell eine ganz besondere Rolle in Bund, Länder, Kommunen und nichtstaatliche der Integrationsförderung. Bürgerschaftliches Organisationen sollten Migrantinnen, Migranten Engagement in und durch Migrantenorganisa- und ihre Organisationen stärker in Planung tionen kann die Partizipation von Menschen mit und Gestaltung von Integrationsmaßnahmen ein- Migrationshintergrund erhöhen. Im gemein- beziehen, so die Forderung des Nationalen samen Engagement von Menschen mit und ohne Integrationsplans. Migrationshintergrund können neue Gemein- 133 Im Rahmen des bundesweiten Integrationsprogramms sollen hierzu konkrete schaften und ein Zusammengehörigkeitsgefühl Möglichkeiten aufgezeigt werden. unabhängig von der Herkunft entstehen. Dabei kann und soll das bürgerschaftliche Engagement Die Integration von Jugendlichen mit Migrations- professionelle Sozialarbeit nicht ersetzen. Es hintergrund ist von besonderer Bedeutung. Gelingt kann jedoch ergänzend einen wichtigen Beitrag die Integration der Kinder und Jugendlichen zur Integration leisten und dabei auf die Kompe- nicht, wird ihnen auch als Erwachsene oftmals tenzen und Kenntnisse der Migrantinnen und der Zugang zu vielen gesellschaftlichen Bereichen Migranten selbst zurückgreifen. Im Nationalen erschwert. Die Lebenssituation junger Menschen Integrationsplan wird diese besondere Rolle des mit Migrationshintergrund ist jedoch zum Teil bürgerschaftlichen Engagements hervorgehoben. durch Integrationsdefizite und Benachteiligungen Integration, so der Beitrag des Bundes im Natio- gekennzeichnet, insbesondere im Bildungssystem. nalen Integrationsplan, ist ohne die vielfältigen Um dies zu verändern, ist die Förderung einer Aktivitäten der Zivilgesellschaft nicht möglich.134 besseren Teilhabe junger Menschen mit Migrations- Auch der 2009 entwickelte Nationale Engagement- hintergrund an außerschulischer Bildung – wie z. B. plan greift das Engagement von und mit Menschen durch die Teilnahme an den Jugendfreiwilligen- mit Migrationshintergrund auf. diensten –, an demokratischem Lernen, an jugendpolitischer Interessensvertretung und an sinnvoller Bürgerschaftliches Engagement ist in allen Hand- Freizeitgestaltung besonders wichtig. Einen Beitrag lungsfeldern der Integration von Bedeutung. Es 133 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 13. 134 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 20. 111 D – Gesellschaftliche Integration wurde daher bei der Entwicklung der Empfehlungen informelle Zusammenschlüsse. Von Bedeutung für die des bundesweiten Integrationsprogramms als Quer- Integration können auch interkulturelle Vereine sein, schnittsthema behandelt. Besonders häufig werden in denen sich Menschen unterschiedlicher Herkunft Empfehlungen zum freiwilligen, gemeinwesenori- engagieren. Diese Gruppen können in besonderem entiertem Engagement in der Integrationsförderung Maße Brücken über Herkunftsgrenzen hinweg bauen. im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration formuliert, aber auch in den anderen Kapiteln finden Im Blickfeld des bundesweiten Integrationsprogramms sich Schnittstellen. und der hier ausgesprochenen Empfehlungen stehen Organisationen, die sich nachweislich in der Integrationsarbeit engagieren, nicht nur nach innen wirken, 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Angeboten im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration 2.1 Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung stärken sondern auch eine Brücke zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bilden können. Auf gesellschaftliche Integration zielen dabei alle Aktivitäten von Migrantenorganisationen ab, die die Teilhabe ihrer Mitglieder bzw. Zielgruppen an den gesellschaftlichen Einrichtungen und Prozessen mittelbar oder unmittelbar fördern. In Deutschland gibt es eine große Vielfalt an Orga- Die Zahl der Migrantenorganisationen in Deutschland nisationen, in denen sich Menschen mit Migrations- ist bislang nicht erhoben worden. Eine Annäherung hintergrund zusammenschließen. Diese Organi- bietet das Bundesausländervereinsregister, das alle sationen engagieren sich neben den traditionellen, Vereine ausländischer Drittstaatsangehöriger anerkannten Trägern in der Integrationsförderung, registriert und diese 2001 mit 16 000 bundesweit an- manche von ihnen schon seit Jahrzehnten. „Die“ gegeben hat.136 Die bisher einzige Vollerhebung Migrantenorganisation existiert dabei jedoch ebenso von Migrantenorganisationen wurde in Nordrhein- wenig, wie „die“ Migrantin oder „der“ Migrant. Westfalen 1999 durch das Zentrum für Türkeistudien 135 und das Institut für Politikwissenschaft der WestfäMigrantenorganisationen sind im Hinblick auf lischen Wilhelms-Universität Münster im Auftrag der Aufgaben und Ziele, Zusammensetzung der Vereins- Landesregierung durchgeführt und konnte über 2 200 mitglieder und Organisationsgrad sehr heterogen: Organisationen ermitteln.137 Neben religiösen, kulturellen oder politischen Vereinen, gibt es Organisationen bestimmter Zuwan- Die Kenntnisse über Entwicklung und Einsatzfelder derungsgruppen, Vertriebenenverbände, Studieren- sind detaillierter, wenn auch nicht repräsentativ denvereinigungen, Fachverbände bzw. anerkannte belegt. Neben den in Westdeutschland bekannten, Träger der Sozialarbeit, Sportvereine, Unternehmer- klassischen, herkunftshomogenen (Kultur-)Ver- verbände oder Bildungsträger. Migrantenorganisa- einen wurden in den letzten Jahren zahlreiche tionen können auch ausschließlich ganz bestimmte neue, zum Teil auch heterogene Vereine gegründet, Zielgruppen ansprechen, etwa Frauen, Mütter, die Integrationsförderung als einen ihrer Arbeits- Männer, Väter, Eltern, Senioren oder Jugendliche. Seit schwerpunkte definieren. In Ostdeutschland ist eine einigen Jahren beginnen sie verstärkt, ihre Angebote steigende Bereitschaft zur Selbstorganisation zu auch für Menschen anderer Herkunftsgruppen zu beobachten. Insbesondere im letzten Jahrzehnt sind öffnen. Neben wenigen bundesweit agierenden Dach- zudem zahlreiche Migrantinnenorganisationen mit verbänden ist die Mehrzahl der Organisationen vor allem vor Ort engagiert, als eingetragene Vereine oder 135 Unter Migrantenorganisationen werden im vorliegenden Text Vereinigungen verstanden, die überwiegend von Zugewanderten gegründet wurden und deren Mitglieder vornehmlich Menschen mit Migrationshintergrund sind. 112 136 Hunger, Uwe (2005): Ausländervereine in Deutschland – Eine Gesamterfassung auf der Basis des Bundesausländervereinsregisters. In: SelbstHilfe – Wie Migranten Netzwerke knüpfen und soziales Kapital schaffen, Freiburg. 137 Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport (Hg.) (1999): Selbstorganisationen von Migrantinnen und Migranten in NRW: wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Düsseldorf. D – Gesellschaftliche Integration dem Zweck entstanden, Frauen und Familien mit im Aufnahmeland wandelt sich dies. Für die nach- Migrationshintergrund zu beraten, weiter- folgenden Generationen übernehmen Migranten- zubilden oder anderweitig zu unterstützen. 138 Einen organisationen stärker eine Sozialisationsfunktion, wichtigen Beitrag zur Integration leisten Eltern- indem sie Angebote für die Tradierung der Kultur vereine unterschiedlicher Migrantencommunities, und Werte des Herkunftslandes schaffen und damit deren Arbeit auf die Stärkung der Bildungspartizi- auch identitätsstützend wirken. Eine zentrale pation ausgerichtet ist (vgl. C.2.1). Auch Religions- Aufgabe üben die Organisationen überdies als gemeinschaften agieren vor Ort immer mehr Interessenvertretung aus: Als Dachverbände im Bereich Integrationsförderung. Empowerment139 bemühen sie sich um die Durchsetzung spezifischer hat dabei stets eine entscheidende Rolle bei der Interessen ihrer Mitglieder auf Bundesebene. Herausbildung von Migrantenorganisationen und Als kleine lokale Zusammenschlüsse vertreten ihren Aktivitäten gespielt. sie die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund in ihrem unmittelbaren Umfeld. Migrantenorganisationen verfügen nur vereinzelt Sie sind Ansprechpartner für Politik, Wirtschaft über hauptamtliche Strukturen, ganz überwiegend und Verwaltung, aber auch für die Öffentlichkeit arbeiten sie ehrenamtlich, insbesondere auf lokaler und übernehmen insoweit eine Brückenfunktion Ebene. Eine Ausnahme bilden vor allem die wenigen zwischen Zuwanderungsgruppen und der Mehr- deutschlandweit organisierten Dachverbände heitsgesellschaft ohne Migrationshintergrund. von Migrantenorganisationen und von Organisationen von (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aus- Migrantenorganisationen haben sich oft auf siedlern. Über die Engagement-Schwerpunkte Themenfelder spezialisiert, die in der Integrations- in Migrantenorganisationen selbst ist noch zu wenig förderung eine wichtige Rolle spielen. Dabei kann bekannt, das Engagement der Vereine wird von es sich um Aktivitäten im Bildungsbereich handeln, Menschen ohne Migrationshintergrund kaum wie die schulergänzende Förderung von Kindern wahrgenommen. oder Elternbildung, um Frauenrechte, Diskriminierungsabbau, Stadtteilintegration, Dolmet- Migrantenorganisationen können unterschiedliche scherdienste oder um medizinische Versorgung Funktionen wahrnehmen: Für Neuzuwanderinnen und Gesundheitsprävention bzw. Suchtberatung. und Neuzuwanderer erfüllen sie eine Schutz- Integrationsförderndes Engagement kann auch funktion, weil sie Hilfestellungen in verschiedenen die Bereiche Kultur, Sport und Freizeitgestaltung Lebenslagen und die Möglichkeiten des Austau- umfassen. Viele Migrantenorganisationen decken sches mit anderen bieten. Mit längerer Verweildauer mehrere Bereiche und zielgruppenspezifische Angebote ab. Auch zur interkulturellen Öffnung 138 Im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat Rambøll-Management in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Darmstadt eine Studie zu Migrantinnen-Organisationen in Deutschland durchgeführt. Für die fast abgeschlossene Studie konnten im Rahmen einer Bestandsaufnahme 255 MigrantinnenOrganisationen identifiziert werden, von denen 124 an der Befragung teilgenommen haben. Die Studie soll bestehende Kenntnislücken schließen und Handlungsempfehlungen zur Unterstützung der Migrantinnen-Organisationen entwickeln. 139 Der Begriff Empowerment stammt aus der Psychologie und Sozialpädagogik. Für ihn existiert keine anerkannte deutsche Übersetzung, er lässt sich am besten mit „Selbstbemächtigung“ oder auch „Selbstkompetenz“ umschreiben. Empowerment umfasst Strategien und Maßnahmen, die Menschen dabei helfen sollen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Sie sollen ermutigt werden, eigene Stärken zu entdecken und in die Lage versetzt werden, ihre Belange selbstständig zu vertreten und ihre Lebensräume eigen bestimmt zu gestalten. Zusätzlich sollen sie durch effektive Förderung befähigt werden, ihre Interessen zu artikulieren und sich am politischen Prozess zu beteiligen. von Vereinen und gesellschaftlichen Einrichtungen können Migrantenorganisationen einen Beitrag leisten: Die verantwortliche Mitgestaltung in einer partnerschaftlichen Kooperation zwischen Migrantenorganisationen und öffentlichen und privaten Einrichtungen, wie Bildungsträgern sowie klassischen, anerkannten Organisationen der Integrationsförderung, kann deren interkulturelle Öffnung nachhaltig fördern. Voraussetzung ist, dass der Dialog auf „gleicher Augenhöhe“ stattfindet. Die Organisationen sind zudem selbst auch Orte, an denen Menschen mit Migrationshintergrund aktiv werden und ihre Kompetenzen einbringen können. Sie kennen die Bedürfnisse organisierter, aber 113 D – Gesellschaftliche Integration auch nicht organisierter Menschen mit Migrations- insbesondere auf regionale Vernetzung, Beratung hintergrund und schließen mit ihren Angeboten und Weiterbildung, auf Partizipation an Projekt- oft Lücken in der Integrationsarbeit. Sie erreichen förderungen sowie auf eine infrastrukturelle oder Menschen gerade dort, wo staatliche Regeldienste in Einzelfällen sogar auf institutionelle Förderung oder anerkannte Träger oft an ihre Grenzen stoßen: von Migrantenorganisationen. In den Kommunen Sie finden Zugang zu und genießen das Vertrauen von Menschen mit Migrationshintergrund, die Ausgrenzungs- und Diskriminierungserfahrungen in Deutschland gemacht haben. Sie sind Anlaufstellen für Menschen mit Migrationshintergrund mit geringen Deutschkenntnissen, die Rat und Unterstützung suchen. stehen teilweise finanzielle Mittel für die Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen bzw. für sogenannte ausländische Vereine zur Verfügung. Nordrhein-Westfalen hat ein differenziertes Konzept der Förderung von Migrantenorganisationen durch unterschiedliche, ergänzende Sie sind Informations- und Kommunikationsplattform für Menschen mit Migrationshintergrund gleicher Herkunft oder Religion („Kulturoase“); dies bleibt auch für gut integrierte Menschen nach langem Aufenthalt in Deutschland wichtig. Bausteine: Projektförderung/Zuschüsse für Selbst- Sie werden aufgesucht von Menschen mit Migrationshintergrund, die durch positive Mund-zuMund-Propaganda innerhalb der Community von der Organisation erfahren haben. haben, landesweite Fachberatung für Organisa- organisationen (wobei die Eigenanteile durch bürgerschaftliches, freiwilliges Engagement erbracht werden können), Förderung interkultureller Zentren und niederschwelliger Integrationsvortionen und ein breit gefächertes Fortbildungsangebot. Zudem wurden die Migrationsfachdienste zu Integrationsagenturen umstrukturiert, deren Aufgabe auch die Beratung lokaler Migrantenor- Bisherige Entwicklungen zur Stärkung von Migrantenorganisationen ganisationen ist. Das landesweite Fördeprogramm Migrantenorganisationen werden von Bund, von Kommunen, in denen in der Regel auch Ländern, Kommunen und privaten Trägern Migrantenorganisationen eingebunden sind bzw. zunehmend als Experten für die bedarfsgerechte gefördert werden. KOMM-IN NRW unterstützt Integrationsvorhaben Ausrichtung von Integrationsangeboten nachgefragt. Eine gleichberechtigte Einbeziehung, Die Stadt Bielefeld arbeitet seit Jahrzehnten eng Nutzung und Anerkennung ihrer Kompetenzen mit etwa 40 Migrantenorganisationen zusammen, bei der Gestaltung von Integrationsangeboten unterstützt finanziell und organisatorisch deren sowie eine systematische Stärkung als Akteure der Aktivitäten und lädt etwa viermal jährlich zu Integrationsförderung findet bundesweit bisher einem Informationsaustausch ein. Ziel ist, Migran- in unterschiedlichem Umfang und nicht auf allen tenorganisationen als aktive Partner im Prozess Ebenen programmatisch umfassend statt. kommunaler Integrationsarbeit und -förderung zu 140 gewinnen, beraten und unterstützen, zu begleiten Länder und Kommunen erkennen die Bedeutung und sie im Zusammenwirken von Kommune von Migrantenorganisationen zunehmend und allen anderen lokalen Institutionen und an und unterstützen ihre Partizipation häufig Angeboten als mitgestaltende Partner in Netzwerke durch spezifische Förderkonzepte. Sie setzen einzubinden. Im Rahmen des KOMM-IN Projekts „Förderung von Bildungs- und Integrationsbe- 140 Ergebnis einer vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Auftrag gegebenen Abfrage bei den Ländern zu Förderkonzepten, die explizit auf Migrantenorganisationen zugeschnitten sind sowie einer Recherche zu Kooperationen von Kommunen und Migrantenorganisationen, einer exemplarischen Umfrage unter Migrantenorganisationen zu den Rahmenbedingungen ihres Engagements und zu Weiterbildungs- und Förderbedarfen sowie einer Abfrage bei Bildungsträgern zu spezifischen Weiterbildungsangeboten für Migrantenorganisationen. Insbesondere auf diesen Recherchen beruhen die folgenden Ausführungen. 114 auftragten in Migrantenselbstorganisationen in Bielefeld“ wurde diese langjährige Zusammenarbeit optimiert durch die Sammlung aktueller Informationen über aktive Vereine, ihre inhaltlichen Schwerpunkte, Zielsetzungen, Anliegen und Bedarfe, D – Gesellschaftliche Integration die Benennung verbindlicher Ansprechpartnerinnen bzw. Ansprechpartner aus den Migrantenorganisationen für die Stadt Bielefeld oder andere Behörden und Einrichtungen, 2.1.1 Auf- und Ausbau tragfähiger Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen die systematische Bearbeitung der Themen „Integration, Bildung und Arbeitsmarkt“ in den Vereinen und grationsförderung wichtige Kompetenzen die Schulung der sogenannten Bildungs- und Integrationsbeauftragten für diese Aufgaben. Inwiefern Migrantenorganisationen für die Inteund Ressourcen entwickelt und eine nachhaltig wirkende Arbeit etabliert haben, hängt insbesondere von zwei Faktoren ab: Einerseits der Dauer ihres Bestehens und damit der Erfahrung, die sie in Sowohl die Vernetzung der Organisationen unter- der Integrationsarbeit sammeln und den Kon- einander als auch die Kooperationen zwischen takten, die sie knüpfen konnten; andererseits von Kommune und Migrantenorganisationen haben positive den Rahmenbedingungen ihres Engagements. Effekte hervorgebracht: Die Kommune hat mehr Die Erwartungen, die in Bezug auf Kooperation, Informationen zu Migrantenorganisationen vor Ort. Vernetzung, Weiterbildungsangebote oder Mitglie- Zudem hat sich ein Diskurs über Ziele, Inhalte und derbetreuung an Migrantenorganisationen gestellt Wege zur Integration entwickelt. Durch die Ver- werden, sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. netzung wurde auch ein neuer, im Rahmen des Ihre personellen, finanziellen, hauptamtlichen und KOMM-IN Projekts geförderter „Interkultureller Eltern- räumlichen Ressourcen sind jedoch häufig nicht verein“ gegründet. Migrantenorganisationen entsprechend gewachsen. Daher ist es notwendig, sehen ihr Engagement zudem öffentlich anerkannt die Partizipation von Migrantenorganisationen an und wertgeschätzt. Förderstrukturen zu erleichtern. Unter dem Leitthema „gesellschaftliche Teilhabe Da die Integrationsarbeit von Migrantenorganisati- stärken“ ist es besonders von Bedeutung, Migranten- onen überwiegend durch freiwilliges Engagement organisationen in die Lage zu versetzen, ihr Potenzial geleistet wird, stoßen die Organisationen oft an ihre noch konkreter und umfangreicher zu nutzen, mit Grenzen. Migrantenorganisationen beginnen ihren Kompetenzen den Integrationsprozess zu fördern ihr Engagement in der Regel ohne eigene Geschäfts- und dabei auch die nötige Anerkennung zu erfahren. räume und technische Ausstattung und leisten Bund, Länder, Kommunen und gesellschaftliche Insti- ihre Integrationsarbeit zumindest zu Anfang oft tutionen können die Selbstorganisation von Menschen von zu Hause aus. Solche erschwerenden Rahmen- mit Migrationshintergrund und ihr Engagement bedingungen verhindern, dass ihre Potenziale voll unterstützen, indem sie – je nach Organisationsgrad genutzt werden können. Sie führen auch dazu, der Migrantenorganisationen – insbesondere dass bei Dritten, insbesondere potenziellen Zuwen- tragfähige Strukturen für die Integrationsarbeit von Migrantenorganisationen auf- und ausbauen, das bürgerschaftliche Engagement in und durch Migrantenorganisationen fördern, Migrantenorganisationen bei der Professionalisierung unterstützen, und die Zusammenarbeit von Institutionen, Organisationen und Netzwerken mit Migranten organisationen fördern. dungsgebern, der Eindruck mangelnder Professionalität entsteht. Auch freiwilliges Engagement braucht jedoch hauptamtliche Unterstützung und Organisation. Finanzielle Förderung durch staatliche Stellen oder private Stiftungen ist aber überwiegend an Projekte gebunden. Deren Realisierung hängt wiederum davon ab, ob die Träger über ein Mindestmaß an Professionalität und Basisstruktur für Antragstellung und Projektdurchführung verfügen, etwa in Form von Vereinsräumen oder hauptamtlich Tätigen. Dies ist bei Migrantenorganisationen häufig (noch) nicht der Fall. Als Voraussetzung für diese Prozesse ist jedoch auch die interkulturelle Öffnung von gesellschaftlichen Einrich- An der umfangreichen Projektförderlandschaft in tungen, Organisationen und Netzwerken notwendig. Deutschland partizipieren Migrantenorganisationen 115 D – Gesellschaftliche Integration daher bisher nur in einem geringen Umfang. Der können daher oft nicht ausreichend an den Strukturen überwiegende Anteil der Projektmittel wird aufgrund der Integrationsarbeit partizipieren. Großer Bedarf gewachsener Strukturen der Integrationsförderung besteht hinsichtlich einer infrastrukturellen För- und wegen der hohen formalen Trägerkriterien auf derung, die einen wesentlichen Baustein zur Stärkung allen staatlichen Ebenen primär von Wohlfahrtsver- der Partizipationschancen bilden kann, sowie bänden, von (Spät)Aussiedlerorganisationen und über hinsichtlich passgenauer Angebote zur Weiterbil- den Paritätischen Wohlfahrtsverband in geringem dung und Kompetenzerwerb. Doch auch die (ideelle) Umfang auch von Migrantenorganisationen in Anerkennung der Vereinsarbeit ist von zentraler Anspruch genommen. Zudem ist Projektförderung in Relevanz, um Migrantenorganisationen ein integra- der Regel zeitlich befristet. Die Projektantragstellung, tionsförderndes und nachhaltiges Engagement zu -durchführung und die Weiterführung der ermöglichen. Denn häufig findet das vielfältige, auf Integrationsarbeit nach Projektabschluss sind auf Integration ausgerichtete Engagement von Menschen hauptamtliche Strukturen angewiesen. Ohne diese mit Migrationshintergrund und ihren Organisationen gehen Know-how, Mitarbeiterkompetenzen und der weitgehend außerhalb des Blickfeldes der Öffentlich- Zugang zur Klientel nach Projektende verloren. keit ohne Migrationshintergrund statt. Das führt dazu, dass ihre Leistungen nicht immer ausreichend Migrantenorganisationen sind zudem kaum über wahrgenommen und anerkannt, sondern häufig eher Fördermöglichkeiten und Netzwerke informiert und mit Skepsis betrachtet werden. Empfehlungen Zielgröße für Förderung festlegen Zur Förderung von Migrantenorganisationen und flächendeckend umgesetzt werden. Hierbei sollten Zielgrößen festgelegt werden. Als sind drei Aspekte von Bedeutung: quantitativer Maßstab für gleichberechtigte Teilhabe sollte herangezogen werden: Grundausstattungsförderung Infrastrukturelle Förderung Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Projekten und Maßnahmen, an den Angeboten kultureller, sozialer, medialer, bürgerschaftlicher, sportlicher Einrichtungen Anteil von Migrantenorganisationen, die bereits Träger von Projekten und Maßnahmen im Integrationsbereich sind Grad der Einbindung von Migrantenorganisationen in die kulturelle, soziale, mediale, bürgerschaftliche, sportliche Infrastruktur Unterstützung bei der Projektförderung Berlin hat ein Mehrsäulenkonzept zur umfassenden Integrationsförderung entwickelt (Integration durch Bildung, Integration durch Stärkung des sozialräumlichen Zusammenhalts, Integration durch interkulturelle Öffnung, Integration durch Partizipation und Stärkung der Zivilgesellschaft), in dem Projekte von Migrantenorganisationen für die Integrationsförderung einen besonderen Stellenwert haben. Projekte werden bevorzugt bewilligt, wenn Bedarfsgerechte Fördermodelle anbieten sich Organisationen der Mehrheitsgesellschaft Migrantenorganisationen haben aufgrund ihrer und Migrantenorganisationen zu so genannten verschiedenen Organisationsgrade unter- Tandemträgerschaften zusammenschließen. Im schiedliche Unterstützungsbedarfe. Um tragfähige Rahmen der Projektförderung kann in Berlin auch Strukturen für ihre Integrationsarbeit zu schaffen ehrenamtlich geleistete Arbeit als finanzieller und die vorhandenen Strukturen zu stärken Eigenanteil anerkannt werden. Die Grundsätze für und zu stabilisieren, sollten verschiedene Modelle die Vergabe von Zuwendungen des Berliner Senats der Förderung bzw. der Partizipation an vor- ermöglichen in Ausnahmefällen eine langfristige handenen Förderprogrammen weiterentwickelt Förderung von Projekten über die Regelförderzeit 116 D – Gesellschaftliche Integration hinaus, wenn die umgesetzten Maßnahmen sich als Projekt „Migrantenselbstorganisationen – Starke unverzichtbar bewähren. Partner in der Kommune“. Mit einem Höchstbetrag von bis zu 1000 Euro förderte die Stadt im Jahr Von den EU-Ländern haben u. a. Schweden und 2008 Sachkosten für Bildungsmaßnahmen von Portugal staatliche Programme zur Förderung von Migrantenorganisationen. Die Maßnahmen waren Migrantenorganisationen aufgelegt. In Schweden darauf gerichtet, die Bildungsteilhabe sowie die gibt es ca. 3000 Migrantenorganisationen. Seit Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen 1976 können sie staatliche Unterstützung erhalten. mit Migrationshintergrund zu verbessern und Das Budget für die institutionelle Förderung hierzu auch Eltern zu unterstützen. Das Projekt betrug 2009 19 Millionen Schwedische Kronen, wurde in Kooperation zwischen dem Integrations- was etwa 1,9 Millionen Euro entsprach. Über büro der Stadt Dortmund und der Freiwilligen- die Verwendung der Mittel können die geförderten agentur Dortmund durchgeführt und im Rahmen Organisationen im Rahmen der Zielvorgaben des Landesprogramms KOMM-IN gefördert. selbst verfügen. Ihre Arbeit muss jedoch auf Integrationsförderung in den Bereichen Sprache, Infrastrukturförderung gewähren Kultur, Identität, Demokratie und Teilhabe in Um eine langfristige strukturelle Stärkung von der schwedischen Gesellschaft ausgerichtet sein. Migrantenorganisationen, Nachhaltigkeit und Für neu gegründete Migrantenorganisationen Qualität ihrer Integrationsarbeit zu gewähr- wurde die Möglichkeit einer maximal dreijährigen leisten, sollte eine Infrastrukturförderung er- Etablierungs-Förderung eingerichtet. In Portugal möglicht werden, die mit sozialen, interkulturellen werden beispielsweise Migrantenorganisationen und gemeinschaftsfördernden Aufgaben ver- gefördert, welche Arbeitsschwerpunkte in den bunden wird. Sie sollte eine Regelfinanzierung Bereichen internationaler Austausch, Einsatz für von Personal- und Sachkosten umfassen. Zudem Gleichberechtigung in den Bereichen Bildung, sollten Kriterien entwickelt werden, um eine Kultur, Kommunikation oder im Bereich Wissen- gleichberechtigte Teilhabe von Migrantenorgani- schaftliche Forschung zu Formen der ethnischen sationen gemäß vorab festgelegter Zielgrößen zu Diskriminierung nachweisen. erreichen. Grundausstattung fördern Eine Infrastrukturförderung zum Aufbau nachhal- Es sollte eine Grundausstattungsförderung für tiger Organisationsstrukturen von Migrantenor- integrativ arbeitende Migrantenorganisationen mit ganisationen gibt es in Thüringen und Nordrhein- geringem Organisationsgrad gewährt werden, um Westfalen. Das Thüringer Ministerium für Soziales, sie in der Phase des Organisationsaufbaus zu Familie und Gesundheit stellte für die Jahre 2008 unterstützen. Möglichkeiten einer Grundausstat- und 2009 jeweils 98 000 Euro zur Förderung tungsförderung sollten je nach dem Tätigkeitsfeld der Ausländervereinsarbeit bereit. Nordhrein- von Vereinen von Kommunen, Ländern oder dem Westfalen fördert Migrantenorganisationen durch Bund zur Verfügung gestellt werden. das Programm „Gewährung von Zuschüssen für Selbstorganisationen von Migrantinnen und Umsetzungshinweis: Grundausstattungsförderung Migranten“ mit maximal 15 000 Euro pro Haushalts- Grundausstattungsförderung sollte Mittel für jahr. Im Rahmen des Programms „Förderung von Vereinsräume, Nebenkosten, Geschäftsbedarf, tech- Interkulturellen Zentren und niederschwelligen nische Ausstattung oder ähnliche elementare Integrationsvorhaben“ können Migrantenorgani- Bedingungen umfassen und ein kontinuierliches sationen in Nordrhein-Westfalen bis zu 20 000 Euro bürgerschaftliches Engagement unterstützen. Unterstützung pro Jahr für Betriebskosten erhalten sowie bis zu 5000 Euro für Einzelprojekte. Einzelne Länder und Kommunen bieten eine Grundausstattungsförderung für Migrantenorga- Je nach Tätigkeitsfeld der Vereine und Netzwerke nisationen an, etwa die Stadt Dortmund mit dem obliegt es den Kommunen, den Ländern oder dem 117 D – Gesellschaftliche Integration Bund Möglichkeiten einer Infrastrukturförderung Sozialgesetzbuches aus dem Budget des Jugend- und zu prüfen. Diese bietet sich insbesondere für thema- Sozialamts. tisch spezialisierte Migrantenorganisationen an. So kann bspw. eine Kommune eine hauptamtliche Förderkriterien für Migrantenorganisationen öffnen Personalstelle in einer Migrantenorganisation Um Migrantenorganisationen vermehrt an der fördern, damit diese für sie Beratungsleistungen für Projektförderung teilhaben zu lassen, ist eine ihre Community anbietet. stärkere interkulturelle Öffnung der Projektförderung von Bund, Ländern, Kommunen und Frankfurt am Main arbeitet seit 2001 im Bereich der Stiftungen erforderlich. Neben Projektfördermit- Gesundheitsförderung mit der Migrantinnen- teln im Bereich Integration sollten auch weitere organisation Maisha e.V. zusammen, einer Selbsthil- Fördermitteltöpfe Migrantenorganisationen als fegruppe afrikanischer Frauen in Deutschland: Im potenzielle Mittelempfänger berücksichtigen, z. B. Frankfurter Gesundheitsamt wurde in Kooperation im Umweltschutz oder in der Kulturarbeit. Durch mit Maisha e.V. die „Afrikasprechstunde“ einge- die interkulturelle Öffnung der Zuwendungskrite- richtet, in der Allgemeinmedizinerinnen sich um die rien, Vergabeeckpunkte und -richtlinien können gesundheitlichen Anliegen ihrer Patientinnen mittelbar alle Bevölkerungsgruppen und ihre kümmern. Die Migrantenorganisation hat bei der Organisationen gleichermaßen von Fördermitteln Information der Patientinnen über dieses spezielle profitieren. Angebot und der Vertrauensbildung eine Schlüsselfunktion: Maisha übernimmt die Informations- Trägerkriterien bzw. Fördervoraussetzungen in der arbeit, hat ein eigenes Büro neben dem Warteraum, Projektförderung sollten modifiziert werden, da empfängt die Patienten (auch in ihrer Muttersprache) sie für den Großteil der Migrantenorganisationen – und organisiert die Termine. Da sich zahlreiche Besu- aber auch für viele andere kleine, ehrenamtlich cherinnen der Afrikasprechstunde in unsicheren arbeitende Organisationen – Ausschlusskriterien Lebenslagen befinden oder am Rande des Existenz- sind. Dies betrifft etwa den finanziellen Eigenanteil minimums leben, können sie sich Medizin oder bei der Projektförderung, die obligatorische einen regulären Arztbesuch nicht leisten. 90 Prozent Mitgliedschaft in ausgewählten Verbänden, der Patientinnen sind daher ausschließlich beim insbesondere den Wohlfahrtsverbänden, sowie die Gesundheitsamt in Behandlung. Bedingung, die an eine Anerkennung als Träger geknüpft sind. Eine Veränderung der Trägerkrite- Seit seiner Einrichtung wurde das Angebot ausgebaut. rien der Projektförderung ermöglicht eine neue Eine Clearingstelle bei Maisha e. V. ist nun der Verteilungsstruktur vorhandener Fördermittel Afrikasprechstunde vorgeschaltet. Hier wird vorab und erleichtert (insbesondere kleinen) Migranten- geklärt, ob die Anliegen gesundheitlichen, kultu- organisationen den Zugang zu gleichberechtigter rellen oder eher sozialen Ursprungs sind. Anfangs als Teilhabe an nachhaltiger Projektarbeit.141 Angebot für afrikanische Frauen gedacht, wurde das Angebot auch auf Familien und andere Nationali- In Trägerkriterien für Migrantenorganisationen täten und auf zwei halbe Tage ausgeweitet. Seit 2001 sollten Vereinbarungen zur Mitarbeit in Integrati- hat sich die „Afrikasprechstunde“ zur „Internatio- onsnetzwerken vor Ort verankert sein. nalen Humanitären Sprechstunde“ weiterentwickelt und steht auch Menschen anderer Herkunft offen. Umsetzungshinweis: Förderkriterien Die humanitären Sprechstunden und die dafür Grundsätzlich müssen für Migrantenorganisationen notwendige vernetzende Arbeit im Vorfeld werden die gleichen Qualitätsanforderungen und Träger- aus Haushaltsmitteln der Stadt Frankfurt finanziert: kriterien wie für andere Träger gelten. Dennoch sind Das Amt für Gesundheit stellt „Bordmittel“ für folgende Aspekte zu berücksichtigen (viele der Fachpersonal und Räumlichkeiten, die Clearingstelle folgenden Vorschläge können grundsätzlich für wird aus Mitteln des Frauenreferats finanziert und Medikamente entsprechend der Maßgaben des 118 141 Dies gilt auch für andere kleine, ehrenamtliche Organisationen. D – Gesellschaftliche Integration kleine, überwiegend ehrenamtlich arbeitende Bundesministerium des Innern und dem Bundes- Organisationen angewendet werden unabhängig ministerium für Familie, Senioren, Frauen und davon, ob ihre Mitglieder einen Migrationshinter- Jugend erarbeitete Förderrichtlinie soll zukünftig grund haben oder nicht): die umfassende Mitwirkung von Migrantenorgani- Bei der Förderung sollte die begrenzte finanzielle Ausstattung vieler Migrantenorganisationen berücksichtigt werden, beispielsweise durch die Anrechnung bürgerschaftlichen Engagements auf den finanziellen Eigenanteil. sationen gestärkt werden. Hierzu unternimmt das Mit Blick auf die räumliche Konzentration der Bevölkerung mit Migrationshintergrund sollte von der Voraussetzung einer bundesweiten Tätigkeit des Antragstellers als Förderkriterium für die Bundesförderung Abstand genommen werden. Sinnvoller erscheint die Einführung eines Kriteriums, das auf eine angemessene Verteilung in den Kernregionen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund oder auf die Kooperation mit Migrantenorganisationen anderer Herkunftsgruppen gerichtet ist. Da die formellen Anforderungen für die Antragstellungen für viele Migrantenorganisationen zu hoch sind, sollte insbesondere für Erstantragsteller das Beratungsangebot erhöht werden. Niederschwellige Beratungsangeboten für Migrantenorganisationen sollten in der Projektförderung eingerichtet werden, um gleichberechtigte Partizipation zu ermöglichen. Darüber hinaus sollten verstärkt Mittel für Weiterbildungsmaßnahmen bereitgestellt werden, etwa zur Konzeptentwicklung, zur Antragstellung sowie zum Projekt- und Vereinsmanagement. Zum Ausgleich der Benachteiligungen von Migrantenorganisationen in der Trägerlandschaft bzw. zur Erhöhung ihres Anteils als Projektträger kann in begründeten Fällen eine zeitlich befristete Sonderförderung sinnvoll sein – in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Berlin werden solche Sonderförderungen bereits erfolgreich umgesetzt. Inwiefern eine solche Sonderförderung sinnvoll ist, kann nur vor Ort – vonseiten der jeweiligen Kommune bzw. des Landes – selbst entschieden werden. Folgende Modelle können verfolgt werden: Bundesamt die folgenden Schritte: Verstärkte Berücksichtigung von Migrantenorganisationen bei der Durchführung gemeinwesenorientierter Projekte Erhöhung der Beratungsangebote des Bundesamts für Migrantenorganisationen, um Unterstützung bei der Projektkonzeption zu leisten Begleitung von Projekten von Migrantenorganisationen durch Evaluationen Verstärkte Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen für Migrantenorganisationen wie etwa Multiplikatorenschulungen sowie inhaltliche und organisationsbezogene Weiterbildungen Verstärkte Förderung von Tandem- und Mentoring-Projekten zwischen Migrantenorganisationen und anerkannten Trägern Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement als Eigenanteil an finanziellen Mitteln Im Jahr 2009 wurde der Anteil von Projekten von Migrantenorganisationen in der Projektförderung des Bundesamts erhöht: Von insgesamt 100 neuen Projekten, die gefördert wurden, sind 27 Projekte von Migrantenorganisationen. Damit hat sich der Anteil der neuen Projekte von Migrantenorganisationen gegenüber 2008 verdreifacht. Zusätzlich wurden 2009 insgesamt 32 Fortsetzungsprojekte, die 2008 und früher begonnen haben, von Migrantenorganisationen durchgeführt. Bevorzugte Förderung von Migrantenorganisationen bei gleicher Qualifikation Über die Empfehlungen zu den nationalen Projekt- Bevorzugte Förderung von Migrantenorganisationen in bestimmten Handlungsfeldern, in denen sie besondere Kompetenzen haben (etwa mit Blick auf die Erreichung der Zielgruppe) Fonds – insbesondere der Europäische Integrations- Bereitstellung von Extra-Fördermitteln für Mentoring- oder Tandem-Projekte fördermitteln hinaus sollten auch die Europäischen fonds und der Europäische Flüchtlingsfonds – stärker für Migrantenorganisationen geöffnet werden. Aus Mitteln von Bund, Ländern oder Stiftungen sollten Kofinanzierungsmöglichkeiten für EU-geförderte Projekte bereitgestellt werden. So kann Die Projektförderung des Bundesamts für Migration eine stärkere Partizipation von Migrantenorganisa- und Flüchtlinge hat ihre Förderkriterien stärker tionen bei der Projektförderung aus Europäischen interkulturell geöffnet. Durch die gemeinsam vom Fonds erreicht werden. 119 D – Gesellschaftliche Integration Migrantenorganisationen über Fördermöglichkeiten informieren die Herausgabe bzw. Finanzierung von kommentierten Fördermöglichkeiten und -verfahren sollten transpa- rungen der Förderprogramme enthalten. Verzeichnissen von Fördermittelgebern, die Erläute- renter gemacht werden. Zum einen sollte es öffentliche Wettbewerbsaufrufe bzw. Ausschreibungen geben, Fördermittelgeber sollten durch gezielte Informations- damit sich alle Träger gleichermaßen über Förder- veranstaltungen für Migrantenorganisationen über die möglichkeiten informieren können. Zum anderen ist eigenen Förderschwerpunkte und Verfahren berichten, es sinnvoll, Migrantenorganisationen gezielt zu hier sind Detailinformationen zu den aktuellen informieren und die bislang etablierten „Komm- Förderrichtlinien und der Antragsabwicklung sinnvoll. Strukturen“ (informierte Träger kommen auf fördernde Institutionen zu) durch „Geh-Strukturen“ (fördernde Alternative Fördermöglichkeiten erschließen Institutionen gehen auf potenzielle Träger zu) zu Zur Stärkung von Migrantenorganisationen sollten ersetzen. Der Abbau von Informationsdefiziten ist eine auch alternative Fördermöglichkeiten erschlossen Voraussetzung, um Migrantenorganisationen – aber werden. Stiftungen, aber auch privaten Unter- auch andere, ehrenamtlich arbeitende Organisationen nehmen sollten Migrantenorganisationen als Ko- – stärker an den Förderstrukturen teilhaben zu lassen. operationspartner und Projektträger näher gebracht und Kooperationen unterstützt werden. Umsetzungshinweis: Geh-Strukturen etablieren Staatliche Einrichtungen können im Rahmen ihrer Als hilfreich erwiesen haben sich Informationen und Möglichkeiten Kontakte zwischen diesen Akteuren Handreichungen, die sich explizit an Migrantenorga- herstellen und Förderpartnerschaften unterstützen, nisationen richten. Empfohlen wird Bund und Ländern etwa durch entsprechende Veranstaltungen. 2.1.2 Partizipation durch Professionalisierung der Vereinsarbeit von Migrantenorganisationen Migrantenorganisationen werden immer häufiger als Partner für die Projektarbeit oder auch für die Entwicklung von Integrationskonzepten angefragt. Um Durchführung von Integrationsprojekten im „Tandem“ mit einem anerkannten Träger auf gleicher Augenhöhe sie jedoch zunächst in die Lage versetzt werden, Mentoring bzw. Patenschaft durch anerkannten Träger den damit zusammenhängenden Ansprüchen gerecht Vernetzung solche Kooperationen eingehen zu können, müssen zu werden. Aber auch unabhängig von externen Kooperationsanfragen verfolgen integrativ arbeitende Nicht alle Strategien sind dabei für jede Migranten- Migrantenorganisationen selbst häufig das Ziel, ihr organisation sinnvoll oder durchführbar. Dies hängt Engagement auf eine solidere Basis zu stellen, da sie vor allem mit ihren unterschiedlichen Organisa- häufig gerade im Hinblick auf das Vereinsmanage- tionsgraden zusammen. Daneben ist zu beachten, dass ment an ihre Grenzen stoßen. Bisher wurden insbeson- die identifizierten Strategien auf unterschied- dere folgende Strategien zur Professionalisierung von lichen Ebenen angesiedelt sind, sie können daher Migrantenorganisationen identifiziert: auch parallel bzw. gleichzeitig wirksam sein. Organisation im Dachverband Organisation im Dachverband Bereitstellung von für Migrantenorganisationen spezifischen Angeboten zu Beratung und Weiterbildung Auf die Professionalisierung von Migrantenorgani- Qualifizierung von Migrantenorganisationen zu Trägern von Weiterbildungen, Multiplikatorenausbildungen und Beratungen Dachverband zu organisieren. Solche Zusammen- 120 sationen hat es nachweislich positive Effekte, sich im schlüsse sind auch wichtig, um einen professionellen Ansprechpartner für den Dialog und die Kooperation D – Gesellschaftliche Integration mit Dritten darzustellen. Vorteile einer Mitglied- Artikulation gemeinsamer Interessen der Menschen schaft in einem Dachverband sind insbesondere: mit Migrationshintergrund spielen. Dachverbände bieten Informationen, Beratung und Unterstützung 69 der rund 90 Migrantenorganisationen in Essen Sie übernehmen die Repräsentanz der Vereinsinteressen gegenüber Dritten Der Verbund ist Anlaufstelle zur Beratung für inte- Sie erleichtern Vernetzungsprozesse, ermöglichen die Mitgliedschaft und Mitarbeit in Gremien und schaffen Kooperationsmöglichkeiten, zum Beispiel mit Weiterbildungsträgern Sie werden zum Teil durch öffentliche Mittel gefördert (deren Vergabe an Dachverbandsstrukturen geknüpft ist), zum Beispiel die Jugendringe Derzeit bekannte Modelle der Mitgliedschaft in / des Zusammenschlusses zu einem Dachverband sind: Herkunftsheterogener Dachverband, dem Migrantenorganisationen verschiedenster Herkunft angeschlossen sind (z. B. die Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland e.V.) Herkunftshomogener Dachverband, dem ausschließlich Migrantenorganisationen eines Herkunftslandes angehören (z. B. der Verband der Griechischen Gemeinden in Deutschland) Interessenorientierter Dachverband (z. B. die Deutsche Jugend in Europa e.V.) Beitritt zu einem Dachverband, der ursprünglich für deutsche Organisationen eingerichtet wurde (z. B. zum Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband) sind Mitglied im Verbund der Immigrantenvereine. grationsfördernde Aktivitäten, Ansprechpartner zur Unterstützung von Projekten und hat die Aufgabe, Maßnahmen zur Fortbildung und zur Professionalisierung für die angeschlossenen Vereine umzusetzen. Um dies leisten zu können, wird der Verbund von der Stadt Essen gefördert. In einer Kooperationsvereinbarung sind die Aufgaben des Verbunds festgehalten: Der Verbund verpflichtet sich, seine Vereinsaktivitäten und seine Vermittlungsarbeit so zu verstärken, dass diese zur Weiterentwicklung der kommunalen Integrationsarbeit und zur Vernetzung beitragen. Der Verbund begleitet und unterstützt die Essener Migrantenorganisationen in ihrer Eigenständigkeit durch die Organisation von Beratungsund Informationsangeboten als Hilfestellung im Umgang mit Behörden, Institutionen und potenziellen Zuwendungsgebern. Er fördert Austausch und Zusammenarbeit der Migrantenorganisationen untereinander, ist offen für neue Organisation und sichert die Zusammenarbeit mit Institutionen, Fachdienststellen und Organisationen. Der Verbund kann Gemeinschaftsinitiativen und Projekte entwickeln und diese in das Konzept für die interkulturelle Arbeit einbringen. Der Zusammenschluss von Migrantenorganisationen Die Mitgliedschaft in deutschen Dachverbänden ist in herkunftshomogenen Dachverbänden kann Ausdruck einer selbstbewussten Artikulation eigener seinen Mitgliedern Unterstützung, Hilfeleistung, An- Interessen innerhalb der Assoziationsstrukturen des erkennung, Wissen und Verbindungen bringen. Er Aufnahmelandes. Sie setzt einerseits die Anerkennung beinhaltet aber auch ein gewisses Risiko der Abschlie- der Migrantenorganisationen durch die bestehenden ßung gegenüber heterogen zusammengesetzten Verbandsstrukturen voraus und benennt Kriterien für Assoziationen. Der Zusammenschluss zu herkunfts- eine Mitgliedschaft in diesen, die Migrantenorgani- heterogenen Dachverbänden ermöglicht breitere sationen nicht ausschließen. Andererseits fordert sie Bündnisse entlang gemeinsamer Bedarfe und Anliegen. von den Migrantenorganisationen selbst einen bereits Dies setzt aber eine grundlegende Organisations- fortgeschrittenen Integrationsprozess. Eine besondere bereitschaft mit Menschen mit Migrationshintergrund Rolle kommt solchen Dachverbänden des Aufnahme- anderer Herkunftsländer voraus. Herkunftsheterogene landes zu, die über Mitgliedschaft zugleich Zugänge Dachverbände als breite Bündnisse von Migranten- zu speziellen Förderprogrammen und -mitteln ermög- organisationen können dabei einen größeren Einfluss lichen. So sind etwa Mitgliedschaften in Wohlfahrts- auf politische Entscheidungsprozesse nehmen und verbänden oder Jugendringen eine Voraussetzung zudem eine stärkere Rolle bei der Identifizierung und zur Förderfähigkeit und Antragstellung bei wichtigen 121 D – Gesellschaftliche Integration Förderprogrammen oder auch für die Übertragung Häufig sind zielgruppen- oder themenspezifische bestimmter Aufgaben der Integrationsförderung. Beratungs- und Weiterbildungsangebote generell Auch ein Zugang zu politischen Strukturen und offen für alle Zielgruppen und damit auch für Entscheidungsprozessen, wie Anhörungs- und andere Migrantenorganisationen. Erfahrungen zeigen Beteiligungsrechte, wird oft erst durch Mitgliedschaft jedoch, dass diese in der Regel ganz spezifische, auf in Dachverbänden möglich. ihren Bedarf zugeschnittene Angebote benötigen. Spezifische Angebote zu Beratung und Weiterbildung für Migrantenorganisationen Gerade Frauen mit Migrationshintergrund engagieren Umfragen unter Migrantenorganisationen im Rahmen in vielen bürgerschaftlichen Organisationen zeigt sich des bundesweiten Integrationsprogramms haben aber in der Praxis, dass sie dabei seltener Leitungsposi- bestätigt, dass diese einen hohen Bedarf an organisa- tionen einnehmen als Männer und frauenspezifische tionsbezogener Beratung und Weiterbildung haben. Belange in den Organisationen häufiger zurück- Betroffen davon sind insbesondere Bereiche gestellt werden. Es gibt nur wenige bürgerschaftliche wie Vereinsrecht und Vereinsmanagement, Projekt- Organisationen von Migrantinnen, die frauenspezi- management, Mittelakquise und Antragstellung, fische politische Interessen vertreten. Dadurch können Buchhaltung und Öffentlichkeitsarbeit, sowie Frauen auch in Migrantenorganisationen häufig ihre Organisations- und Vereinsentwicklung. Darüber hi- Kompetenzen in Leitungs- und Führungsaufgaben naus haben sie themenbezogenen Weiterbildungs- nicht angemessen entwickeln und ihre spezifischen bedarf hinsichtlich ihrer eigenen Beratungstätigkeiten, Belange nur eingeschränkt vertreten. Auch die etwa zu Schulformen, rechtlichen Fragen wie zum Vernetzung von Frauen mit Migrationshintergrund Aufenthaltsgesetz oder über das Gesundheitssystem. ist noch wenig entwickelt und dadurch eine eigene Punktueller und langfristiger Beratungs- und Interessenvertretung nur eingeschränkt möglich. Um Weiterbildungsbedarf besteht sowohl bei Vorständen dies zu ändern, sind gezielte Weiterbildungsangebote als auch bei Mitgliedern. für Migrantinnen erforderlich, die in Migrantenorga- sich aktiv in bürgerschaftlichen Organisationen. Wie nisationen engagiert sind. Bestehende, zielgruppenSpezifische Beratungs- und Weiterbildungsan- übergreifende Bildungsmaßnahmen sind jedoch meist gebote für Migrantenorganisationen gibt es inhaltlich, methodisch-didaktisch und bezüglich gegenwärtig nur vereinzelt. Bestehende Angebote der Rahmenbedingungen kaum auf die Zielgruppe gliedern sich insbesondere in: der engagierten Frauen bzw. Multiplikatorinnen Beratungsangebote und Entwicklungsbegleitung für Migrantenorganisationen Thematisch orientierte Weiterbildungsveranstaltungen zu organisationsbezogenen Themen wie Fundraising, Öffentlichkeitsarbeit usw. Bildungsangebote für Multiplikatoren mit den Zielen, Kompetenzen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements zu stärken, (politische) Teilhabemöglichkeiten zu erweitern und Vernetzungsprozesse zu initiieren Bildungsangebote für Multiplikatoren mit den Zielen, Einwanderer bei der Bewältigung spezifischer Problemlagen zu unterstützen Weiterbildungsangebote im Rahmen unterschiedlicher Lotsenprojekte (Integrationslotsen, Bildungslotsen) Informationspoole zur Gewinnung von Referentinnen und Referenten 122 ausgerichtet. Die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder hat in ihrer 19. Konferenz im Juni 2009 die Bundesregierung darum gebeten, die Qualifizierung von Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund in ihrem bürgerschaftlichen Engagement durch spezifische Förderprogramme zu unterstützen und dabei insbesondere auch Qualifizierungs- und Bildungsmaßnahmen für Frauen in Migrantenorganisationen zu berücksichtigen.142 Durchführung von Integrationsprojekten im „Tandem“ Die gemeinsame Durchführung von Projekten durch Migrantenorganisationen und Vereine oder 142 Beschlüsse der 19. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder: Hauptkonferenz am 18. und 19. Juni 2009 auf Schloss Krickenbeck / Nettetal. D – Gesellschaftliche Integration Einrichtungen vor Ort (etwa Jugendeinrichtungen, Bundesland insgesamt deutlich geringer als in kulturelle Zentren, Begegnungsstätten, Sport- den westdeutschen Ländern und eine Vernetzung vereinen, Wohlfahrtsverbänden etc.) wird als auf lokaler Ebene häufig nicht möglich ist. Die Tandem bezeichnet. Tandems können durch die Etablierung nachhaltiger Netzwerkstrukturen ist enge Zusammenarbeit zweier Organisationen jedoch oft schwierig. Zum einen fehlt es teilweise an zu positiven Effekten führen, insbesondere zur dauerhaftem Engagement der beteiligten Organisa- Professionalisierung von Migrantenorganisationen, tionen, zum anderen sind aber auch unterstützende zur interkulturellen Öffnung von Organisationen Rahmenbedingungen wie öffentliche Anerken- mit und ohne Migrationshintergrund oder zur nung, Räumlichkeiten oder professionelle Leitung Vernetzung der Integrationsarbeit vor Ort. Beide oftmals nicht gegeben. Träger bringen unterschiedliche Erfahrungen, Kontakte und fachliche Kompetenzen ein, so dass Nur vereinzelt haben Migrantenorganisationen beide voneinander lernen können. Kenntnis über lokale Integrationsnetzwerke und noch seltener sind sie dort als Mitglieder engagiert. Erfahrungen mit Tandem-Projekten zeigen jedoch, Lockere Kooperationen zwischen Organisationen dass diese Form der Zusammenarbeit für die be- mit und ohne Migrationshintergrund sind zwar teiligten Träger teilweise Schwierigkeiten mit sich vorhanden und nehmen auch zu; eine systema- bringt. Probleme entstehen insbesondere tische Vernetzung von Institutionen der Mehrheits- durch unterschiedliche Organisationsgrade, gesellschaft mit Migrantenorganisationen existiert bislang jedoch nicht. Netzwerkarbeit, welche das bei der Regelung rechtlicher und organisatorischer Fragen, Ziel hat, Integrationsprozesse zwischen Menschen bei der Verständigung über die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten gegenüber (potenziellen) Zuwendungsgebern. bzw. Migranten zu unterstützen, kann jedoch ohne ohne Migrationshintergrund und Migrantinnen die Mitarbeit von Menschen mit Migrationshintergrund und ihren Organisationen nicht glaubwürdig und erfolgreich sein. Eine bundesweite Analyse Vernetzung verschiedener kommunaler Integrationsnetzwerke Netzwerke bieten Austausch, Bündelung und zeigt, dass der Anteil von Migrantenorganisationen Weitergabe von Wissen, gegenseitige Beratung in diesen Netzwerken relativ gering ist. Dies weist und Vermittlung wichtiger Ansprechpartner. darauf hin, dass ein Großteil des organisierten Dadurch tragen sie zum Kompetenzerwerb, zur lokalen Integrationsgeschehens und der Abstim- Professionalisierung und zur stärkeren mung von Aktivitäten in Netzwerken in diesem gesellschaftlichen Teilhabe ihrer Mitglieder bei. Bereich ohne die Beteiligung von Migrantenorgani- Einzelne Bundesländer wie Brandenburg, sationen geschieht. Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen unterstützen die Vernetzung von Migrantenorganisati- Teilweise ist die mangelnde Partizipation von onen bereits erfolgreich. Migrantenorganisationen auch ein Problem der Unvereinbarkeit von hauptamtlichen und Netzwerke von Migrantenorganisationen stärken ehrenamtlichen Strukturen. Kleine, rein ehren- den Zugang ihrer Mitgliedsorganisationen zum amtlich arbeitende Migrantenorganisationen gesellschaftlichen Leben, unterstützen Organisati- können ressourcenbedingt kaum längerfristige onen (etwa bei der Öffentlichkeitsarbeit) und geben Kontakte zu Integrationsnetzwerken aufbauen, an ihnen die Möglichkeit, sich noch zielgerichteter Sitzungen (während der Arbeitszeit) teilnehmen in lokale Integrationsaktivitäten einzubringen. oder sich an migrationspolitischen Diskussionen Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern beteiligen. Zahlreiche Kommunen, in denen nimmt die Bedeutung von landesweit organisierten Hauptamtliche und freiwillig Engagierte vor Ort Netzwerken von Migrantenorganisationen zu, gut zusammenarbeiten, gehen hier jedoch mit da die Anzahl von Migrantenorganisationen pro gutem Beispiel voran und setzen die Empfeh- 123 D – Gesellschaftliche Integration lungen der kommunalen Spitzenverbände zur dungsakademie AEF – sind bisher die Ausnahme. gesellschaftlichen Integration durch Partizipation Dennoch bieten auch Migrantenorganisationen und bürgerschaftliches Engagement aus dem Weiterbildungsangebote an, diese finden in Nationalen Integrationsplan um. Diese legen den der Regel jedoch eher sporadisch, informell, in Kommunen nahe „bürgerschaftliches Engage- nicht institutionalisierten Formen und durch nicht ment von, für und mit Migranten zu unterstützen immer ausreichend geschulte Mitarbeiterinnen und zu fördern“ sowie „Menschen mit Migrations- und Mitarbeiter statt. Zudem treten Migrantenor- hintergrund stärker an den Entscheidungs- und ganisationen im Rahmen von Projektförderungen Gestaltungsprozessen in den unterschiedlichsten auch vermehrt als Aus- oder Weiterbilder von Bereichen des sozialen und politischen Lebens zu Integrationslotsen, Bildungslotsen, Multiplika- beteiligen“. toren auf. Neben der Notwendigkeit, Angebote 143 der klassischen Weiterbildungsträger auch für Qualifizierung von Migrantenorganisationen zu Trägern von Weiterbildungen, Multiplikatorenausbildungen und Beratungen Migrantenorganisationen bereit zu halten, besteht Migrantenorganisationen als staatlich anerkannte diese bei Eignung zu Bildungsträgern zu quali- Bildungsträger – wie etwa die Spanische Weiterbil- fizieren und anzuerkennen. Die staatliche Aner- auch der Bedarf, die Arbeit der Organisationen in diesem Arbeitsfeld zu professionalisieren und kennung als Weiterbildungsträger in der Erwach143 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 32 senenbildung wird durch die Bundesländer über Gesetze geregelt. Empfehlungen Organisation im Dachverband anstreben Migrantenorganisationen sollten die Möglich- Spezifische Angebote zu Beratung, Weiterbildung für Migrantenorganisationen entwickeln und umsetzen keiten prüfen, sich an einen bestehenden Die Weiterbildungsbedarfe von Migrantenorgani- Dachverband anzuschließen oder die Gründung sationen sollten von Bund, Ländern und Kommunen eines eigenen Dachverbands zu organisieren. sowie den klassischen Trägern der Weiterbildung – Dabei muss jedoch beachtet werden, dass insbesondere Volkshochschulen, Bildungswerken, Dachverbände auch eigene Interessen verfolgen, Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung die nicht immer mit denen kleiner Vereine und – stärker wahrgenommen und aufgegriffen werden. Migrantenorganisationen übereinstimmen müssen. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile jeweils Weiterbildungsangebote für Migrantenorganisati- abzuwägen. onen sollten regelgefördert und kontinuierlich ermöglicht werden, um längerfristige Expertise sowie Dachverbände sollten ihre Aufnahmekriterien auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Nachfragestruk- überprüfen, da diese teilweise für viele Mi- turen aufbauen zu können. Migrantenorganisati- grantenorganisationen schwer bis gar nicht zu onen sollten dabei in die Konzeption von Angeboten erfüllen sind. Dies gilt insbesondere für Mit- einbezogen werden. gliederzahlen, Mitgliedsbeiträge oder etwa die bundesweite Ausrichtung von Verbänden. Aus öffentlichen Mitteln finanzierte Weiterbildungseinrichtungen sollten sich von Migrantenorgani- Eine Professionalisierung von Migrantenorgani- sationen bei der Gestaltung von Weiterbildungsange- sationen durch Zusammenschlüsse zu eigenen boten beraten lassen. Dachverbänden oder den Anschluss an einen bestehenden Dachverband sollte Gegenstand der Weiterbildungsangebote für Migrantenorganisati- Förderpolitik werden. onen sollten auf die Professionalisierung und auf 124 D – Gesellschaftliche Integration Entwicklungsprozesse der Organisationen und der Angebote für Migrantenorganisationen müssen sich beteiligten Mitglieder zielen. Sie sollten nicht nur die inhaltlich an ihrem oft heterogenen Bedarf orientieren. Vorstände der Migrantenorganisationen, son- Angeboten werden sollten Weiterbildungen zum dern auch die Mitglieder einbeziehen, die die Inte- Erwerb von Schlüsselkompetenzen sowie themenspe- grationsarbeit in der Praxis umsetzen. Hier ist ein zifische Qualifizierungen. Wichtig sind Angebote zu Vorgehen gefragt, mit dem vorhandene Ressourcen vereinsspezifischen Kenntnissen, zu Kenntnissen für und Potenziale und auch die Leistungen der Migran- den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements oder tenorganisationen „aufgespürt“ werden können. der Antidiskriminierungs- und Antirassismusarbeit. Es sollten gezielt Weiterbildungsangebote für Entwickelt, gefördert und angeboten werden sollten Migrantinnen entwickelt werden, die sie sowohl Seminare bzw. Schulungen für homogene dabei unterstützen, verantwortliche Positionen als auch für heterogene Gruppen etwa bezüglich in Migrantenorganisationen einzunehmen. der Herkunft, des Geschlechts oder auch der Altersstufe. Je nach Bedarf und thematischen Bezügen Mit Blick auf Beratungsangebote für Migranten- sollten insbesondere Empowerment-Seminare für organisationen sollten Kriterien guter Beratung Frauen- und Jugendorganisationen oder auch für definiert werden. Es wird empfohlen, beispiel- Vertreterinnen und Vertreter von Organisationen nur gebende Angebote zu identifizieren und diese einer Community in „geschützten Räumen“ statt- umfassend zu evaluieren. Empfohlen wird zudem finden können. Dazu gehören auch entsprechende die Entwicklung von Qualitätsindikatoren bzw. Mentoringprogramme. -standards für Weiterbildungsangebote. Weiterbildungen für Migrantenorganisationen sollten von Migrantenorganisationen sollten bei der Bedarfser- Trägern angeboten werden, die als Institution mittlung, Analyse und Konzeption von bedarfsge- nachweislich interkulturell geöffnet sind bzw. über rechten Weiterbildungsangeboten rechtzeitig einge- interkulturelle Leitlinien verfügen. bunden werden. Zu prüfen ist, ob Modelle möglich sind, bei denen sie als Auftraggeber Kooperationen mit Bildungsgutscheine sollten auch an Migrantenorga- Weiterbildungsträgern bilden. So könnte die frühzei- nisationen vergeben werden können. tige und passgenaue konzeptionelle Abstimmung von Weiterbildungsträgern mit Migrantenorganisationen Umsetzungshinweis: Entwicklung von Weiter- bildungsangeboten als wichtiges Qualitätskriterium für die Beurteilung von Bildungsangeboten für Migrantenorganisationen Angebote für Migrantenorganisationen müssen sich und damit auch als Kriterium für die Förderung aus organisatorisch an ihrem oft heterogenen Be- staatlichen oder privaten Mitteln gelten. darf orientieren: Kleine, mittlere und große Vereine benötigen unterschiedliche Weiterbildungen. Zu- Die Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration dem muss unterschieden werden zwischen einer und Demokratie, Brandenburg e. V. (RAA) haben im Vereinsarbeit auf Bundesebene und der Basisarbeit Auftrag der Integrationsbeauftragten des Landes das vor Ort. Management-Handbuch für Migrantenorganisationen „KOMMIT“ herausgegeben. Das Handbuch soll Weiterbildungsträger müssen berücksichtigen, dass Migrantenorganisationen bei Fragen und Problemen ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen, die sich aus der Vereinsgründung und von Migrantenorganisationen in der Regel nur bei der Vereinsführung ergeben. Es ist im Rahmen des Weiterbildungen wahrnehmen können, die zeitlich Projektes „KOMMIT- Kompetenzen von Migrantinnen mit einer Berufstätigkeit vereinbar sind und deshalb und Migranten stärken“ der Integrationsbeauftragten idealerweise am Wochenende stattfinden sollten. des Landes entstanden. In einer Seminarreihe wurden Weiterbildungsangebote sollten kostengünstig sein, Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorga- da sie sonst von ehrenamtlich arbeitenden Migran- nisationen über neun Monate für die Vereinsarbeit tenorganisationen nicht wahrgenommen werden. qualifiziert. Themen des Handbuchs sind u. a. Projekt- 125 D – Gesellschaftliche Integration management, Vereinsrecht, betriebswirtschaftliche beteiligen sich die Integrationsbeauftragten der Grundlagen, Öffentlichkeitsarbeit, Moderation und Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Fundraising. Die Publikation kann über das Büro der Mecklenburg-Vorpommern sowie das Bürgernetz- Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg werk Bürgerschaftliches Engagement. bestellt und unter http://www.masgf.brandenburg.de/ (http://www.raa-brandenburg.de) media/lbm1.a.1333.de/ib_kommit.pdf) herunter geladen werden. Die Bertelsmann Stiftung will mit ihrem Leadership-Programm junge Führungskräfte in Migranten- Ausgehend von der Initiative Brandenburgs betei- organisationen stärken, da sie die zukünftige ligen sich alle ostdeutschen Bundesländer an einem strategische Ausrichtung der Organisationen maß- Projektvorhaben, das Migrantenorganisationen geblich bestimmen werden. Das Programm ist durch Empowerment- und Fortbildungsmaßnahmen ein Qualifizierungs- und Vernetzungsangebot für zu Themenfeldern aus ihrer Praxis miteinander junge Verantwortungsträger aus Migrantenorgani- vernetzen und fördern soll. Das Projekt EmPa sationen, die sich bundes-, landesweit oder regional „Migrantenorganisationen stärken – das Qualifizie- für Integration engagieren. Das Programm zielt rungsprogramm 2009“ baut auf den Erkenntnissen auf die Stärkung ihrer individuellen Handlungs- des KOMMIT-Projektes auf und hat das Ziel, das kompetenzen. Durch die Professionalisierung der bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit Nachwuchskräfte sollen auch Ansprechpartner Migrationshintergrund in den neuen Bundesländern aus Zuwanderermilieus zu Fragen der Integration durch ein kostenloses Weiterbildungsprogramm für Politik und Gesellschaft identifiziert und zu stärken. Darüber hinaus sollen die Vernetzung der der Austausch mit ihnen ermöglicht werden. Die Migrantenorganisationen in den neuen Bundeslän- Qualifizierungsmaßnahmen umfassen folgende dern vertieft und Akteure der Mehrheitsgesellschaft vier Bereiche: Demokratische Spielregeln, Kommuni- für das Thema Partizipation sensibilisiert werden. kation & Public Relations, Leadership und Projekt- Menschen mit Migrationshintergrund, die sich management. Die Bertelsmann Stiftung übernimmt in Migrantenorganisationen oder in der Migrations- die Reise-, Übernachtungs- und Seminarkosten. arbeit in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Jeder Teilnehmer erhält am Ende der Qualifizierung Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern enga- ein Zertifikat. (www.bertelsmann-stiftung.de, gieren und gute Deutschkenntnisse haben, können Programmbereich Demokratie und Integration). an Weiterbildung zu Themenkomplexen wie den folgenden teilnehmen: Vereinsrecht und Finanzen, Fundraising Fachberatung für Migrantenorganisationen anbieten Auf Landesebene sollten Fachberatungen für Migrantenorganisationen eingerichtet werden, die die Projektmanagement/Projektarbeit Aspekte Weiterbildung, Beratung und Organisati- Presse- und Öffentlichkeitsarbeit onsentwicklung unter einem Dach vereinen. Ziel der Präsentationstechniken Beratungsstellen sollte es sein, Migrantenorgani- Vernetzung und Kooperation sationen soweit zu qualifizieren, dass sie in der Lage Rechtliche Rahmenbedingungen Zivilgesellschaft und zivilgesellschaftliches Engagement Umgang mit Diskriminierung Partizipation von Migrantenorganisationen Das Projekt wird von der RAA Brandenburg in Kooperation mit der Integrationsbeauftragten des Landes durchgeführt. Gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds und des Landes Brandenburg. Als Kooperationspartner 126 sind, mit Kommunen, Verwaltung, Wohlfahrtsverbänden etc. auf gleicher Augenhöhe zu kommunizieren, an Projektförderung zu partizipieren und in ihrer Brückenfunktion gestärkt zu werden. Die Fachberatung sollte u. a. folgende Aufgaben wahrnehmen: Beratung zu Fördermöglichkeiten, Vereinsrecht, Entwicklungsbegleitung etc. Informationsvermittlung / Informationsdatenbanken etwa zu Weiterbildungsangeboten D – Gesellschaftliche Integration Weiterbildungsseminare zu Projektmanagement, Vereinsmanagement, Empowerment etc. regelmäßige Fachberatung zum Thema Vereinsgründung Unterstützung bei der Mittelakquise Hilfe und Vermittlung in Kooperationsprozessen insbesondere für Tandemprojekte Coaching für Projektdurchführungen (auch für Tandemprojekte) allgemeiner Informationsdienst Zusammenarbeit mit den Akteuren der Integrationsförderung Vermittlung von Kontakten zu anderen Organisationen bzw. zu Institutionen Politische Bildung, vor allem im Hinblick auf Beteiligungsmöglichkeiten Unterstützung beim Zugang zu öffentlichen und privaten Mitteln (Antrags- und Verwendungsnachweise) Zur Beratung und Begleitung von Migrantenorgani- Vernetzungs- und Kooperationsmöglichkeiten sationen auf lokaler / regionaler Ebene sind darüber Konzeptionsberatung/Projektberatung hinaus auch andere Modelle möglich: Erweiterung der Einrichtungen der Regelberatung des Bundes und der Länder um spezifische Angebote für Migrantenorganisationen Einrichtung einer Stelle zur Beratung und Weiterbildung (bzw. einer Stelle zur Koordinierung derselben) durch kommunale Integrationsbeauftragte Einrichtung von kommunalen Beratungsgremien aus sachverständigen Bürgern, die in kommunalen Gremien mitwirken Unterstützung bei der Gründung von Vereinen (Beratung, Satzungsfragen) Beratung zu Förderrichtlinien (Kommune, Bund, Land, EU) Mobile Bibliothek mit relevanten Themen der Migration und Integration Ziele des von der Jugendwerkstatt Frohe Zukunft in Halle (Saale) getragenen Projekts sind die Professionalisierung von Migrantenorganisationen, Bereitstellung kostenloser Weiterbildungsseminare die Motivierung und Unterstützung des Aufbaus Erhöhung der Beratung in der Projektförderung durch Länder, Kommunen und Stiftungen Verknüpfungen zwischen dem Landesnetzwerk weiterer Organisationen und die Schaffung von Migrantenselbstorganisationen und Institutionen Die qualifizierte Absicherung und Ausweitung der der Mehrheitsgesellschaft. Von 2009 bis 2011 Leistungen von Migrantenorganisationen ist das werden pro Förderjahr ca. 40 Migrantinnen und Ziel der regionalen und landesweiten Fachberatung Migranten aus Sachsen-Anhalt qualifiziert, MigrantInnenselbsthilfe beim Paritätischen in gefördert wird das Projekt aus Mitteln des Europä- Nordrhein-Westfalen. Sie berät und qualifiziert ischen Integrationsfonds und des Landes Sachsen- Migrantenorganisationen seit dem Jahr 2000, damit Anhalt. Teilnahmevoraussetzung ist, dass sich diese mit Kommunen, Verwaltung, der Jugendhilfe, die Teilnehmenden aktiv in einer der Organi- Wohlfahrtsverbänden, Beratungsstellen und sationen des „Landesnetzwerks Migrantenselbst- anderen auf gleicher Augenhöhe kooperieren organisationen“ engagieren. können. Die Fachberatung MigrantInnenselbsthilfe wird vom Ministerium für Generationen, Familie, Informationsfluss verbessern Frauen und Integration des Landes Nordhrein- Es sollte umfassende Information und Öffentlich- Westfalen gefördert und berät auch Organisationen, keitsarbeit über die verschiedenen Möglich- die dem Paritätischen nicht angeschlossen sind. keiten der Weiterbildung sowie deren Anbieter (http://www.migrantenselbsthilfe.paritaet-nrw.org) bereitgestellt werden, die explizit oder zumindest auch für Migrantenorganisationen geeignet Im Rahmen des Projektes „Empowerment von sind. MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen der Integration und zur Förderung des Interkulturellen Zudem sollte ein Online-Informationspool einge- Dialogs“ (EFI) wurde eine Servicestelle für Migran- richtet und kontinuierlich aktualisiert werden, tenorganisationen in Sachsen-Anhalt eingerichtet, der über spezifische Beratungs- und Weiterbil- die folgende Leistungen anbietet: dungsmöglichkeiten für Migrantenorganisationen 127 D – Gesellschaftliche Integration informiert, damit die Angebote sowohl von Bera- werden, wenn die Partner die Projektkonzeption tungsstellen als auch von Migrantenorganisationen gemeinsam entwickeln. Der zeitliche Mehraufwand leichter gefunden werden können. von Tandems in ihrer Aufbauphase sollte bei der Förderung beachtet werden. Umsetzungshinweis: Informationspool Ein solcher Informationspool kann auch die Suche Migrantenorganisationen und anerkannte Träger nach Referentinnen und Referenten zu spezi- sollten auch selbst Kriterien aufstellen, die mögliche fischen Themen ermöglichen. Dachverbände sollten Partner oder das gemeinsame Vorhaben erfüllen diesen Service für ihre angeschlossenen Migranten- sollten, wie: organisationen bereitstellen. Da Bedarfe besonders häufig bei Initiativen bestehen, die keinem Interkulturelle Öffnung der Träger Dachverband angehören, sind darüber hinaus auch Ähnliche Arbeitsschwerpunkte Landes- und kommunale Integrationsbeauftragte Zielgruppenerreichung gefragt. Angeknüpft werden könnte an den von Gemeinsame Projektentwicklung der Bundeszentrale für politische Bildung geführten, online zugänglichen Expertinnen- und Expertenpool. Die Förderung von Tandemprojekten sollte mit einer Strukturförderung der Migrantenorganisationen Integrationsprojekte im „Tandem“ mit anerkannten Trägern durchführen einhergehen. Länder und Kommunen sollten Kontakt- und Tandemprojekte sollten durch Prozessberatung / Begegnungsmöglichkeiten für etablierte Träger Coaching / Supervision des Tandemprojekts be- und Migrantenorganisationen schaffen, um gleitet werden, um die Kooperation zu erleichtern – Tandems zu erleichtern. auch über die Anfangsphase hinaus. Zudem sollte eine Plattform für den Erfahrungsaustausch für Das Land Sachsen-Anhalt sieht die vorrangige För- Tandem-Träger eingerichtet werden. derung von Tandemprojekten vor. Zudem soll die Entwicklung von gemeinsamen Projektkonzeptionen Umsetzungshinweis: Tandemprojekte unterstützt werden: Im Rahmen des Projekts „Empower- Bei der Entwicklung und Förderung von Tandem- ment von MigrantInnen zum nachhaltigen Gelingen projekten sollte beachtet werden, dass beide Partner der Integration und zur Förderung des Interkulturellen eine gewisse Übereinstimmung hinsichtlich ihrer Dialogs“ wird in Kooperation mit dem Land eine Aufgaben haben. Tagung veranstaltet, auf der Migrantenorganisationen und etablierte Träger gemeinsam Ideen, Inhalte und Um Tandemprojekte durch eine Strukturförderung Ziele für erste Tandemprojekte entwickeln sollen. für die beteiligten Migrantenorganisationen zu begleiten, gibt es unter anderem folgende Möglich- Damit im Rahmen von Tandemprojekten sowohl keiten: Aufwandsentschädigung für bürgerschaft- Migrantenorganisationen als auch anerkannte liches Engagement und für materielle Auslagen, Träger gleichberechtigt agieren können, beide von Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement der Zusammenarbeit profitieren und die Qualität als finanziellen Eigenanteil, Förderung von der Arbeit gewährleistet wird, sollten Kriterien für hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Durchführung von Tandem-Projekten ent- und / oder Minijobs sowie von Räumlichkeiten und wickelt werden. Die fördernde Stelle sollte darauf technischer Ausstattung. achten, dass nicht nur die großen Träger Mitteldabei unterstützt werden, federführend die Mentoring bzw. Patenschaft durch anerkannten Träger fördern Projektanträge zu stellen, um ihnen den damit Zur Professionalisierung und Organisationsent- verbundenen Professionalisierungsprozess zu wicklung von Migrantenorganisationen sollten Paten- ermöglichen. Tandems sollten nur dann gefördert schaftsprojekte gefördert werden, bei denen ein empfänger sind. Migrantenorganisationen sollten 128 D – Gesellschaftliche Integration anerkannter Träger die Strukturentwicklung und Professionalisierung von Migrantenorganisationen begleitet. Umsetzungshinweis: Patenschaften vermitteln Kooperation der Verwaltung mit dem Netzwerk, etwa durch die Einbindung des Netzwerks in lokale und Landesgremien oder durch gemeinsame Aktivitäten Die Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg Um Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten fördert die Vernetzung der Migrantenorganisationen zwischen Migrantenorganisationen und etablierten im Land insbesondere durch die zwei Mal jährlich Trägern zu schaffen, kann es hilfreich sein, auf stattfindenden sogenannten Migrantentreffen. lokaler Ebene Veranstaltungen durchzuführen, bei Durch diese Treffen, die von der Integrationsbeauf- denen interessierte Migrantenorganisationen mit tragten finanziert werden (inklusive Fahrtkosten für etablierten Vereinen zusammengebracht werden, Teilnehmende) wurde eine Vernetzungsplattform für die bereit sind, eine Migrantenorganisation bei ihrer Migrantenorganisationen geschaffen. Ziel ist es, die Organisationsentwicklung zu unterstützen. Partizipation von Menschen mit Migrationshintergrund am Integrationsprozess zu fördern und so zur Netzwerke von Migrantenorganisationen gründen Verbesserung der Integrationsarbeit in Brandenburg Netzwerkpartner sollten berücksichtigen, dass beizutragen. So ist das Netzwerk etwa Mitglied im Netzwerke zwar schnell gegründet werden können, Landesintegrationsbeirat. ihre Weiterführung aber dauerhaftes Engagement braucht. Hier sind die Bereitschaft zu Verantwor- In Sachsen-Anhalt haben Vertreterinnen und Ver- tungsübernahme sowie die Klärung von Zuständig- treter von über 40 Migrantenorganisationen 2008 das keiten in den beteiligten Migrantenorganisationen „Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisationen“ genauso notwendig wie die Benennung fester (LAMSA) gegründet. Das ehrenamtlich organisierte Ansprechpartner. Netzwerk will die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Interessen der Bevölkerung Die Vernetzung von Migrantenorganisationen mit Migrationshintergrund vertreten und versteht über Herkunftsgruppen hinweg funktioniert auf sich als legitimierter Ansprechpartner der Landes- Basis des gemeinsamen Interesses. Netzwerke regierung sowie aller anderen relevanten Organisati- sollten ihre Mitglieder in der eigenständigen und onen auf Landesebene. Das Landesnetzwerk arbeitet an deren Bedarfen ausgerichteten Entwicklung von öffentlichkeitswirksam durch Fachveranstaltungen Handlungsmöglichkeiten unterstützen. und durch die Teilnahme an landesweit oder regional bedeutsamen Maßnahmen. Zudem wird mit den Bund, Länder und Kommunen sollten Netzwerke Medien in Sachsen-Anhalt zusammen gearbeitet, um zur Professionalisierung und Stärkung der Teilhabe das Thema Zuwanderung und Integration der von Migrantenorganisationen ideell und wo Mehrheitsgesellschaft nahe zu bringen. Das Netzwerk möglich auch finanziell unterstützen. trifft sich vierteljährlich in Räumlichkeiten des Ministeriums für Gesundheit und Soziales des Landes Umsetzungshinweis: Förderung von Netzwerken von Migrantenorganisationen Unterstützt werden können die Bildung und nachhal- Sachsen-Anhalt. Bei Bedarf berichtet die Integrationsbeauftragte über aktuelle integrationsbezogene Themen. LAMSA nimmt auch teil an den von der tige Etablierung von Netzwerken insbesondere durch Integrationsbeauftragten veranstalteten Netzwerk- folgende Maßnahmen: treffen der Migrationssozialarbeit. Bereitstellung fester Räumlichkeiten durch Land oder Kommune Ideelle Unterstützung von Land und Kommune (Politik wirbt öffentlich für das Netzwerk) Einrichtung einer vom Land oder der Kommune finanzierten Geschäfts- oder Koordinierungsstelle Professionalisierung des Führungspersonals in Migrantenorganisationen (Vgl. http://www.lamsa.de) Migrantenorganisationen in Integrationsnetzwerke einbinden Eine stärkere Vernetzung von Migrantenorganisationen und Organisationen der Mehrheitsgesellschaft sollte angestrebt werden. Dort, wo Migrantenorgani- 129 D – Gesellschaftliche Integration sationen mit aktiver, öffentlich sichtbarer politischer Unterstützung agieren, lassen sich auch andere Institutionen (Träger der Migrationsarbeit, Kirchen, Schulen, Arbeitgeber) leichter für die Vernetzung und Zusammenarbeit gewinnen. Politik kann (durchaus kostenneutral), etwa durch die Teilnahme an Aktivitäten der Migrantengruppen oder der öffentlichen Würdigung des Engagements, wichtige Signale der Anerkennung setzen. Insgesamt sollte ein Diskussionsprozess in den Netzwerken professioneller Akteure der Integrationsförderung mit dem Ziel eingeleitet werden zu prüfen, ob und wie eine gemeinsame Netzwerkarbeit mit ehrenamtlich engagierten Migrantenorganisationen umgesetzt werden kann. Wichtig ist die gleichberechtigte und wertschätzende Zusammenarbeit mit beidseitigem Kompetenztransfer. Zusammenarbeit der kommunalen Integrationsnetzwerke mit örtlichen Ausländer- bzw. Integrationsbeiräten, welche im lokalen Bereich agierende Migrantenorganisationen kennen, kann ein Weg sein, integrativ arbeitende Migrantenorganisationen zu erreichen. Öffentlich sichtbare Unterstützung und Begegnung von Politik und Migrantenorganisationen kann für andere Akteure zur vertrauensbildenden Maßnahme werden, so dass sich auch weitere Institutionen / Einrichtungen für eine gemeinsame Netzwerkbildung gewinnen lassen. Integrativ arbeitende Migrantenorganisationen sollten auch gezielt über die unterschiedlichen vorhandenen kommunalen Integrationsnetzwerke informiert und eingeladen werden. Fahrtkostenzuschüsse für rein ehrenamtlich arbeitende Migrantenorganisationen durch Kommunen, Bürgerstiftungen etc. können die Teilnahme von Migrantenorganisationen darüber hinaus erleichtern. Ein Beispiel für vernetztes Arbeiten von Migranten- Migrantenorganisationen, die stärker an den Inte- organisationen mit anderen Organisationen und grationsnetzwerken partizipieren wollen, können kommunalen Einrichtungen ist das „Zentrum für über die Regionalstellen des Bundesamts oder Integration und Migration“ (ZIM) in Erfurt. Das ZIM die Kommunen Informationen erhalten und an ent- ist Beratungs- und Kulturzentrum und Anlaufstelle sprechende Netzwerke vermittelt werden. Eben- für Migrantinnen und Migranten, Menschen so sollten Migrantenorganisationen von sich aus ohne Migrationshintergrund aber auch für am über ihre Integrationsaktivitäten auf örtlicher Integrationsprozess beteiligte Ämter, Behörden und Ebene informieren. Institutionen. Im strukturell und finanziell mit dem Zentrum arbeiten vier Migrantenorganisationen Migrantenorganisationen zu Trägern von Weiter- bildungen qualifizieren mit zwei einheimischen Organisationen zusammen. Im Zuge der Professionalisierung von Migrantenor- Über einen Kooperationsvertrag haben sie sich ganisationen ist es einerseits von Bedeutung, dass gemeinsamen Zielen verpflichtet. Die Stadt finan- anerkannte Träger der Erwachsenenbildung die ziert die Miet- und Betriebskosten sowie anteilige Weiterbildungsbedürfnisse von Migrantenorgani- Programmkosten. Durch die unmittelbare Zusam- sationen erkennen und praxisrelevante Angebote menarbeit von Migranten- und einheimischen in Zusammenarbeit mit ihnen entwickeln und Organisationen können interkulturelle Erfahrungen, bereitstellen. Andererseits sollten parallel auch Mi- Besonderheiten und Erfordernisse verschiedener grantenorganisationen selbst als Träger von Weiter- Zuwanderungsgruppen berücksichtigt werden. bildungen unterstützt werden. Amt für Sozial- und Wohnungswesen verknüpften Die Vereine werden in ihrer Vereinsarbeit durch die im ZIM angesiedelte Fach- und Servicestelle für Die für die Anerkennung von Weiterbildungsträger Integration und Migration unterstützt. zuständigen Stellen der Länder sollten gezielt Informationen und Beratung für Migrantenorga- Umsetzungshinweis: Einbindung von Migrantenorganisationen in kommunale Integrationsnetzwerke 130 nisationen anbieten, um ihre Bildungsarbeit durch anerkannte Qualitätsstandards abzusichern und Unterstützt werden kann die Einbindung von Migran- sie darin unterstützen, sich als staatlich aner- tenorganisationen in kommunale Integrationsnetz- kannter Bildungsträger der Erwachsenenbildung werke insbesondere durch folgende Maßnahmen: zu qualifizieren. D – Gesellschaftliche Integration Zur Qualifizierung von Migrantenorganisationen Weiterbildungsträger, ein bundesweites oder zu Trägern von Multiplikatorenausbildungen, landesweite Netzwerke organisiert werden und sollte Integrations- bzw. Bildungslotsen und Beratungen ein Zertifikat als Nachweis umfassen. sollten Qualitätsstandards entwickelt werden. Hierzu sollte geprüft werden, ob das Bundesamt für Die Academia Española de Formación (AEF) – Migration und Flüchtlinge und / oder die Länder Spanische Weiterbildungsakademie e.V. verfolgt seit gegebenenfalls in Kooperation mit landesweiten ihrer Gründung im Jahr 1984 das Ziel, ein inter- Netzwerken oder etablierten Weiterbildungsträ- kulturelles Bildungsangebot zu entwickeln, das gern solche Standards entwickeln können. sowohl vom Inhalt als auch von der Methodologie her den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen Qualifizierungsmaßnahmen, durch die Migranten- mit Migrationshintergrund in Deutschland gerecht organisationen befähigt werden, sich als Träger der wird, um deren Lebensqualität zu verbessern. Die Erwachsenenbildung anerkennen zu lassen, sollten AEF ist bisher das einzige derartige bikulturelle von Mittelgebern auf Bundes- und Landesebene Projekt einer Bildungseinrichtung mit staatlicher finanziell gefördert werden. Anerkennung in Deutschland (nach dem Weiterbildungsgesetz in Nordrhein-Westfalen) geblieben. Die Umsetzungshinweis: Qualitätssicherung und Qualifizierung zu Trägern von Multiplikatorenausbildungen und Beratungen AEF bietet u. a. Multiplikatorenschulungen für die Elternarbeit in und mit Migrantenorganisationen sowie Seminare zur Förderung eines qualifizierten Die Qualifizierung von Migrantenorganisationen Vereinsmanagements in den Migrantenorganisati- zu Trägern der Weiterbildung könnte über etablierte onen – auch über die spanische Community hinaus. 2.1.3 Partizipation durch bürgerschaftliches Engagement in und durch Migranten organisationen Das bürgerschaftliche Engagement von Menschen Umfassende repräsentative Daten über das frei- mit Migrationshintergrund und ihrer Organi- willige und bürgerschaftliche Engagement sationen spielt eine wichtige Rolle im Integrations- von Menschen mit Migrationshintergrund und prozess, wenn es gesellschaftliche und politische Be- ihren Organisationen in Deutschland liegen teiligungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bisher nicht vor.146 Verschiedene Studien und erschließt und fördert. 144 Engagierte Menschen mit Migrationshintergrund erwerben neben sprachlichen auch personenbezogene und Sachkompetenzen, wie Selbstbewusstsein, Kommunikationsfähigkeit, Kooperationsfähigkeit und Institutionenkenntnisse.145 Aus der aktiven Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an den Diskussionen und Entscheidungen vor Ort wächst die Identifikation mit dem Wohnumfeld. 144 Aktivitäten, die auf eine Abschottung gegenüber der Gesellschaft zielen, können, auch wenn sie freiwillig und unent- geltlich ausgeübt werden, nicht als bürgerschaftliches Engagement bezeichnet werden. Vgl. Huth, Susanne (2007): Bürgerschaftliches Engagement in Migrantenselbstorganisationen: integrationsfördernd oder -hemmend? in: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit, Jg. 38, H. 3, Berlin, S. 74. 145 Vgl. Huth (2007), a. a. O., S. 75. 146 In der Migrantenstichprobe des zweiten Freiwilligensurveys des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) aus dem Jahr 2004 sind nur Migrantinnen und Migranten vertreten, die eine 30minütige Telefonbefragung in deutscher Sprache absolvierten. In der Stichprobe wurden überproportional viele (Spät)Aussiedlerinnen und (Spät)Aus- siedler befragt. Die Ergebnisse sind nicht repräsentativ für die Gesamtheit der zugewanderten und hier geborenen Menschen mit Migrationshintergrund. Die Zahlen einer Repräsentativbefragung von türkischstämmigen Migrantinnen und Migranten analog zum Freiwilligensurvey durch die Stiftung Zentrum für Türkeistudien im Auftrag des BMFSFJ (2004) zeigen, dass annähernd zwei Drittel der türkischstämmigen Menschen in Vereinen, Verbänden, Gruppen oder Initiativen aktiv sind. Ein Drittel der Aktiven beteiligt sich sowohl in deutschen Zusammenhängen als auch in türkischen, 9 Prozent in interkulturellen Zusammenhängen. Die Beteiligung in interkulturellen und deutschen Vereinigungen war höher, wenn gemeinsame Anliegen und Interessen von Deutschen und Türkischstämmigen berührt wurden. (Rosenbladt, Bernhard von (2000): Freiwilliges Engagement in Deutschland. Ergebnisse der Repräsentativerhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement Band 1: Gesamtbericht, Schriftenreihe des BMFSFJ. Stuttgart S. 39 und 43). 131 D – Gesellschaftliche Integration Sozialberichte147 weisen auf drei Aspekte von beson- Mögliche Kooperationspartner derer Bedeutung für die Engagementförderung: Lokale Einrichtungen der Engagementförderung Erstens ist ein höheres Bildungsniveau förderlich für können wichtige Kooperationspartner für Migranten- die Beteiligung an freiwilligem Engagement – dies organisationen sein. Zu den lokalen, häufig zivilge- gilt für Menschen mit und ohne Migrationshinter- sellschaftlichen Einrichtungen der Engagementför- grund in gleichem Maße. Zweitens engagieren sich derung zählen etwa 300 Freiwilligenagenturen und Menschen mit Migrationshintergrund zu anderen -zentren148, Seniorenbüros, Selbsthilfekontaktstellen Themen und in anderen Formen als Menschen ohne oder auch mittlerweile über 200 Bürgerstiftungen. Migrationshintergrund. Engagement in eigen- Diese Einrichtungen der Engagementförderung sind ethnischen Kontexten, etwa in der Kulturarbeit, spielt nicht nur in der Vermittlung von Engagementmög- eine große Rolle, wobei dieses Engagement lichkeiten vor Ort tätig, sondern oft auch Netzwerk- mehrheitlich auf das Leben in Deutschland und knotenpunkte im kommunalen Raum, Sprachrohr für nicht auf das Herkunftsland gerichtet ist. Zudem Interessen der Engagierten und zuweilen auch Berater sind bei ihnen informelle Engagementformen der von Einrichtungen, Vereinen, Verbänden, Kommu- nachbarschaftlichen und familiären Selbsthilfe nalverwaltungen oder Unternehmen in Fragen guter stärker ausgeprägt. Drittens ist die interkulturelle Rahmenbedingungen der Engagementförderung. Öffnung des bürgerschaftlichen Engagements, Ihnen kommt zumeist eine Doppelrolle zu: Sie stellen seiner Strukturen und Einrichtungen notwendig. Mittel für lokale Engagementprojekte bereit und bieten zugleich eine Plattform, auf der sich Menschen Eine Reihe von vereinsinternen und -externen mit und ohne Migrationshintergrund für gemein- Faktoren hemmen dabei den Auf- und Ausbau von same Themen einsetzen können. Bislang gehören Men- bürgerschaftlichem Engagement in Migrantenor- schen mit Migrationshintergrund jedoch nur ganisationen, insbesondere: punktuell in einzelnen Einrichtungen der Engagement- Fehlende hauptamtliche Strukturen Förderung von Engagement häufig nur durch zeitlich befristete Modellprojekte Fehlende Kenntnisse etwa in Bezug auf vereinsrechtliche Fragen, kommunale Strukturen, Projektmanagement Fehlende Räumlichkeiten, Büro-Ausstattungen und finanzielle Mittel Mangelnde Zugänge zur Öffentlichkeit Fehlende interkulturelle Öffnung und Kompetenzen in vielen deutschen Einrichtungen / Organisationen / Unternehmen / Behörden, die einer Vernetzung im Wege stehen Insgesamt fehlende oder geringe Förderung/Anerkennung von bürgerschaftlichem Engagement (Engagierte und Engagement werden selten sichtbar) förderung zu der Zielgruppe der Freiwilligen. Auch die 400 Ausländer- bzw. Integrationsbeiräte sind mögliche Partner für Kooperationen im Bereich des bürgerschaftlichen Engagements. Erste Ansätze der Zusammenarbeit und des Austausches sind bereits entstanden. So gibt es eine informelle Kooperation zwischen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) und dem Bundesverband der Ausländer- und Integrationsbeiräte in Deutschland (BAB), die noch auf Länder- und lokaler Ebene zu erweitern wären. Einzelne Wohlfahrtsverbände – etwa die Caritas – haben eigene Aktivitäten unternommen, um den Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Jugendfreiwilligendiensten zu erhöhen. Für die kommenden Jahre deutet sich die Entwicklung von nachhaltigen Infrastrukturen der Engagementförderung in den Ländern an. In Hessen 147 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2005): Freiwilliges Engagement in Deutschland 19992004. Ergebnisse der repräsentativen Trenderhebung zu Ehrenamt, Freiwilligenarbeit und bürgerschaftlichem Engagement, Berlin; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2005): Freiwilliges Engagement von Türkinnen und Türken in Deutschland, Berlin; Huth, Susanne (2007): Bürgerschaftliches Engagement von Migrantinnen und Migranten – Lernorte und Wege zu sozialer Integration, Frankfurt a.M. 132 148 Freiwilligenagenturen haben es sich zur Aufgabe gemacht, zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements beziehungsweise des Ehrenamtes beizutragen. Je nach Träger – in der Regel Kirchen, Wohlfahrtsverbände, freie Initiativen, Städte und Landkreise – und Arbeitsweise nennen sie sich auch Freiwilligenzentren, Freiwilligenzentralen und Freiwilligen- oder Ehrenamtsbörsen. D – Gesellschaftliche Integration hat 2010 erstmalig eine Fachtagung zum Thema wird das Selbsthilfepotenzial von Migrantinnen und „Bürgerschaftliches Engagement von Menschen mit Migranten beziehungsweise ihrer Organisationen ge- Migrationshintergrund“ gemeinsam mit der Landes- bündelt und gestärkt. Es sollen durch das Projekt Ehrenamtsagentur und den Kommunalen Spitzenver- verbindliche interkulturelle Vertretungsstrukturen bänden stattgefunden. Auf der Ebene der Länder sind in den Migrantenorganisationen geschaffen werden, insbesondere auch fachlich an die Bedarfe angepasste um so die partnerschaftliche Interessenvertretung Fortbildungsangebote von Bedeutung, wie sie mit in der regionalen Netzwerk- und Gremienarbeit zu sogenannten „Mobilen Kompetenzteams“ der Länder ermöglichen. Durch eine stärkere Zusammenarbeit mit derzeit mit Unterstützung des Bundes aufgebaut Migrantenorganisationen wird der Zugang zu Migran- werden (Programmförderung für diese Teams im tengruppen verbessert und der programmbezogene Rahmen der Förderung für die „Freiwilligendienste Wissenstransfer erheblich gesteigert. aller Generationen“). Das systematische bürgerschaftliche Engagement Um Migrantenorganisationen in die kooperative Netz- von Unternehmen – Corporate Citizenship oder werkarbeit einzubeziehen, wurde in das Programm Unternehmensbürgerschaft genannt – hat als „Perspektive Berufsabschluss“ des Bundesministeriums Bestandteil der Unternehmenskultur in Deutschland für Bildung und Forschung im November 2009 das noch eine vergleichsweise junge Tradition. Immer Begleitprojekt „Mit MigrantInnen für MigrantInnen – mehr Unternehmen engagieren sich für das Gemein- Interkulturelle Kooperation zur Verbesserung wohl und übernehmen so eine zusätzliche gesell- der Bildungsintegration“ aufgenommen. In einer schaftliche Verantwortung. Zivilgesellschaftliche Pilotierung an acht Förderstandorten (Kiel, Marburg, Partnerorganisationen können durch diese Form der Dortmund, Darmstadt, Bielefeld, Schwerin, Saar- Kooperation von vielen Kompetenzen der Wirtschaft brücken, Leipzig) sollen der bisherige Stand der Mitwir- profitieren, etwa in den Bereichen Management, kung von Migrantenorganisationen im Netzwerk Netzwerkarbeit oder Innovation. Bislang gibt es der regionalen Akteure und ihre Mitwirkungsmöglich- jedoch kaum Kooperationen von Unternehmen mit keiten analysiert werden. Im weiteren Projektverlauf Migrantenorganisationen. Empfehlungen Strukturen bürgerschaftlichen Engagements von und in Migrantenorganisationen fördern Die Engagementförderung in und durch Migrantenorganisationen sollte durch hauptamtliche Personalstellen kontinuierlich unterstützt werden. amtlichen (zum Beispiel Zertifikat, Ehrenamtspass), Unkostenerstattung, Anerkennung für Paten, persönliche Wertschätzung und die Erwähnung in Öffentlichkeitsarbeit Migrantenorganisationen, welche die ehrenamtlichen Strukturen innerhalb ihres Vereins ausbauen Das BMFSFJ fördert seit Dezember 2008 ein Pro- wollen, wird die Beachtung folgender Aspekte jekt des Instituts INBAS-Sozialforschung über empfohlen: Freiwillig Engagierte benötigen „Qualifizierung zum Freiwilligenmanagement“, kontinuierliche und feste Ansprechpartner in dem durch umfassende Bestandsaufnahmen Beispiele guter Praxis für die Förderung und Angebote, die sich am konkreten Bedarf / Interesse orientieren Unterstützung des bürgerschaftlichen Engage- Qualifizierung und professionelle individuelle Beratung und Begleitung unter anderem in Migrantenorganisationen eine Würdigung ihrer Arbeit, zum Beispiel durch die Anerkennung der Qualifizierung zum Ehren- dingungen und Unterstützungsstrukturen zu ments von Menschen mit Migrationshintergrund erhoben werden, um adäquate Rahmenbeanalysieren. 133 D – Gesellschaftliche Integration Unterstützung von Migrantenorganisationen, z. B. organisationen auf kommunaler wie auf Landes- bei der Akquise von Mitteln und der Weiterentwick- ebene sowie deutsche Einrichtungen der Frei- lung der Vereinsstrukturen, Qualifizierung von willigenarbeit. Für beide Zielgruppen entwickelte bürgerschaftlich Engagierten und der Einsatz in ver- das Projekt in enger Zusammenarbeit mit den schiedenen Arbeitsfeldern sind nur einige der jeweiligen Kooperationspartnern Fortbildungs-, Tätigkeiten von Integrationsagenturen in Nordrhein- Qualifizierungs- und Unterstützungsangebote, um Westfalen, die zum Teil ebenfalls Migrantenselbstor- die Rahmenbedingungen für ihre ehrenamtliche ganisationen sind. Arbeit im Bereich Integration zu verbessern. So wurden mit Ausländerbeiräten und Migranten- Kooperation von Migrantenorganisationen mit Einrichtungen der Engagementförderung vor Ort unterstützen vereinen Qualifizierungsmaßnahmen und Fortbil- Empfohlen wird die Kooperation mit starken Öffnungsprozesse eingeleitet und begleitet wurden. Netzwerkpartnern, beispielsweise den Stadtverwal- Um die Projektergebnisse übertragbar zu machen, tungen, Integrationsbeauftragten von Kommunen wurden alle durchgeführten Aktivitäten und dungen konzipiert und durchgeführt, während mit und für Freiwilligeneinrichtungen interkulturelle und Ländern, zivilgesellschaftlichen Partnern Maßnahmen evaluiert und auf den Internetseiten wie etwa Freiwilligenagenturen oder auch Partnern des Projektes dokumentiert. Ein weiterführendes aus der Wirtschaft. Ziel von „Gemeinsam engagiert“ war die Vernetzung und strukturelle Verbindungen zwischen Migrantenorganisationen sollten enge Kontakte bürgerschaftlich engagierten Migrantenorganisati- und Kooperationen mit den Einrichtungen der onen und Einrichtungen der Freiwilligenarbeit auf Engagementförderung entwickeln. Die Einrich- regionaler und Landesebene. tungen ihrerseits sollten ebenfalls den Kontakt mit (Vgl. http://www.gemeinsam-engagiert.net). Migrantenorganisationen suchen. Die interkulturelle Öffnung der (Jugend)FreiwilligenÖffentlich geförderte Einrichtungen der Engagement- dienste sollte weiter vorangetrieben werden und förderung sollten ihre Weiterbildungsangebote Migrantenorganisationen vermehrt als Partner für Hauptamtliche und freiwillig Engagierte gezielt für die (Jugend)Freiwilligendienste gewonnen und auch für Engagierte bzw. Multiplikatoren aus qualifiziert werden. Die Aktivitäten der etablierten Migrantenorganisationen anbieten. Träger der (Jugend)Freiwilligendienste zur Erhöhung des Anteils von Engagierten mit Migrati- Einrichtungen der Engagementförderung sollten onshintergrund sollten unterstützt werden. Migrantenorganisationen als Einsatzfelder für bürgerschaftliches Engagement erkennen. Sie Umsetzungshinweis: (Jugend)Freiwilligendienste sollten verstärkt mit Migrantenorganisationen ko- Um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für operieren, um Menschen mit Migrationshinter- die (Jugend)Freiwilligendienste zu gewinnen, grund für bürgerschaftliches Engagement zu können insbesondere folgende Schritte hilfreich sein: gewinnen. Hilfreich können Ansätze einer aufsu- Erschließung von Zugängen zur Zielgruppe, Weiter- chenden Partizipationsförderung sein. entwicklung der Kommunikationsstrategien und spezifischen Vernetzungen, Qualifizierung des Von 2007 bis 2010 haben das Bundesamt für Migra- pädagogischen Personals / bzw. Berücksichtigung tion und Flüchtlinge und das Bayerische Staats- der Belange von Freiwilligen mit Migrationshinter- ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie grund im pädagogischen Begleitangebot der Frei- und Frauen das Kooperationsprojekt „Gemeinsam willigendienste. engagiert“ der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns und des Landesnetzwerks Um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für Bürgerschaftliches Engagement Bayern gefördert. die Freiwilligendienste zu gewinnen, fördert das Zielgruppen des Modellprojektes waren Migranten- BMFSFJ das Projekt „Qualifizierung von Migranten- 134 D – Gesellschaftliche Integration organisationen als Träger von Jugendfreiwilligen- einer aufsuchenden Partizipationsförderung und diensten“. Als erste Migrantenorganisation wurde Information in den Communities erprobt werden. die Türkische Gemeinde in Deutschland im Tandem mit dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpäda- Die Kommune Chemnitz hat Migrantenorganisati- gogik als Träger von Jugendfreiwilligendiensten wie onen bei der Entwicklung ihres Rahmenplans zur dem Freiwilligen Sozialen Jahr oder dem Freiwilligen Integration von Migranten/Migrantinnen vom Juni Ökologischen Jahr qualifiziert. Weitere Informati- 2008 beteiligt. Neben den Fachämtern der Stadt onen unter: http://www.mo-freiwilligendienste.de wurden auch der Ausländerbeirat und das 1999 gegründete Integrationsnetzwerk für Migrantinnen Wichtige Erfahrungen über Zugangsstrategien zur und Migranten bei der Erstellung des Rahmenplans Zielgruppe, zur Kooperation mit Migrantenorgani- hinzugezogen. Im Netzwerk arbeiten nach sationen, zur Berücksichtigung interkultureller Vorgaben einer entsprechenden Kooperationsver- Aspekte beim Einsatz junger Menschen mit Migra- einbarung Vertreterinnen und Vertreter von allen tionshintergrund sowie bei der Bildung regionaler geförderten Vereinen und Migrantenorganisati- Netzwerke wurden auch im Programm „Freiwil- onen, der Polizei, Sprachkursträgern, der Volkshoch- ligendienste machen kompetent“ gewonnen, schule und der Ausländerbehörde zusammen. das gefördert vom BMFSFJ sowie aus ESF-Mitteln von 2007 bis 2010 Rahmenbedingungen für die Das Programm „Modellregionen Integration“ der Inklusion benachteiligter sowie junger Menschen Hessischen Landesregierung ist auf eine enge mit Migrationshintergrund erprobte. Das BMFSFJ Zusammenarbeit mit den Kommunen angelegt, um wird die Implementierung der Ergebnisse in die strukturelle Integration zu fördern. Dabei wird ein breitere Praxis unterstützen. Weitere Informationen besonderes Augenmerk auf die Kooperation mit den unter: http://www.fwd-kompetent.de/ Migrantenselbstorganisationen gelegt. Für den Zeitraum 2009 – 2011 haben der Deutsche Mit einem Integrationskonzept unter dem Titel Caritasverband und IN VIA Deutschland für das „Verschiedene Kulturen – Leben gemeinsam Freiwillige Soziale Jahr in katholischer Trägerschaft gestalten“ will die Landesregierung von Rheinland- finanziert aus Projektmitteln des Caritasverbands Pfalz den Prozess der Integration in Rheinland-Pfalz das Modellprojekt „Mehr junge Menschen mit gestalten. Zur Umsetzung des Integrationskonzeptes Migrationshintergrund ins FSJ“ aufgelegt. An dem wurden Arbeitsgruppen gebildet. In ihnen beraten Projekt beteiligen sich bundesweit 14 katholische Vertreterinnen und Vertreter der Landesregierung Träger mit dem Ziel, eine Steigerung um weitere 200 und des Landesbeirats für Migration und Integration Freiwillige mit Migrationshintergrund zu erreichen über Maßnahmen, Zielvereinbarungen und Selbst- und die gewonnenen Erfahrungen nachhaltig ins verpflichtungen, mit denen die Ziele des Integrati- Trägerspektrum zu übertragen. onskonzeptes erreicht werden können. Hierbei sind auch Migrantenorganisationen beteiligt. Migrantenorganisationen in die Entwicklung und Umsetzung von Integrationskonzepten einbinden Bei der Zusammenarbeit und der Einbeziehung in Migrantenorganisationen sollten stärker in Bera- Verwaltung sollte die Heterogenität von Migran- tungsgremien eingebunden werden. Konzepte zur tenorganisationen stärker berücksichtigt werden. stärkeren Teilhabe sollten nicht unter Ausschluss von Berücksichtigung finden müssen beispielsweise Teilhabe entwickelt werden. Eine direkte Beteiligung die besonderen Belange von Migrantinnen von Migrantenorganisationen im Vorfeld von organisationen oder von Migrantenorganisationen Entscheidungsprozessen sowie an der Erarbeitung in den östlichen Bundesländern. die Integrationsförderung vonseiten der Politik und integrationspolitischer Konzepte auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sollte weiter ausge Vertreterinnen und Vertreter von Migrantenorga- baut werden. Um dies zu gewährleisten, sollten Wege nisationen, die an der Entwicklung von Integra- 135 D – Gesellschaftliche Integration tionskonzepten beteiligt sind, sollten über trans- Teilhabe vor Ort“ durchgeführt, das die Programme parente und partizipative Verfahren bestimmt „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ und werden. Teilweise wird diese Vertreterfunktion be- „Soziale Stadt“ verbindet. Das Projekt wurde gefördert reits von Ausländer- und Integrations(bei)räten durch die Bundesministerien für Arbeit und Soziales übernommen. sowie für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Zusammenarbeit von engagementfördernden Unternehmen und Migrantenorganisationen stärken Engagementfördernde Unternehmen und solche, Qualifizierung von Engagierten in Migranten- organisationen ermöglichen die sich zukünftig im Bereich Integration einsetzen Die Fortbildungsangebote im Rahmen der soge- wollen, sollten Kooperationen mit Migrantenorga- nannten „Mobilen Kompetenzteams“ sollten sowohl nisationen eingehen. engagierten Menschen mit Migrationshintergrund gerecht werden, als auch den Bedürfnissen von Sportvereine, deren Mitglieder und Kunden vorwie- Migrantenorganisationen als Träger wichtiger Teile gend Menschen mit Migrationshintergrund sind, dieses Engagements entsprechen. können eine wichtige Funktion als Scharnier zum Arbeitsmarkt übernehmen. Konzepte, die es zum Ziel Forschungsdesiderate haben, gerade schwierig zu vermittelnde Jugendliche Die Datenlage und der Kenntnisstand über bürger- in Ausbildungen zu bringen, könnten hier geeignete schaftliches Engagement von Menschen mit Migrations- Ansatzpunkte finden. Hier sind Jugendliche und hintergrund und ihren Organisationen müssen ihre Eltern erreichbar für Angebote der Integration in verbessert werden. Gefördert und vorangetrieben den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. werden sollten Grundlagenforschung und die Erhebung planungs- und handlungsrelevanter Daten In Rahmen des Projekts „Patenschaften zwischen zur Partizipation von Menschen mit Migrationshinter- Unternehmen und Vereinen“ entwickelten der grund mittels multimethodischer Forschungsansätze türkische Unternehmerverband MUT zusammen mit (quantitativ-repräsentative sowie qualitative). den Sportvereinen Rhenania Hamborn, Dersimspor Insbesondere sind hier Untersuchungen zu Motiven, zu und FSV Duisburg, dem Stadtportbund und dem Umfang und Barrieren in allen Bereichen des bürger- Rhein-Ruhr-Institut an der Universität Duisburg-Essen schaftlichen Engagements nötig. ein Modell, um das arbeitsmarktpolitische Potenzial von Sportvereinen zu nutzen. Projektziele waren u. a. Kindern aus Migrantenfamilien, die noch zur Schule gehen, über die Vereine Perspektiven für eine künftige Ausbildung, Praktika und Ausbildungsplätze vermitteln. Eltern, die in der Regel wenig über das deutsche Ausbildungssystem wissen, von kompetenten Akteuren realistische und verständliche Informationen über die Möglichkeiten einer Ausbildung für ihre Kinder zur Verfügung stellen. Der Unternehmerverband MUT hatte dabei eine vermittelnde Rolle zwischen den Sportvereinen und verschiedenen Unternehmen, Verbänden und Kammern, zu denen er Kontakt hat, übernommen. Partnerschaften zwischen lokalen Unternehmen und den Sportvereinen initiieren. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Handlungsorientierung der Forschung: Beachtet werden sollte dabei, dass Erkenntnisse in Zusammenarbeit mit staatlichen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren in konkrete Interventionen auf kommunaler, Landes- und Bundesebene überführt werden sollten. Auch die Engagementforschung bedarf der interkulturellen Öffnung. Dazu gehört, dass in jeder Forschung über bürgerschaftliches Engagement auch Engagement in Migrantenorganisationen Berücksichtigung finden. Darüber hinaus sollten Migrantenorganisationen in Forschungskonzeptionen und -durchführungen einbezogen werden. Zudem sollten Ausgrenzungsmechanismen und sozialräumliche Aspekte genauso mit in den Blick genommen werden Das Projekt wurde in den Jahren 2007 / 2008 im wie Dynamiken aufseiten der Mehrheitsgesellschaft Sonderprogramm „Beschäftigung, Bildung und sowie Erkenntnisse der Ungleichheitsforschung. 136 D – Gesellschaftliche Integration 2.1.4 Interkulturelle Öffnung: Positive Effekte für Migrantenorganisationen Die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft und ihrer Institutionen und Organisationen stellt eine der zentralen Voraussetzungen dar, um Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung zu stärken. Die durch Einwanderung veränderte Zusammensetzung unserer Gesellschaft muss sich auch in öffentlichen Einrichtungen, Dienstleistungen und rechtlichen Grundlagen widerspiegeln. Dies ist notwendig, um Menschen mit Migrationshintergrund als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger, Klientinnen und Klienten, Nutzerinnen und Nutzer Behörden sollten die Kooperation mit Migrantenorganisationen zur interkulturellen Öffnung ihrer Einrichtungen nutzen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollten interkulturelle Schulungen erhalten, um für bewusste und unbewusste Diskriminierungen von Menschen mit Migrationshintergrund sensibilisiert zu werden Bei der Neubesetzung von Stellen sollten Menschen mit Migrationshintergrund berücksichtigt und in Ausschreibungen „Personen aller Nationalitäten“ explizit zur Bewerbung aufgefordert werden. sowie Kundinnen und Kunden zu akzeptieren um auf ihre Bedürfnisse mit adäquaten Angeboten reagieren zu können. Die Kommunen Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Herne, Mülheim a.d.R. und Oberhausen haben sich zusammengetan, um interkom- Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrations- munale Arbeitsansätze in der Integrationsarbeit hintergrund und ihre Organisationen zu Instituti- zu entwickeln. In ihrem Projekt „Kommunen als onen, Diensten und Fördermöglichkeiten können zukunftsfähige Arbeitgeberinnen“, haben sie sich auf nur durch interkulturelle Öffnungsprozesse die gemeinsamen strategischen Ziele verständigt, beseitigt werden. In diesem Zusammenhang geht interkulturelle Kompetenz als Qualitätsmerkmal in es vor allem um die interkulturelle Öffnung von der Verwaltung zu verankern, insbesondere im Perso- Behörden und ihren Förderkriterien, freien Trägern nalmanagement, und den Anteil der Beschäftigten und Verbänden, Netzwerken, der Forschung mit Zuwanderungsgeschichte langfristig ihrem Anteil aber auch der Migrantenorganisationen selbst. (Zur an der Stadtbevölkerung entsprechend zu erhöhen. interkulturellen Öffnung von Förderkriterien, Integrationsnetzwerken, Bildungsträgern und der Ein Ergebnis dieses KOMM-IN-Projektes ist das Hand- Forschung zu Migrantenorganisationen vgl. weiter lungsbuch „Vielfalt schafft Zukunft“ mit fünf Einzel- vorne in diesem Kapitel). heften, das in die Vielfalt der Beteiligten, aber auch die Komplexität der Aufgabenstellung und Heraus- Interkulturelle Öffnung von öffentlichen Verwaltungen weiterentwickeln forderungen für Kommunen als zukunftsorientierte Öffentliche Verwaltungen sollten die eigene inter- die erarbeitete Definition für das Qualitätsmerkmal kulturelle Öffnung als Teil einer auf Nachhaltigkeit interkulturelle Kompetenz, die Zielgruppe der jungen Arbeitgeber wiedergibt. Themen der Hefte sind u.a angelegten Organisations- und Personalent- Talente mit Zuwanderungsgeschichte und Möglich- wicklung schrittweise weiter voranbringen. Dazu keiten, diese Gruppe gezielter anzusprechen, Impulse werden insbesondere folgende Schritte empfohlen: für eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit Behörden sollten zunächst den Status Quo ermitteln und eine Bedarfsanalyse erstellen Für einen verbindlichen und nachvollziehbaren Öffnungsprozess wird die Formulierung von Selbstverpflichtungen oder Zielvereinbarungen empfohlen Behörden sollten ein Diversity- bzw. interkulturelles Leitbild entwickeln, um die eigene interkulturelle Öffnung schrittweise voranzubringen auf dem Ausbildungs- und Fachkräftemarkt sowie Erfolgsfaktoren für eine interkommunale Zusammenarbeit. Die Hefte stehen als Download kostenlos zur Verfügung. Weitere Informationen unter: http://www.integration-interkommunal.net Interkulturelle Öffnung von anerkannten Trägern der Integrationsförderung unterstützen Die interkulturelle Öffnung von freien Trägern setzt ebenfalls die Entwicklung eines Diversity- 137 D – Gesellschaftliche Integration Leitbilds bzw. eines interkulturellen Leitbilds voraus, um die eigene interkulturelle Öffnung als Teil einer auf Nachhaltigkeit angelegten Organisations- und Personalentwicklung schrittweise voranzubringen. jugendpolitischen Programmatik eine große Vielfalt auf stehen im Prinzip der Pluralität und der eigenständigen Wertsetzung – eines der konstitutiven Merkmale der Kinder- und Jugendverbandsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland. Integrationsprojekte von anerkannten Trägern sollten auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Dies macht Jugendverbände zu einem bedeutenden Migrationshintergrund beschäftigen. Anerkannte Sozialisationsfeld. Kinder und Jugendliche Träger sollten die Kooperation mit Migrantenor- (mit und ohne Migrationshintergrund) erleben ganisationen zur interkulturellen Öffnung ihrer ein Lernumfeld, das nachhaltig die positive eigenen Einrichtungen nutzen. Persönlichkeitsentwicklung von jungen Menschen stärkt. Jugendverbände bieten die Möglichkeit, Interkulturelle Öffnung von Migrantenorganisationen voranbringen kommunikative, soziale, methodische und Migrantenorganisationen sollten die Kooperation „Demokratie im Konkreten“ zu lernen. Sie können mit freien Trägern der Mehrheitsgesellschaft zur innerhalb ihres Verantwortungsbereiches einen interkulturellen Öffnung ihrer eigenen Ein- wichtigen Integrationsbeitrag leisten. verbandsspezifische Kompetenzen aufzubauen und richtungen nutzen. In den §§ 11 ff SGB VIII (Achtes Buch SozialgesetzHerkunftshomogene Migrantenorganisationen buch – Kinder- und Jugendhilfe) wird der rechtliche sollten die Kooperation mit Migrantenorganisa- Rahmen der Jugendarbeit für entsprechende tionen anderer Gruppen zur interkulturellen Öffnung Leistungen zugunsten aller jungen Menschen ihrer eigenen Einrichtungen nutzen. in Deutschland festgelegt. Damit haben zwar alle Jugendlichen in Deutschland formal die Migrantenorganisationen sollten die Mitwirkung gleichen Zugangsmöglichkeiten zu Angeboten an interkulturellen Netzwerken suchen. der Verbände, allerdings bestehen für Jugendliche mit Migrationshintergrund in der Praxis zum Teil 2.2 Gesellschaftliche Teilhabe von Jugendlichen stärken: Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit erhebliche Zugangsbarrieren. Eine große Herausforderung liegt daher in der interkulturellen und sich auf beide Geschlechter beziehenden Öffnung verbandlich organisierter Jugendarbeit. Ziel- In Jugendverbänden lernen Kinder und Jugendliche, richtung einer solchen interkulturellen Öffnung sich in selbst organisierten Gruppen zu bewegen, ist zum einenn die Förderung der Partizipation sie üben demokratische Prozesse und übernehmen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Verantwortung für andere. Kinder- und Jugendver- Jugendverbänden. Zum anderen sind mit dem Ent- bände stehen eigener Vereine von Jugendlichen mit ermöglichen Kindern und Jugendlichen, ihre eigenen Interessen zu entfalten, zu formulieren und zu vertreten bieten die Chance, an gesellschaftlichen Prozessen teilzunehmen Migrationshintergrund neue Akteure in die Jugendverbandslandschaft getreten, die jedoch noch nicht in gebotenem Maße von den vorhandenen Strukturen der Jugendverbandsarbeit profitieren können. Erforderlich ist daher auch die Integration von Vereinen jugendlicher Migrantinnen und stellen Orte gemeinsamen Lebens und Lernens dar und leisten gemeinschaftliche Hilfe und Beratung bei persönlichen Fragen und Konflikten arbeit. Hier steht die beschränkte Förderdauer weisen in ihrer weltanschaulichen Ausrichtung, in ihren pädagogischen Ansätzen und ihrer nachhaltiger Strukturen und Angebote zur Unter- 138 Migranten in die Strukturen der Jugendverbandsvon Modellprojekten der Schaffung notwendiger stützung der interkulturellen Öffnung entgegen. D – Gesellschaftliche Integration Jugendverbände initiieren Prozesse der interkul- Horizontal kooperieren die verschiedenen Jugend- turellen Öffnung ihrer Arbeit und Angebote in verbände in ihren Dachverbänden, den Stadt-, eigener Zuständigkeit. Einzelne Aktivitäten zur Kreis und Landesjugendringen. Auf Bundesebene interkulturellen Öffnung und für die Einbeziehung gehören zurzeit 24 Verbände, 16 Landesjugendringe der Interessen von Jugendlichen mit Migrations- und 5 Anschlussverbände dem Deutschen Bundes- hintergrund gibt es sowohl auf der Ebene der jugendring (DBJR) an. Vereine von Jugendlichen Bundesverbände als auch auf der Ebene einzelner mit Migrationshintergrund sind im DBJR (noch) Landesjugendringe. Sie zielen darauf, Jugendliche nicht als Vollmitglied vertreten. Der Bund der mit Migrationshintergrund für die Idee der Allevitischen Jugendlichen in Deutschland (AAGB) Jugendverbandsarbeit zu begeistern, strukturelle ist jedoch Anschlussmitglied. Über verschiedene Barrieren in den Verbänden und Ringen abzubauen Landesjugendringe, konfessionelle Verbände und und Vereine von Jugendlichen mit Migrations- die djo-deutsche Jugend in Europa151 sind mehrere hintergrund in ihrer inhaltlichen und organisa- Vereine jugendlicher Migranten mittelbar Mitglied torischen Aufbauarbeit zu unterstützen. So hat im DBJR.152 Der DBJR vertritt nach eigenen Angaben sich der Deutsche Bundesjugendring im Rahmen 5,5 Millionen Jugendliche. der Umsetzung des Nationalen Integrationsplans verpflichtet, weiterhin den Kontakt zu Migranten- Ziel der Jugendringe ist es, über Verbandsziele organisationen bzw. Vereinen von Jugendlichen hinaus an der Lösung allgemeiner Jugendprobleme mit Migrationshintergrund zu suchen und mitzuwirken. Die Jugendringe und -verbände bestehende Beziehungen zu intensivieren. Zudem werden meist aus den für Jugendliche zuständigen will er den Organisationen beratend zur Seite Ministerien und Jugendämtern finanziert. Auf stehen. Dauer angelegte Förderungen werden in der Regel 149 Auch andere Akteure geben Impulse für die interkulturelle Öffnung der Jugendverbands- nur an Verbände vergeben, die Mitglied in einem arbeit, etwa das BMFSFJ, Landesjugendministerien Jugendring und als Träger der Kinder- und Jugend- und Landes- und kommunale Jugendämter, hilfe offiziell anerkannt sind. Prinzipiell können jugendpolitische Gremien oder das „Netzwerk sich alle Jugendverbände um eine Mitgliedschaft interkultureller Öffnung der Jugendverbandsarbeit in den Jugendringen bewerben, sofern sie den und -forschung“ (Nijaf). satzungsgemäß vorgegebenen Anforderungen entsprechen. Allerdings ist dies besonders für Organisationsstrukturen und Finanzierung der Jugendverbände kleine Vereine nicht einfach. Auf Bundesebene Jugendverbände werden von Jugendlichen über 25 000 Mitglieder und Vereinsaktivitäten in gegründet, geleitet und bestehen aus jugendlichen mehr als der Hälfte der Bundesländer. Auch auf Mitgliedern. Landesebene ist in vielen Landesjugendringen die 150 Sie sind in unterschiedlichen erfordert die Mitgliedschaft im DBJR beispielsweise Bereichen aktiv, zum Beispiel im Freizeitbereich, Aktivität in mindestens der Hälfte der Kreise und im Sport, im sozialen, gesellschaftlichen und Städte Voraussetzung für eine Mitgliedschaft. Auf umweltbezogenen Bereich, in der Partei- oder Ge- Kreisebene gibt es bei den Jugendringen in der werkschaftsarbeit. Regel keine quantitativen Kriterien. Jugendverbandsarbeit findet unter anderen Die grundlegende Zuständigkeit für die Sicherung Rahmenbedingungen als Vereinsarbeit Erwach- der örtlichen Angebote und Leistungen der Träger sener statt und verfolgt andere inhaltliche Ziele. der Jugendverbandsarbeit liegt bei den Kommunen, Die größeren Jugendverbände differenzieren sich vertikal in Orts-, Landes- und Bundesebene. 149 Vgl. http://www.dbjr.de/index.php?lang=&m=4&id=115& year=2007& 150 In der Jugendarbeit wird keine Unterscheidung zwischen Verbänden und Vereinen vorgenommen. 151 Die djo war ursprünglich ein Verband der Vertriebenen- jugendlichenvereine, etabliert sich jedoch zunehmend als Dachverband von VJM. 152 Zu den Mitgliedern auf Bundesebene gehören der Assyrische Jugendverband Mitteleuropa, die Vereinigung der Jugendverbände aus Kurdistan, Integration, der Jugend- und Studentenring der Deutschen aus Russland und der Verband der Russischsprachigen Jugend in Deutschland. 139 D – Gesellschaftliche Integration d.h. den Jugendämtern vor Ort. Mit Blick auf die langfristigen Organisationsentwicklungsprozesses ebenfalls wichtige Landes- und Bundesförderung zu erreichen. Unterschieden werden drei Ebenen befinden sich kleine Verbände jedoch teilweise der interkulturellen Öffnung: die individuelle, die in einem Dilemma: Sie können oftmals die quan- strukturelle und die (jugend)politische Ebene.153 titativen Kriterien des Fördermittelgebers auf Landes- oder Bundesebene nicht erfüllen und sind Öffnungsprozesse auf der individuellen Ebene zu klein, um sich den Jugendringen anzuschließen. betreffen die Vereinsmitglieder. Dabei geht es zum Gleichzeitig können sie aber auch nur schwer größer einen darum, die Angebote von Jugendverbänden so werden, weil die entsprechende (finanzielle) Unter- zu gestalten, dass verstärkt Jugendliche mit Migra- stützung an die Mitgliedschaft in einem Jugendring tionshintergrund daran teilnehmen können, diese gekoppelt ist. Hiervon sind Vereine von Jugendlichen mitgestalten und auch für den Verein gewonnen mit Migrationshintergrund als tendenziell noch werden. Zum anderen geht es um Sensibilisierungs- junge und kleine Vereine ohne Anschluss an die angebote für die bereits vorhandenen Mitglieder. Ringstrukturen häufig betroffen. Hinzukommt, dass Auf der strukturellen Ebene kommt es darauf an, der staatliche Zuschuss an die Jugendringe nicht die interne und externe Darstellung des Verbands proportional zu der Anzahl der Mitgliedsverbände hinsichtlich des Anspruchs auf interkulturelle wächst. Daraus kann eine Konkurrenzsituation Öffnung zu überprüfen und zu verändern. Zudem zwischen anerkannten und neuen Jugendverbänden wird die Zusammensetzung der haupt- und ehrenamt- entstehen. In mehreren Jugendringen hat ein Diskus- lichen Mitarbeitenden eines Jugendverbands sionsprozess begonnen, wie Vereine jugendlicher hinsichtlich der Einbeziehung von Menschen mit Mi- Migrantinnen und Migranten dennoch unterstützt grationshintergrund in den Blick genommen. werden können. Exemplarisch sei auf die Einführung (Jugend)politisch sollte eine Institution, die sich inter- der Anschlussmitgliedschaft oder auf die Aktivitäten kulturell öffnet, öffentlich Stellung beziehen und den der Landesjugendringe Baden-Württemberg, Bayern Stellenwert sowie die politischen Veränderungs- und Nordrhein-Westfalen verwiesen. forderungen, die sich aus einer Öffnung ergeben, auch innerhalb der verschiedenen Gremien Ziele interkultureller Öffnung der Jugendverbandsarbeit der Jugendverbandsarbeit kommunizieren. Förderung der Partizipation in Jugendverbänden Die interkulturelle Öffnung der Jugendverbände Eine erste Zielrichtung der interkulturellen Öffnung kann von zwei Seiten initiiert werden: Zum einen der Jugendverbandsarbeit ist die Förderung der kann der Impuls zur interkulturellen Öffnung Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshin- von der Verbandsspitze ausgehen. Interkulturelle tergrund in den Jugendverbänden, Jugendringen Öffnung wird dann oft hauptamtlich getragen. und Jugendinitiativen der Mehrheitsgesellschaft. Wichtig ist jedoch, dass die begleitenden Diskussi- Gemeinsames Erleben ermöglicht Kindern und onen auf allen Ebenen geführt werden. Problema- Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund, tisch kann dabei sein, dass die Mitglieder an der neue Sichtweisen einzunehmen und interkulturelle Basis andere Handlungsbedarfe und -felder sehen Kompetenz zu erwerben. Darüber hinaus stellt als die Organisationsspitze. Ressourcen für die zum die interkulturelle Öffnung eine Strategie der Mit- Teil als „pädagogisches Luxusproblem“ wahrge- gliedergewinnung für Vereine dar, deren Mitglieder- nommene interkulturelle Öffnung sind an der zahlen rückläufig sind. Für die Jugendverbände Basis nicht immer einfach aktivierbar. Die interkul- stellen Auseinandersetzungen über Fragen der inter- turelle Öffnung einer Organisation kann aber auch kulturellen Öffnung daher richtungweisende von der Basis selbst initiiert werden und von dort Weichen für die Zukunft. in die obere Ebene getragen werden. Ein solcher Prozess benötigt engagierte Schlüsselpersonen, Da interkulturelle Öffnung auf mehreren Ebenen die die Basis begeistern können und zugleich fähig erforderlich und wirksam ist, ist das Ziel der Öffnung eines Verbands nur auf dem Weg eines 140 153 Vgl. Jagusch (2007): a. a. O. D – Gesellschaftliche Integration sind, den Gedanken der interkulturellen Öffnung jugendpädagogischen Themen zu bieten. Auf der in Gremien und Mitgliederversammlungen (jugend)politischen Ebene bedeutet Empowerment hineinzutragen. die Einbeziehung von Vereinen jugendlicher Migrantinnen und Migranten in Stellungnahmen, Anerkennung und Integration der Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Jugendverbandsstrukturen die übergreifend jugendpolitisch relevante Die zweite Zielrichtung der interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit ist die Integration der Daten zur interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Während im Bereich der Öffnung von anerkannten in bestehende Jugendverbandsstrukturen. Neben Jugendvereinen das Forschungsinteresse gestiegen Migrantenorganisationen haben sich in den ist,154 muss für den Bereich der Vereine von Jugend- vergangenen Jahren zunehmend Vereine von Jugend- lichen mit Migrationshintergrund konstatiert lichen mit Migrationshintergrund gegründet. Für werden, dass diese bis auf wenige Ausnahmen viele Jugendliche mit Migrationshintergrund stellen noch nicht in den Blick der Wissenschaft gerückt sie eine Art Schutzraum dar, der es ihnen ermöglicht, sind. Derzeit gibt es nur wenige Daten zu Vereinen sich in der Gesellschaft zu orientieren, zu agieren und von Jugendlichen mit Migrationshintergrund diese mitzugestalten. Diese Vereine leisten vielerorts mitsamt ihren Zielen und Angeboten.155 In den wertvolle Beiträge zur Sozialisation von Jugendlichen ostdeutschen Bundesländern und insbesondere mit Migrationshintergrund und engagieren sich zu- in ländlichen Regionen sind nur wenige Vereine nehmend in jugendpolitischen Interessensver- jugendlicher Migranten bekannt. Im städtischen tretungen und Zusammenschlüssen. Einige werden Raum und insbesondere in Ballungsräumen bereits als selbstverständliche Akteure der Jugend- organisieren sich Jugendliche mit Migrationshin- verbandsarbeit anerkannt. Es ist jedoch erforderlich, tergrund dahingegen häufiger in eigenen dass sich die mehrheitsgesellschaftlichen Akteure der Vereinen. Entwicklungen betreffen. Jugend(verbands)arbeit stärker als bisher mit ihren Strukturen, Engagementschwerpunkten, Werteori- Gesicherte Erkenntnisse über die Anzahl junger entierungen und Förderbedarfen auseinandersetzen. Menschen mit Migrationshintergrund in Jugendverbänden liegen bisher ebenfalls nicht vor. Für die Anerkennung und Partizipation dieser Es besteht allerdings Einigkeit darüber, dass „die neuen Gruppen, Vereine und Verbände steht insbe- Angebote der Jugendverbände unterdurchschnitt- sondere Empowerment im Vordergrund. Analog lich von Kindern mit Migrationshintergrund zu den im vorherigen Abschnitt genannten drei genutzt werden“.156 Während manche Jugendver- Ebenen der interkulturellen Öffnung bedeutet dies bände einen Anteil von Kindern und Jugendlichen für die individuelle Ebene, dass Maßnahmen zur mit Migrationshintergrund von weit über 40 individuellen Selbst- und Handlungsermächtigung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und deren Organisationen ergriffen werden müssen. Dazu zählen beispielsweise Empowerment-, Antidiskriminierungs- oder Antirassismustrainings. Auf der strukturellen Ebene setzen Kooperationen von etablierten Trägern der Jugendverbandsarbeit mit Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie Weiterbildungsmaßnahmen an, die darauf zielen, diesen Vereinen Zugang zu den Ressourcen der Jugendverbandsarbeit zu verschaffen und Hilfe bei strukturellen Fragestellungen, wie vereinsrechtlichen, finanziellen oder 154 Zu nennen ist insbesondere ein Kooperationsprojekt zwi- schen der Fachhochschule Köln und dem Deutschen Jugendinstitut, das seit November 2008 zu „Interkultureller Öffnung in der verbandlichen Jugendarbeit – Stand, Hindernisse und Möglichkeiten der Realisierung“ forscht. Das Forschungsprojekt ist darauf fokussiert, eine systematische Erhebung von Ansätzen interkultureller Öffnung der Jugendverbände sowie Möglichkeiten der Verbesserung zu generieren. 155 Im Rahmen eines vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geförderten Projekts hat das Institut für Veranstaltungsund Projektmanagement (IVP GbR) in Kooperation mit IDA e.V. eine Datenbank der in Deutschland tätigen Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund entwickelt, in der rund 270 Vereine eingetragen sind. Die Datenbank ist einsehbar unter http://www.idaev.de/service/vereine-junger-migranten. 156 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005): a. a. O., S.72. 141 D – Gesellschaftliche Integration Prozent haben, sind in anderen nahezu ausschließ- Workshops, Tagungen, Qualifizierungen, lich Jugendliche ohne Migrationshintergrund Empowerment bzw. die Aufnahme von Vereinen aktiv. Jugendverbände mit einem hohen Anteil von von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter- in die Verbandsstrukturen, Broschüre und Arbeits- grund sind etwa die Gewerkschaftsjugend und hilfen, Aktionsprogramme oder Positions- die Deutsche Sportjugend, die djo-Deutsche Jugend papiere. Die Veranstaltungen dienen dabei primär in Europa, die sich zunehmend als Dachverband der interkulturellen Sensibilisierung bzw. für Vereine von Jugendlichen mit Migrationshin- dem interkulturellen Lernen. Rund ein Fünftel tergrund etabliert, sowie Verbände, die Träger der der bekannten Projekte ist darauf ausgerichtet, offenen Jugendarbeit sind. Empowermentmaßnahmen für Jugendliche mit Migrationshintergrund oder deren Vereine zu Die Praxisentwicklung der interkulturellen Öff- implementieren. nung der Jugendverbandsarbeit wird insbesondere durch das Informations- und Dokumentations- In Bezug auf die Reichweite der Projekte zeigt sich, zentrums für Antirassismusarbeit e.V. (IDA) analy- dass sich lokale und überregionale Projekte relativ siert und für die Öffentlichkeit nutzbar gemacht: ausgewogen gegenüber stehen. Lokale Projekte sind IDA führt eine Datenbank zur interkulturellen in der überwiegenden Zahl in größere Projektzusam- Öffnung der Jugendverbandsarbeit, die rund 150 menhänge eingebunden, wie das Aktionsprogramm Projekte (Stand August 2009) umfasst. Erhoben des Bayerischen Jugendrings „Multi Action – aber wurden Projekte, Konzepte und Initiativen die wie!“. Ein Beispiel aus dem Bereich Integration von seit 2001 von Jugendverbänden, Jugendringe und Kindern und Jugendlichen mit Migrationshinter- Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshinter- grund in die Jugendverbandsarbeit ist das Programm grund zur interkulturellen Öffnung durchgeführt „Integration durch Sport“ des Deutschen Olym- wurden. Die folgenden Ausführungen beziehen pischen Sportbundes, das vom Bundesministerium sich zu einem wesentlichen Teil auf die Analyse der des Innern / Bundesamt gefördert wird. Datenbank durch das IDA. Die Landschaft der Projekte hat sich hinsichtlich der Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der bisher Ansätze und Träger in den letzten Jahren deutlich in Deutschland von unterschiedlichen Trägern differenziert. Bemerkenswert ist der relativ hohe lancierten Projekte zur interkulturellen Öffnung ist Anteil an Projekten, die von Vereinen jugendlicher die Ebene, auf der sie angesiedelt sind. Der größte Teil Migrantinnen und Migranten durchgeführt werden. der bisherigen Maßnahmen betrifft die individuelle, Dies ist ein Indiz dafür, dass sie sich zunehmend quali- pädagogische Ebene. Hier sind etwa Veranstaltungen fizieren und partizipieren (wollen) und als Akteure oder Veröffentlichungen zur Sensibilisierung der der Jugendverbandsarbeit Anerkennung finden. Der Mitglieder von Jugendverbänden zu nennen. Einen ebenfalls hohe Anteil an Jugendringen lässt auf die relativ hohen Anteil machen darüber hinaus Bedeutung der Ringe als Motoren und Unterstützer Maßnahmen auf der strukturellen, innerverband- von Jugendvereinen bei der Implementierung und lichen Ebene aus. Sie fokussieren eine strukturelle Initiierung von neuen Themen schließen. Veränderung der Verbände. Ob und inwieweit dies Daten allerdings nicht geschlossen werden. Einige Förderliche und hemmende Faktoren der interkulturellen Öffnung Organisationen haben darüber hinaus auf der Wenngleich bislang keine wissenschaftlichen (jugend)politischen Ebene eigene Leitlinien zur inter- Ergebnisse vorliegen, die Gründe für den Erfolg bzw. kulturellen Öffnung entwickelt, etwa der Kreisjugend- Misserfolg bisheriger Maßnahmen der inter- ring Nürnberg-Stadt oder der Bayerische Jugendring. kulturellen Öffnung identifizieren, lassen sich dennoch bislang gelungen ist, kann aus den vorliegenden einige Faktoren benennen, die eine interkulturelle Ein überwiegender Teil der bekannten Projekte Öffnung der Jugendverbandsstrukturen befördern bzw. ist aktionsorientiert und umfasst beispielsweise erschweren können. 142 D – Gesellschaftliche Integration Vereinsexterne förderliche Faktoren das Aspekte aus dem Bereich der Vereins- und Vielfach spielen externe Anreize wie spezifische Jugend(bildungs)arbeit thematisiert. Dazu gehören Fördermittel oder gesellschaftspolitische Diskurse, Strukturen der Vereinsarbeit, Vereinsrecht, Projekt- die auch Auswirkungen auf die Diskussionsprozesse management, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und innerhalb der Jugendverbandsarbeit haben, Finanzierung. Im Wesentlichen geht es dabei um eine wesentliche Rolle bei der Konzipierung von Maß- Empowerment von Vereinen von Jugendlichen mit nahmen einzelner Jugendverbände. Gezielte Migrationshintergrund sowie darum, die organisa- Fördermaßnahmen können die Vereine dazu torischen und finanziellen Hürden des Vereinslebens motivieren, spezielle Projekte zu entwickeln oder Bil- zu meistern, um so eine nachhaltige und selbstorga- dungsangebote in Anspruch zu nehmen, was ohne nisierte Jugend(bildungs)arbeit zu entwickeln. Neben externe Anreize häufig nicht möglich wäre. Zudem den Seminaren wurde ein Flyer unter dem Titel können die Diskurse in den Dachverbänden zur „Durch den Dschungel der Vereinsarbeit“ publiziert, Implementierung von Maßnahmen zur interkultu- der die wesentlichen Arbeitsthemen kompakt bündelt. rellen Öffnung in den Verbänden beitragen. Zudem wurden individuelle Beratungs- und Coachinggespräche sowie eine Reihe dezentraler Seminare für Aufgrund ihrer Komplexität und Langfristigkeit ist einzelne Vereine junger Migrantinnen und Migranten die interkulturelle Öffnung ein Prozess, der nicht durchgeführt (vgl. http://www.idaev.de). über die aktuelle Regelarbeit der einzelnen Jugendverbände abgedeckt werden kann. Haupt- und Finanzielle Förderung und Hauptamtlichkeit ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter spielt auch bei der Strategie des Empowerments benötigen professionelle Qualifizierung und eine von Vereinen jugendlicher Migranten eine ent- externe Begleitung der Prozesse. scheidende Rolle. Aufgrund ihres Status quo (Ehrenamtlichkeit, keine lange Vereinstradition, Die Jugendbildungsstätte Unterfranken des Bezirks- kaum Erwachsenenverbände mit Mentorenrolle, jugendrings Unterfranken bildet „interkulturelle wenig Kontakte zu anerkannten Jugendverbänden Coaches“ für die Jugendarbeit aus, bietet Seminare zur und deren Interessensvertretungen) sind sie auf interkulturellen Öffnung an und begleitet Öffnungs- gezielte Unterstützung angewiesen. Förderlich prozesse von Jugendverbänden und -ringen mit sind Projektzusammenhänge, die spezifische För- einem eigens zu diesem Zweck entwickelten 6-Stufen- derung – insbesondere aber nicht ausschließlich auf Programm (vgl. http://www.jubi-unterfranken.de). finanzieller Ebene – für Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zur Verfügung stellen. Auch bei dem maßgeblich vom BMFSFJ geförderte Informations- und Dokumentationszentrum für Anti- Vereinsinterne förderliche Faktoren rassismusarbeit e.V. (IDA), einem Fachverband von Da interkulturelle Öffnung als Prozess auf den ge- derzeit 27 Jugendverbänden, steht die Entwicklung samten Verband angelegt sein sollte, ist es hilf- und Begleitung von Prozessen der interkulturellen reich, wenn dieser von Beginn an auf mehreren Öffnung im Zentrum. Das IDA bietet u. a. Beratung Ebenen verankert wird. Sowohl haupt- und ehren- und Unterstützung von Jugendverbänden an, die sich amtlich Aktive wie lokale und überregionale interkulturell öffnen wollen sowie die Organisation Ebenen sollten in den Prozess einbezogen werden, und Durchführung von Seminaren und Schulungen um ein möglichst umfassendes Bild der Herausforder- zur interkulturellen Öffnung. Zudem hat das IDA ungen und Veränderungsbedarfe entwickeln zu die eigenen Verbandsstrukturen für VJM geöffnet können und zu gewährleisten, dass die Konzeption (aktuell sind der Bund der Alevitischen Jugendlichen, nicht an den Realitäten der Praxis vorbei ent- die DIDF-Jugend sowie die Deutsche Jugend aus wickelt wird. Erfolgversprechend sind Maßnahmen, Russland, DJR-Mitgliedsverbände aus dem Spektrum die durch einen hohen Grad an Beteiligung ausge- der VJM-Mitglieder). Seit 2001 entwickelte das IDA zeichnet sind, auch Jugendliche mit Migrations- ein spezielles Qualifizierungskonzept für Vereine von hintergrund und Vereine jugendlicher Migranten Jugendlichen mit Migrationshintergrund, einbeziehen und langfristig ausgerichtet sind. 143 D – Gesellschaftliche Integration Seit über 25 Jahren organisiert das Jugendwerk der der Jugendarbeit wie auch die finanzielle Förderung Arbeiterwohlfahrt Niederrhein verbandliche Aktivi- bei der Schaffung hauptamtlicher Stellen. Hierzu täten von Kindern und ehrenamtliches Engagement werden Kooperationsstrukturen zwischen aner- von Jugendlichen. Das Bundesamt für Migration und kannten Vereinen und Vereinen von Jugendlichen Flüchtlinge hat das Projekt „IMUS – Integration mit Migrationshintergrund aufgebaut. Zudem von Migrantinnen und Migranten und (Spät)Aussiedle- wollen die im Landesjugendring aktiven Vereine rinnen und (Spät)Aussiedlern in die Jugendverbands- ihre Konzepte zum interkulturellen Lernen und zur arbeit“ des Jugendwerks der AWO gefördert. Ziel des interkulturellen Öffnung weiterentwickeln. Um die Projekts war die Integration von Jugendlichen mit verschiedenen Organisationsebenen miteinander Migrationshintergrund in die Jugend(verbands)arbeit zu verbinden, werden drei Stadtjugendringe modell- und ihre Qualifizierung zu Multiplikatorinnen und haft beim Prozess der interkulturellen Öffnung Multiplikatoren. Durch aufsuchende Jugendarbeit unterstützt. Gleichzeitig werden Fortbildungen konnten die Mitarbeiterinnen des Projekts Jugend- angeboten, um die Idee der interkulturellen Öffnung liche mit vorwiegend russischen Migrationshinter- in die Stadtjugendringe und Ortsgruppen zu tragen. grund gewinnen. An diese Phase der aufsuchenden Der Interkulturelle Selbstcheck des Landesjugend- Jugendarbeit schloss sich eine Phase der klassischen rings ermöglicht auch Vereinen auf Lokalebene ohne Jugendarbeit an, mit dem Ziel der Gruppenkon- hauptamtliche Unterstützung einen niederschwel- solidierung. Das Jugendwerk der AWO bot der Gruppe ligen Zugang zu diesem Thema. Das Projekt wird Qualifizierungsseminare und Unterstützung in durch das Ministerium für Generationen, Familie, verschiedenen Bereichen an. Die auf Bezirksebene Frauen und Integration des Landes Nordrhein- begonnene Öffnung des Jugendwerks der AWO blieb Westfalen finanziert und von der Fachhochschule auch bundesweit nicht ohne Folgen. 2004 brachte das Köln begleitend evaluiert. Jugendwerk der AWO Niederrhein auf dem Bundeskongress einen Antrag zur interkulturellen Öffnung Jugendverbände haben den Anspruch, „offen für des Jugendverbandes ein. alle“ zu sein. Es besteht jedoch teilweise eine Diskrepanz zwischen diesem Anspruch und der Ferner erweist es sich als förderlich, Projekte einzelner Vereinspraxis. Dort, wo Jugendvereine offen und Jugendverbände in größere Projektzusammenhänge selbstreflexiv mit diesem Widerspruch umgehen einzubetten, um möglichst große Synergieeffekte und ihre Vereinspraxis auf Exklusionsmechanismen erzielen zu können. Dort, wo beispielsweise Jugend- hin untersuchen und diese zu verändern versuchen, ringe als Initiatoren von größeren Projektzusam- kommen Prozesse der Öffnung besser in Gang. menhängen agieren, lässt sich eine Verbreitung der Projekte bei vielen Jugendverbänden beobachten. Der Stadtjugendring Stuttgart (SJR) engagiert sich seit vielen Jahren im Bereich der interkulturellen Ein Beispiel für die Umsetzung eines Öffnungs- Öffnung. Im Laufe des Prozesses wurden und prozesses von zwei voneinander unabhängigen werden alle Komponenten einer interkulturellen Organisationsebenen ist das „Projekt Ö“ in Öffnung berücksichtigt: Er förderte aktiv Vereine Nordrhein-Westfalen. Es wird vom Landesjugendring von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, Nordrhein-Westfalen und seinen Kooperations- änderte seine Strukturen und initiierte zahlreiche partnern, den kommunalen Jugendringen Bochum, pädagogische Projekte. Die Mitglieder des Stadtju- Siegen und Wuppertal, durchgeführt. Im Rah- gendrings Stuttgart betrachten die interkulturelle men des Projekts Ö will der Landesjugendring Öffnung als Prozess, in dem sie „das Thema Inter- Nordrhein-Westfalen Vereine von Jugendlichen mit kulturalität immer wieder aufgreifen, überprüfen Migrationshintergrund gezielt unterstützen um und weiterentwickeln“. sie mittelfristig in den Landesjugendring zu integrieren und an seinen Ressourcen teilhaben zu Der SJR hat bereits früh ein eigenes Referat ein- lassen. Dies betrifft insbesondere Informationen gerichtet, das Jugendgruppen in Migrantenvereinen über Strukturen und rechtliche Rahmenbedingungen pädagogisch begleiten, sie qualifizieren und unter- 144 D – Gesellschaftliche Integration stützen und den Aufbau neuer Gruppen anregen feriert werden. Wenn Projekte der interkulturellen und fördern soll. Es entstand neben eine Struktur, in Öffnung von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der sich bestehende Vereine jugendlicher Migranten der Jugendverbände zusätzlich zu den normalen etablierten und die eher losen Zusammenschlüsse Regelaufgaben durchgeführt werden, ohne dass gestärkt wurden. Durch diese gezielte Förderung explizit hauptamtliche Stellen zur Verfügung stehen, konnten die Vereine die Arbeitsweisen eines Jugend- kann dies ebenfalls Prozesse der Öffnung behindern. rings in einem geschützten Raum kennenlernen. In den 90er Jahren wurde die parallele Struktur Für Vereine von Jugendlichen mit Migrations- aufgebrochen: Durch eine Satzungsänderung wurde hintergrund ist es von Bedeutung, ob sie als kleinen Vereinen die Aufnahme in den SJR Stuttgart positive und legitime Vereine, oder als segregativ ermöglicht. Der SJR Stuttgart unterstützte die wahrgenommen werden. In ländlichen Gegenden Vereine jugendlicher Migranten bei der Verfassung existieren darüber hinaus nur wenige Räume, in von Vereinssatzungen und führte sie individuell denen sich Jugendliche mit Migrationshintergrund in die Arbeit des SJR Stuttgart ein. Die quantitative organisieren können. Öffnung des SJR Stuttgart war schon Ende der 1990er Jahre abgeschlossen. Vereinsinterne hemmende Faktoren Die notwendige Langfristigkeit von Prozessen der Im weiteren Verlauf konzentrierte sich der SJR auf interkulturellen Öffnung kann in der Praxis mit den die qualitative Öffnung und initiierte zahlreiche Vereinsrealitäten kollidieren: Der Vereinsalltag ist pädagogische Projekte. Die Fachbereiche Fortbil- häufig nicht auf langfristige Maßnahmen ausge- dung und Interkulturelles wurden miteinander ver- richtet, sondern auf Projekte, die für Jugendliche in knüpft. Jugendleiterinnen und Jugendleiter aus einem begrenzten zeitlichen Rahmen durchführbar Vereinen von Jugendlichen ohne Migrationshinter- sind. Langfristigkeit kann besser auf der Ebene der grund wurden so für die interkulturelle Öffnung Verbandsfunktionäre und der hauptamtlich Be- ihres eigenen Verbandes sensibilisiert. Die Doppel- schäftigten gewährleistet werden, über die viele Ver- strukturen, Vereine von Jugendlichen mit Migrati- eine aber nicht in ausreichendem Maß verfügen. onshintergrund auf der einen Seite, die deutschen Verbände auf der anderen Seite, wurden in allen Erschwerend kann es außerdem sein, wenn Bereichen aufgehoben. interkulturelle Öffnung als Einzelprojekt implementiert wird und nicht als Organisations- Der SJR Stuttgart nutzte ein Qualitätsentwicklungs- entwicklungsprozess angelegt ist, der Selbstbild projekt des Landesjugendrings um Kriterien der und Struktur des Vereins als solchen betrifft. interkulturellen Öffnung in einen Qualitätsentwick- Organisationsentwicklungsprozesse stellen Vereine lungsprozess einzubinden. Interkulturelle Öffnung vor die Herausforderung, eine Balance zwischen wurde überprüfbar und messbar. Die Überprüfung notwendiger Veränderung und gleichzeitiger mündete in die Leitlinien für die interkulturelle Erhaltung des Vereinsprofils zu finden. Dabei kann Arbeit des SJR Stuttgart. Eine Überprüfung der Fach- es zu einer Verunsicherung der Vereinsmitglieder und Dienstleistungsbereiche im SJR Ende 2004 ergab, kommen, die sich wiederum hemmend auf den dass Migrantengruppen in allen Bereichen integriert Öffnungsprozess auswirken kann. sind und das Serviceangebot wahrnehmen. Auch räumliche Aspekte können die interkulturelle Vereinsexterne hemmende Faktoren Öffnung erschweren: Wenn ein Jugendverband vor Hinderlich für eine interkulturelle Öffnung der Ort nicht in Stadtteilen und sozialen Räumen agiert, Jugendverbände sind teilweise die durch bestehende in denen Kinder und Jugendliche mit Migrationshin- Förderkriterien vorgegebenen Rahmenbedingungen, tergrund leben, kann der Zugang zu den Commu- wie etwa die zeitlich begrenzte Projektförderung. nities von Menschen mit Migrationshintergrund Häufig können nach dem Abschluss eines Projekts erschwert werden. Der Zugang zur Zielgruppe der erzielte Erfolge schwer in den Vereinsalltag trans- Kinder und Jugendlichen mit Migrationshintergrund 145 D – Gesellschaftliche Integration gehört zu den größten Herausforderungen einer inter- Entwicklung hat zu einer Diskussion über die Zusam- kulturellen Öffnung. Dabei gilt es mit einem menarbeit von Akteuren der außerschulischen und Dilemma umzugehen: Durch die Fokussierung auf schulischen Jugendarbeit geführt. Zunehmend Jugendliche mit Migrationshintergrund werden engagieren sich Einrichtungen der außerschulischen möglicherweise Differenzen erst hervorgebracht, die Jugendbildung, auch Jugendverbände, in Schulen. vorher nicht virulent waren. Auch kann erfolgreiche Zahlreiche lokale Jugendringe sind z. B. in Ganz- interkulturelle Öffnung für die Verbände bedeuten, tagsschulen für die Betreuung am Nachmittag zum sich mit den – nicht immer offensichtlichen – Ex- Beispiel in Schülercafés verantwortlich. klusionsmechanismen innerhalb der Jugendverbände auseinandersetzen zu müssen. Eine Studie zur Partizipation und Positionierung von Menschen mit Migrationshintergrund und Auch eine – wahrgenommene oder tatsächliche – Migrantenorganisationen in Rheinland-Pfalz aus Konkurrenzsituation durch die Einbeziehung von dem Jahr 2008 kommt zu dem Schluss, dass die Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshinter- Zusammenarbeit von Migrantenorganisationen grund in die Strukturen der Jugendverbandsarbeit und Schulen im Kontext der Ganztagsschule eine kann die interkulturelle Öffnung erschweren. gute Möglichkeit darstellt, bürgerschaftliches Insbesondere dann, wenn vorhandene Fördermittel Engagement von Menschen mit Migrationshinter- von Jugendringen nicht proportional zur Anzahl grund zu aktivieren. Allerdings sind solche der Mitgliedsvereine steigen, sondern auf immer Kooperationen bisher relativ gering ausgeprägt.157 neue Vereine umverteilt werden müssen. Der Zu den Kooperationspartnern im Bereich der zumeist geringe Bekanntheitsgrad vieler Vereine interkulturellen Bildung zählen bisher vorwiegend von Jugendlichen mit Migrationshintergrund anerkannte Akteure der Jugendarbeit. kann die Kooperation zwischen anerkannten Jugendverbänden und Vereinen jugendlicher Bevor das Projekt „Jugendarbeit Friedrich-Ebert- Migranten erschweren. Sie sind zudem nicht immer Schule“ im Januar 2008 startete, gab es im Stadtteil als eigenständige Vereine organisiert, sondern Nordwest von Elmshorn, der durch einen hohen etwa als (unselbstständige) Jugendabteilungen von Migrantenanteil geprägt ist, viele Probleme Migrantenorganisationen. Eine Mitgliedschaft im mit Vandalismus. Auf Initiative und unter der Jugendring kann dadurch erschwert werden. Trägerschaft des Einwandererbunds e.V. (Mitglieder aus 19 Nationalitäten) wurden Konzepte für eine 2.2.1 Förderung der Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in an erkannten Jugendverbänden offene, pädagogische Freizeitgestaltung erarbeitet und umgesetzt, die eine Begleitung, Beschäftigung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen auf dem Schulhof der Friedrich-Ebert- Schule vorsehen. Ein wichtiger Aspekt der interkulturellen Öffnung der Dabei wurden gezielt auch Eltern angesprochen Jugendverbände ist die stärkere Nutzung der An- und einbezogen. gebote der Vereine durch Jugendliche mit Migrationshintergrund. Sie sind gegenwärtig seltener Mitglied Durch diese Form der Zusammenarbeit zwischen in anerkannten Jugendverbänden, nutzen dafür Kommune und Migrantenorganisation konnten aber häufig Einrichtungen der offenen Jugendarbeit die Vandalismusprobleme beseitigt werden. bzw. offene Angebote von Jugendverbänden. Viele Dabei spielten insbesondere die Kooperationen Jugendverbände arbeiten bereits erfolgreich mit und die Netzwerkarbeit eine Rolle: Gemein- solchen Angeboten und sind zudem Träger offener sam mit der nahe gelegenen Hauptschule Koppel- Jugendclubs und Jugendhäuser. damm werden im Rahmen einer AG junge Jugendliche verbringen einen großen Teil ihrer Zeit in der Schule, dies hat sich mit der Einführung von Ganztagsschulen noch einmal verstärkt. Diese 146 157 Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen Rheinland-Pfalz (Hg.) (2008): Die Partizipation und Positionierung von Migrantinnen und Migranten und ihren Organisationen in Rheinland-Pfalz. Forschungsbericht zum Projekt, Mainz, S. 41. D – Gesellschaftliche Integration Menschen zu Schulhofbetreuer-Assistenten mit Partnern durchführt. Elmshorn fördert das ausgebildet. Sie betreuen einmal wöchentlich Jugendangebot mit einer halben pädagogischen eine der Schulen im Stadtteil. Eine Ideenwerkstatt, Stelle, zudem stehen die Räumlichkeiten der eine mehrtägige Kinderolympiade, Stadtteil- Schule kostenlos zur Verfügung. Weitere finanzi- feste, Aktionen zum Weltkindertag oder Work- elle Unterstützung bekommt das Projekt von drei shops zur Interkulturellen Begegnung sind Geldinstituten und dem Kriminalpräventivenrat weitere Angebote, die das Projekt gemeinsam Schleswig-Holstein. Empfehlungen Status Quo feststellen und Ausschlussmechanismen identifizieren Angebote interkulturell öffnen und Zugang zu Jugendlichen mit Migrationshintergrund verbessern Um den in vielen Jugendverbänden bereits Angebote von Jugendverbänden sollten so gestaltet begonnenen Prozess der interkulturellen Öffnung sein, dass auch Jugendliche mit Migrationshinter- weiter voranzubringen, sollten die erheblichen grund sich angesprochen fühlen und diese aktiv Potenziale und Möglichkeiten der Jugendverbands- mitgestalten können. Die gemeinsame Entwicklung arbeit offensiv deutlich gemacht werden. Bei der neuer Angebote durch Jugendliche mit und ohne Fortentwicklung der interkulturellen Öffnung Migrationshintergrund ist dabei zentral. sollten sich die Handelnden in den Verbänden auch der (subtilen) Ausschlussmechanismen bewusst Jugendverbände sollten gezielt Strategien entwickeln, werden, die Angebote der Jugendverbandsarbeit in um eventuelle Vorurteile und Hemmungen bei ihrer Wirkung einschränken und Jugendliche mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Vereinen Migrationshintergrund gegebenenfalls ausgrenzen jugendlicher Migranten abzubauen und so eine können. Entsprechend müssen Akteure der größere Zahl von Jugendlichen mit Migrationshinter- Jugendverbandsarbeit selbstkritisch ihre Angebote grund mit ihrer Arbeit anzusprechen. und die Strukturen der jeweiligen Institutionen hinterfragen und nach Wegen suchen, damit sich Jugendverbände sollten die offenen Angebote der Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker von Jugendarbeit ausbauen und weiterentwickeln, der Jugendverbandsarbeit angesprochen fühlen. da diese Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders gut erreichen. Folgende Rahmenbe- Umsetzungshinweis: Standortbestimmung Jugendverbänden wird die Anwendung (bzw. Weiterentwicklung) von sogenannten Interkulturellen Selbstchecks (ISC) empfohlen. Die ISC bestehen aus einem Fragenkatalog, der Verbandsstrukturen, Verbandspolitik, Öffentlichkeitsarbeit, Freizeitangebote sowie Bildungs- und Fortbildungsangebote im Hinblick auf die Teilhabe von Menschen mit Migrationshintergrund und die Sensibilisierung der Mitglieder für den Themenkomplex Integration / interkulturelle Öffnung hinterfragt. ISC können eine erste hilfreiche dingungen sind förderlich, um Jugendliche mit Migrationshintergrund zu erreichen: Niederschwelligkeit des Zugangs Verankerung im sozialräumlichen Umfeld der Jugendlichen Bereitstellung individueller Mitgestaltungsmöglichkeiten Möglichkeit, Angebote ohne Vereinsmitgliedschaft wahrnehmen zu können Kooperationen von Jugendverbänden und anderen Einrichtungen der offenen Jugendarbeit Möglichkeit sein, den Status Quo festzustellen und daraus resultierende Veränderungsmöglichkeiten Interkulturelle Öffnung korreliert teilweise mit der zu entwickeln. Anregung hierzu kann der Öffnung für Jugendliche aus prekären Lebens- Interkulturelle Selbstcheck des Landesjugendrings bedingungen. Um diese Zielgruppen zu erreichen Nordrhein-Westfalen bieten. müssen besondere Zugangswege entwickelt 147 D – Gesellschaftliche Integration werden. Hilfreich können dabei der Dialog und die setzes – gezielt Personen mit Migrationshinter- Zusammenarbeit mit Trägern von Projekten und grund in Stellenausschreibungen zur Bewer- Maßnahmen sein, die sich an diese Zielgruppe bung aufzurufen und sie bei Neueinstellungen richten bzw. aufsuchende Jugendarbeit anbieten. angemessen zu berücksichtigen. Empfohlen wird eine intensivere Zusammenarbeit von Aktive interkulturell schulen Jugendverbänden mit Schulen und Migrantenorgani- Die Qualifizierung von haupt- und ehrenamtlich sationen. Dadurch können auch neue Zielgruppen Aktiven der Jugendarbeit durch Fortbildungen erschlossen werden. Eine Kooperation mit Schulen zu interkulturellem Lernen und interkultureller verschiedener Schulformen bietet die Möglichkeit, ge- Öffnung ist eine hilfreiche Maßnahme zur Qualitäts- zielt auch auf Kinder und Jugendliche aus bildungs- steigerung und Unterstützung der interkulturellen fernen Kontexten in Haupt-, Real-, oder Förderschulen Öffnung in den Jugendverbänden. Empfohlen zuzugehen, die häufig von den Angeboten der Jugend- wird hierzu die Aufnahme entsprechender – obligato- arbeit nicht angesprochen werden und sich nicht in rischer – Fortbildungsangebote in die bundesland- Jugendverbänden engagieren. spezifische Jugendleiterausbildung (Jugendleiter- 158 Card / Juleica). Alle Schulungen sollten dabei stets Umsetzungshinweis: Jugendliche mit Migrationshintergrund für Jugendvereine gewinnen auch Möglichkeiten zur Selbstreflexivität beinhalten. Zugänge zu Vereinen entstehen in der Regel durch Freunde oder Familienmitglieder. Es wird daher Gefördert werden sollten darüber hinaus mehr Multi- empfohlen, Kooperationen mit Migrantenorganisa- plikatorenausbildungen für interkulturelles tionen (etwa Elternvereine und Religionsgemein- Lernen und interkulturelle Öffnung in der verband- schaften) einzugehen, um Eltern zu erreichen und lich organisierten Jugendarbeit. über Freizeitangebote und außerschulische Lernmöglichkeiten in Jugendvereinen zu informieren. Die Jugendbildungsstätte Unterfranken hat in einem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Um Jugendliche mit Migrationshintergrund für die geförderten Projekt haupt- und ehrenamtlichen Mit- Angebote der Jugendvereine zu gewinnen, sollte arbeiterinnen und Mitarbeitern in Jugendverbänden weniger auf schriftliche Informationsmaterialien und -ringen, der Stadtjugendämter sowie weiterer und mehr auf direkte Ansprache zurückgegriffen Träger der offenen Jugendarbeit „Bildungsschecks werden. Eine Möglichkeit dazu kann etwa die zur interkulturellen Öffnung“ angeboten. Diese Vorstellung der eigenen Vereinsarbeit in Schulen, bei Bildungsschecks sollten es den Einrichtungen ermög- Stadtteilfesten oder ähnlichen Veranstaltungen sein. lichen, ihren Bedürfnissen entsprechende personelle Leistungen im Bereich der interkulturellen Öffnung Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter mit Migrationshintergrund als Funktionsträger in Vereinen stärken bzw. Qualifikation bei der Jugendbildungsstätte Die Zusammensetzung der haupt- und ehrenamt- anträge stellen zu müssen. Ein Eigenanteil entfiel für lichen Mitarbeitenden eines Jugendverbands die teilnehmenden Einrichtungen. Unterfranken abzurufen, ohne dabei eigene Förder- sollte mit Blick auf die Einbeziehung von Menschen Es wird empfohlen, – unter Beachtung der Vor- Jugendverbände themenbezogen vernetzen und Beispiele guter Praxis austauschen gaben des Allgemeinen Gleichbehandlungsge- Ein verstärkter Austausch von Jugendverbänden über mit Migrationshintergrund analysiert werden. Maßnahmen interkultureller Öffnung kann dazu 158 Anknüpfungspunkte hierzu bietet etwa das Programm „Kooperation von Jugendarbeit und Ganztagsschule“ des Landesjugendrings Rheinland-Pfalz. Im „Positionspapier der hessischen Jugendverbände zur Ganztagsschule in Hessen“ beziehen darüber hinaus die im Hessischen Jugendring organisierten Jugendverbände Position und fordern verbindliche Strukturen und Rahmenbedingungen für eine Kooperation zwischen Jugendhilfe und Schule. 148 beitragen, neue Anregungen zu geben. Jugendverbände, die bisher wenig Zugang zu Prozessen der interkulturellen Öffnung gefunden haben, können auf diese Weise wichtige Anstöße zur Aktivierung einer interkulturellen Öffnung erhalten. D – Gesellschaftliche Integration Eine solche thematische Vernetzung ist – über das be- Erforderlich ist ein Erfahrungsaustausch und Dialog stehende Netzwerk interkultureller Jugendverbands- der verschiedenen staatlichen Zuwendungsgeber arbeit und -forschung hinaus – zu unterstützen, um auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene über auch Verbände zu erreichen, die sich bislang nicht mit Modelle, Praktiken und Herausforderungen der dem Thema auseinandergesetzt haben. interkulturellen Öffnung. Zur Vernetzung sollten auch neue Medien, wie Inter- Interkulturelle Öffnung erfordert die Bereitstellung von netplattformen, genutzt werden. Einen Ansatzpunkt personellen und finanziellen Ressourcen in Jugend- bietet die Datenbank des Fachverbandes IDA e. V., ringen und Jugendverbänden. Um den Prozess der auf welcher Jugendverbände Initiativen und Projekte interkulturellen Öffnung langfristig sicherzustellen zur interkulturellen Öffnung vorstellen können. und eine fachkompetente Begleitung zu gewährleisten, ist die Beschäftigung hauptamtlicher Mitarbeiter Umsetzungshinweis: Vernetzung unumgänglich. Hierzu ist die gezielte Bereitstellung Eine Vernetzung ist sowohl horizontal zwischen den von Finanzmitteln durch die Regelförderung der einzelnen Jugendverbänden notwendig als auch Kinder- und Jugendpläne als auch durch zusätzliche vertikal zwischen Jugendringen und Mitgliedsver- Projektförderung notwendig. bänden auf den unterschiedlichen Ebenen (lokal, regional, landes- und bundesweit), die bisher oft Eine externe Begleitung und Beratung von Jugendver- unabhängig voneinander agieren. Die großen Dach- einen und -ringen durch Fachleute aus dem Bereich verbände und Jugendringe können hier (weiterhin) der interkulturellen Organisations- und Personalent- unterstützend agieren und die Notwendigkeit wicklung kann hilfreich sein, um die verschiedenen der interkulturellen Öffnung in Ausschüssen, Bundes- Schritte zur interkulturellen Öffnung professionell zu und Landeskonferenzen bekräftigen. unterstützen. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen Im Jahr 2007 wurde zwischen dem Land Baden- und Jugend fördert das Modellprojekt „JiVE – Jugend- Württemberg und den dortigen Jugendverbänden ein arbeit international – Vielfalt erleben“ und arbeitet Bündnis für die Jugend vereinbart. Das Bündnis fördert dabei mit Partnern wie der Fachstelle für internatio- die bereits 2006 gestartete Integrationsoffensive in der nale Jugendarbeit und der deutschen Nationalagentur Kinder- und Jugendarbeit, im Rahmen derer Projekte „Jugend für Europa“ zusammen. JiVE besteht aus drei zur interkulturellen Öffnung der offenen und der Teilprojekten: verbandlichen Kinder- und Jugendarbeit unterstützt „Interkulturell on Tour“, durch das nachhaltige Kooperationsstrukturen zwischen Organisationen der internationalen Jugendarbeit und Migranten(selbst)organisationen aufgebaut werden sollen; dem Europäischen Freiwilligendienst, in den verstärkt Jugendliche mit Migrationshintergrund und Migrantenorganisationen eingebunden werden sollen; bilateralen Fachkräfteprogrammen, die die Qualifizierung von Fachkräften der internationalen Jugendarbeit und der Migrationsarbeit befördern sollen. werden. Die Integrationsoffensive beruht auf der Übereinkunft der Verantwortlichen der Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten und des Landesjugendrings Baden-Württemberg, die bislang getrennten Förderprogramme der Integrationsarbeit für verbandliche und offene Jugendarbeit in einem gemeinsamen Kooperationsprojekt zusammenzuführen. Mit den jährlich insgesamt 100 000 Euro sollen Träger vor Ort bei der Planung und Umsetzung ihrer Integrationsprojekte fachlich beraten und finanziell unterstützt werden. Zudem wurde eine Projektfachstelle mit 40 Pro- Unterstützende Maßnahmen von staatlichen Stellen und Mittelgebern bereitstellen zent Stellenumfang geschaffen. Interkulturelle Arbeit der Jugendverbände sollte Insgesamt wurden im Förderzeitraum 2006/2007 durch begleitende Maßnahmen unterstützt werden. 16 Projekte, im Förderzeitraum 2007/2008 19 Projekte Dabei sollten staatliche Stellen und Mittelgeber vor Ort gefördert. Die maximale Fördersumme pro folgende Aspekte beachten: Projekt betrug für den Projektzeitraum 2006/2007 149 D – Gesellschaftliche Integration 3 500 Euro, in der laufenden Periode 4 000 Euro. Die Integration und interkulturelle Arbeit in den Mittel- Projekte werden als erfolgreich eingeschätzt, da punkt stellen. So besteht zum Beispiel das Förder- es gelungen sei, die Netzwerkbildung auf Landes- wie programm „ Integration in die Jugendarbeit“ bereits Bundesebene voranzubringen sowie Kooperationen seit mehr als 10 Jahren und unterstützt Jugend- mit Migrantenorganisationen und spezifische verbände und Jugendringe. Gefördert werden Angebote zu schaffen, die auf die Ressourcen von niederschwellige Maßnahmen und Projekte, welche Jugendlichen mit Migrationshintergrund ausgerichtet die Integration und Selbstorganisation Kinder und sind (vgl. http://www.integrationsoffensive.de). Jugendlicher mit Migrationshintergrund fördern. Hierfür verfügt das Programm über ein Budget Der Bayerische Jugendring vereint in seinem von 165 000 Euro pro Jahr. Das Aktionsprogramm, Aktionsprogramm „Integration“ unterschiedliche welches für 2002 bis 2007 angesetzt war, wurde von Förderprogramme und Projekte, die die Themen 2008 bis 2012 verlängert. (Vgl. http://www.bjr.de) 2.2.2 Integration von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Jugendverbandsstrukturen Neben der Öffnung von Jugendverbänden für Jugend- unterstützen und den Vereinen von Jugendlichen liche mit Migrationshintergrund sollte auch die mit Migrationshintergrund Hilfe bei Etablierung Integration bereits bestehender Vereine jugendlicher und Aufbau von effektiven Strukturen bieten. Auch Migranten in die Jugendverbandsstrukturen ange- diese Ebene der interkulturellen Öffnung ist ein strebt werden. langfristiger Prozess. Handlungsleitendes Prinzip 159 Jugendliche mit Migrationshinter- grund sind bereit, sich gesellschaftlich zu engagieren im Umgang mit Vereinen von Jugendlichen mit und zu partizipieren. Dies sollten Politik, zuständige Migrationshintergrund sollte die Anerkennung der Behörden und die anerkannten Jugendverbände Potenziale der Jugendlichen und der Vereine sein. Empfehlungen Kooperationen zwischen Jugendverbänden / -ringen und Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund stärken Erfolgversprechend ist die Implementierung von Ko- hinaus gesellschaftspolitische oder thematische operationsstrukturen und Projekten zwischen Übereinstimmungen haben. Zudem sollten sich anerkannten Jugendverbänden und Vereinen von beide Partner vorab über Form und Intensität der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Dabei Zusammenarbeit verständigen. kann ein Transfer der im Rahmen von Projekten der internationalen Jugendarbeit gewonnenen Erkennt- Um Kooperationen mit Vereinen von Jugendlichen nisse über Kooperationen hilfreich sein. mit Migrationshintergrund aufzubauen, sollten 160 diese zunächst über die Strukturen der Jugendhilfe Voraussetzungen für gelingende Kooperationen bzw. über Jugend(verbands)arbeit informiert sind, dass die Verbände bereits Prozesse der werden. Durch aktive und gezielte Informations interkulturellen Öffnung angestoßen und darüber arbeit der anerkannten Jugendverbände über 159 Neben diesen Empfehlungen, gelten analog die zum Thema „Migrantenorganisationen als Akteure der Integrationsförderung“ entwickelten Handlungsempfehlungen. 160 Siehe Erfahrungsbericht des vom BMFSFJ geförderten Projektes «InterKulturell on Tour», www.interkulturell-on-tour.de 150 Möglichkeiten, Formen und Inhalte der Jugendarbeit, können Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund auch an der Ressource „Wissen“ partizipieren. D – Gesellschaftliche Integration Zum Aufbau von Kooperationen ist es hilfreich, Jugendverbandsarbeit sollte als Förderziel in wenn hauptamtliches Personal des Jugend- die Kinder- und Jugendpläne von Bund und Ländern ringes bzw. -verbandes zur Unterstützung des aufgenommen werden. Die Jugendringe sollten weniger etablierten Partners zur Verfügung darüber hinaus in die Lage versetzt werden, auf gestellt wird. die neuen Herausforderungen der Integration von Selbstorganisationen junger Migrantinnen und Umsetzungshinweis: Aufbau von Kooperationen Migranten flexibel zu reagieren. Bewährt haben sich die aktive Suche nach Kooperationspartnern und das aktive Zugehen auf ein- Jugendringe auf Bundes-, Landes-, Kreis- und lokaler zelne Vereine. Dabei sollten etablierte Verbände die Ebene sollten nach Möglichkeiten suchen, Vereine beschränkten (personellen, zeitlichen und von Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Infrastruktur betreffenden) Ressourcen der vor- mit unterschiedlichen Organisationsgraden in die nehmlich ehrenamtlich arbeitenden Vereine von Ringstrukturen zu integrieren. Dies sollte sowohl Jugendlichen mit Migrationshintergrund berücksich- durch die Ermöglichung von Mitgliedschaft als tigen. Vereine junger Migrantinnen und Migranten auch durch niederschwellige Beteiligungsformen sollten wiederum die Bereitschaft zu strukturierten erreicht werden. Insgesamt sollten die Zugangsbe- Arbeitsprozessen mitbringen. So können Situationen dingungen zu Jugendringen diskutiert, überprüft der momentanen Überforderung verhindert werden. und gegebenenfalls modifiziert werden. Folgende Strategien werden vorgeschlagen: Bei der Initiierung erster gemeinsamer Aktivitäten der Verbandsmitglieder sollte die Durchführung Jugendringe sollten neben Ressourcen für die Weiter- auf niederschwelliger Ebene und auf Augenhöhe bildung bzw. Juleica-Schulungen der eigenen angesiedelt sein. Mitglieder auch Ressourcen für Vereine jugendlicher Migrantinnen und Migranten bereitstellen, damit ein Bei der Initiierung von verbindlichen Kooperationen Dialog auf gleicher Augenhöhe möglich wird. Arbeits- sollten auf Leitungsebene zunächst Kriterien für kreise in Jugendringen sollten geöffnet werden. mögliche Partnerverbände aufgestellt werden. Wenn konkrete Kooperationen geplant sind, sollten Jugendringe können über die Möglichkeit weiterer beide Partner überlegen, auf welchen Ebenen niederschwelliger Förderungen informieren, ohne zusammengearbeitet werden soll, wie intensiv die sogleich die Kriterien für eine Mitgliedschaft zu Zusammenarbeit sein soll und welchem Verband verändern. welche Aufgaben zukommen sollen. Insbesondere die Übernahme der Formalitäten (z. B. Mittel- Jugendringe sollten auch neue und niederschwel- bewirtschaftung) kann vom etablierten Träger lige Modelle der Mitgliedschaft entwickeln, z. B.: übernommen werden. Unterstützung sollte auch zur Verankerung nachhaltiger Strukturen nach Projektende angeboten werden. Entsteht der Wunsch nach verbindlicher Zusammenarbeit, kann der Jugendring oder –verband die Mittelakquise für gemeinsame Projekte übernehmen. Wichtig ist dabei die gemeinsame Planung und Umsetzung. Partizipation von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Ringstrukturen stärken Die Integration von Selbstorganisationen junger Migrantinnen und Migranten in die Strukturen der Anschlussmitgliedschaften mit beschränkten Rechten für Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund, bis die Kriterien einer Vollmitgliedschaft sowie die formale Anerkennung als Träger der Kinder- und Jugendhilfe erfüllt sind Vollmitgliedschaft auf Probe, die nach einem festgelegten Zeitraum im Hinblick auf die Möglichkeiten einer dauerhaften Vollmitgliedschaft überprüft wird Schnuppermitgliedschaften ohne Mitgliedsbeiträge für einen begrenzten Zeitraum Aktiv teilnehmende bzw. im Ring engagierte Verbände können automatisch als Mitglieder angesehen werden 151 D – Gesellschaftliche Integration Der Landesjugendring Schleswig-Holstein e.V. hat anderen wird das Netzwerk in der Öffentlichkeit 2010 den Beschluss gefasst, Integration und Inklusion ideell durch prominente Patinnen und Paten unter- in der Jugendarbeit speziell bei den Jugendver- stützt aus den Bereichen Kultur, Sport und Politik bänden zu stärken. Konkrete Zielsetzungen sind, (z. B. Vertreterinnen und Vertreter von Landesmini- jungen Menschen mit Migrationshintergrund die sterien, Landrätinnen und Landräten, Bürgermeiste- Partizipation im Verbandsbereich zu ermöglichen, rinnen und Bürgermeistern). eine Öffnung für Einzelpersonen bzw. für Gruppen und Initiativen anzustreben, bestehende Angebote Das Netzwerk wurde von und für Schülerinnen und entsprechend auszurichten und gegebenenfalls Schüler initiiert, die aktiv gegen Diskriminierung neue zu entwickeln. Ganz konkret wurde 2010 der und im Besonderen gegen Rassismus vorgehen und Bund der Allevitischen Jugendlichen in Deutsch- dadurch zu einer gewaltfreien, demokratischen land – Regionalverband Norden – als Vollmitglied Gesellschaft beitragen wollen. Die Mitgliedschaft im in den Landesjugendring aufgenommen. In einem Netzwerk setzt eine Beteiligung von mindestens Leitantrag bekennen sich die Mitgliedsverbände des 70 Prozent aller direkten Angehörigen einer Schule Landesjugendrings zu einer Kultur der Vielfalt und voraus. Unterstützt wird das Netzwerk durch eine dazu, junge Menschen mit Migrationshintergrund Bundes- sowie Landeskoordinationsstellen. Eine verstärkt in ihre Arbeit einzubeziehen. nachhaltige Engagementförderung wird durch die finanzielle Unterstützung der Koordinationsstellen Kooperation und Vernetzung vor Ort verstärken durch verschiedene Akteure auf Bundes- und Eine stärkere Vernetzung von Vereinen von Landesebene) ermöglicht (vgl. http://www.schule- Jugendlichen mit Migrationshintergrund, Jugend- ohne-rassismus.org). verbänden, Einrichtungen der offenen Jugendarbeit, der Migrationsarbeit, Migrantenorganisationen und Die Einbeziehung der Kompetenz und Expertise der von Schulen vor Ort ist sinnvoll, um die Zielgruppe Vereine jugendlicher Migrantinnen und Migranten in der Jugendlichen besser zu erreichen und den jugendpolitische Fragestellungen stärkt die Partizipa- fachlichen Austausch über erfolgreiche Modelle der tion und Anerkennung. Vereine von Jugendlichen mit Jugendarbeit zu verbessern. Migrationshintergrund sollten daher noch stärker Ein Projekt, das an der Förderung des bürgerschaft- neben ist es auch von Bedeutung, dass sich die in lichen Engagements in der Schule ansetzt und dabei Netzwerken beteiligten Organisationen auch (jugend) auch durch seine Zusammenarbeit mit anderen politisch für die Teilhabe von Vereinen von Jugend- Institutionen und Organisationen vor Ort profitiert, lichen mit Migrationshintergrund einsetzen, etwa ist das bundesweite Schüler-Netzwerk „Schule durch das Verfassen gemeinsamer Stellungnahmen. in vorhandene Netzwerke aufgenommen werden. Da- ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Das Projekt beschäftigt sich seit 1995 mit interkulturellen Frage- Da Vereine von Jugendlichen mit Migrationshinter- stellungen aus der Perspektive der Diskriminierung grund vor allem auf lokaler Ebene häufig nicht und ist mittlerweile mit über 550 beteiligten Schulen bekannt sind, ist eine aktive Recherche der Organi- das größte Schüler-Netzwerk in Deutschland. Es baut sationen zunächst notwendige Voraussetzung mit dem Ansatz der nonformalen Bildung auf die für Vernetzung und Kooperationen. Hilfreich wäre klassischen Rahmenbedingungen der Jugendarbeit, die (Selbst-)Präsentation von Vereinen auf einer Partizipation, Freiwilligkeit, Engagement und öffentlich zugänglichen Datenbank – analog zu der Verantwortung, auf. Das Projekt wird bereits von bei IDA e.V. angesiedelten Plattform zum Austausch vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund über interkulturelle Projekte. aktiv mitgestaltet. Dabei wird zum einen mit Schulen unterstützen, insbesondere Jugend(freizeit) Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund interkulturell öffnen einrichtungen, Integrationsbeauftragte, Migran- Neben der Förderung der Partizipation von Jugend- tenorganisationen und Jugendringe vor Ort. Zum lichen mit Migrationhintergrund in anerkannten Partnerorganisationen kooperiert, die die Arbeit der 152 D – Gesellschaftliche Integration Verbänden, ist auch die Öffnung der Vereine Jugend die Aufnahme in die Landesjugendringe an. jugendlicher Migrantinnen und Migranten selbst Sie kooperiert mit Verbänden und Organisationen Teil der interkulturellen Öffnung der Jugend- wie der Naturfreundejugend Deutschlands, der verbandsarbeit. Allerdings kann von gerade Gewerkschaftsjugend, der Caritas oder Schülerver- entstehenden Vereinen nicht unmittelbar erwartet tretungen. In Nordrhein-Westfalen unterstützt die werden, dass sie sich vor ihrer Konsolidierung DIDF die Arbeitsgruppe interkulturelle Öffnung des schon für Mitglieder anderer Herkunftsgruppen Landesjugendrings. öffnen. Man sollte ihnen für diesen Prozess daher ausreichend Zeit geben. Jugend(verbands)arbeit in Migrantenorganisationen aufbauen Um im Sinne der interkulturellen Öffnung mit Die stärkere Vernetzung und Kooperation von an- anerkannten Jugendverbänden auf Augenhöhe erkannten Trägern der Jugendverbandsarbeit kooperieren zu können und in Netzwerken, mit Migrantenorganisationen kann dazu beitragen, Dachverbänden, Projektbeiräten und Fachorgani- dass sich mehr Jugendliche mit Migrationshinter- sationen mitarbeiten zu können, ist weiteres Enga- grund selbst organisieren. Dieser Ansatz ist auch gement gefragt. Alle Empfehlungen, die sich an deshalb sinnvoll, weil Migrantenorganisationen Ju- anerkannte Jugendverbände, Weiterbildungsträger gendliche mit ihren Angeboten bislang häufig sowie Mittelgeber richten und die Partizipation nicht erreichen. von Vereinen junger Migrantinnen und Migranten verfolgen, unterstützen gleichzeitig deren interkul- Das Land Hamburg fördert beim Dachverband der turelle Öffnung (vgl. D.2.1.2). internationalen Jugendverbände eine Vollzeitstelle zur Beratung und Unterstützung der Vereine Um die interkulturelle Öffnung des eigenen Ver- und Jugendverbände. Dabei geht es insbesondere eines voranzubringen, können Vereine von um die Förderung der Selbstorganisation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund fol- Jugendlichen mit Migrationshintergrund sowie um gende Strategien verfolgen: die Koordinierung von Vereins und Nationalitäten Kooperationen mit anderen Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund Kooperationen mit anerkannten Jugendverbänden Anschluss an Dachverbände übergreifenden Aktivitäten. Unterstützung und Förderung von Jugendarbeit in Migrantenorganisationen durch anerkannte Träger der Jugend(verbands)arbeit ist wichtig, weil Ersteren häufig Kenntnisse über Methoden der selbst orga- Toleranz- und Antidiskriminierungsarbeit innerhalb des Vereines nisierten Jugendarbeit und über die Strukturen der Möglichkeiten der Öffnung von Vereinen jugend- Die Weiterbildung von jungen aktiven Nachwuchs- licher Migrantinnen und Migranten können etwa kräften in Migrantenorganisationen sollte durch am Beispiel der Jugendorganisation der Föderation Multiplikatorenschulungen gefördert werden. demokratischer Arbeitervereine (DIDF) dargestellt Hierzu sollten Jugendringe ihre Schulungen für werden: Die DIDF-Jugend versucht eine Brücke Nachwuchskräfte aus Migrantenorganisationen zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrations- öffnen. Dies kann zur interkulturellen Öffnung und hintergrund aufzubauen. Sie engagiert sich in der Verbesserung der Jugendarbeit beitragen. Jugendhilfe fehlen. politischen Bildungsarbeit sowie in den Bereichen Kultur und Sport. Als Teil der deutschen Bürgergesellschaft bemüht sich die Organisation darum, sich in die Strukturen der deutschen Jugendver- Partizipation von Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund durch staatliche Förderung unterstützen bandsarbeit zu integrieren. Sie ist Mitglied in vielen Integration von Vereinen von Jugendlichen mit Stadtjugendringen, auf Landesebene strebt die DIDF- Migrationshintergrund in die Strukturen der 153 D – Gesellschaftliche Integration Jugend(verbands)arbeit sollte in die Kinder- und Ju- Projektförderung sollte im Hinblick auf Vereine gendpläne von Bund und Ländern einbezogen junger Migrantinnen und Migranten nicht nur den werden. Die Regelförderung für die Jugendringe Abbau von Integrationsdefiziten fördern, sondern sollte berücksichtigen, dass Jugendringe für die auch den Aufbau professioneller Jugendarbeit. neue Herausforderung der Integration von Vereinen jugendlicher Migranten in die Ringstrukturen Gefördert werden sollten Kooperationen von Vereinen Unterstützung benötigen. von Jugendlichen mit Migrationshintergrund und von Migrantenorganisationen mit anerkannten Jugend- In Ergänzung zu der Regelförderung könnten verbänden. Wichtig ist dabei die Bereitstellung von Etablierungsbeiträge für kleine Vereine geschaffen Ressourcen (finanziell, strukturell, logistisch), die eine werden. Zusätzlich sollten Fördermodelle entwi- Kooperation mit anerkannten Vereinen ermöglichen. ckelt werden, für deren Inanspruchnahme Vereine jugendlicher Migranten kein hauptamtliches Multiplikatorenschulungen für Nachwuchskräfte Personal brauchen, etwa Multiplikatorenausbil- in Migrantenorganisationen können die Förderung dungen. von Selbstorganisation junger Migrantinnen und Migranten unterstützen. Die interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit sollte in Jugendämtern bzw. in Jugendhilfe- Forschungsdesiderate ausschüssen langfristig verfolgt werden. Vereine Um interkulturelle Öffnungsprozesse nachhaltig und jugendlicher Migrantinnen und Migranten sollten praxisnah unterstützen zu können, werden fundierte neben Jugendringen und -verbänden in den Kenntnisse benötigt. Insbesondere fehlen Untersu- Jugendhilfeausschüssen vertreten sein. Die Vereine chungen, die Grundlagenforschung zu Vereinen von sollten als kompetente Ansprechpartner bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund und ihren migrationspezifischen, kulturellen und religiösen Engagementschwerpunkten leisten (beispielsweise Fragestellungen beteiligt werden. eine bundesweite Bestandsaufnahme dieser Vereine). Auch einzelne Projekte von oder mit Vereinen von Bund, Länder und Kommunen sind wichtige Jugendlichen mit Migrationshintergrund könnten im Partner, um Jugendringe und -verbände bei der Rahmen von Praxisforschung begleitet und hinsicht- interkulturellen Öffnung ihrer Organisationsstruk- lich ihres Beitrags zur Unterstützung interkultureller turen zu unterstützen. Mehrere Ebenen können Öffnungsprozesse bewertet werden. Die Jugendarbeit dabei von Relevanz sein: von Migrantenorganisationen sollte im Hinblick Zuständige Behörden sollten den fachlichen Dialog mit Jugendringen und Vereinen junger Migranten suchen. Neben dem fachlichem Austausch sollte es hierbei auch um die Vereinbarung konkreter Schritte gehen. Die Förderung eines offenen Dialogs zwischen anerkannten Jugendverbänden und Vereinen jugendlicher Migrantinnen und Migranten auf lokaler, Kreis-, Landes- und Bundesebene kann den Abbau gegenseitiger Unkenntnis und/oder Skepsis unterstützen. Hilfreich ist hierfür die Bereitstellung von Strukturen (etwa Finanzierung von institutionalisierten Treffen, Tagungen etc.) und Räumlichkeiten. Weiterbildungen Hauptamtlicher und freiwillig Engagierter zu interkulturellem Lernen und interkultureller Öffnung sollten finanziell gefördert werden. 154 darauf analysiert werden, welche Weiterbildungsangebote Migrantenorganisationen brauchen, um im Bereich der interkulturellen Öffnung qualitativ hochwertige Angebote entwickeln zu können. 155 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen E Qualität sichern, Wirkung feststellen: Evaluation und Qualitätssicherung in der Integrationsförderung 1. Ausgangslage und Herausforderungen Für Projekte und Programme der Integrationsförderung Projektförderung zeigt sich, dass Unklarheiten im Um- in verschiedenen Handlungsfeldern, wie etwa in den gang mit dem Thema Evaluation bestehen und Bereichen Sprache, Bildung, berufliche und gesell- insbesondere Träger kleinerer Projekte oft Schwierig- schaftliche Integration, ist die Qualitätssicherung wäh- keiten haben, Qualitätssicherungs- und Evaluati- rend der Durchführung sowie der Nachweis von onsansätze zu finden, die den Erfordernissen ihres Wirkungen von zunehmender Bedeutung. Auch im Projekts entsprechen. Bei der Weiterentwicklung der Nationalen Integrationsplan (NIP) wird betont, dass Integrationsangebote in Deutschland spielt „Evaluierung und Monitoring wichtige Instrumente des daher auch das Thema Evaluation eine wichtige Rolle Qualitätsmanagements und der Politiksteuerung und wurde im bundesweiten Integrationsprogramm sind. Mit ihnen können beispielsweise Transparenz und aufgegriffen. Da Qualitätssicherung und Evaluation Öffentlichkeit über die komplexen Wirkungszusammen- in allen Handlungsfeldern von Bedeutung sind, werden hänge sowie über Kosten und Nutzen von Integrations- sie hier gebündelt aufgegriffen und Empfehlungen maßnahmen hergestellt werden. Sie tragen zu einer zum Einsatz und zur Durchführung von Evaluationen Qualifizierung von Strategien, Konzepten und Projekten in der Integrationsförderung formuliert. Das Kapitel bei, da in Evaluationsprozessen erkannte Fehlentwick- richtet sich insbesondere an Projektträger, aber auch an lungen zu Umsteuerungen genutzt werden können.“ Mittelgeber in der Integrationsförderung. Die Empfeh- 161 lungen beziehen sich dabei auf die drei genannten Im Sinne einer zielgerichteten Planung, Durchführung Interventionsbereiche – mögliche Schritte der Planung und Bewertung von Projekten, ergeben sich für die und Beratung vor Projektbeginn, unterstützende Evaluation von Programmen und Projekten der Inte- Instrumente und Methoden im Projektverlauf sowie grationsförderung daraus im Wesentlichen drei den Nachweis von Wirkungen am Ende eines Projektes. Aufgabenfelder: Beratungsprozesse vor Projektbeginn, Eingegangen wird auch auf das Integrationsmonito- die Bewertung und Optimierung der Projektdurchfüh- ring und auf Vorstudien zur Projektkonzeption, die rung sowie der Nachweis über die Zielerreichung Grundlage von Evaluationen und Monitoringansätzen bzw. die Wirkungen von Projekten und Programmen sein können. Die Darstellung wird ergänzt durch der Integrationsförderung. Evaluationen tragen Praxisbeispiele verschiedener Evaluationsansätze. damit zu einer bedarfsgerechten Ausrichtung der Projektziele, einem effektiven Ressourceneinsatz während des Projektverlaufs und zum Nachweis der erreichten Wirkungen nach Projektende bei. 1.1 Evaluation von Angeboten der Integrationsförderung in Deutschland Der Begriff Evaluation stammt von dem lateinischen Die großen Programme der Integrationsförderung Wort „valor“, d. h. „Wert“, und der Vorsilbe e/ex ab, und werden heute in der Regel bereits evaluiert (vgl. bedeutet so viel wie „Bewertung“, bzw. einen Wert die Beispiele in diesem Kapitel). Aus der Erfahrung der aus etwas ziehen.162 Grundsätzlich kann Evaluation 161 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.) (2007): a. a. O., S. 121. 162 Meyer, Wolfgang / Höhns, Gabriela (2002): Was ist Evaluation? In: Wissenschaftliche Diskussionspapiere Heft 59. Schriften- reihe des BIBB, Bonn. S. 3. 156 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen als jede methodisch kontrollierte, verwertungs- und von Projekten der Integrationsförderung oft sinnvoll bewertungsorientierte Form des Sammelns, unterstützen, etwa wenn es um die Ermittlung des Auswertens und Verwertens von Informationen be- konkreten Förderbedarfs einer bestimmten Personen- zeichnet werden. Der Begriff bezeichnet dabei gruppe geht. Vorstudien können beispielsweise auch das Resultat des Evaluationsprozesses selbst, auf Grundlage bereits vorliegender Untersuchungen also die Dokumentation der Wertaussagen und und Erfahrungsberichte, Experteninterviews oder Empfehlungen in einem Evaluationsbericht oder -gut- durch standardisierte Befragungen der Zielgruppe er- achten. Im Gegensatz zum Integrationsmonitoring, stellt werden. 163 welches auf der Grundlage ausgewählter und im Zeitverlauf regelmäßig erhobener Indikatoren Aus- Verdeutlicht werden kann der Nutzen einer solchen kunft über den Stand und den Verlauf von Inte- Vorstudie durch das Beispiel einer explorativen grationsprozessen im Allgemeinen geben kann, Vorstudie des Deutschen Jugendinstituts zum Thema kann die Evaluation die Frage nach den Wirkungen „Interkulturelle Kompetenz durch internationale von Integrationsmaßnahmen (Programmen Kinderbegegnung“. Ziel dieser im März 2008 abge- und Projekten) beantworten und deren Umsetzung schlossenen Untersuchung war, neben einer ersten Be- bewerten. standsaufnahme, die Identifikation des programmatischen und anwendungsbezogenen Stellenwerts Ziel von Evaluationen ist es, die Effizienz (tun wir interkultureller Kompetenz bzw. interkultureller Lern- die Dinge richtig?) und die Effektivität (tun wir die prozesse in internationalen Begegnungen für Kinder. richtigen Dinge) Zudem wurden Experteneinschätzungen bezüglich 164 von Projekten und Programmen, den Umsetzungsprozess und seine Ergebnisse zu der Eignung der Altersgruppe für internationale bewerten sowie den Erfolg einer Maßnahme nachzu- Begegnungen und interkulturelle Lernprozesse er- weisen. Weiterhin kann eine Evaluation Aufschluss hoben und Erfahrungen bisheriger internationaler und Informationen über die Wirkungen und die Kinderbegegnungen untersucht. Die Ergebnisse Wirkungszusammenhänge von Projekten geben.165 der Vorstudie stützen die Annahme, dass besonders Die Orientierung auf Wirkungen schon während des Kinder im Alter zwischen acht und zwölf Jahren von Projektverlaufes ist damit ein wichtiges Instrument interkulturellen Lernerfahrungen profitieren. Aus Sicht der Qualitätssicherung für Projekte, da hiermit der befragten Expertinnen und Experten können inter- Hinweise zur Verbesserung der konzeptionellen nationale Kinderbegegnungen einen wichtigen Beitrag und inhaltlichen Ausrichtung aufgenommen und für den Erwerb interkultureller Kompetenz und für den umgesetzt werden können. Abbau fremdenfeindlicher Einstellungen leisten. Unterstützung für eine ziel- und bedarfsorientierte Projektplanung durch Vorstudien haltigkeit internationaler Kinderbegegnungen auf die Entwicklung interkultureller Kompetenz zu gewinnen, Vorstudien bzw. die Ermittlung und damit die Ent- führt das Deutsche Jugendinstitut gegenwärtig – wicklung einer zielgruppengerechten Projektaus- aufbauend auf den Ergebnissen der Vorstudie – eine richtung können Grundlage für Evaluationen Evaluation solcher Projekte durch. Ziel ist es, aus der und Monitoringverfahren sein. Die durch Vorstudien Perspektive der befragten Kinder zu klären, inwiefern gewonnenen Erkenntnisse können jedoch die Planung und unter welchen Bedingungen internationale und inhaltlich passgenaue Ausrichtung Kinderbegegnungen dazu beitragen, interkulturelles 166 Um fundierte Erkenntnisse zum Einfluss und zur Nach- 163 Kromrey, Helmut (2001): Evaluation – ein vielschichtiges Konzept. Begriff und Methodik von Evaluierung und Evaluationsforschung. Empfehlungen für die Praxis. In Sozialwissenschaften und Berufspraxis, Jg. 24, H. 2, S. 106. 164 ISO 9000: 2005. 165 Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (Hg.) (2009): Integration in Deutschland. Erster Integrationsindikatorenbericht: Erprobung des Indikatorensets und Bericht zum bundesweiten Integrationsmonitoring, Berlin. 166 Sanders, James (Hg.) (2006): Handbuch der Evaluationsstandards, Wiesbaden, S. 5. Lernen zu fördern und interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Die Untersuchungsbefunde sollen zur Weiterentwicklung und Qualitätssicherung sowie zur Verbreitung erfolgreicher Programme und Formate beitragen.167 167 Deutsches Jugendinstitut (2009): Interkulturelle Kompetenz durch internationale Kinderbegegnung. Abrufbar unter: http://www.dji.de/cgi-bin/projekte/output.php?projekt=816 157 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen Integrationsmonitoring ranking wird hierüber ausdrücklich nicht angestrebt. Ergänzend zur Evaluation einzelner Integrations- Als Datenquellen dienen u. a. der Mikrozensus, die maßnahmen ist in den letzten Jahren auch das Daten der Statistischen Ämter der Länder und des Integrationsmonitoring bzw. die Integrationsbe- Bundes sowie die Integrationskursgeschäftsstatistik richterstattung von wachsender Bedeutung. des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Die Regelmäßige Erhebungen und Messungen anhand Länder Berlin und Nordrhein-Westfalen werden auf ausgewählter Indikatoren können helfen, den Stand Grundlage des vorliegenden Pilotberichts bis Ende des der Integration in einzelnen Handlungsfeldern fort- Jahres 2010 eine länderübergreifende Auswertung laufend abzubilden. Integrationsmonitoring kann zum Stand der Integration von Menschen mit Migra- dazu genutzt werden, Entwicklungen systematisch tionshintergrund vornehmen. Diese soll zukünftig in zu erfassen, und kann ein wichtiges Instrument zur einem zweijährigen Turnus durchgeführt werden. strategischen Steuerung der Integrationspolitik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene sein. Eine wachsende Zahl von Kommunen hat eine Aussagen über die Wirkung von Projekten oder kommunale Berichterstattung eingeführt bzw. tut Programmen können mit einem Integrationsmoni- dies gegenwärtig. Mit den aus solchen Berichts- toring jedoch nicht direkt nachgewiesen werden. systemen gewonnen Informationen für die Mit Blick auf die Frage der Messbarkeit von Integra- kommunale Ebene können politische Zielsetzungen tionserfolgen sieht der Koalitionsvertrag vor, den und die Zielstellungen von Programmen und Nationalen Integrationsplan zu einem Aktionsplan Projekten der Integrationsförderung an unterschied- mit klar definierten und zu überprüfenden Zielen liche und sich verändernde Bedingungen vor Ort weiter zu entwickeln.168 angepasst werden. Die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement hat zusammen Auf der fünften Integrationsministerkonferenz mit mehreren Kommunen ein Integrationsmonitoring der Länder im März 2010 haben die für Integration erarbeitet. Dabei wurden 27 Indikatoren in 10 Hand- zuständigen Ministerinnen und Minister / Sena- lungsfeldern ausgewählt. Die Handlungsfelder sind, torinnen und Senatoren die Notwendigkeit eines orientiert an den vier Dimensionen der Integration länderübergreifenden Integrationsmonitorings (strukturelle Integration, kulturelle Integration, unterstrichen. Zur Entwicklung und Abstimmung soziale Integration und identifikatorische Integra- eines Kernsets von Indikatoren für ein Integrations- tion) auf die Wirkungen kommunalen Handelns monitoring auf Länderebene wurde bereits 2008 ausgerichtet. Bei der Auswahl der Indikatoren wurde eine länderoffene Arbeitsgruppe „Indikatorenent- besonders berücksichtigt, dass die Erhebung der wicklung und Monitoring“ eingerichtet. Diese hat ein entsprechenden Daten von den Kommunen geleistet Indikatorenset entwickelt und pilothaft in Bayern, werden kann. Der begrenzte Aufwand erhöht die Berlin, Brandenburg, Hessen Nordrhein-Westfalen, Chance auf eine breite Umsetzung des Monitorings in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz erprobt. den Kommunen.169 Ziel des Integrationsmonitorings der Länder ist es, den Auf Bundesebene wurde unter Federführung der Integrationsprozess anhand von validen und nach- Beauftragten der Bundesregierung für Migration, vollziehbaren Indikatoren messbar zu machen. Die 28 Flüchtlinge und Integration im Jahr 2008 ein Indikatoren umfassen neben demographischen Grund- umfangreiches Indikatorenset mit 100 Indikatoren daten zur Zuwanderung und zur Zusammensetzung aus 14 Themengebieten entwickelt, das die Grund- der Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund lage für ein Integrationsmonitoring auf Bundese- auch Kennzahlen aus den Bereichen frühkindliche bene bietet. Im Juni 2009 hat die Beauftragte auf Bildung und Sprachförderung, Schule und Ausbildung, dieser Grundlage den ersten Integrationsindikato- Arbeit und Einkommen, Gesundheit, Wohnen sowie renbericht auf Bundesebene vorgestellt. Der Indi- Kriminalität, Gewalt und Diskriminierung. Ein Länder168 CDU/CSU/FDP (2009): a.a.O., S. 74. 158 169 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanage- ment (2006): Integrationsmonitoring, Materialen Nr. 2/2006. Köln. E – Qualität sichern, Wirkung feststellen katorenbericht beschreibt für ausgewählte Hand- Beispiele einer Handlungsanleitung zur erfolgreichen lungsfelder den Stand der Integration, zeigt Projektdurchführung unter Einbeziehung der erfolgreiche Bereiche und identifiziert weiteren beteiligten Partner und unter Berücksichtigung der Handlungsbedarf. verschiedenen Prozessebenen sind in einer Übersicht 170 der „Aktion zusammen wachsen“ des BMFSFJ und Begleitende Evaluation als Unterstützung der Projektsteuerung der Beauftragten für Migration, Flüchtlinge und Begleitende Evaluationen werden mit dem Ziel zusammengestellt.172 Dort sind die wichtigen durchgeführt, den Verlauf und die erbrachten Bausteine erfolgreicher Projektarbeit wie Organisa- Leistungen einer Maßnahme durch kontinuierliches tion, Vorbereitung, Projektmanagement, Kommuni- Beobachten sicherzustellen. Damit können die kation und Projektabschluss praxisnah aufbereitet. Arbeitsweise eines Projektes transparent dargestellt, Das Qualitätssicherungskonzept umfasst ein Gerüst Informationen über mögliche Probleme der Koope- unterschiedlicher Qualitätskriterien, an denen sich ration und bei Zusammenarbeit der Projektpartner Projektdurchführende orientieren können, sowie ein gesammelt und damit das Erreichen des Projektzieles Raster zur Selbstbewertung und Überprüfung der unterstützt werden. Entsprechende Evaluationen Qualitätskriterien,173 welches für verschiedene Formen können von externen Gutachtern oder von den von Projekten zur Verfügung steht. Die Qualitäts- Projektdurchführenden selbst umgesetzt werden. kriterien sind in zwei übergeordnete Bereiche, Gutachter informieren sich beispielsweise über institutionelle Rahmenbedingungen und unterstüt- Probleme im Projektablauf, analysieren in Projekt- zende Prozesse sowie Begleitung der Partnerschaft, datenbanken erfasste Daten, werten diese aus unterteilt. Institutionelle Rahmenbedingungen und und geben Hinweise zur Verbesserung der Projekt- unterstützende Prozesse beschreiben, ob die defi- durchführung. Wird die begleitende Evaluation nierten Ziele des Projektes von einer durchgeführten von den Mitarbeitern eines Projektes selber durch- Bedarfsanalyse abgeleitetet sind und inwieweit eine geführt, können sie dabei durch projektspezifisch Arbeits- und Budgetplanung für das Projekt erstellt ausgerichtete Handlungsanleitungen unterstützt ist. Das Projektmanagement sowie die einzelnen werden. Schritte der Projektumsetzung können damit durch Integration für Projekte von Bildungspatenschaften ein projektbezogenes Monitoring begleitet und Einen gesetzlichen Auftrag zur begleitenden Eva- unterstützt werden. Das Kriterienraster kann anhand luation hat das Aufenthaltsgesetz für den bundesge- eines Fragebogens – der entlang der Qualitätskriterien förderten Integrationskurs vorgesehen (§ 43 Abs. 5 erstellt ist – von den Projektdurchführenden ausge- AufenthG). Im Auftrag des Bundesministeriums füllt und somit als Checkliste verwendet werden. des Innern hat Rambøll Management im Jahr 2006 diese Evaluation durchgeführt. Dabei standen Bei größeren Programmen der Integrationsförderung vor allem Fragen bezüglich der Durchführung und kommen zur begleitenden Bewertung und ggf. Finanzierung des Integrationskurses (vergleiche Nachsteuerung von Prozessen aufwendigere quanti- Kapitel B) im Mittelpunkt der Untersuchung. tative Steuerungsinstrumente zum Einsatz. So ist Die Evaluation wurde in Form einer 12 Monate zwischen dem Bundesamt für Migration und Flücht- dauernden begleitenden Untersuchung durchge- linge und den Wohlfahrtsverbänden für die führt. Auf Grundlage der Ergebnisse wurde die bundesfinanzierte Migrationsberatung für erwach- Integrationskursverordnung geändert.171 Explizit sene Zuwanderer ein Controlling vereinbart nicht im Fokus der Evaluation stand die Über- worden, das im Jahr 2010 begonnen wurde. Mit dem prüfung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der Controllingkonzept zur Migrationssozialberatung des Integrationskurse. Landes Schleswig-Holstein, das 2007 erstmals in zwei Pilotregionen erprobt wurde, sollen Wirkung 170 Für weitere Informationen zum Indikatorenset sowie zum Integrationsmonitoring auf Bundesebene vgl. http://www.integrationsbeauftragte.de. 171 Bundesministerium des Innern (Hg.) (2006): a. a. O., S. 1. 172 http://www.aktion-zusammen-wachsen.de/index.php?id=78. 173 http://www.aktion-zusammen-wachsen.de/data/downloads/ webseiten/Selbstbewertung_Stufe_1.pdf. 159 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen und Erfolge aufbereitet und transparent gemacht Abschließende Evaluation zum Nachweis von Wirkungen werden. In einem „Zuwanderer-Integrations- Evaluationen können auch am Ende der Laufzeit Management“ (ZIM) sind Oberziele für die Migrations- eines Projekts oder Programms erfolgen. Hier bezieht sozialberatung vereinbart, zu denen Unterziele sich die Evaluation zumeist auf die Bewertung der aus den Bereichen kognitive Integration, ökonomische Zielerreichung und die Überprüfung der erreichten Integration, identifikative Integration und soziale Wirkungen. Ziel einer abschließenden Evaluation Integration benannt werden. Durch die Festlegung kann es dabei sein, einen Zusammenhang zwischen von Kennzahlen und quantifizierbaren Zielgrößen einer Maßnahme und eingetretenen Veränderungen können die Zielrichtung der Integration geschärft, bzw. Wirkungen nachzuweisen. Damit soll zum Stärken und Schwächen im Zusammenspiel der einen die Frage nach dem sachgerechten Einsatz Akteure identifiziert und Verbesserungen angeregt der Fördermittel beantwortet werden. Zum anderen werden. Zu jährlich festgelegten Auswertungs- können damit erfolgreiche und beispielhafte Projekte schwerpunkten fasst das Innenministerium der Integrationsförderung identifiziert werden. Schleswig-Holstein die Erkenntnisse aus den vierteljährlichen Erhebungen in Berichten zusammen.174 Besonders bei Projekten der sprachlichen Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, gibt es Auch viele Kommunen setzen Evaluationsansätze und eine Vielzahl von Untersuchungen zur Wirkung der Controllingverfahren zur fortlaufenden Verbesserung Programme, d.h. zur Entwicklung des Sprachstandes der eigenen Integrationsförderung ein, um die in den der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. So hat die Kommunen vorhandenen Angebote enger aufei- Stiftung Mercator eine breit angelegte Wirkungseva- nander abzustimmen und damit ihre Wirksamkeit zu luation des von ihr unterstützten Förderunterrichts verbessern. So zum Beispiel in den Städten Arnsberg, durchgeführt. Der Mercator-Förderunterricht zielt Essen, Wuppertal und dem Kreis Paderborn. Die auf die sprachliche und fachliche Unterstützung Stadt Herten hat im Jahr 2005 ihre Integrationsarbeit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshin- neu ausgerichtet und für verschiedene Handlungs- tergrund der Sekundarstufen I und II sowie auf die felder der Integrationsarbeit gemeinsam mit allen be- berufspraktische Vorbereitung zukünftiger Lehrer. teiligten Partnern Ziele formuliert und diese in Lehramtsstudierende bieten außerschulischen einem Integrationskonzept zusammengefasst. Eine Unterricht an, der für die Schüler kostenfrei ist. Die Wirksamkeitsüberprüfung der Integrationsarbeit Studierenden werden für diese Aufgabe von ihrer in Herten hat gezeigt, dass damit alle laufenden Hochschule in speziellen Seminaren vorbereitet und Aktivitäten im Bereich der Integrationsförderung begleitet. Die Evaluation des Projektes durch das zielorientiert gesteuert werden können und ein Europäische Forum für Migrationsstudien unter- funktionierendes Netzwerk zwischen den Akteuren sucht die Wirkung dieser Förderung. Die Ergebnisse der Integrationsarbeit aufgebaut wurde. sind dabei durch den Vergleich mit einer Kontroll- 175 176 gruppe abgesichert. Den Ergebnissen zufolge Die genannten Beispiele der begleitenden Evalua- trägt der Förderunterricht erheblich zur Verbesse- tion zeigen, dass Ansätze und Kriterien für be- rung der Schulleistung in Deutsch, Mathematik und gleitende Evaluationen immer auf die individuellen Englisch bei. Schülerinnen und Schüler mit Mi- Gegebenheiten eines Projekts oder Programms grationshintergrund konnten von der Förderung ausgerichtet und angepasst sein müssen. durch Studierende der gleichen ethnischen Herkunft besonders profitieren. Die im Projekt als Förder- 174 Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (2007): Wirkung und Erfolge der Migrationssozialberatung, Controllingkonzept. 175 Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen (2007): Integration als Chance für Nordrhein-Westfalen und seine Kommunen. Potenziale nutzen – aus Erfahrungen lernen. 176 Vgl. http://www.integration-herten.de sowie Stadt Herten (Hg.) (2009): Integrationsarbeit der Stadt Herten. Wirksamkeitsüberprüfung durchgeführt durch die KGSt. 160 lehrkräfte eingesetzten Lehramtsstudierenden stufen den persönlichen und professionellen Nutzen des Projekts als sehr hoch ein.177 177 Europäisches Forum für Migrationsstudien (2009): Förderunterricht für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund. Evaluation des Projekts der Stiftung Mercator. Bamberg. E – Qualität sichern, Wirkung feststellen Die vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) produ- menden gewonnen werden.180 Ergebnisse zur Entwick- zierte „Sendung mit dem Elefanten“ richtet sich mit lung der Sprachkenntnisse werden nach Abschluss der altersgemäßen Bildungsinhalten gezielt an Vor- dritten Befragungswelle im Jahr 2010 vorliegen. schulkinder. Um die Bildungsinhalte auch für Vorschulkinder mit Migrationshintergrund zu öffnen, Extern evaluiert wurde das „Akademikerprogramm“ wurden umfangreiche Begleitmaterialien zur der Otto Benecke Stiftung, das Weiterqualifizie- gezielten Sprachförderung erstellt (DVDs, Hörbücher, rungen für zugewanderte Akademikerinnen und Aka- Begleitinformationen für Sprachförderkräfte). demiker anbietet. Im Rahmen dieser Evaluation, Damit soll ein medial unterstütztes Förderkonzept die durch Rambøll Management durchgeführt wurde, geschaffen werden, welches in Kindertagesstätten wird durch die Befragung (ehemaliger) Stipendiaten und in Familien zur Anwendung kommt. Zur parallel zur Durchführung des Programms, neben der Überprüfung der Eignung und Effizienz der Begleit- Zufriedenheit der Teilnehmenden mit den Kursen materialien wurde das Institut für Empirische Mehr- und der finanziellen Förderung, auch die Wirksamkeit sprachigkeitsforschung der Universität Mannheim des Programms untersucht. Damit sollte insbesondere mit einer Evaluation beauftragt. Die vom BMFSFJ in die Frage beantwortet werden, inwieweit durch das Auftrag gegeben Studie untersucht die Eignung der Programm auch eine qualifikationsadäquate beruf- Materialien für die Sprachförderung, die praktische liche Integration erreicht wird.181 178 Umsetzbarkeit der Materialien und die Zuwächse der Sprachkompetenzen der Kinder. Der Nachweis von Evaluation spielt auch auf der Ebene einzelner Veränderungen der Sprachkompetenz (Wirkungen) (kleinräumiger) Integrationsprojekte eine wichtige bei Kindern, die mit den Fördermaterialien gelernt Rolle. Bei kleineren Projekten kann die Projektarbeit haben, steht im Mittelpunkt der Untersuchung. Diese auch durch Formen der Selbstevaluation begleitet sollen durch eine Zeitreihenuntersuchung (Vorher- und abgebildet werden, z. B. durch regelmäßige Nachher- Untersuchung) sowie durch entsprechende Projektberichte oder die turnusmäßige Einschät- linguistische Methoden analysiert werden.179 zung aller Projektbeteiligten zum Stand der Projektumsetzung. Grundsätzlich ist beim Einsatz Die Evaluation der Umsetzung des bundesgeförderten von Evaluationen jedoch zu bedenken, dass nicht Integrationskurses durch die Firma Rambøll für alle Projekte und Initiativen eine Evaluation Management wurde ergänzt durch eine Untersuchung auch wirklich sinnvoll ist. Bei kleineren Projekten der Wirkung der Kurse. Im Rahmen der wissen- gilt es hier, den Aufwand und Nutzen abzuwägen. schaftlichen Begleitforschung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wird dazu das Evaluationsprojekt „Integrationsverlauf von Integrationskursteilnehmern“ durchgeführt. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Veränderung der Sprachkenntnisse von Integrationskursteilnehmerinnen und -teilnehmern. Um diese zu untersuchen, wird in einer 2. Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Evaluation im Bereich der Integrationsförderung Längsschnittstudie eine Gruppe von Teilnehmenden sowie von Nicht-Teilnehmenden (Kontrollgruppe) an Mit den folgenden Empfehlungen sollen Vorschläge drei verschiedenen Zeitpunkten (bzw. zwei im Fall für die Weiterentwicklung und Förderung der der Kontrollgruppe) zur Entwicklung des Sprachstandes Evaluation im Bereich der Integrationsförderung befragt. Damit sollen vor allem Erkenntnisse über gemacht werden. Die Anwendung verschiedener die Veränderung der Deutschkenntnisse der Teilneh- Evaluationsinstrumente in Projekten und Programmen soll dabei als ein „Kann“ und kein „Muss“ verstanden werden. 178 http://www.mazem.uni-mannheim.de/projekte/evaluationsstudie_sprachfoerderung_mit_dem_elefanten/index.html. 179 Siehe hierzu die Reihe Bildungsforschung des BMBF: http://www.bmbf.de/publikationen/2713.php 180 Rother, Nina (2008): a. a. O., S. 11. 181 http://www.bmbf.de/pub/abschlussbericht_evaluation_akp.p 161 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen Absicht der Empfehlungen ist es, einen Beitrag zur wie Projektträger, Auftraggeber, Evaluatoren und Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses andere Beteiligte die Besonderheiten des „Evalua- von Evaluation im Bereich der Integrationsförde- tionsgegenstandes Integrationsförderung“ ange rung zu leisten und Vorschläge dafür zu entwickeln, messen berücksichtigten können. Empfehlungen Bedarfsgerechte Evaluationsformen planen Projektträger und Mittelgeber sollten zu Beginn keine zusätzlichen, nicht leistbare Aufgaben eines Projektes oder Programms gemeinsam entstehen. Bei Bedarf sollten sie für die jeweils er- entscheiden, ob und wenn ja, welche Evaluations- forderlichen Ansätze der Selbstevaluation fort- ansätze für das Projekt gewählt werden. gebildet werden. Projektträger und ggf. Mittelgeber sollten zudem vor Projektbeginn gemeinsam Vor Beginn eines Projektes sollten zwischen dem Erwartungen, Anforderungen und den beste- Mittelgeber und dem Projektträger gemeinsam die henden Bedarf zum Thema Selbstevaluation Ziele und Erwartungen an die Evaluation verein- identifizieren, so dass bei Bedarf projektbezogene bart werden. Beim Einsatz externer Evaluatoren Inhalte und Workshops zum Thema angeboten sollten Projektträger, Mittelgeber und Evaluatoren werden können. gemeinsam die Ziele und Erwartungen der Evaluation abstimmen und vereinbaren. Zielgerichtete Projektumsetzung durch begleitende Evaluationen sicherstellen Die Bedeutung, Möglichkeiten und Grenzen von Um zu einer effektiveren Ressourcensteuerung Evaluation im Bereich der Integrationsförderung beizutragen sollten begleitende Evaluationen sollten den Akteuren der Integrationsförderung folgende Bereiche des zu untersuchenden Projekts / vermehrt kommuniziert werden. Praxis und Programms einbeziehen: Forschung der Evaluation sollten es stärker als ihre Aufgabe auffassen, Mittelgeber und Träger Finanzielle Mittel über die Möglichkeiten und Grenzen von Evalu- Sachmittel ation im Bereich der Integrationsförderung zu Fortbildung des Personals informieren und damit zur Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses von Evaluation Begleitende Evaluationen können darüber hinaus im Bereich Integrationsförderung beitragen mit Aussagen zu folgenden Aspekten die Projekt- und falschen Erwartungen an Evaluationen umsetzung unterstützen: vorbeugen. Selbstevaluation als niederschwelligen Evaluationsansatz nutzen Instrumente der Selbstevaluation sollten von Trägern verstärkt genutzt werden. Hierbei sollte sichergestellt werden, dass seitens des Projektträgers Rückkopplung von ersten Erfolgen, Ergebnissen und Schwierigkeiten Bewertung der Zusammenarbeit der beteiligten Akteure innerhalb und außerhalb des Projekts / Programms Zeitorganisation dafür ausreichend Know-how, Personal und Arbeitszeit zur Verfügung steht bzw. entsprechendes Know-how durch Schulungen aufgebaut wird. Umsetzungshinweis: Bewertung der Zusammenarbeit Eine laufende Bewertung der Zusammenarbeit kann Durch Maßnahmen im Bereich der Selbstevaluation beispielsweise durch turnusmäßige Gesprächs- und der laufenden Bewertung der Projektumset- runden zu den Stärken und Schwächen der Zusam- zung, sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern menarbeit erfolgen und ggf. durch schriftliche 162 E – Qualität sichern, Wirkung feststellen Vereinbarungen zum weiteren Vorgehen ergänzt Der gegebenenfalls erforderliche methodische und werden. Auch andere Ansätze der Selbstevaluation empirische Arbeitsaufwand einer Wirkungs- können hier unterstützend eingesetzt werden. evaluation sollte schon bei Projektbeginn berücksichtigt werden. Zur Unterstützung der zielorientierten Arbeit eines Projekts / Programms können anhand von Prozessindikatoren Erkenntnisse über die „Leistung“ Umsetzungshinweis: Frühzeitige Planung von Wirkungsevaluationen gewonnen werden. Hierzu sollten zentrale Daten Bereits zu Beginn eines Projekts kann hierzu etwa zu den erreichten Personen, systematisch beispielsweise eine Projektdatenbank aufgebaut dokumentiert werden. werden, in die Informationen zu den Teilnehmenden aufgenommen werden, so dass diese bei Das systematische Benennen und Dokumentieren einer späteren schriftlichen oder mündlichen Be- von mittel- und langfristigen Projektzielen, der fragung kontaktiert werden können. Der dafür dafür erforderlichen Schritte und, soweit möglich, erforderliche finanzielle und personelle Aufwand quantifizierbarer Werte für diese Ziele können eine sollte in die Projektplanung einbezogen werden. kontinuierliche Überprüfung der Projektumsetzung und damit die Zielerreichung eines Projekts / Rolle der Evaluatoren festlegen Programms unterstützen. Evaluatoren von Angeboten der Integrationsförderung müssen über ausreichendes Kontextwissen Umsetzungshinweis: Prozessindikatoren zu diesem Themenbereich und den jeweiligen Prozessindikatoren sollten an den Unterzielen und den Zielgruppen verfügen, um das Zusammenwirken Oberzielen eines Projekts / Programms ausgerichtet einzelner Faktoren bewerten zu können. sein. Unterziele sind mittelbare Ziele, die zur Erreichung der Oberziele beitragen. Soweit möglich, können feste Zielgrößen für Ober- und Unterziele benannt werden, die in bestimmten Zeiträumen zu erreichen sind. Durch die laufende Beobachtung der Prozessindikatoren und den kontinuierlichen Abgleich der geplanten Zielgrößen können die Projektumsetzung laufend überprüft und der aktuelle Stand der Projektumsetzung abgebildet werden. Dies kann auch als Controlling bezeichnet werden. Wirkungen durch Schlussevaluationen nachweisen Im Rahmen einer Wirkungsevaluation können besonders eindeutige Aussagen über die Wirkung von Programmen / Projekten gewonnen werden, wenn man der Frage nachgeht, was ohne die Intervention des Projektes geschehen wäre. Hierzu hat sich der Einsatz von Kontrollgruppen und damit der Vergleich einer Gruppe, die Teil des Projekts war und einer, bei der dies nicht der Fall war, bewährt. Für die Validität der Ergebnisse ist es von Bedeutung, dass die ausgewählte Vergleichsgruppe und die teilnehmende Gruppe in relevanten Merkmalen übereinstimmen. 163 F – Zusammenfassung F Zusammenfassung: Zentrale Themen und Empfehlungen des bundesweiten Integrationsprogramms Im Rahmen des bundesweiten Integrationspro- Integrationsangebote kontinuierlich weiterentwickeln gramms haben Vertreterinnen und Vertreter staat- Integrationsangebote sollten kontinuierlich weiter- licher und zivilgesellschaftlicher Institutionen entwickelt werden, um auf geänderte Erfordernisse und Organisationen unter der Federführung des und Rahmenbedingungen reagieren zu können. Bundesamts für Migration und Flüchtlinge über Eine fachliche Begleitung und regelmäßige Überprü- Handlungsbedarfe und Möglichkeiten zur Weiter- fung der Ergebnisse und Wirkung von Programmen entwicklung der Angebote der Integrationsför- und Projekten trägt maßgeblich dazu bei, Angebote derung beraten. Im Fokus der Arbeiten standen die noch stärker an den Bedürfnissen der Zielgruppe zu Handlungsfelder sprachliche Integration, Bildung orientieren und einen effizienten Einsatz von Förder- und gesellschaftliche Integration sowie über- mitteln zu gewährleisten. Die Wirkung von Integra- greifende Fragestellungen, etwa interkulturelle tionsförderung hängt zudem in besonderem Maß Öffnung und Antidiskriminierung, Evaluation und von der Bereitschaft der Beteiligten zur Kooperation Qualitätssicherung, Vernetzung von Akteuren und Abstimmung von Zielen, aktuellen Angeboten und Angeboten sowie Förderung des bürgerschaft- und künftigen Vorhaben ab. Zur Weiterentwicklung lichen Engagements. der Integrationsarbeit ist es weniger erforderlich, eine Vielzahl neuer Stellen und Einrichtungen zu Entstanden ist eine Vielzahl konkreter Empfehlungen schaffen. Vielmehr muss es darum gehen, die Arbeit zur bedarfsgerechten Ausrichtung und stärkeren in den aktuellen Strukturen zu verbessern. Koordinierung von Integrationsangeboten. Diese sollten nicht die Handlungsfelder in ihrer Breite Beispiel hierfür ist die kontinuierliche Qualitäts- abbilden; vielmehr sollten einzelne Aspekte heraus- entwicklung des Integrationskurses des Bundes: gegriffen werden, für die ein besonderer Handlungs- Das Konzept des Integrationskurses nach § 43 bedarf besteht. Mit diesen praxisbezogenen Vor- Aufenthaltsgesetz wurde auf der Grundlage einer schlägen soll ein Beitrag zur Stärkung der aktiven Evaluation, einer engen Abstimmung der beteilig- Teilhabe und Mitgestaltung von Menschen mit ten Institutionen und einer fachlichen Begleitung Migrationshintergrund in den Bereichen Sprache, durch eine Bewertungskommission kontinuierlich Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und Gesellschaft weiterentwickelt. Mit der Differenzierung in sechs geleistet werden. Von besonderer Bedeutung ist Kurskonzepte wurde unterschiedlichen Lernbe- dabei die Förderung und Einbeziehung ihrer Kompe- dürfnissen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer tenzen und Ressourcen. Dies spiegelt sich auch im Rechnung getragen. Dieser Prozess zeigt: Die Entstehungsprozess der Empfehlungen wider, in den kontinuierliche Fortentwicklung von Angeboten Migrantinnen und Migranten und ihre Organisati- trägt maßgeblich dazu bei, sie erfolgreicher zu onen zu jedem Thema eingebunden waren. machen. Im Folgenden werden zentrale Empfehlungen zu den Handlungsfeldern zusammengefasst. Ausführ- Deutschkenntnisse früh und umfassend fördern – Herkunftssprachen nutzen liche Analysen der einzelnen Themen, vertiefende Deutschkenntnisse sind als Grundlage für einen Empfehlungen und Vorschläge zu ihrer Umsetzung erfolgreichen Bildungsweg, den Zugang zum Arbeits- sind in den entsprechenden Kapiteln B bis E dieser markt und gelingende Integration entscheidend. Nicht Publikation dargestellt. allein alltags-, sondern gerade auch bildungssprach- 164 F – Zusammenfassung liche Deutschkenntnisse sind hierfür Voraussetzung. Ihr Erwerb erfordert jedoch eine langfristige, kontinuierliche Förderung. Durchgängige sprachliche Bildung, die Brüche im Lern- und Bildungsprozess tungen und Schulen sein. Eltern sollten konkrete Anleitung dafür erhalten, den Deutscherwerb ihrer Kinder zu unterstützen. vermeidet und unterschiedliche Lernorte einbezieht, Qualifizierung des pädagogischen Personals ausbauen gewinnt in diesem Zusammenhang an Bedeutung. Ein Modul „sprachliche Bildung“ bzw. eine Zusatzausbildung für Erzieherinnen und Erzieher sollte verpflichtend eingeführt werden, um ein vielfältiges Repertoire zur Sprachstandsfeststellung, sprachlichen Bildung und zum Umgang mit Mehrsprachigkeit zu vermitteln. Entsprechende Fort- und Weiterbildungsangebote können von den Fachschulen für Sozialpädagogik angeboten werden. Der Umgang mit der wachsenden Zahl von Kindern und Jugendlichen mit Deutsch als Zweitsprache stellt Bildungseinrichtungen und pädagogisches Personal vor große Herausforderungen. Er erfordert spezifische Kompetenzen, die Bestandteil von Aus-, Fort- und Weiterbildung sein müssen. Die Vermittlung von ausbildungs- und berufsbezogenen Deutschkenntnissen ist zu einem wichtigen Bestandteil der beruflichen Bildung und Weiterbildung geworden. Neben guten Deutschkenntnissen können auch Herkunftssprachenkenntnisse eine wichtige Ressource für bestimmte Bereiche des Arbeitsmarkts sein. Folgende Empfehlungen sind in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, die in Kapitel B vertiefend dargestellt sind: Bildungssprachliche Deutschkenntnisse früh und umfassend fördern Damit Kinder und Jugendliche mit Deutsch als Zweitsprache schul- und bildungsrelevante sprachliche Fähigkeiten in verschiedenen Themen- und Wissensbereichen ausbilden können, muss in allen Unterrichtsfächern eine systematische, koordinierte Vermittlung der Bildungssprache Deutsch erfolgen. Kinder und Jugendliche, die ergänzenden Deutschförderbedarf haben um dem Fachunterricht erfolgreich zu folgen, sollten zusätzliche, qualifizierte Lernangebote zur Stärkung ihrer bildungssprachlichen Kompetenzen erhalten. Die Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen, Grund- und weiterführenden Schulen sowie zwischen speziellen Förder- und Regelangeboten zur sprachlichen Bildung sollte verstärkt und systematisiert werden, um die Nachhaltigkeit von Lernerfolgen zu sichern. Geschehen kann dies etwa durch gemeinsame Fortbildungen des pädagogischen Personals oder Lernportfolios, die Lernstand und -fortschritte der Kinder im Zeitverlauf dokumentieren. Eltern in die Sprachentwicklung der Kinder einbeziehen Eine intensive Zusammenarbeit mit Eltern zum Thema sprachliche Bildung sollte Bestandteil der pädagogischen Arbeit von Kindertageseinrich- In die Ausbildung von Lehrkräften aller Fachrichtungen sollte ein Modul „sprachliche Bildung“ verpflichtend aufgenommen werden, das in die Vermittlung von Deutsch als Zweitsprache und den Umgang mit Mehrsprachigkeit einführt. Netzgestützte Lernmaterialien sollten entwickelt werden, um die Teilnahme an Pflichtmodulen und Weiterbildungen „Deutsch als Zweitsprache“ auch an Standorten zu ermöglichen, die keinen solchen Schwerpunkt haben. Ausbildungsfähigkeit durch berufsbezogene Deutschkenntnisse stärken Bei der Entwicklung von Curricula für den Unterricht an berufsbildenden Schulen sollten (fach-) sprachliche Kompetenzen und interkulturelle Kompetenzen als systematische Bestandteile berücksichtigt werden. Übergangsangebote für Jugendliche, die nicht direkt eine Berufsausbildung antreten (können), sollten bei Bedarf stärker zur gezielten Verbesserung der arbeitsweltbezogenen sprachlichen Kompetenzen genutzt werden. Initiativen zur Koordinierung und Optimierung der Maßnahmen des Übergangsmanagements sollten systematisch Angebote der ausbildungsvorbereitenden Deutschförderung berücksichtigen. Berufliche Qualifizierung und Integration durch berufsbezogene Deutschförderung unterstützen Ausbildungsbegleitende Hilfen sollten stärker gezielte Sprachförderung umfassen, deren Umfang und Inhalt sich am individuellen Förderbedarf orientiert. Angebote zur Förderung berufsbezogener Deutschkenntnisse sollten als Bestandteil der beruflichen Fort- und Weiterbildung ausgebaut werden. Unternehmen sollten ihren Beschäf- 165 F – Zusammenfassung tigten bei entsprechendem Bedarf die Teilnahme an Maßnahmen zur arbeitsplatzrelevanten Deutschförderung ermöglichen. Für den berufsbezogenen Unterricht „Deutsch als Zweitsprache“ sollte ein bundesweites Fortund Weiterbildungsangebot für Lehrkräfte eingerichtet werden. Vor Ort sollte eine enge Zusammenarbeit und Abstimmung der Träger berufsbezogener Deutschförderangebote mit den Grundsicherungsstellen, den Agenturen für Arbeit, den Ausländerämtern, den Regionalstellen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und anderen Weiterbildungs- und Qualifizierungsträgern erfolgen, um eine schnelle und bedarfsorientierte Vermittlung der Teilnehmenden zu ermöglichen und zu vermeiden, dass Lernerfolge durch Wartezeiten zwischen Maßnahmen verlorengehen. In Integrationskursen sollte noch stärker auf die berufsbezogenen Deutschkurse des ESF-BAMFProgramms aufmerksam gemacht werden. Bei Bedarf sollten Teilnehmende direkt im Anschluss an den Integrationskurs in einen berufsbezogenen Deutschkurs vermittelt werden, der ihren individuellen Sprachständen und Qualifikationsbedürfnissen entspricht. Lokale / regionale Koordinierungsstellen für berufsbezogenes Deutsch sollten eingerichtet werden, um den fachlichen Austausch und die Vernetzung der Handelnden, die vor Ort mit der Förderung, Konzeption, Organisation und Erteilung von berufsbezogenem Deutschunterricht und Weiterqualifizierung befasst sind, zu koordinieren. Zur fachlichen Unterstützung der Akteure der berufsbezogenen Deutschförderung sollte eine bundesweite Fachstelle eingerichtet werden. Ihre Aufgaben sollten in der Bedarfsanalyse, der Dokumentation vorhandener Angebote und Konzepte, der Bereitstellung von Fachinformationen und Entwicklung von Fortbildungen, der Beratung und Vernetzung sowie der fachlichen Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge liegen. Mehrsprachigkeit als Kompetenz in der globalisierten Welt nutzen und fördern Verbreitete Herkunftssprachen sollten an Schulen unter Berücksichtigung der gegebenenfalls notwendigen schulrechtlichen Regelungen als Alternative zur 2. bzw. 3. Fremdsprache eingeführt werden. 166 In berufsbildenden Schulen sollte der Erwerb berufsbezogener herkunftssprachlicher Kenntnisse unterstützt werden. Für seltenere Herkunftssprachen können entsprechende Angebote schulübergreifend durchgeführt werden. Bestimmte Berufsfelder bieten besondere Einsatzmöglichkeiten für Herkunftssprachen, etwa Behörden oder das Gesundheitswesen, aber auch der Tourismussektor und exportorientierte Unternehmen. Alltagssprachliche Kenntnisse in der Herkunftssprache allein befähigen in den meisten Berufsfeldern jedoch noch nicht in ausreichendem Maß zur Kommunikation mit Kunden. Für den Einsatz mehrsprachiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollte nicht auf „ad-hoc-Dolmetscher“ zurückgegriffen, sondern diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezielt fortgebildet werden. Bildungschancen stärken – Bildungserfolge erhöhen Die PISA-Untersuchungen zeigen: Bildungs- und Integrationschancen von Kindern und Jugendlichen sind geprägt von den sozialen, familiären und sprachlichen Rahmenbedingungen in denen sie aufwachsen. Nachhaltige Bildungsförderung ist somit auf die Unterstützung durch die Eltern bzw. Familien angewiesen. Der Bildungsbereich ist auch ein wichtiges Berufsfeld, zu dem Menschen mit Migrationshintergrund noch nicht ausreichend Zugang finden: Lehrkräfte mit Migrationshintergrund sind immer noch die Ausnahme an Schulen in Deutschland. Zur Unterstützung der Erziehungs- und Bildungskompetenz von Eltern mit Migrationshintergrund einerseits und zur Stärkung des Anteils von Lehramtsstudierenden und Lehrkräften mit Migrationshintergrund andererseits sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung, die in Kapitel C weiter ausgeführt sind: Bildungs- und Erziehungskompetenzen durch Elternbildungsangebote stärken Zur Unterstützung von Eltern mit Migrationshintergrund sollten Elternbildungsangebote gefördert werden. Diese sollten niederschwellige Ansätze des Zugangs zu Eltern mit Migrationshintergrund nutzen und verstärkt auch Väter als Zielgruppe einbeziehen. Die Angebote sollten vor Ort vernetzt und gesteuert werden und sich am konkreten Bedarf der Eltern orientieren. Der Erfolg von Elternbildung hängt in hohem Maße von der Qualität der Arbeit ab. Ein professioneller Ausbildungsrahmen und eine zertifizierte Ausbildung von Multiplikatoren F – Zusammenfassung sowie Qualitätsstandards sollten entwickelt und umgesetzt werden. Elternintegrationskurse sollten noch stärker dazu genutzt werden, Eltern an die Bildungseinrichtungen ihrer Kinder heranzuführen, eventuelle Vorbehalte auf beiden Seiten abzubauen und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zu ermöglichen. Die Kurse sollten mit weiterführenden Angeboten der Elternbildung verknüpft werden. Kompetenzen von Migrantenorganisationen und Elternvereinen einbeziehen Migrantenorganisationen und Elternvereine sollten verstärkt qualifiziert werden, Elternbildungsangebote durchzuführen. Hierbei können Organisationen vom Know-how bereits aktiver Elternvereine und -netzwerke profitieren. Bund, Länder und Kommunen sollten den Aufbau von Netzwerken von Elternvereinen unterstützen und die Kompetenzen der Vereine stärker in die Bildungsarbeit einbinden. Dabei ist eine Angliederung an bestehende Netzwerke vor Ort anzustreben, um Parallelstrukturen zu vermeiden. Zusammenarbeit zwischen Bildungseinrichtungen und Eltern fördern Nachhaltige Elternarbeit braucht finanzielle Ressourcen, verlässliche Strukturen, eine solide Vertrauensbasis und Zeit. Elternarbeit sollte systematischer Bestandteil der Tätigkeit von Kindertageseinrichtungen und Schulen sein und von der Leitungsebene als zentrale Aufgabe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kommuniziert werden. Integrationsbeauftragte oder interkulturelle Fachberaterinnen und -berater an Kindertageseinrichtungen und Schulen können zentrale Ansprechpartner für Eltern und pädagogische Fachkräfte sein. Kindertageseinrichtungen und Schulen sollten professionelle Qualifizierung und Beratung für die Zusammenarbeit mit Eltern erhalten. Dies kann insbesondere durch stadtteilbezogene, kommunale oder landesweite Netzwerke geschehen, in denen sich Bildungseinrichtungen, externe Partner der Elternbildung und Elternvereine austauschen und fortbilden können. Zwischen Elternhaus und Kindertageseinrichtung bzw. Schule sollten verbindliche Erziehungspartnerschaften eingegangen werden, die darauf zielen, die Bildungsqualität in den Elternhäusern zu verbessern. Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit in Elterngremien gewinnen Eine enge Kommunikation zwischen Lehrkräften und Eltern ist wichtig, um Eltern mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit in institutionalisierten Gremien der Elternvertretung zu gewinnen, in denen sie bisher unterrepräsentiert sind. Schulen sollten Themen, die von besonderer Relevanz für Eltern mit Migrationshintergrund sind, zum Bestandteil der Arbeit von Elterngremien machen. Strategien und Ansätze, das Engagement von Eltern mit Migrationshintergrund in Elterngremien zu stärken, müssen eventuelle sprachliche Barrieren im Blick haben. Mehr Menschen mit Migrationshintergrund für das Lehramt gewinnen Formelle und informelle Zugangsbarrieren zum Lehrerberuf für Menschen mit Migrationshintergrund sollten mit Blick auf den gleichberechtigten Zugang zu hoch qualifizierten Berufen abgebaut werden. Es sollten Initiativen ergriffen werden, um gezielt Jugendliche mit Migrationshintergrund für den Lehrerberuf zu interessieren. Hierzu wurden bereits innovative Ansätze entwickelt, die weitere Verbreitung finden und in einem umfassenden Gesamtkonzept gebündelt werden sollten. Dazu zählen unter anderem der Einsatz von Studienbotschaftern, Informationsveranstaltungen und Workshops zum Berufsbild Lehrerin / Lehrer, Werbung über herkunftssprachliche Medien und eine Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen. Kompetenzen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund nutzen Lehrkräfte mit Migrationshintergrund müssen in erster Linie als Fachlehrkräfte wahrgenommen werden. Sie dürfen nicht auf die Funktion interkultureller Krisenmanager oder Übersetzer reduziert werden. Menschen mit Migrationshintergrund sind nicht automatisch interkulturell kompetent. Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können aber eine interkulturelle Perspektive auf Schule und Unterricht mitbringen und eine Vorbildfunktion für Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund einnehmen. Schulleitungen und Kollegien müssen verstärkt angeregt und befähigt werden, diese Ressourcen von Lehrkräften mit Migrationshintergrund zu nutzen. 167 F – Zusammenfassung Netzwerke für (künftige) Lehrkräfte mit Migrationshintergrund aufbauen Studierende, Referendarinnen und Referendare und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können von ihren Erfahrungen gegenseitig profitieren. Einen Rahmen für einen solchen Erfahrungsaustausch bieten Netzwerke, die eng mit der Bildungsverwaltung zusammenarbeiten, Migrantenorganisationen einbeziehen, Multiplikatoren ausbilden, interkulturelle Fortbildungen anbieten und Abiturientinnen / Abiturienten und Lehramtsstudierende betreuen. Der Aufbau solcher Netzwerke sollte gezielt unterstützt werden. Gesellschaftliche Teilhabe und aktive Mitgestaltung fördern Im Zentrum der gesellschaftlichen Integration steht sollten Kooperationen von Migrantenorganisationen mit Einrichtungen der Engagementförderung unterstützt werden. Professionalisierung von Migrantenorganisationen unterstützen Migrantenorganisationen benötigen Unterstützung für die Professionalisierung ihrer Arbeit. Es sind (weitere) Angebote zu Weiterbildung und zum Kompetenzerwerb erforderlich, die sowohl themen- als auch organisationsbezogen sein müssen. Wichtig ist die flächendeckende Bereitstellung von Angeboten zu Beratung, Weiterbildung und Coaching, die gezielt die Interessen von Migrantenorganisationen aufgreifen. Um passgenaue Angebote zu entwickeln, sollten Anbieter von Weiterbildungsangeboten und Migrantenorganisationen zusammenarbeiten. die aktive Teilhabe und Mitgestaltung von Menschen mit Migrationshintergrund am gesellschaftlichen Leben. Dabei geht es insbesondere auch um die Förderung und Einbeziehung ihrer Kompetenzen und Ressourcen. Insbesondere die Teilhabe vor Ort fördert die strukturelle und soziale Integration und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch das bürgerschaftliche Engagement. Migrantenorganisationen können Orte des Engagements von Menschen mit Migrationshintergrund sein und nicht zuletzt durch ihre Brücken- Zusammenarbeit mit Migrantenorganisationen verstärken Die Kooperationen zwischen Migrantenorganisationen und etablierten Trägern der Integrationsförderung für die Durchführung von Integrationsprojekten im „Tandem“ sowie ihre Einbindung in Netzwerke sollte unterstützt werden. Die Kompetenzen von Migrantenorganisationen sollten in die Entwicklung von Integrationskonzepten auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene einbezogen werden. funktion wichtige Aufgaben im Integrationsprozess übernehmen. Wichtig für eine bessere Teilhabe von Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist die Jugend(verbands)-arbeit. Zu diesen Aspekten können insbesondere die folgenden, in Kapitel D konkretisierten, Empfehlungen ausgesprochen werden: Zugang von Migrantenorganisationen zu Förder programmen gewährleisten Formelle und informelle Zugangsbarrieren zu Förderprogrammen sollten identifiziert und ein gleichberechtigter Zugang von Migrantenorganisationen zu Projektfördermitteln sichergestellt werden. Förderprogramme sollten Möglichkeiten vorsehen, Migrationenorganisationen beim Aufbau einer Grundausstattung und Infrastruktur für ihre Arbeit zu unterstützen. Interkulturelle Öffnung der Jugendverbandsarbeit unterstützen Die Partizipation von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Jugendverbänden sollte gefördert werden. Jugendverbände und -ringe sollten interkulturelle Öffnung als Teil ihrer Organisationsentwicklung verankern. Sie brauchen hierfür jedoch finanzielle Unterstützung und hauptamtliche Begleitung. Daher sollten (zeitlich begrenzt) Finanzmittel aus Regelund Projektförderung zur interkulturellen Öffnung der Jugendverbandsarbeit bereit gestellt werden. Die interkulturelle Fortbildung von Haupt- und ehrenamtlichen sollte gestärkt werden, etwa durch die Aufnahme entsprechender obligatorischer Angebote in die Jugendleiter-Card. Migrantenorganisationen als Orte des bürgerschaftlichen Engagements nutzen Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Jugend(verbands)arbeit integrieren Zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in und durch Migrantenorganisationen Zur Integration der Vereinen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in die Strukturen 168 F – Zusammenfassung der Jugend(verbands)arbeit sollten passgenaue Angebote zu Weiterbildung und Empowerment für die Vereine entwickelt und bereitgestellt werden. Kooperationen von Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund mit anerkannten Jugendverbänden sollten gefördert werden. Jugendringe sollten Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in ihre Verbandsstrukturen integrieren, auch um ihnen den Zugang zu staatlichen Fördermitteln zu ermöglichen. Vernetzung und fachlichen Austausch fördern Jugendverbände, Einrichtungen der offenen Jugendarbeit, Migrantenorganisationen, Einrichtungen der Integrationsförderung und Schulen sollten stärker gemeinsam an der Partizipationsund Engagementförderung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund arbeiten. Das Thema „Interkulturelle Öffnung der Jugend(verbands)arbeit“ sollte als politisches Ziel langfristig verfolgt werden. Hierbei sollte eine bundesweite Vernetzung den fachlichen Austausch unterstützen. Qualität sichern – Wirkung überprüfen Standards der Evaluation von Integrations förderung entwickelt werden. Evaluation und Programmentwicklung stärker verbinden Bei der Entwicklung neuer Förderprogramme sollten, wenn möglich, zunächst Vorstudien initiiert und deren Ergebnis für die Programmentwicklung genutzt werden. Modellprojekte sollten von Beginn an durch Evaluationen begleitet werden, welche die Projektumsetzung unterstützen und bewerten, dabei Schwächen und Stärken des Projekts aufzeigen und Empfehlungen zur Weiterentwicklung sowie Hinweise zur Übertragbarkeit des Projektes liefern. Wirkung von Sprachförderung analysieren Programme und Konzepte zur Förderung des frühkindlichen Erwerbs des Deutschen als Zweitsprache sollten auf ihre Wirkung hin evaluiert werden. Dabei sind insbesondere Längsschnittstudien von Bedeutung, die die Entwicklung der Sprachkenntnisse der Teilnehmenden im Zeitverlauf verfolgen. Evaluation kann einen wesentlichen Beitrag zur Qualitätsentwicklung, Nachhaltigkeitssicherung und bedarfsgerechten Ausrichtung von Angeboten sowie zum effektiven Ressourceneinsatz leisten. Zur Weiterentwicklung dieses Feldes sind insbesondere die folgenden Empfehlungen von Bedeutung, die in Kapitel F vertieft werden: Evaluation als Bestandteil von Integrationsförderung etablieren Bereits bei der Projektplanung sollten Projektziele klar definiert und die dafür erforderlichen finanziellen und personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Wenn möglich sollten für die Projektziele operationalisierbare Zielgrößen benannt werden. Im Projektverlauf sollten Evaluationen als notwendiger projektbegleitender Prozess der Qualitätsentwicklung verstanden werden, der damit laufend das Erreichen der geplanten mittel- und langfristigen Projektziele überprüft und Hinweise zur Verbesserung im Umsetzungsprozess liefert. Aufbauend auf den allgemeinen Standards für Evaluation der Deutschen Gesellschaft für Evaluation sollten, wo erforderlich, spezifische 169 G – Ausblick G Ausblick: Umsetzung und weiteres Vorgehen Viele der im bundesweiten Integrationsprogramm zielgerichteter an den Bedarfen von Migrantinnen behandelten Themen sind mit den hier vorgestellten und Migranten auszurichten und effektiver zu Empfehlungen nicht abgeschlossen – einzelne gestalten – etwa im Bereich der Zusammenarbeit werden in den nächsten Jahren weiter an integrati- mit Eltern oder bei der Öffnung von Förderpro- onspolitischer Bedeutung gewinnen. Dies betrifft grammen für Migrantenorganisationen. Andere – insbesondere die Förderung bildungssprachlicher wie die Gewinnung von Lehrkräften mit Migrations- Deutschkenntnisse von Kindern und Jugendlichen, hintergrund – erfordern einen längeren Atem und die Stärkung der Zusammenarbeit mit Migran- zum Teil auch strukturelle Veränderungen. tenorganisationen oder auch die Gewinnung von Menschen mit Migrationshintergrund für pädago- Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wird gische Berufe. Andere Themen und Fragestellungen im eigenen Zuständigkeitsbereich und gemeinsam der Integrationsförderung können kurzfristig mit unterschiedlichen staatlichen und nicht- an Relevanz gewinnen und neue, gemeinsame staatlichen Akteuren konkrete Veränderungen zu Lösungsansätze erfordern. Die Arbeitsweise des bun- einzelnen Themen anstoßen. Es wird den Umset- desweiten Integrationsprogramms kann auch zungsprozess begleiten, dokumentieren und evalu- künftig hierfür genutzt werden: Die gezielte Auswahl ieren. So vielfältig wie die Empfehlungen können einzelner Themen mit konkretem Handlungs- dabei auch die Schritte zu ihrer Umsetzung sein: bedarf, die intensive Beschäftigung mit diesen Von der Entwicklung von Leitfäden und Handrei- Themen unter Einbeziehung vieler sachverständiger chungen, über neue Formen der Zusammenarbeit, Akteure, die gemeinsame – auch kontroverse – Modellprojekte und veränderte Förderrichtlinien Diskussion von Zusammenhängen, offenen Fragen bis hin zur Neugestaltung von Verfahrensabläufen und möglichen Lösungen und letztlich die sind ganz unterschiedliche Prozesse denkbar. Formulierung von Vorschlägen zur Weiterentwick- Viele der begonnenen Fachdialoge können auch lung und Verbesserung der Angebote und Rahmen- künftig fortgeführt werden – das Bundesamt bedingungen. wird denjenigen, die sich auch weiterhin fachlich austauschen und koordinieren möchten, hierzu Mit der Vorlage dieser Publikation ist der Prozess zur einen Rahmen bieten. Auch Themen, die nicht Erstellung eines bundesweiten Integrationspro- Bestandteil des Aktionsplans zur Umsetzung des gramms abgeschlossen und der gesetzliche Auftrag Nationalen Integrationsprogramms sind, können des § 45 Aufenthaltsgesetz erfüllt. Die wichtigsten dabei aufgegriffen werden. Themen des Integrationsprogramms werden in den Prozess des Aktionsplans zur Umsetzung des Nationalen Integrationsplans eingebracht und in diesem Rahmen umgesetzt. Das bundesweite Integrationsprogramm ist mehr als eine Publikation. Es lebt von der Umsetzung der Ideen und Empfehlungen, die in diesem Band zusammengestellt sind. Viele können kurzfristig einen Beitrag dazu leisten, Integrationsangebote 170 171 H – Anhang H Anhang Beteiligte Institutionen und Personen Mitglieder der Steuerungsgruppe des bundesweiten Integrationsprogramms 172 Bekir Alboga Türkisch Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. Roberto Alborino Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege Nele Allenberg Evangelische Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD Dr. Uda Bastians-Osthaus Deutscher Städtetag Ingo Behnel Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (ehemals) Barbara Cremer Innenministerium Baden-Württemberg Veronika Dicke Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein Heidemarie Donner Bundesministerium des Innern Dorothea Fohrbeck Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Uwe Franke Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz Dr. Ralf Geisler Evangelische Kirche in Deutschland, Kirchenamt der EKD Margit Gottstein Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Andreas Hauk Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg Helmut Huber Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung (ehemals) Evelyn Jäger Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein Regina Jordan Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Kenan Kolat Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. Stephan Kramer Zentralrat der Juden in Deutschland Monsignore Wolfgang Miehle Deutsche Bischofskonferenz Ulrich Mohn Deutscher Städte- und Gemeindebund Leo Monz Deutscher Gewerkschaftsbund H – Anhang Hermann Müller Innenministerium Baden-Württemberg (ehemals) Susanne Müller Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Monika van Ooyen Bundesministerium für Bildung und Forschung (ehemals) Günter Piening Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag Anton Rütten Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen Rupert Sandfuchs Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung Gisela Schewell Bund der Vertriebenen e. V. Jürgen Schröder Bundesministerium für Arbeit und Soziales Sabine Schulte-Beckhausen Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Alexander Schumacher Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Bundesministerium des Innern Andreas Staible Bundesagentur für Arbeit Brigitte Tann Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz Mehmet Tanriverdi Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände e. V. Prof. Dr. Katrin Weiss Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld sprachliche Integration Heinz Ackermann Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Prof. Dr. Bernt Ahrenholz Pädagogische Hochschule Ludwigsburg Rainer Aliochin Ausbildungsring Ausländischer Unternehmer e. V., Nürnberg Berrin Alpbek Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. Dr. Hans-Joachim Althaus TestDaf-Institut Prof. Dr. Claus Altmayer Universität Leipzig / Gesamtverband Moderne Fremdsprachen Prof. Dr. Ernst Apeltauer Universität Flensburg Dr. Olaf Bärenfänger Universität Leipzig Julia Bartel Bundesagentur für Arbeit Wolfgang Barth Arbeiterwohlfahrt AWO Bundesverband e. V. Doreen Barzel Stiftung Mercator Prof. Dr. Rupprecht Baur Universität Duisburg-Essen Dr. Dagmar Beer-Kern Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration (ehemals) 173 H – Anhang 174 Monika Benedix Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e. V. Doris Beneke Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e. V. Ute Bernau Verband Deutscher Privatschulverbände e. V. Dr. Beate Blüggel Deutscher Volkshochschulverband e. V. (ehemals) Thomas Bösenberg ARGE Hamburg Helga Büchel Behörde für Bildung und Sport der Freien und Hansestadt Hamburg Dr. Eva Chen Universität Jena Carola Cichos Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Lamine Conte Haus Afrika e. V. Andrea Daase Arge Herford (ehemals) Kristin Degener Bundesministerium für Arbeit und Soziales Marianne Demmer Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V. Dr. Silvia Demmig Universität Jena José Antonio Diaz Bund der Spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik Deutschland e. V. Wolfgang Dichans Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Kirsten Dick Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Veronika Dicke Innenministerium des Landes Schleswig-Holstein (ehemals) Ulrike Dimpl Amt für multikulturelle Angelegenheiten, Frankfurt am Main Dr. Doris Edelmann Pädagogische Hochschule Zürich Birgit Eiber Bundesagentur für Arbeit Prof. Dr. Havva Engin Pädagogische Hochschule Karlsruhe (ehemals) Gabriele Erpenbeck Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration Prof. Dr. Hermann Funk Universität Jena / Gesamtverband Moderne Fremdsprachen Dorothee Gaile Amt für Lehrerbildung Hessen Michael Garske Landkreis Oberhavel Andreas Germershausen Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration Prof. Dr. Ingrid Gogolin Universität Hamburg / Deutsche Gesellschaft für Erziehungs wissenschaft e. V. Dott. Matilde GrünhageMonetti Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e. V. Detlef Heints Stadt Köln, Amt für Weiterbildung, Kompetenzzentrum Sprach förderung (ehemals) OTL Hans-Jürgen Heiß Bundesministerium der Verteidigung H – Anhang Lutz Herfurth Studienkolleg der Fachhochschule Nordhausen Agnes Heuvelmann Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen Katrin Hirseland Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Dr. Franz Huber Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München Prof. Dr. Barbara John Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin Gundula Kanz Städtische Kindertageseinrichtungen im Jugendamt der Stadt Hamm Andreas Klepp Deutsches Institut für Erwachsenenbildung e. V. Wilfried Knerr Jugendamt der Stadt Nürnberg Oliver Kohrs Grone-Bildungszentrum für Gastronomie und Ernährung GmbH Prof. Dr. Uwe Koreik Universität Bielefeld / Fachverband Deutsch als Fremdsprache e. V. Prof. Dr. Christian Krekeler Fachhochschule Konstanz Christina Kuhn Universität Jena Martin Lange Universität Kiel / Fachverband Deutsch als Fremdsprache e. V. Prof. Dr. Gudula List Deutsches Jugendinstitut e. V. Dr. Michael Maier-Borst Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Maja Maslac Universität Jena Gabriele Meier-Darimont Hessisches Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit Achim Meyer auf der Heyde Deutsches Studentenwerk e. V. Heribert Miethaner Deutsches Erwachsenen-Bildungswerk e. V. (ehemals) Werner Möller-Tacke Schulamt für den Kreis Herford Leo Monz Deutscher Gewerkschaftsbund Maria-Theresia Münch Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. Prof. Dr. Ursula Neumann Universität Hamburg Prof. Dr. Udo Ohm Universität Jena (ehemals) Monika van Ooyen Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Andreas Paetz Bundesministerium für Bildung und Forschung Mag. Verena Plutzar Universität Wien Prof. Dr. Gabriele PommerinGötze Universität Erlangen-Nürnberg Christiane Rausch Universität Jena Jens Reimann Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Richard Resch Landesverband Katholischer Kindertagesstätten e. V. 175 H – Anhang Prof. Dr. Claudia Riemer Universität Bielefeld Irmgard Rüther Otto Benecke Stiftung e. V. Milica Sabo Universität Jena Claudia Schanz Niedersächsisches Kultusministerium / Kultusministerkonferenz der Länder Roland Schauer Bundesministerium für Arbeit und Soziales Steffi Schieder Universität Erlangen-Nürnberg Martina Schmerr Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V. Manfred Schreiner Verband Bildung und Erziehung e. V. Anneke Schröder-Dijkstra Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein Regina Selker Ministerium für Bildung und Frauen des Landes Schleswig-Holstein Dr. Edwin Semke Berufliche Fortbildungszentren der Bayerischen Wirtschaft gGmbH Marianne Spohner Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main Dr. Monika SpringerGeldmacher Hauptstelle der Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien des Landes NordrheinWestfalen e. V. Annelie Strack Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft e. V. Ernst Strohmaier Verein Deutsche Jugend aus Russland e. V. Petra Szablewski-Cavus Passage, Gemeinnützige Gesellschaft für Arbeit und Integration mbH, Hamburg (ehemals) Youhanizou Tall Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals) Brigitte Tann Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg Mehmet Tanriverdi Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände in Deutschland e. V. Erika Theißen Begegnungs- und Fortbildungszentrums muslimischer Frauen e. V., Köln Asel Ulukbek Bundesverband ausländischer Studierender e. V. Albina Voblikova Universität Jena Rosina Walter berami berufliche Integration e. V. Gabriele Weber Sächsisches Staatsministerium für Kultus / Kultusministerkonferenz der Länder Frank Zeidler ARGE Hamburg Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen Themenbereich: Katrin Hirseland / Youhanizou Tall (ehemals) / Jens Reimann / André Kühne (ehemals) / Sybille Thomsen / Dirk Wollner 176 H – Anhang Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld Bildung und Integration Aysegül Aktürk Lehramtsreferendarin, Rothenburg ob der Tauber Mehmet Alpbek Föderation Türkischer Elternvereine Ernest Ampadu Deutsch-Ghanaischer Elternverein e. V. Düsseldorf Sevgani Asani Romy Bartels Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Cahit Basar Netzwerk der Lehrkräfte mit Zuwanderungsgeschichte in NordrheinWestfalen Uta von Bechthold-Domhöver Afro KID Nürnberg e. V. Maria Berger-Senn Ministerium für Kultus, Jugend und Sport, Baden-Württemberg / Kultusministerkonferenz der Länder Andrea Bergmayr Deutscher Kinderschutzbund e. V., „Starke Eltern – Starke Kinder®“ Reinhard Berndt Afro KID Nürnberg e. V. Inna Bougaterewa Russische Elterninitiative Ostheim Nora Boutaoui Universität Frankfurt Quang Huy Bui Verein der Vietnamesen Leipzig e. V. Annemie Burkhardt Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten in Berlin Ercan Can Selam Bildungs- und Begegnungsstätte e. V. Ute Cüceoglu Förderkomitee: Bildung öffnet Türen e. V., Dortmund José Antonio Diaz Bund der Spanischen Elternvereine in der Bundesrepublik Deutschland e. V. Serpil Dursun Bildungslotse Nürnberg e. V. Detlef Duschek Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Günter Ebert Bildungsmanager Stadt Nürnberg Dr. Ludwig Eckinger Verband Bildung und Erziehung e. V. Mahmoud El-Hussein Arabische Eltern Union e. V. Rolf Erdmeier Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Simone Fahmy Mosaik e. V. – interkulturelle Anlaufstelle für muslimische Familien, Nürnberg Lena Fester Internationaler Bund e. V. Claudia Finke Gemeinnützige Hertie-Stiftung Lena Friedrich Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals) Marcus Friedrich Universität Erlangen-Nürnberg 177 H – Anhang 178 Dr. Sara Fürstenau Universität Hamburg Sieglinde Glaab Von-der-Tann-Schule, Regensburg Trudi Götz „Deutsch im Koffer“, Regensburg Dr. Tobias Haaf Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus Hatice Hagar Grund und Hauptschule Vigeliusschule, Freiburg Britta Hawighorst Universität Hamburg Bettina Heckmanns Internationaler Bund Bielefeld Janusz Heppner-Weinreich Haus Afrika e. V., Saarbrücken Julia Herdramm Grundschule Kleine Kielstraße, Dortmund Katrin Hirseland Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Susanne Hofmann Magistrat der Stadt Marburg Renate Holley BW Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg Dr. Artur Kalnins Spanische Weiterbildungsakademie Günter Kampf Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“ Prof. Dr. Yasemin Karakasoglou Universität Bremen Ayfer Khodja Selam Bildungs- und Begegnungsstätte e. V. Gudrun Kiener Robert Bosch Stiftung GmbH Martina Kindsmüller Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“ Josef Kraus Deutscher Lehrerverband Prof. Dr. Stephan Kröner Universität Erlangen-Nürnberg Andrea Kuhn Martin-Behaim-Gymnasium Nürnberg Joachim Leisgang Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Mittelfranken Diana Liberova Stadt Nürnberg, Projekt „Eltern lernen Deutsch an Schulen“ Aldo Loiero CGIL – Bildungswerk e. V. Olga Lucas Fernàndez CGIL – Bildungswerk e. V. Mohamed Maiga Haus Afrika e. V. Ph. D. Tatiana Matthiesen ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius Dr. Ruth Michalek Pädagogische Hochschule Freiburg Hamideh Mohagheghi Muslimische Akademie in Deutschland Katja Morgenstern Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern Dr. Susanne Mortensen Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus H – Anhang Jean-Pierre Muteba Afro K.I.D. Nürnberg e. V. Özlem Nas Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, Hamburg Charity Okezie Internationales Center für Deutsche und Immigranten e. V. Radwan Othman YEKMAL Verein der Eltern aus Kurdistan in Berlin e. V. Elke Picker Elternstiftung Baden-Württemberg Harald Pinzner OstD, Martin Behaim Gymnasium Nürnberg Vicky Pompizzi CGIL Bildungswerk e. V. Isidora Randjelovic Bashe Rroma e. V., Rroma Elternverein Berlin Elisabeth Rangosch-Schneck Stadt Stuttgart, Stabsabteilung für Integrationspolitik Jens Reimann Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Martina Rithaa Koordinierungsstelle „Ausbildungsorientierte Elternarbeit im Jugendmigrationsdienst“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Carolin Rotter Ruhr-Universität Bochum Nadia Rouhani Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten in Berlin Sonja Schlusche Bildung und Wissen Verlag und Software GmbH, Nürnberg Thomas Seidl Martin-Behaim-Gymnasium, Nürnberg Dr. Kismet Seiser Stadt Regensburg, „Inmigra-KiD“ Dr. Ulrich Seiser Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus Maria-Theresia Simmler Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ekaterina Skakovskaya Deutscher Kinderschutzbund e. V., „Starke Eltern – Starke Kinder ®“ Ralf Sommer Ludwig-Uhland-Hauptschule, Nürnberg Ute Strait-Aouichi Islamische Gemeinde Nürnberg IGN Adnan Sunbol Islamisches Zentrum Hessestraße, Nürnberg Buket Temel Lehramtsstudentin Universität Berlin Dr. Regina Trüb Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Erden Uyan Deutsch-Türkische Elterninitiative Köln-Chorweiler / Deutsch-Türkischer-Elternverband Köln und Umgebung Murat Vural Interkultureller Bildungs- und Förderverein für Schüler & Studenten, Bochum Wladimir Weinberg Russische Elterninitiative Ostheim Maria Wilhelm Amt für Kultur und Freizeit der Stadt Nürnberg Eva Woelki Staatliches Seminar für Didaktik und Lehrebildung, Offenburg 179 H – Anhang Serap Yilmaz Internationaler Bund e. V. Martin Zeitler Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Dr. Antonietta P. Zeoli Regionale Arbeitsstelle zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien, Düsseldorf Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen Themenbereich: Dr. Regina Trüb / Martin Zeitler Beteiligte Expertinnen und Experten im Handlungsfeld gesellschaftliche Integration 180 Renée Abul-Ella Al Dar Arabischer Frauenverein e. V. Filiz Arslan Fachberatung MigrantInnenselbsthilfe Nordrhein-Westfalen im Paritätischen Wohlfahrtsverband Ali-Murat Asefoglu Bund der Alevitischen Jugendlichen in Deutschland Mehmet Ata Jugendverein der Föderation der demokratischen Arbeitervereine e. V. (DIDF), Köln Berivan Aymaz Bundesarbeitsgemeinschaft der Immigrantenverbände BAGIV e. V. / NAVEND - Zentrum für Kurdische Studien e. V. Romy Bartels Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Hai Bluhm Song Hong e. V. Marion Bradl Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns Kirsten Bruhns Deutsches Jugendinstitut Dr. Stefan Bundschuh IDA Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismus arbeit e. V. Gülay Candemir Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. Florencio Chicote Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. Svend Clausen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Annette Dahms Kreisjugendring Stadt Nürnberg Serpil Dalgic Frauen lernen gemeinsam Bonn e. V. / Migrantinnentreff Gülistan Florian Dallmann Deutscher Bundesjugendring Sidar A. Demirdögen Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. Dr. Karamba Diaby Landesnetzwerk LAMSA Antonio Diaz Academia Española de Formación - Spanische Weiterbildungsakademie German Djanatliev Israelitische Kultusgemeinde Nürnberg Mirze Edis IG Metall, ThyssenKruppStahl Ginga Eichler Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Rolf Erdmeier Bundesamt für Migration und Flüchtlinge H – Anhang Hanim Ezder Begegnungs- und Fortbildungszentrum muslimischer Frauen e. V. Daniel Grein Deutscher Bundesjugendring Thorsten Groß Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern Ihor Habelyev Jugendmigrationsdienst der Arbeiterwohlfahrt, Nürnberg Dr. Mohamed Hamdali Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg Ralf Harnisch Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Alexandra Harstall Frauen lernen gemeinsam Bonn e. V., Interkultureller Mädchentreff Azade Peter Herrmann Bayerischer Jugendring / Evangelische Jugendsozialarbeit in Bayern (ehemals) Agnes Heuvelmann Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen Katrin Hirseland Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Regina Hochdörfer Phoenix-Köln e. V. Bertram Höfer Kreisjugendring Stadt Nürnberg Thomas Hoffmann djo - Deutsche Jugend in Europa Andrea Hoffmeier Bund der Deutschen Katholischen Jugend e. V. Susanne Huth INBAS-Sozialforschung GmbH Doris Hutter Haus der Heimat e. V. Birgit Jagusch Universität Duisburg-Essen Jae-Soon Joo-Schauen Agisra e. V. Musa Kirbas IG Metall Simone Kalisch Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. Dr. Artur Kalnins Academia Española de Formación – Spanische Weiterbildungs akademie Nilgün Kamalak Interkulturelles Migrantinnenzentrum IMAZ e. V. Dr. Ansgar Klein Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Doris Klingenhagen Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e. V. Elke Knabe Freie Journalistin Kenan Kolat Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. Dr. Jörg Kruttschnitt Diakonisches Werk Bayern Kenan Küçük Arbeitskreis Migration des Paritätischen Wohlfahrtsverbands / Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband Jamal Lagnaoui Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e. V. Thomas Lang Kreisjugendring Stadt Nürnberg 181 H – Anhang 182 Sonia Leao-Sitals Imbradiva e. V. Dr. Klaus Lefringhausen Integrationsbeauftragter a.D. Nordrhein-Westfalen Tshikudi Londji Jugendhilfe Afrika 2000 e. V. Stefan Lutz-Simon Jugendbildungsstätte Unterfranken, Bayerischer Jugendring Sonja Marko Ver.di Bundesverwaltung Dr. Claudia Martini Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Leo Monz Deutscher Gewerkschaftsbund Nicole Möhle Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals) Behshid Najafi Forum der Migrantinnen und Migranten im Paritätischen Wohlfahrtsverband / agisra e. V. Dr. Siglinde Naumann Institut für Bildungsforschung und Familienberatung Manh Tan Nguyen Diên Hông – Gemeinsam unter einem Dach e. V. Jens Nieth Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbunds Irena Nowak Phoenix-Köln e. V. Kultur- und Integrationszentrum Beate Oertel Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Cemalettin Özer Mozaik Gemeinnützige Gesellschaft für Interkulturelle Bildungs- und Beratungsangebote mbH Giovanni Pollice Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) Alain Raymond Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Martin Reiszky Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration Katrin Riedel Bundesjugendwerk der Arbeiterwohlfahrt Vicente Riesgo Alonso Academia Espanola de Formacion – Spanische Weiterbildungsakademie Volker Rossocha Deutscher Gewerkschaftsbund Gerlinde Röhm Landesjugendring Baden-Württemberg Anton Rütten Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Nordrhein-Westfalen Meral Sagdic Stadtjugendring Stuttgart Gisela Schewell Bund der Vertriebenen e. V. Dr. Robin Schneider Büro des Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration Wolfgang Schollmeyer Stadtjugendring Siegen Lisa Scholz Diakonisches Werk Bayern Christine Schubert Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Nürnberg Deniz Sert-Celik Bundesverband der Migrantinnen in Deutschland e. V. H – Anhang Alexander Smienk Bayerischer Jugendring Axel Stammberger Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Susanna Steinbach Kreisjugendring Rems-Murr Helmut Stoll Diakonisches Werk Bayern Shimeles Tassew Bundesnetzwerk Internationale / Interkulturelle Gärten Hetav Tek Djo - Deutsche Jugend in Europa Maja Tölke SJD - Die Falken Christiane Trachternach Landesjugendring Nordrhein-Westfalen Peter Trube IG Metall Marissa Turaç Landesjugendring Nordrhein-Westfalen Eren Ünsal Türkische Gemeinde in Deutschland e. V. Ramazan Vardaroglu Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie Irina Vavitsa IG Metall Miguel Vicente Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Rheinland-Pfalz Virginia Wangare-Greiner Maisha e. V., Selbsthilfegruppe Afrikanischer Frauen in Deutschland Dimitrij Wasserblaj Jugendverband Integration Tilmann Weickmann Landesjugendring Berlin Christian Weis Deutscher Bundesjugendring Prof. Dr. Karin Weiss Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg Manfred Wittmeier Hessischer Landesjugendring Huseyin Yilmaz Deutscher Gewerkschaftsbund Bezirk Hamburg Zuständige Mitarbeiterin des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen Themenbereich: Nicole Möhle (ehemals) 183 H – Anhang Beteiligte Expertinnen und Experten zum Thema Evaluation 184 Martha Aykut Landeshauptstadt Stuttgart, Stabsabteilung für Integrationspolitik Doreen Barzel Stiftung Mercator Prof. Dr. Hiltraud CasperHehne Universität Göttingen Dr. Doris Dickel Arbeitsstab der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration Prof. Dr. Dieter Filsinger Katholische Hochschule für Soziale Arbeit, Saarbrücken; Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes Prof. Dr. Barbara GasteigerKlicpera Pädagogische Hochschule Weingarten Gerhard Gleichmann Verband Deutscher Privatschulverbände e. V. Friederike de Haas Sächsische Ausländerbeauftragte (ehemals) Michaela Heckershoff Bundesministerium der Finanzen Erhard Heintze Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, Bremen Dr. Franz Huber Qualitätsagentur am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungs forschung, München Prof. Dr. Barbara John Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung, Berlin Heinz Knoche Deutsches Rotes Kreuz e. V. Ulrich Kober Bertelsmann Stiftung Thomas Kufen Integrationsbeauftragter der Landesregierung NordrheinWestfalen im Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration Dr. Thomas Kunz Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (ehemals) Heinz Müller Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e. V. (ism) Monika van Ooyen Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Ingrid Plath Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Prof. Dr. Gabriele PommerinGötze Universität Erlangen-Nürnberg José Povedano Paritätischer Wohlfahrtsverband e. V. Dr. Alfred Reichwein Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement Dr. Klaus Ritgen Deutscher Landkreistag Jeanine Rudolph Landeshauptstadt Wiesbaden, Einwohner- und Integrationsamt Prof. Dr. Knut Schwippert Universität Hamburg Dr. Marina Seveker Universität Münster H – Anhang Anke Soll-Paschen Diakonisches Werk e. V. Ulrike Westphal Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Zuständige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für diesen Themenbereich: Katrin Hirseland, Dr. Thomas Kunz (ehemals), Robert Gölz 185 H – Anhang Abkürzungsverzeichnis 186 AAGB Bund der alevitischen Jugendlichen in Deutschland AEF Academia Española de Formación AGABY Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns AGG Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes AGJF Arbeitergemeinschaft Jugendfreizeitstätten ALG Arbeitslosengeld AQUA bzw. AQUAMigration Akademiker/-innen qualifizieren sich für den Arbeitsmarkt ARGE(n) Arbeitsgemeinschaft(en) AufenthG Aufenthaltsgesetz AWO Arbeiterwohlfahrt BA Bundesagentur für Arbeit BAB Bundesverband der Ausländer und Integrationsbeiräte BAG Bundesarbeitsgemeinschaft bagfa Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen BAMF Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BiBB Bundesinstitut für Berufliche Bildung BLK Bund-Länder-Kommission BMAS Bundesministerium für Arbeit und Soziales BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung BMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend BMI Bundesministerium des Innern BMWi Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BQN Berufliches Qualifizierungsnetzwerk für Migrantinnen und Migranten BVFG Bundesvertriebenengesetz DAA Deutschen Angestellten Akademie DaF Deutsch als Fremdsprache DaZ Deutsch als Zweitsprache DBJR Deutscher Bundesjugendring DGB Deutsche Gewerkschaftsbund DIE Deutsches Institut für Erwachsenenbildung DIHT Deutsche Industrie- und Handelskammertag DIPF Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung DQR Deutscher Qualifikationsrahmen H – Anhang DST Deutscher Städtetag EFI Empowerment von Migrantinnen und Migranten zum nachhaltigen Gelingen der Integration und zur Förderung Interkultureller Kompetenz EFMS Europäisches Forum für Migrationsstudien EQUAL Aus dem Europäischen Sozialfonds geförderte Gemeinschaftsinitiative EQUAL ESF Europäischer Sozialfonds EU Europäische Union EWR Europäischer Wirtschaftsraum FörMig Modellprogramm „Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrations hintergrund“ GdP Gewerkschaft der Polizei GER Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen für Sprachen GEW Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GFBM Gesellschaft für berufsbildende Maßnahmen e. V. GG Grundgesetz HAVAS-5 Hamburger Verfahren zur Analyse des Sprachstands Fünfjähriger HIPPY Home Instruction for Parents of Pre-school Youngsters HIS Hochschul-Informations-System HSchG Hessisches Schulgesetz IDA Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e. V. IG Industriegewerkschaft Iglu Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung IHK Industrie- und Handelskammer IMAG Interministerielle Arbeitsgruppe ISC Interkulturelle Selbst Checks JMD Jugendmigrationsdienst KGSt Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement KMK Kultusministerkonferenz KMU Klein- und mittelständische Unternehmen LAMSA Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisation LBE Landesnetzwerk bürgerliches Engagement LJR Landesjugendring MBE Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer MGFFI Ministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration [des Landes Nordrhein-Westfalen] (ehemals) NiJaf Netzwerk interkultureller Jugendverbandsarbeit und -forschung OBS Otto-Benecke-Stiftung 187 H – Anhang 188 OECD Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung PEES ErzieherInnen als ExpertenInnen für Sprachförderung (PEES) PISA-Studie Program for International Student Assessment-Studie RAA Regionale Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien RAM Repräsentativuntersuchung „Ausgewählte Migrantengruppen in Deutschland“ SchulG Schulgesetz SchuMi Schule und Migration SES Senior Experten Service SGB Sozialgesetzbuch SJR Stadtjugendring SoR-SmC Schule ohne Rassismus – Schule mit Chance SPAS Leistungsstipendienprogramm für ausländische Studierende TestDaf Test Deutsch als Fremdsprache VBE Verband Bildung und Erziehung VHS Volkshochschule VJM Vereine von Jugendlichen mit Migrationshintergrund XENOS Das vom ESF geförderte Programm „XENOS – Leben und Arbeiten in Vielfalt“ ZIM Zentrum für Integration und Migration H – Anhang Literaturverzeichnis Babka von Gostomski, Christian (2010): Bundesministerium des Innern (Hg.) 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Sie darf weder von Parteien noch von Wahlbewerbern oder Wahlhelfern während eines Wahlkampfes zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden. Dies gilt für Europa-, Bundestags-, Landtags-, oder Kommunalwahlen. Missbräuchlich ist insbesondere die Verteilung auf Wahlveranstaltungen, an Informationsständen der Par- teien sowie das Einlegen, Aufdrucken oder Aufkleben parteipolitischer In- formationen oder Werbemittel. Untersagt ist gleichfalls die Weiter- gabe an Dritte zum Zwecke der Wahlwerbung. Unabhängig davon, wann, auf welchem Weg und in welcher Anzahl diese Schrift dem Empfänger zugegangen ist, darf sie auch ohne zeitlichen Bezug zu einer bevor- stehenden Wahl nicht in einer Weise verwendet werden, die als Partei- nahme der Bundesregierung zugunsten einzelner politischer Gruppen verstanden werden könnte.