Die Vereinbarkeit von Islam und moderner
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Die Vereinbarkeit von Islam und moderner
Universität Bayreuth Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre I Geld und Internationale Wirtschaft Prof. Dr. Bernhard Herz 18. Dialog-Seminar „Naher Osten – der Kampf um Energie und Rohstoffe“ Thema: „Die Vereinbarkeit von Islam und moderner Wirtschaft am Beispiel des Islamic Banking“ Vorgelegt von: Ann-Katrin Petersen Hölderlin Anlage 2 95447 Bayreuth ak.petersen@web.de Vorgelegt am: 30.05.2008 Inhaltsverzeichnis 1 Problemstellung .................................................................................................................... 1 2 Grundlagen des Islamic Banking .......................................................................................... 1 2.1 Definition von Islamic Banking.................................................................................... 1 2.2 Grundlagen des islamischen Rechtssystems ................................................................. 1 2.3 Schlüsselprinzipien des Islamic Banking...................................................................... 2 3 Das Konzept des Islamic Banking: Integration, Instrumente und Institutionen ................... 3 3.1 Integration des Islamic Banking in das Wirtschaftssystem .......................................... 3 3.2 Instrumente des Islamic Banking.................................................................................. 3 3.2.1 Profit-and-Loss-Sharing........................................................................................ 4 3.2.2 Non-Profit-and-Loss-Sharing ............................................................................... 5 3.2.3 Sekundärmarktinstrument Sūkūk.......................................................................... 7 3.3 Institutionen des Islamic Banking................................................................................. 8 3.3.1 Sharia Supervisory Board ..................................................................................... 8 3.3.2 Rating im Islamic Banking ................................................................................... 8 3.3.3 IFSB und AAOFI.................................................................................................. 9 4 Vereinbarkeit von Islam und moderner Wirtschaft............................................................... 9 4.1 Divergenz zwischen Theorie und Praxis....................................................................... 9 4.2 Kundschaft des Islamic Banking ................................................................................ 10 5 Fazit und Ausblick .............................................................................................................. 12 Literaturverzeichnis .................................................................................................................... 13 Umfang der Arbeit Anzahl der Zeichen: 23.668 Anzahl der Seiten: 12 (inkl. Abbildungen) I Abbildungsverzeichnis 3-1 Die Grundstruktur von Mudārabah......................................................................................... 4 3-2 Die Grundstruktur von Mushāraka ......................................................................................... 5 3-3 Die Grundstruktur von Murabaha........................................................................................... 6 3-4 Die Grundstruktur von Ijarah.................................................................................................. 6 3-5 Die Grundstruktur von Salam................................................................................................. 7 3-6 Die Grundstruktur von Sūkūk................................................................................................. 7 II Abkürzungsverzeichnis AAOIFI Accounting and Auditing Organisation for Islamic Financial Institutions IB Islamic Banking Non-PLS Non-Profit-and-Loss-Sharing PAP Prinzipal-Agent-Problem PLS Profit-and-Loss-Sharing SSB Sharia Supervisory Board III 1 Problemstellung In der westlichen Welt wird zunehmend über moralische Verpflichtungen der Wirtschaft debattiert. Islamic Banking (IB) ist der Versuch, ein aus islamischer Sicht moralisch vertretbares Bankwesen zu schaffen. Seit den 1970er Jahren ist in vielen Staaten Nordafrikas, des Nahen Ostens und Südostasiens eine Rückbesinnung auf islamische Grundsätze festzustellen. Als Folge des Ölreichtums entstanden in den Golfstaaten große islamische Banken (vgl. Iqbal 2007, S. 58). Im letzten Jahrzehnt verzeichnete die islamische Bankenbranche global jährliche Wachstumsraten von 10-15 % und gliederte sich in konventionelle Bankensysteme ein, so dass heute mehr als 200 islamische Banken in über 70 Ländern vertreten sind (vgl. Hassan/Lewis 2007, S. 1). In einzelnen Golfstaaten und in Malaysia halten islamische Banken sogar Marktanteile von insgesamt 25-30% (vgl. Wackerbeck/Heimer 2006, S. 42). Auch internationale Banken wie die Citibank, HSBC, UBS oder Deutsche Bank haben den Markt für islamische Finanzprodukte entdeckt. In der folgenden Arbeit sollen in einem ersten Schritt die Grundlagen dieser wachstumsträchtigen Bankenbranche aufgezeigt werden, bevor in einem zweiten Schritt das Konzept des IB näher beleuchtet wird. Anschließend soll analysiert werden, wie die Vereinbarung von Islam und moderner Wirtschaft in der praktischen Umsetzung erfolgt. Dabei werden eine Divergenz zwischen Theorie und Praxis und die Präferenzen islamischer Kunden herausgearbeitet. In einem vierten und letzten Schritt wird ein Fazit gezogen und ein Ausblick gegeben. 2 2.1 Grundlagen des Islamic Banking Definition von Islamic Banking Islamic Banking bezeichnet ein Bankwesen, welches im Einklang mit den Prinzipien des islamischen Rechts operiert (vgl. DiVanna 2006, S. 3). Insbesondere das islamische Zinsverbot schuf die Notwendigkeit, ein zinsloses Bankensystem zu gestalten, welches sowohl den Bedürfnissen der gläubigen muslimischen Kundschaft als auch den Anforderungen einer modernen Wirtschaft gerecht wird. IB darf allerdings nicht mit dem Bankwesen in einer islamischen Welt gleichgestellt werden (vgl. El-Mogaddedi 2006, S. 2). Denn in islamisch geprägten Ländern existieren ebenso konventionelle zinsbasierte Bankinstitute (vgl. Farhoush 2007, S. 65). 2.2 Grundlagen des islamischen Rechtssystems Die Sharia, das gottgegebene Recht, begründet als rechtliche und moralische Handlungsrichtlinie das Wesen und die Rolle islamischer Banken. Denn sie gibt nicht nur alle Verbote und Gebote für die rechtmäßige Lebensauffassung eines Muslims vor, sondern ist aufgrund ihres universellen Charakters auch Basis für jede wirtschaftliche Tätigkeit (vgl. Chong/Liu 2007, S. 5). Die Sharia ist als ein Rechtsgebäude zu interpretieren, welches sich auf mehrere Quellen stützt. 1 Als primäre Quellen dienen der Koran als Offenbarung der Worte Gottes und die Sunna, welche die Verhaltensweisen und Äußerungen des Propheten Mohammad umfasst (vgl. Farhoush 2007, S. 48).1 Innerhalb der islamischen Rechtswissenschaft, Fiqh, bestehen unterschiedliche Rechtsschulen (vgl. El-Mogaddedi/Everling 2006, S. 46). Da die Urteilsbildungen der Rechtswissenschaftler zwar auf den genannten Quellen basieren, aber von jedem Rechtsgelehrten individuell gedeutet werden, wirft sich die Problematik einer uneinheitlichen Auslegung auf (vgl. Farhoush 2007, S. 49). Die Sharia ist heute nicht mehr grundlegend staatlich genehmigt. Verglichen mit der europäischen Rechtsordnung, schränkt das islamische Zivilrecht die Vertragsfreiheit stärker ein, was sich insbesondere im Verbot des Austausches nicht gleichwertiger Leistungen und spekulativer Elemente äußert (vgl. Kalisch 2003, S. 108). 2.3 Schlüsselprinzipien des Islamic Banking Das IB ist sowohl auf einer ökonomischen als auch auf einer sozial-ethischen Ebene verankert. So sollen islamische Banken im Hinblick auf soziale und ökonomische Gerechtigkeit die Ersparnisse der Muslime bündeln und mithilfe zulässiger Investitionen zum Wohl der Gemeinschaft beitragen (vgl. Farhoush 2007, S. 49). Die moralische Dimension des IB äußert sich in vier Prinzipien, die entscheidend dessen Struktur prägen. Erstes Prinzip und Kern des IB ist das Verbot des Riba. Der Begriff umfasst nach überwiegender Ansicht der Gelehrten jede Art von Zins. So ist jede vorbestimmte, garantierte Rendite, der keine warenwirtschaftliche Transaktion zugrunde liegt, nicht islamkonform (vgl. ElMogaddedi/Everling 2006, S. 47). In dem Zinsverbot drückt sich die islamische Vision einer moralischen Wirtschaft aus. Denn zum einen soll Geld keine selbst arbeitende Profitanlage sein und zum anderen stellen Zinsen Kosten dar, die auch bei einem Geschäftsverlust anfallen, und den Kapitalnehmer aufgrund des ungewissen Ausgangs einer Investition benachteiligen (vgl. Iqbal 2007, S. 13f., 24). Das zweite Prinzip ist das der Gewinn- und Verlustteilung. In einem zinslosen Bankwesen müssen alternative Arrangements gefunden werden, die Anreize zum Sparen und Investieren schaffen und Banken für die Abwicklung ihrer Geschäfte entschädigen (vgl. Nomani 2003, S. 60). Das IB macht sich hierbei zunutze, dass das Erwirtschaften von Gewinnen durch Handel und Unternehmertum im Islam gefördert wird (vgl. Iqbal 2007, S. 33). Anstelle von Zinsen erhält der Kapitalgeber einen Beteiligungserlös, d.h. eine Rückzahlung aus der vom Kapitalnehmer getätigten Investition. Diese konfligiert nicht mit dem islamischen Glauben, da ihre Höhe erst ex post nach einem zuvor festgelegten Verteilungsschlüssel ermittelt wird (vgl. Mirakhor/Zaidi 2007, S. 51). Der Kapitalgeber trägt jedoch auch anteilig Verluste. IB lässt sich demnach als 1 Als sekundäre Quellen fungieren das Ijma, die Konsensbildung der Rechtsgelehrten, und der Analogieschluss, Qiyas (vgl. Farhoush 2007, S. 49). 2 Profit Banking umschreiben, bei dem der Kapitalgeber als Partner am unternehmerischen Risiko beteiligt wird: „No profit sharing without risk sharing.“ (vgl. El-Mogaddedi 2006, S. 2).2 Drittens ist im islamischen Recht jegliche Form von vermeidbarer Spekulation und vertraglicher Unsicherheit (Gharar) sowie Glücksspiel (Maisir) untersagt. Ziel der Verbote ist es, die Vertragspartner vor unnötigen Konflikten zu schützen (vgl. Iqbal 2007, S. 17). So finanzieren islamische Banken lediglich reale Transaktionen mit zugrunde liegenden Vermögenswerten (vgl. Imady/Seibel 2006, S. 2). Bei Vertragsabschluss ist zudem der exakte Preis des bereits existierenden Verkaufsobjektes festzulegen. Im IB sind deshalb Termingeschäfte nicht erlaubt (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 29). Als viertes sind soziale und ethische Investitionsrichtlinien zu beachten. Denn im Gegensatz zu konventionellen Banken, die den moralischen Implikationen der finanzierten Aktivitäten wenig Beachtung schenken, dürfen islamische Banken keine Projekte finanzieren, welche dem Wertesystem des Islam widersprechen (vgl. Iqbal 2007, S. 25). Verbotene Bereiche (Haram) sind etwa Alkohol, Schweinefleisch, Prostitution oder Waffen (vgl. Jobst 2007, S. 4).3 3 3.1 Das Konzept des Islamic Banking: Integration, Instrumente und Institutionen Integration des Islamic Banking in das Wirtschaftssystem Nomani (2003, S. 37 f.) unterscheidet drei Ansätze der Integration von IB in islamisch geprägten Ländern: Ein erster Ansatz besteht in der gänzlichen Übernahme eines islamischen Bankensystems, wie es im Iran und Sudan der Fall ist. Die Mehrzahl islamischer Banken ist jedoch in duale Finanzsysteme eingebettet, in denen islamische und konventionelle Banken unter einer Gesetzgebung koexistieren. Ägypten oder Saudi-Arabien verfolgen etwa diesen Pfad. Ein dritter Ansatz besteht darin, wie in Malaysia zwei parallel laufende Bankensysteme mit separater Gesetzgebung und Regulierung auszugestalten.4 Generell bieten sowohl vollislamische Banken als auch islamische Sparten konventioneller Banken, sog. Islamic Windows, islamische Bankleistungen an (vgl. Iqbal 1997, S. 43). 3.2 Instrumente des Islamic Banking Um ihre Funktion als Finanzintermediäre wahrzunehmen, entwickelten islamische Bankiers auf der Grundlage klassischer Vertragstypen der Sharia eine Reihe von islamisch korrekten Bank- 2 Die Folge ist eine veränderte Anreizstruktur, denn die Kapitalgeber sind sowohl an der Rentabilität des finanzierten Vorhabens als auch an der Managementkompetenz des Unternehmers interessiert. Es wird argumentiert, dass die strenge Auswahl eine größere Marktdisziplin und effizientere Kapitalallokation veranlasse und somit das Finanzsystem stabilisiere (vgl. Iqbal, Z. 1997, S. 42). 3 Es soll ausschließlich in solche Geschäftsbereiche investiert werden, die als islamisch legitimiert (Halal) klassifiziert sind (vgl. El-Mogaddedi/Everling 2006, S. 47). Iqbal (2007, S. 24) verweist auf die Ähnlichkeit zu ethischen Fonds, die in vielen westlichen Ländern an Popularität gewinnen. 4 In dualen und parallelen Systemen wird die Shariakonformität typischerweise durch Selbstverpflichtung seitens der Sharia Supervisory Boards sichergestellt (vgl. Syloga 2006, S. 1). Eine Ausnahme bilden einige Länder wie bspw. der Iran, in denen eine zentrale Kommission diese Überprüfung übernimmt (vgl. Farhoush 2007, S. 52). 3 instrumenten, die an die Anforderungen des modernen Wirtschaftsverkehrs angepasst wurden. Prinzipiell lassen sich zwei Arten unterscheiden: Profit-and-Loss-Sharing (PLS) mit einer variablen Rendite und Non-Profit-and-Loss-Sharing (Non-PLS) mit einer fixen Rendite (vgl. Iqbal 2007, S. 27). In beiden Fällen nimmt die islamische Bank eine aktivere Rolle ein als im westlichen Banking (vgl. Breuer/Quinten 2007, S. 1417). Ferner schufen islamische Finanzexperten eine shariakonforme Alternative zum Bond (vgl. Obaidullah 2007, S. 191). Die bereits erwähnte eingeschränkte Vertragsfreiheit kommt in den strengen Auflagen zum Ausdruck, denen die Bankprodukte unterliegen. 3.2.1 Profit-and-Loss-Sharing PLS-Instrumente entstammen der Idee, klassische Sharia-Verträge in ein modernes Bankwesen zu integrieren. Im Rahmen dieser Erfolgsbeteiligungen ohne Rückzahlungsgarantie ersetzen variable Beteiligungserlöse die verbotenen Zinseinkünfte (vgl. Breuer/Quinten 2007, S. 1417). Da der Kapitalgeber am unternehmerischen Risiko partizipiert, sollte dieser mit der Branche und dem Projekt vertraut sein. Mudārabah bezeichnet eine passive Partnerschaft zwischen einem Kapitalgeber (Rabb-al-māl) als stillem Gesellschafter und einem Unternehmer (Mudārib), welcher fachliche Kompetenz und Arbeitskraft beisteuert. Aus der Investitionsmaßnahme generierte Gewinne werden entsprechend einem zuvor vereinbarten Verhältnis aufgeteilt, während ein finanzieller Verlust allein zu Lasten des Kapitalgebers ausfällt (vgl. Chong/Liu 2007, S. 7).5 3-1 Die Grundstruktur von Mudārabah Mudārabah Kapital, Management Mudārabah Kapital Islamic Bank Mudārib (Kapitalgeber) (Kapitalnehmer) Gewinnbeteiligung, Kapitalrückzahlung Investitionsprojekt Gewinn Verlust Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 51. Bei der aktiven Partnerschaft Mushāraka bringen beide Partner zur Finanzierung eines Investitionsprojektes sowohl Kapital als auch ihr unternehmerisches Know-how ein (vgl. Mirakhor/Zaidi 2007, S. 51). Bei dieser einem Joint Venture ähnelnden Finanzierung werden Gewinne nach einem zuvor vereinbarten Schlüssel aufgeteilt, wohingegen Verluste entsprechend dem 5 Die Haftung des Kapitalgebers ist auf das eingebrachte Kapital begrenzt. Der Manager sieht sich unter Umständen mit unkompensiertem Arbeitseinsatz konfrontiert. Voraussetzung ist, dass der Mudārib sich keiner nachlässigen oder unehrlichen Handlungsweise schuldig macht (vgl. Iqbal, S. 27 f.). Der Rabb-al-māl trägt somit das komplette monetäre Investitionsrisiko; er darf keine Sicherheiten verlangen (vgl. Syloga 2006, S. 4). 4 Kapitaleinsatz getragen werden (vgl. Farhoush 2007, S. 53). Mushāraka ist für islamische Banken ein geeignetes Instrument, um die zunehmende Nachfrage nach Private Equity- und Projektfinanzierungen in Kontinentaleuropa zu bedienen (vgl. Bälz, S. 7). 3-2 Die Grundstruktur von Mushāraka Eigentumsanteil, Management Islamic Bank Eigentumsanteil, Management Mushāraka Anteiliger Gewinn oder Verlust Unternehmer Anteiliger Gewinn oder Verlust Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 53. PLS ist sowohl für den Transfer von Vermögen von den Einlegern zur Bank als auch von der Bank zu den Kreditnehmern geeignet (vgl. Imady/Seibel 2006, S. 2). Dementsprechend sind die Einleger mit Anteilseignern einer Kapitalgesellschaft mit begrenzter Haftung vergleichbar (vgl. Mirakhor/Zaidi 2007, S. 51). Da die Bank das Kreditausfallrisiko an ihre Einleger weitergeben kann, sind deren Bankguthaben risikoreicher als in einer konventionellen Bank (vgl. Wackerbeck/Heimer 2006, S. 42).6 3.2.2 Non-Profit-and-Loss-Sharing Neben den Erfolgsbeteiligungen existieren Finanzierungsformen, die sich einer impliziten Zinsvereinbarung bedienen und hauptsächlich im Kreditgeschäft eingesetzt werden (vgl. Breuer/Quinten 2007, S. 1417). Die islamischen Banken machen sich dabei zunutze, dass Handel erwünscht ist, und umgehen das Zinsverbot durch die Vergabe von Sachmittelkrediten im Sinne von Aufschlagsfinanzierungen und Leasingverträgen (vgl. Wackerbeck/Heimer 2006, S. 42). Murabaha ist eines der üblichsten Instrumente im IB und stellt eine Vertragssituation dar, in der die Bank als Zwischenhändler im Auftrag des Kunden eine bestimmte Ware von einem Dritten erwirbt und an den Kunden ausliefert. Die Bezahlung erfolgt unter Berücksichtigung einer im Voraus festgelegten Profitmarge zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 48 ff.). Statt eines Kredites stellt die Bank ein Wirtschaftsgut zur Verfügung. Murabaha bildet damit gut die verzinsliche Mittelüberlassung in Form einer kurz- bis mittelfristigen Handelsfinanzierung nach (vgl. Breuer/Quinten 2007, S. 1417). 6 Die Ausgestaltung der Bankguthaben bedarf noch einer Weiterentwicklung, damit den Sparern ermöglicht wird, unabhängig von der Abwicklung der Investitionen, für die ihre Einlagen verwendet werden, Geld abzuheben (vgl. Nomani 2003, S. 62). 5 3-3 Die Grundstruktur von Murabaha Übertragung der Ware Übertragung der Ware an die Bank an den Kunden Verkäufer Islamic Bank Bankkunde (Kapitalgeber) (Kapitalnehmer) Bezahlung des Kaufpreises P Spätere Bezahlung des Kaufpreises und des Aufschlages (P + X) Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 48. Beim shariakonformen Leasing Ijarah erwirbt die Bank als Leasinggeber (Mu’jir) nach Vorgabe des Leasingnehmers (Musta’jir) von einem Dritten rechtliches und wirtschaftliches Eigentum an einem unverbrauchbaren Objekt und überträgt die Nutzungsrechte gegen Zahlung von Leasingraten an den Leasingnehmer (vgl. Farhoush 2007, S. 54 f.). Die Zahlung der Rate ist shariakonform, da die Bank als Eigentümerin alle mit dem Leasingobjekt verbundenen Risiken und Pflichten trägt (vgl. Chong/Liu 2007, S. 8).7 Ijarah eignet sich insbesondere zum Kauf von Gütern, die einer hohen Investitionssumme erfordern oder deren Fertigung von langer Dauer ist (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 58). Es ermöglicht einer islamischen Bank, in international anerkannter Form Kapital für Investitionsgüter bereitzustellen (vgl. Bälz, S. 8).8 3-4 Die Grundstruktur von Ijarah Übertragung des Eigen- Übertragung der Eigentumsnutzung tums an die Bank an den Kunden Verkäufer Islamic Bank Bankkunde (Leasinggeber) (Leasingnehmer) Bezahlung des Kaufpreises Leasingrate Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 56. Salam ist eine islamische Alternative zum Forward. Die Bank erwirbt im Auftrag des Kunden eine spezifizierte, bereits existierende Ware und finanziert diese zum vollständigen Kaufpreis vor. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das jeweilige Objekt unter Aufschlag einer Gewinnmarge an den Kunden verkauft und übergeben. Da die Zulässigkeit von Salam eine Ausnahme des allgemeinen Verbots von Termingeschäften darstellt, unterliegt dieser Vertrag besonders strengen Auflagen (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 58 ff.). 7 Voraussetzung dafür ist wiederum, dass eine missbräuchliche oder fahrlässige Verhaltensweise des Leasingnehmers ausgeschlossen werden kann (Altundag/Haldi 2005, S. 57). 8 Wie beim konventionellen Leasing gibt es verschiedenste Ausgestaltungen von Ijarah wie Leasing auf Abzahlung mit Eigentumsübertragung am Ende der Vertragsdauer, Ijarah wa Iqtina (vgl. Farhoush 2007, S. 55). 6 3-5 Die Grundstruktur von Salam Lieferung der Ware auf Termin Lieferung der Ware auf Termin Islamic Bank Verkäufer Vorauszahlung des Kaufpreises Bankkunde Zahlung des Kaufpreises bei Lieferung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 59. 3.2.3 Sekundärmarktinstrument Sūkūk Traditionell mangelte es dem IB an liquiditätsfördernden Instrumenten wie z.B. Bonds (vgl. Iqbal 1997, S. 43). Da konventionelle Bonds als festverzinsliche Wertpapiere ausgegeben werden, wurde eine shariakonforme Alternative entwickelt: die Sūkūk. Das Wesensmerkmal dieser Islamic Bonds ist der ihnen zugrunde liegende Gegenwert in Form eines realen Vermögenswertes anstelle einer reinen Schuldverpflichtung (vgl. Mirakhor/Zaidi 2007, S. 53).9 Der Emittent des Bonds überträgt die materiellen Wirtschaftsgüter oder immateriellen Anlagewerte, auf denen der Sūkūk-Vertrag beruht, auf eine eigens für dieses Geschäft gegründete Vermögensgesellschaft (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 63). Diese gibt die Sūkūk in Form von Anteilsscheinen aus, die Investoren erwerben können. Sūkūk verkörpern dementsprechend Eigentumsanteile an Vermögenswerten und sind im Sekundärmarkt handelbar (vgl. Iqbal 2007, S. 48). Die Verbriefung ist erlaubt, da es sich um einen Verkauf und Transfer von Vermögensgegenständen im Austausch für eine auf dem Vermögenswert basierenden Gewinngutschrift handelt (vgl. Alam 2007, S. 8). Eventuelle Verluste werden im Verhältnis des eingebrachten Kapitals getragen. 3-6 Die Grundstruktur von Sūkūk Cash Übertragung von Vermögenswerten Unternehmer Emission Vermögensgesellschaft (Emittent) Erwerb Sūkūk Investoren (Sukuk-Zeichner) Cash Zahlungsrückflüsse an Investoren Evtl. Handel Sekundärmarkt Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Altundag/Haldi (2005), S. 63, und El-Mogaddedi (2007), S. 29 f.. 9 Es ist nicht erlaubt, Sūkūk nur auf Grundlage von Forderungen zu emittieren (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 62 f.). Ebenso ist die Neigung konventioneller Bankinstitute zur Verbriefung von Kreditrisiken im IB unzulässig. 7 Der Sūkūk-Markt ist ein sich stark entwickelndes Marktsegment mit beträchtlichem Potenzial. So war in den vergangenen drei Jahren ein signifikanter Anstieg des Emissionsvolumens zu verzeichnen, welches im Jahr 2006 bei 12 Mrd. US-Dollar lag (vgl. El-Mogaddedi 2007, S. 28). Sūkūk sind attraktiv für Investoren, die den Zugang zu neuen Märkten und Regionen suchen (vgl. Alam 2007, S. 7). Auch westliche Finanzinstitute wie die Deutsche Bank sind verstärkt in diesem Markt engagiert. Als erste europäische Gebietskörperschaft gab Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 eine Sūkūk-Staatsanleihe heraus, die statt Zinsen Erträge aus einem Leasingvertrag mit Landesimmobilien ausschüttet (vgl. El-Mogaddedi/Everling 2006, S. 47). Um einen transparenten, durch klare Standards gekennzeichneten Sūkūk-Markt zu gewährleisten, wurde neben dem 1999 eingeführten Dow Jones Islamic Market Index im Jahr 2006 der Dow Jones Citigroup Sūkūk Index aufgestellt (vgl. El-Mogaddedi 2007, S. 28 f.). 3.3 3.3.1 Institutionen des Islamic Banking Sharia Supervisory Board Da für die Umsetzung der Sharia in den wenigsten Ländern allgemein verbindliche Auslegungen existieren, sind islamische Banken auf eigene Religionsexperten angewiesen. Sie arbeiten mit einem Sharia Supervisory Board (SSB) zusammen, welches Teil des internen Regulationssystems ist und die Glaubwürdigkeit und Reputation der Bank beeinflusst (vgl. Algaoud/Lewis 2001, S. 168 ff.). Das SSB wacht als unabhängige Einheit über die Einhaltung der religiösen Vorschriften und zertifiziert Produkte (vgl. Yaqoobi 2007, S. 16). In der Regel obliegt der Bank die Entscheidung, ob und mit welchem Board es kooperieren möchte. Ein SSB besteht aus mindestens drei Mitgliedern, die islamische Rechtsgelehrte oder Spezialisten für den islamischen Finanzbereich sind. Meist handelt es sich um Personen, die eine hohe gesellschaftliche Reputation genießen und gleich in mehreren Boards amtieren. Um Interessenkonflikte zu umgehen, dürfen die Mitglieder weder Hauptaktionär der zu überprüfenden Bank noch in deren Managementausschuss tätig sein (vgl. Altundag/Haldi 2005, S. 45 f.). Konsequenz der Vielzahl an unterschiedlich zusammengesetzten Prüfkommissionen in verschiedenen Ländern ist eine uneinheitliche Anwendung der religiösen Prinzipien (vgl. Iqbal 1997, S. 44). Die fehlende Einheitlichkeit kann dazu führen, dass identische Finanzinstrumente von einem SSB erlaubt, von einem anderen jedoch verworfen werden. 3.3.2 Rating im Islamic Banking Auf den islamischen Finanzmärkten sind nur solche Produkte erfolgreich, die den strengen Anforderungen der Sharia genügen. Aus diesem Grund besitzt das Gütesiegel „shariakonform“ eine hohe wirtschaftliche Relevanz (vgl. El-Mogaddedi/Everling 2006, S. 46 ff.). Ein zweistufiges Rating-Verfahren durch das entsprechende SSB soll die Einhaltung der islamischen Investitionsrichtlinien sicherstellen. In einem ersten Schritt wird ein Industry-Screening durchgeführt, 8 welches Unternehmen herausfiltert, in die investiert werden darf. Bei Aktiengesellschaften werden in einem zweiten Schritt Finanzkennzahlen analysiert. Als geeigneter Orientierungsmaßstab dient dabei der Finanzkennzahlenfilter, auf dem der Dow Jones Islamic Market Index basiert. Ausselektiert werden etwa Unternehmen, deren Gesamtverschuldung im Verhältnis zur durchschnittlichen Marktkapitalisierung 33% übersteigt (vgl. Guide to Dow Jones Islamic Market Indexes 2007, S. 6). Um eine Auseinandersetzung mit Zinsen zu vermeiden, sollen Unternehmen ausgesondert werden, deren Kapitalstruktur stark auf Fremdfinanzierung beruht (vgl. Iqbal 1997, S. 43). Die Vorgaben folgen auch einem ökonomischen Kalkül. So wurden Unternehmen wie Tyco oder Enron bereits Monate vor ihrem finanziellen Zusammenbruch dem Index entnommen (vgl. El-Mogaddedi 2006, S. 7). Der strenge Auswahlprozess macht islamische Fonds folglich für alle risikoscheuen Anleger attraktiv. Gleichzeitig werfen diese jedoch vergleichsweise schwache Renditen ab (vgl. Wittrock 2007, S. 36). 3.3.3 IFSB und AAOFI Die Verbreitung von IB weckte den Bedarf nach einer international akzeptierten Regulation (vgl. Solé 2007, S. 16). Seit seiner Gründung 2002 fördert das Islamic Financial Services Board (IFSB) als Gegenstück zum Basel Komitee die Zuverlässigkeit und Stabilität der islamischen Finanzdienstleistungsindustrie, indem es globale Standards und Richtlinien setzt (vgl. Chong/Liu 2007, S. 11).10 Aufgabe der 1990 gegründeten Accounting and Auditing Organisation for Islamic Financial Institutions (AAOIFI) ist die Entwicklung von internationalen Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards (vgl. Solé 2007, S. 6). 4 Vereinbarkeit von Islam und moderner Wirtschaft Das Modell eines islamischen Bankwesens verkörpert die Vereinbarkeit von Islam und moderner Wirtschaft. Nachdem dessen Konzeption erläutert wurde, soll nun im Anschluss gezielt auf zwei Aspekte in der praktischen Umsetzung eingegangen werden. 4.1 Divergenz zwischen Theorie und Praxis Zunächst soll analysiert und begründet werden, welche Instrumente des IB in der Praxis Anwendung finden. Paradoxerweise verurteilen islamische Intellektuelle speziell die von islamischen Banken und Kunden vorzugsweise genutzten Non-PLS-Instrumente, wohingegen das von ihnen propagierte PLS in der Praxis nur wenig Anklang findet (vgl. Chong/Liu 2007, S. 26 f.). Im Kreditgeschäft dominiert die Aufschlagsfinanzierung Murabaha mit einem Anteil von ca. 70% (vgl. Iqbal et al. 1998, zit. in Iqbal 2007, S. 46). Für die Abweichung zwischen Theorie und Praxis lassen sich zahlreiche Gründe anführen, die hauptsächlich auf die GovernanceStrukturen islamischer Banken zurückzuführen sind (vgl. Algaoud/Lewis 2001, S. 158 ff.). Aus 10 Zu den 110 Mitgliedern des IFSB gehören u.a. IWF, Weltbank und die Islamic Development Bank. 9 der Perspektive der Kapitalnehmer ist zum Beispiel nachteilig, dass im Rahmen von PLS detaillierte Aufzeichnungen offen zu legen sind (vgl. Iqbal 2007, S. 46). Aus Sicht der Kapitalgeber ist die Anfälligkeit für Prinzipal-Agent-Probleme (PAP)11 negativ zu beurteilen, die durch bestimmte Anreizstrukturen wie das Ungleichgewicht zwischen Management und Kontrollrechten hervorgerufen wird. Der Unternehmer wird erstens daran gehindert, sich für das Projekt einzusetzen (Moral Hazard) und unterliegt zweitens Anreizen, den anzugebenden Gewinn zu gering auszuweisen oder künstlich zu reduzieren (vgl. Algaoud/Lewis 2001, S. 166 f.).12 Drittens wird der Unternehmer im Rahmen von Mudārabah dazu ermutigt, hochriskante Projekte einzugehen, da er zwar am Gewinn, nicht aber an den Verlusten beteiligt ist.13 Die Folge ist, dass PLS mit hohen Monitoring-Kosten einhergeht (vgl. Mirakhor/Zaidi 2007, S. 50). Um in ökonomischer Hinsicht dem Wettbewerb mit den bereits etablierten konventionellen Banken standzuhalten, müssen islamische Banken risikoärmere Produkte als PLS anbieten können (vgl. Dar/Presely 2000, S. 5). Dabei ist hilfreich, dass das Zinsverbot die Tätigkeiten der Bank realiter wenig begrenzt. Vor allem auf der Aktivseite überwiegen durch einfachere Handhabung, geringeres Risiko und niedrigeren Informationsbedarf charakterisierte Non-PLS-Instrumente (vgl. Iqbal 2007, S. 47), die zwar den Bestimmungen der Sharia folgen, aber den Geist des Zinsverbots ignorieren, so dass IB sich in der Praxis nur wenig vom konventionellen Banking unterscheidet. Das Zinsverbot wird zwar de jure eingehalten, de facto wird es umgangen. Auch was die Einlagen betrifft, kann nicht von einer Zinsfreiheit ausgegangen werden. In Malaysia etwa wurde beobachtet, dass das Renditeniveau islamischer Depositen dem Zinsniveau konventioneller Depositen folgt (vgl. Chong/Liu 2007, S. 26 f.). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Zielkonflikt zwischen der unflexiblen Auslegung der Sharia und den Anforderungen einer reibungslos funktionierenden modernen Wirtschaft besteht, der sich in der Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis offenbart (vgl. Nomani 2003, S. 64). Eine der größten Herausforderungen für den islamischen Bankensektor stellen die Produktentwicklungen und Innovationen konventioneller Banken dar, auf die islamische Banken immer neue shariakonforme Antworten finden müssen. 4.2 Kundschaft des Islamic Banking Da die Individuen in dualen und parallelen Bankensystemen die Wahl zwischen konventionellen und islamischen Banken haben, soll nun die Kundschaft islamisierter Finanzprodukte näher 11 PAP treten auf, wenn eine Partei, der Prinzipal, die Kontrolle über Ressourcen an eine andere Partei, den Agenten, delegiert und Interessenkonflikte bei Informationsasymmetrie vorliegen (vgl. Algaoud/Lewis 2001, S. 162). Siehe auch Erlei/Leschke/Sauerland 2007, S. 69 ff. 12 Zusätzlich beeinflussen die steuerliche Diskriminierung islamkonformer gegenüber zinsbasierten Produkten und das damit verbundene Problem der Steuerhinterziehung negativ die Verlässlichkeit der Aufteilung von Gewinnen (vgl. Dar/Presley 2000, S. 6). 13 Das Problem betrifft ebenfalls die Passivseite: Da Banken einen Teil ihrer Investitionsverluste den Einlegern aufbürden können, neigen sie zu riskanteren Projekten, sofern dieser Effekt nicht durch Wettbewerb abgeschwächt wird (vgl. Solé 2007, S. 15). 10 beleuchtet werden. Die weltweit beträchtlichen Wachstumsraten der islamischen Bankenbranche deuten auf einen Zusatznutzen hin, den Kunden aus glaubenskonformen Bankprodukten ziehen (vgl. Wackerbeck/Heimer 2006, S. 43). In einem islamischen Finanzmarkt haben per definitionem ethische Belange Vorrang, auch auf Kosten der Wirtschaftlichkeit (vgl. Smith et al. 2007, S. 56). Glaubenskonforme Produkte ermöglichen es deshalb, durch den Zugang zu privaten und institutionellen vermögenden Anlegern im Nahen Osten von den verbleibenden Deviseneinnahmen der Öl exportierenden Länder zu profitieren (vgl. Haase/Subhani 2008, S. 11). Auch die Deutsche Bank bietet seit 2006 islamkompatible Fonds im Nahen Osten an (DWS Noor Islamic Funds). Das geschätzte Vermögen der weltweit 1,4 Mrd. Muslime von 2,5 Billionen US-$ und die damit einhergehende potentielle Nachfrage nach shariakonformen Anlageformen von 180–250 Mrd. US-$ macht den Geschäftsbereich generell für Finanzdienstleister attraktiv (Wittrock 2007, S. 35 f.). Die Präferenzen der muslimischen Bankkunden sollten jedoch nicht auf religiöse Faktoren reduziert werden. Laut einer in Saudi-Arabien, einem Land mit 90% muslimischem Bevölkerungsanteil, durchgeführten Analyse der Kundensegmente im lokalen Markt zählen weniger als 25% der Befragten zur rein islamorientierten Kundschaft, die Bankleistungen ausschließlich nach Shariakonformität aussucht, selbst unter Verzicht auf bessere Konditionen. Etwa ebenso viele Kunden achten vorrangig auf Rendite, Produktpalette und Servicequalität (vgl. Haase/Subhani 2008, S. 12 f.).14 Die Studie macht deutlich, dass sogar in einem islamisch geprägten Land wie Saudi-Arabien neben den religiösen auch weitere Faktoren wie die Rentabilität der angebotenen Produkte eine Rolle spielen. So neigen im arabischen Raum angesiedelte Großinvestoren dazu, ihr Vermögen durch Institutionen verwalten zu lassen, die auch glaubenskonforme Produkte anbieten, selbst wenn ihr eigenes Vermögen in renditereichere Investments angelegt wird (vgl. Wittrock 2007, S. 36). Dieser Konflikt zwischen Glauben und Rendite ergibt sich für Muslime insbesondere in einer nichtmuslimischen Umwelt. Aufgrund der Gefahr einer dauernden wirtschaftlichen Bedeutungslosigkeit wird ein Zinskredit für bestimmte Geschäfte als das kleinere Übel angesehen (vgl. Kalisch 2003, S. 126). So scheiterte der auf dem deutschen Markt im Jahr 2000 von der Commerzbank aufgelegte shariakonforme Publikumsfonds Al Sukoor nach fünf Jahren wegen der geringen Bereitschaft der Privatkunden, sich aufgrund ihres Glaubens mit einer vergleichsweise geringeren Rendite zu begnügen (vgl. Wittrock 2007, S. 34). Langfristig werden sich islamische Banken nicht darauf verlassen können, dass renditeschwächere Produkte allein aus religiösen Gründen nachgefragt werden. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Einleger islamischer Banken aufgrund der fehlenden Rückzahlungsgarantie ihrer Depositen einem höheren Risiko ausgesetzt sind als Einleger konventio- 14 Im Rahmen der von Target Money durchgeführten Studie wurden 4500 männliche Personen befragt. 11 neller Banken, müssen islamische Finanzinstitute profitabler werden (vgl. Iqbal 2007, S. 79 f.).15 5 Fazit und Ausblick Islamic Banking ist eine Strömung im Bankwesen, die islamische Grundsätze und moderne Wirtschaft zu vereinbaren versucht. In der Arbeit wurden zunächst dessen rechtliche und moralische Grundlagen aufgezeigt. Anschließend wurde anhand der Konzeption des IB demonstriert, dass es trotz der Einschränkungen durch die Sharia möglich ist, einen leistungsfähigen Bankensektor zu schaffen. Schließlich erfolgte eine Analyse der praktischen Umsetzung des IB, wobei zwei zentrale Ergebnisse festzuhalten sind: Erstens besteht eine Divergenz zwischen Theorie und Praxis, die sich in der starken Tendenz zu faktisch zinsbasierten Umgehungsgeschäften offenbart. Damit nicht nur die Gestalt eines islamischen Bankensystems, sondern auch dessen ursprüngliche Prinzipien übernommen werden, bedarf es deshalb einer Produktentwicklung, die das PAP entschärft, sowie einer vereinheitlichten Zulassung von Bankinstrumenten. Zweitens verfügen islamische Bankkunden über unterschiedliche Präferenzen. So ist bei der Auswahl von Finanzdienstleistungen für viele Muslime nicht nur die Shariakonformität entscheidend, sondern ebenfalls eine angemessene Rendite. Gelingt es islamischen Banken, mit Innovationen am globalen Kapitalmarkt Schritt zu halten und attraktive Renditen zu liefern, dann steht ihnen auch zukünftig eine positive Entwicklung bevor. Diese wird verstärkt durch weiter steigende Petro-Dollar-Einnahmen und eine weltweit anwachsende muslimische Bevölkerung. 15 In Entwicklungsländern ergibt sich die zusätzliche Problematik, dass die nominale Rendite auf Spareinlagen geringer als die Inflationsrate ausfällt, mit der Folge einer negativen Rendite auf Ersparnisse, was grundsätzlich gegen die gerechten ökonomischen Grundsätze des Islam verstößt (vgl. Nomani 2003, S. 64). 12 Literaturverzeichnis Alam, S.: „The evolution of products in Islamic finance“, in: Hunt, Lori (Hrsg.): “Islamic Finance Review 2007/08”, Euromoney Yearbooks, Colchester, 2007, S. 7-9. Algaoud, L. M. und M. K. 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