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Matthias <Knoop@bigfoot.com>
INHALTSVERZEICHNIS
Seite
1 EINLEITUNG
1.1 BEGRÜNDUNG DER TEXTAUSWAHL
1
1.2 AUFBAU DER ARBEIT
2 TITEL, MOTTO UND AUFBAU DER KRIMINALERZÄHLUNG
2.1 TITEL UND MOTTO DER KRIMINALERZÄHLUNG
2.2 AUFBAU DER KRIMINALERZÄHLUNG
2
3 ANALYSE DER KRIMINALERZÄHLUNG "DIE VERLORENE
EHRE DER KATHARINA BLUM" VON HEINRICH BÖLL
3.1 INHALTSANGABE
3
3.2 ERZÄHLERFIGUR UND ERZÄHLERHALTUNG
3.3 DIE HAUPTPERSON - KATHARINA BLUM
4
3.3.1 CHARAKTERISIERUNG DER KATHARINA BLUM
3.3.2 MORDMOTIVE DER KATHARINA BLUM
7
3.4 SPRACHLICHE MITTEL
3.4.1 NAMEN DER HANDLUNGSTRÄGER ALS SYMBOLISCHE
KENNZEICHNUNG
9
3.4.2 DIE SPRACHE DER ZEITUNG
10
3.4.3 DIE SPRACHE UND DER SPRACHSTIL
11
3.5 GEGENWARTSBEZUG -ZEITUNG UND BILDZEITUNG
12
4 SCHLUSSBEMERKUNG
13
5 LITERATURVERZEICHNIS
I
-16 ANHANG - Lebensdaten Heinrich Böll
AI
1 EINLEITUNG
1.1 BEGRÜNDUNG DER TEXTAUSWAHL
Ich habe mich für "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" von Heinrich Böll
entschieden, da mich das Thema dieses Buches interessiert und es bis heute
nicht an Aktualität eingebüßt hat.
Hauptbestandteil des Buches ist der Sensationsjournalismus und dessen
Folgen.
Durch
fiktive
Zeitungsberichte,
die
denen
einer
realen
Boulevardzeitung besonders ähneln, wird der Leser zum Denken angeregt.
Durch einen Schreibstil, der die breite Masse anspricht und leicht
verständlich ist, treiben die Boulevardblätter die Auflagen in die Höhe.
1.2 AUFBAU DER ARBEIT
Die schriftliche Ausarbeitung über die Kriminalerzählung "Die verlorene Ehre
von Katharina Blum" von Heinrich Böll widmet sich zunächst dem Titel und
Untertitel, da sich an diesen bereits eine Kernaussage über das Erzählte
treffen läßt. Des weiteren beinhaltet sie neben einer Inhaltsangabe, eine
Untersuchung
Charakterisierung
der
der
Erzählperspektive,
Hauptfigur
sowie
ein
die
Psychogramm
von
Böll
und
verwendeten
sprachlichen Mittel. Den Schluß der Arbeit bildet eine Wertung und
Stellungnahme des Verfassers der Hausarbeit.
2 TITEL, MOTTO UND AUFBAU DER KRIMINALERZÄHLUNG
2.1 TITEL UND MOTTO DER KRIMINALERZÄHLUNG
Die hier zu analysierende Kriminalerzählung wurde von dem Autor Heinrich
Böll mit einem Titel, einem Untertitel und einem Motto versehen.
-2-
Mit dem Titel der Kriminalerzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"
individualisiert und konkretisiert Böll den Ehrbegriff.1 Es ist die Ehre der
Hauptfigur Katharina Blum, die diese Ehre des unbescholtenen und ehrlichen
Bürgers durch fremde Einwirkung verliert.
Dieser Verlust der Ehre hat eine Folge, hier kommt der Untertitel" oder: wie
Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" zum Einsatz. Die entstehende
Gewalt führt im Fall der Kriminalerzählung von Böll bis zu dem durch den
Sensationsjournalismus
verursachten
Mord.
Der
Untertitel
hat
einen
exemplarischen Charakter, der sich auch auf die Allgemeinheit beziehen läßt.
Mit dem Begriff Gewalt ist die verbale Gewalt in den Berichten der
Boulevardpresse gemeint.
Als drittes Element verwendet Böll in seiner Kriminalerzählung "Die verlorene
Ehre der Katharina Blum" eine salvatorische Klausel "Personen und
Handlungen dieser Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der
Schilderung gewisser journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den
Praktiken der Bildzeitung ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder
beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich".
2
Diese Klausel benutzt
Böll nicht nur, um sich rechtlich abzusichern, sondern auch um den Leser
zum
nachdenken
anzuregen.
Diese
Klausel
wird
unter
3.5
im
Zusammenhang mit der Bildzeitung ausführlich erläutert.
2.2 DER AUFBAU DER KRIMINALERZÄHLUNG
Heinrich Böll hat sein Buch "Die verlorene Ehre der Katharina Blum: oder Wie
Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" als Kriminalerzählung in
insgesamt 58 knappen gefaßten Kapiteln verfaßt. Im Gegensatz zu
herkömmlichen Kriminalerzählungen, in denen der Täter gesucht wird, stellt
sich der Täter am Anfang der Geschichte. Im Verlauf der Erzählung geht es
um ein stufenweises Aufdecken und Enthüllen von Mordmotiven.1 Diese
Mordmotive werden erst während der Erzählung vor der Mordtat der
Katharina Blum aufgebaut. Die Erzählung endet, wie der Anfang, mit dem
Mord.
1
2
B. Balzer, Grundlagen, 31, S. 23.
H. Böll, Blum, S.9.
-3-
3 ANALYSE DER KRIMINALERZÄHLUNG "DIE VERLORENE EHRE
DER KATHARINA BLUM" VON HEINRICH BÖLL
3.1 INHALTSANGABE
Die Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder : Wie Gewalt
entstehen und wohin sie führen kann" von Heinrich Böll handelt von einer
Frau, die durch eine zufällige Bekanntschaft eines gesuchten Rechtsbrechers
in das Visier von Boulevardpresse und Polizeiermittlungen gerät, unter dem
Druck der Verfolgung 'zusammenbricht' und in ihrer ausweglosen, in die Enge
getriebenen Situation letzen Endes einen Sensationsreporter erschießt, der
maßgeblich an der Hetze und Verfolgung ihrer Person in der Öffentlichkeit
beteiligt ist.
Die Haushälterin Katharina Blum lernt auf einer Feier den gesuchten
Bundeswehrdeserteur Ludwig Götten kennen, der von der Polizei observiert
wird, verliebt sich in ihn und verhilft ihm zur Flucht. Katharina wird von der
Polizei aufs kleinste Detail hin vernommen. Diese Geschichte erscheint in der
Presse, insbesondere die Boulevardzeitung "Die Zeitung" zerrt sie in die
breite Öffentlichkeit.
Ungeachtet
ihrer
tatsächlichen
moralischen
Integrität,
wird
sie
sensationsheischend als Gangsterbraut und Hure dargestellt.
Nachdem sich derartige Artikel häufen und Katharinas kranke Mutter nach
einem Interview mit dem Reporter Tötges stirbt, ist Katharina am Ende. Unter
dem Vorwand dem Reporter ein exklusives Interview geben zu wollen, lädt
sie ihn ein, und erschießt ihn.
3.2 ERZÄHLERFIGUR UND ERZÄHLERHALTUNG
Böll verwendet in seiner Erzählung einen fiktiven Erzähler, der alle
Einzelheiten
vermittelt
und
kommentiert.
Die
Erzählperspektive
ist
überwiegend auktorial. Die auktoriale Erzählhaltung zeichnet sich durch
1
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 2.2, S. 21.
-4subjektive Bewertungen und Kommentierungen der Handlung des Erzählers
aus, der Erzähler hebt seine Erzählerrolle hervor.1
Die Berichterstattung in Bölls Kriminalerzählung "Die verlorene Ehre der
Katharina Blum" erscheint dem Leser zunächst neutral. Durch die
behördlichen Vernehmungen wirkt das Erzählte sehr objektiv. "So erhält der
Leser den Eindruck einer objektiv sachlichen literarischen Berichterstattung".2
Aber gerade in der auktorialen Erzählperspektive zeichnet sich "...die
Einstellung [des Autors] zu politischen, sozialen und moralischen Fragen,
seine Voreingenommenheit [!] gegenüber bestimmter Personen und Dingen
[ab]." Die im Vordergrund objektive Erzählerweise stellt sich als subjektiv
heraus. Der Autor gibt seinen subjektiven Standpunkt durch den auktorialen
Erzähler zu erkennen. "Wenn der Bericht - da hier soviel von Quellen geredet
wird - hin und wieder als 'fließend' empfunden wird, so wird dafür um
Verzeihung gebeten: es war unvermeidlich. Angesichts von 'Quellen' und
'Fließen' kann man nicht von Komposition sprechen .... .Wenn also diese
Erzählung stellenweise in Fluß kommt, wobei Niveauunterschiede und ausgleiche eine Rolle spielen, so wird um Nachsicht gebeten...".1 Hier gibt
sich der auktoriale Erzähler als solcher zu erkennen, Böll bittet um Nachsicht,
sollte die Erzählung stellenweise zu subjektiv sein.
3.3 DIE HAUPTPERSON - KATHARINA BLUM
3.3.1 CHARAKTERISIERUNG DER KATHARINA BLUM
Als Zentralfigur in der Kriminalerzählung tritt die junge Haushälterin Katharina
Blum
in
Erscheinung.
Katharina
wird
von
verschiedenen
Seiten
charakterisiert. Auf der einen Seite erhält der Leser Informationen durch
eigene Aussagen von Katharina während ihres Verhöres, in dem Kommissar
Beizemenne ihr komplettes Leben erfaßt, um eine länger bestehende
Verbindung zu Götten nachzuweisen, und durch Katharinas Angaben
gegenüber Rechtsanwalt Blorna. Des weiteren wird Katharina durch Ihre
1
2
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 6, S.79.
G. Ludwig, Erläuterungen, 6.1, S. 59.
-5Gegner Beizemenne und dem Reporter der "Zeitung", Tötges, charakterisiert.
Durch Selbstaussagen der Katharina Blum erfährt man, daß sie schon
während der Schulzeit sehr fleißig ist, da sie zu Hause und bei den Nachbarn
arbeiten muß. Katharina ist als Kind durch den frühen Verlust ihres Vaters
sehr selbständig. Sie lernt den Beruf der Hauswirtschafterin, in dem sie
später auch arbeitet. Zudringlichkeiten eines arbeitgebenden Arztes geht sie
durch Kündigung aus dem Weg. Der erste große Einschnitt "in der
Entwicklung des fleißigen und strebsamen Dorfmädchens"2 findet mit der
Heirat mit Wilhelm Brettloh statt. Nach einem halben Jahr verläßt sie Brettloh
aufgrund "unüberwindlicher Abneigungen"3. Die von der Polizei fälschlich im
Protokoll aufgenommenen "Zärtlichkeiten" der Männer, die eine Beziehung
mit Katharina hatten, stellt sie bei ihrer Kontrolle des Protokolls "empört[ ]
und energisch" als "Zudringlichkeiten" klar.
Während ihrer Arbeit als Haushälterin bei dem Rechtsanwalt Dr. Hubert
Blorna und der Architektin Trude Blorna übernimmt Katharina die gesamte
Haushaltsführung selbständig. Bei Einladungen und Empfängen der Familie
Blorna sorgt sie für die Gäste, gelegentlich tanzt sie auch und läßt sich von
den Herren nachhause fahren. Gegenüber Zudringlichkeiten der Gäste
verhält sie sich zurückhaltend und abweisend, aus diesem Grund wird sie
auch als "Nonne"4 bezeichnet.
Aufgrund ihrer Sparsamkeit und Nebenjobs bei den Eheleuten Hiepertz und
der
Fa.
Kloth
gelingt
Eigentumswohnung
und
es
Katharina
einen
mit
Hilfe
Volkswagen
der
zu
Blornas
erwerben.
eine
Diese
5
Anschaffungen tätigt sie, um frei und unabhängig zu sein. Aus diesen
erworbenen
Objekten
läßt
sich
schließen,
daß
Katharina
ein
Durchschnittsmensch ist, eine Eigentumswohnung und ein Volkswagen
charakterisieren einen unauffälligen Lebensstil mit einem durchschnittlichen
Wohlstand.
Ihre Arbeitgeber, die Blornas und die Hiepertz, sind stets mit Katharinas
Arbeit zufrieden, es heißt, daß sie "ruhig und freundlich, auch planvoll den
1
H. Böll, Blum, 2, S.11.
B. Sowinski, Interpretation, 3.1.1, S.28.
3
H. Böll, Blum, 15, S. 31.
4
H. Böll, Blum, 24, S.71.
5
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.1, S.29.
2
-6Haushalt"1 leitet.
Katharinas Tante Woltersheim sagt, sie "sei immer ein
fleißiges, ordentliches, ein bißchen schüchternes, oder besser gesagt,
eingeschüchtertes Mädchen gewesen, als Kind sogar kirchentreu"2, auch daß
sie "organisatorisch, kalkulatorisch und auch, was die ästhetische Seite
betreffe, aufs beste gebildet und ausgebildet"3 sei. Dr. Blorna bezeichnet
Katharina als "eine sehr kluge und kühle Person".4 Laut Dr. Hipertz Aussage
ist Katharina radikal, hilfsbereit, planvoll und intelligent."5 Hiermit fügt er
neben der möglichen Auslegung der Intelligenz Katharina als egoistisch auch
die Selbstlosigkeit Katharinas hinzu.6. Dieser Altruismus findet sich in der
Geschichte der plötzlich erwachten Liebe zu Ludwig Götten wieder, sie löst
sich von ihrer bisherigen Kontaktscheue gegenüber Männern und verbringt,
gleich nach der ersten Begegnung eine Liebesnacht mit ihm.7 Diese
plötzliche Liebe zu Götten wird bei dem Verhör Katharinas, wegen ihrer
sonstigen Zurückhaltung nicht geglaubt. "Es trifft zu, daß ich... ausschließlich
und innig mit Ludwig Götten getanzt habe, den ich zum ersten mal in meinem
Leben sah... . Ich empfand große Zärtlichkeit für ihn und er für mich". 8
Neben den bisher genannten charakterisierenden Eigenschaften Katharinas Fleiß,
Strebsamkeit,
Freundlichkeit,
Ordnungssinn,
Hilfsbereitschaft,
Organisationstalent,
Selbstlosigkeit
und
Klugheit,
Zurückhaltung
gegenüber Männern sind noch zwei weitere Charakterisierungen zu
erwähnen,
die
Frau
Blorna
von
sich
gibt,
sie nennt die beiden
9
"lebensgefährliche(n)" Eigenschaften "Treue und Stolz".10 Treue steht für die
Erfüllung eingegangener Verpflichtungen, die Katharina in ihren bisherigen
Arbeitsverhältnissen
bewiesen
hat,
Verschwiegenheit von Geheimnissen.
der
Stolz
äußert
sich
in
ihrer
11
Kommissar Beizmenne hält Katharina am Anfang des Verhörs laut seiner
Aussage "nicht für unmittelbar kriminell, sondern für naiv und ein bißchen zu
1
H. Böll, Blum, 22, S. 52.
H. Böll, Blum, 28, S. 86.
3
H. Böll, Blum, 28, S. 88.
4
H. Böll, Blum, 21, S. 47.
5
H. Böll, Blum, 23, S. 56.
6
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.1, S 30.
7
Ebd.
8
H. Böll, Blum, 24, S. 73.
9
H. Böll, Blum, 38, S. 116.
10
Ebd.
11
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1, S 30.
2
-7romantisch".1 Beizmenne scheint allerdings der festen Überzeugung zu sein,
Katharina habe schon ein länger bestehendes Verhältnis zu Götten gehabt,
er sieht in Katharina eine kriminelle Komplizin von Ludwig Götten.
Die "Zeitung" bezeichnet Katharina in ihren Berichten des Reporter Tötges
als
"Mitglied
einer
kriminellen
Bande"2
und
als
Prostituierte,
die
3
"Herrenbesuche" empfängt, mit einer "nuttige(n) Art".
Außerdem führt die Zeitung aus, Katharina sei eine Kommunistin oder
Linksradikale mit dem Einfluß eines kommunistischen Vaters.4 Katharina sei
"eiskalt und berechnend, eines Verbrechens fähig"5.
Unter 3.4.2 wir die Charakterisierung Katharinas durch die Sprache der
Zeitung weitergehend erläutert.
3.3.2 MORDMOTIVE DER KATHARINA BLUM
Die Kriminalerzählung ”Die verlorene Ehre der Katharina Blum” handelt auch
von der Suche eines Mordmotives. Es soll aufgezeigt werden, wie eine junge,
unbescholtene Frau zur Mörderin werden kann, ”... denn es wird ja noch
geklärt werden, warum eine so kluge und fast kühle Person den Mord nicht
nur ausführte und im entscheidenden, von ihr herbeigeführten Augenblick,
nicht nur zur Pistole griff, sondern diese auch in Tätigkeit setzte.”6
Der Erzähler bietet im Verlauf der Erzählung Hinweise für eine Deutung des
Mordmotives, er rätselt zwischendurch über den Zeitpunkt der Entstehung
der Mordmotivation und des Mordplanes: ”Es hat natürlich ziemlich viele
Theorien gegeben, die den Zeitpunkt herauszuanalysieren versuchten, an
der Katharina die ersten Mordabsichten faßte oder den Mordplan ausdachte
und sich dazu entschloß, ihn auszuführen. Manche denken, daß schon der
erste Artikel am Donnerstag in der ZEITUNG genügt habe, wieder andere
halten den Freitag für den entscheidenden Tag, weil an diesem Tag die
ZEITUNG immer noch keinen Frieden gab und Katharinas Nachbarschaft
und Wohnung, an der sie so hing, sich als (subjektiv jedenfalls) zerstört
1
H. Böll, Blum, 24, S.71.
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.2, S.31.
3
H. Böll, Blum, 22, S. 22.
4
H. Böll, Blum, 22, S. 49.
5
Vgl. H. Böll, Blum, 22, S. 48.
6
H. Böll, Blum, 6, S.17.
2
-8erwies; der anonyme Anrufer, die anonyme Post - und dann noch die
ZEITUNG vom Samstag und außerdem (hier wird vorgegriffen!) die
SONNTAGSZEITUNG. Sind solche Spekulationen nicht überflüssig: Sie hat
den Mord geplant und ausgeführt - und damit basta! Gewiß ist, daß sich in ihr
etwas ‘gesteigert hat’ - daß die Änderungen ihres ehemaligen Ehemanns sie
besonders aufgebracht haben, und ganz gewiß ist, daß alles, was dann in
der Sonntagszeitung stand, wenn nicht auslösend, so doch keineswegs
beruhigend gewirkt haben kann.”1
Des weiteren wird Katharinas psychische Verfassung von Frau Woltersheim
während ihrer Vernehmungen sehr zutreffend beschrieben: ”Sie kenne
Katharina vom Tag ihrer Geburt an und beobachte schon jetzt die
Zerstörung, auch die Verstörtheit, die an ihr seit gestern bemerkbar sei. Sie
sei keine Psychologin, aber die Tatsache, daß Katharina offenbar nicht mehr
an ihrer Wohnung, an der sie so gehangen und für die sie so lange gearbeitet
habe, interessiert sei, halte sie für alarmierend.”2
Katharinas psychische Situation, welche die Ermordung eines Reporters
auslöst, wird unter Betrachtung ihrer Entwicklung vor der Begegnung mit
Götten verständlich.
Sie hat sich nach ihrer gescheiterten Ehe durch Fleiß und Beharrlichkeit in
ihrer Arbeit und Weiterbildung eine neue Existenz aufgebaut, in der sie mit
sich selbst sehr zufrieden ist (”... sie hatte so eine Übereinstimmung ihres
Wesens eine neue Identität gefunden”3). Diese neue Identität wurde durch
eine Enthaltsamkeit in ihrem Gefühlsleben möglich. Als sie Ludwig Götten
kennenlernt und sich in ihn verliebt, erreicht ihre Identität eine höhere Stufe.4
Die Zerstörung ihrer neuen Harmonie beginnt mit der Festnahme. Kommissar
Beizmenne soll laut Aussage von Hach ”Hat er dich denn gefickt?” gefragt
haben, hier findet ein gewaltsames Eindringen in Katharinas Privatleben statt.
Ab diesem Zeitpunkt dürfte Katharinas erste psychische Gegenreaktion in
Form von Aggression und Mißtrauen begonnen haben.5 Die negativen
Behauptungen
1
über
Götten,
die
H. Böll, Blum, 36, S. 107 f.
H. Böll, Blum, 28, S. 84 f.
3
B. Sowinski, Interpretation, 3.1.4, S. 36.
4
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.4, S. 36.
5
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.4, S. 36.
2
Katharinas
Idealbild
von
ihrem
-9Selbstwertgefühl angreifen, lösen sich weitere Abwehrreaktionen aus. Dieser
Zustand
der
”Zerstörung”
und
”Verstörtheit”
erfährt
durch
die
Verunglimpfungen in den Berichten der ”Zeitung” eine starke Steigerung. Die
verbale Gewalt in den Berichten der "Zeitung" wird unter Punkt 3.4.2
ausführlich beschrieben. Katharinas Aggression entlädt sich teilweise, als sie
”die makellosen Wände”1 in ihrer Wohnung mit verschiedenen Lebens- und
Plegemitteln bewirft. Diesen Akt von Vandalismus kann man als eine
Aggression gegen ihre Umwelt und als symbolische Vorwegnahme ihrer
Aggression gegen Tötges deuten, der ihre Ehre und Identität in den Schmutz
zieht.2 Daß Katharinas Verhältnis zur "Zeitung" ”weniger emotional, mehr
analytisch”3 erscheint, läßt auf eine Aggression im Tiefenbereich ihrer Seele
schließen. Auch die spätere Erschießung des Journalisten läßt sich aus
einem Zusammenhang mit der erfolgten Zerstörung ihrer Ehre und ihrer
Menschenwürde deuten. Da Katharina mit niemanden offen über den ‘Verlust
ihrer Ehre’ spricht, staut sich die Aggression in ihr auf.
3.4 SPRACHLICHE MITTEL
3.4.1 NAMEN DER HANDLUNGSTRÄGER ALS SYMBOLISCHE
KENNZEICHNUNG
Untersucht man die Namen der Hauptfiguren, so stellt man fest, daß Böll
Namen mit einem möglichen symbolischen Nebensinn verwendet.4 Die
Namen charakterisieren die Personen, indem sie durch die Namenselemente
bei dem Leser eine gedankliche Verbindung herstellen.
Der Name "Katharina" steht im Griechischen für "die Reine, die Geläuterte"
5
. Mit dem Nachnamen "Blum" assoziiert man die Blume, die sich als
Symbolbedeutung auf das reine Wesen der Katharina Blum bezieht.
Die Gegner der Katharina werden mit ihrem Namen negativ charakterisiert.
1
H. Böll, Blum, 35, S. 106.
Vgl. B. Sowinski, Interpretation, 3.1.4, S. 36.
3
H. Böll, Blum, S. 147.
4
Vgl. B. Sowinski. , Interpretation, 6.5, S. 88.
5
B. Sowinski. , Interpretation, 6.5, S. 88.
2
-10Mit dem Namen des Sensationsjournalisten "Tötges" assoziiert man den Tod.
Die Lauffolge des Namens des Kriminalhauptkommissars Beizemenne klingt
sehr aggressiv und entspricht seinen Verhandlungsmethoden.
Der Name des Geliebten, Ludwig Götten, wird durch die Ähnlichkeit mit Gott
1
durch den Leser positiv bewertet. Mit dem biblischen Zitat
2
"er war es eben,
3
der da kommen soll" wird der Bezug auf Gott unterstützt .
3.4.2 DIE SPRACHE DER ZEITUNG
Die
in Bölls
Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"
berichterstattende "Zeitung" bildet den "medialen Gegenpart zu Katharina".4
”Die Sprache der Zeitung bewegt sich durchgängig auf dem Sprachniveau
der angesprochenen Leserschaft.”5 Die Reportagen der "Zeitung" beginnen
mit großen Fotos und großen Schlagzeilen, sie beinhalten Verleumdungen
und verleumderische Zusätze über Katharina und die Personen die ihr positiv
gesonnen sind.
Katharina wird mit parataktischen, einfachen Sätzen, "Räuberliebchen Katharina Blum verweigert Aussage über Herrenbesuche"6, "Mörderbraut
immer noch verstockt! Kein Hinweis auf Göttens Verbleib! Polizei im
Großalarm"7 charakterisiert. Diese Ellipsen versteht jeder Leser der Zeitung,
die kurzen Sätze prägen sich schnell in das Gedächtnis ein. Durch die
enthaltenen Verleumdungen ”Räuberliebchen” und ”Mörderbraut” assoziiert
man schnell den Eindruck, Katharina ist von ihrem Geliebten abhängig und
ihm hörig. Die Definition "Liebchen" wirkt stark verniedlichend, der Leser
erhält ein falsches Bild von Katharina.
Die Berichte des Sensationsreporter Tötges weichen sehr stark von der
Wirklichkeit ab. Tötges formt positive Zeugenaussagen so um, daß diese in
das negative Bild der Zeitung passen. Die positive Charakterisierung durch
Katharinas Arbeitgeber (Katharina sei eine "kluge und kühle Person"8) formt
1
Nach Lk 7,19 f.
S. Böll, Blum, 26 S.59.
3
Vgl. B. Sowinski , Interpretation, 6.5, S. 88.
4
B. Sowinski, Interpretation, 4.3, S. 58.
5
G. Ludwig, Erläuterungen, 4.5.2, S. 49.
6
H. Böll, Blum, 22, S. 48.
7
H. Böll, Blum, 23, S. 53.
8
H. Böll, Blum, 20, S. 57.
2
-11Tötges zu "eiskalt und berechnend”1 um.
Aus der allgemeinen Aussage Blornas "ich bin Anwalt und weiß, wer alles
eines Verbrechens fähig ist"2 macht Tötges, daß Blorna Katharina für
"durchaus eines Verbrechens fähig "3 halte.
Die Berichte der Zeitung werden meist mit verleumderischen Zusätzen
versehen, um die Sensationsgier der Leser zu befriedigen. Aus Katharinas
Wohnung macht der Reporter Tötges in seinen rhetorischen Fragen "ein(en)
Konspirationstreff, ein(en) Bandentreff (und) ein(en) Waffenumschlagsplatz".4
Die Aussage der Frau Woltersheim, Katharinas Mutter sei "einmal ... erwischt
worden, wie sie in der Sakristei gemeinsam mit dem Küster eine Flasche
Meßwein getrunken habe"5 formuliert die "Zeitung" um in, "Sie hat Meßwein
gestohlen und in der Sakristei mit ihren Liebhabern Orgien gefeiert".6
3.4.3 DIE SPRACHE UND DER SPRACHSTIL
Böll gibt weite Teile des Inhaltes des Buches in einer objektiven
Berichterstattung
wieder.
Dieser
Stil
wird
jedoch
nicht
konsequent
eingehalten. Böll verwendet teilweise umgangssprachliche Redewendungen,
in denen sich vermutlich seine persönliche Betroffenheit über die verbale
Gewalt der Presse widerspiegelt.7
Durch formelhafte Wendungen in der Wiedergabe der Vernehmungen mit
Wörtern wie dem unpersönlich amtlich wirkenden "es wurde" die Berichtsform
zu prägen, "es wurden einige Gegenstände beschlagnahmt8; es wurde
Katharina gestattet; bemerkt worden war auch, daß,... 9; Es mußten noch drei
weitere Teilnehmer des Hausballs vernommen werden.” Es entsteht
hierdurch der Eindruck der objektiven Berichterstattung.
Die Blornas gebrauchen Wörter wie "angequatscht"10; "in die Fresse hauen"1;
1
H. Böll, Blum, 22, S. 48.
H. Böll, Blum, 21, S. 46.
3
H. Böll, Blum, 22, S. 48.
4
H. Böll, Blum, 22, S. 49.
5
H. Böll, Blum, 28, S.87
6
Ebd.
7
G. Ludwig, Erläuterungen, 3.4.5, S. 33.
8
H. Böll, Blum, 13, S. 26.
9
H. Böll, Blum, 24. S. 61.
10
H. Böll, Blum, 21, S. 46.
2
-12hauen"1; "diese Schweine"2, im Zusammenhang der Erregung über die
Berichte der Zeitung. Auch Katharinas Tante Woltersheim verliert im
Zusammenhang
verzerrenden
mit
sexuellen
Angeboten,
die
aufgrund
Berichterstattung
Katharinas
Person
der
stattfinden,
stark
die
Beherrschung: "Sie verdammte Sau, Sie verdammte feige Sau...".3
Außerdem benutzt Frau Woltersheim Ausdrücke wie "Schleimscheißer"4 und
"widerwärtige (r) Angeber",5 um den Ex Mann von Katharina zu beschreiben.
Hierdurch werden die bisherigen Beziehungsprobleme von Katharina zum
Ausdruck gebracht, sie hat noch nie Glück mit Männern gehabt.
Kommissar
Beizmenne
verwendet
gelegentlich
umgangssprachliche
Ausdrücke wie "abgezischt"6, er tritt als rauher Mensch mit rauhen
Verhandlungsmethoden auf.
Der Zeitungsreporter Tötges verwendet Katharina gegenüber vulgäre
Redewendungen.
Als Tötges Katharina, wegen des versprochenen
Interviews aufsucht, schlägt er vor erst, einmal zu ”bumsen”. Katharina
antwortet mit den gleichen sprachlichen Mitteln, ”Bumsen, meinetwegen , ich
hab’ die Pistole rausgenommen und sofort auf ihn geschossen, ..... ich
dachte: Gut jetzt bumst’s.”7
3.5 GEGENWARTSBEZUG - ZEITUNG UND BILDZEITUNG
Wie bereits in der Vorbemerkung unter 2.1 erwähnt hat Böll seiner Erzählung
die salvatorische Klausel vorangestellt: "Personen und Handlung dieser
Erzählung sind frei erfunden. Sollten sich bei der Schilderung gewisser
journalistischer Praktiken Ähnlichkeiten mit den Praktiken der Bildzeitung
ergeben haben, so sind diese Ähnlichkeiten weder beabsichtigt noch zufällig,
sondern unvermeidlich."1 Die Klausel soll aufzeigen, daß die Erzählung frei
erfunden wurde ,daß sie fiktiv ist. Auch juristisch sichert sich Böll somit gegen
mögliche Verleumdungsklagen. In dem Zusatz "unvermeidlich" steckt eine
Ironie,
1
er
zeigt
die
H. Böll, Blum, 38, S. 120.
H. Böll, Blum, 40, S. 125.
3
H. Böll, Blum, 34, S. 104.
4
H. Böll, Blum, 28, S. 87.
5
Ebd.
6
H. Böll, Blum, 33, S. 100.
7
H. Böll, Blum, 58, S. 186.
2
Parallelen
zur
Bildzeitung,
sie
werden
nicht
-13ausgeschlossen
sondern
eher bestätigt. Die Bildzeitung und deren
Berichterstattung diente Böll als Muster für die Zeitung. Die im Buch
abgedruckten Zeitungstexte und die in den Text eingerückten fiktionalen
Zeitungsausschnitte haben eine sehr große Ähnlichkeit mit denen der
Bildzeitung. Es wird hier mit "Balkenüberschriften, grammatikalischen
Verkürzungen und umgangssprachlichen Redewendungen auf formal sprachlicher, Übertreibungen bis zu Sensationalisierung auf inhaltlicher
Ebene"2 verfahren. Die "Zeitung" stillt das Verlangen der breiten Masse nach
leicht Verdaulichem, leicht verständlichen und scheinbaren Erklärungen des
Geschehens und die Sensationsgier auf das bloße Ereignis. Wie bei der
Bildzeitung
der
Springerpresse
wird
dies
durch
bestürzende
Titel,
übertriebene Sensationen und Greueltat erreicht, das Aufzeigen von Fakten
und hinterfragende seriöse Berichterstattung sind nicht gefragt.
4 SCHLUSSBEMERKUNG
Böll zeigt in seinem Buch nicht nur die Methoden der Boulevardpresse, er
beschreibt
auch,
wie
sich
die
Umgebung
der
‘Opfer
des
Sensationsjournalismus ’ durch den Einfluß der Medien verändert. Durch die
verbale Gewalt der Presse kann ein unbescholtener Mensch völlig fertig
gemacht
werden.
Diese
Problematik
hat
auch
in
der
heutigen
Medienlandschaft an Aktualität nicht verloren. Zeitungen, die das schreiben,
was der Leser leicht versteht und ihm interessant erscheint, verkaufen sich
besonders gut.
Die Darstellung der Presse und deren Opfer ist sehr gut gelungen. Das Buch
ist so geschrieben, daß auch der ungeübte Leser die Handlung und die
Thematik versteht. Bölls Werk regt sehr zum Nachdenken über den
Sensationsjournalismus an. Ich kann das Buch nur weiter empfehlen.
1
2
H. Böll, Blum, S. 9.
G. Ludwig, Erläuterungen, 7.2.1, S. 66.
-145 LITERATURVERZEICHNIS
Heinrich Böll, (Blum), Die verlorene Ehre der Katharina Blum, KiWi Verlag,
Köln,
19. Auflage 1996, ISB N: 3-462-01640-7
Bernd Balzer, (Grundlagen), Grundlagen und Gedanken, Diesterweg,
Frankfurt,
3. Auflage 1997, ISB N: 3-425-06041-4
Gerd Ludwig, (Erläuterungen), Königs Erläuterungen und Materialien, Bange,
10. Auflage 1997, ISB N: 3-8044-1636-5
Bernhard Sowinski, (Interpretationen), Oldenbourg Interpretationen,
Oldenbourg,
2. Auflage 1997, ISB N: 3-486-88666-5