Private Käufer bunkern Gold in der Schweiz - WWZ

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Private Käufer bunkern Gold in der Schweiz - WWZ
AktuellWirtschaft
48
7. Juli 2013
h e i n z zi m m e r m a n n
Private Käufer bunkern Gold in der Schweiz
Weil der Goldpreis gefallen ist, greifen Privatanleger zu. Die Schliessfächer der Händler sind zum Bersten voll
Die Zinsbombe
tickt
Ein Blick in die Publikationen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) liefert regelmässig
Aufschluss über die Gesundheit des Finanzsystems.
Gemeinhin bringt man das Risiko steigender Zins­
sätze, die aus ökonomischer Sicht unabwendbar sind
und nach vorsichtigen Äusserungen des US-Noten­
bankchefs auch bald Realität werden könnten, in
Verbindung mit Ausfällen bei Hypotheken oder dem
Platzen einer Immobilienblase. Ein häufig vergesse­
ner Faktor besteht in der schieren Grösse und Ver­
flechtung des globalen Marktes für Zinsswaps. Die
meisten Leute sind mit diesen Instrumenten wenig
vertraut, und der Markt lässt sich nur schwer fassen.
Hier bieten die BIZ-Statistiken eine wertvolle Orien­
tierung. Der Marktwert der ausstehenden Zins­
derivate beträgt knapp 20 000 Milliarden Dollar, ein
unvorstellbarer Wert. Er entspricht etwa einem Fünf­
tel der Bilanzsumme der global tätigen Banken
oder dem Wert aller US-Aktien. Doch dies ist noch
kein Risikoindikator.
Um einem möglichen Missverständnis vorzubeugen:
Swaps werden nicht primär zur Spekulation verwen­
det, sondern zur Absicherung
von Zinsrisiken: beispiels­
«Können weise bei Banken, welche
Instrumente kurzfristige Einlagen in lang­
wie Swaps fristige Kredite transformie­
ren oder Zinsgarantien bei
bei Zins­ Hypotheken absichern. Aber
erhöhungen können Instrumente, welche
zum Risiko gerade der Absicherung von
werden?» Zinsrisiken dienen, bei Zins­
erhöhungen zum Risiko wer­
den? Ja, denn Swaps werden
meistens direkt zwischen Banken und Händlern abge­
schlossen, was mit einem Bonitätsrisiko verbunden ist.
Vor dem Hintergrund, dass der Löwenanteil der
Swaps bei nur gut einem Dutzend systemisch rele­
vanten Banken liegt, ist das Ansteckungsrisiko bei
Zahlungsproblemen einer Gegenpartei riesig. Aber es
gibt auch eine gute Nachricht: Gemäss BIZ wird heute
die Hälfte der Swaps bereits über zentrale Börsen ab­
gewickelt, was die Ansteckung deutlich reduziert. Der
Trend geht also in die richtige Richtung.
Trotzdem: Nach Saldierung sämtlicher Verflechtun­
gen liegt das Bonitätsrisiko der Zinsswaps immer
noch bei etwa 2700 Milliarden Dollar. Zum Ver­
gleich: Der entsprechende Wert lag bei den für die
Krise verantwortlichen Kreditderivaten noch kurz
vor dem Lehman-Konkurs bei rund 600 Milliarden
Dollar, während sich die durch die Finanzkrise aus­
gelösten Abschreibungen der Banken auf geschätzte
2300 Milliarden Dollar addierten. Gut möglich, aber
nicht zu hoffen, dass bei den unerlässlichen Zins­
erhöhungen das Finanzsystem erneut ins Rutschen
gerät.
Heinz Zimmermann ist Professor an der Universität Basel
meldungen
Fauxpas im Swiss-Bordmagazin
ZÜRICH Bundespräsident Ueli Maurer hatte am
13. Februar dieses Jahres Parlament und Bevölkerung mit der Aussage überrascht, dass die Kunstflugformation Patrouille Suisse aus Kosten­gründen
abgeschafft werden müsse. Der öffentliche Aufschrei war gross. Nur sechs Tage später ruderte der
Verteidigungsminister zurück. Für die Redak­toren
des «Swiss Magazine» kam die Kehrt­wende Maurers zu spät. Weil das Magazin vor dem Rückzieher
in Druck ging, steht jetzt in einem Buchtipp für
einen Bildband über das PC-7-Team der Schweizer
Luftwaffe, diese sei «nicht zu verwechseln mit der
Patrouille Suisse, die gibts nicht mehr!». Dies
schreibt der «Tages-Anzeiger» am Samstag. Bei der
Swiss bedauert man den Fauxpas: Es sei sehr unglücklich, dass die Deadline für den Druck des Hefts
genau in diese Zeit gefallen sei, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Die Airline will im nächsten Heft
eine Richtigstellung abdrucken.
von jürg meier
Zürich Gold hat für viele Anleger
an Glanz verloren. Im September
2011 erreichte das Edelmetall mit
1921 Dollar pro Feinunze den
Höchststand. Seither ist der Gold­
preis abgestürzt; am Freitag
schloss das Metall bei 1215 Dol­
lar. Einen solchen Preiszerfall in
so kurzer Zeit gab es seit Jahr­
zehnten nicht mehr. Doch nicht
alle lassen sich davon abschre­
cken, im Gegenteil. Bei den priva­
ten Schweizer Edelmetallhänd­
lern sind die Goldverkäufe in die
Höhe geschnellt.
Lieferengpässe
bei den Goldgiessereien
«Unser Umsatz hat sich im Ver­
gleich zur Vorjahresperiode ver­
doppelt», bestätigt Gianluca Bo­
nincontro von der Filiale der Gei­
ger Edelmetalle in Niederglatt
ZH. Ähnlich klingt es bei Andreas
Hablützel, CEO der Degussa
Goldhandel in Zürich. Er berich­
tet von einer «dreimal höheren
Nachfrage nach Gold- und Silber­
münzen sowie nach Barren als im
letzten Jahr». Am Zürcher Blei­
cherweg können Degussa-Kun­
den durch den Laden schlendern
und aus einem Sortiment an haus­
eigenen Barren und Anlagemün­
zen aus aller Welt wählen.
Die Nachfrage nach physischem
Gold ist laut Hablützel so hoch,
dass die Raffinerien im Tessin mit
dem Prägen von Barren nicht
mehr nachkommen: «Sie sind auf
zwei Monate hinaus ausgebucht.»
Laut Rene Buchwalder, Ge­
schäftsführer von Pro Aurum
Schweiz, gibt es wegen der hohen
Nachfrage teilweise Lieferengpäs­
se. Das Geschäft mit dem Gold
laufe inzwischen beinahe wieder
so gut wie zu Zeiten der Grie­
chenlandkrise, so Buchwalder.
Der Kurssturz der letzten Mo­
nate hat viele Privatanleger offen­
bar nicht beunruhigt. «Kaum
einer unserer Kunden ist aus dem
Gold ausgestiegen», sagt Buch­
walder. «Die Kunden scheinen
den Kurssturz eher als Chance für
Zukäufe zu sehen.» Das über­
rascht auf den ersten Blick, denn
die Goldprognosen vieler Exper­
ten sind eher düster. «Gold bleibt
ein harter Markt», sagt etwa Ka­
rim Cherif, Rohstoffmarkt-Exper­
te bei der Credit Suisse. «Wir
empfehlen, die Erholung der letz­
ten Tage zu nutzen, um allenfalls
Bestände abzubauen.» Denn der
Preis könne weiter sinken. Die
Voraussage der Credit Suisse für
die nächsten drei bis sechs Mona­
te liegt bei 1150 Dollar, also rund
5 Prozent tiefer als der aktuelle
Stand.
Doch die Kunden der privaten
Goldhändler hoffen weniger auf
Kursgewinne. «Edelmetall ist für
viele unserer Kunden nicht in ers­
ter Linie als Anlage interessant,
sondern als eine Absicherung für
schlechte Zeiten», sagt Rene Buch­
walder vom Edelmetallhändler
Pro Aurum. Laut Andreas Hablüt­
zel von Degussa sind viele Kunden
verunsichert. «Sie sorgen sich we­
gen der noch immer nicht gelösten
Schuldenkrise, oder sie befürch­
ten, dass das Bankensystem Prob­
leme bekommen könnte.»
Weil sich die Kunden ernsthaf­
te Sorgen um die Stabilität des
­Finanzsystems machen, genügt es
ihnen nicht, einen Anteil an einem
Goldfonds zu kaufen. Manche
misstrauen sogar den Banken, weil
sie fürchten, diese könnten im
Notfall auf das Gold in den
Schliessfächern zurückgreifen. Sie
lagern ihren Schatz darum lieber
in Zollfreilagern, zu Hause – oder
gleich beim Verkäufer selber.
Schliessfächer vollständig
ausgebucht
Pro Aurum etwa bietet an ihrem
Sitz in einer ehemaligen ZKB-Fi­
liale in Kilchberg 700 Schliess­
fächer an. Sie sind vollständig ge­
füllt, laut Rene Buchwalder be­
steht eine Warteliste. Die beiden
Filialen der Firma Geiger Edelme­
talle verfügen auch über Schliess­
fächer. Auch sie sind laut Gian­
luca Bonincontro ausgebucht. In
der Filiale St. Margrethen sollen
innerhalb der nächsten zwei Wo­
chen neue Fächer installiert wer­
den, in der Filiale Niederglatt lau­
fe die Planung für eine neue Anla­
ge «mit Hochdruck». Die Degus­
sa-Filiale in Zürich hat laut And­
reas Hablützel seit letztem Dezem­
ber ebenfalls Schliessfächer, dort
hat es derzeit noch Platz.
Manche Beobachter sehen noch
einen anderen Grund hinter dem
Boom. Sie vermuten, dass manch
ausländischer Steuersünder sein
Konto leeren musste und für die­
ses Geld einen neuen Ort sucht.
Einfach lässt sich dies aber nicht
bewerkstelligen. Die Bücher der
Edelmetallhändler werden von
der Selbstregulierungsorganisa­
tion der Branche geprüft. Bei
Laufkunden in den Filialen müs­
sen die Händler ab einem Betrag
von 25 000 Franken die Identität
des Kunden überprüfen, manche
Händler legen noch strengere
Standards an. Banktransaktionen
etwa beim Onlinehandel hinterlas­
sen eine Datenspur. Aus Gold­
händlerkreisen ist allerdings zu
­erfahren, dass es vorkomme, dass
Kunden abgelehnt würden, weil
den Händlern die Herkunft des
Geldes nicht geheuer sei.
Ausgebucht:
Schliessfächer
im Tresorraum
foto: vario images
Schweizer mögens italienisch
Domino’s Pizza hat die Wachstumsziele nach unten korrigiert.
Die amerikanische Pizza ist bei hiesigen Konsumenten weniger beliebt
Zürich Der weltgrösste Pizza­
kurierdienst Domino’s Pizza
kommt mit der Expansion in der
Schweiz nicht vom Fleck. Statt
wie angekündigt neue Läden zu
eröffnen, hat der weltweit über
10 000 Filialen zählende Riese
sogar Geschäfte geschlossen. Es
wäre nicht das erste Mal, dass
gross angekündigte Ausbaupläne
scheitern.
Seit knapp einem Jahr haben
die Schweizer Filialen eine neue
Besitzerin. Die Franchisegesell­
schaft Domino’s Pizza Group hat
die zwölf bestehenden Verkaufs­
stellen übernommen und dafür
7 Millionen Franken bezahlt. Da­
zu gehört die Option, auch in Ös­
terreich Teigfladen unter der Mar­
ke Domino’s Pizza zu liefern.
CEO Lance Batchelor setzte
grosse Hoffnungen in den Appe­
tit der Schweizer auf Pizzas nach
amerikanischer Art. «Wir glau­
ben, dass die Schweiz eine aufre­
gende Möglichkeit bietet, die Ex­
pansion des Unternehmens in
Europa voranzutreiben», sagte er
im August letzten Jahres. Er be­
tonte das Potenzial angesichts der
«wohlhabenden Konsumenten».
25 neue Läden wollte Domino’s
in den kommenden Jahren eröff­
nen und mittelfristig ein Netz von
65 Filialen aufbauen. Seit dem
Kauf ist das Gegenteil passiert. In
Zürich und Winterthur hat Domi­
no’s je eine Filiale dichtgemacht.
In Zürich ist eine Eröffnung ge­
plant, aber dafür wird eine ande­
re Filiale geschlossen. Die Mittel­
fristziele hat das Unternehmen
bereits nach unten korrigiert.
Statt von 65 Geschäften sprach
Domino’s im April nur noch von
angepeilten 50.
Vor Domino’s steht viel Arbeit.
Das Schweizer Geschäft habe in
der Vergangenheit unter fehlen­
den Investitionen gelitten, heisst
es. Neue Menüs, mehr Marketing
und intensives Training des Per­
sonals waren nötig, und das ist
teuer. Das laufende Jahr dürfte
Verluste in der Schweiz bringen.
Einen Gewinn erwartet Domino’s
erst 2014.
Für Domino’s Pizza ist die
Schweiz ein hartes Pflaster
Die Konkurrenz kommt dank Piz­
zas mit italienischem Flair schnel­
ler voran. Dieci, nach Filialen die
Nummer eins im Land, betreibt
schweizweit 23 Läden und Restau­
rants. In diesem Jahr kommen wei­
tere dazu, wie Geschäftsführer
­Patrick Bircher sagt. «Dieci wird
dieses Jahr voraussichtlich vier
neue Standorte eröffnen.» Er­
staunt zeigt er sich über die Schlies­
sung der Domino’s Filiale in Win­
terthur. «Winterthur ist einer der
erfolgreichsten Standorte von
Dieci.» Domino’s Pizza Group
wollte zu den Expansionsplänen
keinen Kommentar abgeben. Das
an der Londoner Börse gelistete
Unternehmen, ein Masterfran­
chisenehmer des US-Hauptkon­
zerns, verweist auf den Halbjah­
resbericht von Ende Juli. Dort sol­
len mehr Details folgen. Auf der
Schweizer Facebook-Site von Do­
mino’s zeigt sich das Unternehmen
ungebrochen optimistisch. Wer als
Kunde anfragt, erhält die Antwort,
man warte nur noch auf die Bewil­
ligung der Behörden für die Eröff­
nung neuer Filialen.
Offensichtlich ist der Schweizer
Markt aber ein hartes Pflaster.
Schon der vorherige Besitzer der
Franchiserechte kündigte an, bis
in einigen Jahren 50 Geschäfte in
der Schweiz zu eröffnen. Davor
scheiterten andere grossspurige
Expansionspläne.
Vielleicht werden die Schweizer
doch noch auf den Geschmack von
US-Pizzas kommen. Möglich auch,
dass sich Domino’s einen etwas
italienischeren Anstrich geben
wird. Auf der Schweizer Internet­
site lautet der Slogan jedenfalls
­bereits «ti amo». Die Teigfladen
dagegen klingen mit Namen wie
«Beefalicous» und «Veggie ­Dream»
nach wie vor eindeutig amerika­
nisch. Erich Bürgler
bürohr
Heikle Aufgabe für Rudolf Minsch, Vorsitzender der
Geschäftsleitung ad interim bei Economiesuisse: Der
Verband musste zur Revision
der Fernmeldedienst-Verordnung eine Stellungnahme im
gemeinsamen Namen von
Swisscom, Sunrise und den
Kabelnetzbetreibern einreichen. Angesichts der Tatsache, dass die Vorlage unter
diesen Mitgliedern direkte Umverteilungseffekte im
zweistelligen Millionenbereich haben dürfte, galt das
als Quadratur des Kreises. Die Eingabe steht – und
Minsch hat seine erste «Mission impossible» erfüllt.
Mit der Unterzeichnung des Freihandelsabkommens zwischen der Schweiz und China gab es für die
neuen Partner aus Fernost gleich ein Begrüssungs­
geschenk. Am Rande des Staatsakts verlieh AltBundesrätin Ruth Metzler-Arnold, Präsidentin der
Wirtschaftsförderorganisation Switzerland Global
Enterprise, den Swiss Business Award in der Kategorie «Chinese Investor in Switzerland». Preisträger
ist das global tätige Unternehmen Sinopec, das in
Genf als Addax Petroleum
firmiert. Addax beschäftigt
1100 Angestellte in Nigeria,
Gabun, Kamerun, Genf und
Houston. Chinesische
Staatsfirmen geraten
­regelmässig in die Kritik
von Umweltschützern und
Menschenrechtsaktivisten. Insbesondere in Afrika
wird das Auftreten von Unternehmen aus dem Reich
der Mitte als überwiegend imperialistisch beschrieben. Warum heimst da eine Firma wie Addax einen
Preis von einer Ex-Justizministerin ein? Es ist wohl
eine Verlegenheitslösung. Der ideale Preisträger
hätte der Telecomausrüster Huawei sein können,
der zu den wenigen chinesischen Vorzeige­firmen in
der Schweiz gehört hatte – bis bekannt wurde, dass
in den hiesigen Büros chinesische Angestellte ohne
Bewilligung arbeiteten. Erschwerend hinzu kamen
Gerüchte über angebliche Schnüffel­attacken. Hoffentlich hat Metzler-Arnold für den Award wenig­
stens überprüfen lassen, ob bei Addax alle Beschäftigten sauber sind.