Technische Konzepte zur RFID
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Technische Konzepte zur RFID
Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik der Technischen Universität München Technische Konzepte zur RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation in der Automobilindustrie Jürgen Wagner Vollständiger Abdruck der von der Fakultät für Maschinenwesen der Technischen Universität München zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktor-Ingenieurs (Dr.-Ing.) genehmigten Dissertation. Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr.-Ing. B.-R. Höhn Prüfer der Dissertation: 1. Univ.-Prof. Dr.-Ing. W. A. Günthner 2. Univ.-Prof. Dr.-Ing. B. Heißing Die Dissertation wurde am 26.05.2009 bei der Technischen Universität München eingereicht und durch die Fakultät für Maschinenwesen am 26.10.2009 angenommen. Vorwort Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik (fml) der Technischen Universität München in Zusammenarbeit mit der AUDI AG über die Ingolstadt Institute der TU München (INI.TUM). Mein persönlicher Dank gilt in erster Linie Herrn Prof. Dr. W. A. Günthner, der mir die Möglichkeit zur Durchführung meiner Forschungstätigkeit gab sowie mir das notwendige Vertrauen und die notwendige Unterstützung entgegenbrachte. Zudem danke ich Herrn Prof. Heißing für die Übernahme des Korreferats und Herrn Prof. Höhn für den Vorsitz der Prüfungskommission. Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Stefan Härdl, Herrn Dr. Peter Tropschuh, Herrn Arne Leetz und Herrn Dr. Uwe Koser sowie allen Arbeitskollegen in der Fachabteilung ET-2 der AUDI AG, die mich als Auftraggeber und Ansprechpartner des INI.TUM Wissenschaftsprojektes „Transparenter Prototyp“ mit vollen Kräften unterstützt und gefördert haben. Ebenso möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Lehrstuhls fml für die sehr gute und freundschaftliche Zusammenarbeit bedanken. Namentlich möchte ich meine Kollegen Julia Boppert, Janina Durchholz, Roland Fischer, Michael Salfer, Stefan Sanladerer und Michael Schedlbauer erwähnen, die mir immer zur Seite gestanden haben. Des Weiteren gilt mein Dank meinem früheren Kollegen Stefan Seemüller, der mich an den Lehrstuhl herangeführt hat. Mein größter Dank gilt meiner Familie, insbesondere meiner Mutter und meinem Stiefvater, für die langjährige und unbegrenzte Unterstützung in allen Bereichen meines Lebens, wodurch es mir ermöglicht wurde, diesen wichtigen Schritt in meinem beruflichen Werdegang abzuschließen. Von ganzen Herzen bedanke ich mich bei meiner Freundin Melanie Veicht, die immer verständnisvoll war und mir mit ihrer Liebe kontinuierlich neue Kraft, Inspiration und Energie zur Durchführung meiner Dissertation gegeben hat. Garching, im Mai 2009 Jürgen Wagner I II Kurzzusammenfassung Kurzzusammenfassung Zur Sicherstellung der Qualität über alle Wertschöpfungsstufen und beteiligten Unternehmen im vielschichtigen Entwicklung- und Produktionsprozess der Automobilindustrie bedarf es eines konsequenten Qualitätsmanagements. Eine zentrale Rolle zur Schaffung von Transparenz nimmt hierbei die lückenlose Verfolgung und Dokumentation des Bauzustandes von Fahrzeugen ein. Die Radiofrequenzidentifikation, die eine Methode kennzeichnet bei der Daten mittels magnetischer Felder bzw. elektromagnetischer Wellen über die Luftschnittstelle übertragen werden, schafft hier neue Chancen und Potenziale zur Steigerung der Effizienz und Transparenz in der Wertschöpfungskette durch die durchgängige und eindeutige Identifizierung von Fahrzeugkomponenten. Die Kennzeichnung und Erfassung von Fahrzeugeinzelteilen - insbesondere im Fahrzeug - ist aber aufgrund der negativen Auswirkungen von Metall auf die Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen mit vielschichtigen Herausforderungen behaftet und nicht mit einem auf dem Markt erhältlichem Standardsystem lösbar. Das Ziel der Arbeit war daher die Entwicklung von technischen Konzepten zur Kennzeichnung und Erfassung von verbauten Bauteilen im Fahrzeug mit Hilfe der RFIDTechnologie sowie der Nachweis der technischen Machbarkeit einer RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation. Dazu wurde ein Konzept zur Entkopplung der mobilen Datenträger von leitfähigen Materialien mittels eines Spezialabsorbers erarbeitet, um die für den Anwendungsfall essenzielle Kennzeichnung von metallischen Bauteilen unter den spezifischen Anforderungen zu ermöglichen. Zur Erfassung gekennzeichneter Bauteile im Fahrzeug wurden verschiedene technische Antennenkonzepte betrachtet beziehungsweise entwickelt und auf deren Eignung für den Einsatz in der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation überprüft. Durch die gezielte Kombination von zwei Antennenkonzepten konnte im Rahmen einer praktischen Evaluierung an Hand eines repräsentativen Versuchsfahrzeug gezeigt werden, dass die RFID-Technologie die Möglichkeit bietet Fahrzeugbauteile zu kennzeichnen und im verbauten Zustand zu erfassen. III Summary Summary To ensure the quality in the supply chain integrating all involved companies within the automobile industry’s complex development and production process requires a consistent quality management For creating transparency a complete tracing and documentation of the car’s state of construction is a main issue. The radio frequency identification, characterising a method transferring data by means of magnetic fields or electromagnetic waves through air interface, creates new opportunities to enhance efficiency and transparency in the supply chain because of the consistent and explicit identification of automobile parts. The labelling and identification of automobile single parts – especially inside the vehicle – poses a challenge due to the negative effects of metal on the performance of RFID-systems which cannot be solved with a currently available system. The paper’s aim was the development of technical concepts for labelling employed automobile parts by means of the RFID.technology and to proof the technical feasibility of a RFID based documentation of the state of construction. Therefore a concept to decouple the transponder from conductive materials was developed by using a special absorber to enable the essential labelling of metal parts out of metal to fulfill the application’s specific requirements. To identify labelled parts inside the vehicle different technical concepts were considered and accordingly developed and tested for their adoption within RFID based documentation of the state of construction. By using the specific combination of two different antenna concepts it could be demonstrated within the scope of a field evaluation with a representative test automobile that RFID technology offers the opportunity to label vehicle units and to identify them when installed. IV Inhaltsverzeichnis Vorwort ................................................................................................... I Kurzzusammenfassung....................................................................... III Summary ..............................................................................................IV Abbildungsverzeichnis.........................................................................X Tabellenverzeichnis......................................................................... XVII 1 Ausgangssituation und Hintergrund .......................................... 1 1.1 Die Automobilindustrie im Wandel.................................................................... 1 1.2 Problemstellung der Arbeit ............................................................................... 7 1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise..................................................................... 9 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation........................ 12 2.1 Grundlagen der Auto-Identifikations-Verfahren .............................................. 13 2.1.1 Barcode-Technologie ............................................................................... 15 2.1.2 RFID-Technologie .................................................................................... 18 2.2 RFID und Barcode-Technologie im Vergleich ................................................ 22 2.3 Differenzierung und Charakterisierung von RFID-Systemen.......................... 25 2.3.1 Arbeitsfrequenz des RFID-Systems ......................................................... 26 2.3.2 Energieversorgung des Transponders ..................................................... 29 2.3.3 Art des Speicherzugriffs ........................................................................... 30 2.3.4 Speicherkapazität..................................................................................... 31 2.4 Funktionsweise der Energie- und Datenübertragung ..................................... 32 2.4.1 Kapazitive Kopplung ................................................................................ 34 2.4.2 Induktive Kopplung................................................................................... 36 2.4.3 Elektromagnetische Kopplung.................................................................. 52 2.5 Eigenschaften von RFID-Systemen................................................................ 66 2.5.1 Feldcharakteristik ..................................................................................... 66 2.5.2 Reichweite................................................................................................ 68 V Inhaltsverzeichnis 2.5.3 Baugröße ................................................................................................. 70 2.5.4 Datenübertragungsrate ............................................................................ 70 2.5.5 Pulkfähigkeit............................................................................................. 71 2.5.6 Materialdurchdringung ............................................................................. 73 2.5.7 Zusammenfassung der Eigenschaften von RFID-Systemen.................... 74 2.6 Standardisierung der RFID-Technologie ........................................................ 74 2.6.1 Funkvorschriften....................................................................................... 75 2.6.2 Luftschnittstellenstandards....................................................................... 77 2.6.3 Anwendungsstandards............................................................................. 77 2.6.4 EPC – Netzwerk....................................................................................... 77 2.7 Technologische Entwicklungstrends............................................................... 77 2.7.1 Fortschreitende Reduzierung des Stromverbrauchs bei Mikrochips ........ 77 2.7.2 Integration von druckbaren Batterien ....................................................... 77 2.7.3 Polymertransponder................................................................................. 77 2.7.4 Zusammenfassung Zukunftstrends .......................................................... 77 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation ........................... 77 3.1 Aufgabe der Bauzustandsdokumentation im Produktlebenszyklus ................ 77 3.1.1 Fahrzeugentwicklung ............................................................................... 77 3.1.2 Produktion ................................................................................................ 77 3.1.3 Fahrzeugservice....................................................................................... 77 3.2 Konzept der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation ............................ 77 3.2.1 Bauteilkennzeichnung .............................................................................. 77 3.2.2 Bauteilerfassung ...................................................................................... 77 3.2.3 Datenhaltung............................................................................................ 77 3.3 Konzept zur Einführung der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation.... 77 3.4 Festlegung von Referenzbauteilen ................................................................. 77 3.5 Anforderungen an die RFID-Technologie ....................................................... 77 3.5.1 Anforderungen an die Bauteilkennzeichnung........................................... 77 3.5.2 Anforderung an die Bauteilerfassung ....................................................... 77 3.5.3 Anforderungen an die Langzeitstabilität ................................................... 77 3.6 Festlegung der Energieversorgung und der Arbeitsfrequenz ......................... 77 3.6.1 Energieversorgung................................................................................... 77 3.6.2 Arbeitsfrequenz ........................................................................................ 77 VI Inhaltsverzeichnis 3.7 Zentrale Herausforderungen und Handlungsfelder......................................... 77 3.7.1 Bauteilkennzeichung ................................................................................ 77 3.7.2 Bauteilerfassung im verbauten Zustand................................................... 77 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen............................ 77 4.1 Theoretische Grundlagen zur Kennzeichnung von metallischen Objekten..... 77 4.1.1 Verhalten von elektromagnetischen Feldern an metallischen Grenzflächen............................................................................................ 77 4.1.2 4.2 Verstimmung des Transponders .............................................................. 77 Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Objekten.............................. 77 4.2.1 Konzept Abstandsmaterial ....................................................................... 77 4.2.2 Konzept Flag Tag..................................................................................... 77 4.2.3 Konzept konstruktiver Schlitz ................................................................... 77 4.2.4 Konzept PIFA-Antenne ............................................................................ 77 4.3 Leistungsfähigkeit der aufgezeigten Kennzeichnungskonzepte ..................... 77 4.3.1 Versuchsaufbau ....................................................................................... 77 4.3.2 Verwendete Hardwarekomponenten........................................................ 77 4.3.3 Ergebnisse der praktischen Leistungsevaluierung ................................... 77 4.4 Auswahl des Konzepts zur Kennzeichnung metallischer Bauteile für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation..................................................... 77 4.4.1 Abstandsmaterial ..................................................................................... 77 4.4.2 Flag Tag ................................................................................................... 77 4.4.3 Zusammenfassung................................................................................... 77 4.5 Qualifizierung und Anpassung des ausgewählten Kennzeichnungskonzepts 77 4.6 Zusammenfassung und Fazit ......................................................................... 77 5 Erfassung von verbauten Bauteilen ......................................... 77 5.1 Theoretische Einflüsse einer metallischen Umgebung auf RFID-Systeme..... 77 5.1.1 Abschirmung ............................................................................................ 77 5.1.2 Reflexionseffekte in metallischer Umgebung ........................................... 77 5.1.3 Wirbelstrombildung .................................................................................. 77 5.1.4 Abschattung ............................................................................................. 77 5.2 5.2.1 Auswirkungen für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation ................. 77 Bauteilfreiheitsgrade ................................................................................ 77 VII Inhaltsverzeichnis 5.2.2 Schwankendes und unstetiges Lesefeld .................................................. 77 5.2.3 Bauteilabschirmung und -abschattung ..................................................... 77 5.2.4 Zusammenfassung und Fazit ................................................................... 77 5.3 Praktische Evaluierung der Erfassung von verbauten Komponenten............. 77 5.3.1 Versuchsaufbau ....................................................................................... 77 5.3.2 Versuchsdurchführung ............................................................................. 77 5.3.3 Ergebnisse der Versuchsreihe ................................................................. 77 5.4 Zusammenfassung und Fazit ......................................................................... 77 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume.................................... 77 6.1 Antennenparameter........................................................................................ 77 6.1.1 Impedanz ................................................................................................. 77 6.1.2 Reflexionsdämpfung ................................................................................ 77 6.1.3 Gewinn ..................................................................................................... 77 6.1.4 Sende- und Empfangsleistung ................................................................. 77 6.2 Antennenbauformen und ihre Eigenschaften ................................................. 77 6.2.1 Dipole ....................................................................................................... 77 6.2.2 Stabantennen........................................................................................... 77 6.2.3 Flachantennen ......................................................................................... 77 6.3 Anforderungen an Antennenkonzepte an enge Bauräume............................. 77 6.3.1 Technische Anforderungen ...................................................................... 77 6.3.2 Spezifische Anforderungen für den Anwendungsfall................................ 77 6.3.3 Zusammenfassung................................................................................... 77 6.4 Konzept zur Auswahl des geeigneten Antennenkonzepts.............................. 77 6.5 Auswahl eines geeigneten Antennenkonzepts ............................................... 77 6.5.1 Anforderung Baugröße............................................................................. 77 6.5.2 Anforderung Handhabbarkeit ................................................................... 77 6.6 Auslegung und Gestaltung der Koaxialantenne ............................................. 77 6.6.1 Aufbau der Best-Practise Koaxialantenne................................................ 77 6.6.2 Messung der Empfangsleistung ............................................................... 77 6.6.3 Messung der Reflexionsdämpfung........................................................... 77 6.6.4 Sicherstellung der Antennenrobustheit und der einfachen Handhabung............................................................................................. 77 6.7 VIII Praktische Evaluierung der Koaxialantenne ................................................... 77 Inhaltsverzeichnis 6.7.1 Versuchdurchführung............................................................................... 77 6.7.2 Festlegung der Sendeleistung.................................................................. 77 6.7.3 Ergebnisse der Evaluierung ..................................................................... 77 6.8 Zusammenfassung und Fazit ......................................................................... 77 7 Zusammenfassung und Ausblick ............................................. 77 8 Literatur ...................................................................................... 77 IX Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1-1: Absatz der Automobilmarken weltweit im Jahr 2006 [ATK-07] und deren Profitabilität auf Basis des API-Index [FHD-07] ................................... 2 Abbildung 1-2: Erteilte Typgenehmigungen des Kraftfahrtbundesamtes einschließlich der Nachträge [KBA-06] .......................................................................... 3 Abbildung 1-3: Steigende Derivatisierung am Beispiel der AUDI AG (in Anlehnung an [DIC-07]) ................................................................................................... 4 Abbildung 1-4: Steigende Anzahl der Produktinnovationen am Beispiel der AUDI AG [DIC-07].......................................................................................... 5 Abbildung 1-5: Anzahl der Rückrufaktionen von 1998 bis 2006 [KBA-06]................... 6 Abbildung 1-6: Baugruppenbezogene Verteilung der Rückrufaktionen [KBA-06] ....... 7 Abbildung 1-7: Vorgehensweise und methodischer Aufbau der Arbeit ..................... 11 Abbildung 2-1: Aufbau des Kapitels Einführung in die Radiofrequenzidentifikation .. 13 Abbildung 2-2: Zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Auto-ID-Verfahren (in Anlehnung an [JAN-04]) ......................................................................... 14 Abbildung 2-3: Varianten der optischen Codierung [GÜN-07]................................... 16 Abbildung 2-4: Die wichtigsten Varianten des 1D-Barcodes [GÜN-07] ..................... 16 Abbildung 2-5: Codierung von Zeichen in einem Barcode am Beispiel des Barcode 2/5 Industrie (in Anlehnung an [GÜN-07]).................................................... 17 Abbildung 2-6: Beispiele für Stapelcodes (PDF417) und Matrix-Codes (QR-Code und Maxicode) [BER-05].............................................................................. 18 Abbildung 2-7: Komponenten eines RFID-Systems (in Anlehnung an [LAM-05]) .... 19 Abbildung 2-8: Verschiede Bauformen von Transpondern (in Anlehnung an [LAM-05])..................................................................................................... 20 Abbildung 2-9: Bestandteile eines Smart Label [JAN-04].......................................... 21 Abbildung 2-10: Antennenvarianten [PRE-08, FEI-07].............................................. 22 Abbildung 2-11: Vergleich zwischen Barcode und RFID........................................... 25 Abbildung 2-12: Unterscheidungskriterien von RFID-Systemen ............................... 26 Abbildung 2-13: Überblick über nutzbare RFID-Frequenzen in Deutschland und dazugehörige beispielhafte Anwendungen .................................................. 27 X Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-14: Abhängigkeit der übertragbarer Datenmenge von der Wellenlänge [GS1-06] ............................................................................................ 28 Abbildung 2-15: Daten- und Energieübertragungsverfahren von RFID-Systemen (in Anlehnung an [KER-06])......................................................................... 33 Abbildung 2-16: Einteilung der RFID-Systeme nach dem zeitlichen Ablauf der Energie- und Datenübertragung (in Anlehnung an [FIN-06]) ....................... 34 Abbildung 2-17: Kapazitive Kopplung bei close-coupling Systemen [KER-06] ......... 35 Abbildung 2-18: Kapazitive Kopplung bei remote-coupling Systemen [KER-06]....... 36 Abbildung 2-19: Magnetische Feldlinien um einen stromdurchflossenen Leiter........ 37 Abbildung 2-20: Verlauf der Feldstärke in einer Spule a) schematisch und b) sichtbar mit Hilfe von Eisenspänen [TIP-94] ................................................ 38 Abbildung 2-21: Verlauf der magnetischen Feldstärke bei kurzen Zylinderspulen im Nahfeld in Abhängigkeit des Spulenradius R (in Anlehnung an [FIN-06]).... 39 Abbildung 2-22: Readerantennen für unterschiedliche Lesereichweiten [FEI-07]..... 40 Abbildung 2-23: Mobile Datenträger auf Basis induktiver Kopplung mit unterschiedlichen Antennen [RRY-07, SOK-07, UPM-07] ................................... 42 Abbildung 2-24: Erkennungsbereich von induktiv gekoppelten Systemen und deren Lageabhängigkeit am Beispiel eines 134kHz-Transponders [KER-06] ....... 44 Abbildung 2-25: Ersatzschaltbild für ein induktiv gekoppeltes RFID-System mit einem Parallelschwingkreis gebildet durch ein RC-Glied (in Anlehnung an [FIN-06]) ...................................................................................................... 45 Abbildung 2-26: Gegenüberstellung des Verlaufes der Lastspannung in Abhängigkeit der Frequenz mit und ohne Parallelschwingkreis (f0 = Arbeitsfrequenz und u0 = minimale Spannung zum Betrieb des Datenträgers) ..... 47 Abbildung 2-27: Entstehende Seitenbänder bei einer Lastmodulation mit Hilfsträger [FIN-06] ............................................................................................. 50 Abbildung 2-28: Signalübertragung mittels ASK-Modulation und Hilfsträger [FIN-06]........................................................................................................ 51 Abbildung 2-29: Aufladung einer elektrischen Dipolantenne bei Speisung mit Wechselstrom (mit Umlaufdauer T) [TIP-94] ............................................... 52 Abbildung 2-30: Entstehung einer elektromagnetischen Welle am Beispiel einer Dipolantenne [TIP-94].................................................................................. 53 Abbildung 2-31: Elektromagnetische Welle [TIP-94]................................................. 55 XI Abbildungsverzeichnis Abbildung 2-32: Strahlungsdiagramm einer Dipolantenne im Vergleich zu einem isotropen Strahler [FIN-06] .......................................................................... 56 Abbildung 2-33: Prinzipielle (a) und tatsächliche Gestalt (b) der wirksamen Fläche für elektrisch kurze Dipole mit Höhe h [MEI-92] ............................... 58 Abbildung 2-34: Lineare - a) und b) - und zirkulare Polarisation am Beispiel eines Dipols [FIN-06]............................................................................................. 58 Abbildung 2-35: Auswirkung der Antennenpolarisation auf die Lesbarkeit [KLE-04]. 59 Abbildung 2-36: Dämpfung in der Atmosphäre als Funktion über die Frequenz [CUR-87]...................................................................................................... 61 Abbildung 2-37: Ersatzschaltbild eines Transponders und dessen Antenne [FIN-06]........................................................................................................ 63 Abbildung 2-38: Datenübertragung durch Modulierung des Rückstrahlquerschnitt bei elektromagnetisch gekoppelten Systemen [FIN-06]............................... 64 Abbildung 2-39: Aufbau eines Oberflächenwellentransponders [RFS-08] ................ 65 Abbildung 2-40: Vergleich der Feldcharakteristik von HF- und UHF-Systemen [WAL-05]...................................................................................................... 67 Abbildung 2-41: Elektromagnetisches Feld ohne (A) und mit Einfluss (B) der Bodenreflexion bei UHF-Systemen [WAL-05].............................................. 68 Abbildung 2-42: Funktionsweise des Binary-Tree-Verfahrens .................................. 72 Abbildung 2-43: Eigenschaften von RFID-Systemen ................................................ 74 Abbildung 2-44: Standardisierung im Bereich RFID.................................................. 75 Abbildung 2-45: Freigegebene Sendefrequenzen für RFID-Systeme ....................... 76 Abbildung 2-46: Prinzipielle Funktionsweise des „frequency-hopping“-Verfahrens [KLU-01] ...................................................................................................... 77 Abbildung 2-47: EPC-Netzwerk [EPC-07a] ............................................................... 83 Abbildung 2-48: Beispielhafte Darstellung eines GID EPC (in Anlehnung an [FLÖ-05]) .................................................................................................... 84 Abbildung 2-49: Spezifikation des EPC der zweiten Generation [CLA-06]................ 84 Abbildung 2-50: Die Funktionsweise des EPC-Netzwerks ........................................ 86 Abbildung 2-51: „Battery-assisted Labels“ der Firma Power ID [POW-08]................ 89 Abbildung 2-52: Gedruckter Polymertransponder [POL-08]...................................... 90 Abbildung 2-53: Entwicklung der Smart Object Technologie [PFL-06]...................... 90 Abbildung 3-1: Aufbau des Kapitels „RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation“.. 92 XII Abbildungsverzeichnis Abbildung 3-2: Beispielhafte Kennzeichnung eines Versuchsbauteils mit einem kombinierten Klarschrift/Barcode/RFID-Etikett ............................................ 97 Abbildung 3-3: Grobe Methodik zur Auswahl von kennzeichnungsrelevanten Bauteilen...................................................................................................... 98 Abbildung 3-4: Vision der RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation................... 99 Abbildung 3-5: Erfassungskonzepte zur Identifikation von Bauteilen in der Automobilindustrie ..................................................................................... 100 Abbildung 3-6: Szenario „Offenes Fahrzeug scannen“ ........................................... 101 Abbildung 3-7: Szenario „Scanpunkte“.................................................................... 102 Abbildung 3-8: Zentrale Datenspeicherung für die Rückverfolgbarkeit der Bauteile...................................................................................................... 104 Abbildung 3-9: Einführungsstrategie für die RFID-Technologie in das Unternehmen............................................................................................. 106 Abbildung 3-10: Einteilung der Fahrzeugbauteile nach Werkstoffgruppen.............. 107 Abbildung 3-11: Repräsentative Bauteile für die Bauzustandsdokumentation ....... 108 Abbildung 3-12: Lesereichweite von UHF-Systemen in Abhängigkeit von Applikationsuntergrund und Material in der Luftstrecke (Ausgangsreichweite 5,24 m) [MAN-06] ..................................................................... 116 Abbildung 3-13: Nachverfolgbarkeit von Reifen mit Hilfe der RFID-Technologie [PNE-09] .................................................................................................... 117 Abbildung 4-1: Aufbau des Kapitels Kennzeichnung von metallischen Bauteilen ... 120 Abbildung 4-2: Verlauf der tangentialen (t) und normalen (n) E- und B-Felder an einem idealen(---) und einem realen elektrischen Leiter ( ) ([HET-08])..... 122 Abbildung 4-3: Typischer Aufbau eines UHF-Transponders mit Stellen möglicher Beeinflussung ............................................................................................ 123 Abbildung 4-4: Prinzipielle Funktionsweise der möglichen Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen .............................................. 125 Abbildung 4-5: Exemplarische Lesereichweite eines mobilen Datenträgers in Abhängigkeit des Transpondersabstandes vom metallischen Objekt bezogen auf die Reichweite im idealen Umfeld ........................................ 126 Abbildung 4-6: Hartplastiktransponder zur Aufbringung auf metallischen Oberflächen [HAT-08, DEI-08, SRE-08] .................................................... 127 Abbildung 4-7: Space-Tag der Firma Paxar [PAX-08] ............................................ 127 XIII Abbildungsverzeichnis Abbildung 4-8: Prinzipieller Aufbau des Absorbermaterials der Firma Emerson&Cuming zur Kennzeichnung metallischer Bauteile (in Anlehnung an [ECO-08]) ............................................................................................. 128 Abbildung 4-9: Beispiel für einen Flag Tag und dessen Aufbringung mit Hilfe eines Ettiketierers [BUK-08, LGP-08] ....................................................... 129 Abbildung 4-10: Prinzipieller Aufbau des Kennzeichnungskonzeptes “konstruktiver Schlitz“ ............................................................................................... 130 Abbildung 4-11: Schematische Darstellung des konzipierten Versuchsstandes ..... 132 Abbildung 4-12: Lesereichweite der Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen für den vorliegenden Einsatzfall ............................ 134 Abbildung 4-13: Bewertung der Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen auf Basis der ermittelten Anforderungen ................................... 137 Abbildung 4-14: Schematische Darstellung des Versuchsstandes zur Messung eines Transponders vor einer Metallplatte unter Verwendung eines Absorbers .................................................................................................. 139 Abbildung 4-15: Erzielbare Lesereichweiten mit 10 verschiedenen Transpondern bei direkter Aufbringung auf Metall mit Hilfe eines 0,76 mm starken Isolationsmaterials auf Eisencarbonatbasis............................................... 140 Abbildung 5-1: Aufbau des Kapitels Erfassung von gekennzeichneten Bauteilen .. 143 Abbildung 5-2: Senkrechter Einfall einer elektromagnetischer Wellen auf ein metallisches Objekt.................................................................................... 145 Abbildung 5-3: Auswirkung der Reflexionseffekte auf das Antennenfeld ................ 147 Abbildung 5-4: Abschirmungskoeffizient kas für ein kreisrundes Objekt [REN-76] . 148 Abbildung 5-5: Veranschaulichung des Huygenschen Prinzips [DET-03] ............... 149 Abbildung 5-6: Mindestabstand des mobilen Datenträgers zu anderen metallischen Objekten, um eine Erfassung zu gewährleisten.................... 151 Abbildung 5-7: Verwendete Transponder zur Kennzeichnung der Bauteile (Transpondernummer – Hersteller – Bezeichnung – Arbeitsfrequenz [MHz] – Größe [mm] – Bild) ........................................................ 154 Abbildung 5-8: Versuchsfahrzeug AUDI A4 Avant [AUD-07] mit dicht gepacktem Motorraum ................................................................................................. 155 Abbildung 5-9: Bewegungsablauf zur Identifikation der gekennzeichneten Bauteile in der Türverkleidung und des Handschuhfachs.......................... 156 XIV Abbildungsverzeichnis Abbildung 5-10: Durchführung der Bauteilidentifikation am Beispiel des Sitzes und der Türverkleidung.............................................................................. 156 Abbildung 5-11: Durchführung der Bauteilidentifikation und Bewegungsablauf im Unterflurbereich des Fahrzeugs ................................................................ 157 Abbildung 5-12: Durchführung der Bauteilidentifikation im Motorraum des Fahrzeugs.................................................................................................. 158 Abbildung 5-13: Erfassungsgüte der gekennzeichneten Bauteile mit Hilfe des Lesekonzepts „offenes Fahrzeug scannen“ bei einer Versuchsanzahl von n = 50.................................................................................................. 159 Abbildung 5-14: Erfassungsgüte der Innenraumbauteile ........................................ 160 Abbildung 5-15: Erfassungsgüte der Motorraumbauteile ........................................ 162 Abbildung 6-1: Vorgehensweise bei der Auswahl eines geeigneten Antennenkonzeptes für den Einsatz zur automatischen Bauzustandsdokumentation in der Automobilindustrie................................................... 165 Abbildung 6-2: Beispiel für die Reflexionsdämpfung einer Antenne im UHFFrequenzband. .......................................................................................... 166 Abbildung 6-3: Winkelverteilung der Strahlung eines Halb- (a) und Ganzwellendipols (b) (in Anlehnung an [WEI-00])............................................. 169 Abbildung 6-4: Flächendipol (in Anlehnung an [ROT-88])....................................... 169 Abbildung 6-5: Koaxialantenne [ROT-88]................................................................ 170 Abbildung 6-6: Funktionsweise der Marconi-Antenne [TBZ-08] .............................. 171 Abbildung 6-7: Wendelantenne [ROT-88] ............................................................... 172 Abbildung 6-8: Schlitzantenne [CTR-08] ................................................................. 173 Abbildung 6-9: Loopantenne mit Spule als Anpassungselement ............................ 174 Abbildung 6-10: Motorraum eines AUDI A4 Avant 3.0 TDI ..................................... 176 Abbildung 6-11: Vorgehen bei der Auswahl des geeigneten Antennenkonzepts .... 179 Abbildung 6-12: Best-Practise Koaxialantenne mit 12 mm-Sperrtopf aus Kupfer ... 187 Abbildung 6-13: Spektrum-Analyzer R&S FSL3 [ROH-06]...................................... 188 Abbildung 6-14: Anschluss für die Sende- und Empfangsantenne (in Anlehnung an [ROH-06]) ............................................................................................. 188 Abbildung 6-15: Empfangsleistung der Feig-UHF-Patchantenne............................ 190 Abbildung 6-16: Empfangsleistung der entwickelten Koaxial-Antenne ................... 190 Abbildung 6-17: Messbrücke R&S Z2 der Firma Rohde und Schwarz.................... 191 Abbildung 6-18: Reflexionsdämpfung entwickelte Koaxialantenne ......................... 193 XV Abbildungsverzeichnis Abbildung 6-19: Koaxialantenne mit Kunststoffummantelung ................................. 194 Abbildung 6-20: Koaxialantenne mit einer 50cm-Kunststoffverlängerung............... 194 Abbildung 6-21: Einstichpunkte der Koaxialantenne zur Erfassung von im Motorraum verbauten Komponenten ......................................................... 195 Abbildung 6-22: Vergleich der Leserate der entwickelten Koaxial- und der FeigAntenne von 12 im Motorraum befestigten Transpondern bei 10 Versuchsmessungen ................................................................................. 197 Abbildung 6-23: Erfassung des Motors zur Sitzlängsverstellung durch Positionierung der Antenne unterhalb des Sitzes ...................................... 198 XVI Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 2-1: Wellenlängen der jeweiligen Frequenzgruppen .................................... 28 Tabelle 2-2: Übergang vom Nahfeld zum Fernfeld für die jeweiligen Frequenzbereiche....................................................................................................... 32 Tabelle 2-3: Gewinn in Hauptstrahlrichtung bei verschiedenen Antennenformen (in Anlehnung an [FIN-06]) .......................................................................... 56 Tabelle 2-4: Internationaler Vergleich der Funkvorschriften im UHF Bereich............ 78 Tabelle 2-5: ISO-Luftschnittstellenstandards für passive RFID-Systeme.................. 79 Tabelle 2-6: VDI-Richtlinienprojekt 4472................................................................... 81 Tabelle 3-1: Anforderungen an die RFID-Technologie zur Kennzeichnung von Fahrzeugbauteilen..................................................................................... 110 Tabelle 3-2: Anforderungen an die RFID-Technologie zur Erfassung von verbauten Bauteilen................................................................................... 111 Tabelle 3-3: Anforderungen an die Langzeitstabilität der mobilen Datenträger....... 112 Tabelle 3-4: Eignung der verschiedenen Arbeitsfrequenzen für die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation ............................................. 114 Tabelle 4-1: Hardware Rahmenbedingungen für die praktische Evaluierung ......... 133 Tabelle 4-2: Anforderungen an die mobilen Datenträger für den Einsatz in der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation ........................................... 135 Tabelle 5-1: Mindestschirmdicke xmin für eine Dämpfung a = 20 dB (= 100-fache Dämpfung) am Beispiel Eisen und Aluminium und einer Frequenz von 868 MHz beziehungsweise 2,45 GHz (Werte für κ und µr vgl. [SHA-93]).. 145 Tabelle 5-2: Hardware Rahmenbedingungen für die praktische Evaluierung ......... 153 Tabelle 5-3: Zuordnung der Transponder zu den Werkstoffen................................ 155 Tabelle 5-4: Kriterien zur Bewertung der Lesegüte der zu erfassenden Bauteile ... 158 Tabelle 6-1: Übersicht Anforderungen an Antennenkonzepte zum Einsatz im Motorraum ................................................................................................. 178 Tabelle 6-2:Zusammenfassung der Evaluierung der Antennenkonzepte hinsichtlich der Erfüllung des Ausschluss-Kriteriums Baugröße..................... 184 Tabelle 6-3: Zusammenfassung der Evaluierung der Antennenkonzepte hinsichtlich der Erfüllung des Ausschluss-Kriteriums Handhabbarkeit ...... 186 XVII Tabellenverzeichnis Tabelle 6-4: Rahmenbedingungen und Einstellungen zur Messung der Empfangsleistung ...................................................................................... 189 Tabelle 6-5: Einstellungen am Spektrum-Analyzer zur Messung der Reflexionsdämpfung................................................................................................... 192 Tabelle 6-6: Berechnung der Ausgangsleistung am Reader für die entwickelte Koaxialantenne.......................................................................................... 196 XVIII 1 Ausgangssituation und Hintergrund 1 Ausgangssituation und Hintergrund 1.1 Die Automobilindustrie im Wandel Die Automobilindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten als zentraler Wachstumsmotor der deutschen Volkswirtschaft etabliert. Im Jahr 2006 erwirtschaftete der Industriezweig mit einem Umsatz von 254 Milliarden Euro 11 Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Die dynamische Entwicklung der Branche spiegelt die Verdopplung der Verkaufserlöse in den letzten 10 Jahren wider [VDA-07]. Auch bei der Zahl der produzierten Fahrzeuge konnten die nationalen Hersteller 2007 mit Stückzahlen von 10,95 Millionen – das entspricht Wachstumsraten von 7,9 % gegenüber dem Vorjahr – einen neuen Topwert erreichen. 5,7 Millionen Fahrzeuge verließen dabei in inländischen Werken die Produktion [VDA-07a]. Trotz dieser Rekordmeldungen und langfristig guter Zukunftsperspektiven steht die Automobilindustrie und insbesondere die deutschen Hersteller vor großen Herausforderungen. Die Sättigung der nordamerikanischen, westeuropäischen und japanischen Märkte (TRIADE-Märkte) und die überproportional wachsende Bedeutung von Fahrzeugproduzenten aus dem asiatischen Raum, die die etablierten europäischen 1 1 Ausgangssituation und Hintergrund Unternehmen neben dem Absatz auch in der Rentabilität teilweise überholt haben, bedingen einen harten Wettbewerb (siehe Abbildung 1-1) [DUD-07, EBE-03, RAD04, VDA-07]. Abbildung 1-1: Absatz der Automobilmarken weltweit im Jahr 2006 [ATK-07] und deren Profita1 bilität auf Basis des API-Index [FHD-07] Zudem wird die Automobilindustrie in den nächsten Monaten beziehungsweise Jahren verstärkt von der Finanzkrise erfasst werden. Im Jahr 2008 brachen - ausgelöst durch das Platzen der Immobilienblase in den Vereinigten Staaten und die dadurch ausgelösten Zahlungsschwierigkeiten der Banken – die Leitindexe weltweit ein. Der deutsche Aktienindex verlor im Laufe des Jahres 2008 40 % und liegt damit im internationalen Trend [JAC-09]. Aufgrund dieser globalen Entwicklung wird von den führenden Marktforschungsinstituten 2009 ein weltweiter Abschwung prognostiziert, wodurch der Verdrängungswettbewerb in der Branche sowie der Kampf um den Kunden weiter verstärkt wird. Unter diesen Randbedingungen korrigieren derzeit sämtliche Automobilhersteller ihre Absatzerwartungen nach unten. Beispielsweise erwartet der aktuelle Weltmarktführer Toyota 2009 einen Einbruch der Verkaufszahlen auf 8,2 Millionen Einheiten. Im August 2008 ging das Unternehmen noch von einem Absatzprognose von 9,7 Millionen Fahrzeugen im Jahr 2009 aus [TAG-08]. 1 Der Automotive Performance Index (API) des Center of Automotive Research bewertet die Felder Finanz- (70 %), Markt- (20 %) und Innovationsperformance (10 %) der 17 größten Automobilhersteller. 2 1 Ausgangssituation und Hintergrund Vor diesem Hintergrund gilt es für die nationalen Hersteller mehr denn je durch individuell auf die Kundenwünsche abgestimmte Produkte, den Wettlauf um die Käufer zur Sicherung des eigenen Unternehmenserfolges zu gewinnen. Gleichzeitig zur Verschiebung der globalen Randbedingungen hat sich auch die Sicht der Kunden auf das Automobil gewandelt. Das Fahrzeug wird nicht mehr nur als reines Fortbewegungsmittel gesehen, sondern ist Ausdruck des individuellen Lebensstils und wird zunehmend als Prestigeobjekt wahrgenommen [EBE-03, MAT-03]. Dies zeigt sich neben der Forderung nach individuellen Ausstattungsmerkmalen auch in einer nachlassenden Bindung der Kunden an eine bestimmte Marke [INO-07, RIN-07]. Die kunden- und marktbedingte Herausforderung zur Differenzierung hat in der Konsequenz bei den deutschen OEMs2 zu einer starken Derivatisierung der Segmente hin von Massen- zu Nischenprodukten geführt. Im Vergleich zu Zeiten, in denen sich der Kunde lediglich zwischen den klassischen Segmenten Limousine und Kombi entscheiden konnte, sind in jüngster Vergangenheit zahlreiche Lifestyle-Derivate wie das Sport-Utility-Vehicle (SUV) entstanden. Dies spiegelt sich auch in der Anzahl der erteilten Typgenehmigungen beim Kraftfahrtbundesamt wider, die sich in den letzten 10 Jahren von 10.000 auf knapp 17.000 nahezu verdoppelt hat, mit steigender Tendenz (siehe Abbildung 1-2). Abbildung 1-2: Erteilte Typgenehmigungen des Kraftfahrtbundesamtes einschließlich der Nachträge [KBA-06] 2 OEM = Original Equipment Manufacturer 3 1 Ausgangssituation und Hintergrund Die AUDI AG beispielsweise bietet dem Kunden derzeit 24 verschiedene Modellvarianten mit teilweise über 500 Sonderausstattungen an. Statistisch ist somit jedes Fahrzeug, das vom Band läuft, ein Unikat (siehe Abbildung 1-3). Abbildung 1-3: Steigende Derivatisierung am Beispiel der AUDI AG (in Anlehnung an [DIC-07]) Zur langfristigen Befriedigung der Kundenwünsche und zur Erzeugung eines nachhaltigen positiven Markenimages ist neben der Produktdifferenzierung die Innovationsfähigkeit der Hersteller von besonderer Bedeutung [MOE-07]. Nur wer die Kundentrends kurzfristig in Innovation umsetzen kann, wird auf dem Markt erfolgreich bleiben. Unterstützt durch den technologischen Fortschritt sind insbesondere in den letzten Jahren zahlreiche neue Innovationen in den Bereichen Fahrzeugsicherheit, Komfort, Umwelttechnologien und Infotainment in das Automobil integriert worden (vgl. Abbildung 1-4). Allerdings verhelfen Innovationen nur kurz zu einem Wettbewerbsvorsprung, da sie zeitlich versetzt von weiteren Herstellern in das Programm aufgenommen werden, und dadurch schnell ihre Exklusivität verlieren. Begeisterungsfaktoren werden demzufolge aus Sicht des Kunden schnell zu allgemein geforderten und gewünschten Leistungsangeboten [MOE-07]. 4 1 Ausgangssituation und Hintergrund Abbildung 1-4: Steigende Anzahl der Produktinnovationen am Beispiel der AUDI AG [DIC-07] Aus diesem Grund besteht parallel zur Derivatisierung die Notwendigkeit, die Lebenszyklen signifikant zu verkürzen, um zum einen entwickelte Innovationen rechtzeitig in den Markt zu bringen und zum anderen die vom Kunden geforderte stetige Weiterentwicklung des Designs zu gewährleisten. Waren in den 70er Jahren noch Produktlebenszyklen von bis zu 12 Jahren die Regel, hat inzwischen eine Halbierung stattgefunden [RIN-07]. Zukünftig wird von Experten in der Automobilindustrie ein Produktlebenszyklus von 4-6 Jahren erwartet [HAW-03, IHM-06]. Die Automobilindustrie steht dadurch im direkten Spannungsfeld des magischen Dreiecks, neue innovative Produkte mit steigender Variantenanzahl in immer kürzerer Zeit bei höchster Qualität zu möglichst niedrigen Kosten auf den Markt zu bringen. Um diese Herausforderung zu bewältigen, sind die Hersteller gezwungen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren und große Teile der Entwicklung und der Wertschöpfung an externe Zulieferer auszulagern. Besaß die Ford AG in den 30er Jahren noch eigene Erz- und Kohleminen, um mit eigenen Hochöfen ihren Bedarf an Metall zu decken [LAN-07], so werden heutzutage auch wettbewerbs- differenzierende Merkmale, wie Airbag- oder Fahrwerkselemente von Systemlieferanten entwickelt und produziert. Der Anteil an der Gesamtwertschöpfung, die der 5 1 Ausgangssituation und Hintergrund Fahrzeughersteller erbringt, wird Prognosen zu Folge bis zum Jahr 2010 auf weit unter 25 % sinken [STO-03, VDA-06]. Als Konsequenz ist die Komplexität im gesamten Entwicklungs-, wie auch im Herstellungs- und Logistikprozess stark gestiegen. Speziell die Beherrschung der Wertschöpfungskette bei gleichzeitig steigender Teile- und Variantenvielfalt hat die Hersteller verstärkt durch den hohen Kosten- und Renditedruck vor zahlreiche Qualitätsprobleme gestellt. Auslöser ist häufig eine mangelnde Transparenz in der Wertschöpfungskette. Dies hat sich vor allem in jüngster Vergangenheit durch die stark ansteigende Zahl von Fahrzeugrückrufen bemerkbar gemacht. Laut Kraftfahrzeugbundesamt verdreifachte sich die Anzahl der Rückrufaktionen von 55 im Jahr 1998 auf 167 im Jahr 2006 (Siehe Abbildung 1-5). Abbildung 1-5: Anzahl der Rückrufaktionen von 1998 bis 2006 [KBA-06] Betroffen waren hauptsächlich Bauteile im Motor und an der Bremsanlage, die in den letzten Jahren durch neue Verfahren zur Verbrauchsreduzierung und die Entwicklung von Sicherheitsfunktionen im Innovationsfokus standen (siehe Abbildung 1-6). 60 % der zurückgerufenen Fahrzeuge sind dabei jünger als 3 Jahre [KBA-06]. 6 1 Ausgangssituation und Hintergrund Abbildung 1-6: Baugruppenbezogene Verteilung der Rückrufaktionen [KBA-06] Neben den finanziellen Einbußen bringt insbesondere der Imageverlust von Rückrufaktionen für die Hersteller verheerende Auswirkung mit sich, da die Markenbindung maßgeblich durch die Kundenzufriedenheit beeinflusst wird [HAR-03]. Qualitätsdefizite am gekauften Fahrzeug werden zu 90 % vom Kunden mit Abwanderung bestraft [SCH-07], und 20 % der potenziellen Kunden gaben in einer Umfrage der Nürnberger Marktforschung “PULS“ an „wahrscheinlich“ durch Rückrufaktionen vom Kauf ihrer bevorzugten Automarke Abstand zu nehmen [SPI-06]. Nach der größten Rückrufaktion der Konzerngeschichte im Frühjahr 2005, als der damalige Daimler-Chrysler Konzern 1,3 Millionen Fahrzeuge aufgrund von Qualitätsmängeln im Bremssystem in die Werkstätten beorderte, brach der Absatz bei der E-Klasse von 261.900 auf 211.000 Einheiten im Folgejahr ein [FAZ-05]. Um die Auswirkungen einer Rückrufaktion so gering wie möglich zu halten, ist die Identifikation der problembezogenen Charge und die Zuordnung zu den Fahrzeugen von elementarer Bedeutung. 1.2 Problemstellung der Arbeit Zur Beherrschung der Produktionskette und Gewährleistung der Produktqualität ist neben der offenen und integrierten Zusammenarbeit im Wertschöpfungsnetzwerk ein durchgängiges Qualitätsmanagement entscheidend. Wesentliches Element ist hierbei die durchgängige Verfolgung und Dokumentation der Fahrzeugeinzelteile im Entwicklungs- wie auch im Produktionsprozess sowie im After-Sales-Bereich. Ohne 7 1 Ausgangssituation und Hintergrund technische Unterstützung ist dies bedingt durch die große Teile- und Variantenvielfalt und unter den oben beschriebenen Randbedingungen mit einem sehr hohen Aufwand verbunden. In der Regel kommen derzeit Barcode-Systeme zur Verbindung des Material- und Informationsflusses zum Einsatz. Bauteile werden dazu direkt oder indirekt – beispielsweise auf der Verpackung oder dem Lieferschein – mit einem eindeutigen Barcode versehen. In Kombination mit einem durchgängigen Dokumentationsprozess und mit Hilfe von spezifischen Software-Lösungen kann somit das Bauteil über die gesamte Wertschöpfungskette verfolgt und falls notwendig bis zur Charge identifiziert werden. Die Technologie bedarf aber einer Sichtverbindung zwischen Barcode und dem jeweiligen Lesegerät und ermöglicht zum anderen lediglich die Erfassung von vereinzelten Bauteilen. Dadurch ist die Dokumentation der Bauteile und die Zuordnung zu einem Fahrzeug mit einem hohen Aufwand verbunden und nachträglich meist nicht mehr kontrollier- und nachvollziehbar. Durch die beschränkte Speicherkapazität und die erzwungene zentrale Datenhaltung aufgrund der einmaligen Kodierung bietet die Technologie zudem auch in Zukunft kaum weitere Potenziale zur Prozessoptimierung. Die Radiofrequenzidentifikation, die eine Methode kennzeichnet bei der Daten mittels magnetischer Felder bzw. elektromagnetischer Wellen über die Luftschnittstelle übertragen werden, schafft hier neue Möglichkeiten zur durchgängigen und eindeutigen Identifizierung von Fahrzeugkomponenten sowie zur Steigerung der Effizienz und Transparenz in der Wertschöpfungskette. Die RFID-Technologie ermöglicht eine automatische Bauzustandsdokumentation durch die Identifikation von verbauten Komponenten, die neben der reinen Ermittlung der exakten Fahrzeugkonfiguration weitere Potenziale beispielsweise im Fahrzeugservicebereich ermöglicht. Bedingt durch die physikalischen Rahmenbedingungen der Technologie gestaltet sich die Umsetzung sehr herausfordernd, da zahlreiche technische Problemstellungen derzeit noch nicht zufrieden stellend gelöst sind. Insbesondere eine metallische Umgebung wirkt sich bedingt durch die Reflexion der Funkwellen stark negativ auf die Reichweiten und die Funktionalität eines RFIDSystems aus [GRE-06]. Darüber hinaus existieren derzeit auf dem Markt keine zur Einzelteilkennzeichnung geeigneten Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Objekten. 8 1 Ausgangssituation und Hintergrund Um unter diesen herausfordernden Randbedingungen den Einsatz der RFIDTechnologie im Fahrzeug, insbesondere zur Identifikation von Bauteilen im Motorraum, zu ermöglichen und damit die Potenziale einer RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation zu heben, bedarf es einer umfangreichen Technologieevaluierung sowie einer gezielten Weiterentwicklung aller Komponenten eines RFID-Systems. 1.3 Zielsetzung und Vorgehensweise Das Ziel der Arbeit liegt in der Entwicklung von technischen Konzepten zur Kennzeichnung und Erfassung von verbauten Bauteilen im Fahrzeug zum Zwecke der Bauzustandsdokumentation. Zudem ist deren technische Machbarkeit auf Basis von praktischen Evaluierungen nachzuweisen. Die Struktur der Arbeit gliedert sich dabei in folgende fünf Hauptabschnitte: • Einführung in die Radiofrequenzidentifikation (Kap. 2) • RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation (Kap. 3) • Kennzeichnung von metallischen Bauteilen (Kap. 4) • Erfassung von verbauten Bauteilen (Kap. 5) • Antennenkonzepte für enge Bauräume (Kap. 6) Einführung in die Radiofrequenzidentifikation (Kap. 2) Um ein tiefes Verständnis für die frequenzabhängigen Eigenschaften der Technologie und den dadurch bedingten Herausforderungen im betrachteten Einsatzfall zu gewährleisten, werden in diesem Abschnitts die physikalischen Grundlagen der RFID-Technologie erläutert. RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation (Kap. 3) Ziel des Kapitels ist die Entwicklung eines Konzepts für die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation sowie die Ableitung von Anforderungen für die Kennzeichnung und Erfassung von im Fahrzeug verbauten Komponenten. Darauf aufbauend werden auf Basis der physikalischen Grundlagen die Handlungsfelder für die Technologiequalifizierung hergeleitet. 9 1 Ausgangssituation und Hintergrund Kennzeichnung von metallischen Bauteilen (Kap. 4) Ein Großteil der Bauteile im Fahrzeug bestehen aus Metall. Deshalb gilt es im Rahmen dieses Abschnittes bestehende Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen mit RFID aufzuzeigen und für den Anwendungsfall zu qualifizieren. Abgeschlossen wird das Kapitel mit dem Nachweis der technischen Machbarkeit des ausgewählten und qualifizierten Kennzeichnungskonzeptes auf Basis einer praktischen Evaluierung. Erfassung von verbauten Bauteilen (Kap. 5) Neben der Kennzeichnung von metallischen Bauteilen stellt die Erfassung von verbauten mit RFID gekennzeichneten Komponenten in dem stark metallischen Umfeld des Fahrzeugs die zweite große Herausforderung dar. Dementsprechend gilt es in diesem Kapitel aufbauend auf der Beschreibung der theoretischen physikalischen Einflüsse einer metallhaltigen Umgebung auf die Erfassung von mobilen Datenträgern, die Leistungsfähigkeit von auf dem Markt erhältlichen Leseantennen im vorliegenden Anwendungsfall zu evaluieren. Antennenkonzepte für enge Bauräume (Kap. 6) Auf dem Markt erhältliche Antennenkonzepte sind bei beengten Platzverhältnissen, wie beispielsweise dem Motorraum, aufgrund ihrer Bauform nicht geeignet nahe an das zu identifizierende Objekt zu gelangen. Daher wird im Rahmen dieses Kapitels ein Antennenkonzept zur Identifikation von Bauteilen im Motorraum entwickelt und dessen Leistungsfähigkeit im Anwendungsfall auf Basis einer praktischen Evaluierung nachgewiesen. 10 1 Ausgangssituation und Hintergrund Umfeld und Grundlagen Grobkonzeptentwicklung und Anforderungsermittlung Technologiequalifizierung und Nachweis der technischen Machbarkeit Fazit Kapitel 1: Ausgangssituation und Hintergrund Kapitel 2: Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Kapitel 3: RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Kapitel 4: Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Kapitel 5: Erfassung von Verbauten Bauteilen Kapitel 6: Antennenkonzepte für enge Bauräume Kapitel 7: Zusammenfassung und Ausblick Abbildung 1-7: Vorgehensweise und methodischer Aufbau der Arbeit 11 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Die Radiofrequenzidentifikation (RFID) ist ein Auto-Identifikations-Verfahren3, das durch den Einsatz von Frequenzen im Radiowellenbereich des Spektrums die elektromagnetische oder elektrostatische Kopplung zwischen einem Schreib-/ Lesegerät und einem mobilen Datenträger (Transponder) nutzt, um Daten des Transponders zu lesen oder darin zu speichern [GÜN-07]. Zur Einführung in die Thematik werden zu Beginn des Kapitels die Komponenten und grundsätzlichen Charakterisierungsmerkmale eines RFID-Systems basierend auf der Einordnung der Technologie in die Gruppe der Auto-ID-Verfahren und dem Vergleich mit einem Barcode-System aufgezeigt. Darauf aufbauend erfolgt eine detaillierte Beschreibung der frequenzspezifischen physikalischen Grundlagen der Radiofrequenzidentifikation auf deren Basis die wesentlichen Eigenschaften der Technologie hergeleitet werden. Dadurch wird zum einen ein tiefes Verständnis für die Einsatzbedingungen sichergestellt und zum 3 Auto-Identifikation (Auto-ID) ist die automatisierte, d. h. mit Hilfe von technischen Hilfsmitteln und ohne die unmittelbare menschliche Intelligenz realisierte Zuordnung von Objekten zu einer Klasse durch ein Identifikationssystem [IBF-04]. 12 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation anderen die physikalische Grundlage für die Qualifizierung der Technologie zur Anwendung in der Bauzustandsdokumentation geschaffen. Abgerundet wird das Kapitel durch einen Ausblick auf die wesentlichen Entwicklungstrends der Technologie und der Darstellung der aktuellen Standardisierungssituation. In Abbildung 2-1 ist der Aufbau des Kapitels zusammenfassend dargestellt. Grundlagen der Auto-Identifikations-Systeme Kap. 2.1 Eigenschaften von RFID-Systemen Kap. 2.5 RFID- und Barcode-Technologie im Vergleich Kap. 2.2 Standardisierung der RFID-Technologie Kap. 2.6 Differenzierung und Charakterisierung von RFID-Systemen Kap. 2.3 Technologische Entwicklungstrends Funktionsweise der Energie- und Datenübertragung Kap. 2.7 Kap. 2.4 Abbildung 2-1: Aufbau des Kapitels Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.1 Grundlagen der Auto-Identifikations-Verfahren RFID-Systeme lassen sich in die Gruppe der Auto-Identifikations-Systeme eingliedern (siehe Abbildung 2-2). 13 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-2: Zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Auto-ID-Verfahren (in Anlehnung an [JAN-04]) Durch die automatische Identifikation von Objekten bieten diese Verfahren die Möglichkeit, den Medienbruch4 zwischen den „realen“ Unternehmensprozessen und den „virtuellen“ IT-Systemen zu verringern oder sogar aufzuheben [BIT-06, FLE-03]. Bezogen auf die Logistik kann dadurch der Material- mit dem Informationsfluss verbunden werden. Von besonderer Relevanz für die Kennzeichnung von Objekten und deren Steuerung in logistischen Prozessen sind vor allem der Barcode und die Radiofrequenzidentifikation. Dies ist im Wesentlichen dadurch begründet, dass die (potenziellen) Einsatzgebiete der anderen genannten Auto-ID-Verfahren schwerpunktmäßig nicht in der Logistik zu finden sind [SHJ-06] oder diese sich aus technischen und wirtschaftlichen Aspekten dort nicht durchsetzen konnten. Die biometrischen5 Verfahren, die sich weiter in Sprachidentifizierung und Fingerabdruckverfahren unterteilen lassen, dienen der eindeutigen Identifikation von individuellen Köpermerkmalen und werden hauptsächlich zur Personenidentifikation in Sicherheitsanwendungen eingesetzt. 4 Medienbruch definiert sich nach [FLE-04] wie folgt: „Ein Medienbruch ist vergleichbar mit einem fehlenden Glied einer digitalen Informationskette und ist Mitursache für Langsamkeit, Fehleranfälligkeit etc. inner- und überbetrieblicher Prozesse.“ 5 Biometrie ist die Wissenschaft von der Zählung und (Körper-)Messung an Lebewesen [DDE-06]. 14 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Chipkarten, die zwar sehr eng verwandt mit den RFID-Systemen sind, sich aber durch die Notwendigkeit einer galvanischen Verbindung zum Auslesen der Daten unterscheiden, haben sich insbesondere im Bereich des bargeldlosen Zahlungsverkehrs durchgesetzt. Durch die direkte Verbindung zwischen den Systemkomponenten ergibt sich die Möglichkeit, aufgrund der stetigen und hohen Energieversorgung, aufwendige Sicherheits- und Manipulationsalgorithmen mit Hilfe eines Mikroprozessors zu implementieren. Für logistische Verfahren sind Chipkarten hingegen durch den ausschließlich kontaktbehafteten Energie- und Datentransfer nicht geeignet. Optical Character Recognitation6 Systeme, deren Vorteil in der menschlichen und maschinellen Lesbarkeit der Klarschriftkennzeichnung liegt, konnten sich aufgrund der Komplexität der benötigten Hardware und den damit verbundenen hohen Kosten in der industriellen Anwendungen bisher nicht durchsetzen [IBF-04]. Im Folgenden werden die Barcode- und RFID-Technologie weiter betrachtet. 2.1.1 Barcode-Technologie Das wichtigste und derzeit am weitesten verbreitete Auto-ID-Verfahren zur Objektkennzeichnung und warengebundenen Informationsübertragung stellt der Barcode dar. Er hat sich in der Vergangenheit aufgrund der hohen Zuverlässigkeit bei der Datenauslesung, durchgängiger internationaler Standardisierung, sowie kostengünstiger Herstellung weit verbreitet und erreicht derzeit einen weltweiten Marktanteil von ca. 75 % [GÜN-07]. Er ist dadurch der am häufigsten verwendete Informationsträger. Unterscheiden lassen sich dabei die Arten 1D- und 2D-Code (siehe Abbildung 2-3). 6 Optical Character Recognitation (OCR) ist die Bezeichnung für ein Verfahren der maschinellen Zeichenerkennung. Zur eindeutigen Identifizierung von Schriften wurden international genormte OCRSchriften entwickelt [MEY-07]. 15 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Quelle: DATALOGIC Quelle: DATALOGIC Abbildung 2-3: Varianten der optischen Codierung [GÜN-07] Der 1D-Barcode ist ein Binärcode und besteht aus parallel angeordneten Strichen und Lücken. Die Sequenz aus breiten und schmalen Strichen und Lücken kann numerisch und alphanumerisch interpretiert und bedingt durch die unterschiedliche Reflexion eines Laserstrahls an schwarzen und weißen Flächen mit Hilfe von Laserabtastung gelesen werden. In verschiedenen Branchen haben sich dabei differente Varianten des Barcodes, die sich in Codierung, Zeichendichte und Zeichenvorrat unterscheiden, etabliert. Die bedeutendsten Varianten je Branche sind in Abbildung 2-4 aufgelistet. Abbildung 2-4: Die wichtigsten Varianten des 1D-Barcodes [GÜN-07] Die Codierung von Zeichen in einem Barcode kann exemplarisch am Industriebarcode 2/5 in Abbildung 2-5 nachvollzogen werden. 16 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-5: Codierung von Zeichen in einem Barcode am Beispiel des Barcode 2/5 Industrie (in Anlehnung an [GÜN-07]) Die Platzverhältnisse auf dem Etikett und die Lesefeldbreiten üblicher Scanner setzen der Breite der Codes eine natürliche Grenze. Dadurch ist die Menge der Information, die mit Hilfe eines 1D-Barcodes codiert werden kann, beschränkt. In bestimmten Branchen sollen jedoch mehr Informationen mit dem Objekt verknüpft werden. Beispielsweise interessieren sich Paketdienste dafür, die kompletten Adressdaten zu verschlüsseln. Hier bieten 2D-Barcodes durch die vertikale und horizontale Codierung und damit einer höheren Informationsdichte die Möglichkeit größere Datenmengen zu speichern. Bei den 2D-Barcodes lassen sich Stapel- und Matrixcodes unterscheiden. Bei den Stapelcodes werden mehrere Barcodes übereinander dargestellt. Sie ermöglichen dadurch die Speicherung einer Vielzahl von Informationen auf kleinstem Raum. Der zeilenweise Aufbau bietet die Möglichkeit des Einlesens der Information mit einem Laserscanner. Zusätzliche Fehlerkorrektur-Algorithmen sorgen für sichere Lesbarkeit auch bei Verschmutzung oder Beschädigung des Etiketts. Durch die Ausrichtung sind sie jedoch nicht im engeren Sinne lageunabhängig lesbar. Matrixcodes hingegen nutzen die verfügbare Fläche aus, indem sie helle und dunkle Elemente (meist Quadrate) nach einem speziellen Schema gleichmäßig und ohne spezielle Richtungsabhängigkeit über die Fläche verteilen. Im Gegensatz zum Stapelcode kann dadurch wesentlich mehr Information auf gleicher Fläche codiert werden und eine lageunabhängige Lesung ist möglich. Als Nachteil der Matrixcodes ist 17 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation anzuführen, dass sie lediglich mit Hilfe von CCD-Matrix-Scanner7 oder mit einem Kamera-System gelesen werden können. . Abbildung 2-6: Beispiele für Stapelcodes (PDF417) und Matrix-Codes (QR-Code und Maxicode) [BER-05] 2.1.2 RFID-Technologie Ein RFID-System beruht auf dem Prinzip der kontaktlosen elektromagnetischen bzw. magnetischen Übertragung von Daten und besteht grundsätzlich aus drei Komponenten (siehe Abbildung 2-7) [LAM-05, OVE-05, VDI-06]: • Transponder8 • Lesegerät (LG) beziehungsweise Schreib-/Lesegerät (SLG) mit Kopplungseinheit (Spule bzw. Antenne)9 • 7 Applikation zur Steuerung des SLG und Weiterverarbeitung der Daten CCD-Matrix ist die Abkürzung für Charged-Coupled-Device-Matrix und steht für einen Bildwandler, der einfallendes Licht in elektrische Ladungen umwandelt 8 Ein Transponder (Kunstwort aus den englischen Wörtern: Transmitter: Sender; Responder: Antwortgeber) ist ein aus Empfänger und Sender bestehendes Bauelement kommunikationstechnischer Anlagen, welches Funksignale einer Sendestation empfängt, aufbereitet und anschließend weiterleitet [MIC-04]. 9 Ein Schreib-/Lesegerät wird im Folgenden auch als Reader bezeichnet. 18 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Transponder Energie* Schreib-/ Lesegerät Transponder Daten Kommandos Transponder Daten * Energie wird nicht bei allen Systemen übertragen (siehe Kapitel 2.4) Abbildung 2-7: Komponenten eines RFID-Systems (in Anlehnung an [LAM-05]) Die Definition der Komponenten eines RFID-Systems ist dabei nicht in allen Quellen einheitlich. Beispielweise zählt [FIN-06] die Softwareapplikation nicht zu den Systemkomponenten. Aufgrund der Menge an anfallenden Daten bei einem durchgängigen Einsatz der RFID-Technologie zur unternehmensübergreifenden Produktverfolgung und Prozesssteuerung kommt gerade deren Verarbeitung wie auch der Steuerung der RFID-Lesegeräte große Bedeutung zu. Bei einer Kennzeichnung des gesamten Sortiments im Supermarkt würde beispielsweise bei der Wal-Mart Handelskette in drei Tagen ein Datenvolumen im Terrabytebereich anfallen, das der gesamten Bibliothek des US-Kongresses entspricht [PAL-04]. Dies hat zu Konsequenz, dass nur durch effiziente Filterung, Speicherung, Umwandlung, Prüfung und Weiterverarbeitung der mit Hilfe eines RFID-Systems gewonnen Daten eine effiziente Nutzung und durchgängige Transparenz in den Prozessen gewährleistet ist. Aus diesem Grund wird im Rahmen der Arbeit die Steuerung und insbesondere die Filterung der Daten als wesentliche Komponente eines RFID-Systems angesehen, wodurch die Definition mit Einbeziehung der Softwareapplikation zur Anwendung kommt. 19 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Im Folgenden wird auf die beiden Hardwarekomponenten Transponder und SLG näher eingegangen. Eine detaillierte Beschreibung der Funktionsweise eines RFIDSystems erfolgt in Kapitel 2.4. 2.1.2.1 Transponder Der mobile Datenträger zur Kennzeichnung des Objektes wird als Transponder (englisch: tag) bezeichnet. Er besteht aus einem Koppelelement und einem elektronischen Mikrochip, der neben der Steuerung aller Datenverarbeitungs- und -übertragungsprozesse auch zur Informationsspeicherung dient und den eigentlichen Datenträger darstellt. Die Kopplungseinheit dient zur Energiegewinnung und als Antenne zur Datenübertragung und bestimmt im Wesentlichen die Größe des Transponders [ENV-07]. Je nach Frequenz ist sie im Regelfall als Dipol oder Spule ausgeführt (siehe Kapitel 2.4). In Abbildung 2-8 sind die gängigsten Bauformen von Transpondern exemplarisch abgebildet. Mikrochip Spule/Antenne Dipolantenne Mikrochip Abbildung 2-8: Verschiede Bauformen von Transpondern (in Anlehnung an [LAM-05]) Hinsichtlich der Flexibilität lassen sich diese nach [AIM-00] in folgende zwei Gruppen einteilen: Aufbringung auf ein Etikett Bei dieser Bauform wird die Transponderantenne mit Hilfe von Siebdruck oder einer Ätztechnik auf eine sehr dünne Plastikfolie (ca. 0,1 mm) aufgebracht [FIN-06], auf der anschließend der Mikrochip appliziert wird. Diese funktionsfähige Rohform des Transponders wird als Inlay bezeichnet [BIT-06]. Durch die Aufbringung einer Pa20 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation pierschicht auf der Oberseite und die Beschichtung der Rückseite mit einem Klebstoff kann das Inlay zu einem Selbstklebeetikett10 weiterverarbeitet werden (vgl. Abbildung 2-9). Durch die selbstklebende, flexible Etikettenform bietet diese Bauform die Möglichkeit der zusätzlichen Bedruckung und damit der Verbindung zwischen Barcode und Klarschriftinformation. Des Weiteren können gängige Applikationsverfahren zum Aufbringen des Etiketts auf das Objekt genutzt werden, wodurch dieser Vorgang automatisiert und kostengünstig durchgeführt werden kann. Gerade durch die hohe Flexibilität und die einfache Applizierung sind die Smart Label die gängigste und kostengünstigste Transponderart zur Kennzeichnung von Produkten. Allerdings ist sie empfindlich gegenüber mechanischen und thermischen Belastungen. Trägerpapier (Liner] Verpackung (Etikettenschicht und Klebstoff) Folieninlay mit Antenne Transponderchip Abbildung 2-9: Bestandteile eines Smart Label [JAN-04] Einbringung in ein Gehäuse Für den Einsatz in widrigen Umgebungsbedingungen können Inlays zum Schutz vor Verschmutzung, Säuren oder hohen Temperaturen in Kunststoffe oder anderen Materialien eingebracht werden. Dies hat eine im Vergleich zu den Etiketten größere Bauform zur Folge und bedingt durch die starre Struktur bei der Produktkennzeichnung die Notwendigkeit großer planarer Flächen auf dem Objekt. Außerdem ist die Herstellung wie auch die Applikation mit höheren Kosten verbunden. 2.1.2.2 Schreib-/Lesegerät Neben dem mobilen Datenträger stellt das Schreib-/Lesegerät (SLG) die zweite wesentliche Hardwarekomponente eines RFID-Systems dar. Unter SLG versteht man 10 Diese Bauform wird auch als Label oder Smart Label bezeichnet. 21 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation dabei Steuergeräte, die die Steuerung der Antennen und die Logik zur Übertragung der empfangenen Daten an die Applikation übernehmen [HAN-06]. Sie bestehen aus einem Hochfrequenzmodul (Sender und Empfänger), einer Kontrolleinheit sowie einer integrierten oder abgesetzten Antenne als Koppelelement zum Transponder. Die Bauformen von Lesegeräten werden hauptsächlich durch die Größe und Form der verwendeten Antennen bestimmt. Während bei mobilen Geräten der Rechner und die Antenne in ein Gehäuse integriert sind11, findet bei Einzelantennen oder einer Gateanordnung (Zusammenschluss von mindestens zwei Antennen zu einem Tor) in der Regel eine räumliche Trennung von Recheneinheit und Antennen statt (Abbildung 2-10). Stationäre Lesestation mit abgesetzter Antenne Handheld Abbildung 2-10: Antennenvarianten [PRE-08, FEI-07] 2.2 RFID und Barcode-Technologie im Vergleich In der Vergangenheit wurde der Transponder oftmals auch als elektronischer Barcode bezeichnet und als zukünftiges Substitut für den Strichcode betrachtet [LOV-07, ROD-02]. Durch die Art der Datenübertragung – im Fall des Barcodes optoelektronisch und bei der RFID-Technologie elektromagnetisch – existieren aber eindeutige Unterschiede. Durch das elektromagnetische Sensorprinzip bietet die RFID-Technologie im Gegensatz zum Barcode die Möglichkeit, Daten ohne Sichtverbindung zu erfassen und ist des Weiteren unempfindlicher gegenüber Verschmutzung des Datenträgers. Auch 11 Mobile RFID-Schreib-/Lesegeräte mit integrierter Antenne werden auch als Handheld bezeichnet. 22 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation lassen sich quasi gleichzeitig mehrere Datenträger auslesen12, und es können in Abhängigkeit des verwendeten Systems im Vergleich zum Barcode höhere Lesereichweiten erreicht werden. Je nach Bauform kann der Transponder darüber hinaus hitzebeständig und mechanisch belastbar ausgeführt sein, wodurch die Technologie auch in widrigen medialen, thermischen, chemischen und physikalischen Randbedingungen, bei denen optoelektronische Systeme an ihre Grenzen gelangen, eingesetzt werden kann [SHJ-06]. Zusätzlich ergeben sich durch die Möglichkeit der Speicherung von größeren Datenmengen und der dynamischen Datenveränderung beim Einsatz der RFIDTechnologie Anwendungsmöglichkeiten, die weit über die reine Identifikation hinaus gehen und beim Barcode nur mit Hilfe einer zentralen Datenhaltung gelöst werden können [RAF-06]. Dementsprechend ergibt sich bei der RFID-Technologie im direkten Vergleich zur Barcode-Technologie langfristig die Möglichkeit, den Informationund Materialfluss zu „verheiraten“, somit die derzeit existierende Lücke zwischen der physischen und informationstechnischen Welt zu schließen und die Intransparenz in den Prozessen vollständig zu beseitigen [GOE-06, REI-07]. Aufgrund der Notwendigkeit von elektronischen Bauteilen ist der Einsatz der RFIDTechnologie aber auf der anderen Seite mit deutlichen höheren Kosten verbunden. Während bei einem Barcodeetikett in der einfachsten Form Kosten unter 1 Cent pro Stück entstehen, sind bei der RFID-gestützten Identifikation je nach Betriebsart, Frequenz und Abnahmemenge Kosten von derzeit mindestens 10 Cent bis hin zu über 40 Euro bei Batterie-gestützten Systemen pro mobilen Datenträger zu erwarten [RFJ-07]. Auch von Seiten der Lesegeräte sind die anfallenden Kosten aufgrund der Komplexität der Geräte bei einer RFID-Anwendung deutlich höher. Darüber hinaus kann die Applikation des Transponders am Produkt je nach Art des verwendeten mobilen Datenspeichers technisch aufwendiger sein und die Inbetriebnahme des Systems ist aufgrund des starken Einflusses der Umgebungsbedingungen und der Werkstoffeigenschaften des zu kennzeichnenden Objektes auf die Leistungsfähigkeit des RFID-Systems im Regelfall mit einem höheren Zeitbedarf verbunden. Aufgrund ihrer kurzen industriellen Historie existiert bei der RFID-Technologie derzeit noch eine Lücke im Bereich der Anwendungsstandards, wodurch die Implementie12 Diese Eigenschaft wird auch als Pulkfähigkeit bezeichnet. 23 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation rung von offenen RFID-Kreisläufen zusätzlich mit einem deutlich höheren Abstimmungsaufwand verbunden ist [CJH-05, HUS-06]. Auf Basis dieser wirtschaftlichen Nachteile ist es notwendig, für den rentablen Einsatz der RFID-Technologie in der Regel neben der reinen Identifikation des Objektes einen zusätzlichen Nutzen zu generieren, weswegen RFID zunehmend als Komplementär und weniger als Substitut zur Barcode-gestützten Identifikation betrachtet wird [IML-04, OV-02, SHJ-06]. Ergänzend muss erwähnt werden, dass die Leistungsfähigkeit der RFID-Technologie und damit die jeweiligen Vor- und Nachteile sehr stark vom ausgewählten System, insbesondere der Arbeitsfrequenz (vgl. Kapitel 2.3.1 und 2.5) und den Umgebungsbedingungen des Einsatzfalles, abhängen [GÜN-07b]. Zusammenfassend sind in Abbildung 2-11 die Vorzüge und Nachteile der beiden Technologien gegenübergestellt. 24 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Barcode RFID Antenne Chip Vorteile: Vorteile: + preiswerter Datenträger + keine Sichtverbindung notwendig + einfache Applikation + große Lesereichweite + Standardisierung + große Speicherkapazität + geringe Fehlerrate + geringe Fehlerrate + 75% Marktanteil + Reduzierung des Handlingaufwandes + Widerstandsfähigkeit Nachteile: - Sichtverbindung notwendig - nur einzeln lesbar - geringe Lesereichweite + Pulkfähigkeit: Gleichzeitiges Lesen von mehreren Datenträgern + variable Datenhaltung + dezentrale Datenhaltung - Fixcodierung - geringe Speicherkapazität - geringe Widerstandsfähigkeit - gezwungenermaßen dezentrale Datenhaltung Nachteile: - Datenträger aufwendiger - fehlende oder nicht durchgängige Standardisierung - höhere Kosten für Hardware - Leistungsbeeinflussung durch die Umgebung - Applikation des Transponders Abbildung 2-11: Vergleich zwischen Barcode und RFID 2.3 Differenzierung und Charakterisierung von RFID-Systemen Die Einteilung und Differenzierung der RFID-Systeme kann nach verschiedensten Merkmalen der eingesetzten mobilen Datenspeicher und Schreib-/Lesegeräte erfolgen. Beispielhaft sind die in Abbildung 2-12 dargestellten Kriterien genannt. 25 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation RFIDCharakteristika 2.4.1 Arbeitsfrequenz 2.4.2 Energieversorgung 2.4.3 Speicherzugriff LF-Bereich aktiv Read only HF-Bereich passiv Read/Write 2.4.4 Speicherkapazität Variabel von 1bit bis 64 kByte UHF-Bereich SHF-Bereich Wird maßgeblich durch den mobilen Datenträger festgelegt Abbildung 2-12: Unterscheidungskriterien von RFID-Systemen Die Leistungsfähigkeit des RFID-Systems wird insbesondere durch die Arbeitsfrequenz13 und die Energieversorgung bzw. Betriebsart des Transponders charakterisiert. Diese beiden Merkmale legen maßgeblich die Systemreichweite und die entstehenden Kosten fest und sind somit entscheidend für das Einsatzpotenzial und die Wirtschaftlichkeit des RFID-Einsatzes. 2.3.1 Arbeitsfrequenz des RFID-Systems Die Arbeitsfrequenz des RFID-Systems bestimmt bedingt durch die unterschiedlichen physikalischen Feldausbreitungseigenschaften und die sich unterscheidende Datenübertragungstechnik die Merkmale, Eigenschaften und Leistungsfähigkeit des Systems [AIM-07, INF-07]. RFID-Systeme arbeiten in einem Bereich von 100 kHz bis 5,8 GHz14 und werden durch die Erzeugung und Abstrahlung von magnetischen bzw. elektromagnetischen Wellen rechtlich als Funkanlagen betrachtet, weswegen sie nur bei festen, von nationalen Fernmeldevorschriften freigegebenen Frequenzen betrieben werden dürfen [FIN-06, OVE-05, VDE-06]. Ein Überblick über die in Deutschland nutzbaren Frequenzen und dazugehörige beispielhafte Anwendungen sind in Abbildung 2-13 dargestellt. 13 Als Arbeitsfrequenz wird die Sendefrequenz des Readers verstanden. 14 Die Einheit Hz entspricht 1 Schwingung pro Sekunde. 26 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Zugangskontrolle Tier-ID Autoschlüssel Chipkarte - 100k 125 134 Zugangssysteme, Produktion, Logistik Logistik - Behälter Post - Paletten Chipkarten - Reifen Pass Gepäck Bücher - Transportwesen - Straßenmaut - Zug-Ortsbestimmung - Flottenmanagement - Produktionssteuerung 1M 2,45 LF 13,56 868 917 1G HF Induktive Kopplung UHF 5,8 [Hz] SHF Elektromagnetische Kopplung Abbildung 2-13: Überblick über nutzbare RFID-Frequenzen in Deutschland und dazugehörige beispielhafte Anwendungen Zur Gruppierung der RFID-Systeme lassen sich die Frequenzen in folgende vier Klassen gliedern [OVE-05]: • Low Frequency (LF) – Systeme von 100-135 kHz • High Frequency (HF) – Systeme bei 13,56 MHz • Ultra High Frequency (UHF) – Systeme bei 868 MHz • Short High Frequency (SHF)15 – Systeme bei 2,45 GHz und 5,8 GHz Der Frequenzbereich des Systems legt gleichzeitig die Art der Kopplung zwischen Transponder und Reader fest. Bei LF- und HF-Systemen ist der Reader mit dem mobilen Datenspeicher induktiv oder kapazitativ gekoppelt, während bei UHF- und SHF-Systemen die elektromagnetische Kopplung16 genutzt wird. Bedingt durch die Kopplungsart sind die niederfrequenten Systeme durch geringere Reichweiten gekennzeichnet. Aufgrund der elementaren Bedeutung wird die Lesereichweite der Systeme in Abhängigkeit der jeweiligen Arbeitsfrequenz im Kapitel 2.5 ausführlich betrachtet. Auf Basis der Arbeitsfrequenz ergibt sich die Wellenlänge des von der Readerantenne abgestrahlten Feldes mit Hilfe der Formel [KUC-01]: 15 Dieser Frequenzbereich wird auch als Mikrowelle bezeichnet. 16 Diese Kopplung wird auch als Backscatter bezeichnet. 27 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation λ= c f mit: (2-1) λ: Wellenlänge [m] f: Frequenz [Hz] c: Lichtgeschwindigkeit (c = 3,0·108 m ) [m/s] s Die Wellenlängen für die verschiedenen Frequenzbereiche sind in Tabelle 2-1 dargestellt. Tabelle 2-1: Wellenlängen der jeweiligen Frequenzgruppen Wellenlänge [m] LF HF UHF SHF 2.222-3.000 22 0,35 0,05-0,12 Durch eine kürzere Wellenlänge beziehungsweise mehr Schwingungen pro Zeiteinheit können mehr Informationen pro Zeiteinheit übertragen werden. Dadurch steigt die Datenübertragungsgeschwindigkeit mit der Frequenz an (siehe Abbildung 2-14). Dies hat zur Konsequenz, dass sich mit höherer Frequenzen neben größeren Reichweiten komplexere Anwendungen durch den höheren Daten- und Energietransfer realisieren lassen (vgl. Abbildung 2-13). Abbildung 2-14: Abhängigkeit der übertragbarer Datenmenge von der Wellenlänge [GS1-06] 28 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.3.2 Energieversorgung des Transponders RFID-Transponder benötigen Energie zum Betrieb des Mikrochips und zum Transfer der Daten. Dabei lassen sich drei verschiedene Arten der Energieversorgung unterscheiden [LAM-05]: • Passive Transponder: Die Energie wird aus dem Feld des Lesegerätes gewonnen und für den Mikrochip und die Datenübertragung verwendet. • Semi-aktive Transponder17: Die Versorgung des Mikrochips wird von einer internen Batterie übernommen. Zum Senden der Daten wird die gewonnene Energie aus dem Feld der Readerantenne verwendet. • Aktive Transponder: Sie verwenden die zugehörige Batterie zur Energieversorgung des Mikrochips und zum Senden der Daten. Die Energie des Lesefeldes wird nur zur Aktivierung des Transponders verwendet. Die aktiven RFID-Systeme werden in der Literatur nicht durchgängig zu den RFIDSystemen gezählt. [FIN-06] beschränkt RFID-Systeme auf passive und semi-aktive Transponder, wobei [FIN-06] das nach obiger Definition semi-aktive System als aktiv bezeichnet. In der Mehrzahl der Literaturquellen (u.a. [BSI-04, FRA-06, GS1-07, HAN-06, JAN-04, und LAM-05]) findet die im Rahmen dieser Arbeit verwendete Definition Anwendung. Durch die integrierte Batterie besitzen aktive und semi-aktive RFID-Transponder eine deutlich höhere Reichweite im Vergleich zu passiven Systemen, weil die Energie zum Betrieb des Datenspeichers nicht aus dem Feld gewonnen werden muss. Der Transponder wird lediglich durch das Erregersignal der Readerantenne aktiviert. Befindet sich der Transponder außerhalb des Ansprechfeldes, wird er in einen Standby-Modus versetzt. Die eigene Energieversorgung des Mikrochips bietet zudem die Möglichkeit, größere Speicher zu betreiben und aufwendigere Mikroprozessoren mit Verschlüsselungsalgorithmen sowie Sensoren zu integrieren [FRA-06]. Allerdings sind diese Transponder deutlich teurer als passive Systeme und bedingen größere Bauformen. Außerdem ist die Lebenszeit des Transponders durch die Batteriekapazität in Abhängigkeit der Nutzungshäufigkeit des Transponders begrenzt [FRA-06]. Aus diesem Grund werden sie aus wirtschaftlichen Gesichtpunkten im Regelfall entweder in geschlossen Kreisläufen oder an Objekten mit hohem Wert eingesetzt. 17 Die Bezeichnung semi-passiv wird teilweise in der Literatur synonym verwendet [KLE-04]. 29 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Passive mobile Datenspeicher müssen die Energie zum Betrieb des Mikroprozessors und zum Senden der Daten aus dem Feld der Leseantenne gewinnen, wodurch nur persistente Speichermedien, die ihre Daten ohne Energieversorgung behalten und sich durch einen geringen Energieverbrauch auszeichnen, eingesetzt werden können [FRA-06]. Aus diesem Grund wurden die ersten passiven Transponder erst durch die Entwicklung der Integrated Circuit(IC)-Technologie, insbesondere der Complementary Metal Oxid Semiconductor(CMOS)-Technik, deren Schaltungen durch einen extrem geringen Energieverbrauch charakterisiert sind, ermöglicht [HAE-04]. Technisch ist somit die Reichweite von passiven Systemen im Vergleich zu aktiven geringer, sie können aber im Gegenzug in einfacherer Bauweise und fast beliebiger Bauform kostengünstig hergestellt werden. Im LF- und HF-Bereich existieren lediglich passive Systeme. Bei auf UHF- und SHFbasierenden RFID-Systemen sind sowohl passive als auch aktive Systeme auf dem Markt erhältlich, wobei im UHF-Bereich die passiven Systeme überwiegen und im SHF-Bereich größtenteils aktive Systeme zum Einsatz kommen. 2.3.3 Art des Speicherzugriffs Neben der Arbeitsfrequenz und der Energieversorgung stellt die Beschreibbarkeit des Transponders ein wichtiges Charakterisierungs- und Leistungsmerkmal dar. Dabei lassen sich die folgenden zwei Klassen unterscheiden: • Read-Only Transponder: Diese Art der mobilen Datenspeicher ist vom Hersteller mit einer unikaten Identifikationsnummer beschrieben, die nicht geändert, ergänzt oder überschrieben werden kann. Aufgrund des einfachen Aufbaus können diese Transponder preisgünstig hergestellt werden und kommen insbesondere in einfachen Anwendungen, in denen keine Datenspeicherung erforderlich ist, wie beispielsweise bei der Tieridentifikation oder Zutrittskontrolle, zum Einsatz. Als Sonderform existieren im Rahmen dieser Klasse die so genannten WORM-Transponder18, die eine einmalige unveränderliche Codierung der Information auf dem Transponder erlauben, die dann beliebig oft ausgelesen werden kann [BIT-06]. In anderen Literaturquellen, beispielsweise [SHJ-06], 18 Die Abkürzung WORM steht für den englischen Ausdruck Write Once Read Many. 30 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation wird ein WORM-Transponder als ein mobiler Datenspeicher mit einer herstellerseitig unveränderlich codierten Seriennummer und einem einmalig beschreibbaren Speicherbereich definiert. Durch die Weiterentwicklung der Chiptechnologie und der damit verbundenen Möglichkeit bestimmte Speicherbereiche zu fixieren19 ist die Bedeutung dieser Art von Transpondern stark zurückgegangen ist. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieser Arbeit die auf den gesamten Speicherbereich bezogene Definition verwendet. • Read/Write Transponder: Diese Transponder verfügen über individuell beschreibbare Speicherbereiche, die beliebig oft mit Hilfe eines Schreib-/Lesegerätes überschrieben werden können. Wie oben beschrieben, besitzen Transponder der neusten Generation die Möglichkeit die Speicherbereiche teilweise oder gesamt zu fixieren, um eine nachträgliche Manipulation der gespeicherten Daten zu verhindern. 2.3.4 Speicherkapazität Die Speicherkapazität des mobilen Datenträgers wird durch den applizierten Mikrochip und die maximal übertragbare Leistung festgelegt. Bei passiven Systemen muss die Energie zum Betrieb des Transponders aus dem Feld gewonnen werden, so dass sich hier – insbesondere bei kurzen Verweilzeiten im Lesefeld – nur geringe Speicherkapazitäten realisieren lassen. Im Regelfall beträgt die Speichermenge für passive Systeme derzeit zwischen 128 und 2048 Bit. Zudem sinkt die Leistungsfähigkeit des RFID-Systems mit einer zunehmenden dezentralen Datenhaltung stark ab, so dass insbesondere in Logistikanwendungen mit Pulkerfassung eine starke Reduzierung der Datenmenge bis hin zu einer eindeutigen Identifizierungsnummer auf dem Transponder anzustreben ist. Des Weiteren lässt sich die Übertragung von großen Datenvolumina nur realisieren, wenn sich der Transponder lange im Ansprechfeld des Lesegerätes befindet. Durch die im Verhältnis großen Reichweiten und die eigene Energieversorgung von aktiven Systemen sind diese prädestiniert für eine hohe Speicherkapazität. Auf dem Markt sind derzeit Systeme mit bis zu 64 kByte erhältlich, wodurch sich in Kombination mit Sensoren beispielsweise die dezentrale Aufzeichnung von Messreihen realisieren lässt. 19 Dies wird auch als Locken des Speicherbereichs bezeichnet. 31 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.4 Funktionsweise der Energie- und Datenübertragung Die Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen wird grundlegend von den Umgebungsbedingungen und dem Applikationsuntergrund für den mobilen Datenträger beeinflusst. Der untersuchte Einsatzfall der Technologie zur automatischen Bauzustandsdokumentation im Fahrzeug ist somit aufgrund der Vielzahl zu kennzeichnender metallischer Bauteile und der metallischen Umgebung, in der die Bauteile identifiziert werden müssen, von großen Herausforderungen geprägt. Um im Verlauf der Arbeit die theoretischen Auswirkungen im Anwendungsfall weiter vertiefen zu können und darauf aufbauend Lösungskonzepte zu entwickeln, werden im Folgenden die Eigenschaften von RFID-Systemen in Abhängigkeit der physikalischen Grundlagen hergeleitet. Für das physikalische Funktionsprinzip der Daten- und Energieübertragung zwischen Reader und Transponder ist entscheidend, ob diese im Nah- oder Fernfeld des Readerantennenfeldes stattfindet [VDE-06]. Auf Basis des Induktionsgesetzes bildet sich durch ein magnetischen Feld in zunehmenden Abstand zur Antenne auch ein elektrisches Feld aus und umgekehrt [HER04]. Das daraus entstehende elektromagnetische Feld beginnt sich bei einem Abstand von λ/2 · π von der Antenne zu lösen und als elektromagnetische Welle mit Lichtgeschwindigkeit in den Raum zu wandern20 [FIN-06, KOL-00]. Ab dieser Entfernung kann keine direkte und detektierbare Rückmeldung auf die Antenne des Readers mehr erfolgen [VDE-06]. In Tabelle 2-2 ist dieser Übergang vom Nah- zum Fernfeld für die jeweiligen Frequenzen dargestellt. Tabelle 2-2: Übergang vom Nahfeld zum Fernfeld für die jeweiligen Frequenzbereiche Nahfeld / Fernfeldübergang [m] LF HF UHF SHF 354-477 3,5 0,05-0,06 0,01-0,02 Aufgrund der großen Wellenlänge findet bei den nieder- und hochfrequenten RFIDSystemen die Daten- und Energieübertragung zwischen Reader und Transponder im Nahfeldbereich statt. Physikalisch bedingt erfolgt die Übertragung dadurch mittels induktiver oder kapazitiver Kopplung. Diese werden durch die direkte Rückwirkung 20 Dieser Grenzwert wird als Übergang vom Nah- zum Fernfeld bezeichnet. 32 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation der mobilen Datenspeicher auf das Readerantennenfeld auch als direkte Kopplungsarten bezeichnet. Der Beginn des Fernfeldes stellt damit eine feste Grenze für direkt gekoppelte RFID-Systeme dar. Die ultrahochfrequenten und mikrowellenbasierten RFID-Systeme, die aufgrund ihrer Wellenlänge im Fernfeld des Readerantennenfeldes gekoppelt sind, arbeiten auf Basis des Radarprinzips mit der Rückstrahlung der abgelösten sich im Raum ausbreitenden elektromagnetischen Wellen des Feldes. Die Kopplung erfolgt dadurch physikalisch bedingt in diesen Frequenzbereichen indirekt. Zusammenfassend lassen sich bei RFID-Systemen die in Abbildung 2-15 dargestellten frequenzabhängigen Kopplungsarten unterscheiden. Typische Vertreter Genutztes Feld Übertragungsverfahren Kapazitiv Induktiv Backscatter (elektrisches Feld) (magnetisches Feld) (elektromagnetisches Feld) Kontaktlose Karten Transponder mit Transponder mit < 135 kHz, 13,56 MHz < 135 kHz 870 MHz, 915 MHz, Transponder nach „Bi-Statix“ 13,56 MHz 2,4 GHz, 5,8 GHz Abbildung 2-15: Daten- und Energieübertragungsverfahren von RFID-Systemen (in Anlehnung an [KER-06]) Neben dem physikalischen Kopplungsprinzip können RFID-Systeme auch nach dem zeitlichen Ablauf der Energie- und Datenübertragung eingeteilt werden. Entsprechend Abbildung 2-16 unterscheidet man sequentielle Verfahren und DuplexVerfahren. Bei den sequentiellen Verfahren erfolgt die Energie- und Datenübertragung vom Reader zum Transponder (uplink) zeitlich getrennt von der reversen Datenübertragung vom Transponder zum Reader (downlink), wodurch diese nicht von der Energieübertragung und dem uplink überlagert wird. Bei den Duplex-Verfahren kann zusätzlich in Halb- und Vollduplex-Verfahren (HDX und FDX), je nachdem, ob uplink und downlink sich zeitlich überschneiden (FDX) oder getrennt (HDX) stattfin33 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation den, unterschieden werden. Das Vollduplex-Verfahren kann dabei aufgrund der Überschneidung von up- und downlink nur bei Systemen eingesetzt werden, bei der die Antwort des Transponders auf einer anharmonischen Frequenz erfolgt [FIN-06]. Abbildung 2-16: Einteilung der RFID-Systeme nach dem zeitlichen Ablauf der Energie- und Datenübertragung (in Anlehnung an [FIN-06]) Im Folgenden werden die physikalischen Funktionsprinzipien der Kopplungsarten detailliert beschrieben. 2.4.1 Kapazitive Kopplung Die kapazitive Daten- und Energieübertragung nutzt das elektrische Feld, das elektrisch geladene Körper umgibt, und beispielsweise zwischen den Platten eines Kondensators entsteht [PHY-98]. Bei Systemen, die für sehr geringe Reichweiten von unter 1 cm ausgelegt sind21 beispielsweise RFID-gestützte Ausweise zur Personenidentifikation – kommt dieses Funktionsprinzip des Plattenkondensators zum Einsatz. Durch die Ausführung der Antennen des Readers und des Transponders als isolierte Koppelfläche bilden sie bei hinreichend kleinem Abstand einen Plattenkondensator, wodurch sich ein elektrisches Feld zwischen den beiden Komponenten ausbildet. Dieses versorgt den 21 Diese Systeme werden auch als close-coupling Systeme bezeichnet. 34 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Transponder mit Energie (siehe Abbildung 2-17) [FIN-06]. Die Übertragung der Daten erfolgt mit Hilfe der Modulation des elektrischen Feldes durch einen zuschaltbaren Widerstand22. Abbildung 2-17: Kapazitive Kopplung bei close-coupling Systemen [KER-06] Bei Systemen mit Reichweiten von bis zu 1,5 m − man spricht hier von remotecoupling Systemen − wird das elektrische Feld genutzt, das zwischen einer Elektrode und dem Erdpotenzial bei einer hochfrequenten Spannung an einer Elektrode entsteht. Das auf diesem Funktionsprinzip vom Reader erzeugte elektrische Feld generiert bei einem im Ansprechfeld befindlichen Transponder an dessen Elektroden eine geringe Spannung, die zur Versorgung des Transponders mit Energie verwendet wird (siehe Abbildung 2-18). Hierzu werden am Lesegerät Spannungen in der Größenordnung von einigen hundert bis einigen tausend Volt benötigt [FIN-06]. Die Übertragung der Daten erfolgt analog zu den close-coupling Systemen mit Hilfe eines Lastwiderstandes durch die direkte Kopplung zwischen Transponder und Reader, wodurch ein veränderter Widerstand eines Systempartners eine Veränderung der Spannung im gekoppelten System bewirkt. 22 Das Verfahren wird auch als Lastmodulation bezeichnet. 35 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-18: Kapazitive Kopplung bei remote-coupling Systemen [KER-06] Aufgrund der relativ komplexen Bauart und der für größere Reichweiten benötigten sehr hohen Spannungen sowie durch in der Praxis schwankender Lesereichweiten hat sich diese Kopplungsart bei remote-coupling Systemen nicht durchsetzen können. Im Bereich der close-coupling Systeme existieren hingegen insbesondere im Bereich der Personen- und Betriebsmittelidentifikation zahlreiche Anwendungen. Diese Systeme sind durch die geringe Reichweite und die geringe Leistungsfähigkeit, bedingt durch die niedrige Frequenz, für die RFID-basierte Bauzustandsdokumentation nicht geeignet und werden deswegen im Rahmen der Arbeit hier nur ergänzend erwähnt und nicht detaillierter betrachtet. 2.4.2 Induktive Kopplung Induktiv gekoppelte Systeme nutzen magnetische Felder und das Prinzip der Induktion und Gegeninduktion zur Energie- und Datenübertragung. 2.4.2.1 Entstehung des magnetischen Feldes Auf Basis des Durchflutungsgesetzes ist mit jeder bewegten Ladung, beispielsweise Elektronen in einem Leiter, die Bildung eines magnetischen Feldes mit geschlossenen Feldlinien verbunden (vgl. Abbildung 2-19). Die der Ursache des magnetischen Feldes zugeordnete Größe ist dabei die magnetische Feldstärke H [A/m] [IBF-04]. Das Durchflutungsgesetzes in der allgemeinen Form beschreibt, dass das Umlaufin36 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation tegral der magnetischen Feldstärke längs einer geschlossenen Kurve gleich der von der Kurve eingeschlossenen Ströme ist [KUC-01]. Darstellen lässt sich dies mit Hilfe der Formel: ∑ I = ∫ H ds mit: (2-2) I: Eingeschlossener Stromfluss [A] H: Magnetische Feldstärke [A/m] s: Umlaufweg [m] s Abbildung 2-19: Magnetische Feldlinien um einen stromdurchflossenen Leiter Zur Erzeugung des magnetischen Wechselfeldes bei induktiv gekoppelten RFIDSystemen werden kurze Zylinderspulen oder rechteckige Leiterschleifen als Antenne verwendet. Jede Spulenwindung kann dabei als stromdurchflossener Leiter betrachtet werden und es ergibt sich durch die Überlagerung der magnetischen Wechselfelder eine höhere magnetische Feldstärke H (vgl. Abbildung 2-20). 37 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation H Abbildung 2-20: Verlauf der Feldstärke in einer Spule a) schematisch und b) sichtbar mit Hilfe von Eisenspänen [TIP-94] Für den Verlauf der Feldstärke entlang ihrer Achse kann nach [PAU-93] unter der Bedingung, dass die Länge der Spule viel kleiner als der Spulenradius R ist23, folgende Beziehung für das magnetische Nahfeld hergestellt werden: H= mit: I ⋅ N ⋅ R² (2-3) 2 ( R ² + x ²)³ N: Anzahl der Spulenwindungen [-] R: Kreisradius der Spule [m] x: Abstand zur Spulenmitte [m] Dadurch ergibt sich, dass wechselstromdurchflossene Spulen mit kleinem Radius R in unmittelbarer Nähe zur Spulenachse (x 0) höhere magnetische Feldstärken erzeugen, diese aber schon in kurzer Distanz zur Achse direkt proportional zu x3 stark 23 Diese Spulenform wird auch als kurze Zylinderspule oder Leiterschleife bezeichnet. 38 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation abfallen. Um eine hohe Lesereichweite bei induktiv gekoppelten Systemen zu erreichen, müssen deshalb große Readerantennen eingesetzt werden. Falls hohe Stromstärken zum Betrieb des Transponders benötigt werden, beispielsweise bei der Integration von Sicherheitsalgorithmen, werden hingegen Readerantennen mit kleinen Abmaßen benötigt (siehe Abbildung 2-21). Magnetische Feldstärke H [A/m] 100 10 1 0,1 0,01 1·10-3 1·10-4 1·10-5 1·10-6 1·10-7 1·10-8 1·10-3 0,01 0,1 1 10 Entfernung x [m] Radius R = 55 cm Radius R = 7,5 cm Radius R = 1 cm Abbildung 2-21: Verlauf der magnetischen Feldstärke bei kurzen Zylinderspulen im Nahfeld in Abhängigkeit des Spulenradius R (in Anlehnung an [FIN-06]) Für die häufig als Sendeantennen eingesetzten rechteckigen Leiterschleifen ergeben sich analoge Zusammenhänge auf Basis der Kantenlängen. In Abbildung 2-22 sind Beispiele für die Ausführung von Readerantennen für induktiv gekoppelte Systeme dargestellt. 39 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Kartenleser mit integrierter kompakter Leiterschleifenantennen für Mid-Range Antenne für kontaktbehaftete Identifizie- und Long-Range-Systeme (Reichweite rung mit Sicherheitsalgorithmen ist abhängig von Leiterschleifengröße) (Reichweite < 10 cm) Abbildung 2-22: Readerantennen für unterschiedliche Lesereichweiten [FEI-07] 2.4.2.2 Energieübertragung zwischen Reader und mobilen Datenträger Nachfolgend wird aufbauend auf der Entstehung des magnetischen Feldes die Energieübertragung von der Reader- zur Transponderantenne beschrieben. Auf Basis des Induktionsgesetzes wird in einer von einem magnetischen Wechselfeld durchzogenen Spule oder geschlossenen Leiterschleife eine Spannung induziert [KUC-01]. Die Höhe der induzierten Spannung in der Spule hängt dabei von der Änderung der magnetischen Feldstärke und der Gesamtzahl der die Spule durchsetzenden Feldlinien ab und kann mit Hilfe der folgenden Formel beschrieben werden: u ind = − N ⋅ µ ⋅ ∫ mit: dH n ⋅ dA dt (2-4) uind: Induzierte Spannung [V] µ: Permeabilität24 der durchfluteten Spulenfläche [Vs/Am] Hn: Normalkomponente der magnetischen Feldstärke in Richtung der Spulenfläche [A/m] A: von Hn durchflutete Fläche [m2] (im Regelfall mit der Fläche der Spule identisch) 24 Die Permeabilität bezeichnet die magnetische Leitfähigkeit und wird berechnet durch das Produkt der magnetischen Feldkonstante µ0 (Permeabilität des Vakuums) und der Permeabilitätszahl µr, die die Vergrößerung oder Abschwächung der Induktivität durch Einbringen eines Stoffes in das Feld quantifiziert. 40 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Das Produkt aus der Permeabilität µ und der magnetischen Feldstärke H wird auch als magnetische Induktion B25 bezeichnet und ist ein Maß für den je Flächeneinheit und Windung induzierten Spannungsstoß. Der eine Fläche senkrecht durchdringende Anteil der magnetischen Induktion B integriert über die Fläche A ist definiert als magnetischer Fluss Φ. Dadurch lässt sich die Formel (2-4) vereinfacht wie folgt beschreiben26: u ind = − N mit: dΦ dt Φ: (2-5) Magnetischer Fluss [Vs] Bei der Induktion lassen sich generell zwei Fälle unterscheiden: • Selbstinduktion: Das durch eine Stromänderung di/dt in einer Leiterschleife erzeugte Wechselfeld in den eigenen Windungen. • Gegeninduktion: Das durch eine zeitliche Stromänderung di/dt in einer Leiterschleife erzeugte Wechselfeld induziert eine Spannung in einer benachbarten Leiterschleife. Betrachtet wird zunächst die Selbstinduktion. Bei einem RFID-System kennzeichnet sie die induzierte Spannung in der Readerantenne durch das von ihr generierte und ausgehende magnetische Wechselfeld. Die den Reader betreffende physikalische Größen werden im folgendem mit dem Index R gekennzeichnet. Die in die eigenen Windungen induzierte Spannung wirkt der anliegenden Spannung nach der Lenz’schen Regel entgegen und ist dabei direkt proportional zum Stromfluss in der Spule. Der Proportionalitätsfaktor wird als Induktivität L27 bezeichnet [KUC-01]. Mit Hilfe der Formeln (2-4) und (2-5) lässt sich damit die Induktivität L der Readerantenne ausdrücken durch: 25 Die magnetische Induktion wird auch als magnetische Flussdichte bezeichnet. 26 Die Formelschreibweise gilt als allgemeine Form des Induktionsgesetzes. 27 Für die Induktivität L werden in der Literatur die Begriffe Selbstinduktionskoeffizient und Eigeninduktivität synonym verwendet. 41 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation LR = u R ind dI R dt dΦ R dt dI R dt − NR ⋅ = dΦ R = dI R (2-6) dH R n ( I R ) dAR dI R − NR ⋅ µR ⋅ ∫ mit: = − NR ⋅ LR: Induktivität der Readerantenne [H] uRind: Induzierte Spannung in die Readerantenne [V] IR: Stromfluss in der Readerantenne [A] NR: Anzahl der Spulenwindungen der Readerantenne [-] ΦR: Magnetische Fluss durch die Readerantenne [Vs] µR: Permeabilität der durchfluteten Readerantenne [Vs/Am] HRn: Normalkomponente der magnetischen Feldstärke in Richtung der Readerantennenfläche [A/m] AR: Von HRn durchflutete Readerantennenfläche [m2] (im Regelfall mit der Fläche der Spule identisch) Der Effekt der Gegeninduktion beschreibt, dass das magnetische Wechselfeld eine Spannung in einer benachbarten Leiterschleife erzeugt. Dies ist die physikalische Grundlage für die Energieversorgung der mobilen Datenspeicher bei RFIDSystemen. Vorraussetzung ist, dass die Antenne der Transponder bei induktiv gekoppelten Systemen ebenfalls als Spule oder rechteckige Leiterschleife ausgeführt ist. In Abbildung 2-23 sind beispielhaft verschiedene Antennenbauformen von induktiv gekoppelten Transpondern dargestellt. LF-Systeme HF-Systeme Abbildung 2-23: Mobile Datenträger auf Basis induktiver Kopplung mit unterschiedlichen Antennen [RRY-07, SOK-07, UPM-07] 42 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Die transponderbezogenen physikalischen Größen werden im Folgenden mit dem Index T bezeichnet. Die im mobilen Datenspeicher induzierte Spannung lässt sich mit Hilfe der Formel (24) und (2-5) wie folgt ausdrücken: uT ind = − NT dBTn ( I R ) dΦT ( I R ) = − NT ⋅ ∫ dAT = dt dt NT ⋅ µT ⋅ ∫ mit: dH Tn ( I R ) dt (2-7) dAT uTind: Induzierte Spannung im Transponder [V] NT: Anzahl der Spulenwindungen des Transponders [-] ΦT: Magnetischer Fluss durch die Transponderantenne [Vs] IR: Stromfluss in der Readerantenne [A] BTn: Normalkomponente der magnetischen Flussdichte durch die Transponderspule [T] µT: Permeabilität der durchfluteten Transponderspulen- fläche [Vs/Am] HTn: Normalkomponente der magnetischen Feldstärke durch die Transponderspule [A/m] AT: Von HTn durchflutete Antennenfläche des Transponders (im Regelfall mit der Fläche der Spule identisch) [m2] Die induzierte Spannung ist neben der die Antenne senkrecht durchdringenden magnetischen Feldstärke von der Größe der Transponderantenne und deren Windungszahl abhängig. Durch die Steigerung der Permeabilität in der Spule, beispielsweise durch einen ferromagnetischen28 Kern kann die erzeugte Spannung im mobilen Datenträger erhöht werden29. Da die Spannungsversorgung des Transponders mit einer niedrigeren magnetischen Feldstärke sichergestellt werden kann, bedeutet eine höhere induzierte Spannung gleichzeitig auch eine höhere Lesereichweite. Auf Basis der Formel (2-7) haben die genannten Faktoren einen di- 28 Materialien mit einer Permeabilitätszahl µr >> 1 werden als ferromagnetisch bezeichnet. Beispiele für Materialien dieser Art sind Eisen, Kobalt, Nickel. 29 Dies wird unter anderem bei Glastranspondern ausgenutzt, um eine kompakte Bauform zu realisieren (vgl. Glastransponder in Abbildung 2-21). 43 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation rekt proportionalen Einfluss. In einen Transponder mit beispielsweise einer doppelten Antennenfläche wird somit auch die doppelte Spannung induziert. Aus der Formel (2-7) kann auch die starke Abhängigkeit der Leistungsfähigkeit von der Lage des Transponders zur Readerantenne hergeleitet werden, da sich nur der die Transponderfläche senkrecht durchdringende Anteil des magnetischen Flusses für die induzierte Spannung verantwortlich zeichnet. Dadurch kann ein Transponder parallel zu den Feldlinien nicht gelesen werden (vgl. Abbildung 2-24). Abbildung 2-24: Erkennungsbereich von induktiv gekoppelten Systemen und deren Lageabhängigkeit am Beispiel eines 134kHz-Transponders [KER-06] Der auf Basis der Gegeninduktion entstehende Wechselstromfluss im Transponder hat bedingt durch das Induktionsgesetz die Ausbildung eines eigenen magnetischen Feldes um die Transponderspule zur Folge. Dieses mindert die Spannung in der Transponderantenne durch den Effekt der Selbstinduktion (vgl. Selbstinduktion in der Readerantenne S. 43) und wirkt dem Magnetfeld der Readerantenne entgegen. Dadurch wird auf Basis des Gegeninduktionseffekts in der Readerantenne die Spannung reduziert. Das Verhältnis zwischen der induzierten Spannung und dem Stromfluss in der Antenne ist analog zur Induktivität L als Gegeninduktivität M definiert und lässt sich im Betrachtungsfall wie folgt ausdrücken: 44 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation M TR = uTR dI R dt mit: dΦ T ( I R ) dt dI R dt − NR ⋅ = = −N R ⋅ dΦ T ( I R ) dI R (2-8) MTR: Gegeninduktivität des Transponders auf die Readerleiterschleife [H] uTR: Induzierte Spannung in der Readerantenne ausgelöst durch das Wechselfeld des Transponderstroms [V] Analog der obigen Definition existiert auch eine Gegeninduktivität zwischen Readerantenne und Transponder, ausgelöst durch den Stromfluss in der Transponderantenne. Zwischen den beiden Gegeninduktivitäten gilt der Umkehrsatz aufgrund dessen beide Größen identisch sein müssen [FIN-06]: M = M TR = M RT (2-9) Die Gegeninduktivität beschreibt die Verkopplung zweier Stromkreise über das Magnetfeld als Medium und ist zwischen zwei Stromkreisen stets vorhanden [FIN-06]. Eine Änderung des Stromflusses in einer Komponente des Systems führt zu einer Spannungsänderung im anderen Systembestandteil. Aus diesem Grund wird die induktive Kopplung auch als direkte Kopplung bezeichnet. Die im Rahmen der Induktion erzeugte Spannung im Transponder dient der Versorgung des Mikrochips. Der Wirkungsgrad und damit die Leistungsfähigkeit des Transponders kann dabei durch die Bildung eines Parallelschwingkreises mit Hilfe eines parallel zum Datenspeicher geschalteten Kondensators stark erhöht werden. In Abbildung 2-25 ist das Ersatzschaltbild für einen mobilen Datenspeicher mit Parallelschwingkreis dargestellt. M iR iT RT CT = CP + CLA uLA LR LT ~ Cp CLA RLA uM Parisitäre Kapazität Datenträger Abbildung 2-25: Ersatzschaltbild für ein induktiv gekoppeltes RFID-System mit einem Parallelschwingkreis gebildet durch ein RC-Glied (in Anlehnung an [FIN-06]) 45 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Die Schwingung im Schaltkreis entsteht durch den periodischen Austausch der Energie zwischen dem magnetischen Feld der Spule und dem elektrischen Feld des Kondensators. Dabei lassen sich die Gleichungen und Ergebnisse aus der mechanischen Schwingung übertragen [GER-03]. Folglich existiert bei einem elektronischen Schwingkreis eine Frequenz f, bei der der Strom minimal wird, da der größte Teil als Blindstrom im Kreis selbst rotiert [GER-03]. Daraus resultiert bei dieser Frequenz eine Spannungsüberhöhung im Schwingkreis. Die Frequenz wird dabei als Resonanzfrequenz bezeichnet und lässt sich für einen Transponder nach der ThomsonGleichung in Abhängigkeit der Induktivität und Kapazität wie folgt berechnen [BER99]: fT = mit: 1 (2-10) 2 ⋅ π ⋅ LT ⋅ CT fT: Resonanzfrequenz des Transponders [Hz] LT: Induktivität des Transponderschwingkreises [H] CT: Kapazität des Transponderschwingkreises [F] Die Spannung uL, die durch die induzierte Spannung und die Überhöhung im Parallelschwingkreis für den Betrieb des Mikrochips zur Verfügung steht, lässt sich auf Basis des Ersatzschaltbildes (vgl. Abbildung 2-25) in komplexer Darstellung mathematisch wie folgt darstellen: u LA = u M − u L − u R = M di R di − LT T − iT ⋅ RT = dt dt (2-11) jωt 1 + (ω ⋅ IˆT ⋅ e jωt mit: M ⋅ ω ⋅ IˆR ⋅ e 1 ⋅ LT + RT ) ⋅ ( + IˆT ⋅ e jωt ⋅ ω ⋅ CT ) RLA ω: Kreisfrequenz [1/s] IˆT : Amplitude des Stroms iT [A] IˆR : Amplitude des Stroms iR [A] In Abbildung 2-26 ist beispielhaft der Spannungsverlauf einer Transponderspule in Abhängigkeit der Frequenz des magnetischen Wechselfeldes mit und ohne Parallelschwingkreis dargestellt. 46 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Verschiebung TransponderResonanzfrequenz uL Parallelschwingkreis mit hohem Gütefaktor Parallelschwingkreis mit niedrigem Gütefaktor Ohne Parallelschwingkreis u0 f0 f Abbildung 2-26: Gegenüberstellung des Verlaufes der Lastspannung in Abhängigkeit der Frequenz mit und ohne Parallelschwingkreis (f0 = Arbeitsfrequenz und u0 = minimale Spannung zum Betrieb des Datenträgers) Es zeigt sich, dass im Bereich der Resonanzfrequenz bei einem Parallelschwingkreis eine deutliche Spannungsüberhöhung entsteht. Entfernt von der Resonanzfrequenz erfährt der Schwingkreis eine erhebliche Dämpfung, so dass die Spannung stark absinkt. Die Erhöhung der Spannung im Bereich der Resonanzfrequenz kann mit Hilfe des Gütefaktors bewertet werden [FIN-06]: Q= mit: 1 (2-12) CT LT 1 RT ⋅ + ⋅ LT RL CT Q: Gütefaktor [-] RT: Widerstand des Transponder-Schwingkreises [Ω] RL: Lastwiderstand im Transponder [Ω] Eine Erhöhung des Gütefaktors ist gleichzeitig mit einer Reduzierung der Bandbreite verbunden. Die Bandbreite wird als der Betrag der Differenz der beiden Frequenzen definiert, bei der die Spannung den 1 2 -fachen Wert des Maximums erreicht [FIN- 06]. Eine Reduzierung der Bandbreite hat eine höhere Empfindlichkeit des 47 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Transponders gegenüber dem Applikationsuntergrund und der Umgebung zur Folge. Materialien in unmittelbarer Nähe zum mobilen Datenträger können je nach ihren elektrischen Eigenschaften die Induktivität und Kapazität des Transponders und damit seine Resonanzfrequenz verändern. Dies führt bei einem hohen Gütefaktor und einer geringen Bandbreite dazu, dass schon bei einer geringen Verstimmung die induzierte Spannung im Transponder stark gedämpft wird und nicht mehr zur Versorgung des Datenträgers ausreicht (vgl. Abbildung 2-26). In der Auslegung eines Transponders muss aus diesem Grund immer ein Kompromiss zwischen Lesereichweite und Umgebungsempfindlichkeit in Kauf genommen werden. Aufgrund der gegenseitigen Beeinflussung mehrerer Transponder wird in der Praxis beispielsweise bei 13,56 MHz-Systemen die Resonanzfrequenz um bis zu 5 MHz höher gewählt, um die entstehende Schwingkreisverstimmung auszugleichen [FIN-06]. Dies wiederum resultiert in geringeren Reichweiten bei der Einzellesung von Transpondern. Erfolgt die Energieübertragung nicht im Duplexverfahren − wie oben beschrieben − sondern sequentiell, so muss zusätzlich zur Schaltung in Abbildung 2-25 ein Kondensator zur Speicherung der Energie im Transponder vorgesehen werden (vgl. Kapitel 2.5). Als Vorteil können die sequentiellen Systeme, die nur durch die Ladezeit und Kapazität des Ladekondensators beschränkt sind, mit leistungsfähigeren Mikrochips ausgestattet werden, wodurch sie überwiegend für Systeme mit Sicherheitsfunktionen für die Einzelerfassung eines Transponders eingesetzt werden. Durch den komplexeren und kostenintensiveren Aufbau spielen sie hingegen für die Kennzeichnung von Gütern nur eine untergeordnete Rolle, weswegen sie hier nur ergänzend erwähnt und im Folgenden vernachlässigt werden. 2.4.2.3 Funktionsprinzip der Datenübertragung Jedes beliebige Zeichen lässt sich mit einer Kombination aus 0 und 1 darstellen beziehungsweise codieren. Diese Art der Codierung wird im Rahmen der Elektro- und Informationstechnik aufgrund der einfachen Abbildungsmöglichkeit durch zwei verschiedene Zustände verwendet, um Daten zu speichern und zu übertragen. Die be- 48 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation kanntesten Codierungsarten von Zeichen sind dabei der ASCII30- und der UNICode31. Bei hoch- und niederfrequenten RFID-Systemen sind die Reader- und Transponderantenne über die Gegeninduktivität direkt gekoppelt. Dadurch führt eine Strom- bzw. Spannungsänderung in einem System zu einer Rückwirkung auf das gekoppelte System (vgl. Formel (2-11)). Dieses physikalische Prinzip ist neben der Energieauch die Grundlage für die Datenübertragung, bei der entweder Lastmodulation oder subharmonische Verfahren zum Einsatz kommen. Bei der Lastmodulation lassen sich zusätzlich die ohmsche und kapazitive Lastmodulation sowie die Lastmodulation mit Hilfsträger unterscheiden. Bei der ohmschen Lastmodulation wird ein Parallelwiderstand RMOD dem Schaltkreis im Takt des Datenstromes zu- oder abgeschaltet, der nach Formel (2-12) zu einer Veränderung des Gütefaktors führt, bedingt durch eine Verschiebung der Resonanzfrequenz im eigenen System. Dies bewirkt eine Änderung der Spannung an der Transponderspule, wodurch auf Basis der Gegeninduktivität die Spannungsamplitude im gekoppelten System moduliert wird. Auf dem identischen Prinzip beruht die kapazitive Modulation. Dabei wird ein parallel geschalteter Kondensator zur Verschiebung der Resonanzfrequenz und Modellierung der Spannungsamplitude im gekoppelten System verwendet. Im Gegensatz zur ohmschen Modulation erfolgt dabei neben der Amplitudenmodulation auch eine Veränderung der Phase im gekoppelten System. Bei diesen beiden Lastmodulationsverfahren wird das Datensignal jeweils direkt auf die Arbeitsfrequenz moduliert. Dadurch kommt es nur zu einer schwachen Veränderung der Spannung im Koppelsystem. Dies bedingt zur Detektion aufwendige Schaltungen im Reader. Das Verfahren ist hauptsächlich bei niederfrequenten Systemen im Einsatz. Die Datenübertragung mit Hilfe von Hilfsträgern beruht auf der ohmschen Lastmodulation. Der Lastwiderstand wird mit einer sehr hoher Taktfrequenz fh zu- und abge- 30 American Standard Code for Information Interchange (ASCII) ist eine 7 Bit Codierung, die 128 Zeichen umfasst; u.a. das gesamte lateinische Alphabet und die arabischen Zahlen. 31 Der Uni-Code ist ein internationaler Standard, der geschaffen worden ist, um die Zeichen aller bekannten Schriftkulturen abzubilden. 49 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation schaltet, wodurch zwei Seitenbänder im Abstand ±fh zur Resonanzfrequenz entstehen (siehe Abbildung 2-27). Durch Modulation mit Hilfe eines Widerstands können diese zur Signalübertragung analog zur einfachen ohmschen Lastmodulation genutzt werden. Durch die Trennung von der Arbeitsfrequenz des Systems kann das amplitudenmodulierte Signal durch Filterung und Verstärkung am Lesegerät leicht getrennt werden (siehe Abbildung 2-28) und ermöglicht dadurch eine einfache Demodulierung des Signals [FIN-06]. Aufgrund der höheren benötigten Kanalbreite wird dieses Verfahren im Wesentlichen von Systemen der Frequenz 13,56 MHz verwendet. Abbildung 2-27: Entstehende Seitenbänder bei einer Lastmodulation mit Hilfsträger [FIN-06] 50 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-28: Signalübertragung mittels ASK-Modulation 32 und Hilfsträger [FIN-06] Eine weitere Möglichkeit der Datenübertragung stellen die subharmonischen Verfahren dar, bei welchen eine subharmonische Frequenz erzeugt wird, indem das Transponderanwortsignal nur in einen Teil der Transponderantenne eingespeist wird. Die subharmonische Frequenz leitet sich dabei in Abhängigkeit des Einspeisungspunktes in die Antenne aus einer ganzzahligen Teilung der Arbeitsfrequenz ab. Die Modulation erfolgt dann wiederum auf Basis der Lastmodulation. Aufgrund der benötigten Bandbreite kann das Verfahren nur bei niederfrequenten Systemen eingesetzt werden (vgl. Abbildung 2-13). Zudem ergibt sich durch die sehr niedrige Frequenz der Subharmonischen lediglich eine geringe Leistungsfähigkeit, wodurch sich das Verfahren im Regelfall nicht zur Kennzeichnung von Waren eignet. Es wird deshalb an dieser Stelle hier nur ergänzend erwähnt und technisch nicht weiter spezifiziert. 32 Die digitale Amplitudenmodulation wird auch als ASK (Amplitude-Shift Keying) bezeichnet. 51 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.4.3 Elektromagnetische Kopplung Bei der elektromagnetischen Kopplung findet die Energie- und Datenübertragung im Fernfeld des elektromagnetischen Wechselfeldes statt. Das Funktionsprinzip beruht auf der Reflexion elektromagnetischer Wellen. 2.4.3.1 Entstehung einer elektromagnetischen Welle Wie bereits in der Einführung in Kap 2.4 beschrieben, bildet sich durch ein magnetisches Wechselfeld auch ein elektrisches Feld aus, dass sich ab der Nah- / Fernfeldgrenze als elektromagnetische Welle durch den Raum bewegt. Im Folgenden wird die Entstehung einer elektromagnetischen Welle am Beispiel einer Dipolantenne33 erläutert. Durch die Speisung einer Dipolantenne mit Wechselstrom werden die Enden des Dipols oszillierend geladen, wodurch auf Basis des Induktionsgesetzes ein aufeinander senkrecht stehendes magnetisches und elektrisches Feld entsteht (vgl. Abbildung 2-29). Abbildung 2-29: Aufladung einer elektrischen Dipolantenne bei Speisung mit Wechselstrom (mit Umlaufdauer T) [TIP-94] Durch die oszillierende Verschiebung der Ladungen im Dipol können die elektrischen Feldlinien nach einer festen Zeiteinheit entsprechend Abbildung 2-30 nicht mehr auf 33 Ein elektrischer Dipol bezeichnet eine Anordnung zweier betragsmäßig gleicher Punktladungen entgegengesetzter Polarität (Q,+Q) im Abstand d [DYC-07]. Eine Dipolantenne ist darauf aufbauend eine Antennenanordnung mit zwei gleichen, elektrisch leitenden Teilen. 52 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation dem Dipol enden, sondern schließen sich selbst und werden durch die entstehenden Wirbel mit umgekehrtem Richtungssinn von der Antenne weg durch den Raum gedrängt, wodurch die elektromagnetische Welle entsteht. Abbildung 2-30: Entstehung einer elektromagnetischen Welle am Beispiel einer Dipolantenne [TIP-94] 2.4.3.2 Energieübertragung zwischen Reader und mobilen Datenträger Physikalisch werden elektromagnetische Wellen im Raum vollständig durch die Maxwellschen Gleichungen beschrieben: 53 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation ρ ε (1) ∇⋅E = (2) ∇⋅B = 0 (3) ∇× E = − (4) ∇ × B = µ ⋅ J + µ ⋅ε mit: ∂B ∂t (2-13) ∂E ∂t E: Elektrisches Feld [V/m] ρ: Raumladungsdichte [As/m³] J: Stromdichte in leitenden Materialien [A/m²] Aufgrund der Komplexität der Maxwellschen Gleichungen werden die Eigenschaften eines elektromagnetischen Feldes im Folgenden auf Basis einer für das Verständnis ausreichenden reinen Energiebetrachtung einer stationären Welle im verlustfreien Medium erläutert. Für detailliertere Betrachtungen sei auf [KRK-06, LEH-06 und MEI-92] verwiesen. Mit einer elektromagnetischen Welle ist ein in Ausbreitungsrichtung wandernder Leistungsfluss verbunden. Dieser wird ausgedrückt durch den Poynting-Vektor S, der senkrecht auf den elektrischen und magnetischen Komponenten steht, und dessen Betrag die Strahlungsdichte darstellt: S = E×H mit (2-14) S: Strahlungsdichte [W/m²] Die Ausbreitungsgeschwindigkeit c, mit der sich die Welle im Raum bewegt ist definiert durch c= 1 . µ ⋅ε mit: (2-15) c: Ausbreitungsgeschwindigkeit der Welle [m/s] Im Vakuum und annähernd in Luft ist die Ausbreitungsgeschwindigkeit somit gleich der Lichtgeschwindigkeit. Das elektrische und magnetische Feld ist im Vakuum gleichphasig (vgl. Abbildung 2-31). Das Verhältnis der beiden Feldstärken wird durch den Feldwellenwiderstand ZF bestimmt und ergibt sich auf Basis der Formel (2-16) im freien Raum zu 377 Ohm. ZF = mit: 54 E = H µ0 ε0 ZF: (2-16) Feldwellenwiderstand [Ω] 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-31: Elektromagnetische Welle [TIP-94] Die abgestrahlte elektromagnetische Leistung einer beliebigen, geschlossenen Fläche wird durch die Strahlungsdichte integriert über die Fläche ausgedrückt: r r PA = ∫∫ S dA (2-17) A mit: PA: Abgestrahlte Leistung [W] Betrachtet man in einem ersten Schritt die Sendeantenne als verlustfreien isotropen Strahler, der die zugeführte Leistung gleichmäßig kugelförmig in den Raum abstrahlt, so muss die abgestrahlte Leistung P durch die Oberfläche A = 4πx² abgestrahlt werden. Dadurch ergibt sich die Strahlungsdichte S in einer Entfernung x zur Quelle zu S= mit: PA 4 ⋅ π ⋅ x² (2-18) x: Entfernung zur Strahlungsquelle [m] Für die elektrische Feldstärke in einer Entfernung x gilt unter zu Hilfenahme der Formeln (2-14) bis (2-18): E = S ⋅ ZF = PA ⋅ Z F 4 ⋅ π ⋅ x² (2-19) Die magnetische Feldstärke in der Entfernung x lässt sich auf Basis der obigen Formeln analog berechnen. Die elektrische Feldstärke nimmt also im Fernfeld proportional zu 1/x ab, während der Verlauf im Nahfeld der Beziehung 1/x³ folgt (vgl. Formel (2-3)). Im Fernfeld tritt somit eine Abflachung des Dämpfungsverlaufs ein. Wird nun statt eines isotropen Strahlers eine Dipolantenne verwendet, erfolgt die Abstrahlung nicht mehr gleichmäßig in alle Raumrichtungen, sondern gerichtet. Um Formel (2-17) zu erfüllen, muss daher die Strahlungsdichte in Vorzugsrichtung größer sein als bei einem isotropen Strahler. Zur Beschreibung der Strahlungsdichte S 55 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation in Abhängigkeit der Richtung wird der Richtvektor G(Θ) eingeführt, der die relative Strahlungsdichte in Richtung des Vektors anzeigt und bei verlustfreien Antennen den Antennengewinn der Sendeleistung im Vergleich zu einem Isotropenstrahler darstellt (siehe Abbildung 2-32)34. A Abbildung 2-32: Strahlungsdiagramm einer Dipolantenne im Vergleich zu einem isotropen Strahler [FIN-06] Der Antennengewinn in Hauptstrahlrichtung GA für verschiedene Antennenbauformen ist in Tabelle 2-3 dargestellt. Tabelle 2-3: Gewinn in Hauptstrahlrichtung bei verschiedenen Antennenformen (in Anlehnung an [FIN-06]) Gewinn GA Isotropenstrahler 1 Dipolantenne 1,64 Patchantenne ~3 34 Die Annäherung einer verlustfreien Antenne ist in den meisten Fällen der Praxis zulässig 56 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Die abgestrahlte Leistung ergibt in der Hauptstrahlrichtung aus dem Produkt zwischen eingespeister Leistung und Antennengewinn und wird auch als PEIRP (Equivalent Isotropic Radiated Power) bezeichnet35. PA = PEIRP = PE ⋅ G A mit: (2-20) PE: Eingespeiste Leistung [W] GA : Antennengewinn in Hauptstrahlrichtung [-] Wird eine Empfangsantenne in das elektromagnetische Feld eingebracht, so wirkt auf Basis des Gesetzes von Coulomb eine Kraft auf die Elektronen in der Antenne (vgl. Abbildung 2-31). Die dadurch verursachte Bewegung der Elektronen resultiert aufgrund der Ladungstrennung in einer Spannung in der Antenne. Durch das oszillierende elektromagnetische Feld wird also eine Wechselspannung in der Empfangsantenne induziert. Die maximal entnehmbare Leistung einer Empfangsantenne bei optimaler Orientierung ist dabei proportional zur Leistungsdichte der einfallenden Wellen. Der Proportionalitätsfaktor hat die Dimension einer Fläche und wird als wirksame Fläche oder effektive Antennenfläche bezeichnet. PT = S ⋅ Ae = mit: PA ⋅ Ae 4 ⋅ π ⋅ x² PT: Empfangsleistung [W] Ae: Wirksame Fläche [m²] (2-21) Die effektive Antennenfläche Ae muss nicht der geometrischen Fläche A entsprechen. Insbesondere im Falle von Drahtantennen sind die beiden Größen unterschiedlich (vgl. Abbildung 2-33). Das Verhältnis aus den beiden Größen bezeichnet man als Apertureffizienz ηa, so dass gilt [KAE-05]: Ae = η a ⋅ Ag mit: 35 (2-22) Ag: Geometrische Fläche der Antenne [m²] Neben EIRP ist im Rahmen von Funkvorschriften die effektive Strahlungsleistung ERP (effective radiated power, auch equivalent radiated power) von Bedeutung. Sie gibt die effektive Strahlungsleistung in Watt (W) an, die im Vergleich zu einer Dipolantenne abgestrahlt wird. 57 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-33: Prinzipielle (a) und tatsächliche Gestalt (b) der wirksamen Fläche für elektrisch kurze Dipole mit Höhe h [MEI-92] Aus den obigen Formeln ergibt sich, dass die Lage der Empfangsantenne zur elektromagnetischen Welle einen hohen Einfluss auf die aufzunehmende Leistung hat. Die Richtung des elektrischen Feldes der ausgestrahlten elektromagnetischen Welle wird dabei über die Polarisation der Antenne bestimmt. Unterschieden werden die lineare und zirkulare Polarisation. Bei der linearen Polarisation ist die Richtung der elektromagnetischen Feldstärken konstant, bei der zirkularen Polarisation hingegen rotiert der Feldstärkenvektor senkrecht zur Ausbreitungsrichtung. Am Beispiel von Dipolantennen sind die Polarisationsformen in Abbildung 2-34 dargestellt. Abbildung 2-34: Lineare − a) und b) − und zirkulare Polarisation am Beispiel eines Dipols [FIN-06] 58 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Ist die Sendeantenne linear polarisiert, so kann die optimale Leistung nur aufgenommen und eine hohe Spannung induziert werden, wenn die Polarisation der beiden Antennen identisch ist. Falls die Polarisationen um 90° oder 270° gedreht sind, ergibt sich ein Minimum in der Leistungsaufnahme, was zu einem Polarisationsverlust von ca. 20 dB führt. Das heißt, dass nur noch etwa 1/100 der Leistung aufgenommen werden kann. Liegt die Antenne waagrecht rechtwinklig zur Sendeantenne, so kann keine Lesung erfolgen (vgl. Abbildung 2-35). Polarisation der Antenne UHFRadiowelle UHF-Etikett waagerecht, parallel zur Antenne: optimale Lesung UHF-Etikett senkrecht, rechtwinklig zur Antenne: suboptimale Lesung UHF-Etikett senkrecht, parallel zur Antenne: suboptimale Lesung UHF-Etikett waagrecht, rechtwinklig zur Antenne: keine Lesung Abbildung 2-35: Auswirkung der Antennenpolarisation auf die Lesbarkeit [KLE-04] Da bei RFID-Anwedungen die Lage der Sende- und Empfangsantenne zueinander in der Regel unbestimmt ist, kommen hauptsächlich zirkular polarisierte Sendeantennen zum Einsatz, wodurch eine zuverlässige Lesbarkeit erreicht werden kann. Im Vergleich zu linear polarisierten Sendeantennen ist unabhängig von der Polarisation der Empfangsantenne mit einem Verlust von etwa 3 dB zu rechnen [FIN-06]. Neben der Polarisation beeinflusst die Fläche der Empfangsantenne, gekoppelt mit der geometrische Ausgestaltung und dem damit verbundenen Antennengewinn, in hohem Maße die vom Transponder aufnehmbare Leistung. Durch Einsetzen der Formel (2-21) in Formel (2-20) ergibt sich für die maximale verfügbare Wirkleistung am Transponder, falls Transponder- und Sendeantenne bezüglich ihrer Richtcharakteristik und Polarisation optimal ausgerichtet sind, folgende Beziehung: 59 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation PW = PE ⋅ G A ⋅ λ2 ⋅ GT 16 ⋅ π 2 ⋅ x 2 mit: (2-23) PW: Wirkleistung am Transponder [W] GT: Gewinn der Transponderantenne [-] Diese Gleichung wird auch als Friissche Transmissionsgleichung bezeichnet. Der Faktor ( λ ) 2 , der die Dämpfung im Vakuum – und annähernd auch in Luft – wi4 ⋅π ⋅ x derspiegelt, stellt die Freiraumdämpfung dar. Zur Übertragung auf andere Medien zwischen Transponder- und Sendeantenne muss die Gleichung zusätzlich mit einem Dämpfungsterm e −2αx ergänzt werden. Der Absorptionskoeffizient α hängt dabei von der Permeabilität und der Permittivität der zu durchdringenden Materie ab und ist frequenzabhängig. Setzt man für die Leistungsaufnahme eines modernen Transpondermikrochips einen Wert von 5 µW [FRI-01] und einen Wirkungsgrad der Schaltungen von 10 % voraus, so ergibt sich auf Basis der Formel (2-24) bei einer Sendeleistung von 2 W und einer maximalen Leistungsaufnahme unter Verwendung eines Dipols als Empfangsantenne folgende maximale theoretische Lesereichweite bei passiven Systemen: xmax = PA ⋅ λ2 ⋅ GT ≈ 7m PW ⋅16 ⋅ π 2 (2-24) Aufgrund der leichten Dämpfung in der Atmosphäre und der Reflexion eines Teils der elektromagnetischen Strahlung fällt die maximal erreichbare Lesereichweite bei RFID-Systemen in der Praxis etwas geringer aus. Die atmosphärische Dämpfung steigt mit der Frequenz, so dass die Reichweite von SHF-Systemen im Vergleich zu UHF-Systemen niedriger ist (vgl. Abbildung 2-36). 60 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-36: Dämpfung in der Atmosphäre als Funktion über die Frequenz [CUR-87] 2.4.3.3 Funktionsprinzip der Datenübertragung Aus der Radar-Technik36 ist bekannt, dass elektromagnetische Wellen von Objekten im Raum reflektiert werden [FIN-06]. Die an einem Objekt ankommende Feldenergie wird somit abhängig von den Materialeigenschaften des Objektes anteilsmäßig zurück gespiegelt, im Objekt absorbiert oder transmittiert das Objekt. Der Anteil der reflektierten Energie hängt von den Reflexionseigenschaften des Objekts ab und wird insbesondere von • der Geometrie, • den Materialeigenschaften und • der Oberflächenstruktur sowie von 36 • der Sendefrequenz und • der Polarisation der elektromagnetischen Welle Die Abkürzung RADAR bedeutete ursprünglich Radio Aircraft Detection and Ranging. Aufgrund der vielfältigen Einsatzgebiete steht heute RADAR allgemein für Radio Detection and Ranging [HUD-99]. 61 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation bestimmt [HUD-99]. Die Reflexion an Objekten steigt dabei mit der Höhe der Frequenz und ist stark abhängig von den Abmessungen des Objektes im Verhältnis zur Wellenlänge und dem Material. Insbesondere metallische Objekte weisen eine sehr hohe Reflexion auf. Bei RFID-Systemen wird das Prinzip der Reflexion elektromagnetischer Wellen zur Datenübertragung genutzt, indem die Reflexionseigenschaft der Transponderantenne datenabhängig verändert wird. Das Verfahren wird als BackscatterVerfahren oder modulierter Rückstrahlquerschnitt bezeichnet. Die von der Transponderantenne reflektierte Leistung ist proportional zur Strahlungsdichte. Die Proportionalitätskonstante wird als Rückstrahlquerschnitt σ37 bezeichnet und hat die Dimension m². Die reflektierte beziehungsweise rückgestrahlte Leistung ergibt sich auf Basis der Formel (2-17) zu PB = S ⋅ σ . mit: (2-25) PB: Rückgestrahlte Leistung [W] σ: Rückstrahlquerschnitt [m²] Zur Bestimmung der reflektierten Leistung und Erläuterung der Datenübertragung müssen zunächst die Transponderantenne und die Schaltungen des Transponders näher betrachtet werden. Eine Antenne wird maßgeblich durch ihre Eingangsimpedanz38 ZA bestimmt, die sich aus drei Widerständen zusammensetzt. Der Strahlungswiderstand Rr spiegelt den ungenutzt reflektierten Anteil der Leistung wider und beträgt beispielsweise bei einem typischen λ/2-Dipol 73 Ω [FIN-06]. Der Verlustwiderstand Rv berücksichtigt die an der Antenne und ihren Leitungen in Wärme umgewandelte Leistung. Der komplexe Widerstand XA kalkuliert die Frequenzabhängigkeit mit ein. Er wird auf der Resonanzfrequenz der Antenne zu Null. 37 Der Rückstreuquerschnitt wird synonym auch als Radarquerschnitt, Rückstreufläche oder Rückstrahlfläche bezeichnet. 38 Impedanz (Scheinwiderstand) ist ein elektrischer Widerstand, der das Verhältnis der Amplituden beziehungsweise Effektivwerte von Strom und Spannung eines Zweipols bei Wechselstrom kennzeichnet. Zwischen Strom und Spannung besteht eine Phasenverschiebung, die durch induktive und kapazitive Komponenten des Zweipols entsteht. Diese bewirken, dass der Wechselstromwiderstand in der Regel frequenzabhängig ist [MEY-07] 62 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Dies hat zur Konsequenz, dass sowohl der Anteil der reflektierten Leistung als auch die aufgenommene Leistung stark von der Abstimmung der Antenne auf die Sendefrequenz abhängt (vgl. Kapitel 2.4.3.2). Der Mikrochip und die Schaltungen des Transponders können durch einen Wirkwiderstand RT und einen komplexen Widerstand XT beschrieben werden. Dadurch ergibt sich das Ersatzschaltbild eines Transponders entsprechend der Abbildung 2-37. Abbildung 2-37: Ersatzschaltbild eines Transponders und dessen Antenne [FIN-06] Die reflektierte Leistung, die der Strahlungswiderstand Rr repräsentiert, lässt sich auf Basis des Ersatzschaltbildes wie folgt berechnen: 2 Uo ⋅ Rr ( Rr + Rv + RT ) 2 + ( X A + X T ) 2 PB = I ⋅ Rr = 2 T mit: IT: Stromfluss im Transponder [A] Rr: Strahlungswiderstand [Ω] U0: Induzierte Spannung [V] Rv: Antennenverlustwiderstand [Ω] RT: Transponderwirkwiderstand [Ω] XA: Komplexer Antennenwiderstand [Ω] XT: Komplexer Transponderwiderstand [Ω] (2-26) Die induzierte Spannung kann nach [FIN-06] für eine Antenne, die in Leistungsanpassung (RT = Rr) betrieben wird, über die Wellenlänge durch die Gleichung U0 = λ ⋅ GT ⋅ Rr ⋅ S π (2-27) ausgedrückt werden. 63 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Durch Verknüpfung der Formeln (2-26) bis (2-28) ergibt sich für den Rückstrahlquerschnitt σ der folgende Zusammenhang: σ= Rr ⋅ λ2 ⋅ GT π ⋅ (2 ⋅ Rr + RT ) 2 + ( X A + X T ) 2 (2-28) Die Formel (2-27) und (2-28) zeigen die Abhängigkeit der zurückgestrahlten Leistung beziehungsweise des Rückstrahlquerschnitts von der Impedanz ZT (= RT + XT) des Transponders. Durch die datenabhängige Zuschaltung einer Modulierungs-Impedanz Zmod kann s auf Basis der Änderung der Transponderimpedanz das Rückstrahlverhalten der Transponderantenne beeinflusst werden. Die Veränderung des Rückstrahlquerschnitts verursacht eine Modifikation der reflektierten Leistung, die am Lesegerät detektiert werden kann. Die Impedanzveränderung kann durch einen zusätzlichen Widerstand oder einer Kapazität erfolgen, analog den induktiven Systemen. Durch die Umtastung des imaginären Anteils der Transponderimpedanz wird zusätzlich auch die Phase verändert, so dass die Modulation der Daten über den Betrag der reflektierten Leistung und dessen Phase erfolgt (siehe Abbildung 2-38) [FIN-06]. Abbildung 2-38: Datenübertragung durch Modulierung des Rückstrahlquerschnitt bei elektromagnetisch gekoppelten Systemen [FIN-06] Der Rückstrahlquerschnitt kann theoretisch Werte zwischen zwei Grenzfällen annehmen. Eine sehr hohe Modulierungsimpedanz bewirkt, dass die Transponderimpedanz gegen ∞ strebt und somit der Rückstrahlquerschnitt gegen Null läuft. Der zweite Extremfall ist der Kurzschluss des Transponders, so dass ZT gegen Null strebt und der Rückstrahlquerschnitt mit XA = XT = 0 den Maximalwert annimmt. 64 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Die zurückgestrahlte Leistung erzeugt in der Readerantenne auf Basis der dargelegten Grundlagen in Kapitel 2.4.3.2 eine Spannung, durch deren Auswertung die Daten im Lesegerät zurückcodiert werden können. Bei elektromagnetisch gekoppelten Systemen kommen generell Duplexverfahren zum Einsatz, eine Ausnahme bilden die Oberflächenwellensysteme, die später im Abschnitt erläutert werden. Durch die zur Datenübertragung notwendige stetige Energieübertragung muss daher die Datenübertragung auf einem Seitenband erfolgen, analog den Duplexverfahren bei induktiv gekoppelten Systemen. Neben der oben geschilderten Datenübertragung, die im Regelfall bei passiven UHFSystemen und bei aktiven UHF- und SHF-Systemen zum Einsatz kommt, existieren darüber hinaus RFID-Systeme, die mit Hilfe von Oberflächenwellen arbeiten. Diese werden überwiegend im passiven SHF-Frequenzbereich eingesetzt. Das grundlegende Funktionsprinzip dieser Systeme ist die Entstehung von akustischen Oberflächenwellen39 durch eine Spannung an den Elektroden eines PiezoKristalls. Die gespeicherte Information wird bei dieser Art von RFID-Systemen auf dem mobilen Datenträger mit einem piezoelektrischen Substrat mittels planarer Elektrodenstrukturen realisierten Reflektoren [KOL-00] codiert. Der Aufbau eines Oberflächentransponders ist schematisch in Abbildung 2-39 dargestellt. RadioRadioRadiowellen wellen wellen Transponderantenne InterdigitalInterdigitalInterdigitalwandler wandler wandler Reflektierte Reflektierte Reflektierte OberflächenOberflächenOberflächen-wellen wellen wellen Abbildung 2-39: Aufbau eines Oberflächenwellentransponders [RFS-08] Die an der Transponderantenne analog zu den Duplex-Systemen induzierte Spannung erzeugt am Interdigitalwandler40 auf Basis des piezoelektrischen Effekts eine Oberflächenwelle, die sich entlang des Substrats ausbreitet. Die Oberflächenwelle 39 Wird im Englischen auch als surface accoustic wave (SAW) bezeichnet. 40 Der Interdigitalwandler wandelt die Radiowellen in Oberflächenwellen um und umgekehrt. 65 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation wird an den einzelnen Reflektoren zu einem geringen Anteil reflektiert und läuft zum Interdigitalwandler zurück. Dort verursacht die reflektierte Oberflächenwelle einen elektrischen Impuls, der mittels einer Antenne abgestrahlt wird. Der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Impulsen ist proportional zu den räumlichen Abständen der Reflektoren auf dem Substrat, so dass durch deren räumliche Anordnung eine binäre Ziffernfolge codiert werden kann [KOL-00]. Am Ende des Substrats wird der ankommende Anteil der Oberflächenwelle absorbiert. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit liegt bei gebräuchlichen Substraten zwischen 3000 und 4000 m/s [FIN-06] und damit deutlich unter der Lichtgeschwindigkeit der elektromagnetischen Welle. Dies hat zur Konsequenz, dass der erste Impuls erst nach einer Totzeit größer einer Millisekunde bei der Readerantenne ankommt. Dadurch sind Störungen und Reflexionen aus der Umgebung bereits abgeklungen [DZI-97]. Die Datenübertragung erfolgt somit sequentiell zur Energieübertragung. Bei diesen Systemen besteht darüber hinaus die Möglichkeit neben der Speicherung von Daten den Transponder gleichzeitig als Sensor zu nutzen. Da sich Oberflächenwellen in Abhängigkeit von Druck und Temperatur mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ausbreiten, kann durch Abgleich des tatsächlichen Zeitbedarfs bis zur Widerankunft der reflektieren Oberflächenwellen am Interdigitalwandler mit Referenzwerten eine Veränderung dieser Parameter gemessen werden. Die Datenspeicherung hingegen ist bei Oberflächenwellen stark begrenzt und kann durch die direkte Kodierung auf dem Substrat nicht verändert werden. Es handelt sich hierbei also stets um Read-Only Systeme. 2.5 Eigenschaften von RFID-Systemen Aufbauend auf die physikalischen Funktionsprinzipien werden im Folgenden die Eigenschaften von RFID-Systemen in Abhängigkeit der Arbeitsfrequenz zusammengefasst. 2.5.1 Feldcharakteristik Die physikalischen Funktionsprinzipien bedingen grundsätzlich unterschiedliche Feldcharakteristiken. Während bei Nahfeld-gekoppelten aufgrund der direkten Kopplung ein definiertes Lesefeld um die Sendeantenne entsteht, wird bei Fernfeldsystemen das elektromagnetische Feld durch Leselöcher zerklüftet. Diese entstehen durch Reflexion von elektromagnetischen Wellen an Gegenständen im Raum, die 66 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation größer als die Wellenlänge sind (vgl. Rückstrahlquerschnitt im Kap 2.4.3.3). Die reflektierten Wellen überlagern sich und interferieren untereinander sowie mit den abgestrahlten Wellen. Je nach Phasenlage der überlagerten Wellen kommt es zu lokaler Dämpfung, bis zur Auslöschung bei gegenphasiger Überlagerung oder zur Verstärkung bei gleichphasiger Überlagerung. Das Lesefeld von Fernfeld- gekoppelten Systemen ist dadurch durch Leselöcher im theoretischen Lesebereich und Lesefelder außerhalb dieser Lesezone gekennzeichnet. In Abbildung 2-40 wird die theoretische Feldcharakteristik eines HF- mit einem UHFSystem verglichen, während in Abbildung 2-41 beispielhaft die Auswirkung von Reflexionen am Beispiel der Bodenreflexion auf ein UHF-RFID-System dargestellt ist. Abbildung 2-40: Vergleich der Feldcharakteristik von HF- und UHF-Systemen [WAL-05] 67 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation A B Abbildung 2-41: Elektromagnetisches Feld ohne (A) und mit Einfluss (B) der Bodenreflexion bei UHF-Systemen [WAL-05] Die Umgebungsabhängigkeit des Lesefeldes bei elektromagnetisch gekoppelten Systemen bedingt, dass der tatsächliche Lesebereich nur für eine definierte konstante Situation berechen- und vorhersagbar ist. Dies führt in der Praxis oft zu einer aufwendigeren Pilot- und Implementierungsphase bei UHF-Systemen, um das Lesefeld auf die Umgebung und die gekennzeichneten Materialien anzupassen. 2.5.2 Reichweite Die Reichweite von RFID-Systemen ist geprägt durch das physikalische Kopplungsprinzip. Induktiv gekoppelte Systeme arbeiten im Nahfeld der Antenne, so dass sich bei passiven Systemen Reichweiten bis zu 1,7 m im HF-Bereich realisieren lassen. Bedingt durch ihre niedrige Frequenz und die damit verbundene geringe Leistungsfähigkeit werden LF-Systeme überwiegend im close-coupling Bereich eingesetzt, deren Reichweite im Normalfall unter 0,2 m beträgt. Durch eine entsprechend große Gestaltung der Transponder (vgl. Formel (2-7)) können aber auch Reichweiten ver- 68 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation gleichbar mit HF-Systemen realisiert werden. Aufgrund der niedrigen Datenrate und der mangelnden Pulkfähigkeit gibt es hierfür kaum Anwendungsfälle in der Praxis. Auf Basis der Formel (2-25) lassen sich bei den Fernfeld-gekoppelten passiven UHFSystemen theoretisch bis circa 7 Meter Reichweite realisieren. Bedingt durch die atmosphärische Dämpfung und die Reflexion eines Teils der ankommenden Leistung sind in der Praxis Reichweiten von bis zu 5 m zu verwirklichen. Bei passiven SHFSystemen sinkt die zu erwartende Reichweite aufgrund der höheren Dämpfung in Luft entsprechend Abbildung 2-36 auf 3 bis 4 m. Bei aktiven Systemen müssen die Transponder nur aktiviert und nicht mit Energie versorgt werden, weswegen sich dort deutlich höhere Reichweiten erzielen lassen. Bei UHF-Systemen können im Idealfall bis zu 100 m erreicht werden. SHF-Systeme bieten im freien Feld teilweise Reichweiten bis zu 300 m. Die tatsächliche Lesereichweite, insbesondere von passiven RFID-Systemen, hängt sehr stark von der Antennengröße, der Umgebung, dem Applikationsuntergrund und der Lage des Transponders zum Lesegerät - speziell bei induktiven Systemen – ab. Aus diesem Grund können Reichweiten nur abschätzend angegeben werden und stellen nur grobe Richtwerte für tatsächlich in einer Anwendung erzielbare Reichweiten dar. Eine direkte Übertragung von theoretischen und im Labor gemessenen Werten auf in der Praxis zu erwartende Reichweiten ist dadurch nur bedingt beziehungsweise nur durch aufwändige Testszenarien möglich. Zusammenfassend hängt die Reichweite eines RFID-Systems in Anlehnung an [LAM-05] von folgenden Faktoren ab: • Sendefrequenz des Lesegerätes • Energieverbrauch des Transponders • Qualität und Wirkungsgrad der Verbindung zwischen Mikrochip und Antenne des mobilen Datenspeichers • Größe, Form und Qualität der Transponderantenne • Orientierung der Antenne des Tags zur Sendeantenne • Design der Transponderantenne • Empfindlichkeit des Lesegerätes • Sendeleistung des Lesegerätes • Umgebungsbedingungen 69 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation • Applikationsuntergrund des Transponders bzw. die Abstimmung des Transponders auf den Applikationsuntergrund • Anfälligkeit gegenüber anderen Funk-Signalquellen 2.5.3 Baugröße Die Baugröße von Transpondern wird neben der Energieversorgung hauptsächlich von der Antenne bestimmt, die auf die jeweilige Frequenz abgestimmt sein muss. Die Länge einer Dipolantenne muss beispielsweise mindestens ¼ der Wellenlänge aufweisen, um einen Schwingungsbauch aufnehmen zu können. Aus diesem Grund besteht bei elektromagnetisch gekoppelte Systeme bezogen auf die Reichweite ein direkter Zusammenhang zwischen der Transpondergröße und der Frequenz. Bei induktiv gekoppelten Systemen ist frequenzunabhängig die Fläche der Transponderantenne für die erzielbare Lesereichweite verantwortlich. Darüber hinaus kann durch die Anzahl der Windungen oder durch die Permeabilität die Transpondergröße dieser Systeme beeinflusst werden. Speziell im LF-Bereich existieren im Bereich bei Glasröhrchentranspondern sehr kompakte Bauformen, die sich durch sehr kleine Windungen und einem zusätzlichen Eisenkern realisieren lassen. Dies sind Systeme, die durch geringe Reichweiten von wenigen Zentimetern gekennzeichnet sind. Generell lassen sich elektromagnetisch gekoppelte Systeme durch die einfachere Antennenform in verschiedensten Bauformen realisieren, während bei induktiv gekoppelten Systemen immer eine Spule- oder Leiterschleife notwendig ist. 2.5.4 Datenübertragungsrate Die Datenübertragung erfolgt bei RFID-Systemen im Regelfall über eine Modulation des Trägersignals oder einem frequenznahen Hilfsträger. Aus diesem Grund ergibt sich ein direkter Zusammenhang zwischen der Frequenz und der Datenübertragungsrate. Je höher die Frequenz, desto höher auch der mögliche Informationstransfer pro Sekunde. Bei HF-Systemen können nach [JAN-04] und [LAM-05] bis zu 100 kBit/s übertragen werden, während sich nach [EPC-05] bei UHF-Systemen theoretisch bis zu 640 kBit/s realisieren lassen. Aufgrund des Bandbreitenbedarfs und der Anzahl der Datencodierungsmöglichkeiten sind bei UHF-Systemen in der Praxis aber 70 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation effektive Datenraten zu erreichen, die um einen Faktor 2, 4 oder 8 niedriger liegen [EPC-05]. Dies ist bei HF-Systemen in der Praxis in ähnlicher Form zu erwarten. 2.5.5 Pulkfähigkeit Eine wesentliche Eigenschaft von RFID-Systemen ist das nahezu gleichzeitige Auslesen von mehreren Transpondern im Ansprechfeld. Dabei werden die Transponder nicht parallel, sondern sequentiell hintereinander unter Zuhilfenahme von Vielfachzugriffsverfahren einzeln angesprochen. In der Funktechnik sind dabei Raummultiplex (SDMA), Zeitmultiplex (TDMA), Frequenzmultiplex (FDMA) und Codemultiplex (CDMA) als Vielfachzugriffsverfahren bekannt. Aufgrund der beschränkten Leistungsfähigkeit von RFID-Transpondern und der Forderung nach günstiger Herstellung kommen bei RFID-Systemen hauptsächlich TDMA und seltener FDMA (bzw. eine Kombination aus beiden Varianten) zum Einsatz. Die technische Realisierung eines solchen Vielfachzugriffsverfahrens wird als Antikollisionsverfahren bezeichnet, wobei sich zwei Klassen unterscheiden lassen: deterministische und probabilistische Verfahren [SWE-02]. 2.5.5.1 Deterministische Verfahren Bei den deterministischen Verfahren sucht das Lesegerät alle Transponder im Lesebereich an Hand ihrer eindeutigen Seriennummer. Der Baumtraversierungsalgorithmus (Binary-Tree-Verfahren) ist hierbei das meist eingesetzte Verfahren. Dabei wird der Binärbaum aller möglichen dual codierten Seriennummern systematisch durchlaufen. Bei jedem Anfrageschritt werden alle Transponder aufgefordert zu antworten, deren Seriennummer mit einer bestimmten Kombination von Nullen und Einsen beginnt. Antworten mehrere Transponder, wird eine weitere Stelle festgelegt. Dieser Schritt wird solange wiederholt, bis nur noch ein Transponder antwortet (vgl. Abbildung 2-42) und dieser gezielt angesprochen werden kann. Der deterministische Antikollisionsalgorithmus stellt somit sicher, dass nach einer gewissen Zeit alle Transponder im Bereich des Lesegerätes erkannt werden. Jedoch benötigt der Baumtraversierungsalgorithmus eine hohe Datenübertragungsrate, um in kurzer Zeit eine möglichst hohe Erkennungsrate zu gewährleisten [FIN-06, LAM-05]. 71 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Algorithmusbeginn: 10xxxxxxxxx mehrere Transponder antworten Weitere Ziffer wird festgelegt: 101xxxxxxxx mehrere Transponder antworten 10100011101 nur ein Transponder antwortet …….. Weitere Ziffer wird festgelegt: Abbildung 2-42: Funktionsweise des Binary-Tree-Verfahrens 2.5.5.2 Probabilistische Verfahren Bei den probabilistischen Verfahren antworten die Transponder zu einem beliebigen Zeitpunkt. Hier wird meist eine Variante des ALOHA-Algorithmus angewandt, bei dem das Lesegerät den Transpondern ein Zeitfenster zum Senden bereitstellt. Beim Framed-Slotted-ALOHA-Algorithmus ist dieses Zeitfenster in eine bestimmte Anzahl von Zeitslots eingeteilt, aus denen jeder Transponder zufällig einen für seine Antwort auswählt. Falls mehrere Transponder im gleichen Zeitslot senden, kommt es zur Kollision. Dies kann nicht verhindert werden, da die Transponder nicht wissen, ob weiterere Transponder gleichzeitig Signale übermitteln. Kommt es in allen Zeitslots zu Kollisionen und kann somit kein Datenträger direkt erkannt werden, wird die Anzahl der Slots kontinuierlich erhöht. Erfolgreich erkannte Transponder werden für die folgenden Runden stumm geschaltet, damit sich die Anzahl der Kollisionen verringert. Bei der Wahl der Slotanzahl und der Länge der Zeitfenster muss die erwartete Anzahl der Transponder mit einbezogen werden, da bei zu kleinem Zeitfenster die notwendigen Anfragerunden zur Erkennung aller Transponder stark ansteigt und bei zu großem Zeitfenster die Systemleistungsfähigkeit durch lange Antwortwartezeiten stark reduziert wird. Bei probabilistischen Antikollisionsalgorithmen ist nicht gewährleistet, dass alle Transponder nach einer festen Zeit erkannt werden. [FIN-06], [LAM05] Um generell eine gute Pulklesefähigkeit zu gewährleisten, ist unabhängig vom Verfahren eine hohe Datenübertragungsrate notwendig. Bei HF-Systemen können nach [JAN-04] theoretisch bis zu 100 Transpondern pro Sekunde gelesen werden, während der theoretische Wert bei UHF-Systemen bei 500 Transponder pro Sekunde liegt. In Abhängigkeit der Readereinstellungen, beispielsweise der Zeitslots beim ALOHA-Verfahren, und der Anzahl der stochastischen Kollisionen sowie der Leselö- 72 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation cher bei elektromagnetisch gekoppelten Systemen sind in der Praxis Werte zu erwarten, die ungefähr bei 1/10 der theoretischen Erwartungen liegen. Bei LF-Systemen existieren aufgrund der geringen Datenübertragungsraten keine pulkfähigen Lösungen. Diese Systeme sind auf die Einzelidentifikation von Transpondern, beispielsweise bei der Tieridentifikation oder der Wegfahrsperre im Fahrzeug, beschränkt. Ebenso sind Oberflächenwellensysteme, die im Wesentlichen bei einer Frequenz von 2,45 GHz arbeiten, aufgrund ihrer Bauform nicht pulkfähig. Sie werden in der Regel ohne Mikrochip hergestellt, wodurch sich keine Antikollisionsalgorithmen realisieren lassen. Generell stellt der Antikollisionsalgorithmus mit seinen andwendungsspezifischen Einstellungen einen wesentlichen Einflussfaktor auf die Leistungsfähigkeit eines RFID-Systems dar. 2.5.6 Materialdurchdringung Aufgrund der großen Wellenlänge zeichnen sich die niedrigen Frequenzen durch eine niedrige Absorptionsrate in nichtmetallischen Stoffen und Wasser aus und sind durch hohe Eindringtiefe bei diesen Materialien charakterisiert. Hingegen wird bei hohen Frequenzen im Gigahertz-Bereich die Absorptionsrate entsprechend Abbildung 2-36 bei Wasser und organischen Stoffen sehr hoch. Deshalb steht der hohen Leistungsfähigkeit der höheren Frequenzen hinsichtlich Reichweiten und Übertragungsraten eine höhere Umgebungsempfindlichkeit sowie eine geringere Materialdurchdringung speziell bei organischen Stoffen gegenüber. Neben wasserhaltigen Stoffen haben speziell Metalle einen sehr großen Einfluss auf RFID-Systeme. Sowohl das magnetische wie auch das elektromagnetische Feld können metallische Stoffe zum einen nicht durchdringen, zum anderen wirken sie sich in direkter Umgebung des Transponders stark negativ auf dessen Leistungsfähigkeit aus. Metallische Objekte können dadurch nicht direkt gekennzeichnet werden. Der Einfluss des Metalls steigt dabei mit der Frequenz und spielt besonders bei der Kennzeichnung von Bauteilen in der Automobilindustrie eine große Rolle, da die meisten Bauteile entweder aus Metall bestehen oder beispielsweise im Falle von faserverstärkten Kunststoffen metallhaltig sind. 73 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.5.7 Zusammenfassung der Eigenschaften von RFID-Systemen Die oben beschriebenen Eigenschaften von RFID-Systemen in Abhängigkeit der Frequenz lassen sich entsprechend Abbildung 2-43 zusammenfassen. Praktische max. Reichweite 125 kHz 13,56 Mhz 868 Mhz (passiv / aktiv) 2,45 GHz (passiv / aktiv) 0,2 m 1,7 m 5 m / 100 m 3 m / 300 m Klein Groß Mittel / Sehr Groß Klein / Sehr Groß Nein Ja Ja / Ja Derzeit Nein / Ja Niedrig Hoch Sehr Hoch Sehr Hoch Niedrig Niedrig Hoch Sehr Hoch Sehr niedrig Niedrig Hoch Sehr Hoch Baugröße Pulkfähigkeit Datenübertragungsraten Einfluss von Flüssigkeiten Einfluss von Metall Abbildung 2-43: Eigenschaften von RFID-Systemen 2.6 Standardisierung der RFID-Technologie Neben den technologischen Randbedingungen spielen insbesondere für den unternehmensübergreifenden RFID-Einsatz in offenen Kreisläufen internationale Standards eine elementare Rolle. Mit Hilfe von Standardisierung können Schnittstellenprobleme im Netzwerk entlang der Supply Chain gelöst und die Verbreitung der Technologie beschleunigt werden. Zudem bilden Standards die Voraussetzung für einen Wettbewerb und ermöglichen eine Senkung der Systemkosten bei gleichzeitiger Steigerung des Nutzens durch Netzeffekte [SCM-05]. Zur Einteilung der verschiedenen Standards lassen sich in Anlehnung an [VDE-06] entsprechend Abbildung 2-44 sieben Gruppen bilden. 74 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation 2.6.2 Luftschnittstelle 2.6.3 Anwendungsstandards 2.6.1 Funkvorschriften 2.6.4 EPC-Netzwerk RFID-Standards Einsatzempfehlungen Datenmanagement Kontaktlose Chipkarten Testmethoden Abbildung 2-44: Standardisierung im Bereich RFID Die Standards für kontaktlose Chipkarten und für das Datenmanagement, die den Austausch der Daten in einem RFID-System beschreiben, sowie Empfehlungen zum Einsatz von RFID-Systemen, in denen Anleitungen zur Installation und Inbetriebnahme wie auch RFID-Begriffe standardisiert sind, werden hier nur der Vollständigkeit erwähnt. Ebenfalls wird auf eine Beschreibung der Testmethoden verzichtet, die sich schwerpunktmäßig mit Methoden zur Konfirmitätsprüfung der Luftschnittstelle beschäftigen. Die genannten Standardgruppen besitzen für die vorliegende Arbeit und für das dafür benötigte Verständnis von RFID-Systemen nur eine geringe Relevanz und sind in [VDE-06] beschrieben. 2.6.1 Funkvorschriften RFID-Systeme werden rechtlich als Short Range Devices (SRD) betrachtet und unterliegen daher den regionalen gesetzlichen Vorgaben hinsichtlich der nutzbaren Frequenzen und Sendeleistungen. Zur Gruppe der SRD gehören neben RFID-Systemen unter anderem Garagentoröffner, Bewegungsmelder und Systeme auf Bluetooth- sowie WLAN-Basis. Die Frequenzen werden regional freigegeben – in Deutschland durch die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post – und sind für die Nutzung durch die Allgemeinheit zugeteilt und dürfen daher ohne Anmeldung kostenfrei genutzt werden [REG-07]. 75 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Während die Frequenzen 125 kHz, 13,56 MHz und 2,45 GHz nahezu weltweit zur Verfügung stehen (vgl. Abbildung 2-45), existieren für den UHF-Bereich international keine einheitlichen Frequenzstandards. Durch die gegenseitige Blockierung dieser Frequenzbereiche, unter anderem durch den Mobilfunk, ist mit einer weltweiten Vereinheitlichung, wie sie im LF- und HF-Bereich realisiert ist, nicht zu rechnen [GRU05] Korea 125 kHz, 13,56 MHz 910-914 MHz USA & Kanada 125 kHz, 13,56 MHz 902-928 MHz 2,45 GHz Europa 125 kHz, 13,56 MHz 868 MHz 2,45 GHZ China 917-922 MHz* 2,45 GHz Südafrika 125 kHz, 13,56 MHz 868 MHz 2.45 GHz Japan 125 kHz, 13,56 MHz 952-954 MHz 2,45 GHz Australien 125 kHz, 13,56 MHz 920-926 MHz 2,45 GHz * Lizenz muss zeitlich befristet beantragt werden Abbildung 2-45: Freigegebene Sendefrequenzen für RFID-Systeme Neben uneinheitlichen Sendefrequenzen existieren darüber hinaus im Ultrahochfrequenzbereich auch weltweit uneinheitliche Sendeleistungsstandards und unterschiedliche Operationsmodi. Unterscheiden lassen sich dabei das „listen-beforetalk“- und das „frequency-hopping“-Verfahren. 2.6.1.1 „Frequency-hopping“-Verfahren Dem „frequency-hopping“-Verfahren liegt die Annahme zu Grunde, dass eine Vielzahl von Sendekanälen vorhanden ist. Jeder physische Kanal wird dem System nur für ein gewisses Zeitfenster zugeteilt und anschließend sprunghaft gewechselt (vgl. Abbildung 2-46). 76 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Frequenz Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal 5 4 3 2 1 5 Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal 4 3 2 1 5 4 Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal 3 2 1 5 4 3 Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal 2 1 5 4 3 2 Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal Kanal 1 5 4 3 2 1 Zeit Zeitschlitz Abbildung 2-46: Prinzipielle Funktionsweise des „frequency-hopping“-Verfahrens [KLU-01] Nachteilig bei diesem Verfahren sind der erhöhte Verwaltungsaufwand für die Sprungreihenfolgen und eine Verringerung der Nutzdatenrate, da sowohl zusätzliche Verwaltungsdaten über den Funkkanal transportiert werden müssen als auch das System vor und nach dem Sprung immer etwas Zeit zum Einschwingen benötigt [KLU-01]. Diese Technik gilt als sehr sicher, Sender und Empfänger müssen jedoch genau aufeinander synchronisiert sein, wodurch eine relativ komplexe elektronische Schaltung notwendig ist und folglich hohe Herstellungskosten entstehen [ITW-07]. 2.6.1.2 „Listen-before-talk“-Verfahren Beim „listen-before-talk“-Verfahren handelt es sich um ein Zugriffsverfahren auf einen Funkkanal [KLU-01]. Das Lesegerät prüft dabei vor dem Senden die Belegung des Nutzkanals. Wird nach einem fest vorgegebenen Zeitfenster keine Störung oder Belegung erkannt, startet die Datenübertragung [ITW-07]. Das Verfahren sorgt damit für eine bessere Auslastung der Frequenzressource, benötigt aber durch die Nutzungsüberprüfung mehr Zeit und bietet nicht die Sicherheit des frequency-hoppingVerfahrens. Sie wird deshalb bevorzugt angewendet, wenn lediglich eine geringe Anzahl an Kanälen zur Verfügung steht. 2.6.1.3 Sendeleistung für UHF-Systeme Zusätzlich zu den Operationsmodi ist im UHF-Bereich auch die maximal erlaubte Sendeleistung der RFID-Systeme international unterschiedlich geregelt. (vgl. Tabelle 2-4). 77 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Tabelle 2-4: Internationaler Vergleich der Funkvorschriften im UHF Bereich Land Frequenz Kanäle Leistung Modus Deutschland 869,4 – 869,65 MHz 1 0,5 W ERP „listen-before-talk“ Deutschland 865,6 – 867,6 MHz 10 2,0 W ERP „listen-before-talk“ USA 902 – 924 MHz 50 4,0 W EIRP „frequency-hopping“ Japan 952 – 954 MHz 10 4,0 W EIRP „frequency-hopping“ Korea 908,5 – 910 MHz 4,0 W EIRP „listen-before-talk“ Korea 910 – 914 MHz 4,0 W EIRP „frequency-hopping“ Den international unterschiedlichen Regelungen begegnet man bei UHF-Systemen durch eine breite Auslegung der Transponderresonanzfrequenz, um eine weltweite Lesbarkeit zu gewährleisten. Trotzdem sind Parametereinstellungen und Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen nicht grundsätzlich auf andere Länder übertragbar, wodurch bei internationalen RFID-Kreisläufen in der Regel länderspezifische Systemspezifikationen gefunden werden müssen und meist separate Pilotphasen notwendig werden. Der internationale Einsatz von UHF-RFID-Systemen ist dadurch mit einem deutlichen Mehraufwand in der Planung und Inbetriebnahme verbunden. Bei anderen Frequenzbereichen existieren ebenfalls nationale Unterschiede, die im Verhältnis zur UHF-Technologie geringer sind und sich im Wesentlichen auf die erlaubte Sendeleistung beschränken. Detailliert können die nationalen und internationalen Funkvorschriften in [FIN-06] und [AIM-07] nachgelesen werden. 2.6.2 Luftschnittstellenstandards Die Luftschnittstelle zwischen Transponder und Reader ist das zentrale Element eines jeden RFID-Systems. Für die gegenseitige Kommunikation müssen Codierung, Modulation und Protokoll eindeutig geregelt werden. Für passive RFID-Systeme haben sich hierfür weltweit gültige ISO-Standards etabliert, die gewährleisten, dass der Einsatz von RFID-Systemen in weltweit offenen Kreisläufen möglich ist und zudem Transponder von beliebigen Lesegeräten, die den jeweiligen Standard unterstützen, ausgelesen werden können (vgl. Tabelle 2-5). 78 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Tabelle 2-5: ISO-Luftschnittstellenstandards für passive RFID-Systeme Frequenz Luftschnittstellenstandards LF ISO 11785, 18000-2 HF ISO 14443, 15693,18000-3 UHF ISO 18000-6 SHW ISO 18000-5 Während im UHF-Bereich durch die Übernahme des Standards EPC-Gen 2 in die neue ISO-Norm 18000-6C und die dadurch bedingte Abnahme der Bedeutung der Vorschriften ISO 18000-6A und B ein einheitlicher Standard existiert, sind aus der Historie im HF-Bereich differente Standards in der ISO-Norm 18000-3 entstanden. Diese werden zwar in der Regel von den meisten Lesegeräten unterstützt, schränken aber bei gleichzeitiger Aktivierung die Leistungsfähigkeit stark ein. Aufgrund dessen ist bei einem unternehmensübergreifenden Einsatz speziell von HF-Systemen die Einigung auf einen einheitlichen Luftschnittstellenstandard essentiell, um eine hohe Leistungs- und Pulkfähigkeit zu erreichen41. Bei aktiven Systemen kommen in der Regel proprietäre Protokolle zum Einsatz, wodurch batteriegestützte Transponder meist nur mit spezifischen Lesegeräten ausgelesen werden können. Verursacht wird dies durch die Tatsache, dass bei aktiven Systemen Transponder und Lesegeräte - im Gegensatz zu passiven Systemen - von einem Unternehmen hergestellt werden und darüber hinaus häufig mit Zusatzfunktionen wie beispielsweise Temperaturkontrolle ausgestattet sind, für deren Steuerung eigene Protokolle notwendig sind. Für den netzwerkweiten Einsatz von aktiven Systemen ist daher eine einheitliche Auswahl der Hardware notwendig. 2.6.3 Anwendungsstandards Anwendungsstandards empfehlen eine bestimmte technische Lösung für einzelne Anwendungen und greifen dabei auf andere existierende technologieorientierte Standards, z. B. zur Luftschnittstelle oder zum Datenmanagement, zurück [VDE-06]. 41 LF-Systeme werden aufgrund ihrer Nicht-Pulkfähigkeit und der dadurch bedingten geringen Relevanz nicht behandelt. 79 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Für eine aufwandsarme und effiziente Einführung von RFID-Systemen in unternehmensübergreifenden Netzwerken sind sie durch die Festlegung standardisierter Prozesse mit den dazugehörigen Daten sowie der Technologie von elementarer Bedeutung. Aufgrund der jungen Historie der RFID-Technologie in industriellen Anwendungen befinden sich derzeit internationale Normen meist erst in der Planungs- oder Bearbeitungsphase. Darunter sind logistikspezifische Richtlinien zur Kennzeichnung von Frachtcontainern, Transporteinheiten und Artikeln, die unter anderem auf die ISO 18000er Normenreihe zurückgreifen [VDE-06]. Veröffentlicht sind bis jetzt lediglich branchenspezifische ISO-Standards im Bereich der Tieridentifikation. Internationale Standards zur Anwendung von RFID-Systemen in der Automobilindustrie sind derzeit weder existent noch in Planung. Das Fehlen von Anwendungsstandards wird als eines der Haupthemmnisse bei der Einführung von RFID betrachtet (vgl. [STR-05]). Aufgrund der Vielzahl und Vielfalt der beteiligten Partner gestaltet sich der Normungsprozess langwierig, so dass kurzfristig keine wesentliche Veränderung der Standardisierungslücke zu erwarten ist. Des Weiteren existieren auch einige nationale anwendungsorientierte RFIDRichtlinien, die aber aufgrund der regionalen Einschränkung nur in Einsatzfällen herangezogen werden können, und dadurch das Problemfeld der fehlenden Anwendungsstandards nur bedingt lösen. Vom Verein Deutscher Ingenieure werden in der VDI 4472 Richtlinien für den Einsatz in der Supply Chain erarbeitet. Bis auf eine branchenspezifische Norm für die Textilindustrie und die Mehrweglogistik sowie Abnahmeverfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen befinden sich auch hier weitere Normungsvorhaben erst in der Planung oder in der Entwicklung (vgl. Tabelle 2-6). 80 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Tabelle 2-6: VDI-Richtlinienprojekt 4472 Titel Status Blatt 1: Einsatz der Transpondertechnologie (Allgemeiner Teil) veröffentlicht Blatt 2: Einsatz der Transpondertechnologie in der textilen Kette veröffentlicht (HF-Systeme) Blatt 3: Einsatz der Transpondertechnologie in der textilen Kette in Bearbeitung (UHF-Systeme) Blatt 4: Kostenbewertung von RFID-Systemen Entwurf Blatt 5: Einsatz der Transpondertechnologie in der Mehrweglogis- veröffentlicht tik Blatt 6: Einsatz der Transpondertechnologie in der Kühlkette in Planung Blatt 7: Einsatz der Transpondertechnologie in der Entsorgungs- in Bearbeitung logistik Blatt 8: Leitfaden für das Management von RFID-Projekten Entwurf Blatt 9: Einsatz der Transpondertechnologie in der Getränkelogis- in Planung tik Blatt 10: Abnahmeverfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit veröffentlicht von RFID-Systemen Blatt 11: Leitfaden zur Transpondertechnologie unter Sicherheits- in Planung aspekten Auch der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA) hat sich dem Thema RFID zur Kennzeichnung von Gütern, Fahrzeugen und zur Rückverfolgung in der Wertschöpfungskette gewidmet. Im Juli 2005 ist in diesem Zusammenhang die VDAEmpfehlung 5005 erschienen. Die unverbindliche Empfehlung beschreibt Prozesse und Verfahrensweisen zur Ver- und Rückverfolgbarkeit von Fahrzeugteilen sowie zur Identifizierbarkeit ihrer technischen Ausführung. Dabei wird neben dem Barcode auch die Transpondertechnik zur Kennzeichnung von Bauteilen empfohlen. Eine Spezifikation hinsichtlich der Technologie, beispielsweise eine Festlegung der Sendefrequenz, erfolgt nicht. Des Weiteren wurde im November 2006 die VDA-Empfehlung 5501 mit dem Titel „RFID im Behältermanagement der Supply Chain“ erarbeitet. In der Empfehlung wurde eine Standardisierung des Einsatzes von RFID-Komponenten im Behälterma81 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation nagement in der Supply Chain ausgesprochen. Dabei befasste sich das Projekt mit der Standardisierung der auf dem Transponder zu speichernden Daten und der einzusetzenden Technologie. Aufgrund der Leistungsfähigkeit und der geringen Kosten wurde hierbei der passive UHF-Frequenzbereich ausgewählt. In den USA gibt es ähnliche Bestrebungen Standards für verschiedene Aktivitäten der amerikanischen Automobilindustrie zu entwickeln. Die AIAG (Automotive Industry Action Group) hat bereits 2002 den Standard B-11 verabschiedet, der die Verwendung von RFID zur Kennzeichnung von Autoreifen als Alternative zu 2D-Codes vorsieht. Bei Anwendung von RFID ist die UHF-Technologie einzusetzen und die Transponder sind an der Außenseite des Reifens anzubringen. Als Erfassungsreichweite gibt die Norm mindestens 61 cm (24 inch) an. Die Datenstruktur der RFIDLösung umfasst Angaben über Hersteller, Werk, Produktionsdatum, eine eindeutige Seriennummer, die Fahrzeugnummer sowie einen frei verfügbaren Bereich [STR-05]. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass nur wenige internationale Anwendungsstandards für RFID-Systeme existieren. Im Bereich der Automobilindustrie gibt es lediglich einige nationale Empfehlungen hinsichtlich des RFID-Einsatzes. Dies hat zur Konsequenz, dass bei einem unternehmensübergreifenden Einsatz der Technologie zum einen ein hoher Abstimmungsaufwand zwischen den Partnern notwendig ist, und zum anderen bei einer Umsetzung mittelfristig die Gefahr des Aufkommens eines differenten Standards vorhanden ist. Dadurch kann das eigene System schnell veraltet sein, wodurch eine Investitionssicherheit nicht gegeben ist. 2.6.4 EPC – Netzwerk Die weltweite Nachverfolgbarkeit von Produkten ist die Grundidee des EPCglobalNetzwerks, das 1999 im Massachusetts Institute of Technology (MIT) entstanden ist. Dazu soll jeder produzierte Gegenstand mit einem RFID-Transponder versehen werden, damit „sich sein Aufenthaltsort mit Hilfe einer globalen Infrastruktur über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg bestimmen lässt“ [AUT-02]. Dadurch werden insbesondere Verbesserungen der betrieblichen Prozesse in der Fertigung [CGS-02], der Lieferkette [AGG-02] und der Warenwirtschaft [CDG-02] erwartet. Dafür wurde neben der Festlegung der auf dem Transponder zu speichernden Daten auch ein IT-Konzept für die durchgängige Verfügbarkeit der Produktdaten geschaffen, um eine weltweite Rückverfolgbarkeit von Gütern zu gewährleisten (vgl. Abbildung 2-47). 82 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-47: EPC-Netzwerk [EPC-07a] Hinsichtlich der Frequenz und der Betriebsart beruht der EPC-Standard auf der passiven UHF-Technologie. 2.6.4.1 Der Electronic Product Code (EPC) Der EPC-Standard sieht vor, dass zur eindeutigen Kennzeichnung eines Produktes jedem Artikel eine weltweit einmalige Ziffernfolge, der so genannte Elektronik Produkt Code (EPC), zugeordnet und auf einem am Objekt befestigen Transponder gespeichert wird. Es wurden verschiedene EPC-Strukturen definiert, wobei insbesondere die 96 Bit Strukturen • General Identifier (GID) und • Serialized Global Trade Item Number (SGTIN-96), welche die Barcodestruktur EAN/UCC um eine Seriennummer erweitert, von Bedeutung sind. Vereinfacht hat der EPC die folgende Struktur [TZI-07]: • Der Header gibt die EPC-Version und die Kodierung an, z.B. SGTIN-96. • Der EPC-Manager stellt die Kennung des Herstellers dar. • Die Objektklasse bezeichnet die Produktfamilie. • Die Seriennummer dient der eindeutigen Identifikation des Objektes. In Abbildung 2-48 ist beispielhaft ein GID-Electronic Product Code dargestellt. 83 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation GID Abbildung 2-48: Beispielhafte Darstellung eines GID EPC (in Anlehnung an [FLÖ-05]) Zunächst sah das Konzept vor, neben dem EPC keine weiteren Daten auf dem Transponder zu zulassen. Aufgrund der Forderung, vor allem aus der produzierenden Industrie, einen freien Speicher für Daten zur Prozesssteuerung vorzusehen, wurde in jüngster Vergangenheit im Rahmen des EPC der zweiten Generation ein frei nutzbarer Speicherbereich mit aufgenommen, aber noch nicht weiter spezifiziert (vgl. Abbildung 2-49). Derzeit verfügt ein UHF-Transponder in der Regel über einen 128 Bit Speicher und bietet dadurch neben einem 96 Bit EPC Platz für 32 Bit Nutzerdaten. Derzeit sind im UHF-Bereich 512 Bit Transponder in der Entwicklung beziehungsweise in der Markteinführung, so dass davon auszugehen ist, dass sich der freie Speicherbereich zukünftig weiter vergrößern wird (vgl. Kapitel 2.7), wobei nach wie vor alle zur Produktverfolgung und Produktkennzeichnung notwendigen Daten auf Basis der Konzeptidee des EPC zentral gehalten werden sollen. Abbildung 2-49: Spezifikation des EPC der zweiten Generation [CLA-06] 84 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Nach [CLA-06a] bietet die Beschränkung der dezentralen Datenhaltung dabei folgende Vorteile: • Hohe Auslesegeschwindigkeit auch vieler Tags gleichzeitig • Keine sensiblen Daten öffentlich auf dem Tag • Niedrige Tag-Preise aufgrund des geringen Speicherbedarfs • Normierte Datenhaltung an einem Ort 2.6.4.2 IT-Netzwerk Damit eine weltweite Rückverfolgbarkeit von Produkten ermöglicht wird, ist neben der eindeutigen Produktkennzeichnung und -identifizierung ein IT-Netzwerk zum Finden, Speichern und Verwalten der produktbezogenen Informationen notwendig. Hierzu wurde im Rahmen der Forschungstätigkeiten des MIT ein auf dem Internet basierendes Kommunikationsnetzwerk als Infrastruktur entwickelt und von EPCglobal42 umgesetzt, dass die Bereitstellung in Echtzeit diese Informationen gewährleistet. Im Wesentlichen verbindet das EPCglobal-Netzwerk dezentrale Server, die Produktinformationen (d. h. zu einer bestimmten EPC-Nummer gehörende Stamm- oder Bewegungsdaten) enthalten. Diese werden als EPC-Informationenservice (EPCIS)Server bezeichnet. Zum Finden der Informationen dient der Objektnamendienst (ONS), ein zentraler Verzeichnis-Server analog zu DNS-Servern im WorldWideWeb, der die zentralen Datensätze indiziert. Die Verwaltung und Meldung von Ereignissen im Netzwerk erfolgt mit Hilfe von Event Registry Diensten. Zum besseren Verständnis wird nachfolgend das EPC-Netzwerk an Hand eines konkreten Beispiels beschrieben, dass zusammenfassend in Abbildung 2-50 dargestellt ist. Bei der Herstellung wird das Produkt mit einem eindeutigen EPC gekennzeichnet (1) und gleichzeitig dessen relevante Daten im unternehmensinternen EPCIS-Server hinterlegt (2). Dieser meldet das Ereignis der EPC-Erzeugung an den Event Registry-Dienst, wodurch es im EPC-Netzwerk bekannt wird (3). Nach Versendung des 42 EPCglobal wurde 2003 von GS1 und GS1 US (ehemals EAN International und das Uniform Code Council, Inc.) gegründet und entwickelt Standards für die einheitliche Nutzung der Radiofrequenztechnologie für Identifikationszwecke (RFID) entlang der gesamten Versorgungskette über Länderund Branchengrenzen hinweg. 85 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Produktes (4) zum nächsten Unternehmen in der Wertschöpfungskette registriert dieses das Produkt in seinem Wareneingang mit Hilfe der RFID-Technologie und speichert gleichzeitig dazugehörige relevante Informationen in seinem lokalen EPCIS-Server (5), der wiederum das Ereignis mit einer Meldung an den Event Registry Dienst im Netzwerk registriert (6). Benötigt das Unternehmen Informationen über das Produkt, so gelangt es mit Hilfe des ONS-Dienstes (7), in dem die zentralen Stammdatensätze identifiziert sind, zum lokalen EPCIS-Server (8), der die geforderten Datensätze verwaltet. Werden Informationen über Ereignisse des Produktes, wie beispielsweise Warenein- und -ausgänge benötigt, erfolgt die Abfrage und Zuweisung des lokalen EPCIS-Servers durch den Event-Registry Dienst. Zentrales EPC-Netzwerk EPC Event Registry ONS Dezentrales Netzwerk ERP (7) (3) EPCIS (8) (2) Dezentrales Netzwerk (6) EPCIS ERP (5) (4) (1) Abbildung 2-50: Die Funktionsweise des EPC-Netzwerks Durch die internetbasierte Bereitstellung von Echtzeit-Informationen mit Hilfe der EPCglobal steht ein IT-Netzwerk zur Steigerung der Informationstransparenz und der weltweit durchgängigen Rück- und Nachverfolgbarkeit von Produkten zur Verfügung. Durch den Einsatz der RFID-Technologie ist des Weiteren davon auszugehen, dass sich im Vergleich zu derzeit eingesetzten Ident-Systemen aufgrund der automatisierten und kostengünstigen Erfassung von Produkten, die Anzahl der Ereignisse und damit die Transparenz in der Wertschöpfungskette stark erhöhen wird. Derzeit sind über 200 Unternehmen Mitglieder bei EPCglobal Deutschland, wodurch Deutschland eine führende und markttreibende Rolle im EPC-Netzwerk einnimmt [EPC-07b]. Die Unternehmen stammen überwiegend aus den Branchen Handel, Be86 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation kleidung, Pharma und Logistik. Von den deutschen Automobilfirmen ist bis jetzt lediglich die Daimler AG im November 2007 dem EPCglobal-Gremium beigetreten. Es wird aber erwartet, dass durch diesen ersten Schritt der Daimler AG mittelfristig andere Fahrzeughersteller folgen werden [LOG-07]. 2.7 Technologische Entwicklungstrends Zum Abschluss des Kapitels RFID-Grundlagen sollen hier die wesentlichen Entwicklungstrends der Technologie aufgezeigt werden. Dieser Abschnitt hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll die grundsätzliche Richtung der technischen Entwicklungen aufzeigen. Als wesentliche Entwicklungstrends sind aus Sicht des Autors hierbei zu nennen: • Fortschreitende Miniaturisierung und Reduktion des Stromverbrauch von Mikrochips bei passiven Systemen • Kompakte aktive Transponder durch den Einsatz von druckbaren Batterien • Kostengünstige einfache passive Transponder für die Kennzeichnung von Massenprodukten auf Basis der Polymertechnologie 2.7.1 Fortschreitende Reduzierung des Stromverbrauchs bei Mikrochips Passive Systeme gewinnen die benötigte Energie ausschließlich aus dem elektromagnetischen Feld. Aus diesem Grund wird die Leistungsfähigkeit im Wesentlichen durch den Stromverbrauch des Mikrochips auf dem Transponder beschränkt. Auf der Grundlage des Gesetzes von Moore, das besagt, dass sich die Zahl der auf einem Chip integrierbaren elektronischen Komponenten alle 18 bis 24 Monaten verdoppelt [MOO-65], ist davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit von Mikrochips in den nächsten Jahren weiter steigen wird und dabei gleichzeitig der Strombedarf signifikant sinkt. Dadurch ist zukünftig mit deutlich höheren Nutzspeichern für passive RFID-Transponder zu rechnen. Im UHF-Bereich hat NXP Semiconductors beispielsweise im Jahr 2007 einen IC auf dem Markt gebracht, der mit einem 240 Bit EPCSpeicher und einem Nutzspeicher von 512 Bit versehen ist [ELE-07, NXP-07] und der derzeit auf ersten Transpondern am Markt appliziert wird. Dies geht deutlich über die bis dahin auf den Markt üblichen Mikrochips mit einer Gesamtkapazität von 128 Bit hinaus. Eine Reduzierung des Energieverbrauches der elektronischen Komponenten wird darüber hinaus in den nächsten Jahren die Integration von Sensoren und von leis87 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation tungsfähigen kryptischen Algorithmen sowie Prozessoren auf den mobilen Datenträgern ermöglichen. Dadurch wird es zukünftig möglich sein, Objekte mit Hilfe von RFID mit einer dezentralen Intelligenz auszustatten, die es Ihnen ermöglicht selbstständig miteinander zu kommunizieren. Aufbauend darauf lassen sich autonome, logistische Netzwerke, die sich selbst organisieren und steuern können – analog zum Internet – realisieren. In dieser als „Internet der Dinge“ bezeichneten Vision finden Produkte allein ihren Weg von der Produktion bis zum Kunden – und wieder zurück zum Recycling (vgl. [GÜN07a, GÜN-07c]). Ausserdem werden sich zukünftig durch komplexere und leistungsfähigere Sicherheitsalgorithmen auf den mobilen Datenspeichern vermehrt auch Anwendungen zum Schutz vor Produktpiraterie realisieren lassen. 2.7.2 Integration von druckbaren Batterien Neben der Reduzierung des Stromverbrauches der elektronischen Komponenten kann die Leistungsfähigkeit von Transpondern auch durch kostengünstige druckbare Batterien gesteigert werden. Nach [RFU-07] wird der Markt für Transponder mit integrierter gedruckter Batterie im Jahr 2015 4,6 Milliarden Dollar erreichen. Aktuell geht man von einem Marktvolumen von unter 15 Millionen Dollar aus [RFU -07]. Durch die Möglichkeit einen aktiven Transponder mit der Größe eines passiven Smart Labels herzustellen, ist langfristig eine Verschmelzung der aktiven und passiven Technologie zur „battery-assisted passive technology“ denkbar. Dies würde eine Leistungsexplosion der Transponder zur Kennzeichnung von Produkten hinsichtlich Reichweite nach sich ziehen. Derzeit sind bereits von der Firma Power ID [POW-08] solche Datenträger auf dem Markt, die sich aber insbesondere aufgrund der aktuell noch hohen Kosten und der unzureichenden Batteriehaltbarkeit sowie deren Empfindlichkeit gegenüber mechanischen und vor allem thermischen Belastungen nur in wenigen Anwendungsfällen technisch und wirtschaftlich einsetzen lassen. 88 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-51: „Battery-assisted Labels“ der Firma Power ID [POW-08] 2.7.3 Polymertransponder Für die Kennzeichnung von einfachen Produkten in offenen Kreisläufen sind die derzeit auf dem Markt verfügbaren Transponder deutlich zu teuer. Selbst durch Preise im niedrigen einstelligen Cent-Bereich lässt sich eine Kennzeichnung von Verbrauchsgütern wie einem Joghurtbecher wirtschaftlich nicht realisieren. Zukunftspotenzial bieten hier Transponder auf der Basis von halbleitenden organischen Polymeren als Substitut für die auf Silizium basierenden Schaltungen. Polymerelektronik kann dabei in einfachen Druckverfahren hergestellt werden, wodurch sich eine signifikante Reduzierung der Kosten erreichen lässt. Bereits heute existieren von der Firma PolyIC Produkte im HF-Bereich auf dem Markt mit einer Speicherkapazität von einigen Bit [POL-08]. Diese Technologie wird in Zukunft den wirtschaftlichen Einsatz von RFID auf Massenverbrauchsgütern ermöglichen. Jedoch ist zu erwarten, dass die Anwendungen aufgrund der reduzierten Leistungsfähigkeit, im Vergleich zu Siliziumschaltungen, und der gleichzeitig hohen mechanischen und thermischen Empfindlichkeit auf die Kennzeichnung von einfachen kostengünstigen Massenwaren im Bereich des Handels beschränkt bleiben. 89 2 Einführung in die Radiofrequenzidentifikation Abbildung 2-52: Gedruckter Polymertransponder [POL-08] 2.7.4 Zusammenfassung Zukunftstrends Zusammenfassend wird sich die Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen in den nächsten Jahren signifikant steigern, bei einer gleichzeitigen Reduktion der Kosten. Dadurch wird sich das Anwendungsfeld der Technologie kontinuierlich vergrößern. Im Rahmen des Abschnitts wurden einige wesentliche Entwicklungen der Technologie herausgestellt. In Abbildung 2-53 sind ergänzend zu den oben erwähnten Weiterentwicklungen Trends im Bereich RFID aus Sicht von [PFL-06] dargestellt. Abbildung 2-53: Entwicklung der Smart Object Technologie [PFL-06] 90 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Im Rahmen des Kapitels werden ein grundsätzliches technisches Konzept und die groben Anforderungen für den Technologieeinsatz zur Bauzustandsdokumentation in der Automobilindustrie erarbeitet. Aufbauend auf den in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Grundlagen und den ermittelten Anforderungen gilt es im Anschluss die geeignete Arbeitsfrequenz für die Technologie festzulegen, auf deren Basis die Handlungsfelder zur Technologiequalifizierung aufgezeigt werden können. Diese bilden die Basis für die Entwicklung und Evaluierung geeigneter technischer Lösungskonzepte für den Anwendungsfall. Als Einführung in das Kapitel dient ein Überblick über die Potenziale der Bauzustandsdokumentation im Produktlebenszyklus. Der Aufbau des Kapitels ist in Abbildung 3-1 zusammengefasst. 91 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Aufgabe der Bauzustandsdokumentation im Produktlebenszyklus Kap. 3.1 Konzept der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation Kap. 3.2 Konzept zur Einführung der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation Kap. 3.3 Festlegung von Referenzbauteilen Kap. 3.4 Anforderungen an die RFID-Technologie Kap. 3.5 Festlegung der Energieversorgung und der Arbeitsfrequenz Kap. 3.6 Zentrale Herausforderungen und Handlungsfelder Kap. 3.7 Zusammenfassung und Fazit Kap. 3.8 Abbildung 3-1: Aufbau des Kapitels „RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation“ 3.1 Aufgabe der Bauzustandsdokumentation im Produktlebenszyklus Ein Fahrzeug aus dem Premiumsegment besteht derzeit aus 18.000 bis 20.000 Einzelteilen, die in bis zu zehn Fertigungsstufen als Einzelteil oder Modul in das Fahrzeug einfließen [BOP-08]. Der Fahrzeughersteller ist daher die Spitze eines komplexen Wertschöpfungsnetzwerkes. Zur Sicherstellung der Qualität in diesem 92 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation vielschichtigen Entwicklung- und Produktionsprozess über alle Wertschöpfungsstufen und beteiligten Unternehmen hinweg bedarf es eines konsequenten Qualitätsmanagements. Eine zentrale Rolle zur Schaffung von Transparenz nimmt hierbei die lückenlose Verfolgung und Dokumentation des Bauzustandes von Fahrzeugen ein. Neben den wirtschaftlichen und qualitätsgetriebenen Überlegungen ist dies auch aufgrund von Forderungen, die sich durch den Gesetzgeber aus dem Produkthaftungsgesetz sowie EU-Richtlinien ergeben, zwingend erforderlich. Einen detaillierten Überblick über die derzeitigen gesetzlichen Randbedingungen geben [VDA-08] und [STA-05]. Im Folgenden werden die Aufgaben und Potenziale der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation durch die Identifikation von verbauten Komponenten in den verschieden Lebenszyklen eines Fahrzeugs dargestellt. 3.1.1 Fahrzeugentwicklung Die Entwicklung eines Fahrzeugs und seiner Eigenschaften ist ein iterativer Prozess, der die ständige Weiterentwicklung der Bauteile bedingt. Dadurch ergibt sich ein stetiger Bedarf zur Bauteil- und Funktionserprobung, der sich in einem dynamischen Umbauprozess der Versuchsfahrzeuge äußert. Daraus resultiert ein hoher Aufwand zur Dokumentation der aktuellen Fahrzeugkonfiguration, der gerade bei der Erprobung nicht immer zu leisten ist. So entsteht im Laufe des Lebenszyklus eines Versuchsfahrzeugs zunehmend eine Intransparenz über dessen aktuelle Konfiguration. Dies wird verstärkt durch den steigenden Anteil an Fahrzeugen, die aus Gründen der Kosteneinsparung im Rahmen der Entwicklung von mehreren Abteilungen sequentiell oder auch parallel genutzt werden. Durch die Abhängigkeit der Fahrzeugeigenschaften von einer Vielzahl an Bauteilen beeinflusst die mangelnde Transparenz des Bauzustandes die Bewertung und Aussagekraft im Rahmen von Testfahrten ermittelter Kennwerte wesentlich. Dies hat zur Konsequenz, dass Fehler beziehungsweise Eigenschaftszusammenhänge eventuell erst verspätet im Entwicklungsprozess erkannt werden oder vor der Fahrzeugerprobung aufwendige Fahrzeugdemontagen zur Ermittlung der aktuellen Konfiguration notwendig sind. Durch die Möglichkeit der Identifikation von wesentlichen verbauten Komponenten kann im Entwicklungsbereich eine deutliche Transparenzsteigerung erreicht werden, indem vor jeder Fahrzeugnutzung oder -übergabe die Konfiguration eindeutig ermit93 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation telt wird. Dadurch kann für jede Fahrzeugerprobung eine fixe und transparente Ausgangssituation gewährleistet werden. 3.1.2 Produktion Eine Kennzeichnung von Bauteilen mit RFID ermöglicht in der Produktion eine durchgängige Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Durch den Technologieeinsatz können Fehlverbauraten und Dokumentationsaufwand gesenkt sowie die durchgängige Rückverfolgbarkeit von Bauteilen im Falle von Rückrufaktionen gewährleistet werden. Für die Erfassung der gekennzeichneten Bauteile im Sinne der Bauzustandsdokumentation existieren in der Produktion fünf Zeitpunkte: a) Bei der Sequenzierung der Bauteile (nur bei einer Just-In-Sequence Bereitstellung) b) Direkt bei der Bauteilentnahme aus der Bereitstellung an der Produktion c) Vor dem Einbau in das Fahrzeug d) Direkt nach dem Einbau in das Fahrzeug e) Bei der Fahrzeugendkontrolle Zur Vermeidung von Fehlverbauten und zur Eliminierung von Fehlerfolgekosten ist eine Bauteilidentifizierung vor dem Verbau anzustreben (Variante (a) bis (c)). In [GAU-05] ist eine analytische Berechnungsmethodik erarbeitet worden, mit deren Hilfe die Mehrkosten bei einer verspäteten Erkennung von Fehlverbauraten je Arbeitstakt berechnet werden können. Bei einer Anlieferung als Einzelteil ist dabei häufig auch eine Erfassung der isolierten Komponente ausreichend, wodurch sich je nach Prozess hier auch optoelektronische Verfahren wie der Data-Matrix Code anbieten. Beim Einsatz der RFID-Technologie ergeben sich je nach Identifikationsszenario – beispielsweise mit Handheld – schwerpunktmäßig Anforderungen aus dem Bereich der Kennzeichnung der Bauteile, da sich die Identifikation vergleichsweise einfach realisieren lässt. Denkbar wäre hier auch ein Konzept mit einem RFID-Lesefeld vor der Bereitstelleinheit (analog einem Vorhang), so dass jedes entnommene Bauteil erfasst wird. Bei einer Anlieferung als Modul hingegen gilt es die verbauten elementaren Einzelteile zu identifizieren, um als Hersteller die durchgängige Rückverfolgbarkeit der Bauteile und deren Dokumentation zu gewährleisten. Ist aus technischen beziehungsweise wirtschaftlichen Gründen eine Kennzeichnung auf der Einzelteilebene nicht sinnvoll, 94 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation so ist ebenfalls eine Ausstattung des Moduls mit einem mobilen Datenträger und der Zuweisung der Einzelteile zum Zusammenbau denkbar. Durch die Erfassung der Bauteile vor dem Einbau kann aufgrund möglicher Fehler des Werkers die richtige Zuweisung zum Fahrzeug nicht zu 100 % sichergestellt werden. Aus diesem Grund ist darüber hinaus eine Identifikation des Bauzustandes im Rahmen der Endkontrolle anzustreben. Dazu muss der mobile Datenträger auch nach dem Einbau des Bauteils im Fahrzeug erfasst werden können. Dies hat zur Konsequenz, dass die zur Nachverfolgung und Dokumentation wesentlichen Komponenten generell mit einer Kombination aus Barcode und RFID gekennzeichnet werden sollen. Dadurch kann je nach Prozess im Rahmen des Einbaus bei Bedarf auf eine optoelektronische Erfassung zurückgegriffen werden. 3.1.3 Fahrzeugservice Die zahlreichen Varianten und die ständige Weiterentwicklung der Bauteile im laufenden Serienbetrieb bedingen in der Wartung und Reparatur von Fahrzeugen eine hohe Komplexität. Dadurch ist im Schadensfall oftmals eine Zerlegung des Fahrzeugs notwendig, um das benötigte Ersatzteil zu ermitteln. So entsteht ein erhöhter Zeitbedarf und Aufwand im Vorfeld der Reparatur. Zudem kann der Kunde das Fahrzeug – falls es fahrfähig ist – bis zum Eintreffen des Ersatzteils nicht weiternutzen. Verstärkend kommt hinzu, dass die Unterschiede zwischen den Bauteilvarianten und -weiterentwicklungen oftmals optisch nur schwer zu erkennen sind, wodurch sich selbst bei einer vorangegangen Fahrzeugzerlegung die Gefahr von Falschbestellungen und dadurch Reparaturverzögerungen ergibt. Durch die Möglichkeit der Identifikation von verbauten Komponenten und der dadurch eindeutigen Identifikation des auszutauschenden Bauteils könnte der Prozess der Fahrzeugwartung somit sicherer und effizienter gestaltet werden. Zudem ergeben sich aufbauend auf der RFID-Kennzeichnung von Bauteilen zukünftig im Bereich der Wartung weitere Szenarien zur Feststellung von verbauten nicht zertifizierten Ersatzteilen und Plagiaten. 3.2 Konzept der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation Im Fokus der Arbeit steht die Qualifizierung der RFID-Technologie für die Identifikation von im Fahrzeug verbauten Komponenten. Die Gestaltung der dazugehörigen Prozesse sowie die notwendigen organisatorischen Änderungen sind zwar für die 95 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation erfolgreiche Einführung und Umsetzung unabdingbar, sind aber zusätzlich im Rahmen der Arbeit nicht entwickelbar und müssen gezielt durch weitere Forschungsarbeiten betrachtet werden. Im Folgenden wird daher der Fokus auf ein technisches Grobkonzept hinsichtlich Datenhaltung und Teilekennzeichnung sowie zur Identifikation der verbauten Bauteile gelegt, um im weiteren Verlauf der Arbeit die Anforderungen für die RFID-Technologie sowie die Handlungsfelder zur weiteren Technologiequalifizierung zu identifizieren. 3.2.1 Bauteilkennzeichnung Um eine eindeutige Identifizierung der Bauteile über den gesamten Lebenszyklus zu gewährleisten, ist eine direkte Kennzeichnung auf Bauteilebene anzustreben. Aufgrund der Vielzahl von Fahrzeugkomponenten und deren Größe ist aber aus wirtschaftlichen und technischen Gesichtspunkten nicht jedes Bauteil direkt kennzeichenbar. Erfolgt die Anlieferung als Modul und ist eine durchgängig transparente Wertschöpfungskette gegeben, so kann die Kennzeichnung auch auf der Ebene der Zusammenbauteile geschehen. Die Einzelteile des Moduls sind dabei während des Herstellungsprozesses dem Modul eindeutig zuzuweisen. Somit muss generell eine Auswahl von zu kennzeichnenden Bauteilen beziehungsweise Modulen auf Basis von organisations- und prozesstechnischen Aspekten getroffen sowie die Kennzeichnungsebene festgelegt werden. Ausgangspunkt sollte dabei immer die Definition der zu verfolgenden Bauteile sein. Die Ebene der Kennzeichnung kann dann in einem darauf folgenden Schritt festgelegt werden. Von besonderem Interesse sind dabei Fahrzeugkomponenten, die die Eigenschaften, den Komfort oder die Sicherheit des Fahrzeugs maßgeblich beeinflussen. Generell auf der Bauteilebene zu kennzeichnen sind dokumentationspflichtige Bauteile. Neben der Kennzeichnung der verfolgungsrelevanten Bauteile mit RFID ist zusätzlich die Aufbringung eines Barcodes und einer Klarschrift in Form eines kombinierten Etiketts sinnvoll, um zum einen in Prozessschritten, bei denen das Bauteil vereinzelt ist und es sich prozesstechnisch anbietet, eine Barcodeidentifizierung zu ermöglichen und zum anderen mit Hilfe der Klarschrift die optische Bauteilidentifizierung und manuelle Kontrolle durch den Werker zu ermöglichen (vgl. Abbildung 3-2). 96 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Abbildung 3-2: Beispielhafte Kennzeichnung eines Versuchsbauteils mit einem kombinierten Klarschrift/Barcode/RFID-Etikett Als Auswahlregeln für verfolgungsrelevante Bauteils mit RFID lassen sich unter anderem folgende Kriterien festlegen: • Bauteil beeinflusst in einem hohen Maß die Fahreigenschaften des Fahrzeugs • Bauteil beeinflusst in einem hohen Maß die Sicherheit des Fahrzeugs • Bauteil beeinflusst in einem hohen Maß den Komfort des Fahrzeugs • Ausfall des Bauteils führt zu sicherheitskritischen Situationen • Hohe Fehlverbauraten in der Produktion • Häufung von fehlerhaften Lieferungen des Lieferanten • Hohe Änderungswahrscheinlichkeit des Bauteils • Gefahr von Qualitätsmängeln • Kritischer Bauteilherstellungsprozess • Bauteil war Ursache für Kundenreklamationen bzw. Rückrufaktionen • Bauteil ist durch gesetzliche bzw. versicherungsseitige Vorgaben dokumentationspflichtig Die Aufstellung und Beurteilung der Kriterien ist dabei von Experten aus der Entwicklung, Produktion und Vertrieb in einer Expertendiskussion durchzuführen und muss individuell für jede Modellreihe festgelegt werden. Hierbei sind feste Bewertungskriterien zu vereinbaren. Da der Schwerpunkt der Arbeit in der Entwicklung von technischen Konzepten liegt, ist in Abbildung 3-3 nur beispielhaft ein Grob- Vorgehensmodell zur Bauteilauswahl dargestellt. 97 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation ja Bauteil ist dokumentationspflichtig nein ja Bauteil erfüllt mind. 1 Anforderung zur Einzelteilkennzeichnung in sehr hohem Maße nein Bauteil erfüllt mind. 1 Anforderung zur Einzelteilkennzeichnung in hohem Maße ja nein nein Anlieferung als Modul ja nein Durchgängig transparente Wertschöpfungskette mit Zuweisung der Einzelteile zum Modul ja Verfolgungsrelevant auf Einzelteilebene Verfolgungsrelevant auf Modulebene Nicht verfolgungsrelevant Abbildung 3-3: Grobe Methodik zur Auswahl von kennzeichnungsrelevanten Bauteilen Auf Basis der Theorie können Komponenten, die komplett von Metall umschlossen sind, wie beispielsweise Motor- oder Getriebeinnenbauteile, generell nicht mit RFID gekennzeichnet werden. Dies ist nur über die Kennzeichnung als Modul zu lösen. Des Weiteren bilden auch die Bauteile der Abgasanlage eine Sondergruppe, da diese bis zu 400° C heiß werden, und dadurch nicht mit Hilfe der Technologie gekennzeichnet werden können. 98 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Als Beispiele für kennzeichnungsrelevante Bauteile können Komponenten aus den Bereichen • Aggregatelagerung (Hilfsrahmen, Motorlager, Getriebelager etc.), • Fahrwerk (Querlenker, Stabilisator etc.), • Sicherheitsrelevante Verkleidungen im Innenraum (B-Säule etc.) und • Komfortrelevante Bauteile im Innenraum (Aktuatoren etc.) angeführt werden. Für die Kennzeichnung auf Modulebene eignen sich beispielsweise Zusammenbauteile aus den Bereichen • Antriebsstrang (Motor, Getriebe etc.), • Insassenschutz (Fahrerairbag, Kopfairbag etc.) und • Komfortrelevante Bauteile im Innenraum (Sitz etc.). 3.2.2 Bauteilerfassung Ziel der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation ist die Identifikation verbauter Bauteile im Fahrzeug. Die zugrunde liegende Vision ist entsprechend der Abbildung 3-4 eine Erfassung der mobilen Datenträger bei der Durchfahrt des Fahrzeugs durch ein Gate. Abbildung 3-4: Vision der RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation Dieses Szenario wird im Folgenden als „geschlossenes Fahrzeug scannen“ bezeichnet, ist aber bedingt durch die physikalische Abschirmung und die fast durchgängig geschlossenen Oberfläche des Fahrzeugs, die eine Faradayschen Käfig darstellt (vgl. Kapitel 2.5.6), bereits in der Theorie nicht möglich. Zudem würden für diese Realisierung selbst bei einer durchlässigen Karosserie Lesereichweiten von generell mehr als 2 m benötigt werden. Diese sind aber insbesondere aufgrund der heraus99 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation fordernden physikalischen Rahmenbedingungen nicht zu gewährleisten. Dadurch sind im vorliegenden Einsatzfall Lesekonzepte zur Identifikation von verbauten Komponenten notwendig, bei denen die Antenne nahe am Bauteil positioniert wird. Die technisch einfachste Realisierungsmöglichkeit einer RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation ist die Erfassung der Bauteile vor dem Einbau. Dadurch ist aber die zentrale Bedingung der Bauteilidentifikation im verbauten Zustand nicht erfüllt und aus Sicht der Erfassung ist kein Mehrwert gegenüber der BarcodeIdentifikation vorhanden. Zwischen diesen beiden Extremszenarien der Bauteilidentifikation ergeben sich entsprechend Abbildung 3-5 zwei Mischformen, die das Potenzial haben, die RFIDgestützte Bauzustandsdokumentation zu ermöglichen. Vision „geschlossenes Fahrzeug scannen“ „offenes Fahrzeug scannen“ „Scanpunkte“ „Teileidentifikation“ Technologiesicherheit aut. Identifikation unabhängig vom menschl. Pflegeverhalten Abbildung 3-5: Erfassungskonzepte zur Identifikation von Bauteilen in der Automobilindustrie 3.2.2.1 Szenario „offenes Fahrzeug scannen“ Das Erfassungsszenario „offenes Fahrzeug scannen“ sieht vor, dass die Identifikation der Komponenten manuell mit Hilfe einer Einzelantenne bei stehendem Fahrzeug, geöffnetem Motorraum sowie geöffneter Türen und geöffneter Heckklappe erfolgt. Dadurch kann die Antenne sehr nah an den jeweiligen gekennzeichneten Bauteilen vorbei geführt werden und die Lesewahrscheinlichkeit wird erheblich ver100 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation bessert (vgl. Abbildung 3-6). Zudem kann durch eine Rückmeldung der erfassten Bauteile an den Bediener und durch mehrmaliges Überstreichen der kritischen Partien eine hohe Lesesicherheit erreicht werden. Abbildung 3-6: Szenario „Offenes Fahrzeug scannen“ Im Vergleich zum technisch nicht realisierbaren Szenario „geschlossenes Fahrzeug scannen“ steigt der manuelle Aufwand, aber speziell im Innenraum ist die Erfassung der Bauteile durch das Konzept technisch realisierbar. Im Bereich des Motorraums hingegen ist trotz der geöffneten Motorklappe der Abstand zu den gekennzeichneten Bauteilen, beispielsweise den Motornebenaggregaten, sehr groß, und die technische Machbarkeit muss aufgrund der theoretisch nicht bewertbaren Reflexionseffekte im praktischen Versuch detailliert evaluiert werden. Dieses Konzept ist langfristig in der Produktion mit Hilfe eines Roboters automatisierbar, wodurch sich der manuelle Aufwand reduzieren lässt. 3.2.2.2 Szenario „Scanpunkte“ Beim Szenario „offenes Fahrzeug scannen“ wird mit Hilfe einer handelsüblichen RFID-Antennen gearbeitet, die sich durch eine Größe von circa 30 x 30 cm auszeichnet. Diese Bauform ist daher nicht geeignet, um in engen Fahrzeugbauräumen, wie beispielsweise im Motorraum, aber auch bei Sensoren und Aktuatoren unter dem Sitz nahe an das zu identifizierende Objekt zu gelangen. Aus diesem Grund ist im Rahmen der Arbeit das Erfassungsszenario „Scanpunkte“ erarbeitet worden. Dies zeichnet sich durch die Verwendung einer sehr kompakten Antenne aus, die in die 101 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation engen Bauräume eingebracht und nah an den jeweiligen Bauteilen platziert werden kann (vgl. Abbildung 3-7). Abbildung 3-7: Szenario „Scanpunkte“ Relativ zum Szenario „offenes Fahrzeug scannen“ erhöht sich der Aufwand zur Bauteilerfassung. Durch die Möglichkeit, die Antenne nahe am Bauteil zu positionieren, ist eine hohe Lesewahrscheinlichkeit erreichbar. Als Einsatzgebiet für das Erfassungskonzept ist vorwiegend der Motorraum zu nennen. Da derzeit für das Szenario keine geeignete Antennenbauform auf dem Markt erhältlich ist, wird eine Konzeptentwicklung für die Antenne erforderlich. Das Verfahren ist darüber hinaus analog zum vorhergehenden Szenario langfristig mit Hilfe eines Roboters automatisierbar. 3.2.2.3 Zusammenfassung und Fazit Mit den Szenarien „offenes Fahrzeug scannen“ und „Scanpunkte“ liegen Erfassungskonzepte für im Fahrzeug verbaute und mit RFID gekennzeichnete Bauteile vor, die aus theoretischer Sicht Chancen für eine hohe Leserate im vorliegenden Anwendungsfall bieten. Durch den beträchtlichen Aufwand einer Identifikation mit Hilfe einer kompakten Antenne und so genannten Einstichpunkten ist eine Bauteilerfassung mit einer handelsüblichen Patchantenne vorzuziehen. Dabei ist aber speziell die Erfassung von Bauteilen im Motorraum durch den konzeptbedingten relativ großen Abstand zwischen Bauteil und Transponder beim Szenario „offenes Fahrzeug scannen“ nicht zwangsweise gegeben. Deshalb muss in praktischen Evaluierungen gezeigt werden, wie leistungsfähig das Konzept ist und in wie weit die Identifikation mit Hilfe des Szenarios „Scanpunkte“ unterstützt werden kann. 102 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation 3.2.3 Datenhaltung Für die Realisierung einer durchgängigen Teileverfolgung und Bauzustandsdokumentation gibt das Konzept zur Datenhaltung wesentliche Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des RFID-Systems vor. Entscheidend ist festzulegen, welche Daten zentral in einem IT-System beziehungsweise dezentral auf dem mobilen Datenträger gehalten werden sollen. Die nicht bindende VDA-Empfehlung 5005 „Vor- und Rückverfolgbarkeit von Fahrzeugteilen und Identifizierbarkeit ihrer technischen Ausführung“ schlägt vor folgende Daten auf der technischen Kennzeichnung zu speichern [VDA-05]: • Weltweit eindeutige Lieferantenkennung • Serialnummer des Lieferanten • Sachnummer mit Änderungsstand Speziell unter dem Gesichtpunkt des Datenschutzes ist die dezentrale Datenhaltung aber zur Anwendung in der automatischen Bauzustandsdokumentation nicht geeignet, da die Daten auf dem mobilen Datenspeicher bei Verbleib am Bauteil jederzeit ausgelesen werden können. Durch kryptografische Maßnahmen können die Daten nicht geschützt werden, da dazu ein komplexer Mikrochip mit hohem Energiebedarf eingesetzt werden müsste, wodurch die Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems stark vermindert würde (vgl. Kapitel 2). Ebenfalls ergibt sich durch die dezentrale Speicherung der Daten auf dem mobilen Datenspeicher im Bereich der Bauzustandsdokumentation kein Vorteil, da alle Daten zur Dokumentations- und Rückverfolgbarkeitszwecken auch aus rechtlichen Gründen zentral gehalten werden müssen. Somit würde lediglich eine redundante Datenhaltung entstehen. Anders ist dies bei einer ausschließlichen Fokussierung auf den abgeschlossenen Produktionsprozess. Hier erhöht eine dezentrale Datenspeicherung die Prozesssicherheit durch die Unabhängigkeit von einem zentralen IT-System. Aus den oben genannten Gründen ist daher für die Bauzustandsdokumentation die Datenhaltung entsprechend des EPC-Standards anzustreben. Dieser sieht vor, auf dem Transponder lediglich eine eindeutige Nummer zu speichern und alle bauteilspezifischen Daten entsprechend Abbildung 3-8 zentral zu halten (vgl. Kapitel 2.6.4). 103 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation • Teilespezifische Daten • Identifizierende Nummer (96 Bit) Teilenummer Versuchsnummer Zeichnungsstand etc. Abbildung 3-8: Zentrale Datenspeicherung für die Rückverfolgbarkeit der Bauteile Darüber hinaus steht bei der Verwendung des EPC-Codes bereits ein IT-Netzwerk zur weltweiten Rückverfolgbarkeit der Bauteile zur Verfügung. Für die Durchsetzung des EPC in der Automobilindustrie spricht zudem der Beitritt der Daimler AG in das Netzwerk, so dass davon auszugehen ist, dass andere große Hersteller folgen werden. Durch die zentrale Datenhaltung ergibt sich zudem eine erhöhte Leistungsfähigkeit des RFID-Systems (vgl. Kapitel 2.6.4). Im EPC-Standard ist bereits ein Nutzerspeicher vorgesehen, der für Produktionsdaten genutzt werden könnte. Dieser ist nach der obigen Argumentation beim Verbau des Bauteils zu löschen. Zusammenfassend ist für den Einsatz der RFID-Technologie im Bereich der Bauzustandsdokumentation die Speicherung einer eindeutigen Identifikationsnummer auf dem Transponder ausreichend. Trotzdem sollte für die Speicherung von Produktionsinformationen ein Nutzspeicher vorhanden sein, der auf Basis von Expertendiskussionen aus der Automobilindustrie 512 Bit betragen sollte. 3.3 Konzept zur Einführung der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation Der Kostendruck und die Anforderungen an die Prozesssicherheit sind im Bereich der Serienproduktion sehr hoch. Aus diesem Grund ist es auf Basis der derzeitigen Rahmenbedingungen und Bauteilkosten nicht wirtschaftlich, Einzelteile in der Serie mit RFID zu kennzeichnen [STR-05]. In der Automobilindustrie wird sich erst durch eine weitere Reduktion der Produktionskosten von mobilen Datenspeichern bei gleichzeitiger Generierung von Optimierungspotenzialen über alle Wertschöpfungsstufen ökonomisch ein rentabler Return of Invest (ROI) im Produktionseinsatz erge- 104 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation ben. Dieser wird sich in einem ersten Schritt bei dokumentations-, eigenschaftsverantwortlichen und sicherheitskritischen Bauteilen realisieren lassen. [STR-05] hat beispielsweise bei der RFID-Kennzeichnung von Reifen trotz innerbetrieblicher Einsparungen von 0,145 € pro Transponder und Einsparungen im Bereich der Datenerfassung und Dokumentation einen zusätzlichen Kostenüberhang von 0,365 € ermittelt. Ein Einsatz in mehreren Stufen der Wertschöpfungskette ist aufgrund der mangelnden Standardisierung derzeit mit einem erhöhten Abstimmungsaufwand und einer fehlenden Investitionssicherheit verbunden (vgl. Kapitel 2.6). Zusammenfassend ist dadurch der Einsatz von RFID im Bereich der Produktion derzeit nicht wirtschaftlich oder nur in Einzelfällen sinnvoll, in denen sich hohe Potenziale im Bereich der Erfassung, Dokumentation oder Qualitätssteigerung heben lassen. Im Entwicklungsbereich hingegen lässt sich ein größerer finanzieller Nutzen durch die wesentlich höheren Bauteilkosten, aufgrund der Einzelfertigung, und der im Vergleich zur Serie ungeführteren und dadurch intransparenteren Prozesse erreichen. Speziell durch die stetige Bauteilweiterentwicklung, die dadurch bedingte Vielzahl von Bauteilständen und den damit verbunden dynamischen Umbauprozessen im Rahmen der Eigenschaftsentwicklung ist der Dokumentationsaufwand erheblich. Gleichzeitig ist eine hohe Aussagekraft der Versuchsergebnisse nur gegeben, wenn diese den betroffenen Bauteilständen eindeutig zugewiesen werden können. Durch eine Annahme von falschen Bauteilständen oder durch eine notwendige Zerlegung des Fahrzeugs entstehen hohe Kosten, die mit Hilfe der automatischen Erfassung von verbauten Komponenten vermieden werden könnten. In der Entwicklung sind zudem die Anforderungen an die Prozesssicherheit und Erfassungsdauer im Vergleich zum Serienbetrieb wesentlich niedriger. In der Serie ist eine 100 %-ige Technologieverfügbarkeit Voraussetzung für den wirtschaftlichen Einsatz, im Bereich der Entwicklung hingegen können auch längere oder mehrmalige Erfassungsvorgänge in Kauf genommen werden. Aus diesem Grund ist die Einführung der RFID-Technologie aus wirtschaftlichen und auch als technologischen Gründen in der Entwicklung anzustreben. Die Technologie kann dann auf Basis von Technologie- und Preisentwicklung Schritt für Schritt in die aus Prozesssicht anforderungskritischere Serienproduktion über die Produktionsvorserie (PVS) beziehungsweise 0-Serie integriert werden (vgl. Abbildung 3-9). 105 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Des Weiteren werden durch den Einsatz der Technologie im Bereich der Entwicklung wertvolle Erfahrungen gewonnen, die den erfolgreichen Einsatz der Technologie in der Serie erleichtern. Einsatz im Prototypenbereich Einsatz in PVS und 0-Serie Einsatz im Serienbereich Zeit t Abbildung 3-9: Einführungsstrategie für die RFID-Technologie in das Unternehmen 3.4 Festlegung von Referenzbauteilen Wie oben beschrieben, lassen sich nicht alle Bauteile aufgrund wirtschaftlicher und technischer Randbedingungen mit RFID kennzeichnen. Zur Definition der Anforderungen an die maximalen Abmaße der mobilen Datenträger und zur späteren Evaluierung der Leistungsfähigkeit der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation wurden im Rahmen der Arbeit in Arbeitskreisen Referenzbauteile definiert, die sich durch verschiedene • Werkstoffe und • Verbauorte auszeichnen. Hinsichtlich ihres Werkstoffs und dessen Beeinflussung der Leistungsfähigkeit von RFID-Systemen (vgl. Kapitel 2) lassen sich die Fahrzeugbauteile entsprechend Abbildung 3-10 in drei Kategorien einteilen. 106 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Kunststoff Elastomer Metall Wichtige Bauteilgruppen: Wichtige Bauteilgruppen: Wichtige Bauteilgruppen: - Verkleidungen - Dichtungen - Antriebsstrang - Innenraumbauteile - Verschlauchung - Fahrwerk Abbildung 3-10: Einteilung der Fahrzeugbauteile nach Werkstoffgruppen Bezogen auf die Bauteillage lassen sich die zwei Bereiche • Motorraum/Unterflur und • Innenraum unterscheiden. Insgesamt wurden 40 Bauteile aus dem Motorraum und Unterflurbereich sowie dem Innenraum und den drei Werkstoffgruppen ausgewählt, wodurch die Selektion der Bauteile als repräsentativ betrachtet werden kann. Dadurch sind die Anforderungen wie auch die in den folgenden Kapiteln dokumentierte Evaluierung der Leistungsfähigkeit auf den allgemeinen Einsatz der Technologie zur Bauzustandsdokumentation übertragbar. In Abbildung 3-11 sind die ausgewählten Bauteile aufgelistet. Aufgrund der komplexeren Umgebungsbedingungen und der Vielzahl an metallischen Bauteilen stammen 22 der 40 gekennzeichneten Bauteile aus dem Bereich Motorraum und Fahrzeugunterflur. 107 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Vorderwagen/Unterflur Motorraum / Unterflur Zelle Innenraum / Innenraum Motor / Nebenaggregate / Antriebsstrang Motor (m) Generator (m) Vakuumpumpe (m) Klimakompressor (m) Anlasser (m) Getriebe (m) Ladeluftkühler Aggregatelagerung Motorlager Motorlagerkonsole (m) Motorstütze (m) Hilfsrahmen (m) Motorkühlung / -schmierung Kühlerlüfter Ölwanne (m) Bremssystem Bremskraftverstärker (m) Leuchten Scheinwerfer Verschlauchung Luftschlauch Ladeluftkühler Fahrwerk Dämpferbein (m) Führungslenker (m) Schwenklager (m) Stabilisator (m) Karosserie Rohkarosserie (m) Pralldämpfer Stossfänger (m) Verkleidungen Verkleidung A-Säule oben Verkleidung A-Säule unten Formhimmel Innenausstattung Tür Türverkleidung Motor Fensterheber Seitenaufprallverstärkung Sitze Sitzwanne (m) Grundkörper Lehne (m) Schaumteil Sitzwanne Motor für Sitzlängsverstellung (m) Insassenschutz Beifahrerairbag (m) Kopfairbag (m) Gurtstraffer Heizung Wärmetauscher Lenkung Lenksäule (m) Dichtungen Fahrertürdichtung Cockpit Schalttafel Kraftstoffanlage Kraftstoffbehälter (m) = Bauteile aus Metall Abbildung 3-11: Repräsentative Bauteile für die Bauzustandsdokumentation 3.5 Anforderungen an die RFID-Technologie Die technischen Anforderungen für den Einsatz der RFID-Technologie in der Bauzustandsdokumentation lassen sich in drei Gruppen einteilen: • Anforderungen an die Bauteilkennzeichnung • Anforderungen an die Bauteilerfassung • Anforderungen zur Langzeitstabilität Des Weiteren existieren auch wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Für deren Berücksichtigung ist eine konkrete Prozessbetrachtung und -gestaltung sowie eine Potenzialabschätzung über die gesamte Wertschöpfungskette erforderlich. Dies kann im Rahmen der Arbeit, aufgrund des technischen Fokus, nicht geleistet werden und wird demzufolge hier vernachlässigt und muss im Rahmen einer weiterführenden Forschungsarbeit gesondert betrachtet werden. 108 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation 3.5.1 Anforderungen an die Bauteilkennzeichnung Für den Einsatz der RFID-Technologie zur Kennzeichnung von Bauteilen und deren Erfassung im verbauten Zustand sind aus technischer Sicht zahlreiche Anforderungen zu berücksichtigen. Zentrale Voraussetzung ist dabei, dass durch die Kennzeichnung die Eigenschaften des Fahrzeugs nicht verändert werden dürfen. Auf dieser Basis ergeben sich Forderungen an das Gewicht und die Höhe des mobilen Datenträgers. In Absprache mit Experten aus der Automobilindustrie sind dabei eine Aufbauhöhe von weniger als 1 mm und ein Gewicht von maximal 6 g pro Transponder anzustreben. Speziell im Motorraum würde sich beispielsweise durch eine größere Aufbauhöhe eine Veränderung der Motorraumströmung und dadurch der Motorkühlung ergeben. Des Weiteren müssen die eigenschaftsbestimmenden Bauteile am Fahrzeug unabhängig vom Werkstoff gekennzeichnet werden können (vgl. Werkstoffgruppen in Abbildung 3-10). Analysiert man aber die Geometrie und Flächen der im Kapitel 3.3 ausgewählten repräsentativen Bauteile eines Fahrzeugs im Bereich des Fahrwerks, des Antriebsstrangs und des Innenraums, so ergibt sich durch die zumeist längliche Ausdehnung der Komponenten die Forderung nach einer länglichen Form des Transponders mit Abmaßen von unter 100 x 20 mm. Da viele Bauteile aber nicht über eine planare Fläche in diesen Dimensionen verfügen, muss zudem die Aufbringung des Datenträgers auf gekrümmten Flächen möglich sein. Aus Sicht der Datenspeicherung ergibt sich auf Basis des erläuterten Konzepts zur Datenhaltung die Anforderung, dass für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation lediglich eine eindeutige Nummer gespeichert werden muss. Um aber darüber hinaus das Potenzial für einen weiteren Einsatz in der vorhergehenden Logistik- und Produktionskette zu ermöglichen, ist ein Nutzspeicher von 512 Bit, und damit von 64 Zeichen, anzustreben. Als generelle Anforderung an die Technologie müssen die Transponder darüber hinaus für den vorliegenden Anwendungsfall pulkfähig, wiederbeschreibbar, weltweit einsetzbar und zukunftsfähig sein. Zusammenfassend ergeben sich für die Kennzeichnung von im Fahrzeug verbauten Bauteilen mit Hilfe der RFID-Technologie folgende in Tabelle 3-1 dargestellte Anforderungen. 109 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Tabelle 3-1: Anforderungen an die RFID-Technologie zur Kennzeichnung von Fahrzeugbauteilen Anforderung Wert Generelle Anforderungen Pulkfähigkeit Zukunftsfähig Wiederbeschreibbar Weltweit einsetzbar --------- Applikationsuntergrund Metall Kunststoff Elastomer ------- Geometrie Länge Breite Höhe < 100 mm < 20 mm < 1 mm Gewicht Anbringung Applizierung auf gekrümmten Flächen Speicherbedarf Eindeutige Nummer zur Bauteilidentifizierung Nutzspeicher für die Produktion <4g --- 96 Bit 512 Bit 3.5.2 Anforderung an die Bauteilerfassung Die Erfassung von verbauten Komponenten gestaltet sich aufgrund der herausfordernden metallischen Fahrzeugumgebung äußerst schwierig. Deshalb sind im Rahmen der Arbeit mit den Identifikationskonzepten „offenes Fahrzeug scannen“ und „Scannpunkte“ zwei Szenarien erarbeitet worden, die das Potenzial haben die Erfassung der verbauten Bauteile gewährleisten zu können. Als Forderung ist dabei eine Leserate von 100 % bezogen auf die ausgewählten Bauteile mit Hilfe eines Erfassungskonzepts oder durch die Kombination der beiden Konzepte sicher zu stellen. Durch die repräsentative Auswahl der Bauteile hinsichtlich Lage und Werkstoff kann darauf aufbauend das Ergebnis auf alle Fahrzeugbauteile –mit Ausnahme der Komponenten der Sondergruppen Abgasanlage und metallischumschlossen verbaute Bauteile – übertragen werden. Betrachtet man den zu realisierenden Abstand zwischen den Referenzbauteilen und der Leseantenne bei den beiden Identifikationskonzepten, so ergeben sich die in 110 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Tabelle 3-2 dargestellten Anforderungen an die Lesereichweite für das RFID-System. Die Antennengröße bedingt dabei beim Identifikationsszenario „offenes Fahrzeug scannen“ vor allem im Bereich des Motorraums Abstände von bis zu 1m zum Bauteil, da die Antenne nicht in den Motorraum eingebracht werden kann. Tabelle 3-2: Anforderungen an die RFID-Technologie zur Erfassung von verbauten Bauteilen Anforderung Generelle Anforderungen Leserate Wert 100% Szenario "offenes Fahrzeug scannen" Reichweite Innenraum Reichweite Motorraum ~ 0,5 m ~1m Szenario "Scanpunkte" Reichweite Motorraum ~ 0,2 m 3.5.3 Anforderungen an die Langzeitstabilität Neben den technischen Anforderungen zur Kennzeichnung und Erfassung der mobilen Datenträger ergeben sich zahlreiche weitere Forderungen, die den Verbleib der Transponder am Bauteil während des gesamten Produktlebenszyklus betreffen. Die durchschnittliche Fahrzeuglebensdauer beträgt 12-15 Jahre [EUR-07], wodurch beim Einsatz der RFID-Technologie in der Serie die Funktionalität des Transponders mindestens für diesen Zeitraum gewährleistet sein muss. Dabei treten insbesondere im Motorraum und Unterflur des Fahrzeugs große thermische, mechanische und chemische Belastungen auf. Im Innenraum hingegen sind die Belastungen geringer, so dass diese unter den Anforderungen an die RFIDTechnologie in den regulären Anwendungsfällen in der Logistik – beispielsweise im Behältermanagement – liegen. Somit sind die kritischen Rahmenbedingungen für die Langzeitstabilität im Motorraum beziehungsweise Unterflur zu finden. Für die Langzeitstabilität der mobilen Datenträger ergeben sich folgende in Tabelle 3-3 dargestellten Anforderungen. 111 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Tabelle 3-3: Anforderungen an die Langzeitstabilität der mobilen Datenträger Anforderung Generelle Anforderungen Lebensdauer Temperaturstabilität Innenraum Motorraum Hohe Temperaturwechselstabilität Mechanische Stabilität Vibrationsstabilität (Motorraum) Dehnstabilität (Elastomer) Stabilität gegen Steinschläge (Unterflur) Wert > 15 Jahre 100° C 180° C –40° C bis 180° C bis zu 20 g ----- Chemische Stabilität Beständigkeit gegen Schmierstoffe (Motorraum) Beständigkeit gegen Salzwasser (Motorraum/Unterflur) ----- Aufgrund der Komplexität und Intensität der Belastungen ist neben dem Nachweis der Stabilität mittels genormter Prüfverfahren (DIN IEC 68) eine Integration der Transponder in Dauerlauf- und Belastungsuntersuchungen in der Fahrzeugentwicklung anzustreben, um die Erfüllung der Langzeitstabilität sicher zu stellen. Bereits unter anderen Rahmenbedingungen durchgeführte Belastungsuntersuchungen durch [IBF-04] zeigen aber, dass handelsübliche Smart-Labels das Potenzial haben, die mechanischen und chemischen Anforderungen zu erfüllen. Zusätzlich kann durch speziell beschichtete Trägermaterialien die Stabilität verbessert werden, da diese in der Regel das schwächste Glied im Gesamtsystem des Transponders darstellen. Hinsichtlich der thermischen Belastungen sind bereits Transponder in Etikettenform mit spezifischen Trägermaterialien auf dem Markt, die einer Belastung von 200° C für eine Stunde standhalten [SRE-08], so dass auch die Forderung nach einer Temperaturstabilität bis 180° C durch Wahl eines geeigneten Trägermaterials erfüllbar scheint. Die Evaluierung der Langzeitstabilität der mobilen Datenträger ist aber nur mit intensiven praktischen Tests zu realisieren und erfordert gegebenenfalls eine weitere Technologiequalifizierung. Dies ist im Rahmen der Arbeit nicht zu leisten und muss mit Hilfe von nachfolgenden Forschungsarbeiten detailliert untersucht werden. 112 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation 3.6 Festlegung der Energieversorgung und der Arbeitsfrequenz Auf Basis der im vorherigen Abschnitt aufgestellten Anforderungen gilt es im Folgenden die beiden für die Leistungsfähigkeit des RFID-Systems charakteristischen Merkmale Energieversorgung und Arbeitsfrequenz (vgl. Kapitel 2.3) festzulegen, damit im Anschluss die zentralen Handlungsfelder zur Technologiequalifizierung im Anwendungsfall aufgezeigt werden können. 3.6.1 Energieversorgung Die Forderung nach einer Aufbauhöhe von weniger als 1mm bei einem Gewicht unter 4 g bedingt zwangsläufig den Einsatz von passiven Datenträgern. Aktive Transponder können durch die integrierte Batterie diese Anforderungen nicht erfüllen. Zudem besitzt die integrierte Energieversorgung eine begrenzte Lebensdauer, die im vorliegenden Anwendungsfall nicht hinzunehmen ist (vgl. Kapitel 3.5.3.) 3.6.2 Arbeitsfrequenz Aufbauend auf der in Kapitel 2 erläuterten Grundlagen existieren in allen vier Frequenzbereichen LF, HF, UHF und SHF passive Systeme, wodurch grundsätzlich hinsichtlich der Bauart alle für die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation geeignet sind und in die Auswahl der Arbeitsfrequenz mit einbezogen werden. Die im vorherigen Abschnitt ermittelten generellen Anforderungen und die Erwartungen an die Lesereichweite werden elementar durch die Arbeitsfrequenz bestimmt, wodurch sie die entscheidenden Kriterien für die Auswahl darstellen. Die Anforderungen hinsichtlich Speicherbedarf oder Baugröße werden durch den applizierten Mikrochip beziehungsweise durch die Bauform bestimmt. Dadurch können sie für die Auswahl der Arbeitsfrequenz vernachlässigt werden. Für die genannten zentralen Anforderungen ergibt sich dabei auf Basis der in Kapitel 2 erläuterten Grundlagen und Eigenschaften für die verschiedenen Frequenzbereiche, die in Tabelle 3-4 dargestellte Eignung für den Anwendungsfall 113 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Tabelle 3-4: Eignung der verschiedenen Arbeitsfrequenzen für die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Generelle Anforderungen Pulkfähigkeit Zukunftsfähig Wiederbeschreibbar Weltweit einsetzbar LF HF UHF SHF + ++ + + ++ ++ ++ ++ ++ + ++ ++ + + ++ ++ ++ ++ ++ ++ Reichweite > 0,2 m > 0,5 m >1m Systeme aus dem LF-Frequenzbereich sind aufgrund der geringen Datenübertragungsrate und der daraus resultierenden geringen Leistungsfähigkeit unter anderem nicht pulkfähig. Zudem sind diese Systeme im Regelfall nur auf geringe Reichweite von wenigen Zentimeter ausgelegt, wodurch auch die Anforderung an die Lesereichweite nicht erfüllbar ist. Insgesamt kann die Frequenz durch ihre physikalisch bedingt geringe Leistungsfähigkeit auch als nur eingeschränkt zukunftsfähig für den logistischen Bereich betrachtet werden. Somit ist die LF-Frequenz für die Bauzustandsdokumentation nicht geeignet. Ebenfalls nicht pulkfähig sind passive Systeme aus dem SHF-Bereich. Außerdem müssen die gespeicherten Informationen durch die Fixcodierung auf dem Substrat bereits bei der Transponderproduktion festgelegt werden. Die Transponder sind nicht beschreibbar und deshalb für den Einsatz im Anwendungsfall nicht geeignet. HF- und UHF-Systeme hingegen können alle für die Frequenzauswahl wesentlichen Anforderungen erfüllen und sind prinzipiell für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation geeignet. Speziell die höhere Datenübertragungsrate und resultierende leistungsfähigere Pulkfähigkeit sprechen für das größere Potenzial des UHFFrequenzbereichs vor allem auch in vorgelagerten logistischen Prozessen. Zudem sind durch das elektromagnetische Kopplungsprinzip im Vergleich zum induktiven HF-System größere Reichweiten zu erzielen, was insbesondere bei der Identifikation von tief verbauten Komponenten eine Rolle spielt. Ebenfalls für die UHF-Technologie sprechen die günstigeren Herstellungskosten, da die Antenne mittels Druckverfahren produziert werden kann. Die aktuelle Marktsitua- 114 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation tion zeigt, dass sich die UHF-Technologie aufgrund der oben genannten Gründe speziell im logistischen Bereich und bei der direkten Kennzeichnung von Produkten vermehrt durchsetzt. So ist beispielsweise die Metro AG von ihrem ursprünglichen Vorhaben, ihre Handelswaren langfristig mit HF-Transponder zu kennzeichnen, abgewichen und nutzt zukünftig die UHF-Technologie [LEB-08]. Ebenfalls auf die UHFTechnologie setzt der Verein der deutschen Automobilindustrie (VDA) bei seiner Empfehlung für Behältermanagement [VDA-05a]. Insgesamt kann die UHF-Technologie als zukunftsträchtiger für die Einzelteilkennzeichnung beurteilt werden und ist somit die für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation am besten geeignete Frequenz. 3.7 Zentrale Herausforderungen und Handlungsfelder Die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation steht vor zwei zentralen Herausforderungen: • Sämtliche kennzeichnungsrelevanten Bauteile müssen unabhängig von ihrem Werkstoff gekennzeichnet werden. • Die Erfassung der gekennzeichneten Bauteile muss im verbauten Zustand ermöglicht sein. 3.7.1 Bauteilkennzeichung Durch den direkten Einfluss des Applikationsuntergrunds auf den Transponder und dessen Resonanzfrequenz legt dieser im Wesentlichen die Leistungsfähigkeit und dadurch auch die Kennzeichnungsfähigkeit fest. In Abbildung 3-12 ist beispielhaft die Auswirkung verschiedenster Applikationsuntergründe auf die Lesereichweite von passiven UHF-Systemen dargestellt. 115 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Applikationsuntergrund Stoffdurchdringung Abbildung 3-12: Lesereichweite von UHF-Systemen in Abhängigkeit von Applikationsuntergrund und Material in der Luftstrecke (Ausgangsreichweite 5,24 m) [MAN-06] Im Fahrzeug lassen sich hinsichtlich des Werkstoffs der zu kennzeichnenden Bauteile entsprechend Abbildung 3-10 drei Gruppen bilden, für die jeweils ein Kennzeichnungskonzept gefunden werden muss: Kunststoff-, Elastomere- und Metallbauteile. Für die Werkstoffgruppen Elastomere und Kunststoff existieren bereits Umsetzungen auf dem Markt, so dass technische Konzepte für die Kennzeichnung dieser Materialien vorhanden sind. Beispielhaft für Elastomere lässt sich der sogenannte „Tire Tag“ anführen. Dieser wurde für die direkte Einvulkanisierung in Reifen und deren Nachverfolgbarkeit entwickelt. 116 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation Abbildung 3-13: Nachverfolgbarkeit von Reifen mit Hilfe der RFID-Technologie [PNE-09] Kunststoff ist der Standard-Applikationsuntergrund beim RFID-Einsatz im Behältermanagement. Dieses Einsatzszenario ist bereits vielfältig wissenschaftlich untersucht und im Rahmen von zahlreichen Umsetzungen in der Praxis angekommen [BAC-06, DES-05, FLO-09, IML-09, RHE-08, RIB-09]. Während für Kunststoff- wie auch Elastomereobjekte auf dem Markt Transponder verschiedenster Bauformen - unter anderem flache Smart Labels - existieren, ist die direkte Kennzeichnung von Metall ohne Anpassung nicht möglich (vgl. Abbildung 3-12). Hier existieren zwar einzelne Lösungen für spezifische Anwendungsfälle, die generelle Kennzeichenbarkeit von metallischen Gegenständen ist aber nicht gegeben. Dem zu Folge fokussiert sich die Arbeit im Bereich der Bauteilkennzeichnung auf technische Lösungskonzepte zur Kennzeichnung von metallische Bauteilen. Dazu werden in Kapitel 4 die derzeit bekannten Möglichkeiten zur Kennzeichnung metallischer Objekte und deren Leistungsfähigkeit aufgezeigt sowie für das vorliegende Einsatzszenario qualifiziert. 117 3 RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation 3.7.2 Bauteilerfassung im verbauten Zustand Die technische Machbarkeit der Erfassung von mobilen Datenträgern in metallischer Umgebung ist aufgrund deren Einfluss auf die Systemleistungsfähigkeit – verstärkt durch die Entstehung von Leselöchern – nicht auf Basis theoretischer Überlegungen nachzuweisen. Des Weiteren existiert im Rahmen der Forschung oder in der praktischen Umsetzung kein vergleichbares Projekt mit einer ähnlichen Komplexität. Aus diesem Grund kann nicht auf einem bereits vorhandenen Wissensstand aufgebaut werden. Somit gilt es die Leistungsfähigkeit und die mögliche Leserate aufbauend auf den Kennzeichnungs- und Erfassungskonzepte detailliert im praktischen Test zu evaluieren. Dazu wird im Kapitel 5 die Leistungsfähigkeit des Szenarios „offenes Fahrzeug scannen“ hinsichtlich der Erfassung von verbauten Bauteilen im Fahrzeug evaluiert, während sich Kapitel 6 der Antennengestaltung und Evaluierung für das Szenario „Scanpunkte„ widmet. 118 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Ein Großteil der eigenschafts- und funktionsbestimmenden sowie sicherheitsrelevanten Bauteile im Fahrzeug bestehen aus Metall. Deshalb ist es zwingend erforderlich, für den Einsatz der RFID-Technologie zur automatisierten Bauzustandsdokumentation die Applikation der Transponder auf Metall zu ermöglichen. Für ein besseres Verständnis und als Grundlage für die Qualifizierung der RFIDTechnologie zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen werden zu Beginn dieses Kapitels die dabei wesentlichen physikalischen Einflüsse auf Basis der bereits beschriebenen physikalischen Grundlagen erläutert. Darauf aufbauend erfolgt im Anschluss eine Vorstellung von derzeit am Markt vorhandenen Konzepten zur Kennzeichnung leitfähiger Materialien sowie eine praktische Bewertung deren Leistungsfähigkeit. Auf Grundlage dieser Evaluierung und der ermittelten Anforderungen für den Einsatz der Technologie im Bereich der Bauzustandsdokumentation wird ein geeignetes Konzept ausgewählt und weiter qualifiziert sowie die technische Machbarkeit bezogen auf die Anforderungen nachgewiesen. Der Aufbau des Kapitels ist in Abbildung 4-1 zusammengefasst. 119 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Theoretische Grundlagen zur Kennzeichnung von metallischen Objekten Kap. 4.1 Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Objekten Kap. 4.2 Evaluierung der Leistungsfähigkeit Kap. 4.3 Konzeptauswahl zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Kap. 4.4 Nachweis der technischen Machbarkeit Kap. 4.5 Zusammenfassung und Fazit Kap. 4.6 Abbildung 4-1: Aufbau des Kapitels Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.1 Theoretische Grundlagen zur Kennzeichnung von metallischen Objekten Die physikalischen Rahmenbedingungen bei der Kennzeichnung von metallischen Bauteilen werden im Wesentlichen durch das Verhalten von elektromagnetischen Wellen an Grenzflächen und die Verstimmung von elektrischen Komponenten festgelegt. Diese beiden Effekte werden im Folgenden kurz beschrieben. 4.1.1 Verhalten von elektromagnetischen Feldern an metallischen Grenzflächen Das Verhalten von elektromagnetischen Wellen an der Grenzfläche zwischen Luft und einem Metall wird im Rahmen dieses Abschnittes zuerst auf Basis eines ideal leitfähigen Materials43 dargestellt und im Anschluss auf reale Metalle übertragen. 43 Gilt näherungsweise für Metalle wie Kupfer und Silber. 120 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Ideal leitfähige Materialien sind durch eine unendlich hohe Permittivität ε gekennzeichnet, wodurch das elektrische Feld einer auftreffenden Welle auf Basis der Maxwellschen Gleichung an deren Oberfläche zu Null wird (vgl. Formel (2-13)). Des Weiteren ergibt sich durch die Maxwellschen Gleichungen, dass keine zeitlich veränderlichen Magnetfelder in der Oberfläche und im Metall existieren. Für die elektromagnetischen Felder an der Grenzfläche zu Metall gelten somit auf Basis der Formel (2-13) folgende Randbedingungen (in Anlehnung an [HET-08]): En = ρ ε Bn = 0 Et = 0 Ht = (4-1) Bt µ Die Normalkomponente des elektrischen Feldes und die Tangentialkomponente des magnetischen Feldes fallen an der Grenzfläche sprunghaft auf Null ab, während die Tangentialkomponente des E-Feldes und die Normalkomponente des B-Feldes stetig zur Grenzfläche hin absinken [HET-08] (siehe Abbildung 4-2). Ein Dipol, der wie im Kapitel 2.4.3.3 gezeigt, im Wesentlichen seine Energie aus der Tangentialkomponente des elektrischen Feldes gewinnt, kann dadurch nicht mehr mit Energie versorgt werden, wodurch eine Erfassung des Transponders auf der Grenzfläche unmöglich wird. Bei realen Metallen mit endlicher Permittivität kann ein kleiner Teil des elektromagnetischen Feldes in das Objekt eindringen und die Feldkomponenten verschwinden im Vergleich zum idealen Leiter nicht vollständig an der Oberfläche. Durch den hohen Anteil an freien Ladungsträgern in Metallen, die durch das elektromagnetische Feld zur Schwingung angeregt werden, ist die Dämpfung sehr hoch, so dass die Eindringtiefe insgesamt nur wenige Mikrometer beträgt [HET-08] (siehe Abbildung 4-2). 121 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Abbildung 4-2: Verlauf der tangentialen (t) und normalen (n) E- und B-Felder an einem idealen(---) und einem realen elektrischen Leiter ( ) ([HET-08]) Durch die starke Abnahme der Tangentialkomponente des E-Feldes vor der Metalloberfläche ergibt sich bei realen Metallen eine stark verminderte Leistungsfähigkeit der Transponder in unmittelbarer Nähe durch eine reduzierte Leistung an der Antenne, wodurch der Betrieb eines mobilen Datenspeichers stark eingeschränkt wird. Die Metallart und die Dicke des Objekts haben aufgrund der grundsätzlich hohen Permittivität von Metallen lediglich einen sehr geringen und daher vernachlässigbaren Einfluss. Dies hat zur Konsequenz, dass die oben beschriebenen Effekte an der Grenzfläche zu jedem metallischen Objekt annähernd identisch auftreten. 4.1.2 Verstimmung des Transponders Die Verstimmung eines Transponders in metallischer Umgebung wird beispielhaft an einer Dipolantenne erläutert, die den Großteil der Kopplungselemente von mobilen Datenträgern im UHF-Frequenzbereich repräsentieren. Das erläuterte Verhalten ist auf alle weiteren Antennenarten übertragbar. In der theoretischen Betrachtung ist ein Dipol ein aufgebogener Schwingkreis, bestehend aus einem Kondensator und einer Spule. Die beiden Endbereiche des Dipols stellen die Kondensatorflächen, die Dipolmitte die Spule dar. Für eine optimale Energieausbeute durch einen hohen Antennengewinn und die damit verbundene Leistungsfähigkeit des Transponders muss der Schwingkreis mit der gleichen Frequenz 122 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen wie die elektromagnetische Welle des (Schreib-/)Lesegerätes schwingen, also in Resonanz gebracht werden (vgl. Kapitel 2.4). Abbildung 4-3: Typischer Aufbau eines UHF-Transponders mit Stellen möglicher Beeinflussung Befindet sich im Bereich der Antennenenden, also dem kapazitiven Teil des Dipols (vgl. Abbildung 4-3 a)) eine metallische Fläche, so kommt es zu einer Sekundärkapazität, auch „Dachkapazität“ genannt. Dieser Effekt wird häufig in der Funktechnik angewandt, um eine Antenne elektrisch zu verlängern und somit eine zu kurze Antenne an die Wellenlänge des Funksignals anzupassen. Eine ungepasste Antenne wird dadurch in metallischer Umgebung durch die Sekundärkapazität elektrisch zu lang. Die für einen optimalen Wirkungsgrad der Antenne notwendige Resonanzfrequenz und damit der Antennengewinn sinken. Dies hat einen direkten stark negativen Einfluss auf die Lesereichweite des Transponders. Des Weiteren ergibt sich durch metallische Objekte, insbesondere durch stromdurchflossene Leiter, in der Nähe des mobilen Speichers eine Beeinflussung der Impedanz der Antenne, die im Wesentlichen durch die Anpasselemente, die im Bereich b) und c) angeordnet sind, bestimmt wird. Dadurch sinkt entsprechend Kapitel 2.4.3.3 der Wirkungsgrad der Schaltungen auf dem Transponder durch die entstehende Blindleistung. Dies wirkt sich ebenfalls stark negativ auf die Lesereichweite aus. Wird der Transponder direkt ohne Isolierung auf einer metallischen Leitfläche angebracht, kommt es sogar zum Kurzschluss der Antenne, da diese mit dem leitfähigen Objekt direkt verbunden wird. Eine Energieaufnahme und Erfassung wird so unmöglich. Eine metallische Umgebung in direkter Nähe des mobilen Datenträgers wirkt sich zusammenfassend durch deren Einfluss auf den Wirkungsgrad der Antenne stark negativ auf die Lesereichweite aus, bis hin zur Nichterfassung bei direkter Aufbringung auf einem elektrisch leitfähigen Objekt. 123 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.2 Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Objekten Die direkte Kennzeichnung von metallischen Objekten mit Hilfe von Smart Labels ist auf Basis der oben dargestellten physikalischen Grundlagen nicht möglich. Die Lesbarkeit des mobilen Datenträgers auf metallischen Untergrund ist somit nur gewährleistet, wenn der Transponder entweder vom Untergrund entkoppelt wird oder die Leitfähigkeit der Metalloberfläche als Antenne genutzt wird. Aufgrund des Verhaltens von elektromagnetischen Wellen an Grenzflächen ist generell durch das abgeschwächte Feld in unmittelbarer Nähe zum metallischen Objekt mit deutlichen Leistungsverlusten zu rechnen. Derzeit existieren aufbauend auf den physikalischen Rahmenbedingungen folgende vier Methoden, die es erlauben einen Transponder auf einer metallischen Oberfläche auszulesen (siehe Abbildung 4-4): (1) Befestigung des Transponders mit Abstand zum metallischen Objekt unter Verwendung von a) Luft (bedingt einen Hartplastik-Transponder), b) Schaumstoff oder c) Absorbermaterialien als Abstandsmaterial (2) Aufbringung des Transponder als Flag Tag (3) Integration der Antenne in das metallische Objekt mit Hilfe eines Schlitzes (4) Gestaltung und Auslegung der Transponderantenne als PiFA44-Antenne mit metallischem Untergrund zur Abschirmung des Hintergrunds 44 PIFA = Planar Inverted F Antenna 124 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Transponder Metallisches Objekt 1 a b Hardplastik-Ummantelung 2 3 c Schaumabsorber Konstruktiver Schlitz Absorbermaterial 4 Transponder-Chip Flag-Tag Kupfer Transponder-Chip Abbildung 4-4: Prinzipielle Funktionsweise der möglichen Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Die dargestellten Konzepte werden im Folgenden detailliert beschrieben. 4.2.1 Konzept Abstandsmaterial Der Einfluss des Metalls auf die Leistungsfähigkeit eines Transponders nimmt mit zunehmendem Abstand zum leitfähigen Material ab. Im Vorfeld der Arbeit durchgeführten Testreihen (vgl. Abbildung 4-5) zeigen, dass bereits ab einem Abstand von 3 mm zum metallischen Applikationsuntergrund Transponder mit geringer Reichweite erfasst werden können. Ab einem Abstand von circa 10 mm, der je nach Tagabstimmung und -art variiert, können teilweise mit einem auf idealen Applikationsuntergrund (Kunststoff) aufgebrachten Transponder vergleichbare Reichweiten erzielt werden. Insgesamt gilt, je größer Abstand des Transponders zum metallischen Objekt, desto geringer ist die Beeinflussung und die Leistungsreduktion (vgl. Kapitel 4.1.1). 125 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Maximale Lesereichweite bezogen auf Referenzreichweite [%] 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Abstand zwischen Transponder und Metallplatte [mm] Abbildung 4-5: Exemplarische Lesereichweite eines mobilen Datenträgers in Abhängigkeit des Transpondersabstandes vom metallischen Objekt bezogen auf die Reichweite im idealen Umfeld Somit kann mit Hilfe eines Abstandsmaterials die Kennzeichnung von Metallobjekten prinzipiell gewährleistet werden. Die einfachste Variante bildet ein Luftpolster zwischen Transponder und Objekt, das sich mit Hilfe eines Hartplastiktags realisieren lässt, bei dem das Inlay mit einem festen Abstand zur Grundfläche an der Oberseite des Hartplastiktransponders angebracht ist. Nachteilig wirkt sich diese Bauform auf die Kennzeichnungsflexibilität aus, da diese Art der Transponder durch große Abmaße, insbesondere eine größere Aufbauhöhe, gekennzeichnet sind sowie lediglich auf planaren Ebenen angebracht werden können. Außerdem kann die Applizierung auf dem zu kennzeichnenden Objekt kaum automatisch erfolgen, wodurch bei der Aufbringung erhöhte Kosten entstehen. Positiv für den Einsatz im Bereich der Bauzustandsdokumentation ist die Möglichkeit, diese mobilen Datenträger durch die geeignete Wahl des Hartplastikmaterials hochtemperaturstabil sowie mechanisch und chemisch belastbar zu gestalten. In Abbildung 4-6 sind beispielhaft drei für die Aufbringung auf Metall geeignete Transponder dargestellt. 126 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Abmaße: 123 x 30 x 8 mm Abmaße: 158 x 22 x 18 mm Abmaße: 180 x 43 x 15 mm Abbildung 4-6: Hartplastiktransponder zur Aufbringung auf metallischen Oberflächen [HAT-08, DEI-08, SRE-08] Um die Aufbringung des mobilen Datenträgers auf gekrümmten Flächen zu ermöglichen, kann das Luftpolster auch durch einen wasserfreien Spezial-Schaumstoff mit geringen dielektrischen Eigenschaften ersetzt werden (vgl. Abbildung 4-7). Durch die Fixierung der Luftmoleküle zeigt der Spezial-Schaumstoff bezogen auf die Abschirmung des Transponders gegenüber dem metallischen Objekt vergleichbare Eigenschaften wie Luft [PAX-08]. Die Paxar Central Europe GmbH bietet das Material beispielsweise mit einer Stärke von 3 bis 8 mm an. Durch die Beibehaltung der Etikettenform können unterschiedlichste Flächen gekennzeichnet werden und die Herstellung kann zudem kostengünstig erfolgen. Das Material ist leicht und elastisch, wodurch bei der Verwendung eines entsprechenden Klebers eine gewisse mechanische Stabilität gewährleistet werden kann. Negativ bei diesem Konzept ist der hohe Aufbau bedingt durch das Abstandsmaterial. Darüber hinaus kann eine hohe chemische und thermische Belastbarkeit mit dem Material nicht realisiert werden. Abbildung 4-7: Space-Tag der Firma Paxar [PAX-08] Zur Reduktion der Stärke des benötigen Abstandsmaterials kann der Schaumstoff durch ein spezifisches Absorbermaterial mit einer hohen Permittivität ersetzt werden. Laut Formel (2-15) verringert sich dadurch die Ausbreitungsgeschwindigkeit der 127 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen elektromagnetischen Welle im Abstandsmaterial, und die Wellenlänge wird verkürzt. Zur Entkopplung des Transponders vom Metall wird somit im Vergleich zu Luft ein geringerer Abstand benötigt. Berücksichtigt werden muss, dass bei einem Material mit zu hoher Permittivität ähnliche Effekte wie bei direkter Metallkennzeichnung auftreten und der Transponder nicht ausreichend mit Energie versorgt werden kann. Aus diesem Grund muss bei homogenen Absorbermaterialen, die im Regelfall aus Eisen- oder Titaniumcarbonat mit einem Elastomerträgermaterial meist auf Silikonbasis bestehen, ein Kompromiss zwischen Permittivität, Lesereichweite und Absorberdicke getroffen werden. Darüber hinaus muss durch die Rückwirkung des Absorbermaterials auf den Transponder dieser hinsichtlich seiner Resonanzfrequenz spezifisch auf das Material abgestimmt werden. Um den negativen Einfluss des Absorbermaterials zu reduzieren und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des Systems zu erhöhen, hat die Firma Emerson&Cuming ein für spezifische UHF-Transponder ausgelegtes Abstandsmaterial patentiert, dass sich durch unterschiedliche Permittivitäten auszeichnet. An der Metallseite ist die Permittivität hoch, um eine maximale Entkopplung zu garantieren, während auf der Transponderseite die dielektrische Leitfähigkeit geringer ist, um die Beeinflussung auf den Datenträger zu reduzieren. Realisieren lässt sich dies zum einen mit Hilfe eines Permittitvitätsgradienten im Material oder über verschiedene Schichten mit unterschiedlichen dielektrischen Eigenschaften (siehe Abbildung 4-8) [ECO-08a]. Transponder Niedrige Permittivität Hohe Permittivität Metall Abbildung 4-8: Prinzipieller Aufbau des Absorbermaterials der Firma Emerson&Cuming zur Kennzeichnung metallischer Bauteile (in Anlehnung an [ECO-08]) Die Firma Emerson&Cuming bietet Lösungen für verschiedene UHF-Transponder an, die Dicke der Absorbermaterialen variiert dabei von 1,25 bis 3,75 mm bei einer 128 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Lesereichweite nach Herstellerangaben von 1,2 bis 3,4 m [ECO-08]. Durch das Silikonträgermaterial bietet das Absorbermaterial eine hohe Flexibilität und Bauteile ohne große planare Flächen können bei gleichzeitig geringer Aufbauhöhe gekennzeichnet werden. 4.2.2 Konzept Flag Tag Ein vor allem in der Verpackungslogistik angewandtes Konzept zur Kennzeichnung von Umverpackungen ist der Flag Tag (vgl. Abbildung 4-9), der eine Lesbarkeit unabhängig von Inhaltsstoffen gewährleistet. Der Transponder wird vergleichbar zu einer Fahne senkrecht zur Verpackung aufgestellt. Dadurch ist grundsätzlich ein fester Abstand zu den Inhaltsstoffen gegeben und lediglich eine geringe Beeinflussung auf die Leistungsfähigkeit vorhanden. Zum Einsatz kommen dabei handelsübliche Inlays, die auf einem großen abknickbaren Etikett aufgebracht werden. Abbildung 4-9: Beispiel für einen Flag Tag und dessen Aufbringung mit Hilfe eines Ettiketierers [BUK-08, LGP-08] Dieses Verfahren kann auch auf die Labelung von Bauteilen übertragen werden, ist aber durch das abstehende Etikett zum einen durch sehr große Abmaße gekennzeichnet und zum anderen anfällig für mechanische Belastungen, insbesondere für Abscherung. Zudem können bei diesem Verfahren lediglich planare Flächen gekennzeichnet werden, und die Aufbringung ist bei Fahrzeugbauteilen im Gegensatz zur Kennzeichnung von kubischen Verpackungen (vgl. Abbildung 4-9) nur schwer automatisierbar. 129 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.2.3 Konzept konstruktiver Schlitz Entsprechend der beschriebenen Theorie sinkt die Tangentialkomponente des elektrischen Feldes, die im Wesentlichen die Energieversorgung von Dipolantennen sicherstellt, an der Grenzfläche zu Metall stetig auf Null ab. Die Tangentialkomponente des Magnetfeldes hingegen fällt sprunghaft ab, so dass entsprechend Abbildung 4-2 Transponderbauarten, die durch die Magnetfeldkomponente mit Energie versorgt werden, prinzipiell direkt auf einer Metalloberfläche betrieben werden können. Dies wird durch das Konzept des konstruktiven Schlitzes ausgenutzt. Dabei wird die Kopplungseinheit des Transponders nicht als Dipol, sondern als Sensorspule ausgeführt, die im Wesentlichen mit Hilfe der Magnetfeldkomponente mit Strom versorgt wird. Die Reichweite solcher Systeme ist dabei auf wenige Zentimeter beschränkt. Erst durch die Applizierung des Transponders im zu kennzeichnenden Objekt am Grund eines Schlitzes sowie an der Oberfläche des Metalls stellt eine höhere Leistungsfähigkeit sicher (vgl. Abbildung 4-10). Konstruktiver Schlitz Transponder-Chip Abbildung 4-10: Prinzipieller Aufbau des Kennzeichnungskonzeptes “konstruktiver Schlitz“ Diese spezielle Anordnung bewirkt, dass das metallische Objekt selbst als Dipolantenne wirkt, in der auf Basis des elektromagnetischen Feldes ein Stromfluss mit der entsprechenden Frequenz an der Oberfläche des Objektes mit der maximalen Stromdichte am Schlitzgrund hervorgerufen wird. Hierdurch wird ein Magnetfeld erzeugt, dass die Sensorspule erfasst und die Energieversorgung des Transponders verstärkt. Auf diese Weise lassen sich Reichweiten über einem Meter realisieren [TBN-07]. Voraussetzung ist hierbei, dass das zu kennzeichnende Objekt lediglich 130 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen eine minimale Dicke aufweist. Das Verfahren ist somit insbesondere für Blechteile oder Blisterverpackungen geeignet (vgl. Abbildung 4-10). Die Firma TBN GmbH, die das Konzept patentiert hat, empfiehlt als Schlitzmaße bei einer Frequenz von 868 MHz eine Tiefe von 60 mm und eine Breite von 2 bis 6 mm [TBN-07]. Bei der vorliegenden Anwendung ist für die Funktionsweise dieses Prinzips eine konstruktive Änderung der Bauteile zur Einbringung des Schlitzes unabdingbar, wodurch die Geometrie und die Bauteileigenschaften, insbesondere die Materialfestigkeit, stark beeinflusst werden. Speziell bei sicherheitsrelevanten Bauteilen, die im Fokus der Verfolgung im Versuchsbetrieb und in der Produktion stehen, würden Sollbruchstellen entstehen. Zudem ist das Konzept nur bei blechähnlichen dünnen Bauteilen anwendbar und die Lage und Tiefe des Schlitzes muss individuell festgelegt werden. In der Konstruktion entsteht dadurch ein hoher zusätzlicher Aufwand, was sich bei der Fertigung und der Einbringung des Transponders fortsetzt. Das Prinzip ist somit zur Kennzeichnung der Bauteile im Anwendungsfall der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation nicht geeignet und wird im Folgenden vernachlässigt. 4.2.4 Konzept PIFA-Antenne Die PIFA-Antenne besteht im Wesentlichen aus einem rechteckigen metallischen Patch, im Regelfall aus Kupfer, der mit einer Massefläche, die gleichzeitig die Grundfläche bildet, kurzgeschlossen ist. Dadurch kann die Patchlänge auf λ/4 reduziert werden, wodurch sich die Antennenbauform für einen mobilen Datenträger eignet. Die Applikation des Mikrochips erfolgt mit Verbindung zur Massen- und Patchfläche. Die Massenfläche besteht ebenfalls aus einem metallischen Leiter, wodurch der Transponder auf metallische Flächen aufgebracht werden kann, da dies nur zu einer Vergrößerung der Massefläche führt. Der definierte Abstand zwischen Grundfläche und Patchfläche sowie deren Material bedingt eine feste Hartplastikbauform. Somit können nur planare Flächen gekennzeichnet werden. Die mechanische, thermische und chemische Belastbarkeit ist aufgrund der neben dem Mikrochip ausschließlich metallischen Bestandteile als sehr hoch zu bewerten. 4.3 Leistungsfähigkeit der aufgezeigten Kennzeichnungskonzepte Im Folgenden werden die in den vorherigen Abschnitten beschriebenen Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen hinsichtlich ihrer Lesereichweite im praktischen Versuch evaluiert. 131 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.3.1 Versuchsaufbau Um die Vergleichbarkeit und Reproduzierbarkeit der Ergebnisse einer praktischen Leistungsbewertung zu gewährleisten, bedarf es eines standardisierten Versuchsaufbaus. Hierfür wurde für die Bewertung der Lesereichweite von Transpondern ein Versuchsstand auf Basis einer linearen Verschiebebahn konzipiert. Entsprechend der Abbildung 4-11 kann damit ein mobiler Datenträger gezielt in einem definierten Abstand mit Hilfe einer linearen Verschiebeeinrichtung vor einem austauschbaren Applikationshintergrund auf einem mobilen Verschiebewagen positioniert werden. Der Wagen wird auf einer Bahn geführt. Versuchsstand Sendeantenne Transponder Applikationsuntergrund Abbildung 4-11: Schematische Darstellung des konzipierten Versuchsstandes Um einen möglichst geringen Einfluss der Versuchsbahn auf das RFID-System sicherzustellen, wurde der gesamte Versuchsstand aus Holz gefertigt. Im Rahmen der durchgeführten Versuchsreihen wurden die Transponder jeweils auf einer Metallplatte aus dem Werkstoff S235 mit den Abmaßen 400 x 400 mm und einer Stärke von 1 mm aufgebracht. Die Ergebnisse sind laut der physikalischen Grundlagen unabhängig von der Art des metallischen Werkstoffs und der Abmaße, so dass die ermittelten Lesereichweiten auf andere Metalle übertragen werden können. Zur Sicherstellung des Praxisbezuges wurden die Versuchsreihen in der industriellen Umgebung der Versuchshalle des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss Logistik durchgeführt. 132 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.3.2 Verwendete Hardwarekomponenten Im Rahmen der Versuchsreihe wurde das RFID-System OBID der Firma Feig mit den in Tabelle 4-1 aufgeführten Komponenten verwendet. Zur Ermittlung der maximalen Leistungsfähigkeit wurde die maximale in Europa erlaubte Sendeleistung von 2 Watt an der Sendeantenne eingestellt. Tabelle 4-1: Hardware Rahmenbedingungen für die praktische Evaluierung Verwendete Hardware Reader ID ISC.LRU 1000 Sende- und Empfangsantenne Feig ID ISC.ANT.U250 Einstellungen am Readermodul Sendeleistung an der Antenne 2W 4.3.3 Ergebnisse der praktischen Leistungsevaluierung Im Rahmen der Versuchsreihe wurde die Leserreichweite für die vorgestellten Kennzeichnungskonzepte ermittelt. Bei den Hartplastiktranspondern, den Inlays für das Schaumstoffabstandsmaterial und den Flag Tags, bei denen eine Vielzahl von Vertretern auf dem Markt existieren, wurden jeweils repräsentative Vertreter ausgewählt. Für eine Abschätzung der Konzeptleistungsfähigkeit ist dies ausreichend. Als Spezialabsorber wurde das oben beschriebene Material Eccopad der Firma Emerson&Cuming mit einer Dicke von 1,25 mm verwendet. Die ermittelten Ergebnisse in der Versuchsreihe sind in Abbildung 4-15 dargestellt. 133 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen PIFA-Antennenkonzept Transpondertyp Flag Tag Transponder mit Spezialabsorber (1.25 , mm) Transponder mit Schaumstoff (4 mm) Hartplastiktransponder B Hartplastiktransponder A 0 1 2 3 4 5 6 7 Lesereichweite [m] Abbildung 4-12: Lesereichweite der Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen für den vorliegenden Einsatzfall Es zeigt sich, dass speziell die Hartplastiktransponder, die im Verhältnis zu den anderen Arten durch einen größeren Abstand zum Metallobjekt gekennzeichnet sind, sehr große Lesereichweiten erreichen, die deutlich über den anderen Konzepten liegen. Die restlichen untersuchten Kennzeichnungsprinzipien konnten vergleichbare Ergebnisse mit Lesreichweiten von 1,1 bis 1,9 m erzielen. Dadurch übertreffen alle Kennzeichnungskonzepte die für die RFID-gestützte Bauzustandsdokumentation beim Identifikationskonzept „offenes Fahrzeug scannen“ benötigte Reichweite von knapp einem Meter (vgl. Kapitel 3.5.2). Das PIFA-Antennenkonzept wies im Rahmen der Evaluierung neben der geringsten Lesereichweite eine auffällig geringe und schwankende Leserate mit teilweise sehr großen Leselöchern auf. Dies lässt auf eine sehr instabile Kommunikation zwischen Transponder und Sendeantenne schließen. Die Leistungsfähigkeit des Konzepts konnte im Rahmen der Versuchsreihe nicht vollständig belegt werden. Zusammenfassend lässt sich auf Basis der Ergebnisse der praktischen Konzeptevaluierung die prinzipielle Eignung von allen Abstandsmaterialien (Luft, Schaumstoff, Spezialabsorber) und Flag Tags zur Kennzeichnung von metallischen Objekten nachweisen. Dementsprechend sind diese Kennzeichnungsvarianten für den prinzipiellen Einsatz in der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation geeignet. Für das PIFA-Antennenkonzept gilt dies aufgrund der eingeschränkten Leserate nur bedingt, 134 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen weshalb das Konzept für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation nicht sinnvoll ist. 4.4 Auswahl des Konzepts zur Kennzeichnung metallischer Bauteile für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation Die Auswahl des geeigneten Konzepts zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen erfolgt auf Basis der in Kapitel 3.5.1 dargestellten Anforderungen zur Geometrie und Anbringung an die mobilen Datenträger für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation, die in der Tabelle 4-2 nochmals aufgeführt sind. Tabelle 4-2: Anforderungen an die mobilen Datenträger für den Einsatz in der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation Anforderung Geometrie Länge Breite Höhe Gewicht Anbringung Applizierung auf gekrümmten Flächen Wert < 100 mm < 20 mm < 1 mm <4g --- Auf Basis dieser Kriterien werden im Folgenden die vorgestellten Konzepte bewertet. Ziel ist die Auswahl eines geeigneten Konzepts, das es anschließend bezüglich der noch nicht erreichten Anforderungen zu optimieren gilt. 4.4.1 Abstandsmaterial Hartplastiktag Die Variante Hartplastiktag ist für die Kennzeichnung von Bauteilen im Fahrzeug aufgrund der Größe und der Notwendigkeit von planaren Flächen nicht geeignet. Lediglich für Module und deren Verfolgung in der Logistik ist diese Art der Kennzeichnung, bedingt durch die hohen Lesereichweiten, einsetzbar. Abstandsmaterial aus Schaumstoff Ebenfalls ungeeignet für den vorliegenden Einsatzfall ist die Verwendung von Schaumstoff als Abstandsmaterial. Durch die geringe mechanische und thermische 135 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Belastbarkeit des Materials ist beispielsweise eine Kennzeichnung von Bauteilen im Motorraum oder im Fahrwerk nicht möglich. Absorber auf Silikon und Titan- bzw. Eisencarbonat Basis Der Einsatz von speziellen Absorbern zur Abschirmung bietet das Potenzial, die oben aufgezeigten Anforderungen zu erfüllen. Durch die verstärkte Isolationswirkung kann das Abstandsmaterial sehr dünn im Vergleich zu den Varianten mit Schaumstoff oder Luft ausgeführt werden. Das derzeit auf dem Markt erhältliche Produkt der Firma Emerson&Cuming überschreitet zwar knapp die Vorgabe der maximalen Höhe von 1 mm. Durch die relativ hohe Lesereichweite im Praxistest, die im vorliegenden Einsatzfall nicht zwingend benötigt würde, ist aber eine Reduzierung der Höhe realisierbar. Außerdem ist durch das temperaturbeständige und chemisch stabile Trägermaterial Silikon eine hohe Belastbarkeit gegeben. Im Bereich der Temperaturstabilität werden vom Hersteller Dauerfestigkeitswerte von bis zu 190° C angegeben [ECO-08], wodurch auch die Anforderungen hinsichtlich der thermischen Stabilität im Motorraum erfüllt werden. Zudem ist durch das Silikonträgermaterial eine Flexibilität vorhanden, die zwar durch die höhere Steifigkeit des Materials nicht an gängige Smart-Labels heranreicht, aber für die Anwendung zur Kennzeichnung von gekrümmten Flächen ausreichend ist. Das Konzept ist unabhängig von der Form und Materialart des zu kennzeichnenden Objektes und es ist auf alle Bauteile mit einer gewissen Mindestgröße in Abhängigkeit der Transponderfläche anwendbar. Ebenfalls liegt das Gewicht aufgrund der Titancarbonat-Einlage deutlich über dem eines Smart-Labels. Der verwendete Absorber der Firma Emerson&Cuming wiegt beispielsweise mit einem handelsüblichen Dipoltransponder bei ca. 6 g. Ein reguläres Smart-Label hingegen wiegt unter 1 g. Der Zielwert von weniger als 4 g ist durch die geringe Überschreitung mit Hilfe der notwendigen Reduzierung der Aufbauhöhe ebenfalls erreichbar. Zusammenfassend ist das Absorberkonzept geeignet, die Anforderungen zur Kennzeichnung von metallischen Fahrzeugbauteilen zu erfüllen. Es ergibt sich allenfalls ein Bedarf zur Weiterqualifizierung im Bereich der Höhe und des Materialgewichtes. 4.4.2 Flag Tag Der Flag Tag besitzt aufgrund der großen Etikettenform und der Notwendigkeit zur Aufstellung des Transponders nicht die für den Anwendungsfall geforderten Eigen136 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen schaften. Speziell bei der Kennzeichnung von Bauteilen im Motorraum würde zum einen die Luftumströmung negativ beeinflusst werden, zum anderen kann die dadurch entstehende mechanische Belastung im Fahrzeugbetrieb nicht mit Hilfe dieser Konzeptform gewährleistet werden. Verstärkend kommt hinzu, dass die Funktionsfähigkeit bei der Nähe und Dichte der Bauteile im Motor-, aber auch im Innenraum nicht sichergestellt werden kann. 4.4.3 Zusammenfassung Aufbauend auf die Beschreibung der verschiedenen Konzepte und deren Eigenschaften ergibt sich zusammenfassend folgende Erfüllungsmatrix für die aufgestellten Anforderungen: Abstandsmaterial Hartplastiktransponder Schaumstoff Flag-Tag SchlitzKonzept X X X X SpezialAbsorber Keine Beinflussung der Bauteil- und Fahrzeugeigenschaften X Abmaße (insb. Höhe) X Gewicht X Hohe mechanische Stabilität X Potenzial zur hohen therm. Stabilität X Aufbringung auf gekrümmten Flächen X X X Allgemeingültige Kennzeichnungslösung X Legende: Anforderung erfüllt Anforderung prinzipiell erfüllbar Anforderung nicht erfüllbar Abbildung 4-13: Bewertung der Konzepte zur Kennzeichnung von metallischen Bauteilen auf Basis der ermittelten Anforderungen Auf Basis der Bewertung bietet lediglich die Kennzeichnungsvariante mit Spezialabsorber die Möglichkeit, die Anforderungen zu erfüllen. Hierbei ergibt sich die Notwendigkeit, das Konzept hinsichtlich der Aufbauhöhe und des Gewichtes weiter zu 137 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen optimieren. Die thermische Stabilität ist aus Sicht des Absorbermaterials gegeben und wird lediglich durch das Inlay beschränkt, wobei sich durch den Austausch des Inlay-Trägermaterials Lösungspotenziale ergeben (vgl. Kapitel 3.5.3) 4.5 Qualifizierung und Anpassung des ausgewählten Kennzeichnungskonzepts Ziel des folgenden Abschnittes ist der Nachweis, dass mit Hilfe des ausgewählten Konzepts die Erfüllung der Gewichts- und Höhenanforderung bei gleichzeitiger Gewährleistung einer vernünftigen Lesereichweite durch eine gezielte Weiterqualifizierung sichergestellt werden kann. Die Herstellung eines eigenen, dünneren Abstandsmaterials auf dem Prinzip des Absorbers der Firma Emerson&Cuming mit einem Dielektrizitätsgradienten war im Rahmen der Arbeit aufgrund der Komplexität der Entwicklung und Herstellung des Materials und den dadurch verbundenen Kosten nicht möglich. Aus diesem Grund erfolgt der Nachweis der technischen Machbarkeit zur metallischen Bauteilkennzeichnung unter Erfüllung der Anforderungen an Gewicht und Aufbauhöhe mit Hilfe von am Markt vorhandenen Mirkowellen-Absorbern. Diese zeichnen sich im Vergleich zu speziell für RFID entwickelte Absorber durch eine konstante Dielektrizität aus. Bei deren Verwendung sind bezogen auf die Leistung, durch die stärkere Verstimmung des Transponders, Einbußen zu erwarten. Ergibt sich aber eine funktionsfähige Kombination aus einem dünnen Isolationsmaterial mit einem Transponder, ist die technische Machbarkeit der Kennzeichnung von metallischen Bauteilen mit der geforderten Aufbauhöhe auf Basis des Konzepts gewährleistet. Durch die Weiterentwicklung des Materials in Richtung eines abfallenden Dielektrizitätsgradienten wird die Leistungsfähigkeit erhöht und das Gewicht durch die Reduktion von Eisencarbonat vermindert. Der prinzipielle Versuchsaufbau der durchgeführten praktischen Testreihe mit unterschiedlichsten Absorber-Transponder-Kombinationen, die eine Gesamtaufbauhöhe von 1 mm nicht überschreiten, ist in Abbildung 4-14 dargestellt. Als Lesegerät wurde analog zur Leistungsbestimmung der Kennzeichnungskonzepte in Kapitel 4.3 das Lesegerät Feig ISC.LRU.1000 mit der Antenne Feig ANT.U250 verwendet. 138 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen Abbildung 4-14: Schematische Darstellung des Versuchsstandes zur Messung eines Transponders vor einer Metallplatte unter Verwendung eines Absorbers Aufgrund der Vielzahl der durchgeführten Versuche werden im Folgenden die Ergebnisse nur ausschnittsweise bezogen auf das Best-Practise-Isolationsmaterial aufgezeigt, dass durch den Absorber mit der Bezeichnung DD-10214 der Firma ARC Technologies Inc. [ARC-08] gestellt wurde. Mit einem Aufbau von 0,76 mm ist es zum einen sehr dünn und erfüllt somit die gestellten Anforderungen, zum anderen ist es beispielsweise bei einem handelsüblichen Dipolinlay mit den Abmaßen 100 x 15 mm durch ein geringes Gewicht von 3,2 g gekennzeichnet. Nach Herstellerangaben ist das Material bis circa 190° C temperaturstabil, wodurch das Abstandsmaterial auch dieses Anforderungskriterium erfüllt. In Abbildung 4-15 sind die erzielten Reichweiten für 10 verschiedene Transponder, die mit Hilfe des Absorbers direkt auf Metall aufgebracht wurden, dargestellt. 139 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 0.8 , Lesereichweite [m] 0.7 , 0.6 , , 0.5 , 0.4 0.3 , 0.2 , 0.1 , 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Transponder Abbildung 4-15: Erzielbare Lesereichweiten mit 10 verschiedenen Transpondern bei direkter Aufbringung auf Metall mit Hilfe eines 0,76 mm starken Isolationsmaterials auf Eisencarbonatbasis Die dargestellte Versuchsreihe zeigt deutlich, dass Reichweiten von bis zu 0,7 m mit dem gefunden Absorbermaterial ermöglicht werden. Diese Leistung lässt sich aber nur für eine beziehungsweise wenige Transponder/Abstandsmaterial-Kombinationen realisieren (vgl. Abbildung 4-15). Dieses Ergebnis spiegelte sich in allen Testreihen wider und deckt sich mit den erläuterten Grundlagen, da der Aufbau und die Auslegung des Transponders auf das jeweilige Abstandsmaterial abgestimmt sein müssen. Die Mehrzahl der Transponder kann aufgrund der zu starken Verstimmung nicht gelesen werden. Durch den Nachweis der Funktionsfähigkeit mit einen Transponder im Rahmen der Versuchsreihe kann dieses Konzept durch Anpassung der Transponderresonanzfrequenz mit Hilfe einer geometrischen Antennenveränderung oder einer Anpassung der Schaltelemente entsprechend der oben beschriebenen theoretischen Grundlagen auch auf andere Transponder übertragen werden. Dadurch ist die generelle Funktionalität des Kennzeichnungskonzepts belegt. In der Umsetzung ist eine wesentlich höhere Leistungsfähigkeit durch die gezielte gegenseitige Abstimmung und Auslegung der Komponenten zu erwarten. 140 4 Kennzeichnung von metallischen Bauteilen 4.6 Zusammenfassung und Fazit Auf Basis der theoretischen Grundlagen ist eine direkte Kennzeichnung von leitfähigen Objekten nicht möglich. Nur durch eine Entkopplung und eine gezielte Abstimmung des Transponders auf die Randbedingungen ergeben sich Lösungspotenziale zur Identifikation von metallischen Bauteilen mit RFID. Im Rahmen dieses Kapitels wurden dazu verschiedene Konzepte aufgezeigt, von denen sich für den vorliegenden Anwendungsfall lediglich die Entkopplung des Transponders vom Material mit Hilfe eines Spezialabsorbers als geeignet erwiesen hat. Aufbauend darauf wurde im Rahmen einer praktischen Evaluierung der Nachweis erbracht, dass dieser Ansatz das Potenzial bietet, alle gestellten Anforderungen für die Kennzeichnung metallischer Bauteile im vorliegenden Einsatzszenario zu erfüllen. Dadurch ist die technische Grundlage für den Einsatz der RFID-Technologie zur Kennzeichnung von Bauteilen im Fahrzeugbau gegeben. Mit Hilfe einer gezielten Weiterentwicklung des gezeigten Ansatzes sowie einer spezifischen Anpassung des verwendeten Inlays auf das Absorbermaterial kann ein leistungsfähiges und zuverlässiges System mit hoher chemischer Stabilität und dem Potenzial zur Temperaturstabilität bis zu 180° C sichergestellt werden. 141 5 Erfassung von verbauten Bauteilen 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Neben der reinen Kennzeichnung von metallischen Bauteilen stellt die zuverlässige und sichere Erfassung der gelabelten Bauteile im verbauten Zustand in dem für die Technologie schwierigen metallischen Fahrzeugumfeld, insbesondere im Motorraum, die zweite große Herausforderung dar. Dazu wurde im Rahmen des Kapitels 3 das Identifikationsszenario „offenes Fahrzeug scannen“ erarbeitet. Die Leistungsfähigkeit des Konzepts wird im Folgenden, aufbauend auf der Beschreibung der theoretischen Einflüsse einer metallhaltigen Umgebung auf die Erfassung von mobilen Datenträgern, evaluiert. Der Aufbau des Kapitels ist zusammengefasst in Abbildung 5-1 dargestellt. 142 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Theoretische Einflüsse einer metallischen Umgebung auf RFID-Systeme Kap. 5.1 Auswirkungen für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation Kap. 5.2 Praktische Evaluierung der Erfassung von verbauten Komponenten Kap. 5.3 Zusammenfassung und Fazit Kap. 5.4 Abbildung 5-1: Aufbau des Kapitels Erfassung von gekennzeichneten Bauteilen 5.1 Theoretische Einflüsse einer metallischen Umgebung auf RFID-Systeme In Kapitel 4.1 wurden bereits die theoretischen Auswirkungen eines metallischen Objektes in direkter Umgebung des mobilen Datenträgers erläutert. Aufbauend darauf treten in einer metallischen Umgebung folgende weiteren Effekte aus der Elektrizitätslehre und Wellenlehre auf, die das Lesefeld und damit das RFIDSystem direkt beeinflussen: • Abschirmung • Reflexion • Wirbelstrombildung • Abschattung 5.1.1 Abschirmung Durch ein magnetisches Wechselfeld werden die Ladungsträger in elektrisch leitfähigen Materialien bewegt. Die Driftgeschwindigkeit vD der Ladungsträger ist durch immer wieder auftretende Stöße innerhalb des Atomverbandes begrenzt und die verlorene kinetische Energie wird in Wärme umgewandelt. Aufgrund der Verluste im Material kann das magnetische Feld das Material nicht unbegrenzt durchdringen. Die Ladungsträgerbewegungen erstrecken sich bei Metallen durch die Vielzahl der freien 143 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Elektronen und der dadurch bedingten Vielzahl von Stößen lediglich über eine dünne Randschicht. Man spricht hier vom Skin-Effekt. Der Verlauf der Stromdichte von der Oberfläche des Materials senkrecht in das Material hineingehend kann mit folgender Formel berechnet werden [DET-03]: I ( x) = I (0) ⋅ e mit: − ω ⋅κ ⋅µ 0 ⋅µ r 2 ⋅x ⋅e − j⋅ ω ⋅κ ⋅µ 0 ⋅µ r 2 ⋅x (5-1) I: Stromdichte [A/m²] x: Achskoordinate senkrecht von der Oberfläche in das Material gehend [m] Leitfähigkeit des Materials [S/m] κ: Entsprechend der Formel (6-1) fällt der Betrag der Stromdichte |I(x)| exponentiell von seinem Maximum an der Oberfläche ab. Von dieser Formel leitet sich der gängige Begriff der Eindringtiefe beziehungsweise der äquivalenten Leitschichtdicke δ ab. Er gibt die Tiefe an, in der die Stromdichte auf das 1/e-fache zurückgegangen ist. Die Eindringtiefe lässt sich nach [DET-03] mit der folgenden Formel einfach berechnen: δ = mit: 2 (5-2) ω ⋅κ ⋅ µ0 ⋅ µ r Eindringtiefe bzw. äquivalente Leitschichtdicke [m] δ: An Hand der Formel ist zu erkennen, dass die Eindringtiefe mit steigender Frequenz sinkt. Dadurch ist generell bei niedrigeren Frequenzen eine höhere Materialdurchdringung zu erwarten (vgl. Kapitel 2.5.6). Durch Zusammenfassen der Formeln (6-1) und (6-2) lässt sich eine Berechnungsvorschrift für den Abstand zur Oberfläche eines leitfähigen Materials herleiten, bei dem im Material eine gesuchte Dämpfung hervorgerufen wird [DET-03]: x min = −δ ⋅ ln 10 mit: − a 20 dB xmin: (5-3) Mindestdicke um eine bestimmte Dämpfung herbeizuführen [m] a: Dämpfung [dB] In Tabelle 5-1 ist aufbauend auf typischen Materialkennwerten von Eisen und Aluminium beispielhaft für diese zwei Werkstoffe die Mindestschirmdicke für eine vollständige Dämpfung – entspricht 20 dB – dargestellt. 144 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Tabelle 5-1: Mindestschirmdicke xmin für eine Dämpfung a = 20 dB (= 100-fache Dämpfung) am Beispiel Eisen und Aluminium und einer Frequenz von 868 MHz beziehungsweise 2,45 GHz (Werte für κ und µr vgl. [SHA-93]) Eisen Aluminium κ [m Ω mm ] 11,11 35,71 µr 6.000 – 60.000 > 1 (ca. 1 + 22 · 10 ) xmin [µm] für 868 MHz ≈ 0,15 ≈ 6,58 xmin [µm] für 2,45 GHz ≈ 0,09 ≈ 3,92 -1 -2 -6 Auf Basis der Tabelle 5-1 zeigt sich, dass das elektromagnetische Feld leitfähige Objekte nicht durchdringen kann und das transmittierte Feld bereits vollständig von dünnen Folien im Mikrometerbereich abgeschirmt und in Wärme umgewandelt wird. Dies hat zur Konsequenz, dass mobile Datenträger, die vollständig von einem metallischen Material umgeben sind, nicht identifiziert werden können und hinter metallischen Objekten generell ein abgeschatteter Bereich entsteht. 5.1.2 Reflexionseffekte in metallischer Umgebung Trifft eine elektromagnetische Welle auf eine Grenzfläche, an der sich die elektromagnetischen Eigenschaften des Mediums ändern, so teilt sich die Welle in eine reflektierte und eine weiterlaufende (transmittierte) Welle auf (siehe Abbildung 5-2). Ankommende Welle Reflektierte Welle Abbildung 5-2: Senkrechter Einfall einer elektromagnetischer Wellen auf ein metallisches Objekt 145 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Die Berechnungsmethoden des bei der Reflexion entstehenden Gesamtfeldes und die daraus resultierende Aufteilung in ein reflektiertes und ein transmittiertes elektromagnetische Feld sind sehr komplex und können unter anderem in [DEM-06] und [HET-08] nachgelesen werden. Im Rahmen der Arbeit werden die Vorgänge beim Auftreffen einer elektromagnetischen Welle auf einen leitfähigen, metallischen Körper lediglich zusammenfassend in einer für das Verständnis ausreichenden Form und ohne mathematische Herleitung dargestellt. In einem idealen metallischen Leiter strebt die Permittivität gegen ∞, wodurch das elektrische Feld direkt an der Oberfläche des Objekts zu Null wird (vgl. Kapitel 4.1). Auf Basis der Maxwellschen Gleichungen (vgl. Formel (2-14)) können daher im Metall auch keine zeitlich veränderlichen Magnetfelder existieren. Das elektromagnetische Feld wird somit beim Auftreffen auf ein ideal elektrisch leitfähiges Objekt vollständig reflektiert und zusätzlich um 180° gedreht (vgl. [HET-08], [MEI-92]). Bei einem realen metallischen Leiter mit einer sehr hohen endlichen Permittivität dringt ein sehr kleiner Teil der auftreffenden elektromagnetischen Welle in das Material ein (vgl. Kapitel 4.1). Aufgrund der Vielzahl an freien Ladungsträger, die durch die transmittierten Wellen zu Schwingungen angeregt werden, erfolgt jedoch in Abhängigkeit der Frequenz eine vollständige Dämpfung innerhalb weniger Mikrometer (vgl. Kapitel 5.1.1). Aufgrund der sich dadurch ergebenden Verluste ist die Intensität der reflektieren Welle geringer als die der einfallenden Welle [HET-08]. Absolut betrachtet wird die Welle aber auch bei realen Metallen fast vollständig reflektiert. Dementsprechend kommt es, wie bereits bei der Beschreibung der Eigenschaften eines RFID-Systems in Kapitel 2.5.1 dargestellt, durch Interferenzen von phasenversetzten Wellen zur Abschwächung des elektromagnetischen Feldes bis hin zu Leselöchern in den theoretischen Lesebereichen. Im gegensätzlichen Fall bewirkt ein Aufeinandertreffen von gleichphasigen Wellen eine Verstärkung der elektromagnetischen Wellen, die wiederum zu nicht prognostizierbaren Überreichweiten außerhalb der erwartenden Lesereichweite führen (vgl. Abbildung 5-3 und Abbildung 2-41). 146 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Abbildung 5-3: Auswirkung der Reflexionseffekte auf das Antennenfeld 5.1.3 Wirbelstrombildung Neben der Reflexion tritt beim Auftreffen einer elektromagnetischen Welle auf einen metallischen Körper auch das Phänomen der Wirbelströme auf. Diese beruhen auf dem physikalischen Effekt, dass ein elektrisch leitfähiges Material in einem zeitveränderlichen magnetischen Feld immer von einem elektrischen Wirbelfeld begleitet wird. Dadurch werden Ladungsträger, die sich in einem elektrischen Feld befinden, beschleunigt. Auf diese bewegten Ladungsträger übt das magnetische Feld eine Kraft aus und es kommt zu einer Überlagerung der beiden Effekte. Die Ladungsträger in einem elektrisch leitfähigen Material werden auf eine Kreisbahn gezwungen. Die daraus resultierende Stromdichte wird als Wirbelstrom bezeichnet. Diese Wirbelströme erzeugen, analog zu einer stromdurchflossenen Spule, ein magnetisches Feld, das wiederum ein elektromagnetisches Feld bedingt. Dadurch wirken sie als Sekundärstrahler und erzeugen zusätzliche Überlagerungen im Bereich des metallischen Objekts. Zur Ausbildung von Wirbelströmen muss die Oberfläche des Körpers eine gewisse Größe besitzen. Der Effekt von Sekundärstrahlern ist daher nur relevant, wenn die Geometrie des Körpers vergleichbar oder sogar größer als die Wellenlänge ist. 147 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Da die mathematischen Beschreibungen der Wirbelstromtheorien sehr komplex sind, sei hier auf [KAD-59] verwiesen. [KAD-59] betrachtet die Wirbelstrombildung und deren Auswirkung auf das elektrische und magnetische Feld beispielhaft für zwei senkrecht angestrahlte Hohlzylinder mit jeweils um 90° verdrehter Polarisation sowie einer Hohlkugel. Durch die Wirbelströme werden die bei der Reflexion genannten Auswirkungen auf RFID-Systeme verstärkt. 5.1.4 Abschattung Auf Basis der beschrieben Reflexionseffekte und des Skin-Effekts kann man von einer Abschattung hinter einem metallischen Objekt ausgehen. Um diesen Effekt besser beurteilen zu können, soll hier gemäß [REN-76] der Abschirmungskoeffizient kas(f) definiert werden. Er stellt ein Maß für die Beeinflussung der Wellenausbreitung durch ein metallisches Objekt dar und ist abhängig von der Frequenz und der Objektgröße. Abbildung 5-4 zeigt beispielhaft die Werte von kas(f) für verschiedene Verhältnisse des Objektdurchmessers zur Wellenlänge im Falle eines kreisrunden Objektes: kas 1,8 1,4 1 0,6 0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 d/λ λ Abbildung 5-4: Abschirmungskoeffizient kas für ein kreisrundes Objekt [REN-76] Der Verlauf des Abschirmungskoeffizienten kas(f) lässt sich in drei verschiedene Bereiche unterteilen: Für den Fall, dass das Objekt sehr viel größer als die Wellenlänge ist, wird der Abschirmungskoeffizient kas gleich eins. Hierbei wirkt exakt die projizierte geometrische Fläche. Ist dagegen die Wellenlänge sehr viel größer als die Geometrie des metalli148 5 Erfassung von verbauten Bauteilen schen Körpers, so stellt er kein Hindernis mehr für die elektromagnetische Welle dar. Der Abschirmungskoeffizient kas wird nahezu Null. Bei einer Objektgröße im Bereich der Wellenlänge vergrößert sich dessen Abschattungswirkung und der Körper wirkt auf die Welle mit einer im Vergleich zu seiner Geometrie größeren Fläche. In dem in Abbildung 5-4 gezeigten Beispiel für einen kreisrunden Körper erreicht der Abschirmungskoeffizient kas bei einem Verhältnis d/λ von 0,5 ein Maximum von 1,8. Dies hat zur Konsequenz, dass hinter einem Objekt mit Abmessungen im Bereich der Wellenlänge im Verhältnis ein größerer Abschattungsbereich bezogen auf die Fläche zu erwarten ist als bei größeren Objekten. Nachdem der Einfluss der Objektgröße auf den Effekt der Abschattung aufgezeigt wurde, werden im Folgenden die Effekte hinter der leitenden Halbebene im abgeschatteten Bereich beschrieben. Um die Komplexität der Vorgänge für die theoretische Erklärung zu reduzieren, wird ein vereinfachtes Gedankenmodell herangezogen. Abbildung 5-5: Veranschaulichung des Huygenschen Prinzips [DET-03] Entsprechend Abbildung 5-5 wird eine einseitig unendlich ausgedehnte, leitende Halbebene angenommen, die von einer Seite mit einer großen Anzahl an homogen verteilten, parallelen und gleichphasigen elektromagnetischen Wellen angestrahlt wird. Dabei wird ein Teil der Wellen abgeschattet, der andere Teil geht ungehindert am Hindernis vorbei. Diese bilden auf Basis der Beugungseffekte ein neues Wellenfeld, wodurch im geometrischen Schattenbereich eine Strahlenleistung festzustellen ist. Die mathematische Beschreibung des Beugungseffektes beruht dabei auf dem Huygenschen Prinzip, dass besagt: 149 5 Erfassung von verbauten Bauteilen „Jeder Punkt einer Wellenfront kann durch sekundäre Quellen ersetzt werden, die als Ausgangspunkt von sekundären Kugelwellen aufgefasst werden. Das Gesamtfeld entsteht wieder durch Überlagerung aller Sekundärwellen“ [DET-03]. In Abbildung 5-5 sind mit den gestrichelten Linien die Wellenfronten der auftreffenden Wellen angedeutet. In der Ebene des metallischen Hindernisses werden die einzelnen Wellenfronten jeweils als neue Strahlungsquellen angesehen, die radial ihre Wellen abstrahlen. Dem zu Folge lassen sich hinter der leitenden Halbebene zwei Beobachtungen machen. Auf Höhe der nicht abgeschatteten Wellen können die Sekundärwellen wie die einfallenden Primärwellen als ebene Phasenfronten angesehen werden. Dementsprechend gelangt in den abgeschatteten Bereich ein elektromagnetisches Feld, wodurch verstärkt durch Reflexionseffekte die Energieversorgung und damit die Identifikation eines mobilen Datenträgers hinter einem metallischen Objekt ermöglicht werden kann. Die numerische Berechnung der Wellenausbreitung und der Feldstärke hinter einem metallischen Objekt wird im Rahmen der Arbeit nicht weiter behandelt und kann in [DET-03] nachgelesen werden. Voraussetzung für die Ausbildung von neuen Wellenfronten ist, dass der horizontale beziehungsweise vertikale Abstand zu nebenstehenden leitfähigen Objekten mindestens der halben Wellenlänge entspricht [MEI-92]. Ansonsten findet eine komplette Abschattung des elektromagnetischen Feldes statt und es kann kein neues Feld gebildet werden. Physikalisch vergleichbar ist dies mit der kompletten Abschirmung des elektromagnetischen Feldes durch ein Metallgitter. Dadurch ist in einer dichten metallischen Umgebung nicht zwingend mit der Entstehung eines elektromagnetischen Feldes hinter den Objekten zu rechnen. 5.2 Auswirkungen für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation Überträgt man die in Kapitel 4.1 und im vorherigen Abschnitt beschriebenen theoretischen Effekte einer metallischen Umgebung auf die Identifikation von verbauten Komponenten im Fahrzeug, so ergeben sich zahlreiche weitreichende Auswirkungen, die im Folgenden dargestellt werden. 5.2.1 Bauteilfreiheitsgrade Betrachtet man das in Kapitel 4.1 beschriebene Verhalten der Transponderverstimmung unter dem Aspekt der Erfassung von Transpondern, so lässt sich aus der in 150 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Abbildung 4-5 dargestellten praktischen Evaluierung der Lesereichweite in Abhängigkeit des Transponderabstands zum metallischen Objekt folgern, dass für die Lesbarkeit eines Transponders ein Abstand von mindestens 6 mm zu anderen metallischen Bauteilen in der direkten Umgebung angestrebt werden muss, um eine Systemverstimmung zu verhindern (siehe Abbildung 5-6). Transponder Absorbermaterial > 6mm > 6 mm Abbildung 5-6: Mindestabstand des mobilen Datenträgers zu anderen metallischen Objekten, um eine Erfassung zu gewährleisten Rückwirkend auf die Kennzeichnung der Bauteile hat dies zur Folge, dass der Anbringungsort des Labels so zu wählen ist, dass dieser Freiheitsgrad erfüllt ist. Eng in metallischer Umgebung eingebaute Bauteile, beispielsweise im Bereich des Motorraums, können nicht identifiziert werden. 5.2.2 Schwankendes und unstetiges Lesefeld Aufgrund der Blechkarosserie und der Vielzahl von Bauteilen aus Metall ist im Einsatzszenario ein verstärktes Auftreten von Reflexionen zu erwarten. Da sich die Abmaße zahlreicher Einzelkomponenten, insbesondere im Bereich des Motorraums, des Fahrwerks oder des Airbags im Bereich der Wellenlänge befinden und die meisten Bauteile durch eine Vielzahl von Kanten gekennzeichnet sind, wird dieser Effekt zusätzlich verstärkt. Dies hat zur Konsequenz, dass ein sehr unstetiges, nicht prognostizierbares Lesefeld mit zahlreichen Leselöcher und Überreichweiten zu erwarten ist. Dies wird verstärkt durch die werkstoffbedingte unterschiedliche Lesereichweite der gekennzeichneten Bauteile. Bei Kunststoffkomponenten sind generell höhere Reichweiten als bei metallischen Bauteilen zu erwarten. Dementsprechend können bei einer feststehenden Leseantenne auch freiliegende Transponder, beispielsweise im Innenraum des Fahrzeugs, nicht hundertprozentig erfasst werden. Es ist zwingend erforderlich, die Antenne im Rahmen des Konzeptes 151 5 Erfassung von verbauten Bauteilen „offenes Fahrzeug scannen“ während des Auslesevorgangs zu bewegen, um eine ständige Veränderung der Leselöcher zu gewährleisten. Durch die starke Abhängigkeit der Reflexionen von der Umgebung kann kein Zeitfenster, das zur Erfassung der Transponder benötigt wird, auf Basis von theoretischen Untersuchungen festgelegt werden. Gegebenfalls wird ein mehrmaliges Wiederholen des Identifikationsvorgangs notwendig sein. Darüber hinaus führen die Überreichweiten zu erheblichen Herausforderungen im vorliegenden Einsatzszenario. Insbesondere bei engen Abständen zwischen den Fahrzeugen, wie beispielsweise in der Montage, ist eine versehentliche Identifikation von nicht zum fokussierten Fahrzeug gehörenden Bauteilen sehr wahrscheinlich. Aus diesem Grund ist es beim Einsatz der RFID-Technlogie zwingend erforderlich sein, dass Fahrzeug zu isolieren, um eine eindeutige Zuordnung der gekennzeichneten Komponenten zum Fahrzeug zu ermöglichen. Alternativ wäre noch die Identifikation der Komponenten mit unterschiedlichen Sendeleistungen denkbar. Dies bedeutet, dass beispielsweise ein schwer identifizierbares Bauteil schon bei der Ersterfassung mit Maximalleistung zum Fahrzeug gezählt wird, während ein leicht zu erfassendes Kunststoffbauteil erst bei mehrmaliger Erfassung auch bei einer niedrigeren Sendeleistung als fahrzeugzugehörig betrachtet wird. Dazu muss während des Lesevorgangs die Sendeleistung ständig variiert werden. Das Verfahren erfordert einen sehr hohen Untersuchungsaufwand, da die Sendeleistung für jedes Bauteil und jeden Umgebungszustand, beispielsweise der Motorraumdichte, angepasst werden muss. Dem zu Folge ist aus Sicht des Autors bei einer Erstumsetzung eine Lösung anzustreben, bei der das Fahrzeug isoliert wird. 5.2.3 Bauteilabschirmung und -abschattung Neben den bereits dargestellten Effekten wird es im vorliegenden Anwendungsfall zu zahlreichen Abschirmungs- und Abschattungseffekten kommen. Auf Basis der Theorie ist nicht bewertbar, in wie weit mit dem Identifikationsszenario „offenes Fahrzeug scannen“ Bauteile im Motorraum, speziell bei großen Motorisierungen, identifizierbar sind. Auf der einen Seite ist mit starken Abschattungseffekten zu rechnen, andererseits kann aber durch die Entstehung von neuen Wellenfronten eine Erfassung von versteckt verbauten Bauteilen möglich sein. Die Bewertung kann aufgrund der nicht beschreibbaren Einflussfaktoren nur mit Hilfe einer praktischen Evaluierung durchgeführt werden. 152 5 Erfassung von verbauten Bauteilen 5.2.4 Zusammenfassung und Fazit Auf Basis der zahlreichen Auswirkungen der metallischen Umgebung auf das elektromagnetische Lesefeld gestaltet sich die Erfassung von verbauten Komponenten, insbesondere im Motorraum, als schwierig und nicht prognostizierbar. Dennoch ist auf Basis der Theorie mit Hilfe des Identifikationsszenarios „offenes Fahrzeug scannen“ theoretisch die Möglichkeit der Erfassung von versteckt angebrachten mobilen Datenträgern möglich. Die technische Machbarkeit kann aber nur mit Hilfe einer Evaluierung bewertet werden. 5.3 Praktische Evaluierung der Erfassung von verbauten Komponenten Im Rahmen der praktischen Versuchsreihe gilt es das Erfassungsszenario „offenes Fahrzeug scannen“ zu evaluieren, um zum einen dessen Leistungsfähigkeit zu bewerten und zum anderen die Notwendigkeit einer kompakten Leseantenne zur nahen Positionierung am Bauteil, insbesondere im Motorraum, zu bewerten. 5.3.1 Versuchsaufbau Der Versuchsaufbau wird im Folgenden detailliert beschrieben. 5.3.1.1 Hardwarekomponenten Zur Anwendung kam das RFID-System OBID der Firma Feig mit den in Tabelle 5-2 aufgeführten Komponenten. Zur Ermittlung der maximalen Leistungsfähigkeit wurde die in Europa erlaubte Sendeleistung von 2 Watt bei der Versuchsreihe an der Sendeantenne eingestellt. Tabelle 5-2: Hardware Rahmenbedingungen für die praktische Evaluierung Verwendete Hardware Reader ID ISC.LRU 1000 Sende- und Empfangsantenne Feig ID ISC.ANT.U250 Einstellungen am Readermodul Sendeleistung an der Antenne 2W 153 5 Erfassung von verbauten Bauteilen 5.3.1.2 Mobile Datenträger Für die Kennzeichnung der Bauteile wurden repräsentative, auf dem Markt erhältliche Transponder verschiedenster Hersteller entsprechend Abbildung 5-7 verwendet. Abbildung 5-7: Verwendete Transponder zur Kennzeichnung der Bauteile (Transpondernummer – Hersteller – Bezeichnung – Arbeitsfrequenz [MHz] – Größe [mm] – Bild) 154 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Für die bauteilspezifische Auswahl des Transponders sind die Bauteilgröße und der Werkstoff von entscheidender Bedeutung. Im Rahmen der Evaluierung wurde dabei folgende in Tabelle 5-3 dargestellte Zuordnung getroffen. Tabelle 5-3: Zuordnung der Transponder zu den Werkstoffen Werkstoff Transpondernummer Kunststoff 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 9 Elastomere 8 Metallbauteile 5 mit Absorbermaterial 0,76 mm 5.3.1.3 Gekennzeichnete Bauteile Zur Evaluierung des Identifikationsszenarios „offenes Fahrzeug scannen“ wurden alle in Kapitel 3.4 festgelegten Referenzbauteile mit einem mobilen Datenträger gekennzeichnet. 5.3.1.4 Beschreibung des Versuchsfahrzeuges Als Versuchsfahrzeug wurde ein AUDI A4 Avant 3.0 TDI quattro verwendet. Aufgrund des 6-Zylinder Common-Rail Aggregates mit 3 Liter Hubraum und Turboaufladung ist das Fahrzeug durch einen sehr dicht gepackten Motorraum charakterisiert und stellt für die Fahrzeugklasse hinsichtlich der RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation ein Worst-Case Szenario dar (vgl. Abbildung 5-8). Dem zu Folge kann es als Referenzfahrzeug verwendet werden und gewährleistet die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Fahrzeugmodelle. Abbildung 5-8: Versuchsfahrzeug AUDI A4 Avant [AUD-07] mit dicht gepacktem Motorraum 155 5 Erfassung von verbauten Bauteilen 5.3.2 Versuchsdurchführung Zur Erfassung der gekennzeichneten Bauteile wurde im Rahmen der Evaluierung die Antenne des RFID-Systems manuell so nah wie möglich an der Stelle des mobilen Datenträgers in Schleifenbewegungen vorbeigeführt. Dies führt zu einer stetigen Veränderung des Lesefeldes und einer höheren Lesewahrscheinlichkeit. In Abbildung 5-9 ist schematisch das Überstreichen der Türverkleidung und Beifahrerseite dargestellt. Abbildung 5-10 zeigt beispielhaft die Durchführung der Bauteilidentifikation im Innenraum. Abbildung 5-9: Bewegungsablauf zur Identifikation der gekennzeichneten Bauteile in der Türverkleidung und des Handschuhfachs Abbildung 5-10: Durchführung der Bauteilidentifikation am Beispiel des Sitzes und der Türverkleidung 156 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Zur Erfassung der Bauteile im Bereich des Unterbodens ist die Antenne entsprechend der Abbildung 5-11 mit einer Rohrverlängerung von 1.5m versehen worden, um eine Identifikation der gekennzeichneten Komponenten im Unterflur- und Fahrwerksbereich des Fahrzeugs zu ermöglichen. Dadurch wird ein Aufbocken des Fahrzeugs vermieden. Analog zum Innenraum ist bei der Identifikation der Bauteile im Unterflur eine Schleifenbewegung nah an den gekennzeichneten Objekte anzustreben, um ein stetig wechselndes elektromagnetisches Feld zu gewährleisten und die Lesewahrscheinlichkeit zu erhöhen (vgl. Abbildung 5-11). Abbildung 5-11: Durchführung der Bauteilidentifikation und Bewegungsablauf im Unterflurbereich des Fahrzeugs Im Bereich des Motorraums ist durch die Baugröße der Einzelantenne ein direktes Eindringen nicht möglich. Analog zu den Bewegungsabläufen im Innenraum und im Unterflurbereich des Fahrzeugs wurde die Antenne im Rahmen der Evaluierung an der Oberfläche des Motorraums entsprechend Abbildung 5-12 im Zick-Zack-Kurs bewegt. 157 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Abbildung 5-12: Durchführung der Bauteilidentifikation im Motorraum des Fahrzeugs Um die Übertragbarkeit und die Allgemeingültigkeit der Evaluierung zu gewährleisten, wurden insgesamt 50 Versuchsreihen mit möglichst identischem Bewegungsablauf entsprechend der obigen Darstellung durchgeführt. Als Umgebung für die Versuchsreihe diente die Halle des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss Logistik der TU München, wodurch die Randbedingungen einer produktionsähnlichen Umgebung und die Ergebnisübertragbarkeit gewährleistet waren. Zur Bewertung der Leistungsfähigkeit im Rahmen der Evaluierung wurde folgende, in Tabelle 5-4 dargestellte Einteilungsmatrix erarbeitet, um die gekennzeichneten Bauteile auf Basis ihrer Lesegüte Erfassungsgruppen zuzuweisen. Tabelle 5-4: Kriterien zur Bewertung der Lesegüte der zu erfassenden Bauteile Erfassungsgruppe Kriterium Generell erfassbar Bauteil wird bei allen 50 Durchläufen bei einmaligen Überstreichen des Verbauortes sicher erfasst Erfassbar mit Lagekenntnis und Wiederholungszyklen Bauteil wird bei allen 50 Durchläufen bei genauer Kenntnis der Transponderlage und mehrmaligem Überstreichen (bis zu 3-mal) erfasst Schlecht erfassbar Bauteil wird nicht in allen 50 Durchläufen erfasst Nicht erfassbar Bauteil wird in keinem Durchlauf erfasst 158 5 Erfassung von verbauten Bauteilen 5.3.3 Ergebnisse der Versuchsreihe Die bei 50 Versuchsdurchläufen erzielte Erfassungsgüte ist in Abbildung 5-13 dargestellt. Gekennzeichnete Bauteile Generell erfassbar Erfassbar mit Lagekenntnis und Wiederholungszyklen Schlecht erfassbar Nicht erfassbar Anzahl Bauteile r 25 20 22 15 10 5 0 18 12 1 3 Vorderwagen / Unterflur 13 6 3 0 2 Zelle / Innenraum Abbildung 5-13: Erfassungsgüte der gekennzeichneten Bauteile mit Hilfe des Lesekonzepts „offenes Fahrzeug scannen“ bei einer Versuchsanzahl von n = 50 Das Szenario „offenes Fahrzeug scannen“ liefert dabei insbesondere bei den im Innenraum verbauten mobilen Datenträgern eine sehr hohe Identifikationswahrscheinlichkeit. Hier können 13 von 18 gekennzeichneten Bauteilen in allen Durchgängen erfasst werden, weitere 3 Komponenten werden sicher mit Kenntnis der genauen Transponderlage identifiziert. Damit sind nahezu 90 % der im Innenraum gekennzeichneten Bauteile in allen Durchgängen erfasst worden. Signifikant sind dabei die in der Theorie bereits vorhergesagten, deutlichen Reichweitenunterschiede bei den einzelnen Komponenten. Speziell die Transponder in Verkleidungsteilen besitzen sehr große Erfassungsbereiche und sind teilweise auch außerhalb des Fahrzeugs bis zu einer Entfernung von zwei Meter empfangbar. Im Gegensatz dazu können versteckte beziehungsweise tiefer verbaute Bauteile, wie beispielsweise der Beifahrerairbag, zwar sicher erfasst werden, bedürfen aber ein dichtes Vorbeibewegen der Antenne am Verbauort. Im Falle des Beifahrerairbags ist die Antenne direkt am Handschuhkasten entlang zuführen. Nicht erfasst werden können im Innenraum lediglich zwei Komponenten: Zum einen ist der Aufprallträger in der Tür 159 5 Erfassung von verbauten Bauteilen nicht erfassbar. Dieser befindet sich zwischen dem Außen- und Innenblech der Tür und ist trotz einzelner Ausstanzungen im Innenblech zu metallnah verbaut, wodurch er bereits ohne Türverkleidung nur eine sehr geringe Reichweite aufweist. Der Aufprallträger ist dadurch auch mit einem anderen Antennenkonzept aufgrund der Einbaulage nicht identifizierbar. Zum anderen ist der Motor zur Sitzlängsverstellung nicht erfassbar. Dies liegt im Wesentlichen an der zu großen Antenne, die nicht unter dem Sitz positioniert werden kann und lediglich eine Erfassung von oben möglich ist. Von dieser Richtung sind die Verstellmotoren der Sitze aber fast vollständig durch die metallische Sitzwanne abgeschirmt. Mit einem kompakten Antennenkonzept hingegen ist davon auszugehen, dass diese Bauteile von der Unterseite, an der die Motoren frei liegen, erfasst werden können. Zusammenfassend ist die Erfassungsgüte der jeweiligen Bauteile in Abbildung 5-14 dargestellt. Zelle / Innenraum Bewertung Verkleidungen Verkleidung A-Säule oben Verkleidung A-Säule unten Formhimmel Innenausstattung Tür Türverkleidung Motor Fensterheber Seitenaufprallverstärkung Sitze Sitzwanne (m) Grundkörper Lehne (m) Schaumteil Sitzwanne Motor für Sitzlängsverstellung (m) Insassenschutz Beifahrerairbag (m) Kopfairbag (m) Gurtstraffer Heizung Wärmetauscher Lenkung Lenksäule (m) Dichtungen Fahrertürdichtung Cockpit Schalttafel Kraftstoffanlage Kraftstoffbehälter ++ ++ ++ ++ + ++ ++ ++ ++ Generell erfassbar + Erfassbar mit Lagekenntnis und Wiederholungszyklen • Schlecht erfassbar Nicht erfassbar ++ ++ + ++ + ++ ++ ++ Abbildung 5-14: Erfassungsgüte der Innenraumbauteile Für den Innenraum lässt sich durch die erzielten Ergebnisse folgern, dass mit Hilfe des Lesekonzepts „offenes Fahrzeug scannen“ die zuverlässige Erfassung von verbauten Komponenten möglich ist. Nur metallisch fast vollständig abgeschirmte Bauteile, beispielsweise zwischen Innen- und Außenblech, sind nicht identifizierbar. Die technische Machbarkeit einer Identifikation von im Innenraum verbauten Komponenten konnte dadurch im Rahmen der Versuchsreihe nachgewiesen werden. Dem zu 160 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Folge ist nahezu jedes Bauteil mit Abmaßen im Bereich der Transpondergröße im Innenraum kennzeichen- und erfassbar. Für den Motorraum hingegen erweist sich das Antennenkonzept aufgrund der dichten metallischen Umgebung gepaart mit dem großen Abstand zu den mobilen Datenträgern als nicht zuverlässig. Hier können lediglich nahe an der Oberfläche sowie am Unterboden verbaute Bauteile erfasst werden. Im Rahmen der Versuchsreihe wurden mit Hilfe der Einzelantenne 12 von 22 Transponder zuverlässig erkannt. Mit Hilfe der Lagekenntnis kann noch zusätzlich eine Komponente verlässlich identifiziert werden. Die Transponder von drei weiteren Bauteilen wurden in circa der Hälfte der Durchgänge gelesen. Zusammenfassend ist dadurch das Identifikationskonzept „offenes Fahrzeug scannen“ nur bedingt für die Identifikation von im Motorraum verbauten Bauteilen geeignet. Die Zwischenräume zwischen den Bauteilen reichen folglich nicht für ein ausreichendes elektromagnetisches Feld im Motorraum aus. Für die durchgängige stetige Erfassung von Komponenten im Motorraum ist ein Lesekonzept notwendig, bei der die Antenne in den Motorraum eingebracht werden kann. Die Erfassungsgüte der jeweiligen Bauteile im Motorraum ist in Abbildung 5-15 dargestellt. 161 5 Erfassung von verbauten Bauteilen Vorderwagen/Unterflur Bewertung Motor / Nebenaggregate / Antriebsstrang Motor (m) Generator (m) Vakuumpumpe (m) Klimakompressor (m) Anlasser (m) Getriebe (m) Ladeluftkühler Aggregatelagerung Motorlager Motorlagerkonsole (m) Motorstütze (m) Hilfsrahmen (m) Motorkühlung / -schmierung Kühlerlüfter Ölwanne (m) Bremssystem Bremskraftverstärker (m) Leuchten Scheinwerfer Verschlauchung Luftschlauch Ladeluftkühler Fahrwerk Dämpferbein (m) Führungslenker (m) Schwenklager (m) Stabilisator (m) Karosserie Rohkarosserie (m) Pralldämpfer Stossfänger (m) ++ ++ ++ + • • ++ ++ Generell erfassbar + Erfassbar mit Lagekenntnis und Wiederholungszyklen • Schlecht erfassbar Nicht erfassbar ++ ++ ++ ++ ++ • ++ ++ ++ Abbildung 5-15: Erfassungsgüte der Motorraumbauteile 5.4 Zusammenfassung und Fazit Im Rahmen der praktischen Evaluierung des Identifikationskonzeptes „offenes Fahrzeug scannen“ hat sich gezeigt, dass das Konzept sehr leistungsfähig im Bereich des Innenraums ist. Hier können die gekennzeichneten Bauteile zuverlässig erkannt werden. Eine Ausnahme bilden Bauteile, die zwischen den Innen- und Außenblech liegen, und dadurch fast vollständig vom Metall umgeben sind sowie unter dem Sitz in engen Zwischenräumen verbaute Akuatoren. Letztgenannte sind aber mit einem für enge Bauräume ausgelegten Antennenkonzept erfassbar. Eine Leserate von 100 % wie im Rahmen der Anforderungsdefinition kann dadurch nicht ganz erreicht werden. Dennoch ist auf Basis des Identifikationsszenarios eine Erfassung von verbauten Komponenten im Interieur technisch machbar. Im Bereich des Motorraums hingegen stößt das Konzept aufgrund der Antennenbaugröße und des dadurch bedingten Abstands zu den jeweiligen mobilen Datenträgern an seine Grenzen. Dementsprechend können in diesem Bereich nur nahe an der oberen beziehungsweise unteren Oberfläche liegende Bauteile erkannt werden, so dass lediglich eine Leserate von knapp über 50 % erreicht wird. Für die Identifikation 162 5 Erfassung von verbauten Bauteilen von im Motorraum verbauten Komponenten ist dem zu Folge ein Antennenkonzept entsprechend des Szenarios „Scanpunkte“ notwendig, wodurch die Antenne nah an den gekennzeichneten Bauteilen positioniert werden kann. Hierfür ist die kompakte Bauform der Antenne eine grundlegende Vorraussetzung. Da es derzeit auf dem Markt kein dafür geeignetes Antennenkonzept für RFID-Systeme im UHF-Bereich gibt, gilt es, im Rahmen des nächsten Abschnittes Antennenbauformen aus anderen Frequenzbereichen hinsichtlich der notwendigen Anforderungen zu evaluieren und für den Einsatzfall zu qualifizieren. 163 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Das metallische Umfeld eines Motorraumes lässt entsprechend der Voruntersuchungen in Kapitel 5.3 die Erfassung von versteckt liegenden Bauteilen in diesem Bereich von außen nicht zu. Aus diesem Grund ist es entsprechend des Identifikationskonzepts „Scanpunkte“ notwendig, mit der Antenne direkt in den Motorraum einzudringen und dadurch in die Nähe der gekennzeichneten Bauteile zu gelangen. Dies bedingt eine geringe Baugröße der Antenne, wodurch gängige, auf dem Markt erhältliche Antennenkonzepte für UHF-RFID-Systeme aufgrund ihrer Auslegung auf maximale Reichweite nicht geeignet sind. Dem zu Folge gilt es im Rahmen der Arbeit neue Antennenbauformen für UHF-Systeme zu entwickeln und auf ihre Leistungsfähigkeit in der metallhaltigen Umgebung zu evaluieren. Dazu werden bestehende Antennenbauformen auf ihre Eignung zum Einsatz im Motorraum analysiert und auf die Frequenz von UHF-Systemen übertragen. Die Vorgehensweise ist detailliert in Abbildung 6-1 dargestellt. 164 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Ausgangssituation: Neues Antennenkonzept zur Transponderidentifikation in engen Bauräumen Aufstellung von eigenschaftsbestimmenden Antennenparametern Kap. 6.1 Aufstellung möglicher Antennen für den UHF-Frequenzbereich Kap. 6.2 Ermittlung der Anforderungen an Antennen für den Einsatz in engen Bauräumen Kap. 6.3 Auswahl eines geeigneten Antennenkonzeptes Kap. 6.4 Ausgestaltung und anwendungsbezogene Optimierung des ausgewählten Kap. 6.5 Antennenkonzeptes Verifikation des ausgewählten Antennenkonzeptes Kap. 6.6 Abbildung 6-1: Vorgehensweise bei der Auswahl eines geeigneten Antennenkonzeptes für den Einsatz zur automatischen Bauzustandsdokumentation in der Automobilindustrie 6.1 Antennenparameter Zunächst werden kurz die wesentlichen Parameter von Antennen beschrieben, auf Basis derer die Definition der technischen Anforderungen an die zu entwickelnde Antenne erfolgt. Detailliert können die bestimmenden Eigenschaften wie auch Parameter für Antennen in [ROT-01] und [KRK-06] nachgelesen werden. 6.1.1 Impedanz Ein wesentlicher Kennwert einer Antenne ist ihre Impedanz, die das Verhältnis von Spannung und Strom am Speisepunkt der Antenne kennzeichnet. Die Impedanz ist dabei kein reeller Wert, sondern wird in komplexen Zahlen ausgedrückt und ist frequenzabhängig. Aus diesem Grund muss die Impedanz der Antenne so eingestellt werden, dass die Antenne im Bereich der Arbeitsfrequenz in Leistungsanpassung 165 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume betrieben wird und die Verluste durch Reduktion des Blindwiderstandes sowie Anpassung des Wirkwiderstandes minimiert werden (vgl. 2.4.3.3). 6.1.2 Reflexionsdämpfung Für eine optimale Leistungsfähigkeit müssen Reflexionen auf der Antenne vermieden werden. Insbesondere stehende Wellen auf der Antenne beeinträchtigen ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit erheblich. Aus diesem Grund muss bei der Arbeitsfrequenz ein Reflexionsminimum herrschen beziehungsweise die Reflexionsdämpfung maximal sein. Die Reflexionsdämpfung lässt sich analog zur Resonanz im Wesentlichen durch mechanische Veränderungen, das heißt beispielsweise Variation der Länge einer Antenne sowie durch die Wahl des Speisepunktes, verändern und einstellen. Generell schwingt eine längere Antenne bei tieferen Frequenzen und eine kürzere bei höheren. In Abbildung 6-2 ist beispielhaft die Reflexionsdämpfung einer gut abgestimmten UHF-Antenne dargestellt. Das Reflexionsminimum im Bereich der Arbeitsfrequenz von 868 MHz ist deutlich zu erkennen (siehe Marker M1 in Abbildung 6-2). Abbildung 6-2: Beispiel für die Reflexionsdämpfung einer Antenne im UHF-Frequenzband. 166 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume 6.1.3 Gewinn Eng mit der Richtwirkung verknüpft ist der Antennengewinn. Er gibt das Verhältnis der maximalen Leistung an, die die zu vermessende Antenne im Vergleich zu einer festgelegten Antenne (beispielsweise dem isotropen Strahler) im gleichen Feld empfängt. Antennen mit starker Richtwirkung haben in Vorzugsrichtung einen hohen Antennengewinn, wodurch dieser direkt aus dem Strahlungsdiagramm abgelesen werden kann [SPI-89]. Der Antennengewinn wird dabei maßgeblich durch die geometrische Bauart, der Antennenimpedanz und der Reflexionsdämpfung beeinflusst. 6.1.4 Sende- und Empfangsleistung Die Sende- und Empfangsleistung gibt an, welche Leistung eine Antenne abgestrahlt beziehungsweise aufgenommen hat. Sie wird dabei neben den oben genannten Parametern maßgeblich bestimmt durch die eingespeiste beziehungsweise ankommende Leistung, wodurch sie als absoluter Wert nur eine indirekte Aussagekraft über die Antenneneigenschaften besitzt. Bei definierten Versuchsbedingungen und im Rahmen einer vergleichenden Bewertung ist sie eine wesentliche Größe zur Auslegung und Leistungsbewertung von Antennen. 6.2 Antennenbauformen und ihre Eigenschaften Im Rahmen dieses Kapitels werden mögliche für den UHF-Frequenzbereich geeignete Antennenbauformen und deren Eigenschaften vorgestellt, die die Grundlage für die Auswahl eines für den Anwendungsfall geeigneten Antennenkonzepts im Verlauf des Kapitels darstellen. Aufgrund der Vielfalt ist bei den hier dargestellten Antennenbauformen im Vorfeld bereits eine Auswahl hinsichtlich der grundsätzlichen Eignung zum Einsatz im Motorraum getroffen worden. Ebenfalls werden komplexere Bauformen und verkürzte Antennen vernachlässigt, da sich durch die dafür notwendigen Kompensations- und Anpassungsschaltungen die Umgebungsabhängigkeit beziehungsweise -sensibilität der Antenne erhöht und der Strahlungswirkungsgrad sinkt [JAZ-96]. Dadurch wären die Eigenschaften dieser Bauformen in der herausfordernden Umgebung des Motorraums nicht mehr beherrschbar. Die Einteilung der vorgestellten Bauformen erfolgt in folgende 3 Antennengruppen: 167 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume • Dipole, • Stabantennen und • Flachantennen. 6.2.1 Dipole Eine Dipolantenne besteht aus zwei gleich langen schwingenden Elementen, die über die Mitte gespeist werden (vgl. Abbildung 2-29). Im Folgenden werden die Arten • Halbwellen- und Ganzwellendipol, • Flächendipol sowie • Koaxialantenne unterschieden und näher beschrieben. 6.2.1.1 Halb- und Ganzwellendipol Je nach Länge der schwingenden Elemente im Verhältnis zur Wellenlänge der Arbeitsfrequenz werden Dipole in unterschiedliche Klasse eingeteilt. Am bedeutendsten sind der Halb- und Ganzwellendipol, bei denen dünne Drähte als schwingende Elemente eingesetzt werden. Bei der exakten Längenbestimmung muss zusätzlich ein Verkürzungsfaktor miteinbezogen werden, da die Ausbreitung der elektromagnetischen Welle auf der Antenne mit einer anderen Geschwindigkeit als in Luft erfolgt. Dies führt entsprechend Formel (2-1) zu einer Veränderung der Wellenlänge, auf die die Antennenlänge mit Hilfe des Verkürzungsfaktors angepasst werden muss. Dieser ist generell bei der Auslegung von Antennen zu berücksichtigen und wird durch • das Material, • die Materialstärke und • die Bauform der Antenne bestimmt [ROT-88]. Dipolantennen um Linearantennen weisen eine lineare Polarisation auf (vgl. Abbildung 2-34). Der Ganzwellendipol ist entsprechend Abbildung 6-3 im Vergleich zum Halbwellendipol durch eine höhere Richtcharakteristik charakterisiert, wodurch höhere Reichweiten in Vorzugsrichtung zu erwarten sind. 168 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Abbildung 6-3: Winkelverteilung der Strahlung eines Halb- (a) und Ganzwellendipols (b) (in Anlehnung an [WEI-00]) Da im Anwendungsfall die Baugröße höher als die zu erwartende Sendeleistung in Vorzugsrichtung zu bewerten ist, wird im Folgenden lediglich der Halbwellendipol weiterverfolgt. 6.2.1.2 Flächendipol Flächendipole sind Dipolantennen, bei denen als Strahler Bleche oder dicke Leiter verwendet werden, die breitbandiger strahlen als dünne Drähte. Das heißt, ihre Frequenzabhängigkeit und Fußpunktimpedanz sind über einen großen Frequenzbereich konstant, wodurch sie sich für den Einsatz als Breitbandantennen eignen. Typische Flächendipole sind der Schmetterlingsdipol oder der Fächerdipol (vgl. Abbildung 6-4). Der Spreizwinkel θ bestimmt dabei Impedanz, Verkürzungsfaktor V und Bandbreite. Durch die stark verbreiterten Dipol-Enden wird der Dipol zusätzlich verkürzt, da die Enden eine erhöhte kapazitive Wirkung haben. λ* L= λ ,73 0 ≈ V( ) θ Abbildung 6-4: Flächendipol (in Anlehnung an [ROT-88]) 169 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Aufgrund der ebenen Bauform kann der Flächendipol auch vor einer Reflektorwand montiert werden, um eine zusätzliche Richtwirkung zu erzielen. Trotz der Strahlerfläche ist er aufgrund seiner elektrischen Eigenschaften eine lineare Antenne. 6.2.1.3 Koaxial-Antenne Eine Koaxialantenne besteht aus einem λ/4-Strahler, der mit dem Innenleiter des Speisekabels verbunden ist, sowie einem Metallrohr ebenfalls in λ/4-Länge, das vom Außenleiter des Kabels gespeist wird. Das Metallrohr arbeitet gleichzeitig als strahlende Dipolhälfte und als Viertelwellensperrtopf. Der Sperrtopf bewirkt, dass die Entstehung von Mantelwellen auf dem Kabel unterbunden wird [ROT-88], die generell die Leistungsfähigkeit der Antennen negativ beeinflussen. Insgesamt ergibt sich für die Koaxialantenne eine Gesamtlänge von einer halben Wellenlänge. Abbildung 6-5 zeigt den grundsätzlichen Aufbau einer Koaxialantenne. Abbildung 6-5: Koaxialantenne [ROT-88] Die Koaxialantenne ist ein vertikal polarisierter Rundstrahler, der eine relativ exakte Rundcharakteristik aufweist. Da auch der Außenleiter als Strahler fungiert, ist die Koaxialantenne vom Prinzip ein senkrechter Halbwellendipol. 170 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Die Antennenform zählt aufgrund ihrer Endpunkspeisung klassischerweise nicht zu den Dipolstrahlern, wird aber wegen der vergleichbaren Eigenschaften im Rahmen der Arbeit in dieser Gruppe geführt. 6.2.2 Stabantennen Stabantennen sind endgespeiste Antennen, die wie Dipole je nach Frequenzbereich eine definierte Länge aufweisen müssen. Im Folgenden werden die Arten • Marconi-Antenne und • Wendelantenne unterschieden und näher beschrieben 6.2.2.1 Marconi-Antenne Eine Marconi-Antenne ist eine Stabantenne der Länge λ/4. Die Antenne benötigt ein Gegengewicht am Einspeisungspunkt, das beispielsweise durch die Erde (Groundplane-Antenne) oder eine Metallplatte dargestellt werden kann. Im UHFBereich ist die Antenne aufgrund der kurzen Wellenlänge sehr kompakt, so dass auch das Metallgehäuse vieler Geräte als Gegengewicht fungieren kann. Durch den elektrischen Gegenpol spiegelt sich die Antenne im Prinzip zu einem Halbwellendipol. Im Speise- bzw. Spiegelungspunkt herrscht dabei ein Nullpotenzial. Abbildung 6-6 zeigt das Prinzipbild einer geerdeten Marconi-Antenne mit Spannungs- und Stromverteilung. Spiegelbild Abbildung 6-6: Funktionsweise der Marconi-Antenne [TBZ-08] 171 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Marconieantennen werden häufig als Mobilfunk-Außenantennen für das Fahrzeug eingesetzt. Das Gegengewicht wird hierbei durch die Fahrzeugkarosserie gestellt. 6.2.2.2 Wendelantenne Eine Wendel- oder Helixantenne ist eine Antennenbauform, mit der vor allem zirkular polarisierte, elektromagnetische Wellen gesendet oder empfangen werden können. Sie besteht aus einem (bei koaxialer Speisung) oder zwei (bei symmetrischer Speisung) gewundenen Leitern. Abbildung 6-7 zeigt beispielhaft eine Helixantenne für Mobilfunk-Anwendungen. Durchmesser und Steigung der Wendel hängen von der Einsatzfrequenz ab. Der Durchmesser beträgt für eine zirkulare Polarisation 0,31 λ [ROT-01]. Für die Steigung sind nach [ROT-01] Werte zwischen 6° bis 24° zulässig, wobei die übliche Steigung 14° beträgt. Die Richtung und der Gewinn der Antenne erhöhen sich mit der Länge der Wendel. Abbildung 6-7: Wendelantenne [ROT-88] Die Wendelantenne ist in der Lage, unbestimmt linear polarisierte Wellen zu empfangen. Zirkular polarisierte Wellen müssen jedoch zum Empfang denselben Drehsinn wie die Wendel aufweisen. 6.2.3 Flachantennen Im Bereich der Flachantennen werden die beiden Arten • Schlitz und • Ringantenne 172 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume unterschieden. 6.2.3.1 Schlitzantenne Die Schlitzantenne nutzt als strahlendes Element keinen Leiter, sondern das Fehlen beziehungsweise die Unterbrechung von leitendem Material. So besteht eine Halbwellen-Schlitzantenne analog zum Halbwellendipol nicht aus einem Leiter der halben Wellenlänge, sondern aus einer Metallplatte, aus der ein Schlitz der halben Wellenlänge ausgespart ist. Dadurch sind elektrisches und magnetisches Feld gegenüber dem Dipol vertauscht, wodurch sich eine vertikal angeordnete Schlitzantenne verhält wie ein horizontal angeordneter Dipol [ROT-88]. Der Speisepunkt der Schlitzantenne muss nicht mittig liegen, sondern kann zur Abstimmung entlang des Schlitzes verschoben werden. Der höchste Eingangswiderstand befindet sich in der Mitte des Schlitzes, zum Ende fällt er gegen Null ab. Abbildung 6-8: Schlitzantenne [CTR-08] Schlitzantennen werden vor allem bei hohen Frequenzen eingesetzt, bei denen die Herstellung von Dipolen aufgrund der geringen Größe problematisch ist. Durch die Möglichkeit der direkten Einbringung in die Struktur eines Objektes kommen Schlitzantennen des Weiteren in Bereichen zur Anwendung, bei dem keine Strukturen nach außen stehen dürfen, wie beispielsweise bei Flugzeugen. 6.2.3.2 Ringantennen Ring- oder Loopantennen sind magnetische Strahler. Das schwingende Element ist dabei zu einem Kreis geformt. Im Gegensatz zu einer Dipolantenne, bei der das elektrische Feld den Stromfluss erzeugt, wird die Spannung in der Ringantenne durch das magnetische Feld verursacht. Zur Anpassung der Antenne ist im Regelfall ein Spulen- oder Kondensator-Element integriert (vgl. Abbildung 6-9). 173 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Abbildung 6-9: Loopantenne mit Spule als Anpassungselement Der Umfang des Leiters entspricht dabei einer halben oder ganzen Wellenlänge. Auch kürzere Loopantennen sind realisierbar, jedoch nicht für den UHF-Bereich, da ihre Eigenschaften bezüglich Impedanz und Wirkungsgrad nicht mehr beherrschbar sind [ROT-88]. Die Lage der Speisepunkte hat einen großen Einfluss auf die Funktion der Antenne. 6.3 Anforderungen an Antennenkonzepte an enge Bauräume Um die Erfassung von Transpondern in engen metallhaltigen Bauräumen zu ermöglichen, muss die zu entwickelnde Antenne verschiedene technische, beziehungsweise allgemeine und spezifisch auf den Anwendungsfall bezogene, Anforderungen erfüllen. 6.3.1 Technische Anforderungen Im Folgenden werden die technischen Anforderungen an eine Antenne zum Einsatz in der Bauzustandsdokumentation auf Basis der bereits dargestellten charakteristischen Eigenschaften von Antennen erläutert 6.3.1.1 Sende- und Empfangsleistung Die zu entwickelnde Antenne muss ihr Leistungsmaximum und damit ihre Resonanzfrequenz in dem in Europa für UHF-Anwendungen freigegebenen Frequenzbereich von 868 MHz haben. Dies bedeutet, dass ihre geometrischen Abmaße, ihr Antennengewinn und ihre Eingangsimpedanz sowie eventuell ihr Einspeisungspunkt auf diese Arbeitsfrequenz ausgelegt werden müssen, um eine maximale Sende- und Empfangsleistung zu erzielen. Die Evaluierung der Sende- und Empfangsleistung erfolgt mit Hilfe einer vergleichenden Bewertung. Als Referenz wird eine auf den UHF-Bereich spezialisierte auf 174 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume dem Markt erhältliche Patch-Antenne verwendet. Für die Versuchseihe wurde die im Rahmen des Lehrstuhls für Fördertechnik Materialfluss Logistik bei zahlreichen Standardanwendungen eingesetzte und erprobte Patch-Antenne der Firma ausgesucht. Als Zielwert für die zu entwickelnde Antenne erfolgt die Festlegung, dass die Dämpfung zwischen der Referenz- und der zu entwickelnden Antenne bei einem definierten standardisierten Versuchsaufbau bei der Arbeitsfrequenz von 868 MHz nicht mehr als 10 dB über der Dämpfung zwischen zwei Referenzantennen liegen darf. Dadurch ist eine ausreichende Lesereichweite zur Identifikation von Bauteilen im Motorraum gewährleistet. 6.3.1.2 Reflexionsdämpfung Reflexionen mindern die Leistungsfähigkeit und Funktionalität der Antenne, da sie eine Auslöschung oder Minderung der elektromagnetischen Wellen durch Überlagerung bei bestimmten Frequenzen bewirken können. Sie sind frequenzabhängig und sollen im Funktionsbereich der Antenne minimal werden. Dem zu Folge muss die Antenne die maximale Reflexionsdämpfung im Abstimmungsbereich aufweisen. Darüber hinaus soll die Reflexionsdämpfung nach [ROH-99] mindestens 50 dB betragen, um Messunsicherheiten zu reduzieren und von unter 2 dB zu erreichen. 6.3.2 Spezifische Anforderungen für den Anwendungsfall Um eine Funktion der Antenne im Motorraums zu gewährleisten, muss sie außer den technischen Anforderungen, die die Funktionalität der Antenne im Arbeitsfrequenzbereich gewährleisten, auch bauraumspezifischen Anforderungen genügen. 6.3.2.1 Baugröße und Bauform Die absoluten Maße der Antenne legen fest, inwieweit sie in den Motorraum eingebracht werden kann. In Abbildung 6-10 sind beispielhaft die Platzverhältnisse im Motorraum eines Audi 3.0 TDI dargestellt, der aufgrund seines 6-Zylinder Pumpe-DüseAggregats mit Turbolader als Referenz für einen dicht gepackten Motorraum herangezogen werden kann. 175 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Abbildung 6-10: Motorraum eines AUDI A4 Avant 3.0 TDI Um die Antenne in die vorhandenen Zwischenräume im Motorbereich einbringen zu können, ist eine längliche Antennenform ideal, die lediglich über einen geringen Durchmesser verfügt beziehungsweise bei nicht runden Antenne eine geringe Breite und Tiefe besitzt. Für die kritischen Werte des Durchmessers beziehungsweise der Kantenlängen wurde nach der Analyse der Zwischenräume des Referenzfahrzeugs und einem Abgleich mit anderen Fahrzeugtypen ein maximales Abmaß für eine allgemeingültig einsetzbare Antenne im Motorraum eines Fahrzeugs von 20 mm Durchmesser beziehungsweise Kantenlänge festgelegt. Die Baugröße einer Antenne bestimmt darüber hinaus je nach Bauart und Frequenzbereich im Wesentlichen auch den maximal erreichbaren Antennengewinn und damit die Sende- und Empfangsleistung. Daraus ergibt sich im Rahmen der Antennenentwicklung ein Zielkonflikt zwischen Baugröße und erzielbarer Leistung. Für das Einsatzszenario ist die Baugröße aber höher zu bewerten als die Maximalleistung, da die Möglichkeit der Einbringung in den Motorraum eine Grundvorrausetzung und ein Ausschluss-Kriterium darstellt. Außerdem kann die Antenne durch kleine Abmaße im Motorraum relativ nah am auszulesenden Transponder positioniert werden, wodurch der absoluten Lesereichweite im Verhältnis zur Baugröße nur eine untergeordnete Rolle zukommt. 6.3.2.2 Breitbandigkeit Speziell für den Einsatz in engen Bauräumen mit metallischem Umfeld muss die Antenne eine Breitbandigkeit aufweisen, die über das normale Maß hinausgeht. 176 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Die metallische Umgebung bewirkt in der Antenne eine Verschiebung der Resonanzfrequenz (vgl. Abbildung 2-26). Daher ist es notwendig, dass die Antenne außerhalb der Arbeitsfrequenz einen hohen Antennengewinn und eine hohe Sende- und Empfangsleistung aufweist. In Abgleich mit anderen auf dem Markt erhältlichen Antennen ist eine Dämpfung von maximal 3 dB im Frequenzbereich von 830 bis 950 MHz anzustreben. Dadurch ist gewährleistet, dass das Antennenkonzept weltweit im UHF-Bereich einsetzbar ist (vgl. Abbildung 2-45). 6.3.2.3 Robustheit In der Praxis wird die Antenne zur Erfassung von Transpondern im Motorraum eingesetzt. Dabei sind mechanische Belastungen durch Stöße an Bauteilen unvermeidbar. Ebenso ist eine chemische Belastung durch an Bauteilen befindlichen Betriebsflüssigkeiten wie Motoröl oder Bremsflüssigkeit sowie Spritzwasser zu erwarten. Plastische Veränderungen wie Verformung oder Bruch sowie Materialveränderungen durch chemische Einwirkung können die Funktion der Antenne stark beeinträchtigen. Die Antenne muss folglich derart stabil oder flexibel ausgelegt werden, dass sie mechanischen Belastungen über einen längeren Zeitraum ohne Beschädigungen standhält. Das betrifft sowohl die Wahl der Bauform als auch des Materials für die Antenne. Ebenso ist geeignetes Material oder eine Ummantelung zum Schutz vor Korrosion vorzusehen. 6.3.2.4 Handhabung Für den Einsatz der Antenne ist deren einfache Handhabbarkeit eine zentrale Anforderung. Zum einen muss der Aufwand zur Positionierung und Einbringung in den Motorraum gering sein und zum anderen ist speziell im herausfordernden Umfeld des Motorraums die Unabhängigkeit der Antenneneigenschaften von der Umgebung von zentraler Bedeutung für deren Handhabbarkeit. Im Motorraum ist bei der Einbringung der Antenne eine Berührung mit Metall nicht zu vermeiden. Aus diesem Grund muss für eine einfache Handhabung der Antenne gewährleistet sein, dass der Metallkontakt nicht zu einer starken Minderung der Leistungsfähigkeit führt, da ansonsten der Positionieraufwand für den Nutzer stark 177 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume ansteigt. Eigenschaftskritische Stellen der Antenne müssen durch Bauart oder Ummantelung geschützt werden. Ebenfalls wird die Handhabbarkeit im vorliegenden Anwendungsfall maßgeblich durch die Kabelführung und die Einspeisung bestimmt. Beispielsweise eine Mitteneinspeisung ist aufgrund des sehr hohen Positionieraufwandes nicht geeignet. Für den Einsatz im Motorraum ist dem zu Folge eine endgespeiste Antenne mit zugentlasteter Kabelführung anzustreben. 6.3.3 Zusammenfassung Für den Einsatz einer Antenne in der herausfordernden metallhaltigen Umgebung des Motorraums sind zahlreiche technische, aber auch bauraumspezifische Anforderungen zu erfüllen. In Tabelle 6-1 sind zusammenfassend die im Rahmen des Kapitels erarbeiteten Anforderungen an eine allgemein einsetzbare Antenne zur Eindringung in den Motorraum und die Zielwerte zur Anforderungserfüllung dargestellt. Tabelle 6-1: Übersicht Anforderungen an Antennenkonzepte zum Einsatz im Motorraum Bewertungskriterien Technische Anforderungen Bauraumspezifische Anforderungen 6.4 Wert Baugröße Resonanzfrequenz Sende- und Empfangsleistung Reflexionsdämpfung Durchmesser bzw. Kantenlänge < 20 mm 868 MHz Dämpfung < (Feig-Antenne + 10 dB) > 50 dBi bei 868 Mhz Breitbandigkeit Robustheit Handhabbarkeit max. 3 dB Zunahme bei +/- 50 Mhz mechanische und chemische Belastung Günstige Kabelführung Endspeisung Günstige Bauform zur Handhabung im Motorraum Konzept zur Auswahl des geeigneten Antennenkonzepts Die Auswahl eines geeigneten Antennenkonzepts erfolgt auf Basis der im vorherigen Kapitel ermittelten Anforderungen. Aufgrund ihrer elementaren Bedeutung für den praktikablen Einsatz in engen Bauräumen stellen dabei die Parameter Baugröße und Handhabbarkeit AusschlussKriterien für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation dar. Die maximale Sende- und Empfangsleistung kann – falls notwendig - für Antennen, die die elementaren Anforderungen erfüllen, als Vergleichskriterium verwendet werden, während die 178 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume verbleibenden Kriterien Resonanzfrequenz, Reflexionsdämpfung sowie Robustheit durch die Auslegung beziehungsweise Gestaltung der Antenne erreicht werden können und nicht vom grundlegenden Antennenkonzept abhängen. Zusammenfassend ist der Prozess zur Auswahl eines geeigneten Antennekonzepts in Abbildung 6-11 dargestellt. Gängige Antennenkonzepte nein Erfüllung Anforderung Baugröße Antennenkonzept nicht für enge Bauräume geeignet ja nein Erfüllung Anforderung Handhabbarkeit ja Direkter Vergleich der Sende- und Empfangsleistung Auswahl eines geeigneten Antennenkonzeptes Auslegung und Ausgestaltung des ausgewählten Antennenkonzeptes auf die Anforderungen Resonanzfrequenz, Reflexionsdämpfung und Robustheit Abbildung 6-11: Vorgehen bei der Auswahl des geeigneten Antennenkonzepts 6.5 Auswahl eines geeigneten Antennenkonzepts Die in Kapitel 6.3 ermittelten Antennenbauformen werden im folgenden Abschnitt hinsichtlich ihrer Eignung für den Anwendungsfall bewertet. 179 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume 6.5.1 Anforderung Baugröße Die Baugröße der Antenne stellt die zentrale Anforderung für den Einsatz zur Bauzustandsdokumentation in der Automobilindustrie dar. Die im Rahmen des Unterkapitels errechneten Werte für die Antennengröße stellen nur eine Abschätzung dar, da die exakten Abmaße beziehungsweise der Verkürzungsfaktor der Antenne stark von den Materialien der verwendeten Komponenten abhängen (vgl. 6.1). 6.5.1.1 Dipole Halbwellendipol Die Abmessung von Dipolantennen wird bestimmt durch die Wellenlänge und dem Verkürzungsfaktor. Dieser hängt bei Dipolen maßgeblich vom Schlankheitsgrad der Antenne ab, der durch das Verhältnis der Länge L zum Durchmesser d der schwingenden Elemente ausgedrückt wird. Aufgrund der kleinen Wellenlänge ergibt sich im UHF-Frequenzbereich im Regelfall ein Schlankheitsgrad kleiner 100, wodurch die Halbwellendipole in diesem Bereich zu den „sehr dicken Antennen“ [JAZ-96] zählen. Dadurch lässt sich ein Verkürzungsfaktor V von bis zu 0,93 realisieren [JAZ-96]. Die Länge L eines Halbwellendipols ergibt sich somit entsprechend der folgenden Rechenvorschrift zu 1 1 L = V ⋅ ⋅ λ = 0,93 ⋅ ⋅ 0,346 m ≈ 161 mm . 2 2 (6-1) Durch die sehr kurze Wellenlänge kann der Dipol darüber hinaus sehr kompakt hinsichtlich des Durchmessers ausgeführt werden. Selbst bei einem extremen Schlankheitsgrad von 10 [JAZ-96] nimmt der Durchmesser ein Maximum von 16,1 mm an und liegt damit unter dem geforderten Wert von 20 mm. Der Halbwellendipol ist somit aufgrund der länglichen Abmaße für einen Einsatz im Motorraum geeignet. Fächerdipol Der Flächendipol ist aufgrund der erhöhten Kapazität, bedingt durch die aufgefächerte Bauweise, durch einen hohen Verkürzungsfaktor V von 0,73 charakterisiert [ROT88]. Dadurch ergibt sich entsprechend Abbildung 6-4 für die Kantenlänge L mit der dargestellten Formel der folgende Wert: 180 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume L = V ⋅ λ = 0,73 ⋅ 0,346 m ≈ 253 mm . (6-2) Der Gesamtöffnungswinkel 2 Θ der Flächen beträgt bei UHF-Antennen im Normalfall 60-80° (vgl. [ROT-01]). Somit kann die minimal sinnvolle Breite des Fächerdipols mit Hilfe der folgenden Formel berechnet werden: B = sin Θ ⋅ L = sin ( 30°) ⋅ 253 mm =126,5 mm . 2 (6-3) Auf Basis seiner Abmaße ist dem zu Folge der Fächerdipol für den Einsatz im Motorraum nicht geeignet. Koaxialantenne Die Koaxialantenne kann als vertikaler Halbwellendipol betrachtet werden, wodurch sich ebenfalls eine längliche Bauweise mit der Ausdehnung von einer halben Wellenlänge ergibt. Die eine Strahlerhälfte wird durch den Innenleiter des Anschlusskabels gebildet und weist dadurch je nach verwendetem Anschlusskabel einen Durchmesser von deutlich unter 20 mm auf. Die zweite Strahlerhälfte wird durch ein λ/4-langes metallisches Rohr repräsentiert, das ebenfalls als Sperrtopf fungiert. Dies muss vom Durchmesser geringfügig größer als das Koaxialanschlusskabel ausgeführt sein, wodurch sich bei Verwendung eines entsprechenden Antennenkabels Werte von unter 20 mm realisieren lassen. Exakte Werte hinsichtlich Durchmesser und Länge lassen sich erst bei der konkreten Ausgestaltung der Antennen angeben, da dessen Eigenschaften und damit auch der Verkürzungsfaktor unter anderem stark vom verwendeten Koaxialkabel und dem Material des Sperrtopfes bestimmt werden. Aufgrund seiner länglichen Bauform kann aber durch eine gezielte Auslegung und Komponentenauswahl die Anforderung hinsichtlich der begrenzten Abmaße erfüllt werden. 6.5.1.2 Stabantenne Marconi-Antenne Die Marconi-Antenne scheint auf den ersten Blick durch ihre längliche Bauform prädestiniert für den Einsatz in engen Bauräumen. Da sie aber ein elektrisches schwingfähiges Gegengewicht benötigt, muss sie auf einer metallischen Grundplatte montiert werden, die mindestens einen Durchmesser der halben Wellenlänge (≈ 17 cm) auf- 181 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume weisen muss. Dadurch kann die Vorgabe von einem maximalen Durchmesser von 20 mm von der Marconi-Antenne nicht erfüllt werden. Bei einem Verzicht auf ein festes Gegengewicht kann der Gegenpol auch durch den Benutzer dargestellt werden. Damit sind aber sehr große Leistungsverluste und eine starke Leistungsvarianz in Abhängigkeit der Umgebung und des Benutzers verbunden, wodurch diese Bauform als nicht zweckmäßig erachtet wird. Wendelantennen Um eine zirkulare Polarisation zu erhalten, muss der Umlauf einer Wendel bei dieser Antennenform der Wellenlänge λ entsprechen. Unter Berücksichtigung des Verkürzungsfaktors ergibt sich dadurch der Durchmesser D einer Wendelantenne auf Basis von [Rot-88] mit Hilfe des Verkürzungsfaktors V von 0,31 zu D = 0,31 ⋅ λ = 0,31 ⋅ 345,6 mm = 107,1 mm . (6-4) Voraussetzung für die Funktionsweise ist, dass mindestens 3 Windungen vorhanden sind, wobei die Reinheit der Zirkularpolarisation mit der Anzahl der Windungen steigt. Aus dem Standardsteigungswinkel von 14° ergibt sich somit ein Windungsabstand S von 0,24λ, wodurch die Mindestlänge der Antenne L = 3 ⋅ 0,24 ⋅ λ = 3 ⋅ 0,24 ⋅ 345,6 mm = 248,8 mm (6-5) beträgt. Die Wendelantenne ist somit durch den großen Durchmesser von über 100 mm zu groß, um die Anforderungen an die Antennenabmessungen zu erfüllen und kann dadurch nicht mehr in den Motorraum eingebracht werden. Somit ist sie für den vorliegenden Anwendungsfall ungeeignet. 6.5.1.3 Flachantennen Schlitzantennen Bei einer Schlitzantenne wird in ein leitfähiges Material ein Schlitz von etwa der halben Wellenlänge eingebracht. Der Verkürzungsfaktor sowie die elektrischen Eigenschaften der Antenne hängen dabei von der Breite des Schlitzes ab, der im Verhältnis zur Länge sehr klein sein muss. Der Schlitzantenne kann als Rohrschlitzantenne oder ebene Schlitzantenne ausgeführt werden. Die Leistungsfähigkeit nimmt mit der Reduktion des leitenden Materials um den Schlitz ab. Bei der Gestaltung als Rohrschlitzantenne muss der Durchmesser mindestens 0,1λ entsprechen, um einen Kurzschluss zu verhindern. Dadurch muss im vorliegenden 182 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Anwendungsfall eine Rohschlitzantenne, in Abhängigkeit der UHF-Frequenz, einen Mindestdurchmesser Dmin von Dmin = 0,1 ⋅ λ = 0,1 ⋅ 345,6 mm = 34,56 mm (6-6) aufweisen. Dieser liegt deutlich über den geforderten 20 mm, wodurch diese Bauform die Anforderungen an die Abmessungen für den Einsatz zur Bauzustandsdokumentation nicht erfüllen. Durch die Gestaltung als ebene Schlitzantenne können die Abmaße aufgrund der offenen Enden bei Inkaufnahme einer Leistungsreduktion aber weiter reduziert werden, so dass die geforderte Kantenlänge von 20 mm erreichbar ist. Die ebene Schlitzantenne ist dadurch prinzipiell für den Einsatzfall in engen Bauräumen geeignet. Ringantennen Ringantennen bestehen aus einer Leiterschleife mit dem Durchmesser einer halben beziehungsweise einer ganzen Wellenlänge. Der Umfang einer Loopantenne entspricht bei 868 MHz einer Strecke von 172,8 mm oder 345,6 mm, wodurch sich folgende Durchmesser D für Ringantennen ergeben: λ − Loop : D = λ = 345,6 mm = 55 mm 2 2π 2π λ 345,6 mm λ − Loop : D = = = 110 mm π π (6-7) Die in Formel (8-5) ermittelten Abmaße für die beiden möglichen Bauformen der Loop-Antenne zeigen, dass die geforderten Werte nicht eingehalten werden, wodurch diese Antennenbauform für den Einsatz in engen Bauräumen ungeeignet ist. Des Weiteren ist eine Verkürzung durch Anpassungsschaltungen im UHF-Bereich nicht möglich, da dadurch die Eigenschaften der Antenne unbeherrschbar werden [ROT-88]. 6.5.1.4 Zusammenfassung Zusammenfassend sind die Baugrößen der verschiedenen Antennen und deren Eignung für Einsatz in der Bauzustandsdokumentation in Tabelle 6-2 dargestellt. 183 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Tabelle 6-2: Zusammenfassung der Evaluierung der Antennenkonzepte hinsichtlich der Erfüllung des Ausschluss-Kriteriums Baugröße Abmaße (z, x, y) Ausschluss-Kriterium Baugröße erfüllt ? Dipole Halbwellendipol Fächerdipol Koaxialantenne 161 mm x ∅ (<< 16,1 mm) 253 mm x 126,5 mm x ( << 20 mm) 173 mm x ∅ (<< 20 mm) ja nein ja Marconi-Antenne Wendelantenne 86,4 mm x 86,4 mm x 86,4 mm (Gegengewicht) 248,8 mm x ∅107,1 mm nein nein Schlitzantenne Ringantenne 161 mm x 20 mm x (<< 20 mm) ∅ 55 mm x (<< 20 mm) ja nein Stabantenne Flachantenne 6.5.2 Anforderung Handhabbarkeit Der Halbwellendipol, die Koaxialantenne und die Schlitzantenne erfüllen die Anforderungen an die baulichen Abmaße für den Einsatz in der Bauzustandsdokumentation und werden im Folgenden hinsichtlich der Handhabbarkeit bewertet. Für eine einfache und stabile Handhabung müssen die Antennen dabei entsprechend Kapitel 6.3.2 folgende Anforderungen erfüllen: • Günstige Kabelführung mit Endspeisung • Günstige Bauform zur Handhabung im Motorraum 6.5.2.1 Halbwellendipol Der Halbwellendipol wird in der Mitte gespeist, wodurch sich im vorliegenden Einsatzszenario Nachteile in der Kabelführung und Positionierung im Motorraum ergeben. Um eine längliche Bauform und damit das Einbringen in den Motorraum zu ermöglichen sowie darüber hinaus ein Verkanten des Dipols zwischen Komponenten zu verhindern, muss das Kabel zwangsweise entlang des Dipols geführt werden. Dadurch werden die Eigenschaften der Antenne verändert und es ergibt sich ein erhöhter Aufbau. Folglich erweist sich der Halbwellendipol hinsichtlich seiner Handhabung für den Einsatz im Motorraum als ungeeignet. 184 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume 6.5.2.2 Koaxialantenne Die Koaxialantenne ist im Vergleich zum Halbwellendipol durch ähnliche elektrische Eigenschaften charakterisiert, ist aber aufgrund der Endspeisung für den Anwendungsfall durch eine erhebliche günstigere Kabelführung gekennzeichnet. Die Antenneneigenschaften werden durch das Kabel nicht beeinträchtigt und eine einfache Positionierung im Motorraum ist möglich. Des Weiteren kann durch die längliche Bauform mit rundem Durchmesser die Wahrscheinlichkeit des Verkantens im Motorraum reduziert werden. Die Koaxialantenne erfüllt damit die aufgestellten Anforderungen zur Handhabbarkeit. 6.5.2.3 Schlitzantenne Die Speisung der Schlitzantenne erfolgt direkt am Schlitz in Abhängigkeit der gewünschten Eingangsimpedanz. Durch die Notwendigkeit, dass der Schlitz ganz von einem geschlossenen, leitfähigen Material umgeben ist, lässt sich somit keine Endspeisung realisieren. Die notwendige breite Bauform der Schlitzantenne kombiniert mit der ungünstigen Kabelführung ergibt eine ungünstige Handhabung zur Positionierung der Antenne im Motorraum. Darüber hinaus tendiert die Antenne durch die Bauform zum Verkanten im Motorraum. Ebenfalls führt eine Berührung der Antenne mit Metall zur Funktionsunfähigkeit der Antenne. Die Schlitzantenne kann somit die gestellten Anforderungen an die Handhabung für den vorliegenden Einsatzfall nicht erfüllen. 6.5.2.4 Zusammenfassung Bei den evaluierten Antennenkonzepten erweist sich lediglich die Koaxialantenne aufgrund ihrer Endspeisung und ihrer dadurch bedingten einfachen Positionierung im Motorraum als geeignet. Die Koaxialantenne stellt somit durch ihre Bauform das ideale Antennenkonzept für den Einsatz in engen Bauräumen dar, wodurch sich ein direkter Vergleich der Sende- und Empfangsleistung der Konzepte erübrigt. Zusammenfassend ist die Evaluierung der Handhabbarkeit der drei Antennenkonzepte für den Einsatz zur Bauzustandsdokumentation im Bereich des Motorraums in Tabelle 6-3 dargestellt 185 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Tabelle 6-3: Zusammenfassung der Evaluierung der Antennenkonzepte hinsichtlich der Erfüllung des Ausschluss-Kriteriums Handhabbarkeit Kabelführung Endspeisung Einfache Handhabung und Postionierung Halbwellendipol - - - Koaxialantenne + + + Schlitzantenne - - - 6.6 Auslegung und Gestaltung der Koaxialantenne Im Rahmen dieses Abschnittes gilt es, das für den Einsatzfall ausgewählte Antennenkonzept einer Koaxialantenne beispielhaft auszugestalten, um die Erfüllung der restlichen ermittelten Anforderungen zu überprüfen und im praktischen Test die Eignung zur Identifikation von Transpondern im Motorraum nachzuweisen. Bei der Auslegung und Gestaltung von Antennen handelt es sich generell um einen iterativen Prozess, da Länge, Dicke und Material der Komponenten deren Eigenschaften direkt beeinflussen. Um die Antenne auf eine bestimmte Resonanzfrequenz einzustellen, gleichzeitig die Reflexionsdämpfung zu minimieren und eine große Breitbandigkeit zu gewährleisten, müssen die oben genannten Faktoren in einem experimentellen Verfahren iterativ optimiert werden. Zusätzlich muss im Anwendungsfall die Antenne durch geeignete Schutzmaßnahmen vor mechanischen und chemischen Belastungen geschützt werden. Die Koaxialantenne ist eine Sperrtopfantenne und besteht dadurch im Wesentlichen aus einem Sperrtopf und einem Koaxialkabel als Speisekabel und Strahlelement. Im Laufe der experimentellen Auslegung und Evaluierung der Koaxialantenne für den Einsatz im Motorraum wurden mehrere Varianten einer Koaxialantenne aufgebaut, die sich vor allem im Durchmesser und Material des Sperrtopfes und in der Ausführung des freien Leiterstückes unterscheiden. Im Folgenden wird lediglich das im Rahmen der Evaluierung ermittelte Best-Practise Konzept mit seinen Abmaßen vorgestellt. 6.6.1 Aufbau der Best-Practise Koaxialantenne Bei der iterativen praktischen Evaluierung verschiedener Koaxialantennen hat es sich bewährt den Sperrtopf aus Kupfer mit einem Durchmesser von 12 mm und einer Länge von exakt λ/4 auszuführen. 186 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Durch den sehr schmalen Sperrtopf kann die Antenne sehr einfach und praktikabel in den Motorraum eingebracht und gegenüber den Transpondern positioniert werden. Gleichzeitig ergab sich in der praktischen Evaluierung eine hohe Leistungsfähigkeit (vgl. Kap. 6.7). Als Speisekabel kommt ein herkömmliches Koaxialkabel mit einem Durchmesser von 10 mm zum Einsatz, das auch das Strahlelement mit einer Länge von ebenfalls λ/4 bildet (siehe Abbildung 6-12). Abbildung 6-12: Best-Practise Koaxialantenne mit 12 mm-Sperrtopf aus Kupfer Im Folgenden werden die gemessenen Eigenschaften der entwickelten Antenne dargestellt. 6.6.2 Messung der Empfangsleistung Zur Messung der Empfangsleistung einer Antenne ist ein Spektrum-Analyzer mit eingebautem oder separatem Tracking-Generator notwendig. Sowohl die Sende- und die Empfangsantenne werden dabei direkt an den Analyzer angeschlossen und in einem festen Abstand zueinander aufgebaut. Mit Hilfe des Tracking-Generators kann das Gerät verschiedene definierte Frequenzbereiche durchfahren und in die angeschlossene Sendeantenne einspeisen. Durch die Erfassung der von der Empfangsantenne zurück in den Spektrum-Analyzer gelieferten Leistung kann anschließend die Empfangsleistung der Antenne und deren Breitbandigkeit bewertet werden. Zu beachten ist, dass die Messung der Empfangsleistung durch die Abhängigkeit von der Entfernung der Antennen zueinander und den Eigenschaften der Sendeantenne sowie der eingespeisten Leistung nur im direkten Vergleich eine Aussage liefert. Durch den direkten Zusammenhang der Empfangs- und Sendeleistung ist darauf aufbauend ein Rückschluss und eine Übertragung der Empfangs- auf die Sendeleistung der Antenne möglich. Des Weiteren ist bei der Verwendung einer auf die er- 187 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume wünschte Resonanzfrequenz abgestimmten Sendeantenne eine direkte Bewertung der Resonanzfrequenz der Empfangsantenne gegeben. 6.6.2.1 Versuchsaufbau Im Rahmen der durchgeführten Messreihe kam als Spektrum-Analyzer ein Gerät der Firma Rohde und Schwarz mit der Bezeichnung „R&S FSL 3“ (siehe Abbildung 6-13) zum Einsatz, das Frequenzen in einem Bereich von 9 kHz bis 3 Ghz darstellen kann. Der Anschluss der Antennen erfolgte entsprechend Abbildung 6-14. Abbildung 6-13: Spektrum-Analyzer R&S FSL3 Abbildung 6-14: Anschluss für die Sende- [ROH-06] und Empfangsantenne (in Anlehnung an [ROH-06]) Als Sendeantenne und Referenz-Empfangsantenne wurde die bereits in Kapitel 6.3.1.1 beschriebene Feig-Antenne verwendet. Der Abstand zwischen Sende- und Empfangsantenne betrug im Rahmen der Versuchsdurchführung konstant 0,5 m. Mit Hilfe des Trackinggenerators wurde eine Leistung von -0,20 dBm in die Sendeantenne eingespeist. Zusammenfassend sind die Rahmenbedingungen des Versuchsaufbaus in Tabelle 6-4 dargestellt. 188 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Tabelle 6-4: Rahmenbedingungen und Einstellungen zur Messung der Empfangsleistung Verwendete Antennen Sendeantenne Feig ID ISC.ANT.U250 Referenzantenne Feig ID ISC.ANT.U250 Geometrische Rahmenbedingungen Abstand zwischen Sende- und Empfangsantenne 0,5 m Einstellungen Spektrum-Analyzer Output Power -20 dBm Center Frequency45 868 MHz Span46 400 MHz Sweeptime47 2,5 ms 6.6.2.2 Empfangsleistung der Koaxialantenne Als Referenz wurde in einem ersten Schritt die Empfangsleistung der Feig-Antenne im gemessenen Frequenzbereich ermittelt. Entsprechend Abbildung 6-15 ist dabei zu erkennen, dass die Feig-Antenne zum einen sehr breitbandig und zum anderen auf die Arbeitsfrequenz der RFID-UHF-Systeme von 868 MHz ausgelegt ist. 45 Die Center Frequency ist die Frequenz, auf die die Anzeige des Frequenzanalysegerätes zentriert ist. 46 Als Span, oder Spannweite, wird jener Wertebereich verstanden, der von der Messung erfasst wird. 47 Als Sweeptime wird die Zeit bezeichnet, die das Frequenzanalysegerät für einen Durchlauf durch den angegebenen Frequenzbereich benötigt. Eine geringe Sweeptime ist Voraussetzung für die Messung kurzer Ereignisse, wie sie bei der messtechnischen Erfassung von Hochfrequenzwellen vorkommen. 189 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Abbildung 6-15: Empfangsleistung der Feig-UHF-Patchantenne Speziell die breitbandige Auslegung der Feig-Antenne ist für die Bewertung der Breitbandigkeit der entwickelten Koaxialantenne von entscheidender Bedeutung. In Abbildung 6-16 ist im direkten Vergleich bei identischen Versuchsrandbedingungen die Empfangsleistung der entwickelten Koaxialdämpfung dargestellt. Abbildung 6-16: Empfangsleistung der entwickelten Koaxial-Antenne Dabei ist zu erkennen, dass der Verlauf sehr ähnlich zur der auf RFID-Anwendungen im UHF-Bereich ausgelegten Feig-Antenne ist, wodurch die geometrische Auslegung und Gestaltung der Antenne bestätigt wird. Das Maximum der Empfangsleistung ist dabei zwar leicht unterhalb des Zielwertes von 868 MHz, aber durch den nahezu 190 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume konstanten Plateauverlauf der Empfangsleistung von 700 bis 950 MHz ist die Empfangsleistung in diesem Bereich nahezu konstant. Dadurch kann die Anforderung, die zu konstruierende Antenne auf 868 MHz abzustimmen, verstärkt durch den vergleichbaren Kurvenverlauf mit der Referenzantenne als erfüllt angesehen werden. Die im Rahmen der Anforderungsaufstellung geforderte maximale Zunahme der Dämpfung um 3 dBm im Bereich +/- 50 MHz zur Arbeitsfrequenz wird ebenfalls eingehalten und sogar unterschritten, wodurch die konstruierte Koaxialantenne zum einen weltweit einsetzbar und zum anderen für die metallhaltige Umgebung und die dadurch bedingte Beeinflussung der Antenne geeignet ist. Der Wert der Empfangsleistung der Koaxialantenne bei 868 MHz unter den vorliegenden Messbedingungen liegt bei 45,01 dBm und damit etwa 8,5 dB über der Dämpfung der auf maximale Reichweite ausgelegten Feig-Antenne. Dadurch kann auch die Bedingung nach einer Dämpfung im Vergleich zur Referenzantenne von <10 dB erfüllt werden. 6.6.3 Messung der Reflexionsdämpfung Im Folgenden werden der Versuchsaufbau und die Ergebnisse zur Messung der Reflexionsdämpfung der Koaxialantenne beschrieben. 6.6.3.1 Versuchsaufbau Um die Reflexionsdämpfung einer angeschlossenen Antenne zu messen, wird ebenfalls der im Rahmen der Empfangsleistungsmessung beschriebene SpektrumAnalyzer in Verbindung mit einem Trackinggenerator verwendet. Allerdings müssen die beiden Messanschlüsse "RF output" und "RF input" durch eine Messbrücke (Abbildung 6-17 zeigt die verwendete R&S Z2) verbunden werden. Abbildung 6-17: Messbrücke R&S Z2 der Firma Rohde und Schwarz 191 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Durch die Messbrücke wird die angeschlossene Antenne mit der durch den Trackinggenerator festgelegten Frequenz zum Schwingen gebracht, wodurch stehende Wellen und damit die Reflexionsdämpfung direkt gemessen werden können. Die Antenne kann zur Messung beliebig im freien Raum positioniert werden. Zusammenfassend sind die Einstellungen des Spektrum-Analyzers in Tabelle 6-5 dargestellt. Tabelle 6-5: Einstellungen am Spektrum-Analyzer zur Messung der Reflexionsdämpfung Einstellungen Spektrum-Analyzer Widerstand an der Messbrücke 50 Ω Center Frequency 868 MHz Span 400 MHz 6.6.3.2 Reflexionsdämpfung der Koaxialantenne Die Reflexionsdämpfung ist ein Indikator für Störeinflüsse. Bei Frequenzen, an denen die Antenne eine hohe Reflexionsdämpfung aufweist, können sich störende stehende Wellen schlechter ausbilden und gewährleisten eine hohe Leistungsfähigkeit der Antenne. Entsprechend Abbildung 6-18 weist die konstruierte Koaxialantenne eine gute Reflexionsdämpfung auf, deren Maximum knapp unter der Arbeitsfrequenz von 868 MHz liegt. Mit einem Dämpfungswert von 50,27 dBm kann die Anforderung nach einer Reflexionsdämpfung > 50 dBm knapp erfüllt werden. Mit Hilfe einer veränderten geometrischen Auslegung könnte diese noch verbessert werden, allerdings hat sich die gewählte Auslegung im Praxistest (vgl. Kap. 6.7) bewährt. 192 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Abbildung 6-18: Reflexionsdämpfung entwickelte Koaxialantenne Des Weiteren bestätigt die Messung der Reflexionsdämpfung durch die hohe Dämpfung der stehenden Wellen im Bereich der Arbeitsfrequenz die korrekte Auslegung der Antenne auf die Arbeitsfrequenz von 868 MHz. 6.6.4 Sicherstellung der Antennenrobustheit und der einfachen Handhabung Zur Gewährleistung der Langlebigkeit der Antenne für den Einsatz in Motorraum zur RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation muss die konstruierte Antenne entsprechend der entwickelten Anforderungen eine hohe mechanische und chemische Stabilität aufweisen. Das mechanische schwächste Glied der Koaxialantenne bildet das freie Leiterstück. Aus diesem Grund ist es notwendig, zur Erhöhung der mechanischen Stabilität das freie Leiterstück zu verstärken, um ein Abknicken und Abbrechen zu verhindern. Als zweckmäßig erweist sich hier die Verwendung von Kunststoff, beispielsweise Polypropylen, da hierdurch die elektrischen Eigenschaften des Leiters und damit der Antenne nur minimal verändert werden. Zur Verstärkung der aufgebauten Antennen wurde im Rahmen der Arbeit für eine einfache prototypische Umsetzung die Leiterisolierung als zusätzliche Verstärkung entsprechend Abbildung 6-12 verwendet. Eine weitere Maßnahme, um die Koaxialantenne widerstandsfähig gegen chemische Einflüsse auszuführen und sie gegenüber ihrer Umgebung zu isolieren, stellt die Ummantelung der Antenne mit einem Schrumpfschlauch dar. Besonders geeignet erweisen sich hier Schrumpfschläuche aus Polylefinen ([AIC-03], einer Polymer-Art, 193 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume die sich neben ihrer Isolationsfähigkeit durch eine gute chemische Beständigkeit auszeichnet (vgl. Abbildung 6-19). Abbildung 6-19: Koaxialantenne mit Kunststoffummantelung Um zusätzlich die Positionierung der Antenne im Motorraum zu verbessern, ist es zielführend, die Antenne mit einem Kunststoffstab als Verlängerung zu versehen. Dadurch wird die exakte Positionierung der Antennen im Motorraum ermöglicht und damit die Handhabbarkeit verbessert. Abbildung 6-20 zeigt beispielhaft die prototypische Umsetzung der Koaxialantenne mit einem verlängerten Kunststoffstab von 50 cm Länge. Abbildung 6-20: Koaxialantenne mit einer 50cm-Kunststoffverlängerung 6.7 Praktische Evaluierung der Koaxialantenne Nach der Auslegung und Ausgestaltung der Koaxialantenne wird im Folgenden die Leistungsfähigkeit der Antenne auf Basis einer praktischen Evaluierung bewertet. 6.7.1 Versuchdurchführung Der Versuchsaufbau zur praktischen Evaluierung der entwickelten Koaxialantenne ist identisch mit dem Aufbau zur Evaluierung der Leistungsfähigkeit des Identifikationsszenarios „offenes Fahrzeug scannen“ in Kapitel 5.3. Dadurch sind die Ergebnisse der Koaxialantenne direkt mit den Ergebnissen der Referenzantenne der Firma Feig vergleichbar, wodurch die Leistungsfähigkeit der Koaxialantenne umfassend bewertet werden kann Die entwickelte Koaxialantenne wurde für den Einsatz in engen Bauräumen entwickelt, so dass im Rahmen der Evaluierung der Fokus auf den 22 im Motorraum gekennzeichneten Komponenten lag. 194 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Zur Bewertung der Erfassungswahrscheinlichkeit der gekennzeichneten Bauteile wurden die bereits in Kapitel 5.3 aufgestellten Bewertungskriterien herangezogen. Da sich aufgrund der geringeren Reichweite die Komponenten generell nur mit Lagekenntnis des Transponders erfassen lassen, wurde im Rahmen der Evaluierung das Kriterium „generell erfassbar“ nicht vergeben. Analog zur Evaluierung des Erfassungsszenarios mit der Einzelantenne wurden jeweils 50 Durchläufe durchgeführt, hinsichtlich des Bewegungsablaufes der Antenne wurden folgende, in Abbildung 6-21 dargestellte Einstichpunkte in Motorraum definiert, um die Koaxialantenne möglichst nahe an den jeweiligen Bauteilen zu platzieren. Abbildung 6-21: Einstichpunkte der Koaxialantenne zur Erfassung von im Motorraum verbauten Komponenten Da die Koaxialantenne im Vergleich zur Feig-Antenne einen geringeren Antennengewinn aufweist, musste im Rahmen der Versuchsreihe die Leistung des Readers angepasst werden. Die Berechnung der einzuspeisenden Leistung für die entwickelte Koaxialantenne von Seiten des Readers ist im nächsten Abschnitt beschrieben. 6.7.2 Festlegung der Sendeleistung Jede Antenne setzt die zugeführte Leistung in eine Abstrahlleistung um, die vom Antennengewinn und der -polarisation sowie den Kabelverlusten abhängt. Dies hat zur 195 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Konsequenz, dass nicht jede Antenne, die mit einer bestimmten Leistung gespeist wird, die gleiche Leistung abstrahlt. Gesetzliche Vorschriften beziehen sich daher auf die tatsächlich von der Antenne abgestrahlte Leistung bezogen auf eine Dipolantenne, die so genannte Radiated Equivalent Power (ERP). Die für Europa geltenden Werte sind in Tabelle 2-4 aufgeführt. Danach gilt für den hier relevanten Bereich von 865,6 MHz bis 867,6 MHz eine Beschränkung auf 2,00 W ERP. Darauf aufbauend ist die Berechnung der Leistungseinstellung für die Koaxialantenne in Tabelle 6-6 dargestellt, wobei ein Anschlusskabel von 5 m berücksichtigt wird. Tabelle 6-6: Berechnung der Ausgangsleistung am Reader für die entwickelte Koaxialantenne Calculation RF Output Power radiated power 2.00 W ERP <> 33.00 dBm correction factor ERP -> EIRP * 1.64 + Radiated Power isotrop = 3.28 W EIRP = 35.10 dBm Antenna Gain 1.60 dBi - 1.60 dBi Type of antenna 0.00 + 0.00 dB + 2.75 dBm cable losses 100m 5 55.00 dB 2.75 dB radiated power Sendeleistung in W am Reader 2.10 dB = 36.25 dBm = 33.00 + ca. 2 x 2,00 W = 3.00 W maximum Einstellung am Reader 3.25 dBi 4.00 W Type of antenna: linear antenna 0 "-0" dBm circular antenna 1 "-3" dBm Entsprechend der durchgeführten Berechnung dürfte die Leistung am Reader 4 Watt betragen. Da der im Rahmen der Tests verwendete Reader der Firma Feig lediglich auf 3 Watt eingestellt werden kann, erreicht die Koaxialantenne die maximal zulässige Abstrahlleistung von 2 Watt ERP nicht. Somit kann durch eine ideale Gestaltung des Readermoduls mit einer höheren Leistung die Leistungsfähigkeit gegenüber der hier aufgezeigten praktischen Evaluierung noch weiter verbessert werden. 196 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume 6.7.3 Ergebnisse der Evaluierung Im Rahmen der praktischen Evaluierung der entwickelten Koaxialantenne wurden insgesamt 22 Bauteile im Motorraum mit Transpondern gekennzeichnet. Diese wurden in Kapitel 3.4 festgelegt. Die bei 50 Messreihen ermittelte Leserate mit Hilfe der Koaxialantenne ist im direkten Vergleich mit den Ergebnissen der Feig-Antenne in Abbildung 6-22 dargestellt. Generell erfassbar Erfassbar mit Lagekenntnis und Wiederholungszyklen Schlecht erfassbar Nicht erfassbar Anzahl Bauteilee 25 22 20 15 10 12 5 0 1 3 6 "Offenes Fahrzeug scannen" "Scanpunkte" Abbildung 6-22: Vergleich der Leserate der entwickelten Koaxial- und der Feig-Antenne von 12 im Motorraum befestigten Transpondern bei 10 Versuchsmessungen Die entwickelte Koaxialantenne ermöglicht es, im Gegensatz zu der auf große Reichweite ausgelegten Feig-Antenne, durch die direkte Eindringung in den Motorraum alle verbauten Transponder im vorliegenden Testszenario im Motorraum zu erfassen. Durch die axiale Bauform und der Versteifung mit Hilfe des Kunststoffstabes ist dabei im praktischen Einsatz eine exakte Positionierung im Motorraum gegeben, wodurch auch stark eingebaute Komponenten, wie beispielsweise die Motorlagerkonsole, zuverlässig erfasst werden können. Sogar der gekennzeichnete Pralldämpfer, der sich zwischen Kühler und Front-End befindet und damit fast vollständig verbaut ist, konnte durch den Einstichpunkt 10 sicher identifiziert werden (vgl. Abbildung 6-21). Durch die lineare Polarisation der Koaxialantenne ist dabei aber eine stetige leichte Antennenbewegung notwendig. 197 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume Ebenfalls zuverlässig und sicher konnte mit Hilfe der Koxialantenne der im Bereich des Innenraums durch die Feig-Antenne nicht erfassbare Motor zur Sitzlängsverstellung auf Basis der Antennenpositionierung unterhalb des Sitzes entsprechend Abbildung 6-23 gelesen werden. Abbildung 6-23: Erfassung des Motors zur Sitzlängsverstellung durch Positionierung der Antenne unterhalb des Sitzes Durch die Leistung der Antenne im Rahmen der Messreihen wird die Auswahl und Auslegung der Antenne bestätigt. Das Konzept der Koaxialantenne erfüllt somit die Anforderungen zur Identifikation von Komponenten in engen Bauräumen und stellt dadurch eine elementare Säule zur Realisierung der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation dar. Die technische Machbarkeit der Identifikation von im Motorraum verbauten Bauteilen ist auf Basis der Versuchsreihe nachgewiesen worden. 6.8 Zusammenfassung und Fazit Im Rahmen des Kapitels ist mit der Koaxialantenne ein Antennenkonzept auf Basis ausgewählter Kriterien ermittelt worden, das für den generellen Einsatz zur Identifikation von Transpondern im Motorraum von Fahrzeugen oder engen Bauräumen geeignet ist. Durch die Endspeisung und der damit verbundenen idealen Kabelführung kann die Antenne einfach positioniert werden und ist zudem durch die Verwendung von Schrumpfschläuchen und einer Verstärkung des Leiters vor mechanischen und chemischen Belastungen geschützt. Im praktischen Test erweist sich das ausgewählte Antennenkonzept als äußerst leistungsfähig und bietet im Gegensatz zu han- 198 6 Antennenkonzepte für enge Bauräume delsüblichen Patchantennen die Option, Transponder an verwinkelten engen Positionen im Motorraum zu erfassen. In Kombination mit der Erfassung von verbauten Komponenten mit Hilfe einer handelsüblichen UHF-Einzelantenne liegen damit Lesekonzepte vor, die eine durchgängige Erfassung von verbauten Komponenten im Fahrzeug ermöglichen und das bei einer Leserate von annähernd 100 %. Durch die praktische Evaluierung wurden die beiden Konzepte validiert, so dass die technische Machbarkeit einer RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation nachgewiesen und verifiziert ist. 199 7 Zusammenfassung und Ausblick 7 Zusammenfassung und Ausblick Innovation, Derivatisierung, Individualisierung und Effizienzsteigerung stellen die Schlüsselherausforderungen für die Automobilindustrie in den nächsten Jahren dar, um im globalen Verdrängungswettbewerb verstärkt durch die Finanzkrise und der daraus resultierenden negativen Wirtschaftsentwicklung bestehen zu können. Die Bewältigung dieser Aufgaben bedingt eine ganzheitliche Optimierung auf allen Ebenen des Produktentwicklungs- und Herstellungsprozesses. Ein zentraler Lösungsbaustein zur Beherrschung der Variantenvielfalt und Komplexität stellt dabei die durchgängige Transparenz in der Entwicklungs- und Lieferantenkette dar. Der Einsatz der RFID-Technologie zur Kennzeichnung von Fahrzeugbauteilen schafft hier durch die Verbindung von Material- und Informationsfluss neue Chancen und Potenziale zur Steigerung der Effizienz und Informationsgüte. Durch die Möglichkeit der Verfolgung der Komponenten ist über die Herstellung hinaus im AfterSales-Bereich eine durchgängige Nachvollziehbarkeit der Fahrzeugkonfiguration und -historie gegeben. Die Kennzeichnung und Erfassung von Fahrzeugeinzelteilen - insbesondere im Fahrzeug - ist aber aufgrund der negativen Auswirkungen von Metall auf die Leis200 7 Zusammenfassung und Ausblick tungsfähigkeit von RFID-Systemen mit vielschichtigen Herausforderungen behaftet und nicht mit einem auf dem Markt erhältlichen Standardsystem lösbar. Das Ziel der Arbeit war daher die Entwicklung von technischen Konzepten zur Kennzeichnung und Identifikation von verbauten Bauteilen im Fahrzeug mit Hilfe der RFID-Technologie und der Nachweis der technischen Machbarkeit einer RFIDgestützten Bauzustandsdokumentation. Daraus resultieren die folgenden zwei zentralen Anforderungen: • Sämtliche kennzeichnungsrelevante Bauteile müssen unabhängig von ihrem Werkstoff und eine Beeinflussung ihrer Eigenschaften gekennzeichnet werden können. • Die Erfassung der gekennzeichneten Bauteile muss im verbauten Zustand möglich sein. Während für die Kennzeichnung von Objekten aus Kunststoff und für Elastomere bereits technische Konzepte und Umsetzungen auf dem Markt existieren, sind die derzeit verfügbaren mobilen Datenträger zur Aufbringung auf Metall aufgrund ihrer Abmessungen und Bauform im Wesentlichen für den Einsatz auf Behälterebene geeignet. Die Anforderungen für eine direkte Kennzeichnung auf Bauteilebene ohne Veränderung der Bauteileigenschaften erfüllen sie daher nicht. Im Rahmen der Arbeit wurde aufbauend auf einer detaillierten Evaluierung bestehender Lösungen, ein Konzept im UHF-Frequenzbereich zur Entkopplung des mobilen Datenträgers von leitfähigen Materialien mittels eines Spezialabsorbers weiterqualifiziert, um die für den Anwendungsfall essenzielle Kennzeichnung von metallischen Bauteilen zu ermöglichen. Im Rahmen einer praktischen Evaluierung wurde der Nachweis erbracht, dass dieser Ansatz das Potenzial bietet, alle gestellten Anforderungen für die Kennzeichnung metallischer Bauteile im vorliegenden Einsatzszenario zu erfüllen. Zur Lösung der zweiten Herausforderung, der Identifikation von mit Transpondern versehener im Fahrzeug eingebauter Einzelteile wurden verschiedene technische Antennenkonzepte betrachtet beziehungsweise entwickelt und auf deren Eignung für den Einsatz in der RFID-gestützten Bauzustandsdokumentation überprüft. Die Vision der Erfassung der Komponenten während der Vorbeifahrt von außerhalb des Fahrzeugs aufgestellter fester Antennen, ist aufgrund der annähernd geschlossenen Oberfläche der Fahrzeugkarosserie die einen Faradayschen Käfig darstellt, bereits theoretisch nicht realisierbar. Dadurch sind im vorliegenden Einsatzfall Lese201 7 Zusammenfassung und Ausblick konzepte zur Identifikation von verbauten Komponenten notwendig, bei denen die Antenne nahe am Bauteil positioniert wird. Mit Hilfe einer praktischen Evaluierung an einem repräsentativen Versuchsfahrzeug mit gekennzeichneten Komponenten konnte im Rahmen der Arbeit gezeigt werden, dass durch den Einsatz einer Einzelantenne und deren nahes vorbeiführen an den jeweiligen Bauteilen eine zuverlässige Erkennung von Bauteilen im Innenraum und Unterboden des Fahrzeug realisierbar ist. Lediglich fast vollständig vom Metall umgebene Bauteile, wie beispielsweise die Türverstärkung zwischen Türaußen- und -innenblech, sind nicht erfassbar. Im Bereich des Motorraums hingegen stößt das Konzept aufgrund der Antennenbaugröße und des dadurch bedingten Abstands zu den jeweiligen mobilen Datenträgern an seine Grenzen. Dementsprechend können in diesem Bereich nur nahe an der Oberfläche liegende Bauteile erkannt werden. Für die Identifikation von im Motorraum verbauten Komponenten ist ein anderes Konzept notwendig, bei dem die Antenne direkt in den Bauraum eingebracht werden kann. Hierfür ist die kompakte Bauform der Antenne eine grundlegende Voraussetzung. Da es derzeit auf dem Markt kein dafür geeignetes Antennenkonzept für RFID-Systeme im UHF-Bereich gibt, ist im Rahmen der Arbeit auf Basis eines Vergleichs eine Antenne in Koaxialbauform entwickelt worden, die für den generellen Einsatz zur Identifikation von Transpondern im Motorraum von Fahrzeugen oder engen Bauräumen geeignet ist. Durch die praktische Evaluierung am Versuchsfahrzeug konnte der Nachweis der Eignung für den Einsatz zur Erfassung von im Motorraum verbauter Komponenten erbracht werden. Durch die gezielte Kombination der beiden Identifikationskonzepte für den Innen- und den Motorraum wird eine durchgängige Erfassung von verbauten Komponenten im Fahrzeug ermöglicht. Durch die Validierung an einem realen Versuchsfahrzeug konnte die technische Machbarkeit einer RFID-gestützen Bauzustandsdokumentation nachgewiesen werden. Die Arbeit legt damit den ersten Grundstein für den Einsatz der Technologie in der Automobilindustrie. Bei den aufgezeigten und entwickelten technischen Lösungsansätzen handelt es sich aber um Konzepte, die für einen Einsatz konsequent in Richtung Serienproduktion weiter entwickelt werden müssten Um darüber hinaus die Integration der Technologie im unternehmensweiten Netzwerk zu ermöglichen, ist die Entwicklung und Anpassung von Prozessen unabdingbar. Durch eine Technologie kann ein Prozess lediglich unterstützt und nicht 202 7 Zusammenfassung und Ausblick bestimmt werden. Darüber hinaus ist zur Gestaltung effizienter und wirtschaftlicher RFID-Strukturen und Informationsflüsse die Erarbeitung wirtschaftlicher Grundmodelle auf Basis von Standardprozessen notwendig. Der Einsatz in der Automobilindustrie wird sich zudem erst durch eine weitere Reduktion der Produktionskosten von mobilen Datenspeichern bei gleichzeitiger Generierung von Optimierungspotenzialen über alle Wertschöpfungsstufen ökonomisch realisieren lassen. Dieser wird sich in einem ersten Schritt bei dokumentations-, eigenschaftsverantwortlichen und sicherheitskritischen Bauteilen ergeben. Die Einführung der RFID-Technologie in einem Unternehmen ist aus wirtschaftlichen und auch als technologischen Gründen durch Politprojekte in abgeschlossenen Bereichen anzustreben. In der Automobilindustrie bietet sich hierfür eine Anwendung in der Fahrzeugenwicklung an. Durch den wesentlich höheren Teilepreis und den dynamischeren und ungeführteren Prozess im Rahmen der Bauteileigenschaftsentwicklung ergeben sich größere Nutzenpotenziale durch eine Steigerung der Transparenz. Die Technologie kann dann auf Basis von Technologie- und Preisentwicklung Schritt für Schritt in die aus Prozesssicht anforderungskritischere Serienproduktion integriert werden, um langfristig die Vision der selbststeuernden Bauteile im unternehmensübergreifenden Netzwerk Realität werden zu lassen. 203 8 Literatur 8 Literatur [AGG-02] Alexander, K.; Gilliam, T.; Gramling, K.; Kindy, M.; Moogimane, D.; Schlutz, M.; Woods, M.: Focus on the Supply Chain: Applying Auto-ID within the Distribution Center Internet: http://www.autoid.org/SC31/clr/ 200305_3824_PWC%20DC.pdf, zuletzt abgerufen: 25.02.2008 [AIC-03] Aichele, E.; Hamjediers, O.; Moskob, F.: Wire Harness Assembly with Routing Sleeve European Patent EO 1339148 Bretten-Gölshausen, 2003 [AIM-00] Association for Automatic Identification und Mobility (AIM): Draft Paper on the Characteristics of RFID-Systems. In: Frequency Forums 2000:001 Ver 1.0 (Hrsg.: AIM, Inc.) 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