4 U 206/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Transcription

4 U 206/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht
4 U 206/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht
17 O 380/03 Landgericht Frankfurt (Oder)
002
Anlage zum Protokoll vom 01.02.2006
Verkündet am 01.02.2006
…
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Im Namen des Volkes
U r t e il
In dem Rechtsstreit
der Frau R… T…,
Klägerin, Widerbeklagte und Berufungsklägerin,
- Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …
gegen
1. Frau Gisela A… Hö…,
Beklagte zu 1., Widerklägerin und Berufungsbeklagte zu 1.,
2. Herrn R… P…,
Beklagten zu 2. und Berufungsbeklagten zu 2.,
- Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …
hat der 4. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 14.12.2005
durch
ZP 650
Urteil OLG allgemein - MEGA
-2die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht …,
die Richterin am Oberlandesgericht … und
die Richterin am Landgericht …
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt (Oder) vom 09.12.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
aufgrund dieses Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Herausgabe und Beräumung des in ihrem
Alleineigentum stehenden, etwa 3.220 m² großen Grundstückes … in G…, Ortsteil …, in
Anspruch. Die Beklagte zu 1. begehrt widerklagend die Feststellung ihrer Berechtigung nach
dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz ( künftig nur SachenRBerG ).
Frühere Eigentümerin des Grundstückes war die in West-B… lebende Frau M… H…, die
u.a. von der Klägerin beerbt wurde. Der Beklagte zu 2. ist der Enkel der am 03.05.1927
geborenen Beklagten zu 1., die seit dem 30.06.1951 mit ihrem am 06.04.2003 verstorbenen
Ehemann, Herrn W… Hö…, verheiratet war.
Am 20.08.1971 schlossen der Ehemann der Beklagten zu 1. und der Rat der Gemeinde K…
einen Pachtvertrag über das seinerzeit unbebaute Grundstück, und zwar zunächst auf die
Dauer von fünfzehn Jahren, wobei sich der Vertrag bei Ablauf der Vertragszeit automatisch
verlängern sollte, sofern er nicht zuvor gekündigt werden sollte. Ferner heißt es in dem
Vertrag, dass der Rat der Gemeinde K… das Grundstück durch Ratsbeschluss vom
17.08.1971 in Verwaltung für die in West-B… lebende Eigentümerin M… H… übernommen
-3habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der getroffenen Vereinbarungen wird auf den in
Fotokopie zur Akte gereichten Pachtvertrag (Bl. 5 f d. A.) Bezug genommen.
Die Eheleute Hö… wohnten seinerzeit in der … in B…. Diese Wohnung gaben sie erst 1994
endgültig auf, wobei der Umfang der Benutzung der Wohnung seit dem 02.10.1990 zwischen
den Parteien streitig ist.
Im Jahre 1972 errichteten die Eheleute Hö… - mit Zustimmung des Rates der Gemeinde K…
vom 14.03.1972 - auf dem Grundstück ein Wochenendhaus mit einer Fläche von 36,8 m²,
bestehend aus einem Zimmer, einer Küche und einem Nebengelass. Kurze Zeit später wurde
das Wochenendhaus mit Zustimmung des Rates der Gemeinde vom 12.12.1972 durch
Veränderung des Vorraumes zu einem weiteren Zimmer sowie durch Anbau eines
Waschraumes und einer Toilette erweitert. Am 27.05.1980 wurde schließlich antragsgemäß
seitens des Rates der Gemeinde der Bau eines Schornsteines genehmigt, dessen
Ingebrauchnahme am 30.09.1982 gestattet wurde.
Am 16.11.1989 stellte der Ehemann der Beklagten zu 1. einen Antrag auf Genehmigung eines
„Anbaus und Umbaus zum Wohnhaus (Wochenendhaus)“, bestehend aus der Errichtung
zweier weiterer Wohnräume, eines Bades, einer Speisekammer sowie des Einbaus einer
Forster-Heizung.
Unter dem 26.01./28.01.1990 erteilte die staatliche Bauaufsicht beim Rat der Gemeinde G …
die „ Baugenehmigung für Bevölkerungsbauwerke Nr. 2/1990“. Ferner stimmte der Rat der
Gemeinde am 31.01.1990 dem Bauvorhaben zu, wobei als geplante Bauzeit „zwölf Monate“
vermerkt wurde.
Mit - von der Klägerin erst im Berufungsrechtszug vorgelegtem - Schreiben vom 28.02.1991,
welches unter Angabe der Absenderanschrift „W… Hö…, …, B…“, gefertigt wurde,
beantragte der Ehemann der Beklagten zu 1. bei der Gemeinde G… die Erteilung einer
Anbaugenehmigung für ein Blumenhaus. Das Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:
„Betr. Wochenendhaus OT K…, …, Anbau Blumenhaus
...
-4Seit 1. Jan. 1990 wohnt mein Enkel R… P… in unserer Laube in der … ...“
Das Erwiderungsschreiben der Gemeinde G… vom 06.03.1991 wurde an die vorgenannte
Absenderanschrift gerichtet.
In einem an den Ehemann der Beklagen zu 1. gerichteten Schreiben des Amtes G… vom
03.05.1996 heißt es wörtlich wie folgt:
„Bescheinigung der Gemeinde G… zum Bestand des Gebäudes in G…, OT K…, …
Sehr geehrter Herr Hö…,
hiermit bestätigt Ihnen das Amt G… das Bestehen des o.g. Gebäudes auf Grundlage
der Bescheinigung der Gebrauchsabnahme für dieses Gebäude, das Sie seit Sommer
1986 zeitweise bewohnten und seit 1990 als Hauptwohnung haben. ...“
Auf der Grundlage einer dem Ehemann der Beklagten zu 1. am
01.09.1998 erteilten
Baugenehmigung wurde in der Folgezeit eine sich auf dem Grundstück befindende
Vogelvoliere zu einem Wochenendbungalow umgebaut, der seitdem vom Beklagten zu 2.
bewohnt wird. Wegen der weiteren auf dem Grundstück aufstehenden Gebäuden wird auf den
Lageplan Blatt 73 d. A. Bezug genommen.
Am 12.07.2003 beantragte die Beklagte zu 1. die Durchführung eines notariellen
Vermittlungsverfahrens, dem die Klägerin dadurch entgegentrat, dass sie die Anwendbarkeit
des SachenRBerG verneinte.
Ausweislich einer von der Klägerin erst im Berufungsrechtszug vorgelegten Meldeauskunft
der Gemeinde S… vom 30.06.2005 (Bl. 305 d. A.) waren die Eheleute Hö… unter der
Anschrift des streitgegenständlichen Grundstückes im Zeitraum 09.04.1991 bis 01.08.1992
mit Nebenwohnsitz und ab dem 06.09.1994 mit Hauptwohnsitz gemeldet; der Beklagte zu 2.
ist dort seit dem 03.04.1990 mit Hauptwohnsitz gemeldet.
-5Die Klägerin hat ihr Herausgabe- und Räumungsverlangen damit begründet, dass der
Pachtvertrag vom 20.08.1971 mangels Genehmigung der damaligen Eigentümerin nicht habe
wirksam geschlossen werden können. Er sei nur befristet geschlossen und zudem
zwischenzeitlich von ihr gekündigt worden. Im Übrigen hat sie die Auffassung vertreten, dass
weder das SachenRBerG noch das
Schuldrechtsanpassungsgesetz ( künftig nur
SchuldRAnpG ) auf den Streitfall anzuwenden seien. Eine Anspruchsberechtigung der
Beklagten zu 1. nach dem SachenRBerG hat sie mit der Begründung in Abrede gestellt, die
Erweiterung bzw. der Umbau des Wochenendhauses sei erst geraume Zeit nach dem
02.10.1990 fertiggestellt worden. Dementsprechend seien die Eheleute Hö… erst lange nach
der Wende nach K… gezogen.
Die Beklagte zu 1. hat die Auffassung vertreten, dass sie bis zur Bereinigung der
Rechtsverhältnisse nach dem SachenRBerG zum Besitz des Grundstückes berechtigt sei und
das Grundstück gemeinsam mit dem Beklagten zu 2. als engem Familienmitglied nutzen
könne. Sie sei anspruchsberechtigt nach dem SachenRBerG. Sie und ihr Ehemann hätten mit
Zustimmung des Rates der Gemeinde und auf der Grundlage von Genehmigungen der
zuständigen Baubehörde das auf dem Grundstück errichtete Wochenendhaus noch in der
ersten Jahreshälfte 1990 in ein Wohnhaus umgebaut. Das Grundstück sei von ihnen seit
Januar 1990 ständig zu Wohnzwecken genutzt worden. Zwar hätten sie die Wohnung in B…
erst zu einem späteren Zeitpunkt aufgegeben, diese sei aber ohnehin nur noch durch ihren
Ehemann genutzt worden, allerdings nicht zu Wohnzwecken, sondern nur als Büro im
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Philatelistenverband. Selbst wenn das
SachenRBerG nicht zu anzuwenden sei, käme jedenfalls das SchuldRAnpG zur Anwendung.
Nach § 23 Abs. 5 SchuldRAnpG sei eine Kündigung des Nutzungsverhältnisses angesichts
ihres Alters zu ihren Lebzeiten ausgeschlossen.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug
genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und der Widerklage der Beklagten zu 1.,
ihre Berechtigung nach dem SachenRBerG festzustellen, stattgegeben. Zur Begründung hat
das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten zu 1. - und damit im Gefolge
auch dem Beklagten zu 2. - stehe ein Recht zum Besitz an dem Grundstück nach dem
-6SachenRBerG, hilfsweise aufgrund des Pachtvertrages aus dem Jahre 1971 nach dem
SchuldRAnpG, zu. Für die Wirksamkeit des Pachtvertrages, in den die Klägerin eingetreten
sei, sei es unerheblich, ob die Gemeinde K… auf Verpächterseite mit oder ohne Vollmacht
der damaligen Eigentümerin gehandelt habe. Entscheidend sei vielmehr die tatsächliche
Verwaltungspraxis in der DDR. Für eine Bösgläubigkeit der Beklagten zu 1. und ihres
verstorbenen Ehemanns lägen keine Anhaltspunkte vor. Die Klägerin sei wegen des hohen
Alters der Beklagten zu 1. gemäß § 23 Abs. 5 SchuldRAnpG zu einer Kündigung des
Pachtvertrages zu Lebzeiten der Beklagten zu 1. nicht befugt.
Zur Begründetheit der Widerklage hat das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte zu 1.
Nutzerin des Grundstückes nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 SachenRBerG und damit Berechtigte im
Sinne des § 14 Abs. 1 SachenRBerG sei. Bis zum maßgeblichen Stichtag ergebe sich die
Anwendbarkeit des SachenRBerG für den vorliegenden Fall einer sogenannten „unechten
Datsche“ aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 lit. e SachenRBerG. Auch wenn im Pachtvertrag aus dem Jahr
1971 keine Zweckbestimmung enthalten sei, habe doch ausweislich der nachfolgenden
Zustimmungserklärungen Einigkeit zwischen den Vertragsparteien über eine kleingärtnerische
Nutzung des Grundstückes zu Erholungszwecken bestanden. Spätestens nach dem Anbau des
Schornsteins Anfang der 80er Jahre sei das Grundstück - unter Berücksichtigung der
zeitgeschichtlichen Verhältnisse - zu Wohnzwecken geeignet gewesen. Seit Januar 1990
hätten die Beklagte zu 1. und ihr Ehemann das Grundstück dann auch tatsächlich zu
Wohnzwecken genutzt und ständig dort gewohnt. Die in B… weiterhin unterhaltene
Wohnung sei hingegen nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt worden. Damit sei der
Lebensmittelpunkt der Beklagten zu 1. seit diesem Zeitpunkt - mit Billigung staatlicher
Stellen - in dem vormals als Wochenendhaus genutzten Gebäude gewesen. Den gegenteiligen
Behauptungen und Beweisantritten der darlegungsbelasteten Klägerin sei nicht nachzugehen,
da diese auf eine Ausforschung gerichtet seien. Die getroffenen Feststellungen seien
schließlich unabhängig davon, dass der Beklagte zu 2. möglicherweise eigenhändig weitere
Baulichkeiten auf dem Grundstück errichtet habe. Diese weit nach dem 02.10.1990 errichteten
Baulichkeiten seien in Ausübung seiner von der Beklagten zu 1. abgeleiteten
Besitzberechtigung geschehen
und
eröffneten
weder den
Anwendungsbereich des
SachenRBerG noch des SchuldRAnpG . Daher könne offen bleiben, wer tatsächlich Errichter
der weiteren Baulichkeiten sei.
-7Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit der sie ihr
erstinstanzliches Klageziel einschließlich der Abweisung der Widerklage weiterverfolgt. Zur
Begründung führt sie aus, das Landgericht habe verkannt, dass es sich bei dem Pachtvertrag
vom 20.08.1971, in dem kein Nutzungsrecht genannt werde, um ein auf fünfzehn Jahre
befristetes vertragliches Nutzungsverhältnis handele, das weder in den Anwendungsbereich
des SachenRBerG noch in den des SchuldRAnpG einbezogen sei. Daher sei der Vertrag
jederzeit unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist zum Ende des laufenden
Pachtjahres kündbar gewesen. Das Landgericht habe in unzulässiger Weise die Behauptung
der Beklagten zu 1., der am 31.01.1990 genehmigte Anbau sei bereits im Februar 1990 fertiggestellt worden, - trotz Bestreitens - als wahr unterstellt. Es bleibe jedoch dabei, dass die
Fertigstellung des genehmigten Anbaus erst lange nach dem 02.10.1990 erfolgt sei. Die
Beklagte zu 1. habe bislang weder die Fertigstellungsanzeige noch die Urkunde über die
Bauabnahme vorgelegt. Das Landgericht habe zudem ihren Beweisantrag zur Beiziehung aller
das Grundstück betreffenden Bauakten nicht beachtet und sei mit der fehlerhaften
Begründung, es handele sich um eine Ausforschung, auch ihrem Beweisantritt zu der
Behauptung, die Beklagte zu 1. und ihr verstorbener Ehemann hätten ihren Hauptwohnsitz bis
lange nach der Wiedervereinigung in B… gehabt, nicht nachgegangen. Zu der Verlegung des
Hauptwohnsitzes habe das Landgericht zudem die Beweislast verkannt; diese treffe insoweit
die Beklagte zu 1. Die Rechtsanwendung hinsichtlich des Beklagten zu 2., der lange nach der
Wiedervereinigung auf dem Grundstück der Klägerin - also auf fremden Grund und Boden einen Bungalow und eine Garage errichtet habe, sei nicht nachvollziehbar.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 09.12.2004 aufzuheben und
1. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, das im Grundbuch des Amtsgerichts Bernau von
K… Blatt 228 eingetragene Grundstück … in G… an sie herauszugeben;
2. die Beklagte zu 1. zu verurteilen, alle von ihr errichteten und genutzten Gebäude
von dem Grundstück zu entfernen;
3. den Beklagten zu 2. zu verurteilen, das genannte Grundstück an sie herauszugeben;
-84. den Beklagten zu 2. zu verurteilen, den von ihm errichteten Bungalow vom
Grundstück zu entfernen;
5. den Beklagten zu 2. weiterhin zu verurteilen, die von ihm auf dem Grundstück der
Klägerin errichtete Garage zu entfernen.
6. die Widerklage der Beklagten zu 1. abzuweisen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens. Ferner behaupten sie, die Beklagte und ihr Ehemann hätten ab
1988 praktisch 90 % der Zeit des Jahres auf dem streitgegenständlichen Grundstück gewohnt.
Hintergrund hierfür sei gewesen, dass Herr W… Hö… seit 1988 nicht mehr berufstätig
gewesen sei. Die dauernde Anwesenheit auf dem Grundstück sei auch deswegen erforderlich
gewesen, weil - was unstreitig ist - auf dem Nachbargrundstück die pflegebedürftige Mutter
des Herrn Hö… gelebt habe, die im Februar 1991 gestorben sei. Der Ausbau des
Wochenendhauses in ein Wohnhaus sei in der ersten Jahreshälfte 1990 durchgeführt worden.
Die Heizungs- und Elektroanlage sei im Mai/Juni 1990 in das im Übrigen fertiggestellte
Gebäude installiert worden. Die Wohnung in B… sei zunächst beibehalten worden, da für sie
nur eine geringe Miete in Höhe von 89,00 Mark/DDR angefallen sei und der Ehemann der
Beklagten zu 1. sich wegen seiner Tätigkeit im Philatelistenverband und wegen erforderlicher
Arztbesuche häufiger habe in B… aufhalten müssen. Erst nach einer Mieterhöhung auf 371,00
DM sei die Wohnung im September 1994 aufgegeben worden.
Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 20.07.2005 (Bl. 320 d. A.) durch
Vernehmung der Zeugen J… S…, W… Hö… und H… R…. Auf die Vernehmung der
weiteren benannten Zeugen haben die Beklagten verzichtet. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.12.2004 (Bl. 370 ff d. A.) Bezug
genommen.
-9Die Klägerin hat mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.01.2006, der 47 Seiten
umfasst, ergänzend und vertiefend zur Sach- und Rechtslage Stellung genommen sowie die
Klage um einen Feststellungs- sowie Zahlungsantrag erweitert. Wegen der diesbezüglichen
Einzelheiten wird auf die Seite 46 des vorgenannten Schriftsatzes Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig; sie hat in der Sache selbst jedoch keinen Erfolg.
1.
Das Landgericht hat verfahrensfehlerfrei und im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen
und auf die Widerklage der Beklagten zu 1. festgestellt, dass sie hinsichtlich des in Streit
stehenden Grundstückes nach dem SachenRBerG anspruchsberechtigt ist.
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals nach Schluss der mündlichen
Verhandlung mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.01.2006 einen Verstoß gegen ihr
Grundrecht nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Anspruch auf gesetzlichen Richter) rügt, kann
diese Rüge zum einen nach § 296 a ZPO nicht mehr berücksichtigt werden. Zum anderen ist
die Rüge aber auch in der Sache unbegründet. Wie sich bereits aus den klägerseits noch in der
ersten Instanz mit Schriftsatz vom 22.07.2004 zur Akte gereichten Unterlagen
(Einzelrichterübertragungsbeschluss vom 19.09.2003; Terminsverlegungsnachrichten vom
12.02.2004 und 26.04.2004) (Bl. 112 ff d. A.) ergibt, werden die unter dem Aktenzeichen „17
O“ am Landgericht Frankfurt (Oder) geführten Verfahren von der dortigen 7. Zivilkammer
bearbeitet, was im Übrigen auch senatsbekannt ist. Des Weiteren kommt es in der
gerichtlichen Praxis gelegentlich zu personellen Änderungen in der Besetzung eines
Spruchkörpers, so auch im vorliegenden Verfahren, was sich nicht nur aus den Akten
zweifelsfrei ergibt, sondern dem Klägervertreter auch mit den vorbezeichneten Mitteilungen
über die Terminsverlegungen zur Kenntnis gebracht wurde.
2.
a. Die Widerklage ist gemäß § 108 Abs. 1 SachenRBerG zulässig, da die Klägerin eine
Anspruchsberechtigung der Beklagten zu 1. nach den SachenRBerG grundsätzlich in
- 10 Abrede stellt und daran auch die Durchführung des notariellen Vermittlungsverfahrens
gemäß den §§ 87 ff SachenRBerG gescheitert ist.
b. Die Widerklage ist auch begründet.
Der Beklagten zu 1. stehen hinsichtlich des Grundstücks … in K… die Ansprüche gemäß § 15
Abs. 1 SachenRBerG zu, da das SachenRBerG nach seinen §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 lit. c., 5 Abs. 1
Nr. 3 lit. e. auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung findet.
aa.
Die Grundvoraussetzungen für die Anwendbarkeit des SachenRBerG gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1
lit. c. SachenRBerG liegen vor. Der Ehemann der Beklagten zu 1. hat mit Billigung staatlicher
Stellen ein nicht in seinem Eigentum stehendes Grundstück für bauliche Zwecke in Anspruch
genommen. Er hat auf dem seinerzeit im Eigentum der Frau M… H… stehenden Grundstück
im Jahre 1972 ein Wochenendhaus errichtet. Dies geschah auch mit Billigung staatlicher
Stellen. Die Billigung ergibt sich vorliegend aus der dem Ehemann der Beklagten zu 1. durch
den Rat der Gemeinde K… erteilten „Zustimmung Nr. 2/72 zur Errichtung eines Bauwerkes“
vom 14.03.1972, weiterhin aus der Zustimmung vom 12.12.1972 betreffend die Erweiterung
des Wochenendhauses. Denn nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG wird zu Gunsten des
Nutzers vermutet, dass die bauliche Nutzung eines Grundstückes mit Billigung staatlicher
Stellen erfolgt ist, wenn für die baulichen Maßnahmen eine Bauzustimmung oder
Baugenehmigung erteilt worden ist.
bb.
Der Ehemann der Beklagten zu 1. war auch Nutzer im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 5
SachenRBerG, da er mit Billigung staatlicher Stellen auf dem Grundstück ein Gebäude
errichtet hat. Unabhängig davon, dass die Beklagte zu 1. im Hinblick auf die eheliche
Vermögensgemeinschaft danach ebenfalls als Nutzerin im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 5
SachenRBerG anzusehen ist, ist sie jedenfalls auch als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes
Nutzerin im Sinne von § 9 Abs. 1 SachenRBerG. Denn Nutzer im Sinne des SachenRBerG
sind auch die Gesamtrechtsnachfolger der in § 9 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 SachenRBerG genannten
natürlichen und juristischen Personen.
- 11 cc.
Zwar haben die Beklagten zu 1. und ihr Ehemann das Grundstück nur aufgrund eines
Pachtvertrages, nämlich desjenigen vom 20.08.1971, genutzt, bei dessen Abschluss die
Beklagte zu 1. gemäß § 11 DDR-FGB von ihrem Ehemann wirksam vertreten wurde. Die
Voraussetzungen, unter denen nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. a. SachenRBerG i. V. m. § 5
Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG dieses Rechtsverhältnis gleichwohl in die
Sachenrechtsbereinigung einbezogen ist, sind jedoch gegeben.
Das für die Bebauung in Anspruch genommene Grundstück ist den Eheleuten Hö… aufgrund
eines Vertrages im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG überlassen worden.
Voraussetzung ist insoweit nicht das Vorliegen eines Nutzungsvertrages nach den § 312 bis
315 DDR-ZGB. Vielmehr erfasst § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG auch bis zum
Inkrafttreten des DDR-ZGB abgeschlossene Pachtverträge, durch die - wie hier - eine
vergleichbare Nutzung eingeräumt worden ist. Denn auf diese Verträge waren mit
Inkrafttreten des DDR-ZGB am 01.01.1976 gemäß den §§ 2 Abs. 2, 5 Abs. 1 DDR-EGZGB
die Vorschriften der §§ 312 ff ZR-ZGB anzuwenden (OLG Brandenburg, VIZ 1998, 151,
152). Auch wenn der Pachtvertrag vom 20.08.1971 keine ausdrückliche Zweckbestimmung
bezüglich der Nutzung des Grundstücks enthält, so ergibt sich dessen ursprüngliche
Zweckbestimmung zur Nutzung zu Erholungszwecken jedoch aus der im Jahre 1972 erfolgten
Zustimmung zum Bau eines Wochenendhauses.
dd.
Auch die weiteren Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG liegen
vor.
Denn die Eheleute Hö… haben das zunächst errichtete Wochenendhaus bis zum 02.10.1990
mit Billigung staatlicher Stellen in ein als Wohnhaus geeignetes und hierzu dienendes
Gebäude umgebaut, ohne dass der Wohnnutzung widersprochen worden wäre.
(1)
Dass das in Streit stehende, gegenwärtig von der Beklagten zu 1. bewohnte Gebäude nach der
Durchführung der von ihrem Ehemann am 16.11.1989 beantragten weiteren Baumaßnahmen
zum dauernden Wohnen geeignet ist, ist zwischen den Parteien als solches unstreitig; streitig
- 12 ist nur, wann die Ende Januar 1990 genehmigten Baumaßnahmen tatsächlich fertiggestellt
worden sind.
Im Übrigen ergibt sich der Umstand, dass das Gebäude nach Abschluss der am 16.11.1989
beantragten Baumaßnahmen als Wohnhaus geeignet war, auch daraus, dass es überwiegend in
Massivbauweise errichtet wurde, über mehrere Räume, eine Küche, ein Bad und eine
Innentoilette verfügte, die Abwasserentsorgung über eine Sickergrube erfolgte, die
Versorgung mit Elektrizität gewährleistet war, die Frischwasserversorgung über einen
Brunnen erfolgte und auch eine ausreichende Beheizbarkeit durch die neu installierte ForsterHeizung gegeben war. Den bautechnischen Mindestanforderungen genügen diese Merkmale
(vgl. BGH, VIZ 2001, 503, 504; OLG Brandenburg, VIZ 1998, 151, 153). Denn für die
Beurteilung, ob das Gebäude nach Durchführung der Baumaßnahmen zum dauernden
Wohnen geeignet war, ist entscheidend auf die früheren Verhältnisse zu DDR-Zeiten
abzustellen.
Davon, dass das Gebäude und die Außenanlagen nach dem Umbau die oben genannten
Ausstattungsmerkmale aufwiesen, ist der Senat zum einen aufgrund der zur Akte gereichten
genehmigten Bauunterlagen, aus denen sich die Raumaufteilung, die Größe der Wohnfläche,
der Einbau des Schornsteines und die Massivbauweise ergibt, überzeugt; zum anderen aber
auch aufgrund der Aussagen der Zeugen S… und W… Hö…. Der Zeuge S…, an dessen
Glaubwürdigkeit der Senat keine Zweifel hat, hat glaubhaft bekundet, dass das Gebäude über
einen Frischwasseranschluss, Elektrizität und Heizung verfügte und auf dem Grundstück zur
Entwässerung eine Sickergrube vorhanden war. Außerdem sei ein Bad vorhanden gewesen.
Diese Aussage wurde durch die glaubhaften Angaben des ebenfalls glaubwürdigen Zeugen
W… Hö… bestätigt. Dieser bekundete, dass das Gebäude eine Sanitärausstattung, eine
Frischwasserzuleitung und eine Abwasserentsorgung über ein Rohr sowie eine neue Heizung
gehabt habe.
(2)
Schließlich ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme auch davon überzeugt, dass
die im Januar 1990 genehmigten Baumaßnahmen noch im 1. Halbjahr 1990, jedenfalls aber
bis zum 02.10.1990, fertiggestellt worden sind.
- 13 Der Zeuge S… hat glaubhaft bekundet, dass er die Forster-Heizung noch in der 1. Jahreshälfte
1990 in das Gebäude eingebaut habe. Er hat dies - trotz des einige Jahre zurückliegenden
Geschehens -
plausibel und nachvollziehbar damit begründet, dass man seinerzeit die zur
Verlegung der Heizungsrohre erforderliche Biegevorrichtung vom VEB in Ka… nur für zwei
Monate habe ausleihen können, so dass er - ausgehend vom Datum der für die Heizung
ausgestellten Garantieurkunde vom 20.02.1990 - sicher darauf schließe, dass die
Montagearbeiten innerhalb dieser zwei Monate abgeschlossen worden seien. Eine
Verlängerung der Ausleihzeit sei nicht erfolgt, da er alsbald das Entgelt für die Montage habe
erhalten wollen. Als weitere Begründung für den von ihm bekundeten Zeitpunkt des Einbaues
der Heizung führte er an, dass er sowohl das Entgelt für die Montage als auch das von ihm für
das Material verauslagte Geld von dem Ehemann der Beklagten zu 1. in Mark der DDR
erhalten habe. Außerdem habe er das Material für die Heizung seinerzeit noch mit seinem
Wartburg und einem Hänger zum streitgegenständlichen Grundstück gebracht , wohingegen er
sich gleich nach der am 01.07.1990 erfolgten Währungsunion einen Transporter angeschafft
habe. Schließlich erklärte der Zeuge, dass bei Vornahme der Heizungsmontage die übrigen
Umbauarbeiten bereits abgeschlossen gewesen seien, da die Heizungsarbeiten im Bauablauf
immer die letzten Arbeiten seien.
Diese Bekundungen des Zeugen S… werden durch die Aussage des Zeugen W… Hö…, die
auf eigenen von ihm vor Ort gewonnenen Kenntnissen beruht, bekräftigt. Der Zeuge Hö… der Sohn der Beklagten zu 1. - hat glaubhaft bekundet, dass er regelmäßig bei seinen Eltern in
K… zu Besuch gewesen sei und deswegen wisse, dass der Einbau der Heizungsanlage bis
zum Sommer 1990 fertiggestellt worden sei; zeitlich vorangehend seien die eigentlichen
Umbauarbeiten der betreffenden Räume abgeschlossen worden. Auch die sanitären Anlagen
seien zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden gewesen, ebenso eine Trinkwasserleitung und zur Abwasserentsorgung - die Sickergrube.
Der Beweiswert der glaubhaften Aussagen der Zeugen S… und Hö… wird allein dadurch,
dass sie mit der Beklagten zu 1. verwandt sind, nicht in Frage gestellt. Die Zeugen waren
erkennbar um eine wahrheitsgemäße Aussage bemüht. Sie haben die Fragen des Gerichtes und
der Parteivertreter in ruhiger und sachlicher Weise beantwortet. Der Zeuge Hö… hat gewisse
Erinnerungslücken unumwunden eingeräumt. Ein solches Aussageverhalten wäre indessen
nicht erklärlich, wenn es ihm nur darum gegangen wäre, eine für die Beklagte zu 1. günstige
Aussage zu machen.
- 14 Der Umstand, dass in der Zustimmung zu den Baumaßnahmen durch den Rat der Gemeinde
vom 31.01.1990 als geplante Bauzeit „12 Monate“ angegeben ist, steht der Annahme, dass die
Bauarbeiten bereits in der 1. Jahreshälfte 1990 abgeschlossen worden sind, nicht entgegen.
Wie der Zeuge S… glaubhaft bekundet hat - und was dem Senat im Übrigen auch aus anderen
Fällen bekannt ist - , entsprach es der Lebenswirklichkeit in der früheren DDR, dass mit den
Arbeiten dann begonnen wurde, wenn das Material vorhanden war, und zwar unabhängig
davon, ob die Baugenehmigung dann schon vorlag. Dies war nach der Aussage des Zeugen
S… auch vorliegend der Fall gewesen, ansonsten hätte er die Heizung nicht bereits innerhalb
von 2 Monaten nach dem Ausstellen der Garantieurkunde in den angebauten Räumen
installieren können.
(3)
Die im Streitfall durchgeführten umfangreichen Arbeiten kommen auch einer Neuerrichtung
gleich (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 SachenRBerG). Das ursprüngliche Wochenendhaus wurde mit
erheblichem Aufwand in ein Wohnhaus mit - gemessen an den Verhältnissen der ehemaligen
DDR - ausreichender Erschließung umgestaltet. Dem steht auch die in der Zustimmung vom
31.01.1990 angegebene Bausumme von 10.000,00 Mark/DDR nicht entgegen. Diese Summe
beruht auf einer nicht näher belegten Schätzung und ist für sich genommen nicht
aussagekräftig. Entscheidend ist das Ausmaß der baulichen Arbeiten. Dieses wird aber durch
den als Anlage B 6 (Bl. 40 d. A.) zur Akte gereichten Grundriss des Gebäudes nachdrücklich
verdeutlicht. Die Anzahl und die Größe der Räume und der Umstand, dass das Gebäude - wie
die Beweisaufnahme ergeben hat - über Bad, Küche und eine leistungsfähige Heizung
verfügte, belegt, dass das ehemalige Wochenendhaus bis zum 02.10.1990 in einem Maße
umgestaltet worden ist, dass die Umgestaltung nach Umfang und Aufwand mit einer
Neuerrichtung gleichgesetzt werden kann.
(4)
Schließlich diente das Gebäude den Eheleuten Hö… auch als Wohnhaus im Sinne des § 5
Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG.
Zwar legt die vorgenannte Vorschrift selbst nicht fest, wann ein Bauwerk dem Nutzer als
Wohnhaus dient. Die Anforderungen lassen sich aber aus der Ausnahmeregelung des § 5
Abs. 3 SachenRBerG erschließen. Nach der in § 5 Abs. 3 Satz 1 SachenRBerG enthaltenen
- 15 Negativdefinition sind bis zum Ablauf des 02.10.1990 von den Nutzern zur persönlichen
Erholung, Freizeitgestaltung oder kleingärtnerischen Zwecken genutzte Gebäude auch im
Falle einer späteren Nutzungsänderung keine Eigenheime (OLG Brandenburg, VIZ 1998, 151,
153). Das gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch, wenn der Nutzer am 02.10.1990 in dem
Bauwerk zwar zeitweise gewohnt, dort aber nicht seinen Lebensmittelpunkt hatte. Aus diesen
Ausnahmen ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein Bauwerk i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1
lit. e. SachenRBerG als Wohnhaus dient, wenn der Nutzer auf dem Grundstück am
02.10.1990 seinen Lebensmittelpunkt hatte (OLG Brandenburg, a.a.O.; BGH, Urteil vom
13.05.2005, V ZR 1991/04).
Wo sich der Lebensmittelpunkt des Nutzers befindet, lässt sich entgegen der Auffassung der
Klägerin nicht allein anhand formaler Gesichtspunkte wie der polizeilichen Meldung oder der
Aufgabe der Stadtwohnung feststellen. Der Annahme des Lebensmittelpunktes steht
insbesondere nicht entgegen, wenn sich der Nutzer zeitweilig an anderer Stelle aufhält.
Erforderlich ist vielmehr eine wertende Gesamtbetrachtung aller Umstände (BGH, a.a.O.).
Maßgebliche Kriterien sind insoweit insbesondere die Häufigkeit und Dauer des Aufenthaltes
sowie soziale Gesichtspunkte wie die Eingliederung in die Nachbarschaft und die Teilnahme
am öffentlichen Leben (OLG Brandenburg, a.a.O.). Dabei kommt der polizeilichen Meldung
und der Aufgabe der Stadtwohnung als signifikante Indizien für den Lebensmittelpunkt
freilich besonderes Gewicht zu (BGH, a.a.O.).
(a)
Nach Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles hat die insoweit beweisbelastete
Beklagte zu 1. den Beweis erbracht, dass sie und ihr verstorbener Ehemann am 02.10.1990
ihren Lebensmittelpunkt auf dem in Streit stehenden Grundstück hatten.
Zum einen steht nach den obigen Ausführungen, auf die insoweit verwiesen wird, zur
Überzeugung des Senats fest, dass das Wochenendhaus bereits im 1. Halbjahr 1990 zu einem
zum dauernden Wohnen geeigneten Gebäude umgebaut worden ist. Zum anderen geht der
Senat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon aus, dass die Eheleute Hö… das
Gebäude als Eigenheim im Sinne des SachenRBerG genutzt haben. Denn aufgrund der
glaubhaften Aussagen der Zeugen Hö… und R… steht zur Überzeugung des Senats fest, dass
beide Eheleute seit der Berentung des Herrn W… Hö… im Jahre 1988 die überwiegende Zeit
- 16 auf dem Grundstück gewohnt haben. Der Zeuge W… Hö… hat aufgrund insoweit eigener
getroffener Kenntnisse bekundet, dass seine Eltern seit 1987/1988 etwa acht bis zehn Monate
des Jahres ständig auf dem Grundstück gelebt haben und sein Vater nur gelegentlich, wegen
Arztbesuchen und seiner Tätigkeit im Philatilistenverband nach B… gefahren sei und dabei
die Wohnung in der ... genutzt habe. Er hat dies auch plausibel und widerspruchsfrei damit
begründet, dass er selbst - wegen seinerzeit bestehender ehelicher Schwierigkeiten -
im
Zeitraum 1987 bis 1989 die Wohnung in der … als Untermieter genutzt habe, da seine Eltern
sich dort praktisch nicht mehr aufgehalten hätten.
Dies hat er nachvollziehbar damit
begründet, dass seine Eltern die in K… lebende Mutter des Herrn W… Hö… betreuen und
versorgen mussten. Im Übrigen hat der Zeuge Hö… auch glaubhaft bekundet, dass seine
Eltern dann nach Einbau der Heizung, der nach der glaubhaften Aussage des Zeugen S… noch
vor dem 01.07.1990 erfolgt ist, ständig in K… gelebt haben. Für die Richtigkeit dieser
Aussage spricht, dass - wovon lebensnah auszugehen ist - mit dem Einbau der Heizung gerade
der Zweck verfolgt wurde, in dem Haus auch in den Wintermonaten wohnen zu können. Vor
dem Einbau der Heizung war dies - wie die Beklagte zu 1. selbst im Rahmen ihrer
persönlichen Anhörung mit Bezug auf den Winter 1979/1980 erklärt hat - nicht immer
möglich gewesen. Die Annahme, dass der Einbau der Heizung das Wohnen in K… auch
während der Wintermonate bezweckte, wird durch die Aussage der glaubwürdigen Zeugin
R… bestätigt. Diese hat glaubhaft bekundet, dass der Anbau und die Errichtung der neuen
Heizungsanlage gerade vor dem Hintergrund erfolgt sei, dass die Eheleute Hö… ganz nach
K… ziehen wollten. Des Weiteren hat die Zeugin R… auch die Aussage des Zeugen W…
Hö… bekräftigt. Sie hat plausibel und widerspruchsfrei ausgeführt, dass die ständige
Anwesenheit der Eheleute Hö… in K… insbesondere deswegen erforderlich gewesen sei, weil
die Mutter des Herrn W… Hö… - bedingt durch ihr zunehmendes Alter - immer hinfälliger
geworden sei und der ständigen Pflege und Betreuung bedurft habe. Dann wenn sie - die
Zeugin R… - die alte Dame in ihrer Eigenschaft als Gemeindeschwester aufgesucht habe,
seien die Eheleute Hö… praktisch immer vor Ort gewesen. Schließlich hat sie glaubhaft
ausgesagt, dass die Eheleute Hö… sich nach der Fertigstellung des Anbaus, welche sie auf
1989/1990 datierte, dauernd in K… gewohnt hätten. Herr Hö… habe die Wohnung in B… nur
noch für gelegentliche Arztbesuche und für administrative Tätigkeiten genutzt. Dies deckt
sich auch mit der Aussage des Zeugen W… Hö…, der zudem bekundet hat, dass seine Eltern
den wesentlichen Hausstand bereits nach Fertigstellung des Umbaus nach K… geholt hätten;
bei der endgültigen Auflösung der Wohnung in der … in B… im Jahre 1994 seien dort nur
- 17 noch wenige Möbelstücke vorhanden gewesen. Der Beweiswert der glaubhaften Aussage der
Zeugin R… wird ebenfalls nicht allein durch den Umstand in Frage gestellt, dass sie mit den
Beklagten verwandt ist. Das Aussageverhalten der Zeugin war ruhig und sachlich. Sie hat
gewisse Unsicherheiten, die im Hinblick auf den Zeitablauf nicht ungewöhnlich sind,
eingeräumt. Eine Tendenz, nur eine für die Beklagten günstige Aussage zu machen, konnte
der Senat nicht feststellen.
(b)
Dass sich der Ehemann der Beklagten zu 1. zeitweilig - etwa wegen seiner Tätigkeit im
Philatelistenverband - in B… aufgehalten hat, steht der Annahme, dass er seinen
Lebensmittelpunkt - ebenso wie die Beklagte zu 1. - in K… hatte, nicht entgegen (vgl. BGH,
a.a.O.). In K… lebten seine Ehefrau, seine pflegebedürftige Mutter und - seit Beginn 1990 sein Enkel, der Beklagte zu 2. Dass er dort seinen Lebensmittelpunkt sah, ergibt sich gerade
aus den von ihm Ende 1989/Anfang 1990 veranlassten Ausbaumaßnahmen, die nach den
getroffenen Feststellungen gerade dem Zweck dienten, dort ein ganzjähriges Wohnen zu
ermöglichen.
Soweit die Beklagte zu 1. im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch den Senat erklärt
hat, „richtig umgezogen mit allem drum und dran aus B… heraus sind wir erst 1994, weil wir
dann auch in K… richtig ausgebaut hatten“, steht dies dem vorstehenden Beweisergebnis
nicht entgegen. Unabhängig davon, dass die 78jährige Beklagte zu 1. - nach dem Eindruck des
Senats - im Rahmen der Anhörung zeitweilig überfordert zu sein schien, ist unstreitig, dass
die Stadtwohnung erst 1994 aufgelöst wurde, was die Beklagte zu 1. wohl mit der
Formulierung „richtig umgezogen“ zum Ausdruck bringen wollte. Weiterhin hat sie aber auch
- insoweit von den Zeugen bestätigt - erklärt, dass sie und ihr Ehemann bereits nach dessen
Berentung im Jahre 1988 überwiegend in K… gelebt haben.
Schließlich ist auch der Inhalt der Auskunft aus dem Melderegister vom 30.06.2005 nicht
geeignet, das auf den glaubhaften Aussagen der glaubwürdigen Zeugen S…, Hö… und R…
begründete Beweisergebnis zu entkräften. Zum einen ist der polizeilichen Meldung - wie
bereits ausgeführt - ohnehin nur indizielle Bedeutung beizumessen und ist dieser im Streitfall
zur Führung eines Gegenbeweises nicht geeignet. Zum anderen wurde dem Ehemann der
Beklagten zu 1. aber auch bereits mit Schreiben des Amtes G… vom 03.05.1996 (Anlage B
- 18 7/Bl. 41 d. A.), also zu einem Zeitpunkt, als der vorliegende Streit noch gar nicht aktuell war,
bestätigt, dass er auf dem Grundstück … in K… seit 1990 seine Hauptwohnung hatte.
Auch das Schreiben des Ehemanns der Beklagten zu 1. vom 28.02.1991 vermag im Ergebnis
das Beweisergebnis nicht zu erschüttern. Der Umstand, dass dieses Schreiben unter der
Absenderanschrift „… in B…“ gefertigt wurde und an diese Anschrift auch das
Antwortschreiben der Gemeinde G… vom 06.03.1991 adressiert war, lässt sich nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme ohne Weiteres damit begründen, dass - wie die Zeugen W…
Hö.. und H… R… glaubhaft bekundet haben - der Ehemann der Beklagten zu 1. seine
„administrativen Tätigkeiten“ über die B… Anschrift abgewickelt hat, möglicherweise aus
dem Grund, weil er dort auch amtlich mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Dies schließt aber
nicht aus, dass er seinen tatsächlichen Lebensmittelpunkt in K… hatte. Auch der Verwendung
der Begriffe „Wochenendhaus“ und „Laube“ in dem vorgenannten Schreiben, kann keine
beweiserhebliche Bedeutung beigemessen werden. Diese Begriffe besagen weder zwingend,
dass das Gebäude nicht zum dauernden Wohnen geeignet ist, noch, dass die Eheleute Hö…
dort bis zum 02.10.1990 nicht ihren Lebensmittelpunkt begründet haben. Ihre Verwendung
kann ohne weiteres auch auf althergebrachten Sichtweisen beruhen, d. h. darauf, dass das
Gebäude in K… für die Eheleute Hö… das Wochenendhaus war.
(c)
Schließlich war auch den Beweisantritten der Klägerin auf den Seiten 4 bis 7 ihres
Schriftsatzes vom 27.07.2005 nicht nachzugehen. Die dortigen Beweisantritte sind insgesamt
auf eine Ausforschung gerichtet. Substanziierter Vortrag dazu, dass der Wasser-, Strom- und
Gasverbrauch die Eheleute Hö… in den Jahren 1990 bis 1994 in der Wohnung in B…
wesentlich höher war als in der Wohnung in K…, fehlt. Die Klägerin bezweckt mit ihren
Anträgen, entsprechende Auskünfte bei den Versorgungsunternehmen einzuholen, dass ihr die
diesbezüglichen Informationen erst beschafft werden. Dies stellt indessen einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis dar. Auch der Beweisantritt, den früheren Vermieter der Eheleute Hö…
zu vernehmen, ist durch entsprechenden Sachvortrag nicht unterlegt. Dabei verkennt der Senat
nicht, dass die Ermittlung des Sachverhaltes für die Klägerin mit gewissen Schwierigkeiten
verbunden sein mag. Dieser Umstand, der in Prozessen nicht ungewöhnlich ist, steht der
Bewertung, dass die Beweisanträge der Klägerin auf Ausforschung gerichtet sind, jedoch
nicht entgegen. Soweit die Klägerin die Vernehmung des Geschäftsführers des
- 19 Philatelistenclubs beantragt, ist dies ebenfalls auf eine Ausforschung gerichtet. Außerdem
handelt es sich bei den in das Wissen des Zeugen gestellten Behauptungen um bloße Indizien,
die den Schluss auf die seitens der Klägerin aufgestellte Behauptung nicht zwingend zulassen.
Selbst wenn man die Behauptungen der Klägerin als wahr unterstellen würde, würde dies der
Behauptung der Beklagten, sie und ihr Ehemann hätten seit 1988 ständig in K… gelebt und
dort 90 % der gesamten Zeit des Jahres verbracht, nicht entgegenstehen. Auch die folgenden
Anträge (Auskunft des Finanzamtes und Auskunft der Rentenstelle) sind auf Ausforschung
gerichtet und nicht zwingend geeignet, den nach Vernehmung der Zeugen durch die Beklagte
zu 1. geführten Hauptbeweis zu erschüttern. Die Frage, welche Angaben die Eheleute Hö…
bzw. der verstorbene Ehemann der Beklagten zu 1. hinsichtlich ihres Hauptwohnsitzes
gegenüber dem Finanzamt bzw. der Rentenstelle gemacht haben, ist für die in Streit stehende
Frage nicht von maßgebender Bedeutung. Unabhängig davon ergibt sich aber auch aus der
klägerseits vorgelegten Melderegisterauskunft vom 30.06.2005, dass die Eheleute Hö… erst
ab dem 06.09.1994 offiziell mit Hauptwohnsitz in G…, …, gemeldet waren. Dies schließt wie bereits ausgeführt - aber nicht aus, dass sie tatsächlich bereits vor dem 02.10.1990 dort
ihren Lebensmittelpunkt hatten.
(5)
Steht somit nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass das in Streit stehende Gebäude
vor dem 02.10.1990 als Wohnhaus geeeignet war, den Eheleuten Hö… dazu auch gedient hat
und schließlich die Umbaumaßnahmen auch baurechtlich genehmigt worden sind, dann
erstreckte sich die Zustimmung der Baubehörde gerade auch auf die mit dem Umbau
angestrebte Nutzung zu Wohnzwecken (vgl. zu diesem Erfordernis OLG Brandenburg, VIZ
1998, 154, 156).
Denn die genehmigten Baumaßnahmen führten zwangsläufig dazu, dass das Gebäudejedenfalls
im
Hinblick
auf
die
in
der
früheren
DDR
geltenden
technischen
Mindestanforderungen Wohnhausqualität erlangte. Dies konnte auch der Baubehörde nicht
verborgen bleiben. Denn bereits die hier vorgelegte zeichnerische Darstellung des
Bauprojektes (Anlage B 5/Bl. 37 d. A.), die zudem mit „Anbau und Umbau z. Wohnhaus
(Wochenendhaus)“ bezeichnet ist, zeigte, dass der Ehemann der Beklagten zu 1. als
Antragsteller die staatliche Erlaubnis zu einer Umgestaltung des Wochenendhauses in ein
dauerhaft für Wohnzwecke geeignetes Gebäude begehrte. Wenn der Rat der Gemeinde G… in
Kenntnis dieser Planungsunterlagen eine uneingeschränkte Genehmigung erteilte, lässt dies
- 20 bei vernünftiger Betrachtung nur den Schluss zu, dass sich die Zustimmung des Rates der
Gemeinde
auf
den
Ausbau
zu
einem
Wohnhaus
und
die
damit
verbundene
Nutzungsänderung bezog. Danach begründete die am 31.01.1990 erteilte Bauzustimmung
gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG zugleich die gesetzliche Vermutung, dass die
bodenrechtliche Inanspruchnahme des im fremden Eigentum befindlichen Grundstücks zu
Wohnzwecken mit Billigung staatlicher Stellen erfolgte (vgl. BGH, VIZ 2001, 503, 504).
(6)
Schließlich scheitert die Berechtigung der Beklagten zu 1. nach dem SachenRBerG auch nicht
daran, dass der Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken durch den Überlassenden
widersprochen worden wäre. „Überlassende“ im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e.
SachenRBerG und die Stelle, die die Baumaßnahme im Streitfall auf dem Grundstück
genehmigte, waren jeweils identisch, nämlich der Rat der Gemeinde K… bzw. G….
ee.
Weiterhin steht eine Sachenrechtsbereinigung im vorliegenden Fall auch nicht im
Widerspruch zu den in § 3 Abs. 2 SachenRBerG formulierten Regelungszielen des Gesetzes.
Bei dem in Rede stehenden Wohngebäude handelt es sich um eine sogenannte „unechte
Datsche“.
Unechte
Datschen
sind
zu
Wohnhäusern
umgebaute
Garten-
und
Wochenendhäuser, die auf Flächen errichtet wurden, die Bürgern durch Vertrag zur Erholung
überlassen wurden, sofern der Umbau zu Wohnhäusern mit Billigung staatlicher Stellen
erfolgte,
ohne
Bundesgerichtshof
dass
der
Überlassende
der
Nutzung
widersprochen
hätte.
Der
hat in seiner Entscheidung vom 16.07.1998 (VIZ 1998, 517, 519)
klargestellt, dass der Gesetzgeber sich, wie der konkrete Anwendungstatbestand des § 5
Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG zeige, in Kenntnis der Besonderheiten der unechten
Datschen - diese bestanden gerade darin, dass die Rechts- und Verwaltungspraxis der DDR
sich generell nicht dazu veranlasst gesehen hat, wegen des Aus- bzw. Umbaus von
Wochenendhäusern und Datschen zu Eigenheimen, die (bloß schuldrechtliche) Grundlage des
Nutzungsrechts zu verändern - im Wege einer Kompromisslösung zwischen einem an der
Verwaltungspraxis orientieren Schutz der baulichen Investitionen und einer an den rechtlichen
Regelungen orientierten Betrachtung dazu entschlossen habe, bei der Errichtung eines
Wohngebäudes auf Bodenflächen zur Erholung den Weg der Sachenrechtsbereinigung zu
eröffnen. Diese gesetzgeberische Entscheidung dürfe nicht über den Weg des § 3 Abs. 2
- 21 SachenRBerG wieder in Frage gestellt werden. Auch in der Entscheidung vom 16.10.1998
(VIZ 1999, 40, 43) hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass in den Fällen der sogenannten
„unechten Datschen“ der Weg in die Sachenrechtsbereinigung grundsätzlich eröffnet sei.
Voraussetzung sei, dass ein Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG gegeben sei.
Dies ist nach vorstehenden Ausführungen der Fall.
ff.
Im Übrigen lag der Entscheidung vom 16.10.1998, auf die sich die Klägerin zur Unterstützung
ihrer Rechtsauffassung beruft, aber ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer
Sachverhalt zu Grunde. Im dortigen Fall war den Klägern, die die Feststellung ihrer
Berechtigung nach dem SachenRBerG begehrten, nämlich auf vertraglicher Grundlage ein
bereits mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück ausdrücklich zu Wohnzwecken überlassen
worden. Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 lit. e. SachenRBerG scheiterte dort
daran, dass die Kläger weder einen (vollständigen) Neubau errichtet hatten, noch bauliche
Maßnahmen an einem bestehenden Gebäude vorgenommen hatten, die nach ihrem Umfang
und Aufwand einer Neuerrichtung entsprochen haben (§ 12 Abs. 1 SachenRBerG).
3.
Steht nach alledem fest, dass die Beklagte zu 1. hinsichtlich des streitgegenständlichen
Grundstückes nach den SachenRBerG anspruchsberechtigt ist, hat die gegen sie erhobene
Klage auf Herausgabe und Beräumung des Grundstückes keinen Erfolg. Denn ihr steht gemäß
Art. 233 § 2 a Satz 1 lit. a., Satz 3 EGBGB bis zur Bereinigung der Rechtsverhältnisse nach
dem SachenRBerG ein Recht zum Besitz an dem Grundstück im Sinne des § 986 Abs. 1 BGB
zu, welches sie gegenüber dem Herausgabeanspruch der Klägerin einwenden kann.
4.
Auch die gegenüber dem Beklagten zu 2. erhobene Klage auf Herausgabe und Beräumung des
Grundstückes ist unbegründet. Zwar steht dem Beklagten zu 2. ein eigenes Recht zum Besitz
im Sinne des § 986 Abs. 1 BGB nicht zu, jedoch hat der Beklagte zu 2. gemäß § 986 Abs. 1
Satz 1 2. Alternative BGB ein von der Beklagten zu 1. abgeleitetes Recht.
Als Anspruchsberechtigte nach dem SachenRBerG war die Beklagte zu 1. berechtigt, ihrem
Enkel, als engem Familienmitglied den (Mit)Besitz auf dem Grundstück einzuräumen.
- 22 Mangels Herausgabeverpflichtung ist der Beklagten zu 2. gegenwärtig auch nicht zur
Beräumung des Grundstücks (Klageanträge zu 4. und 5.) verpflichtet.
5.
Soweit die Klägerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 03.01.2006 die Klage erweitert
hat, war dies bei der Entscheidung nicht mehr zu berücksichtigen. Zwar fallen neue
Sachanträge nicht unter § 296 a ZPO, sie sind aber gleichwohl unzulässig, da sie - wie aus den
§§ 261 Abs. 2, 297 ZPO folgt - spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen
waren. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO kommt nicht in
Betracht, da diese verfahrensfehlerfrei geschlossen wurde.
III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine
Entscheidung des Revisionsgerichts gebieten (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.800,00 € festgesetzt (= 80 % des
angegebenen Verkehrswertes des Grundstückes in Höhe von 26.000,00 €). Eine Addition der
Werte für Klage und Widerklage findet wegen wirtschaftlicher Identität nicht statt, so dass der
höhere Wert der Widerklage mit 20.800,00 € maßgeblich ist.
…
…
…