Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger
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Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger
Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Auch aus dem Konzentrationslager Neuengamme sind Häftlinge ins Zivilleben oder zum Kriegsdienst in Wehrmacht oder Waffen-SS entlassen worden. Gefangene beantragten gelegentlich eine Entlassung zur Wehrmacht, da sie sich außerhalb des Lagers größere Überlebenschancen erhofften. Da die Wehrmacht der Aufnahme von Häftlingen aus den Konzentrationslagern aber meist ablehnend gegenüberstand, waren solche Fälle selten. 2 Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Der deutsche ehemalige Häftling Heinrich Soostmeyer, früheres Vorstandsmitglied sozialdemokratischer Kulturvereine in Düsseldorf, im KZ Neuengamme inhaftiert von Mitte 1940 bis Ende März 1944, berichtet: Am 1. April 1944 wurde ich entlassen und nach Züllichau in die Kaserne gebracht. Jetzt sollte ich Soldat werden. Unser Kompaniechef, der mich noch am gleichen Tage zu sich rief, wollte von mir wissen, wie das Lagerleben gewesen sei. Ich jedoch hatte bei meiner Entlassung dreimal unterschreiben müssen, daß ich über die Einrichtung und Gebräuche des Lagers nie etwas sagen würde. Deswegen war ich sehr vorsichtig und zurückhaltend. Am 3. Tag, nachdem man mich bei der Ausbildung besonders geschont hatte – hier sei kurz erwähnt, daß ich nur noch 84 Pfund wog – rief mich der Kompaniechef wieder zu sich. Hier habe ich ihm dann von meinem Lagerleben erzählt. Er nahm es auf seinen Offizierseid, niemals von meinen Aussagen Gebrauch zu machen. Heinrich Soostmeyer. Erinnerungsbericht, 28.1.2002. (ANg) 3 4 Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Der deutsche ehemalige Häftling Kurt Huhn, im KZ Neuengamme von März bis November 1940 inhaftiert, berichtet von seiner Entlassung: Wir betreten die Kleiderkammer. Der Schädel erhält seinen Feinschnitt und rasiert werde ich auch. Dann liegt mein Sommeranzug da, Oberhemd, Unterwäsche, Strümpfe, Schuhe, Krawatte und Reisemütze. Alles ist zerknüllt, der Mützenschirm eingebrochen. Aber was bedeutet das schon, ich würde auch nackt meinen Weg gehen, um dieser wilden Instanz zu entkommen. Weg von den Aufpassern, weg von der durchbluteten Erde, vom Schmutz und den verlausten Baracken. [...] Der Scharführer bringt mich in die Wachstube am Tor. Ich ziehe meine Stummelpfeife und die Schuhcremedose mit dem Tabak und rauche. Aus: Kurt Huhn: Solange das Herz schlägt, Halle/Saale 1960, S. 166 f. Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger SS-Sonderformation Dirlewanger Während des Zweiten Weltkrieges wurden vereinzelt Häftlinge aus den Konzentrationslagern in Strafbataillone der Wehrmacht oder der SS „entlassen“. Genaue Zahlen sind nicht bekannt. Dass es sich bei der SS-Sonderformation Dirlewanger um ein Strafbataillon handelte, war an den Uniformen zu erkennen, die sich von denen anderer SS-Verbände unterschieden. Der deutsche ehemalige Häftling Walter Christensen, im KZ Neuengamme vom 31. Juli 1941 bis zum 7. November 1944 inhaftiert, berichtet: [Sie] bestand aus einer SS-Uniform, an der allerdings die [Kragen-]Spiegel keine SS-Runen trugen. Die Brigade hatte einen Sonderspiegel, der aus zwei gekreuzten Gewehren bestand, darüber eine Handgranate. Allerdings wurde auch der Spiegel nur von wenigen getragen. Auch die Bezeichnung der Chargierten war eine besondere, und zwar hatte der Gruppenführer ein, der Zugführer zwei und der Kompanieführer drei silberne Ärmelstreifen, wodurch die Eigenart BB [Bewährungsbataillon] besonders unterstrichen wurde. (Walter Christensen. Bericht „Der Lebenslauf eines Hamburger Arbeiterjungen“, 1980/81. ANg) 5 6 Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger In die SS-Sonderformation Dirlewanger wurden überwiegend Häftlinge „entlassen“, die über viele Jahre, manche mehr als zehn Jahre, in den Konzentrationslagern inhaftiert waren. 1944 handelte es sich vor allem um Kommunisten. Ihre Bereitschaft, sich in einem aussichtslosen Kampf aufreiben oder töten zu lassen, noch dazu gegen Truppen, die das nationalsozialistische Regime bekämpften – das Regime, das sie in die Lager gesteckt hatte –, war begreiflicherweise gering. Die SS-Sonderformation Dirlewanger wurde im Osten eingesetzt, anfangs zur „Partisanenbekämpfung“, d. h. vor allem zur Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten im Hinterland der Front, Ende 1944 auch unmittelbar an der Front. So liefen Angehörige des Strafbataillons oft zur Roten Armee über bzw. ergaben sich. Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Der deutsche ehemalige Häftling Günther Wackernagel, im KZ Neuengamme vom 1. Oktober 1940 bis zum 7. November 1944 inhaftiert, erinnert sich: An der Grenze zwischen Ungarn und Rumänien wurden wir gegen die Rote Armee eingesetzt, die uns dort gefangen nahm. Wir hatten uns von dieser Armee einfach überrollen lassen, denn wir wollten nicht gegen unsere Verbündeten kämpfen und für die SS den „Heldentod“ sterben. Die SSFührung hatte die Rechnung ohne uns gemacht und gehofft, wird würden gegen die Sowjetarmee kämpfen. Günther Wackernagel. Interview, 11.8.1997. (ANg) 7 8 Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Als die alliierten Truppen kurz vor der Einnahme Hamburgs standen, zwang die SS zum letzten Mal Häftlinge in ein SSBewährungsbataillon. Diese Häftlinge hatten in gewissem Sinne Glück, denn sie wurden bei der Räumung des Lagers nicht auf einen der „Todesmärsche“ geschickt oder auf die Häftlingsschiffe in der Lübecker Bucht gebracht. Da sich die deutschen Truppen mehr oder weniger in Auflösung befanden, konnten die Gefangenen bald aus dem Bewährungsbataillon fliehen. Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Der Österreicher Hans Schwarz, Häftling des KZ Neuengamme vom 24. Oktober 1944 bis zum 25. April 1945, berichtet: Im April 1945 – als die Engländer schon im Anrücken waren – wurden wir auf dem Appellplatz von Neuengamme vom Lagerkommandanten Pauly und SS-Obersturmführer Thumann zu einer SS-Bewährungseinheit ausgesucht. Am 29.4.45 wurden wir unter Bewachung nach Hamburg-Langenhorn in die SS-Kaserne gebracht, wo sich dann die „Truppe“ – wiederum eingekleidet in SS-Uniform – nach verschiedenen Richtungen auflöste. Hans Schwarz. Bericht „Der letzte Einsatz der ‚Dirlewanger‘“, 20.8.1945. (ANg) 9 10 Entlassungen: SS-Sonderformation Dirlewanger Liste der im Juli 1943 aus dem KZ Neuengamme in die SS-Sonderformation Dirlewanger „entlassenen“ Häftlinge. Dabei handelte es sich um Häftlinge mit grünen, schwarzen oder rosa Winkeln. (BA (Berlin))