zwei Abenden - BSZ "Anne Frank"
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zwei Abenden - BSZ "Anne Frank"
Mehr als „fast Faust“ 07/16 Unsere Gymnasiasten der Jahrgangsstufe 13 haben auf der Abi-Zielgeraden am 03. und 04. März 2016, und damit zum ersten Mal an zwei Abenden, „Faust“ auf die Bühne gebracht. Im Rahmen des traditionellen Kulturabends, mit dem finanzielle Mittel für den Abi-Ball erarbeitet werden sollen, stand nicht nur Textinhalt im Mittelpunkt. Die Zuschauer wurden durchgehend ausgezeichnet unterhalten. versuchen sowie Getränke und mit Kreativität bereitetes Essen probieren. Und das Publikum konnte Mitmachtüten – für Kinder oder Erwachsene – erwerben, die von Bettlern so gut angepriesen wurden, dass es am Freitag dann auch recht bald „AUSVERKAUFT“ hieß. Bevor die Darsteller die Bühne betreten durften, mussten sie in die Maske. Das weibliche Schmink-Frisier-Team gab sein Allerbestes, Wie alles begann schonte nicht die eigenen Vorräte und veränderte Am Anfang stand das Lesen und Interpretieren Persönlichkeiten. Zwar war es für manchen männder Pflichtlektüre „Faust“ in den Deutschkursen lichen Darsteller eine echte Herausforderung, sich und schon keimte bei einigen der Gedanke, diean Eyeliner und Lidschatten zu gewöhnen, doch ses Stück zu modernisieren und so zum Grundgedas tat dem Ganzen keinen Abbruch. rüst des Kulturabends zu machen. Schüler fanden Nach dem Ablauf eines extra für die Vorstellungen sich und dachten, grübelten, stritten und konzimühevoll animierten Countdowns im Stil des pierten, bis schließlich Antonia Meinel und Lukas „Hanging Man“ führten die zwei jungen attraktiven Gräfe die Initiative ergriffen. Aufgaben wurden Moderatorinnen, Marie Colditz und Julia Lemmer, verteilt, Talente gesichtet, Ideen gesammelt und die Zuschauer an den – bei dem einen oder andeSzenen- sowie Maskenskripts gezeichnet. So ren vielleicht in Vergessenheit geratenen – Inhalt konnten Philipp Matthes, Lukas Gräfe und Oliver von Goethes „Faust“ heran und verzauberten das Männel, welcher gemeinsam mit Silja Schumann Publikum nicht nur durch Ihre Erscheinung, sonauch die Choreographie übernahm, ein Drehbuch dern sogar noch mehr durch die sprachlichen erarbeiten. Der Anspruch war, einen familienMerkleistungen. freundlichen Handlungsüberflug Am Anfang schuf Gott … – so zu gestalten und alle Talente beginnt „Faust“ zwar nicht, aber des Jahrgangs ihren Beitrag eine Konkurrenz zwischen Himleisten zu lassen. mel und Hölle ist Grundlage des Für die Proben musste Zeit geWerkes. Mephistos Angriff auf funden werden: Absprachen, zwei bezaubernde Engel (Lucie Abstimmungen zwischen UnterStrauß und Lena Strobel) stimmricht, Leistungsnachweisen, te darauf ein, dass Fausts privaten Verpflichtungen … – Schicksal im Mittelpunkt der eine Herausforderung! folgenden Handlung stehen wird. Am Tag der offenen Tür standen Allerdings verwandelten sich Proben an und gleichzeitig beauch die Himmelsdiener durch gann der Kartenvorverkauf. Wie einen Rap zu Ghetto-Teufeln jedoch kann man proben, ohne und heizten dem Publikum mit zu viel zu verraten? Schließlich „G-G-G Gangster“, einem Song sollten sich auch die Tutoren mit Ohrwurmgarantie, richtig ein überraschen lassen! Die Ent… scheidung für einen „speziellen Noch bevor Fausts (Philipp Probenplan“ fiel. Matthes) Selbstmordversuche zum gewünschten Ergebnis Vorhang auf, Licht aus führen konnten, störte der PostDie Schönsten des Jahrgangs bote und Mephisto (Lukas Gräfe) standen am Einlass und empfinentsprang – allerdings verletzt Mephisto (Lukas Gräfe) gen die Gäste. Einem kompeteninfolge Fausts mangelnder Eng© Fabian Sorger ten Garderoben-Team ging welischkenntnisse und seines Under der Überblick noch ein Kleigeschicks – mit den Worten: „Da dungsstück verloren. Schon vorm Programmstart steht doch nun drauf: ‚Be careful, don´t use a konnten unsere Gäste an einer Tombola ihr Glück knife to open!‘“ – dem Paket. 1 Mehr als „fast Faust“ 07/16 Hier musste das Publikum z. B. helfen und Pflasnicht nur Vorbehalte – tiefe Einblicke gewährten ter aus den Mitmachtüten reichen. Ein jammernuns die Abiturienten: Muskelkraft, Tanzkünste, der Faust begab sich in Mephistos Gewalt – geschlechtsübergreifende Verhaltensweisen und schließlich konnte es für ihn nur besser werden. sportgestählte Körper wurden präsentiert. Das Und der Belesene weiß, zunächst wurde er verSchicksal von Gretchens Kind konnte jedem klar jüngt – auf unserer Bühne nach dem Drogentanz werden und regte durchaus – auch vertieft durch der Hip-Hop-Gang durch die Drogenhexe (Tuulia Mephistos Kommentare – zu Gedanken über die Wolf). In Auerbachs Keller erblickte Faust die Jüngsten in unserer Gesellschaft an. So steckte Frau, die er haben wollte und im prasselnden sicherlich manch einem Besucher ein Kloß im Regen, den im Publikum versteckte Animateure Hals, als Mephisto genüsslich ein Plakat mit der mit insgesamt knapp 1 Kilo (Bastel-)Reis für PubAufschrift „Kinder-Leben“ verspeiste und mit eilikum und Darsteller spürbar machten, drängte nem Schluck „Capri Sonne“, dem Lieblingsgetränk Faust Mephisto, ihn mit der Angebeteten zusamder Kleinen, hinunterspülte. Bereits während der menzubringen. Vorbereitungen war dies bei den Regisseuren Ein schüchternes Gretchen (Oliver Männel) und Antonia Meinel und Lukas Gräfe eine umstrittene seine sexgierige Nachbarin (Katharina Syffus) Szene, auf Grund ihrer Aktualität wurde sich dann trafen sich daraufhin mit Faust und Mephisto. In jedoch gegen eine Zensur entschieden. Auf der diesem Zusammenhang erklangen neue Texte zu Zielgraden sah es ganz nach einem Sieg für das bekannten Melodien und wieder staunte man über Böse aus: In der letzten großen Szene, der Kerdas gezeigte Talent. Felix Schneider und Kira kerszene, an welcher die Drehbuchautoren beDunger begeisterten die Anwesenden mit „Frauen sonders lange gearbeitet hatten, folgte Gretchen sind Schweine“ (von „Männer sind Schweine“) schließlich ihrer Schwester und ihrer Mutter, nach und „Religion“ (von „Alkohol“). Und obwohl weder dem Herabstürzen eines Gerüstteils, ins Totendie „Ärzte“ noch Grönemeyer anwesend waren, reich. Mephisto, welcher nun alle Regeln, auch erlebten die Gäste handgemachte Livemusik (Andie der StVO, gebrochen hatte, schien alle in der tonia Hörl, Ludwig Lemke) mit gehaltvoller, zum Hand zu haben und raubte den Moderatoren am Nachdenken anregender Gesellschaftskritik. Für Ende sogar den Text. Doch Rettung nahte, der Auflockerung und Überraschung sorgten immer Rechtsstaat sorgte für einen Abschluss mit Knallwieder ausdrucksstarke Tänze mit mühevoll, aufeffekt und die Bestrafung Mephistos – die Polizei wendigen Choreo(Jan Wunderlich) graphien. Romeo hatte alles unter (Christoph Bicker) Kontrolle: „In meiund Julia (Laura ner Stadt geht Stöhr) vermittelten in keiner bei Rot über einer außergewöhndie Ampel!“ lichen tänzerischen Dank der guten Form veränderte Vorbereitung der Rollenbilder. Eine Schauspieler ist lebensfrohe Nonne die charmante (Alexandra Grund) Souffleuse (Friedeund ein sehr überrike Meyer) arbeitszeugender Paralos geworden. Der diesvogel (Markus Einsatz aller UtenDamm) sorgten für silien aus den Mitreichlich Lacher und machtüten gelang überbrückten mit vor allem am Donwitzigen Dialogen nerstag trotz anFaust (Philipp Matthes) zwischen zwei Verführern (Oliver Mänkurze Umbaupaufänglicher Unsinel und Markus Damm) sen. Nach einer solcherheit zunächst © Fabian Sorger chen mussten Gretzwar zurückhalchens Schwester (Nicole Höflich) und ihre Mutter tend-skeptisch-sparsam, aber später und am Frei(Ronja-Sophie Georgi) sterben. Ein ausdruckstag schwanden die Bedenken, aktiv zu werden. starkes Männerballett leitete über zu den AusOb Pflaster für den verletzten Mephisto, Regenschweifungen der Walpurgisnacht. Hier fielen schutz oder Aufblasbares – vielfältige Möglichkei- 2 Mehr als „fast Faust“ ten boten sich. Der Spaßfaktor überwog, Begeisterung zeigte sich in den Gesichtern – das Publikum wurde nicht geschont, genoss und wurde nach lautstarken „ZUGABE“-Rufen auch nicht enttäuscht: Ein aufwendig realisierter Flashmob mit allen Beteiligten überraschte und mobilisierte die Zuschauer ein letztes Mal. Fortsetzung folgt ??? Der gesamte Abschlussjahrgang des Beruflichen Gymnasiums und Schüler der Fachoberschule, und das sind immerhin ca. 80 Personen, arbeiteten seit November intensiv auf diese Veranstaltung hin. Mit viel Fleiß, konstruktiven Zusammenkünften und letztlich Proben bis zur gewünschten Perfektion gelangen trotz täglichem Unterricht sowie Prüfungsvorbereitung unvergessliche Abende. Gedankt werden muss allerdings vielen Verständnisaufbringern und Unterstützern. Herr Schuldes war seit Wochenanfang jeden Tag in der Schule, um im entscheidenden Augenblick alles ins rechte Licht zu setzen. Das Bühnenbild konnte von der Oberschule Treuen geliehen werden und Herr Bardlock sorgte gemeinsam mit Norman Krüger stets für den richtigen Ton. Am Ende stand ein durchweg positives Feedback, von Gästen, Lehrern und Schülern. Mancher Akteur zeigte ungeahntes schauspielerisches Talent. Lehrer konnten ihre Schüler wieder einmal in einem anderen Licht sehen und ließen sich zu Neuerungen in ihrem Unterricht inspirieren. Wie viele Schüler erlebten als Motivation wohl schon den legendären Ententanz? Herr Flader ermöglichte dies. Die Tutorinnen begeisterte die selbstständige Arbeit des gesamten Jahrgangs - sie signalisierten Interesse und Unterstützungsbereitschaft, wurden aber nicht benötigt. Es gab keinen Zweifel am Gelingen des Abends, das Vertrauen war groß, der wachsende Zusammenhalt der Kurse spürbar, Konflikte schimmerten durch, wurden jedoch ohne Lehrerbeteiligung ausgetragen. Zum Unterricht am Freitag, ab 07:20 Uhr, erschienen alle pünktlich und glückselig. Vielleicht war der diesjährige spätere Termin die richtige Entscheidung und der Erfolg versorgt alle mit einer Extraportion Energie für die anstehenden Prüfungen. Natürlich gab es im Vorfeld bei allen Beteiligten Höhen und Tiefen und auch die eine oder andere Auseinandersetzung, aber letztlich diente das dem Erfolg und alle Schüler können stolz sein, beide Veranstaltungen in dieser Qualität auf die Beine gestellt zu haben. 07/16 Es entstand ein Super-Team, aus Mitschülern wurden Freunde … und als am Freitag die Gäste gingen, wünschten sich viele, es wäre noch nicht vorbei. Aus dieser Traurigkeit entwickelte sich der Wunsch nach einer Fortsetzung. Also dann: „Faust. Der Tragödie zweiter Teil“ – wir freuen uns darauf, denn bei Mephisto und seinen Machenschaften kann man sich nie sicher sein, ob es wirklich „The (Happy) End“ oder erst der Anfang war. Text: Lehrer und Schüler des BGY 13 Fotos: Fabian Sorger Fotografie, Herr Zimmer, Herr Lässig 3