Aus dem Inhalt Januar 2015 - Schleswig

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Aus dem Inhalt Januar 2015 - Schleswig
Aus dem Inhalt
Justizministerialblatt Schleswig-Holstein
Schwerpunkt:
3. Mediationstag in Schleswig-Holstein
Anke Spoorendonk
Grußwort zum Jahreswechsel
Friedhelm Röttger
3. Mediationstag in Schleswig-Holstein
Anke Spoorendonk
Grußwort zum Mediationstag 2014
Prof. Dr. Peter Kaiser und
Andrej Marc Gabler
Strukturqualität und Ergebnisqualität in der
Mediation – Ergebnisse aus der Kieler
Longitudinalstudie
Prof. em. Dr. Leo Montada
Konflikt, Mediation und Psychologie
Antonia Schmidt-Busse
Go to Mediation!
– Ein EU-Projekt stellt sich vor –
Marc Ehlers
Lasst uns „wischen“!
Januar 2015
I. Aufsätze
Anke SpoorendonkGrußwort zum Jahreswechsel
1
Friedhelm Röttger3. Mediationstag in Schleswig-Holstein
2
Anke SpoorendonkGrußwort zum Mediationstag 2014
3
Prof. Dr. Peter Kaiser und
Andrej Marc Gabler
Strukturqualität und Ergebnisqualität in der Mediation – Ergebnisse aus
der Kieler Longitudinalstudie
Prof. em. Dr. Leo Montada
Konflikt, Mediation und Psychologie
Antonia Schmidt-Busse
Go to Mediation! – Ein EU-Projekt stellt sich vor –
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Vorschau zum Sonderheft der Schleswig-Holsteinischen Anzeigen
21
4
14
II. Amtliche Veröffentlichungen
AV. d. MJKE v. 27. November 2014 –
II 312/5607 – 19a SH –
Bek. d. MJKE v. 8. Dezember 2014 –
II 342/1440 – 2 –
Bek. d. MJKE v. 8. Dezember 2014 –
II 342/1440 – 5 –
Bek. d. MJKE v. 9. Dezember 2014 –
II 342/1440 – 7 – SH –
Bek. d. MJKE v. 9. Dezember 2014 –
II 342/1440 – 6 –
Bek. d. MJKE v. 19. Dezember 2014 –
II 342/5413 E – 511 –
Vfg. d. Vors. d. JPA v. 16. Dezember 2014 –
2232 E – 223
Vfg. d. Vors. d. JPA v. 18. Dezember 2014 –
2232 E – 224
Vfg. d. Vors. d. JPA v. 18. Dezember 2014 –
2232 E – 225
III. Personalnachrichten
Schleswig-Holsteinische Zusatzbestimmungen zur Kostenverfügung
(ZBSH – KostVfg)
Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in
Zivilsachen (ZP-Statistik)
Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den
Staats- und Anwaltschaften (StA-Statistik)
Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der
Sozialgerichtsbarkeit (SG-Statistik)
Änderung der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in
der Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwG-Statistik)
Verlust eines Dienstsiegels
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die staatliche Pflichtfachprüfung
bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die staatliche Pflichtfachprüfung
bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die staatliche Pflichtfachprüfung
bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig
Unterhaltsrechtliche Leitlinien des Schleswig-Holsteinische
Oberlandesgerichts
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IV. Ausschreibungen
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Fortsetzung 3. Umschlagseite
Terminankündigung
Justiz und Kultur im Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgericht
Karen Duve
Donnerstag, den 26. Februar 2015, 19.00 Uhr
liest aus „ Warum die Sache schief geht:
im Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht,
Wie Egoisten, Hohlköpfe und Psychopathen uns um Schleswig, Gottorfstraße 2
die Zukunft bringen“
Karen Duve, 1961 in Hamburg geboren, fand erst über die Umwege einer Steuerausbildung und der Tätigkeit als Taxi-Fahrerin
zum Schreiben. Neben Erzählungen veröffentlichte sie Lexika
und Kinderbücher. Bekannt wurden u.a.: „Im tiefen Schnee liegt
ein stilles Heim“ (Debüt, 1995), “Lexikon berühmterTiere (1997,
mit Thies Völker“), „Regenroman“ (1999), „Dies ist kein Liebeslied“ (2002), „Taxi“ (2008), „Anständig essen“ (2011), „Grrrimm“
(2012) und jetzt„Warum die Sache schief geht“ (2014, bei Galiani).
Die Autorin wurde mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Bettina-von-Arnim-Preis (1995), dem Friedrich-Hebbel-Preis (2004),
dem Hubert-Fichte-Preis der Stadt Hamburg (2008) und der
Nominierung für den Preis der Leipziger Buchmesse (2011).
Kostenbeitrag: 12 Euro (Schüler, Studenten und Auszubil- Bereits feststehende weitere Veranstaltungen:
11. März2015: Lesung mit Lutz Seiler
dende frei), nur an der Abendkasse, ab 18.00 Uhr.
  9. April2015: Lesung mit Saša Stanišić (bisher geplant für
16. April 2015)
Kartenreservierung: telefonisch ab 16. Februar 2015 unter
Tel.: 0 46 21 / 86-10 70 (montags bis donnerstags, 13–15 Uhr).   6. Mai 2015: Lesung mit Jochen Mißfeldt („Der Wiedergänger“, mit Bildern von Friedel Anderson, bisher
Reservierte Karten müssen bis 15 Minuten vor Veranstalgeplant für 7. Mai 2015)
tungsbeginn an der Abendkasse abgeholt werden.
  4. Juni 2015: Lesung mit Günter Grass
Je Anrufer können bis zu zwei Karten reserviert werden.
16. Juli 2015: Michael Grosse liest Alfred Kerr
  1. Okt. 2015: Lesung mit Hanns-Josef Ortheil
– Schleswiger Gesellschaft Justiz und Kultur e.V. –
Streitbar ist sie. Und mutig auch. Karen Duve, engagiert-ausdrucksstarke Schriftstellerin mit einem Spektrum vom sensiblen Kinderbuch bis zur fulminanten Gesellschaftskritik. Nach
„Anständig Essen“, der Kritik am Fleischkonsum und dem Plädoyer für vegetarisch-veganes Leben, bewegt sie nun, warum immer die Falschen an der Spitze stehen: „Chefs sind oft
Psychopathen. Männer sind signifikant gewalttätiger. Frauen
sind die besseren Menschen.“ Und deshalb kann der Klimawandel in den Chefetagen nicht bewältigt werden. Deutlich,
aber schlicht. „Zu einfach“, so manche Kritik? – Schauen wir
selbst. Und erleben wir eine Karen Duve, die schon so manchen überrascht hat.
Spendenkonto Nospa IBAN: DE44 2175 0000 0050 0072 94, BIC: NOLADE21NOS
Justizministerialblatt für Schleswig-Holstein
Herausgegeben vom Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein in Kiel,
das die Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts mit der Schriftleitung und der Wahrnehmung der
Aufgaben des Herausgebers beauftragt hat.
Früher im Verlag J.J. Augustin, Glückstadt – ISSN 1860-9643
ERS C H E I N T S E IT 1750 AUSGEGEBEN IM JANUAR 2015 TEIL A
NUMMER 1
Zum Jahreswechsel
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, liebe Justizangehörige,
um es gleich zu Beginn deutlich zu sagen: Auch das vergangene Jahr war für die Schleswig-Holsteinische Justiz intensiv und
von ganz unterschiedlichen Aufgaben und Herausforderungen geprägt. Mir ist sehr bewusst, welchen Beitrag Sie alle dabei
fortwährend leisten – im jeweiligen „Kern- und Alltagsgeschäft“ wie auch zu übergeordneten Fragen der Fortentwicklung der
Rechts- und Justizpolitik insgesamt. An dieser Stelle daher mein herzlicher Dank für die wie stets vertrauensvolle, konstruktive
und gewinnbringende Zusammenarbeit. Ich empfinde – auch kritische – Rückmeldungen aus der Praxis immer als bereichernd
und kann Ihnen versichern, dass wir Ihre Anregungen aufgreifen und wo nötig auch in die landes- wie bundespolitische Debatte
weitertragen.
Betrachtet man die justizbezogene Berichterstattung des letzten Jahres, so wird deutlich, dass sich Justiz in den Medien zunehmend vollkommen überzogener, pauschaler Kritik und aus isolierten Einzelfällen abgeleitetem Misstrauen ausgesetzt sieht.
Dies gilt erst Recht und in verstärktem Maße für die ungefilterten Diskussionen in den Untiefen der sozialen Medien, daneben
aber auch für klassische Veröffentlichungen vermeintlich renommierter und seriöser Kritiker. Das so gezeichnete Bild ist grotesk
verzerrt und meist von Faktenkenntnis ungetrübt. Dennoch ist damit die Frage aufgeworfen, wie wir die Akzeptanz von Justiz
in der Gesellschaft sichern und wo nötig steigern können. Nicht zuletzt deshalb freue mich in diesem Zusammenhang sehr,
dass unsere Veranstaltung am 3.11.2014 im Landeshaus zum Thema „Justiz und Medienöffentlichkeit“ hierzu viele interessante
Denkanstöße geliefert hat.
Auf Landesebene haben wir im vergangenen Jahr zahlreiche Vorhaben gut auf den Weg gebracht. Exemplarisch können hier
die neuen Förderrichtlinien für die Betreuungsvereine genannt werden, die im neuen Jahr durch Regelungen im „Landesbetreuungsgesetz“ flankiert werden. Hierdurch werden örtliche und überörtliche Arbeitsgemeinschaften der am Betreuungsrecht
beteiligten Institutionen (Betreuungsgerichte, -behörden und -vereine sowie Vertreter der Betreuer/innen) eingerichtet. Dies fördert die Kommunikation vor Ort, wodurch wiederum der Verwaltungsaufwand reduziert werden kann. Begleitet wird das Gesetz
von einer vom MJKE herausgegebenen Broschüre, die vor Ort die Gründung bzw. Neuaufstellung einer Arbeitsgemeinschaft
erleichtern soll. Ein weiterer Schwerpunkt lag im Bereich vollzugliche Gesetzgebung, das bereits verabschiedete Jugendarrestvollzugsgesetz ist hier ein wichtiger Meilenstein. Aktuell liegt das Landesstrafvollzugsgesetz als Kabinettsentwurf vor.
Justizintern haben wir in einem breiten Beteiligungsprozess auf vier Regionalkonferenzen Erwartungen, Meinungen und Einschätzungen zu dem äußerst vielschichtigen Vorhaben Personalentwicklungskonzept ausgetauscht. Dabei ist deutlich geworden, dass sich bei allen Unterschieden im Detail doch einige zentrale Themenfelder identifizieren lassen, die von der ganz
überwiegenden Mehrheit der Betroffenen als regelungsbedürftig und -fähig betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund bin ich
optimistisch, dass es uns gemeinsam gelingt, auf dieser Basis ein sinnvolles Personalentwicklungskonzept zu erarbeiten: Man
darf gespannt sein! Entsprechendes gilt natürlich auch für die in Kürze zu erwartenden Ergebnisse der jüngsten PEBB§Y-Vollerhebung für die ordentliche Gerichtsbarkeit und Staatsanwaltschaften.
Eine andauernde und auch über das kommende Jahr hinausweisende Herausforderung stellt schließlich auch der Übergang
zum elektronischen Rechtsverkehr und zur elektronischen Akte dar. Im vergangenen Jahr sind wir mit der Eröffnung des elektronischen Rechtsverkehrs in Grundbuchsachen erneut einen wichtigen Schritt vorangekommen. Dennoch lässt sich nicht leugnen,
dass der – gesetzlich und nunmehr auch landesverfassungsrechtlich vorgegebene – Zeitplan ambitioniert ist und viele wichtige
Fragen noch offen sind. Viele von Ihnen wirken hier sehr intensiv mit und stellen mit ihrem wirklich herausragenden Einsatz
sicher, dass wir bei diesem komplexen Jahrhundertprojekt auf einem guten Weg sind. Auch hierfür danke ich Ihnen herzlich.
Zu guter Letzt einige Worte zur Besoldung: Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember die mündliche Anhörung durchgeführt und wird voraussichtlich im Frühjahr 2015 seine Entscheidung zur Richterbesoldung – und mittelbar vielleicht auch zur
Besoldung des höheren Dienstes insgesamt – fällen. An inhaltlichen Spekulationen oder Interpretationen einzelner Fragen und
Kommentare der Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts möchte ich mich ebenso wenig beteiligen wie ich
zukünftigen Haushaltsberatungen vorgreifen kann. Als Justizministerin begrüße ich es aber ausdrücklich, dass in einer so zentralen Frage absehbar größere Rechtsklarheit herrscht.
Ich wünsche Ihnen ein glückliches, erfolgreiches und gesundes neues Jahr!
Anke Spoorendonk
SchlHA 1/2015
1
3. Mediationstag in Schleswig-Holstein
– Zu diesem Sonderheft –
von RiOLG Friedhelm Röttger, Schriftleiter der SchlHA
Am Sonnabend den 13. September 2014 fand zum dritten Mal
der Mediationstag im Schleswiger Oberlandesgericht statt. Die
Organisation der Veranstaltung hatten diesmal neben Vertretern des Oberlandesgerichts auch die schleswig-holsteinische
Rechtsanwaltskammer, der Verein „Mediation mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Schleswig-Holstein“, der
Bundesverband der Mediation und das Justizministerium
übernommen. Erstmals waren auch Vertreter aus der Wirtschaft und dem Gesundheitswesen sowie eine Vielzahl ausgebildeter bzw. zertifizierter Mediatorinnen und Mediatoren aus
justizfremden Berufen dabei. Der Mediationstag stand unter
dem Motto „Besser vernetzen – Qualität sichern“. Insgesamt
trafen sich rund 200 Teilnehmer und 30 Referenten.
Als prominente Gastreferenten konnten die Organisatoren
Prof. Dr. Peter Kaiser, der über die „Wirkfaktoren und Qualitätskriterien“ in der Mediation berichtete und die EU-Projektmanagerin Antonia Schmidt-Busse gewinnen, die über das
Projekt „Go to Mediation“ der Handelskammer Hamburg Service GmbH referierte. Herr Prof. em. Dr. Leo Montada, der
eigentlich zum Thema „Konflikt, Mediation und Psychologie“
vortragen sollte, war aus persönlichen Gründen leider verhindert. Die Thesen seines Referats hat er der Redaktion jedoch
freundlicherweise zur Veröffentlichung in diesem Sonderheft
zur Verfügung gestellt. Da es auch nach dem Inkrafttreten des
Mediationsgesetzes 2012 immer noch keine einheitlichen Qualitätsstandards für die Mediation gibt, bildete die die Qualität in
der Mediation einen der Schwerpunkte des Mediationstages.
Im Vergleich zum ersten Mediationstag im Jahr 2008 lag der
Fokus diesmal nicht nur bei der gerichtsinternen Mediation in
Form der Güteverhandlung vor Gericht. Vielmehr ging es auf
dem dritten Mediationstag auch um die so genannten freien
Mediatoren, die bereits vor der Anrufung eines Gerichts tätig
werden und hier beachtliche Schlichtungserfolge erzielen. Die
gegenseitige Vernetzung soll zeigen, dass zwischen der Medi-
ation beim Güterichter und der außergerichtlichen Mediation
kein Konkurrenzverhältnis besteht. Es handelt sich vielmehr
um sich ergänzende Konfliktlösungsmechanismen.
Eine Veröffentlichung der zahlreichen Berichte und Statements
aus den insgesamt acht Foren würde jedoch den Rahmen dieses Schwerpunktheftes sprengen. Die Redaktion hat sich deshalb darauf beschränkt, in diesem Heft neben den Worten der
Ministerin zum Mediationstag 2014 nur die Beiträge der drei
Hauptreferenten zu veröffentlichen.
Wichtiger Hinweis:
Daneben wird im Februar 2015 ein Sonderheft der SchleswigHolsteinischen Anzeigen mit allen Beiträgen zum dritten Schleswig-Holsteinischen Mediationstag herausgegeben. Dieses
Sonderheft soll den Inhalt aller Vorträge sowie den Stand der
Diskussionen in den Foren wiedergeben und damit ein „Spiegel“ des dritten Mediationstages in Schlewig-Holstein sein.
Das Sonderheft steht ab März 2015 im PDF-Format allen Interessierten zum kostenlosen Download auf der Internetseite
www.justizministerialblatt.schlewig-holstein.de zur Verfügung.
Gedruckte und gebundene Exemplare können kostenpflichtig
bei der Druckerei J. J. Augustin, Am Fleth 36–37 in 25348
Glückstadt (Print on Demand Service) bestellt werden.
Die Redaktion dankt allen Autorinnen und Autoren für ihre
Beiträge sowie die Überlassung ihrer Manuskripte zum Zwecke der Veröffentlichung und wünscht allen Leserinnen und
Lesern viele gewinnbringende Erkenntnisse zum Thema Mediation.
(von links) Rechtsanwalt Sascha Boettcher, VRiOLG Dr. Martin Probst, Prof. Dr. Peter Kaiser, Ministerin Anke Spoorendonk,
VPräsOLG Rainer Hanf
2
SchlHA 1/2015
Grußwort zum Mediationstag 2014
von Anke Spoorendonk , Ministerin für Justiz, Kultur und Europa in Kiel
Ich bin angesichts des bis auf den letzten Platz besetzten Plenarsaals etwas überwältigt. Es freut mich sehr, dass der Mediationstag 2014 eine so große Resonanz erfährt. Dies zeigt, wie
wichtig das Thema „Mediation“ aktuell ist und bleiben wird.
Diese Resonanz ist aber auch dem hervorragenden Programm
mit seinen interessanten Fachvorträgen und Arbeitsforen zu
verdanken. Ich möchte darum zu allererst den Organisatoren
danken, die das Programm auf die Beine gestellt haben. Der
Mediationstag ist eine Veranstaltung
•  des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts,
•  der Schleswig-Holsteinischen Rechtsanwaltskammer,
•  des Vereins „Mediation mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten in Schleswig-Holstein“,
•  des Bundesverbands Mediation sowie
•  des Schleswig-Holsteinischen Justizministeriums.
Ich will auch das Organisationsteam nennen:
•  Frau Barge-Marxen
•  Frau Dr. Bischoff
•  Herr Boettcher
•  Frau Groth
•  Frau Nissen
•  Herr Dr. Probst
•  Herr Hecht
•  Herr Dr. Teschner
•  Herr Röttger sowie
•  Herr Dr. Bahrenfuss.
Ich danke Ihnen dafür, dass Sie zusätzlich zu ihrer eigentlichen
Tätigkeit viel Zeit und Arbeit in die Vorbereitung dieses Tages
investiert haben. Dies ist – so glaube ich – einen kleinen Applaus wert.
Danken möchte ich auch den Referentinnen und Referenten,
die sich bereit erklärt haben, mitzuwirken. Dabei will ich ausdrücklich erwähnen, dass Sie dankenswerter Weise auf Honorare verzichtet haben. Nur so war es möglich, den Unkostenbeitrag für die Teilnehmer so niedrig zu halten. Auch dies
dürfte einen Applaus wert sein.
Mein Dank gilt auch dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht, das uns die Räumlichkeiten kostenfrei zur Verfügung gestellt hat. Und ausdrücklich danken möchte ich den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Oberlandesgerichts,
die bei der Realisierung des heutigen Tages geholfen haben
– ob bei den Anmeldungen, der Kasse, bei der Herrichtung der
Räume und bei vielen anderen Dingen. Auch hier darf gerne
geklatscht werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Sie sehen, der Mediationstag 2014 ist eine Gemeinschaftsarbeit. Und dies ist eine Besonderheit in Schleswig-Holstein, auf
die wir stolz sein können. Bereits die beiden früheren Mediationstage in 2007 und 2009 waren von Oberlandesgericht und
Rechtsanwaltschaft organisiert worden.
In diesem Jahr haben sich zum ersten Mal auch freie Mediatorinnen und Mediatoren aus verschiedensten Bereichen an der
Vorbereitung beteiligt. Hier in Schleswig-Holstein haben wir
nämlich eines schon früh erkannt: Die Mediation außerhalb
des Gerichts und die Mediation bei den Güterichterinnen und
Güterichtern schließen sich nicht aus, sondern sie ergänzen
einander und profitieren voneinander.
Dies zeigt sich auch im Logo des Mediationstages. Wenn Sie
genau draufschauen, erkennen Sie die zwei Pole eines Ma
gneten, die sich gegenseitig anziehen. Zugleich kann in dem
––––––––––––––
* Das Grußwort wurde von der Ministerin persönlich als Schirmherrin des „Mediationstages 2014“ zur Eröffnung am 13. September 2014 im Plenarsaal des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig gehalten.
SchlHA 1/2015
Logo auch das Bestreben der Mediation
gesehen werden,die Konfliktparteien gemeinsam an einen Tisch zu bringen.
Wie schwierig dies ist, weiß ich aus
meinem langjährigen Leben in der Politik
nur zu genau. Doch hat man die Konfliktparteien erst einmal
zusammengebracht, stellt man häufig fest, dass deren Interessen gar nicht so weit auseinanderliegen, wie sie zumeist
glauben. Dann kann es gelingen, eine für alle Seiten tragbare
und tragfähige Lösung zu finden.
Dem unabhängigen Mediator kommt hier eine entscheidende
Rolle zu. Er unterstützt die Parteien durch eine besondere
Gesprächsführung darin, eine einvernehmliche und selbstbestimmte Lösung zu finden. Der Erfolg der Mediation hängt
deshalb besonders von der Qualität des Mediators ab. Das
Mediationsgesetz betont hier die Eigenverantwortung des
Mediators. Dieser hat durch eine geeignete Ausbildung und
eine regelmäßige Fortbildung selbst sicherzustellen, dass er
über theoretische Kenntnisse sowie praktische Erfahrungen
verfügt, um die Parteien in sachkundiger Weise durch die Mediation führen zu können.
Gesetzliche Mindestvoraussetzungen oder Anforderungen an
die Ausbildung des Mediators gibt es nicht. Jeder, der sich
selbst für hinreichend befähigt hält, kann sich also als „Mediator“ bezeichnen.
Eigenverantwortung ist grundsätzlich zu begrüßen. Doch
manchmal ist auch eine gewisse Kontrolle sinnvoll – gerade
wenn es um die Sicherstellung einer gewissen Mindestqualität geht. Nur so können die an einer Mediation interessierten
Konfliktparteien sicher sein, dass der Mediator tatsächlich befähigt ist, ihnen zu helfen.
Die großen Mediationsverbände, wie der heute als Mitveranstalter auftretende Bundesverband Mediation, haben seit derVerbreitung der Mediation in Deutschland sehr viel Wert darauf
gelegt, dass ihre Mitglieder eine hochwertige Ausbildung haben. Nur wer dies nachweisen kann, wird von ihnen „zertifiziert“.
Der Gesetzgeber hat 2012 das Modell der „Zertifizierung“
in das Mediationsgesetz übernommen. Neben dem ungeschützten Begriff des „Mediators“ ist dort auch der „zertifizierte Mediator“ vorgesehen. Als solcher darf sich nur bezeichnen, wer eine Ausbildung zum Mediator abgeschlossen
hat, die den in einer Rechtsverordnung näher definierten Anforderungen entspricht.
Wer gehofft hat, dass hierdurch zeitnah einheitliche Qualitätsstandards und gleichzeitig Transparenz für die Bürgerinnen
und Bürger geschaffen werden, muss enttäuscht sein. Auch
über zwei Jahre nach Inkrafttreten des Mediationsgesetzes
gibt es immer noch keine Verordnung über die Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren. Der Ende Januar diesen
Jahres vom Bundesjustizministerium vorgelegte Entwurf hat
von vielen Seiten erhebliche Kritik erfahren. Zu Recht, wie ich
leider sagen muss.
Das Grundproblem liegt leider bereits im Mediationsgesetz
selber, das von einer „Zertifizierung“ spricht, obwohl es sich
nicht wirklich um eine solche handelt. Der Verordnungsentwurf formuliert zwar gewisse Anforderungen an die Inhalte
der Aus- und Fortbildung sowie an die Ausgestaltung der hier
tätigen Einrichtungen. Auf eine Kontrolle der Erfüllung dieser
Anforderungen durch unmittelbare oder mittelbare staatliche
Stellen wird jedoch zugunsten einer „privatrechtlichen Lösung“ verzichtet. Das Fehlen jeglicher Aufsichtsmechanismen
führt dazu, dass niemand weiß, wie werthaltig eine solche
„Zertifizierung“ wirklich sein wird.
Hinzu kommt, dass der Verordnungsentwurf kein generelles
Register zertifizierter Mediatorinnen und Mediatoren vorsieht.
3
Damit fehlt den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin eine
Möglichkeit, verlässliche Informationen über die Angebote auf
dem Mediationsmarkt zu erhalten. Transparenz wird also nicht
erreicht werden.
Ich begrüße es deshalb, dass das Thema „Qualität“ in der
Mediation einen der Schwerpunkte des heutigen Mediationstages bildet. Ich würde mich freuen, wenn Ihre Arbeit der bundesweiten Diskussion neue Impulse geben könnte.
Auf dem Programm stehen aber neben der Qualität auch noch
weitere spannende Themen rund um die Mediation. Ich freue
mich schon sehr auf die Vorträge von Prof. Kaiser von der Universität Vechta und Frau Schmidt-Busse von der Handelskammer Hamburg Service GmbH.
Leider werde ich Ihre Veranstaltung danach verlassen müssen.
Heute Nachmittag findet in Itzehoe die Auftaktveranstaltung
zum morgigen „Tag des offenen Denkmals“ statt. Aber ich
weiß, dass die anschließenden Foren hochinteressante Diskussionen versprechen. Sie decken ein breites Spektrum ab
wie etwa die Themen „Familien in der Mediation“, „Unternehmensnachfolge“, „Mediation in Wirtschafts- und Arbeitswelt“
oder „Konfliktfälle und -risiken im Agrarbereich“ zeigen.
Das Anwendungsfeld für die Mediation ist groß. Wichtig ist
nur, dass die Betroffenen dies auch erkennen. Deshalb wird
heute auch die Frage gestellt werden: „Wie kommen Konflikte
und ihre Beteiligten in die Mediation?“ Dies gilt insbesondere
für die außergerichtliche Mediation.
Viele Streitigkeiten sind mit einer Portion gesunden Menschenverstandes in einem moderierten Mediationsgespräch
zwischen den Streitparteien besser zu lösen als durch ein Gerichtsurteil.
Als Justizministerin kann ich nur begrüßen, wenn es die Betroffenen auch ohne die Gerichte schaffen, unter Inanspruchnahme von Hilfe selbst eine Lösung für ihren Konflikt zu finden. Eine eigenverantwortliche Lösung ist in der Regel besser
und nachhaltiger als eine gerichtliche Entscheidung, bei der
sich eine Partei oder sogar beide Parteien als Verlierer sehen. Zugleich ist dies meist kostengünstiger und nervenschonender.
Bei vielen Konflikten ist die gerichtliche Auseinandersetzung
zudem nur die Spitze des Eisbergs. Ein Urteil hilft den Betroffenen dann meist nur wenig, denn der eigentliche Streit
besteht fort. Eine nachhaltige und beide Seiten zufriedenstellende Lösung aber kann nur unter Einbeziehung der unter der
Oberfläche verborgenen Konflikte erreicht werden. Nur so
können die eigentlichen Interessen der Beteiligten zum Ausgleich gebracht werden.
Die Mediation hat sich hierbei als geeignetes Instrument
zur Erarbeitung einvernehmlicher und selbstbestimmter Lösungen erwiesen. Dies hat bereits vor Jahren auch die Justiz
erkannt. Die Gerichte haben mit großem Engagement interes-
sierter Richterinnen und Richter ein eigenes Mediationsangebot aufgebaut.
In Schleswig-Holstein wird die „gerichtliche Mediation“ bzw.
seit 1.1.2013 die „Mediation beim Güterichter“ – zwischenzeitlich flächendeckend – in allen Gerichtsbarkeiten angeboten. Jedes Jahr führen unsere Gerichte inzwischen weit über
1000 Mediationen durch und können ca. drei Viertel hiervon
mit Erfolg abschließen. In rund 75 Prozent dieser Fälle können
die Parteien also mit Hilfe des Güterichters gemeinsam eine
einvernehmliche Lösung für ihren Streit finden, ohne dass es
eines Urteils bedarf. Schleswig-Holsteins Justiz nimmt damit
bundesweit einen Spitzenplatz ein.
Die „Mediation beim Güterichter“ ist eine Bereicherung des
Angebots unserer Gerichte. Und doch hoffe ich, dass die Bürgerinnen und Bürger es so wenig wie möglich in Anspruch
nehmen müssen. Denn dieses Angebot machen unsere Gerichte nur, wenn ein Streit dort bereits anhängig geworden ist.
Ich wünsche mir, dass es stattdessen vermehrt gelingt, Konflikte bereits ohne Inanspruchnahme unserer Gerichte zu lösen. Hierzu sollten die Bürgerinnen und Bürger verstärkt auch
auf das breite Mediationsangebot außerhalb der Gerichte zurückgreifen. Zwischen der Mediation beim Güterichter und der
außergerichtlichen Mediation besteht keine Konkurrenz. Vielmehr sind es sich ergänzende Konfliktlösungsverfahren.
Auch die Rechtsschutzversicherungen haben längst die Vorteile der Mediation erkannt, um ausufernde, kostenintensive
Streitigkeiten zu vermeiden. Sie haben entweder eigene Mediationsangebote oder finanzieren für ihre Versicherungsnehmer auch externe Mediation. Die Zahlen steigen kontinuierlich. Auch dies wird heute Thema in den Arbeitsforen sein.
Die EU verfolgt ebenfalls das Ziel, die alternative Streitbeilegung auszubauen und zu fördern. Ich möchte nur auf die
Richtlinie von 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten (ADR-Richtlinie) hinweisen. Durch sie
sollen unabhängige, unparteiische, transparente, effektive,
schnelle und faire außergerichtliche Möglichkeiten zur Beilegung von Streitigkeiten aus dem Verkauf von Waren oder der
Bereitstellung von Dienstleistungen geschaffen werden.
In Deutschland wird zurzeit in einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz beraten, wie die Richtlinie umgesetzt werden
soll. Vor diesem Hintergrund freut es mich, dass Frau SchmidtBusse das EU-Projekt „Go to Mediation“ vorstellen wird.
Im Sinne dieses Projektnamens wünsche ich Ihnen einen
interessanten und spannenden Mediationstag mit vielen anregenden Gesprächen. Und meine Bitte: Nutzen Sie die Pausen, um sich auszutauschen und näher kennenzulernen. Denn
Ihr heutiges Tagungsmotto besagt es: Eine gute Vernetzung
ist wichtig für die Verbreitung und die Qualität der Mediation
– und entlastet nebenbei unsere Landesjustiz.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Strukturqualität und Ergebnisqualität in der
Mediation – Ergebnisse aus der Kieler
Longitudinalstudie
Von Prof. Dr. Peter Kaiser (Vechta)* und VRiLG Andrej Marc Gabler (Kiel)**
Abstract: Im Rahmen einer Längsschnittstudie wurden zu drei verschiedenen
Erhebungszeitpunkten etwa 300 gerichtliche Mediationsverfahren auf ihre
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität untersucht. Dabei zeigte sich u.a., dass
Strukturmerkmale der beteiligten Personen und Systeme für nachhaltigen Mediationserfolg von wichtiger Bedeutung sind. Aus den Befunden ergeben sich
Hinweise zur Optimierung von Praxis und Weiterbildung.
A Einführung
Mediation ist eine Dienstleistung, die ihre Ziele nur in Kooperation mit den Nutzern erreichen kann und sich fragen lassen
muss, welche Voraussetzungen sie benötigt, um ihre Aufgaben in der erforderlichen Qualität erfüllen zu können.
* Der Autor ist Professor für Psychologie und Pädagogik an der Universität Vechta. Ergebnisse der Längsschnittstudie wurden im Rahmen eines Vortrages auf
dem Mediationstag in Schleswig am 13.9.2014 präsentiert.
** Der Autor ist Vorsitzender Richter am Landgericht in Kiel.
Effektivität und Effizienz der Mediation sind bereits durch eine
Vielzahl von Untersuchungen belegt (z.B. Bastine, 2000; KlinePruett & Johnston, 2004; Niedersächsisches Ministerium für
––––––––––––––
4
SchlHA 1/2015
Justiz, 2005; Weitz, 2008; Bierbrauer & Klinger, 2008; Becker
& Friedrich, 2009; Shaw, 2010; Greger & Unberath, 2012; Greger, 2012, 2013). Merkmale der Parteien, ihre Vorerfahrungen
und Beziehungen haben sich verschiedentlich als prägend für
den Mediationsprozess erwiesen. Folberg et al. (2004) fanden z.B. in einem Forschungsüberblick bei 76 % der Frauen
Gewalterfahrungen mit den Partnern. 78 % der Frauen waren
Stalking-Opfer. Bierbrauer & Klinger (2008) stellten fest, dass
bereits mediationserfahrene Parteien signifikant erfolgreicher
waren und sich auch positiver über das Verhalten des Mediators äußerten. Parteien, die zu einer Vereinbarung kamen, waren insgesamt signifikant zufriedener mit dem Verfahren als
nicht erfolgreiche. Je nach Konflikttyp drohte unterschiedlich
häufig der Abbruch: So z.B. in 80 % der Nachbarschaftsstreitigkeiten, 48.6 % der geschäftlichen Konflikte, aber nur in 20
% der familialen Konflikte. Becker & Friedrich stellten in 121
Mediationsverfahren fest, dass die Einigungsquote in Angelegenheiten der Krankenversicherung 91.7 %, im Bereich der
Pflegeversicherung hingegen nur 57.1 % betrug. Auch die Fallkomplexität hatte einen wichtigen Einfluss: Gregers Befunden
bei Berliner Mediationsverfahren (2012) zufolge lassen sich
Verfahren mit höherem Streitwert schwerer mediieren. Dass
Art und Dauer der Beziehungen zwischen den Parteien zu
unterschiedlichen Mediationsergebnissen beitragen können,
hat sich unter anderem in den Studien von Becker & Friedrich
(2009) und Greger & Unberath (2012), Greger (2012, 2013) gezeigt. Bierbrauer & Klinger (2008) fanden, dass sich die Beziehungsdauer positiv, die Konfliktdauer hingegen negativ auf die
Wahrscheinlichkeit einer Vereinbarung auswirkte.
Als erfolgsrelevante Mediatorenmerkmale werden professionelle Kompetenzen wie Konfliktmanagement, Problemlösungsstrategien, Selbstreflexion, Wissen über interpersonelle
Konflikte und Probleme, Selbstbewusstsein, Einfühlungsvermögen, Moderationsfähigkeit, Souveränität, Abstinenz
genannt (Bastine, 2000; Walther, 2005; Bierbrauer & Klinger,
2008; Paul & Block, 2008; Shaw, 2010).
Weniger gut erforscht sind bislang die Erfolgsrelevanz von Persönlichkeitseigenschaften, psychischen Störungen und sozialen Kompetenzen der Beteiligten (McCrae & Costa, 1999). Da
ca. 30 % der Gesamtbevölkerung an behandlungsbedürftigen
psychischen Störungen leiden, liegt es nahe, dass psychische
Störungen sich auch auch in Mediationsverfahren auswirken
(z.B. Jacobi et al., 2004). Die Einflüsse von Art und Ausmaß
der Weiterbildung der Mediatoren auf Mediationserfolg und
Langzeiteffekte sind bislang kaum untersucht. Klärungsbedarf
scheint auch zu bestehen hinsichtlich der Wechselwirkungen
zwischen Merkmalen und Verhalten der beteiligten Personen
und Systemkontexte. An Langzeitstudien zur Überprüfung dieser Zusammenhänge und deren Nachhaltigkeit mangelt es.
Zudem fehlt es an einer konsistenten psychologischen Theorie
über die Wirkungsweisen einzelner Strategien und Mechanismen von Mediation als Basis theoriegeleiteter Forschung. Ansätze und empirische Ergebnisse der seit Jahrzehnten international stark entwickelten Therapie- und Beratungsforschung
werden in der Mediationsforschung bislang wenig rezipiert
(zum Beispiel Norcross et al., 2011; Lambert, 2013).
B Die Kieler Longitudinalstudie
I Fragestellung
Zur Bewertung der Leistungen des amerikanischen Gesundheitswesens publizierte Donabedian 1966 ein Modell der
Versorgungsqualität, die er definierte als „Grad der Übereinstimmung zwischen den Zielen des Gesundheitswesens und
der wirklich geleisteten Versorgung“ (1966/1980, 80 ff; s. Abb.
1). Inspiriert durch Donabedian unterscheiden wir zur Diffe
renzierung der Qualität von Mediation 1. Strukturqualität, die
sich auf stabile Merkmale von Verfahrensbeteiligten bezieht;
hierzu gehören unter anderem Persönlichkeitseigenschaften
––––––––––––––
oder Kompetenzen von Personen, Organisationsformen, Aufbau- und Ablauforganisation, Personalausstattung von Gerichten oder Organisationen sowie Systemkontexte der Akteure,
2. Prozessqualität, die sich auf die Art und Weise des von
den Beteiligten gestalteten Mediationsverlaufs bezieht, 3.
Ergebnisqualität der getroffenen Vereinbarungen, die durch
die Beiträge der Parteien, Anwälte und Mediatoren beeinflusst wird, 4. Nachhaltigkeit /Langzeitqualität der vereinbarten Regelungen. Dieses Qualitätsmodell soll uns helfen, die
Erfolgsbedingungen von Mediation besser zu verstehen und
Optimierungsmöglichkeiten ausfindig zu machen. Dabei konzentrieren wir uns in diesem Beitrag auf den Zusammenhang
von Struktur- und Ergebnisqualität.
STRUKTURQUALITÄT
Ü Systemkontext der Mediation
Ü Merkmale des Mediators
Ü Merkmale der Parteien
Ü Systemkontext der Parteien
3
Ü Rollen: Kläger/Beklagter
Ü Merkmale der Rechtsanwälte
Ü Merkmale des Konflikts
Qualitätsmodell soll uns helfen, die Erfolgsbedingungen von Mediation besser zu verstehen
und Optimierungsmöglichkeiten ausfindig zu machen. Dabei konzentrieren wir uns in
PROZESSQUALITÄT
Ü Prozesse zwischen den Beteiligten
Ü Realisierung der Wirkfaktoren
Ü Konfliktgeschehen
Ü Prozesse innerhalb der beteiligten Systeme
diesem Beitrag auf den Zusammenhang von Struktur- und Ergebnisqualität.
ERGEBNISQUALITÄT
Qualität der Vereinbarung
BEWERTUNGEN
UMSTÄNDE
NACHHALTIGKEIT
Abbildung 1: Hypothetisches Modell der Mediationsqualität
Abbildung
1: Hypothetisches
(Kaiser et
al., 2014) Modell der Mediationsqualität (Kaiser et al., 2014)
II Vorgehen
In den Jahren 2010–2013 haben wir am Amtsgericht Kiel und
II Vorgehen
am Landgericht Kiel 303 gerichtliche Mediationsverfahren
In den Jahren 2010-2013 haben wir am Amtsgericht Kiel und am Landgericht Kiel 303
unterschiedlicher Rechtsgebiete untersucht. Dabei wurden
gerichtliche Mediationsverfahren unterschiedlicher Rechtsgebiete untersucht. Dabei wurden
Parteien, Anwälte und Mediatoren im Rahmen einer LongiParteien, Anwälte und Mediatoren im Rahmen einer Longitudinalstudie vor der Mediation
tudinalstudie vor der Mediation (T1), nach der Mediation (T2)
(T1), nach der Mediation (T2) und Parteien und Anwälte auch ein Jahr später (T3) schriftlich
und Parteien und Anwälte auch ein Jahr später (T3) schriftlich
befragt (zur Fragebogenkonstruktion s. Bastine, 2008; Becker & Friedrich, 2009; Kaiser &
befragt (zur Fragebogenkonstruktion s. Bastine, 2008; Becker
Gabler, 2014 i.V.; siehe Tab.1).
& Friedrich, 2009; Kaiser & Gabler, 2014 i.V.; siehe Tab.1).
Parteien
Anwälte
Mediatoren
Weiblich
138 (42,86 %)
81
(30,22 %)
18
Männlich
184 (57,14 %)
187 (69,78 %)
7
Keine Angabe
7
8
1
Gesamt T1
329
276
Gesamt T2
232
244
276
Gesamt T3
245
233
--
n
in 303 Verfahren
163 (53,8 %)
140 ( 46,2 %)
1, 2
1 
Für wichtige Beiträge und Hinweise danken wir Winfried Bach (Vechta), HansPeter Heekerens (München), Insa Norden (Kiel), Paulina Matyjas (Berlin); Tobias
Arthur Müller (Heidelberg), Reiner Bastine (Heidelberg).
2  Mit Unterstützung des Schleswig-Holsteinischen Ministers für Justiz, Kultur
und Europa und der Präsidenten der beiden Gerichte sowie eines anonymen
Stifters und in Zusammenarbeit mit Richterin Insa Norden.
Rücksendequote
4
303
Tabelle 1: Zusammensetzung der Stichprobe
III Ergebnisse
1. Strukturqualität der Mediation
Strukturqualität bezieht sich auf stabile Merkmale der beteilig1. Strukturqualität der Mediation
ten Personen und Systeme. Dabei können wir an dieser Stelle
Strukturqualität bezieht sich auf stabile Merkmale der beteiligten Personen und Systeme.
lediglich auf Parteien und Mediatoren eingehen.
III Ergebnisse
Dabei können wir an dieser Stelle lediglich auf Parteien und Mediatoren eingehen.
Das Alter der Parteien
DasAlter
Alter
der Parteien
Das
der Parteien
reichte von 19 bis 89 Jahren. Der Al-
tersdurchschnitt
liegtvon
bei
Jahren
(Median
= 51,00,
Das
Alter der Parteien reichte
19 53
bis 89
Jahren. Der
Altersdurchschnitt
liegt SD
bei 47=
Jahren. Die Altersgruppe zwischen 40 und 59 ist am stärksten vertreten. Für Verfahren und
SchlHA 1/2015
Ergebnisse hat sich das Alter statistisch als kaum bedeutsam erwiesen, weshalb wir auf eine
5
Darstellung verzichten.
Alter
Anteil (n = 329)
19-24
2,3 %
28-39
11,9 %
Das Alter der Parteien
Das Alter der Parteien reichte von 19 bis 89 Jahren. Der Altersdurchschnitt liegt bei 47
Jahren. Die Altersgruppe zwischen 40 und 59 ist am stärksten vertreten. Für Verfahren und
Ergebnisse
hat
sich das
als
13,793). Die
Altersgruppe
zwischen
40 Alter
und 59statistisch
ist am stärksten vertreten. Für Verfahren und Ergebnisse hat sich das Alter
verzichten.
statistisch Darstellung
als kaum bedeutsam
erwiesen, weshalb wir auf
eine Darstellung verzichten.
Alter
Anteil (n = 329)
19-24
2,3 %
28-39
11,9 %
40-49
29 %
50-59
23,4 %
60-69
19 %
> 70
13,4 %
kaum
erwiesen,
weshalb wirnach
aufder
eine
Bei derbedeutsam
Beurteilung der
Ergebnisgerechtigkeit
Medi-
ation (Pn) und ein Jahr später (Pf) gab es keinen Geschlechtsunterschied. Frauen sind aber nach der Mediation und auch
ein Jahr später mit der getroffenen Mediationsvereinbarung
signifikant zufriedener. Hier hat auch das Geschlecht der Mediatoren Einfluss (s.u.).
Familienstand und Systemkontext der Parteien
Von 329 Probanden waren 10,3% ledig (Bevölkerungsdurchschnitt 30,8 %; destatis, 2011), 49,2 % verheiratet (Bevölkerungsdurchschnitt 31 %), 28,9 % geschieden (Durchschnitt
10,49 %), 15,9 % waren zwei bis dreimal geschieden. 10,3 %
lebten getrennt, 7 % waren verwitwet (Durchschnitt 9,2 %).
Insgesamt 67,17 % hatten Kinder, 53,19 % aus der gegenwärtigen Partnerschaft. Die Mediationsparteien unterscheiden
sich bezüglich demographischer Merkmale erheblich vom Bevölkerungsdurchschnitt.
Tabelle
2: Alter
der
Parteien
Tabelle
2: Alter
der
Parteien
Geschlecht der Parteien
Frauen sind sind unter den Parteien zu 43,1 %, Männer zu
Geschlecht der Parteien
56,9 % vertreten.
28 % der Parteien fühlten sich vor der Mediation in der Beziehung zu einzelnen Angehörigen belastet. Wer unter Belastungen in der Familie lebt (Pv; r = .322**4) oder sich bei Streit
anderer beeinträchtigt fühlte, klagte über schlechteres Wohlbefinden (Pv; r = .188**).
Die männlichen
Medianden
sindunter
signifikant
verträglich
Frauen
sind sind
denweniger
Parteien
zu 42,86 %, Männer zu 57,14 % vertreten.
(mittlerer Rang 25.2 vs. 15,8; Mann Whitney Test; U = 294.00;
Persönlichkeitseigenschaften
3
siehe Tabelle
als die weiblichen
(Pv-Pf ). Die
Frauen
waren weniger
Die2)männlichen
Medianden
sind
signifikant
verträglich (mittlerer Rang 25.2 Pv-Pf5;
signifikant stärker auf ein gerechtes Verfahren, insbesondere Einen hochsignifikanten Einfluss auf Verfahren und ErgebBig Five-Persönlichkeitseigenschaften,
6; siehe Tabelle
Whitney
Test;
U = 294.00
2) haben
als diedieweiblichen
(15.8). Die Frauen warendie
den SchutzMann
vor Angriffen
der
Gegenseite
bedacht,
mehr auf nisse
Kommunikation zwischen den Parteien, auf Wahrung der sich über die Lebensspanne meist nur geringfügig verändern –
die Betroffenenden
keine
Hilfestellung
erhalten (s.der
McCrae
signifikant
stärker
auf ein
gerechtes
Verfahren,
insbesondere
Schutz
vor Angriffen
Vertraulichkeit
sowie darauf,
genügend
zu Wort
kommen,
sich sofern
stärker vom Mediator wie von ihrem Anwalt, aber auch von der & Costa, 1999). Diese Eigenschaften der Parteien haben wir
Gegenseite bedacht, mehr auf Kommunikation zwischen den Parteien, auf Wahrung der
Gegenpartei verstanden und wertgeschätzt zu fühlen. Frauen mit dem Persönlichkeitstest BFI-25 erfasst (Gerlitz & Schupp,
2005; Kaiser & Gabler, 2014 i.V.). Die Faktorenanalyse der Antwurden durch
die mehrheitlich
Mediatorinnen
Vertraulichkeit
sowieweiblichen
darauf, genügend
zu Wort
kommen, sich stärker vom Mediator wie von
signifikant häufiger vor Angriffen der Gegenseite geschützt worten ergab die Merkmale Kultiviertheit, emotionale Irritierbakeit,
Introversion, Unverträglichkeit und Gewissenhaftigkeit.
als Männerihrem
(Pv-Pn;Anwalt,
Mann Whitney
Test; Uvon
= 5415.00).
aber auch
der GegenparteiAnverstanden
und wertgeschätzt zu fühlen.
der negativen Ausprägung der Faktoren Introversion (statt
Frauen fühlen
sich wurden
nach der durch
Mediation
der Gegenseite
Extraversion)
und Unverträglichkeit
(statt
Verträglichkeit)
Frauen
die von
mehrheitlich
weiblichen
Mediatorinnen
signifikant
häufiger
vor zeigte
und deren Anwalt sowie vom eigenen Anwalt signifikant stär- sich, dass unsere in gerichtsanhängige Streitigkeiten verwiker verstanden
und wertgeschätzt
(Mittlerer
Rang 142,54
vs. ckelten
Probanden
nur bezüglich
ihrer
demographischen
Angriffen
der Gegenseite
geschützt
als Männer
(Pv-Pn;
Mannnicht
Whitney
Test; U
= 5415.00).
127,42; Mann Whitney Test U = 8236.50), was ihnen wichtiger Merkmale vom Bevölkerungsdurchschnitt abweichen.
zu sein scheint, als dies bei Männern der Fall ist (Pn; Mittlerer
Die Persönlichkeitseigenschaften setzen sich aus einzelnen
8,1
8.2
8.3
8.4
8.5
8,6
8.7
8.9
8.10
Merkmalen zusammen, die hier nur in Auswahl wiedergege
Der Der
Der gegne- Unter-
Unter- Die gegneri- Mediator
Klärung
Schutz
Mediator Anwalt rische An- stützung stützung rische Partei beurteilt
der
vor
ben werden können und jeweils in Anführungszeichen und
versteht
versteht walt ver- bei einver- bei einver- versteht Streitstoff
Hinter-
Angriffen
meine
und
steht und nehmlicher nehmlicher
meine
nicht
gründe
der
kursiv angegeben sind.
Bedürfnisse wert- wertschätzt Lösung
Lösung Bedürfnisse rechtlich
Gegen
und wert- schätzt
mich
durch
durch
und
seite
schätzt
mich
Mediator
Anwalt wertschätzt
5mich
mich
Mann-Whintney-U  8934,500  6921,000  7539,500  9801,500  8985,000  8236,500  6831,500 7987,000  5415,000
Wilcoxon-W
2364,500 19324,000 20259,500 24507,500 23013,000 22097,500 16984,500 20548,000 15711,000
Z   -2,318
-2,890
-1,691
-1220
-,930
-2,228
-1,149
-1,455
-3,916
Asymptotische Sig-
,020
,004
,091
,222
,353
m026
,251
,146
,000
nifikanz (2-seitig)
1) Kultiviertheit
16.4 %
der
Parteien
stark,
28.8 %
Die Datensätze der Fragebögen werden folgendermassen
bezeichnet: war
Pv =bei
Parteien
vor
der
Mediation,
Pn bei
= nach
eher stark, bei 40.4 % weniger stark und bei 14.4 % geringer
ausgeprägt.
der Mediation, Pf = Follow up, Mv = Mediatoren vor der Mediation, Mn = nach der Mediation, Rv = Rechtsanwälte
vor der Mediation, Rn = nach der Mediation, Rf = Follow up
8.11
8.12
8.14
8.15
8.16
8.17
8.18
8.19
68.13
Beziehung Beziehung Kommu- Klärung Klärung Wahrung Beteiligte Wahrneh- Man
von
von
nikation
der
der
der
zu Wort mung und traut
Parteien Parteien zwischen Ziele und Wahrneh- Vertrau- kommen Ausgleich
mir
geklärt verbessert Parteien Anliegen mung des lichkeit lassen von Macht etwas
verbessert der Be- Konflikts
unterschie- zu
teiligten
den zwi-
schen den
Parteien
7414,000 6769,000 6922,000 8411,500 8110.000 7714,000 8959,000 7115,500 6118,500
17999,000 17209,000 18857,000 21452,500 19586,000 20434,000 23665,000 19205,500 15848,500
-1,222
-1,549
-2,467
-1,104
-,332
-2,362
-2,225
-2,680
-2,003
-,222
,121
,014
,270
,740
,018
,026
,007
,045
Diese Eigenschaft korreliert signifikant damit, das Verfahren
8.20
8.21
8.22
8.23
Überzufällige Wahrscheinlichkeitswerte
<
.05 (signifikant*)
oderzupnehmen
<.01 (hoch
signifikant**)
weisen
auf
selbst in die Hand
und nicht
dem Anwalt
zu überlasÜber den Würdi- von
Rück- p Gemeinurspüngli-
chen Kon-
flikt hinaus-
reichende
Vereinba-
rung ge-
troffen
6982,000
16573,000
-,236
,813
einen Kausalzusammenhang hin.
gung
sicht-
meines nahme
positiven
der
Beitrages Gegen-
zur Pro-
partei
blem-
lösung
7900,0000 7795,0000
19681,000 20356,000
-1,393
-2,243
,163
,025
same
Nutzung
der Ressourcen
5321,500
12947,500
-1,644
,100
Tabelle 3: Geschlechtsunterschiede bei den Mediationserfahrungen (Pv-Pn; Mann Whitney Test; s. Fn 4).
Rang 147,42 vs. 123,08; U = 6.921). Frauen kommen mehr zu
Wort (U = 8959), können ihre Kommunikation mit der Gegenpartei mehr verbessern (U = 6922), finden Machtunterschiede
zwischen den Parteien besser ausgeglichen (U = 7115.5), dass
man ihnen etwas zutraut (U = 6118.5), stellen mehr Rücksichtnahme der Gegenpartei fest (U = 7795; siehe Tabelle 2). Diese
Befunde könnten auf eine Benachteiligung von Männern in
der Mediation hinweisen.
Frauen tendieren etwas stärker zur dialogischen Konfliktbearbeitung, neigen zu stärkerer Empfindlichkeit bei Streit in ihrer
Gegenwart und hören mehr auf ihren Anwalt/ihre Anwältin.
––––––––––––––
3 
Die Datensätze der Fragebögen werden folgendermaßen bezeichnet: Pv =
Parteien vor der Mediation, Pn = nach der Mediation, Pf = Follow up, Mv =
Mediatoren vor der Mediation, Mn = nach der Mediation, Rv = Rechtsanwälte
vor der Mediation, Rn = nach der Mediation, Rf = Follow up.
6
sen (Pv-Pn; Pearson r = .407**), der Erfahrung erhöhter Neutralität des Mediators (Pv-Pn; r = .311*) sowie nach einem Jahr
signifikant mit der Sicherheit über die weitere Vertragstreue der
Gegenseite (Pv-Pf; r = .375*), mit Ermutigung durch die Mediation (Pv-Pf; Pearson r = .327**), gewachsenem Verständnis
für den Konflikt und sich selbst (Pv-Pf; Pearson r = .346**),
mit Zufriedenheit über die Vereinbarung (Pv-Pf; Spearman r =
.329**) und der eigenen Lebensqualität (Pv-Pf; r = .317).
Zur Kultiviertheit gehörige „Originalität und Kreativität“ geht
einher mit höherer Lebensqualität nach der Mediation (Pv-Pn;
r = .291**), mehr erfahrener Neutralität des Mediators (PvPn; r = .244**), mehr erfahrener Abstinenz des Mediators
(Pv-Pn; r = .228**). Nach der Mediation geben Parteien mit
zur Kultiviertheit gehörigen „lebhaften Fantasien und Vorstellungen“ eher an, zugunsten einer Einigung von eigenen Positionen abgerückt zu sein (Pv-Pn; r = .170**), aktiver an der
Formulierung der Vereinbarungen mitgewirkt zu haben (Pv-Pn;
r = .203*), sie sprechen eher von höherer Kostenersparnis
(Pv-Pn; r = .139**), besserer Beseitigung der Konfliktursache
––––––––––––––
4 
Überzufällige Wahrscheinlichkeitswerte von p < .05 (signifikant*) oder p <.01
(hoch signifikant**) weisen auf einen Kausalzusammenhang hin. Korrelationen
nach Pearson (r) oder Spearman (r) beschreiben statistische Zusammenhänge
zwischen Merkmalen im Ausmaß von r bzw. r (rho) = 0 bis 1 (maximaler Zusammenhang).
SchlHA 1/2015
7
Mediator beiden Parteiten gerecht wird (Pv; ρ = .242**), der
Mediationsverfahren dem Anwalt zu überlassen (Pv- Pn; ρ =
(Pv-Pn;der
r =Mediation
.135**) undgeben
sind zufriedener
mit zur
der Kultiviertheit
eigenen Le- gehörigen „lebhaften Fantasien und
Nach
Parteien mit
bensqualität (Pv-Pn; r = .224**). Zur Kultiviertheit gehörige
eher an, zugunsten
einer Einigung
von eigenen Positionen abgerückt zu sein
Vorstellungen“
„Wertschätzung künstlerischer
und ästhetischer
Erfahrungen“
geht vorρ der
Mediation
einheran
mit
größerem
Wunschder
nach
(Pv-Pn;
= .170**),
aktiver
der
Formulierung
Vereinbarungen mitgewirkt zu haben
Kostenersparnis (Pv; r = .229**) und dessen Erfüllung danach
(Pv-Pn; rρ==. 229**).
(Pv-Pn;
.203*), sie sprechen eher von höherer Kostenersparnis (Pv-Pn; ρ = .139**),
Abbildung 3: Verteilung des Merkmals „emotionale Irritierbakeit“ (die Ausprägung nimmt im Uhrzeigersinn zu)
Abbildung 3: Verteilung des Merkmals "emotionale Irritierba
(Pv-Pn; r = .270**), schlechterer Beziehung zum Mediator (PvAbbildung 2: Verteilung der Ausprägungsgrade der Persönlich- Pn;
Uhrzeigersinn
zu)
r = .208**), höherem
Zeitaufwand (Pv-Pn; r = .258**),
keitseigenschaft
„Kultiviertheit“
(die Ausprägung nimmt
im mehr Stress (Pv-Pn; r = .260**), weniger gerechtem VerfahAbbildung
2: Verteilung
der Ausprägungsgrade
der Persönlichkeitseigenschaft
Uhrzeigersinn zu)
ren (Pv-Pn; r = .300**) und Ergebnis (Pv-Pn; r = .263**).9Die"Kultiviertheit"
(dieErfahrungen
Ausprägung
nimmt
im Uhrzeigersinn
Kultivierte, für neue
offene
Menschen
lassen sich zu)
se
Menschen
fühlten
leicht ungerecht
und als
Befinden
nach
dersich
Mediation
(Pv-Pn;behandelt
ρ = .251**).
kooperativer auf die Verhandlungen ein und machen es dem Me- Opfer. Damit verbundene „Kälte und Distanz“ geht vor der
diator leichter. Umgekehrt scheinen weniger Kultivierte mehr Mediation
einher
mit verringertem
Wunsch, vom Anwalt
verEmotional
Irritierbare
sind misstrauischer
und harmoniebedü
Hilfestellung
zu benötigen,
sich auf die Mediation
einzulasstanden
werden
(Pv-Pn; r mit
= .216
besserer
Beseitigung
derum
Konfliktursache
(Pv-Pn;
ρ = .135**)
undzu
sind
zufriedener
derund nach Neutralität (PvZuwendung
Hilfestellung
durch
Mediator
sen und sich in die Verhandlungen konstruktiv einzubringen.
Pn;
r = .210**)und
sowie
Abstinenz des
Mediators
(Pv-Pn;und
r = Anwälte u
nach
der
Mediation
mit „Unversöhnlichkeit“/nicht
schlechterer Beziehung
zum Mediato
eigenen Lebensqualität (Pv-Pn; ρ = .224**). Zur Kultiviertheit
gehörige
"Wertschätzung
.230**).
Damit
verbundene
verzei2) Emotionale Irritierbarkeit geht vor der Mediation einher Mediationsverfahren weniger, weil sie aufgrund ihrer Unsiche
hen
können“
geht
der
Mediation einher
mit(Pv-Pn;
Einfallsreichkünstlerischer
und ästhetischer
Erfahrungen"
geht
Mediation
mit
größerem
undeinher
zumvor
gegnerischen
Anwalt
ρ = .369**). U
mit stärkerer Belastung
durch Streitigkeiten
anderer
(Pv;vor
r =der.228**)
tum (Pv-Pn; r = .476**), nach der Mediation mit schlechterer
.309**), nach der Mediation (n = 59) mit geringerem Vertrau- einschätzbar sind.
Beziehung
zum
Mediator
(Pv-Pv;
r
=
.223*;
Pv-Pn;
r
=
.228**)
Wunsch
Kostenersparnis
(Pv; ρ =
.229**)
dessenaufgrund
Erfüllung der
danach
(Pv-Pn;
ρ=.
damit
verbundenen
Beziehungsunfähigkeit den
en in dienach
Vertragstreue
der Gegenseite
(Pv-Pn;
r =und
.292**),
und
zum gegnerischen Anwalt
(Pv-Pn;
r = .369**).
Unverträg3)
Unverträglichkeit
(siehe
Abbildung
4) prädestiniert
dazu,
schlechterem
Befinden
(Pv-Pn;
r
=
.420**),
stärkerem
Wunsch
229**).
lichkeit
erschwert
aufgrund
der und
damitErgebnisse
verbundenen
Bezie- negativ
die
dazu
neigen,
Verfahren
einseitig
nach Einzelgesprächen mit dem Mediator (Pv-Pn; r = .384**)
den
Umgang
den Betroffenen,
die dazu
langfristig
nicht
einzuhalten
ρ = .422**).
Die damit ve
Kultivierte,
für neue
Erfahrungen
offene
Menschen
lassen hungsunfähigkeit
sich kooperativer
auf
die mit (Pv-Pf;
und schlechterer
Lebensqualität
(Pv-Pn;
r = .373**),
weniger
neigen, Verfahren und Ergebnisse einseitig negativ zu sehen.
ermutigender Erfahrung mit der Mediation (Pv-Pn; r = .326**) der Mediation einher mit höherem Wunsch nach Schutz vor A
Verhandlungen
ein und machen
esKonfliktfähigkeit
dem Mediator(Pv-Pn;
leichter. Umgekehrt scheinen weniger
und geringerem Lerngewinn
bezüglich
r = .277**).mehr
„Nervosität“
geht einher
mit erhöhterum
Belastung,
nach
Zutrauen
(Pv-Pn; ρund
= .238**),
was auf die dahinter liege
Kultivierte
Hilfestellung
zu benötigen,
sich auf die
Mediation
einzulassen
sich
wenn andere sich streiten (Pv-Pn; r = .234**). „Sich oft sorin
diegeht
Verhandlungen
konstruktiv
einzubringen.
gen“
einher mit größerer
Belastung,
wenn andere sich Damit verbundene "Rücksichtslosigkeit und Unfreundlichkeit
streiten (Pv-Pn; r = .297**), gerechterem Verfahren (Pv-Pn; r
2)
Emotionale
Irritierbarkeit
geht
vor rder
Mediation
einhermit
mitgeringerer
stärkerer Belastung
durch (Pv-Pn; ρ = .270**), schlechter
Lebensqualität
= .228**),
gerechterem
Ergebnis
(Pv-Pn;
= .190**),
besserer Beseitigung anderer
der Konfliktursache
(Pv-Pn; rnach
= .207**),
sowie
Streitigkeiten
(Pv; ρ = .309**),
der Mediation
(n = 59) mit geringerem
höherer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit der Beteiligten (Pv-Pn; Pn; ρ = .208**), höherem Zeitaufwand (Pv-Pn; ρ = .258**), m
Vertrauen
die Vertragstreue
der Gegenseite
(Pv-Pn; ρ =weniger
.292**), gerechtem
schlechterem
Befinden (Pv-Pn; ρ = .300**) und Ergebn
r = .215**).in„Unfähigkeit
zu Entspannung
und StressbewältiVerfahren
gung“ hängt zusammen mit größerem Wunsch, vom Media(Pv-Pn;
ρ = .420**),
nachAnwalt
Einzelgesprächen
mit dem Mediator (Pv-Pn; ρ =
tor verstanden
(Pv; r = stärkerem
.223**) undWunsch
vom eigenen
wert- Menschen
fühlten sich leicht ungerecht behandelt und als Op
geschätzt
zu schlechterer
werden (Pv; Lebensqualität
r = .249**), grösserem
.384**)
und
(Pv-Pn;Wunsch
ρ = .373**), weniger ermutigender Erfahrung
nach einer einvernehmlichen Regelung (Pv; r = .237**), nach und Distanz" geht vor der Mediation einher mit verringertem
mit
der Mediation
(Pv-Pn;
ρ r==.326**)
Neutralität
des Mediators
(Pv;
.267**),und
dassgeringerem
der MediatorLerngewinn bezüglich
beiden Parteiten gerecht wird (Pv; r = .242**), der Neigung, verstanden zu werden (Pv-Pn; ρ = .216 und nach Neutralität
Konfliktfähigkeit
(Pv-Pn;
ρ =Anwalt
.277**).
"Nervosität"
das Mediationsverfahren
dem
zu überlassen
(Pv-geht
Pn; einher mit erhöhter Belastung, wenn
Abstinenz des Mediators (Pv-Pn; ρ = .230**). Damit verbund
r=
.255**),
sowie
schlechterem
Befinden
nach
der
Mediation
andere sich streiten (Pv-Pn; ρ = .234**). "Sich oft sorgen" geht einher mit grösserer
(Pv-Pn; r = .251**).
verzeihen können“ geht vor der Mediation einher mit Einfall
Belastung,
wenn andere
sich streitenund
(Pv-Pn;
ρ = .297**), gerechterem Verfahren (Pv-Pn; ρ =
Emotional Irritierbare
sind misstrauischer
harmoniebedürftiger; sie gerechterem
benötigen mehr
Zuwendung
und Hilfestellung
.228**),
Ergebnis
(Pv-Pn;
ρ = .190**),durch
besserer Beseitigung der Konfliktursache
Mediator und Anwälte und profitieren in Mediationsverfahren
weniger,ρweil
sie aufgrund
ihrer
Unsicherheit
auch für
andere
(Pv-Pn;
= .207**),
sowie
höherer
Ehrlichkeit
und
Aufrichtigkeit der Beteiligten (Pv-Pn; ρ =
Abbildung 4: Verteilung des Persönlichkeitsmerkmals „Unverschwerer einschätzbar sind.
hängt (die
zusammen
mitnimmt im Uhrzeigersinn zu)
.215**). "Unfähigkeit zu Entspannung und Stressbewältigung"
träglichkeit“
Ausprägung
3) Unverträglichkeit (siehe Abbildung 4) prädestiniert dazu, die Abbildung 4: Verteilung des Persönlichkeitsmerkmals "Unver
getroffenen Vereinbarungen langfristig nicht einzuhalten (Pv-Pf;
im Uhrzeigersinn
4) Introversion
geht einher mitzu)
erhöhter Irritierbakeit (Pv-Pf;
r = .422**). Die damit verbundene „Grobheit“ geht vor der Medi- nimmt
ation einher mit höherem Wunsch nach Schutz vor Angrif- r= .401**). Damit verbundene Gelassenheit geht vor der Mefen (Pv-Pn; r = .218**) und nach Zutrauen (Pv-Pn; r = .238**), diation einher mit Entspannung und guter Stressbewältigung
was auf die dahinter liegende Unsicherheit hindeutet. Damit (Pv-Pn; r = .249**). Damit verbundenes „eher ruhig Sein“
4) Introversion geht einher mit erhöhter Irritierbakeit (Pv-Pf;
verbundene „Rücksichtslosigkeit und Unfreundlichkeit“ geht geht vor der Mediation einher mit größerer Besorgtheit (PvPn; r = .250**),geht
wenig
Einfallsreichtum
(Pv-Pn;
r = mit
.365**),
nach der Mediation einher mit geringerer Lebensqualität Gelassenheit
vor
der Mediation
einher
Entspannung
SchlHA 1/2015
(Pv-Pn; ρ = .249**). Damit verbundenes "eher ruhig Sein" ge
7
grösserer Besorgtheit (Pv-Pn; ρ = .250**), wenig Einfallsreich
geringerer Kommunikativität (Pv-Pn; ρ = .342**), Gehemmth
ρ = .570**), Grobheit (Pv-Pn; ρ = .416**). **), Streitlust (Pv-
11
geringerer Kommunikativität (Pv-Pn; r = .342**), Gehemmtheit und Schüchternheit (Pv-Pn; r = .570**), Grobheit (PvPn; r = .416**). **), Streitlust (Pv-Pn; r = .387**). Damit
verbundenes „zurückhaltend Sein“ geht vor der Mediation
einher mit größerer Besorgtheit (Pv-Pn; r = .256**), Unaufgeregtheit (Pv-Pn; r = .370**), nach der Mediation mit höherem
Verständnis des Konflikts und der eigenen Person (Pv-Pn; r = .
268**), der Neigung, eher Einzelgespräche mit dem Mediator
zu führen (Pv-Pn; r = .265**) sowie den Konflikt und sich
selbst besser zu verstehen (Pv-Pn; r = .263**).
ginalität und Kreativität (Pv-Pn; r = .351**), künstlerischer und
ästhetischer Neigung (Pv-Pn; r = .270**), geringerer Grobheit
(Pv-Pn; r = .325**), Versöhnlichkeit (Pv-Pn; r = .537**), geringerer Streitlust (Pv-Pn; r = .356**), Fleiß (Pv-Pn; r = .401**),
Rücksicht und Freundlichkeit (Pv-Pn; r = .515**).
Gewissenhaft-Fleißige können pedantisch auf vorgefassten
Ansichten bestehen, die sie selbstgerecht und aggressiv verJeteidigen.
nachSind
Ausprägung
Kombination
Gewissenhafte und
eher gründlich
und effektiv,der
sind
sie auch kommunikativer, freundlicher und versöhnlicher.
Introvertierte sind empfindlich und eher konfliktscheu; sie neigen
dazu, eher Einzelgespräche zu führen oder das Verfahren gar ihrem Anwalt zu überlassen. Sie scheinen aber gründlicher an die
Mediation heranzugehen und daher eher Einsicht in das Konfliktgeschehen zu gewinnen. Dies scheint sich auf die Bereitschaft
der Beteiligten auszuwirken, ehrlich und aufrichtig zu sein.
5. Gewissenhaftigkeit (siehe Abbildung 6): das hier zugehörige Merkmal „gut organisiert Sein“ hängt vor der Mediation zusammen mit weniger Einfallsreichtum (Pv-Pn; r = .213**), weniger Kälte und Distanz (Pv-Pn; r = .349**), die Vertraulichkeit
wahren (Pv-Pn; r = .219**), nach der Mediation mit geringerer
Aufregung (Pv-Pn; r = .179**). „Fleiß/ keine Faulheit“ geht
vor der Mediation einher mit guter Entspannung und Stressbewältigung (Pv- Pn; r = .217**), geringerem Einfallsreichtum
(Pv-Pn; r = .322**), geringerer Nervosität (Pv-Pn; r = .379**),
größerer Ruhe (Pv-Pn; r = .363**), geringerer Kommunikationsbereitschaft (Pv-Pn; r = .373**), größerer Gehemmtheit und
Schüchternheit (Pv-Pn; r = .620**), weniger künstlerischer und
ästhetischer Neigung (Pv-Pn; r = .381**), größerer Grobheit
die
zum Mediator
den anderen
Ver
fallenBeziehung
die Verhaltensweisen
der Beteiligtenund
im Verfahren
und
17,12%
17,12%
-,96253 - -,00418
,-00417 - ,95418
32,88%
,95419+
keitseigenschaften und der zugehörigen Einzelmerkmale
die Beziehung zum Mediator und den anderen Verfahrensbe-
Ergebnisse
der Mediation,
wie Ergebnisgerechtigke
teiligten unterschiedlich
aus. Die Ergebnisse
der Mediation,
wie Ergebnisgerechtigkeit, Zufriedenheit sowie Langzeiteffekte
Abbildung 6: Verteilung des Persönlichkeitsmerkmals „Gewissenhaftigkeit“ (die Ausprägung nimmt im Uhrzeigersinn zu)
Abbildung
6: Verteilung des Persönlichkeitsmerkm
profitieren von positiven Persönlichkeitseigenschaften in hochsignifikanter Weise. Parteien mit ungünstigen Persönlichkeitsnimmt
imsind
Uhrzeigersinn
zu)
merkmalen
mit Verfahren und Ergebnissen
eher unzufrie-
den und fühlen sich öfter ungerecht behandelt. Hier können
Mediatoren den Betroffenen behilflich sein, ihr (auto-) destruktives Potenzial zu reflektieren und in den Verhandlungen den
Anschluss nichtvon
zu verpassen.
profitieren
positiven Persönlichkeitseigenscha
Faktor 4: Introversion:
Abbildung 5: Verteilung des Persönlichkeitsmerkmals „Introversion“ (die Ausprägung nimmt im Uhrzeigersinn zu)
anderen gegenüber (Pv-Pn; r = .718**), geringerer Versöhnlichkeit (Pv-Pn; r = .622**), größerer Streitlust (Pv-Pn; r =
.839**), Rücksichtslosigkeit und Unfreundlichkeit (Pv-Pn; r=
.736**), Ineffizienz (Pv-Pn; r = .401**), Anspannung (Pv-Pn;
r = .368**). „Gründlichkeit bei der Arbeit“ geht vor der Mediation einher mit Belastung durch Streit anderer (Pv-Pn; r =
.223**), höherer Zufriedenheit mit der eigenen Lebensqualität (Pv-Pn; r = .309**) und dem Wunsch, von Mediator (Pv-Pn;
r = . 227**) und Anwalt wertgeschätzt zu werden (Pv-Pn;
r = .202**), dass der Mediator abstinent bleibt (Pv-Pn; r =
.306**) und beiden Seiten gerecht wird (Pv-Pn; r = .269**) sowie Wahrung der Vertraulichkeit (Pv-Pn; r = .254**). Nach der
Mediation berichteten gründlichere Parteien von einer besseren Beziehung zum Mediator (Pv-Pn; r = .193**), von aktiver
Mitwirkung bei der Formulierung der Vereinbarung (Pv-Pn; r
= .192**). „Effektivität und Effizienz“ geht vor der Mediation
einher mit Einfallsreichtum (Pv-Pn; r = .594**), geringerer
Nervosität (Pv-Pn; r = .245**), Kommunikativität (Pv-Pn; r =
.447**), höherer Lebensqualität (Pv-Pn; r = .263**), geringerer Gehemmtheit und Schüchternheit (Pv-Pn; r = .339**), Ori-
8
zugehörigen
Einzelmerkmale fallen die Verhaltens
Je nach Ausprägung und Kombination der fünf Persönlich-
REGR factor
score 4 for
analysis 1
(Klassiert)
<= -,96254
32,88%
fünf Per
Wohlbefinden
und Lebensqualität
mit
ungünstigen
Persönlichkeitsmerkmalen sind m
Je größer Wohlbefinden und Lebensqualität vor der Mediation,
um so besser sindund
sie nach
der Mediation
(Pv-Pn; rungerecht
= .482**).
unzufrieden
fühlen
sich öfter
behan
Bei höherer Lebensqualität waren manche Beteiligten weniger bereit, sich auf eine Vereinbarung einzulassen (Pv-Pn; r =
Betroffenen
behilflich
sein,
ihrZugeständnisse
(auto-) destruktives
.218**). Sie hatten
es wohl weniger
nötig,
zu
machen, da sie sich ja auch ohne Vereinbarung wohl fühlten.
Verhandlungen
den Anschluss
nicht zu verpassen.
Ein gewisser Leidensdruck
scheint der Versöhnungsbereitschaft durchaus dienlich zu sein.
Rolle im Verfahren
Von den 329 Parteien,
die vor
der Mediation geantwortet haWohlbefinden
und
Lebensqualität
ben, haben sich 260 zu ihrer Rolle im Verfahren geäussert. Davon waren 56.9 % (148) Kläger und 43.1 % (112) Beklagte.
Je grösser Wohlbefinden und Lebensqualität vor de
Vier der fünf Persönlichkeitseigenschaften spielen für die
Übernahme
der Rolle
als Kläger
Beklagter im
der
Mediation
(Pv-Pn;
ρ oder
= .482**).
BeiKruskal
höherer Leb
Wallis Test keine Rolle. Kläger sind aber deutlich gewissenhaftere Persönlichkeiten
als Beklagte
(mittlerer
Rang 23.81 vs. einzula
weniger
bereit, sich
auf eine
Vereinbarung
14.36; Mann Whitney Test U = 96.00). Da Gewissenhafte zu
Pedanterie neigen, sind sie offenbar eher bereit, ihnen berechwohl
weniger Ansprüche
nötig, Zugeständnisse
machen, d
tigt erscheinende
einzuklagen. Beklagtezu
fühlen
sich vor der Mediation von der Gegenseite deutlich weniger
fühlten.
gewisser Leidensdruck
verstanden Ein
und wertgeschätzt
(M = 7,70 vs. 8,23; scheint
F= 4,384; der Ver
Levene-Test), was aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeitsstruktur
auch schwierig ist. Sie sind mehr auf die Bezu
sein.
Rolle im Verfahren
SchlHA 1/2015
Von den 329 Parteien, die vor der Mediation geant
ziehungsklärung der Parteien bedacht (U = 6.73 vs. 7.37; F =
4.064) und achten stärker darauf, dass alle Beteiligten zu Wort
kommen (M = 8.74 vs. 9.04; F = 6.16). Beklagte wünschen
sich vor der Mediation signifikant stärker, dass der Mediator
den Streitstoff nicht rechtlich beurteilen und abstinent bleiben
möge (Pv; Mann Whitney Test; U = 4880) und sind wesentlich
stärker auf die Wahrung der Vertraulichkeit durch die Beteiligten bedacht (Mann Whitney Test; U = 4363.50). Beklagte sind
also deutlich ängstlicher bezüglich des Mediationsverfahrens.
Beklagte reagieren nach der Mediation empfindlicher als Kläger auf Streit in ihrer Gegenwart (Pv-Pn; Mann Whitney Test;
U = 6306,5). Dieses Gefälle zwischen Klägern und Beklagten
verdient in der Mediation besondere Aufmerksamkeit.
Beziehungen
36,7 % der Beziehungen zwischen den Parteien sind familialer
Art, 24,9 % geschäftliche Beziehungen, 25.3 % Vertragsbeziehungen, 6.3 % Nachbarschaftsbeziehungen.
Die Beziehungsdauer betrug bei 34,1 % 1–4 Jahre, bei 20,2 %
5–10 Jahre, bei 41,4 % > 10 Jahre. Die Mehrzahl der Parteien
kennen sich schon länger als 5 Jahre und streben wohl aufgrund langjähriger Beziehung eine einvernehmliche Konfliktregelung an.
Wenn die Beziehungen zur Gegenpartei schlecht sind, werden
vor der Mediation auch die Beziehungen zu deren Anwälten
negativer bewertet (Pv; r = .344**/.478**). Noch stärker sind
die Zusammenhänge bei der Beziehung zur 2. Gegenpartei
(Pv; r = .890**), bei einer guten Beziehung zum Mediator,
in den dann offenbar besondere Hoffnungen gesetzt werden (Pv; r = .704*) und zum eigenen Anwalt. Je schlechter
die Beziehungen zur Gegenpartei vor der Mediation, um so
schlechter die Beziehung zum gegnerischen Anwalt nach der
Mediation (Pv-Pn; r = .319**). Die Aversion gegen die andere
Seite scheint sich besonders gegen deren Anwalt zu richten,
der die Positionen der Gegenseite ja auch prononciert vertritt.
Je schlechter die Beziehung zur Gegenpartei ist, um so stärker
wird nach der Mediation geäußert, der eigene Anwalt hätte
die Mediation alleine durchführen sollen (Pn; r = .203*).
Je besser die Beziehungen zur Gegenpartei und zum gegnerischen Anwalt, um so mehr sehen sich die Parteien nach der
Mediation in ihrem positiven Beitrag zur Problemlösung gewürdigt (Mn-Pn; r = .215**; r = .234**), um so zufriedener
sind sie mit der Mediationsvereinbarung (Mn-Pn; r = .256**).
Je sicherer sich die Parteien der Vertragstreue der Gegenseite
sind, um so besser fühlen sie sich nach der Mediation auch
vor deren Angriffen geschützt (Mn-Pn; r = .221**).
Zu ihrem Anwalt hatten 16.5 % der Parteien eine schlechte
Beziehung, 10.5 % fühlten sich von ihm zur Zustimmung gedrängt. Hatten die Parteien zu ihrem Anwalt eine gute Beziehung, haben sie aktiver an der Vereinbarung mitgewirkt (Pn;
r= .196**) und konnten ihre Ziele besser durchsetzen (Pn; r =
.195**); um so befriedigender war für sie das Ergebnis (Pn; r=
.295**), um so ermutigender die Mediation (Pn; r = .252**),
um so weniger aufgeregt waren sie nach der Mediation (Pn;
r = .238**) und um so wohler war ihnen nach der Mediation
(Pn; r = .225**). Je besser die Beziehung zum Anwalt, um so
lieber hätten die Parteien ihm gar das Mediationsverfahren alleine überlassen (Pn; r = .512**) um so gerechter beurteilen
sie Verfahren und Mediationsergebnis nach anwaltlicher Einschätzung auch langfristig (Rf; r = .163**; Rf; r = .125**), um
so nachhaltiger und umfassender fanden sie die erarbeiteten
Regelungen (Rf; r = .163**). Dies bedeutet, dass unzufriedene Parteien auch mit ihrem Anwalt weniger zufrieden sind.
Da die Parteien in der Mediation Herren des Verfahrens sind,
tragen sie auch die Hauptverantwortung für die von ihnen ausgehandelten Vereinbarungen. Dennoch neigen einige offenbar
dazu, für weniger gute Verhandlungsergebnisse ihren Anwalt
oder den Mediator verantwortlich zu machen. Mediatoren und
Anwälte sind daher gut beraten, wenn sie die Parteien immer
wieder in ihrer Verantwortung für Verfahren und Ergebnisse
bestärken und eingehend nach ihren langfristigen Erfolgskriterien befragen.
SchlHA 1/2015
Mediatoren
Von den 26 Mediatoren waren 18 Frauen und 7 Männer. Ein
Mediator hat sein Geschlecht nicht angegeben. Bei Mediatorinnen sind die Parteien mit dem Mediationsergebnis nach
der Mediation (Mann Whitney Test; mittlerer Rang = 49.35 vs.
34.34; U = 568,5) und auch noch ein Jahr später signifikant zufriedener mit dem Mediationsergebnis (mittlerer Rang 33.20
vs. 21.28; U = 212,00). Bei männlichen Mediatoren bestätigen
die Parteien signifikant häufiger Vertragstreue der Gegenseite
(U = 813. Möglicherweise verhandeln die männlichen Mediatoren gründlicher und erreichen auf diese Weise nachhaltigere
Ergebnisse. Diese Befunde scheinen aber weniger durch das
Geschlecht, als unterschiedlich intensive Weiterbildung und
Erfahrung bedingt.
Die Richtermediatoren haben zwischen 1 und 300 Weiterbildungsstunden, durchschnittlich 146 (SD 70.01), absolviert.
77,6 % der Richtermediatoren haben weniger als 200 Weiterbildungsstunden; 33,4 % machten zu ihrer Weiterbildung
keine Angaben. Einige Mediatoren äußerten im Fragebogen
explizit den Wunsch nach besserer und längerer Fort- und Weiterbildung.
Weiterbildungs-
stunden
Mediatoren
%
2–15
3
16–20
1,2
25–30
5
34–40
9,3
45–50
13,2
60–80
2,7
100–149
16,6
150–199
26,6
200–260
19,7
Tabelle 3: Weiterbildungsstunden der Mediatoren
Übersicht
überHypothesentest
Hypothesentest
Übersicht
über
1
2
3
4
5
6
Nullhypothese
Test
Sig.
Entscheidung
Die Verteilung von 4 Berufstätig als
Richter ist über Kategorien von 5.
Mediation wurde beendet durch
gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,271
Nullhypothese
behalten.
Die Verteilung von 5 Berufstätigkeit
als Mediator ist über Kategorien von
5. Mediation wurde beendet durch
gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,839
Nullhypothese
behalten.
Die Verteilung von 6 Anzahl
Mediationsverfahren als Leitung ist
über Kategorien von 5. Mediation
wurde beendet durch gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,329
Nullhypothese
behalten.
Die Verteilung von 7 Anzahl
Weiterbildungsstunden in Mediation
ist über Kategorien von 5. Mediation
wurde beendet durch gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,935
Nullhypothese
behalten.
Die Verteilung von 8 Anzahl
Supervisionsstunden in Mediation ist
über Kategorien von 5. Mediation
wurde beendet durch gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,725
Nullhypothese
behalten.
Sie Verteilung von 9 Stunden
professionelle Selbsterfahrung ist über
Kategorien von 5. Mediation wurde
beendet durch gleich.
Mann-Whitney-U-Test
,300
Nullhypothese
behalten.
unabhängiger Stichproben
unabhängiger Stichproben
unabhängiger Stichproben
unabhängiger Stichproben
unabhängiger Stichproben
unabhängiger Stichproben
Tabelle 4: Qualifikationsmerkmale der Mediatoren und Vereinbarungsrate (Mv-Mn)
Tabelle 4: Qualifikationsmerkmale der Mediatoren und Vereinbarungsrate (Mv-Mn)
Für die Abschlussquote scheinen die Qualifikationsmerkmale
der Mediatoren keine signifikante Bedeutung zu haben, wohl
aber für Qualität und Nachhaltigkeit der Vereinbarungen (siehe
Tab. 4). Je mehr Weiterbildungsstunden die Mediatoren absolviert haben, um so mehr relevante Themen berücksichtigen und erledigen sie (Mv-Mn; r = .470**; r = .402**), desto
besser die Beziehung zu den Parteien (Mv-Pn; r = .446**). Je
mehr Unterstützung von Seiten der Kollegen (Mv; r = .361**)
und der Gerichtsleitung genießen sie (Mv; r = .289**). Mit
9
zunehmendem Weiterbildungsstand nimmt die Supervisionserfahrung zu (Mv-Mn; r = .926**).
Je mehr Berufsjahre als Richter die Mediatoren aufweisen,
um so länger haben sie auch als Mediatoren gearbeitet (Mv;
r = .477**) und um so mehr Mediationsverfahren haben sie
geleitet (Mv; r = .448**), um so mehr Weiterbildungsstunden
(Mv; r = .355**) und Selbsterfahrungsstunden haben sie absolviert (Mv; r = .294**). Längere Berufstätigkeit ermöglicht
mehr Weiterbildung.
Mediatoren, die weniger lange als Richter tätig gewesen waren, konnten in der Mediation mehr Themen berücksichtigen,
die sie für wichtig hielten, (Mv-Mn; r = .360**) und kamen
in der Mediation zu praktikableren Lösungen (Mv-Mn r =
.237**). Dies deutet darauf hin, dass langjährige richterliche
Routine der Ausfüllung der Mediatorenrolle hinderlich sein
könnte, weil sich Anforderungsprofil und Rollenauffassung
unterscheiden.
Je mehr richterliche Berufserfahrung Mediatoren haben, um
so weniger Erfolgsaussichten messen sie der klagenden
Partei in einem Streitprozess zu (Mv; r = .292**) und um so
weniger nehmen die Parteien die Empfehlungen ihrer Rechtsanwälte an (Mv-Rn, r= .152*), um so geringer die anwaltliche
Bewertung der Nachhaltigkeit der Vereinbarungen nach einem
Jahr (Rf; r = .160**). Langjährig erfahrene Richter neigen
möglicherweise auch in der Mediation stärker zu wertenden
Stellungnahmen, was aber zu weniger nachhaltigen Vereinbarungen beiträgt. Einen schwach positiven Zusammenhang
gibt es dagegen zwischen richterlicher Verhandlungserfahrung
und der Verbesserung von Kommunikation (Rn; r = .141*)
und Beziehung der Parteien (Rn; r = .157*).
Je mehr Mediationsjahre der Mediator hinter sich hat, um so
mehr Weiterbildung hat er absolviert (Mv; r = .571**), um so
mehr Mediationsverfahren hat er geleitet (Mv; r = .684), um
so weniger rechtliche Probleme sieht er in seinen Fällen (Mv;
r = .268**), um so weniger bleiben Themen gegen seinen Rat
unberücksichtigt (Mv-Mn; r = .210**), um so eher bleiben
Themen der Parteien unberücksichtigt (Mv-Mn; r = .142*; r =.
175**). Dies könnte im ungünstigen Falle darauf hin deuten,
dass die Routine zu weniger Sorgfalt und Empathie beiträgt
oder im positiven Falle, dass erfahrenere Mediatoren eher
Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden und dafür sorgen,
dass sich die Parteien nicht verzetteln. Auf jeden Fall scheint in
diesem Zusammenhang der Druck bedeutsam zu sein, in ein
oder zwei Sitzungen zu einer Vereinbarung zu kommen.
Die Berufsjahre als Mediator gehen nach Angaben der Rechtsanwälte einher mit einer etwas höheren Zahl erledigter Streitigkeiten im Laufe der Mediation (Mv-Rn; r = .205**). Die Zahl
der durchgeführten Mediationsverfahren dagegen geht nach Angaben der Rechtsanwälte einher mit – aus ihrer Sicht – geringerer Praktikabilität der Vereinbarungen (Mv-Rn; r = .235**).
Je länger Mediatoren Erfahrung in der Mediation haben (MvRn; r = .222**) und je höher die Zahl der durchgeführten Mediationsverfahren ist, um so stärker berücksichtigen sie nach
Einschätzung der Rechtsanwälte alle relevanten Themen (MvRn; r = .214**), um so weniger Einzelgesprächen führen sie
(Rf; r = .175**), um so mehr berichten die Anwälte nach einem Jahr, dass alle Themen berücksichtigt worden seien (Rf;
r = .192**), aber um so geringer schätzen die Anwälte nach
einem Jahr die Ehrlichkeit der Beteiligten ein (Rf; r = . 212**).
Gerichtstyp
Parteien am Landgericht finden die Mediation signifikant ermutigender als die am Amtsgericht (mittlerer Rang 50.06 vs.
37.20; Mann Whitney Test U = 672.0). Desgleichen lernen die
Parteien am Landgericht mehr über Konfliktbewältigung (mittlerer Rang 50.42 vs. 37.8).
Am Landgericht halten die Rechtsanwälte den Mediator für
signifikant neutraler (mittlerer Rang 125.1) als am Amtsgericht
(mittlerer Rang 107.1). Dafür sehen sie den Schutz der Parteien vor Angriffen der Gegenseite am Landgericht weniger
10
gewährleistet als am Amtsgericht (mittlerer Rang 108.12 vs.
126.29).
Am Landgericht sparten die Anwälte signifikant mehr Kosten
(mittlerer Rang 121.55 vs. 100.15) und Zeit als am Amtsgericht (mittlerer Rang 129.71 vs. 97.67). Am Landgericht werden
den Anwälten zufolge auch umfassendere und nachhaltigere
Lösungen erzielt (mittlerer Rang 127.85 vs. 100.27). Die Zahl
der Konflikte, die in der Mediation vorgetragen werden, ist
nach Angaben der Mediatoren am Amtsgericht signifikant höher (mittlerer Rang 79.41 vs. 56.89; Mann Whitney Test; U =
1356.5). Die Mediatoren am Amtsgericht schätzten ihre Fälle
als signifikant komplexer ein, als ihre Kollegen am Landgericht
(Mn28; Mann Whitney Test U = 5.399). Dies wird von beteiligten Mediatoren damit erklärt, dass die Fälle am Amtsgericht
noch weniger juristisch aufgearbeitet sind, keine vorinstanzlichen Entscheidungen vorliegen und öfter nicht judikable
Streitigkeiten in die Mediation eingehen. Die Unterschiede
dürften auch auf unterschiedliche Streitthemen, Streitwerte
und Eskalationsgrade der Konflikte sowie, vor allem bei Berufungsverfahren, den bereits betriebenen größeren professionellen Aufwand zurückzuführen sein.
Konfliktmerkmale
Zu den Strukturmerkmalen eines Mediationsverfahrens gehören auch die Eigenschaften des Konflikts selbst: 39,3 % der
Fälle drehten sich um familiale Konflikte. 21,5 % der Konflikte
29 Vereinbarungen unterzeichnet
Konfliktgegenstände
ja
Gesamt
nein
1 ehelicher Vermögensstreit
Anzahl
%
9
69,2%
4
30,8%
13
100,0%
2 Streit um Kinder
Anzahl
%
3
100,0%
0
0,0%
3
100,0%
Erbstreit
Anzahl
%
15
93,8%
1
6,3%
16
100,0%
Haftungsstreit
Anzahl
%
6
100,0%
0
0,0%
6
100,0%
Mietvertrag
Anzahl
%
19
76,0%
6
24,0%
25
100,0%
Bau-und Architektenvertrag
Anzahl
%
18
85,7%
3
14,3%
21
100,0%
Gesellschaftsrecht
Anzahl
%
4
100,0%
0
0,0%
4
100,0%
Kaufvertrag
Anzahl
%
15
100,0%
0
0,0%
15
100,0%
Darlehen
Anzahl
%
8
100,0%
0
0,0%
8
100,0%
Dienstvertrag
Anzahl
%
8
100,0%
0
0,0%
8
100,0%
Nachbarschaftsstreit
Anzahl
%
3
60,0%
2
40,0%
5
100,0%
nichtehel. Lebensgemeinsch.
Anzahl
%
1
100,0%
0
0,0%
1
100,0%
Arzthaftung
Anzahl
%
2
100,0%
0
100,0%
2
100,0%
Tabelle 5: Konfliktgegenstände und Erledigungsquoten in der
Mediation (Ausschnitt; Mv-Rn)
waren geschäftlicher Art. unter den Konfliktgegenständen sind
familiale und Vertragsstreitigkeiten am verbreitetsten (siehe
Tab. 4). Die Vereinbarungsraten sind bei den verschiedenen
Konfliktgegenständen unterschiedlich, wegen der geringen
Fallzahlen aber statistisch nicht signifikant. 90,3 % der Konflikte bestehen zwischen 1 und 5 Jahren, 29.3 % bis zu einem
Jahr, 33.2 % bis zu 2 Jahren, 75,7 Prozent bis zu 3 Jahren.
Die Komplexität der Fälle beurteilten vor der Mediation 51,8
% der Richtermediatoren als hoch, 17,2 %, sprachen von mittlerer Komplexität, 27,4 % von geringerer Komplexität. 51,8 %
hielten nach der Mediation die Komplexität der Fälle für hoch,
19,1 % für mittelhoch, 29,2 % für weniger hoch.
SchlHA 1/2015
werden. In 6,9 % der Fälle konnten weitere 4-10 Streitigkeiten e
In mehr als der Hälfte wurden also zwei und mehr Konflikte erl
Verfahren (25,8 %) wurden nicht alle Konflikte erledigt. Hier stel
Der Konfliktgegenstand hat Einfluss auf die Ausprägung der sie absolviert haben (Mv; r = .469**). Wer von der GerichtsleiNeutralität des Mediators, die in Familienstreitigkeiten
hochtung unterstützt
auch
den KollegenHier
unterstützt
getan
werden
können,wird,
umwird
dies
zuvon
erreichen.
besteht mög
signifikant niedriger ausfällt als zum Beispiel bei Vertrags- (Mv; r = .832**).
streitigkeiten, in Arzthaftungssachen, Erbstreitigkeiten
oderletztlich
warum
nur etwa die
Hälfte der
Parteien
dem Media
Soziale Unterstützung
der Mediatoren
durch
Kollegen mit
und GeDarlehenskonflikten, aber größer ist als bei Dienstverträgen richtsleitung trägt bei zur Ehrlichkeit der Beteiligten (Mv-Rn; r
(Mv-Rn; Kruskal Wallis Test; Teststatistik = 23.586). Erhöhte = .202**; r = .152*) und besserer Zielerreichung der RechtsKomplexität des Falles geht den Mediatoren zufolge einher anwälten (Mv-Rn; r = .206**; r = .147**), um so geringer
mit größeren Beweisschwierigkeiten und rechtlichen Proble- ist auch die Neigung der Rechtsanwälte, die Mediation lieber
Von den 241 Parteien, die nach der Mediation noch geantworte
men (Mv; r = .697**), die nach der Mediation geringer ein- ohne Ihre Parteien durchzuführen (Mv-Rn; r = .224**).
geschätzt werden. Den Rechtsanwälten zufolge führt höhere
Ergebnis
gerecht, von
66.9
% hielten
die erarbeiteten
Regelunge
Rückenstärkung
Kollegen
und Institution
könnte den MediaKomplexität des Falles dazu, dass die Beteiligten
weniger für
zu Wort kommen (Mv-Rn; r = .176**), wichtige Themen nur tor sicherer auftreten und glaubwürdiger erscheinen lassen.
5.5 % für mittelmäßig gerecht, 9 % für mässig nach
eingeschränkt behandelt werden (Rn; r = .192**)umfassend,
und sogar
gegen den Rat des Anwalts ausgespart werden (Mv-Rn; r = 2. Ergebnisqualität
Nach
Angabengerecht,
der Parteien23.6
wurden
91 %wenig
der Verfahren
mit
34.83
% für
weniger
% für
nachhaltig
und u
.216.**), der Stellenwerts der Probleme (= .139*)
und die
Anliegen der Beteiligten weniger geklärt werden (Mv-Rn; r einer Vereinbarung beendet. 9 % der Parteien haben die Mediation abgebrochendie
oderParteien
kamen nichtzwischen
zu einer Vereinbarung.
= .156*) und weniger nachhaltige Lösungen erreicht
werden unterscheiden
Offenbar
Gerechtigkeit ein
(Mv-Rn; r = .140**). Höhere Komplexität des Falles geht aus In 92.6 % der Fälle konnte die Mediation in einer Sitzung, in
% indem
2 Sitzungen
abgeschlossen
werden (Pn).zufrieden waren.
der Sicht der Rechtsanwälte mit weniger Stärkung Möglichen,
des Selbst- 5.9
mit
sie aber
nicht unbedingt
vertrauens der Beteiligten (Mv-Rn; r = .180*), mit geringerer 79.41 % der Verfahren konnten innerhalb von maximal 4 StunNeutralität das Mediators (Mv-Rn; r = .239**) und
Einweniger
gerechtes
Ergebnis korreliert
im Spearman-Test hochsignif
den abgeschlossen
werden.
Einhaltung der Vertraulichkeit einher (Mv-Rn; r = .205**).
In 13,5 % der Fälle konnte über den Streitgegenstand hinVerfahren aus
(Pn;kein
ρ =.
800**),
einer
guten
zum
Je geringer die Beweisschwierigkeiten, desto verständnisvolweiterer
Konflikt,
in 39,1
% der Beziehung
Fälle ein weiterer,
in Mediato
ler wird der Mediator eingeschätzt (Mv-Rn; r = .139**), um so 28,6 % 2 weitere, in 12,0 % der Fälle sogar 3 weitere Konhöher schätzt der Mediator die Erfolgsaussichten des
Klägers in flikteund
nachhaltigen
umfassenden
(Pn; ρweitere
= .580**),
mit ei
erledigt
werden. In 6,9 % Lösung
der Fälle konnten
4–10
einem Streitprozess ein (Mv; r = . 341**), um so eher kommt Streitigkeiten erledigt werden. In mehr als der Hälfte wurden
es zu einer erfolgreichen Vereinbarung (Mv-Pn; r = .308**),
um alsoder
zweiKonfliktursache
und mehr Konflikte erledigt.
gut.414**),
einem Viertel
derder Durch
Beseitigung
(Pn; ρIn=
mit
so größer schätzen die Rechtsanwälte nach einem Jahr Ehrlich- Verfahren (25,8 %) wurden nicht alle Konflikte erledigt. Hier
keit und Aufrichtigkeit der Beteiligten (Mv-Rn; r = .188**)
stellt sich mit
die Frage,
was hätte getan
werden können, um
diesρ = .503*
(Pn; ρund
= .702**),
vermehrter
Kostenersparnis
(Pn;
die Vertragstreue ihrer Mandanten ein (Mv-Rn; r = .194**).
zu erreichen. Hier besteht möglicherweise einer der Gründe,
warum(Pn;
letztlich
die Hälfte
Parteien mit dem MeJe größer die rechtlichen Probleme aus Sicht der Mediatoren,
weniger Stress
ρ nur
= etwa
.542**).
Dieder
Ergebnisgerechtigkeit
wird
um so höher schätzen sie auch die Komplexität des Falles ein diationsergebnis zufrieden war.
(Mv; r = .697**), um so zufriedener sind die Mandanten
nach Von denzugeschrieben,
241 Parteien, die nachdie
der Mediation
noch
geantworProzessqualität
indes auf
Strukturqualität
g
einem Jahr mit ihren Rechtsanwälten (Mv-Rn; r = .195**), tet haben, hielten 59.7 % das Ergebnis für gerecht, 66.9 %
deren Rat dann um so wichtiger wird. Rechtliche Probleme hielten die erarbeiteten Regelungen für nachhaltig und umfasführten aus Sicht der Anwälte eher dazu, dass der Mediator send, 5.5 % für mittelmäßig gerecht, 9 % für mäßig nachhalden Beteiligten weniger gerecht wird (Mv-Rn; r = .200**) tig und umfassend und 34.83 % für weniger gerecht, 23.6 %
und wichtige Themen gegen ihren Rat vernachlässigt wurden für wenig nachhaltig und umfassend (siehe Abb. 7). Offenbar
(Mv-Rn; r = .226**). Bei größeren rechtlichen Problemen nei- unterscheiden die Parteien zwischen Gerechtigkeit einerseits
gen die Anwälte dazu, die Mediation lieber ohne ihre Parteien und dem pragmatisch Möglichen, mit dem sie aber nicht undurchzuführen (Mv-Rn; r = .222**), die sie dann offenbar für bedingt zufrieden waren.
überfordert halten.
Je mehr Konfliktgegenstände, um so komplexer schätzen
weniger
die Mediatoren den Fall ein Mv; (r = .358**), um so weniger
gerecht:
kommen die Beteiligten aus Sicht der Rechtsanwälte zu Wort
weniger
34,83% gerecht: 34.83 %
(Mv-Rn; r = .198**), um so besser aber fällt die Zielerreichung
der Rechtsanwälte aus (Mv-Rn; r = .232**), deren Wichtigkeit
dann steigt.
Je mehr Streitigkeiten in der Mediation erledigt wurden, um
so sicherer sind sich die Parteien der Vertragstreue der Gegenseite (Mn-Pn; r = .288**).
Je geringer die Erfolgsaussichten der klagenden Partei im
Streitprozess, um so mehr berichten die Anwälte, sie hätten
die Mediation lieber ohne ihren Mandanten durchgeführt (Rn; gerecht: 59,7 %
r = .220**), um so ermutigender schätzen sie aber die Mediation ein (Rn; r = .153**), um so höher schätzen sie nach
Abbildung 7: Verteilung der Einschätzungen der Parteien zur
einem Jahr deren Effizienz ein (Rf; r = .186*).
Je größer die Erfolgsaussichten der klagenden Partei im Ergebnisgerechtigkeit nach der Mediation (Pn)
Streitprozess, desto größer ist die Ergebniszufriedenheit
der Ein
Ergebnis
im Spearman-Test
hochAbbildung
7:gerechtes
Verteilung
der korreliert
Einschätzungen
der Parteien
zur E
Rechtsanwälte (Rn; r = .155*) und um so geringer ihre Ein- signifikant mit einem gerechten Verfahren (Pn; r =. 800**),
schätzung der Ergebnisgerechtigkeit (Rn; r = .186**).
Zufrie- einer
Mediation
(Pn)guten Beziehung zum Mediator (Pn; r = .241**), einer
denheit und Gerechtigkeitseinschätzung scheinen nicht de- nachhaltigen und umfassenden Lösung (Pn; r = .580**), mit
ckungsgleich zu sein.
einer weitergehenden Beseitigung der Konfliktursache (Pn; r
.414**),mit
mit der
der Durchsetzung
der eigenen Ziele (Pn;
r = nach d
Zufrieden
waren
Mediationsvereinbarung
direkt
Je größer die Erfolgsaussichten des Klägers im Streitprozess, um =
so größer ist nach einem Jahr das Vertrauen der Rechtsanwäl- .702**), mit vermehrter Kostenersparnis (Pn; r = .503**), Zeitersparnis
.432**),
weniger Im
Stress
(Pn; r = .542**).
Diesind die M
72.9(r%=der
Anwälte.
Gegensatz
dazu
te in die Vertragstreue der Gegenpartei (Mv-Rn; r =Parteien
.249**). und
Ergebnisgerechtigkeit wird also vor allem der Prozessqualität
die indes
auf Strukturqualität
gründet.
zufrieden,zugeschrieben,
nur 4.7 % sind
weniger
zufrieden
mit der erzielten V
Systemkontext
Die Mediatoren genießen mehr Unterstützung von Seiten der Zufrieden waren mit der Mediationsvereinbarung direkt nach
der Mediation 58.8dieser
% der Parteien
und 72.9 %scheinen
der Anwälte.sich erhe
Kollegen (und der Gerichtsleitung, je mehr WeiterbildungsZufriedenheitskriterien
drei Gruppen
stunden (Mv; r = .361**) und Supervision (Mv; r = .367**) Im Gegensatz dazu sind die Mediatoren zu 93.6 % zufrieden,
SchlHA 1/2015
11
nur 4.7 % sind weniger zufrieden mit der erzielten Vereinbarung. Die Zufriedenheitskriterien dieser drei Gruppen scheinen
sich erheblich zu unterscheiden.
auch einhält. Nur 4.4 % waren skeptisch. Offenbar überwog
direkt nach der Mediation die Freude über die erreichte Vereinbarung. Wie sich in der Nachbefragung zeigte, war diese
Zuversicht nicht immer berechtigt, da sich 18.6 % der Gegenparteien nicht an die Abmachungen gehalten haben.
Das Vertrauen in die Vertragstreue der Gegenpartei war direkt nach der Mediation größer, wenn die Beziehung zum
gegnerischen Anwalt gut war (Pn; r = .225**), wenn die Parteien den Konflikt und sich selbst besser verstanden (Pn; r =
.211**). Vertrauten die Parteien nach der Mediation der Vertragstreue der Gegenseite, waren sie weniger aufgeregt (Pn;
r = .232**), war ihr Wohlbefinden besser (Pn; r = .360**),
die Mediation für sie ermutigender (Pn; r = .424**), ihre Zufriedenheit mit der Vereinbarung größer (Pn; r = .360**) und
ihre Neigung, künftig eine Gerichtsentscheidung anzustreben
geringer (Pn; r = .195**).
66,9 % der Parteien, 78,4 % der Anwälte und 87 % der Richtermediatoren meinten, mit der Vereinbarung sei eine nachhaltige und umfassende Regelung des Konfliktes erreicht.
Die Parteien waren nach der Mediation mit der Mediationsvereinbarung zufrieden, wenn sie gut informiert waren (Pn; r =
.335**) und die Beziehung zum Mediator (Pn; r = .390**) und
zum Anwalt gut war (Pn; r = .295**). Wenn sie den Konflikt
und sich selbst besser verstanden haben (Pn; r = .344**),
sich sicher waren, dass sich die Gegenseite an die getroffenen
Vereinbarungen hält (Pn; r = .380**), die Beziehung zum gegnerischen Anwalt gut war (Pn; r = .306**). Waren die Parteien
nach der Mediation zufrieden, fühlten sie sich wohler (Pn; r =
.402**) und weniger aufgeregt (Pn; r = .284**), von der Mediation ermutigt (Pn; r = .615**); sie wollten dann auch künftig
keine Gerichtsentscheidung anstreben (Pn; r = .394**).
Die Diskrepanz zwischen der Zufriedenheit der Parteien, der
Anwälte und der Mediatoren deutet darauf hin, dass im Rahmen des Verfahrens die Kriterien der Beteiligten nicht genügend aufgeklärt worden sind.
Konfliktfähigkeit
Nach der Mediation gaben 21,7 % der Parteien an, den Konflikt und sich selbst jetzt besser zu verstehen, nach einem Jahr
32,4 %. 33,7 % der Parteien meinten nach der Mediation,
Konflikte künftig ohne fremde Hilfe lösen zu können, 19,3 %
trauten sich dies halbwegs, 47 % trauten sich dies weniger zu.
Nach der Mediation hatten 32 %der Parteien gelernt, besser
mit Konflikten umzugehen.
Verstehen die Parteien nach der Mediation den Konflikt und
sich selbst besser, sind sie zufriedener mit der Mediationsvereinbarung (Pn; r = .334**). finden sie die Mediation ermutigender (Pn; r = .319**), sind sie sicherer, dass die Gegenseite
die getroffenen Vereinbarungen einhält (Pn; r = .211**) und
fühlen sie sich auch etwas besser (Pn; r = .160*).
Vertrauen in die Gegenpartei
94.7 % der Parteien waren sich nach Abschluss der Vereinbarung sicher, dass die Gegenseite die getroffenen Regelungen
12
Die Beziehung zum Mediator war nach der Mediation besser,
wenn mehr Zeitersparnis möglich war (Pn; r = .276**), die
Parteien mehr Gestaltungsspielraum (Pn; r = .277**) und weniger Stress hatten (Pn; r = .313*), sie die gefundene Lösung
nachhaltiger und umfassender fanden (Pn; r = .268**), ihre
Ziele durchsetzen konnten (Pn; r = .275**), die Beteiligten
ehrlich und aufrichtig waren(Pn; r = .259**) und sie Verfahren
(Pn; r = .294*) und Ergebnis gerecht fanden (Pn; r = .241**).
Wohlbefinden und Lebensqualität
Wohlbefinden und Lebensqualität der Parteien steigen einer
zweifaktoriellen Varianzanalyse zufolge im Erhebungszeitraum
in signifikanter Weise kontinuierlich an (siehe Abb. 9).
Die Lebensqualität wird nach der Mediation um so besser beurteilt, je weniger aufgeregt die Parteien nach der Mediation
waren (Pv-Pn; r = .408**), je zufriedener sie mit dem Ergebnis
sind (Pv-Pn; r = .271**), wenn sie aktiv an der Formulierung
der Vereinbarung mitgewirkt haben (Pv-Pn; r = .162**), wenn
sie zu Gunsten einer Einigung von eigenen Positionen abgerückt sind (Pv-Pn; r = .193**), je besser die Beziehung zum
gegnerischen Anwalt (Pv-Pn; r = .221**), je sicherer sich die
Parteien sind, dass die Gegenseite die Vereinbarungen einhält
(Pv-Pn; r = .443**), je ermutigender sie die Mediation finden
(Pv-Pn; r = .415**), je besser sie den Konflikt und sich selber
verstehen (Pv-Pn; r = . 168**), je mehr sie über Konfliktbewältigung gelernt haben (Pv-Pn; r = .263**), je weniger
Einzelgespräche mit dem Mediator nötig waren (Pv-Pn; r =
.250**).
Friedmanns zweifaktorielle Varianzanalyse nach Rang bei verbundenen Stichproben
Persönliches Befinden1
Gutes Wohlbefinden
Wohlbefinden3
4–
Mittlerer Rang = 1,73
Mittlerer Rang = 2,26
Mittlerer Rang = 2,01
–4
3–
–3
2–
–2
1–
0,0
Rang
Haben die Parteien im Rahmen des Verfahrens gelernt, besser
mit Konflikten umzugehen, waren sie nach der Mediation weniger aufgeregt (Pn; r F .150**), fühlten sie sich besser (Pn; r
= .259**), verstanden den Konflikt und sich selbst besser (Pn;
r = .527**), waren sie zufriedener mit ihrer Lebensqualität
(Pn; r = .242**) und fanden sie die Mediation ermutigender
(Pn; r = .442**).
War die Beziehung zur Gegenseite nach der Mediation
schlecht, war sie auch zu deren Anwalt schlecht (Pn; r =
.260**) und gegebenenfalls zur 2. Gegenpartei noch schlechter (Pn; r = .795**), um so mehr war das aktuelle Wohlbefinden beeinträchtigt (Pn; r = .127**).
Rang
Abbildung 8: Zufriedenheit der Parteien mit der Mediationsvereinbarung (Pn)
Beziehungen
Ihre Beziehung zur Gegenpartei beurteilten nach der Mediation 43.2 % als gut, 37.6 % als eher schlecht. Ihre Beziehung
zum Mediator bewerten 78.7 % der Parteien als gut, 11.4 %
eher schlecht. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, ob eine Vereinbarung zu Stande gekommen ist oder nicht.
–1
5,0
10,0
15,0 20,0 0,0
Häufigkeit
5,0
10,0
15,0 20,0 0,0
Häufigkeit
Gesamtanzahl
52
Teststatistik
8,854
Freiheitsgrade
2
5,0
10,0
15,0 20,0
Häufigkeit
Asymptotische Sig. (2-seitiger
,012
Test)
Abbildung 9: Entwicklung des Wohlbefindens der Parteien
über die drei Erhebungszeitpunkte
SchlHA 1/2015
Zufrieden mit ihrer Lebensqualität waren die Parteien nach der
Mediation, wenn sie aktiv an der Vereinbarung mitgearbeitet
hatten (Pn; r I .193**), sie nach der Mediation nicht mehr aufgeregt waren (Pn; r = .339**) und ihr Wohlbefinden gut war
(Pn; r = .581**), sie die Mediation ermutigend fanden (Pn; r =
.407**), sie gelernt haben, mit Konflikten besser umzugehen
(Pn; r = .242**).
C Fazit
Die Mediation an den untersuchten Gerichten ist in hohem
Maße effektiv und effizient. Bezüglich der Qualität gibt es aber
Optimierungsmöglichkeiten.
Wie gut und nachhaltig die Mediation wirkt, ist klar von den untersuchten Strukturmerkmalen der beteiligten Rollenträger und
Systeme sowie des Konflikts beeinflusst: So reagieren Frauen empfindlicher und erhalten mehr Schutz und Zuwendung
durch überwiegend weibliche Mediatorinnen. Dies scheint in
gewisser Weise verständlich, da die männlichen Parteien z.T. signifikant ungünstigere Persönlichkeitseigenschaften, wie größere Unverträglichkeit und Grobheit, aufweisen, die im professionellen Umgang erhöhte Anforderungen an Mediator(inn)en
stellen. Persönlichkeitseigenschaften beeinflussen Verhalten
und Erleben in der Mediation und deren Effekte. Diese verdienen bereits zu Beginn des Verfahrens, genauer erfasst
zu werden, um eine optimierte Verhandlungsführung und
Nachhaltigkeit der Vereinbarung zu ermöglichen. So wäre im
Zweifelsfall in Einzelgesprächen mit Anwalt oder Mediator ein
Gefälle bezüglich persönlicher Ressourcen und Anfälligkeiten
auszugleichen, um Chancengleichheit zu gewährleisten. Hierzu benötigen Mediatoren und Anwälte entweder geeignete
psychologische Kompetenzen oder sie kooperieren hierzu
mit Psychologen, die die Parteien als „Verfahrenscoach“ gemeinsam mit den Anwälten während des Verfahrens betreuen
könnten. Präventiv wäre daran zu denken, den konstruktiven
Umgang mit Konflikten im Rahmen des Bildungswesens stärker zu verankern und auf diese Weise die Konfliktkompetenz in
der Bevölkerung zu verbessern. Hierzu wäre zunächst der Dialog zwischen Rechts- und Bildungswesen zu intensivieren.
Auch Art und Dauer der Beziehung der Konfliktparteien sowie
Systemkontexte, wie Partnerschaft, Familie oder betriebliche
Zusammenhänge, können von wichtiger Bedeutung sein.
Die Rolle im Verfahren prägt anfängliche Erwartungen: Beklagte sind konfliktscheuer und irritierbarer; sie erleben den
Konflikt anders und haben mehr Angst vor dem Verfahren als
Kläger.
Wie Mediation wirkt, wird weiterhin beeinflusst durch die
Merkmale des Konflikts selbst. Wie wir gesehen haben, fällt
die Neutralität der Mediatoren je nach Konfliktgegenstand
und Persönlichkeitsmerkmalen der Parteien unterschiedlich
aus, was durch speziellere Schulung aufzufangen wäre. Da
die Parteien meist unterschiedliche Streitigkeiten in das Mediationsverfahren einbringen, ist die Komplexität vieler Verfahren beträchtlich. Dies stellt an Parteien und Mediatoren hohe
Anforderungen, die nicht immer genügend bewältigt wurden,
was sich in suboptimaler Ergebniszufriedenheit und -gerechtigkeit, vor allem aber mangelnder Vertragstreue auswirkt. Um
die Einhaltung der Vereinbarungen zu optimieren, wäre die Zuverlässigkeit der Beteiligten und deren Systemkontext valider
und reliabler zu erfassen. Hier könnte bereits ein in wenigen
Minuten auszufüllender Persönlichkeitstest einen Beitrag leisten. Zu prüfen wäre auch, ob es eine Art „Bewährungshilfe“
mit Erfolgskontrollen im Rahmen einer gerichtlich organisierten Nachbetreuung geben könnte.
Die Qualität der Mediation wird auch beeinflusst durch den
institutionellen Systemkontext, wie Unterstützung des Mediators durch Präsidium und Kollegen. Hierzu wären noch weitere
Untersuchungen erforderlich, um genauere Aussagen über die
Funktionszusammenhänge zu ermöglichen.
Als wichtiger Bestandteil der Strukturqualität und Wirkfaktor
ist die professionelle Kompetenz des Mediators anzusehen.
SchlHA 1/2015
Hierzu gehören eine gründliche Weiterbildung, Supervision
und Mediationserfahrung. Lange richterliche Erfahrung kann
sich nachteilig auswirken, wenn die Rollenauffassung als Mediator nicht genügend geklärt und von der Streitrichter-Rolle
abgegrenzt ist. Da die Mehrzahl der befragten Mediatoren
wenig Supervision und keine professionelle Selbsterfahrung
hatte, wären hier sicherlich Ansatzpunkte für weitere Verbesserungen zu sehen. In die Weiterbildung sollten Bausteine
integriert sein, die die Kompetenz vermitteln, mit komplexen
Konflikten und Situationen im Mediationsverfahren auch emotional souverän umzugehen. Dies aber ist nur in geeigneten
Selbsterfahrungskursen vermittelbar und in Supervisionsveranstaltungen zu begleiten (s. Kaiser, 2009). Nach Abschluss
der Weiterbildung sollte im Rahmen berufsbegleitender kollegialer oder angeleiteter Supervision in kleinen Gruppen und
geschütztem Rahmen das Geschehen in Mediationsverfahren
anhand von Videoaufzeichnungen reflektiert werden. Als Qualitätszirkel können Supervisionsgruppen zur Qualitätssicherung strukturell verankert werden. Solche Investitionen dienen
nicht zuletzt Entlastung, Burn-Out-Prävention und langfristiger
Sicherung der Arbeitszufriedenheit der Mediatoren.
Zwischen Struktur- und Ergebnisqualität gibt es also einen untrennbaren Zusammenhang, der wesentlich über die Prozessqualität vermittelt wird. Ergebnisqualität darf aber nicht nur
auf ihre kurzfristigen Effekte hin betrachtet werden, da sich
Nachhaltigkeit eben erst auf längere Sicht erweist.
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Konflikt, Mediation und Psychologie
von Prof. em. Dr. Leo Montada, Trier*
Zwei Vorbemerkungen zur Psychologie und zur psychologischen Praxis sind angebracht, bevor ich sechs Thesen zur
Praxis der Mediation begründen werde.1
Die Psychologie ist weder historisch, noch aktuell eine homogene Disziplin. Je nach Menschenbild gibt es unterschiedliche
Psychologien, auch solche mit problematischen anthropologischen Annahmen. Das tradierte Menschenbild der Ökonomie – der homo oeconomicus – ist auch ein psychologisches
Modell. Daraus resultiert freilich eine andere Psychologie als
auf der Grundlage eines Menschenbildes, in dem viele verschiedene Motive und Wertorientierungen, vor allem auch
normative Überzeugungen und soziale Verantwortlichkeiten
als relevant für das Erleben und Handeln von Menschen angesehen werden. Wer die Willensfreiheit des Menschen in Frage
stellt, wie das rezent einige Hirnforscher oder auch der Behaviorismus Mitte des letzten Jahrhunderts getan haben, hat für
Mediationen nichts anzubieten.
Ich wüsste nicht, wie man Mediationen gestalten könnte
•  ohne die Annahme der Willensfreiheit des Menschen und
der Eigenverantwortung für Urteilen und Handeln,
•  ohne die Annahme, dass Menschen Mitgestalter ihres Lebens, ihrer sozialen Bezüge, ihrer Kultur sind,
•  ohne die Annahme, dass sie Moral und Gerechtigkeit beachtende und reflektierende Wesen sind, zumindest sein
könnten und sollten,
•  ohne die Annahme, dass sie Überzeugungen und Theorien
bilden oder übernehmen – über Gott und die Welt, über andere Menschen, über sich selbst und ihr Leben, Überzeugungen, die ihr Erleben und ihr Handeln prägen, auch wenn
sie falsch oder borniert sind,
•  und ohne die Überzeugung, dass problematische und kontraproduktive Überzeugungen der Streitparteien geändert
werden können.
Ein solches Menschenbild2 eröffnet andere Perspektiven auf
Konflikte, auf ihre Klärung, auf Optionen für ihre Beilegung als
etwa die Modelle des homo oeconomicus oder des Behaviorismus.
(2) Psychologen in der Praxis wollen Ihren Klienten helfen,
ihre Probleme zu klären und zu bewältigen.
Die Probleme können die Klienten mit sich selbst haben oder
mit Partnern, Familienmitgliedern, Nachbarn, Kollegen im Beruf und anderen Menschen in verschiedensten Kontexten.
Konflikte sind eine Kategorie von Problemen und führen zu
weiteren Problemen.
Problembewältigung setzt immer auch Veränderungen
und Entwicklungen der Klienten voraus: neue Erkenntnisse über sich, über andere Menschen, über die Welt sind zu
gewinnen; neue Kompetenzen sind zu entwickeln; Überzeugungen, Einstellungen, Sichtweisen sind zu reflektieren und
zu ändern und vieles mehr. Psychologische Praxis ist immer
Entwicklungsarbeit, Veränderungsarbeit. Das ist auch so in der
Konfliktmediation.
––––––––––––––
* Der Beitrag mit seinen Thesen diente als Grundlage eines Vortrags, den der
Autor auf dem schleswig-holsteinischen Mediationstag am 13.9.2014 halten
wollte, aber aus persönlichen Gründen absagen musste.
1  Montada, L. (2014) Mediation – Anregungen zur Praxis aus psychologischer
Sicht. In Ch. Fischer & H, Unberath (Hg.), Grundlagen und Methoden der Mediation. (S. 7–18). München: C.H.Beck.
2  Montada, L. (2004). Mediation – ein Weg zur Kultivierung sozialen Lebens.
In G. Jüttemann (Hg.), Psychologie als Humanwissenschaft. Ein Handbuch ( S.
361–372). Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht.
14
Insofern entspricht Mediation eher der
psychologischen Praxis als etwa der anwaltlichen. Anwälte können ihren Mandanten sagen: „Ich mache das für Sie.“
MediatorInnen können das nicht sagen.
Sie werden sagen, versuchen wir gemeinsam, Ihre Konflikte
zu klären und in produktiver Weise beizulegen. Wir alle werden dabei eine Menge lernen können und zu lernen haben.
Es gibt viele psychologisch begründbare Beiträge zur mediatorischen Praxis. Ich werde mich in diesem Beitrag auf sechs
Thesen beschränken, die mir besonders wichtig erscheinen
für eine Weiterentwicklung der Konfliktkultur und der Mediationskultur. Dass einige dieser Thesen im Widerspruch zu
verbreiteten Modellen der Mediation stehen, mag der Grund
sein, weshalb ich eingeladen wurde.
Dass diese Thesen konfliktträchtig sind, ist mir bewusst. Allerdings bin ich überzeugt, dass Konflikte nicht nur unvermeidbar, sondern vielfach auch unverzichtbar sind – letzteres,
weil sie Anlass für Entwicklungen sind.
1. These: Die Beilegung von Konflikten setzt wechselseitiges Verstehen voraus.3
Die im Konflikt relevanten Überzeugungen, Motive und Anliegen, die Wertorientierungen, und die daraus resultierenden
Handlungen und Emotionen können und sollten wechselseitig
verstanden werden.
Handlungen sind dann verstanden, wenn man ihre Motive und
ihre Ziele erkennt. Die Motive des Handelns, das zu Konflikten
führt, des Handelns in Konflikten, auch des Handelns und Entscheidens in Mediationen resultieren vielfach aus Emotionen,
z.B. Empörung, Hass, Feindseligkeit, Ängsten, Ohnmacht,
Neid, Eifersucht, Scham. Ohne die Emotionen von Medianden
zu verstehen, kann man ihnen nicht helfen, sie zu kontrollieren.
Emotionen werden verstanden, wenn man ihren Anlass, genauer wenn man die subjektive Deutung des Anlasses durch
eine Person und den Bezug zu ihren persönlichen Anliegen,
Wertorientierungen und Überzeugungen erkennt.
In Konflikten sind die Themen, über die gestritten wird, häufig
nicht identisch mit den Motiven. Letztere sind zu klären und zu
verstehen. Das sei an drei Beispielen illustriert.
•  Sachfragen könnten gemeinsam sachlich geklärt werden.
Wenn es zu Konflikten darüber kommt, gibt es Motive dafür, die verstanden werden sollten: Geht es um Anerkennung der eigenen Expertise, um Status, um die Durchsetzung von Interessen oder um was sonst?
•  In Konflikten über Werturteile – was immer ihre Gegenstände
sein mögen: Menschen, Waren, Glaubensinhalte, Künstler,
Bücher, Politiker und Parteien, Sportler, Diäten, Therapien
oder was sonst – ist zu verstehen, welche Bedeutung oder
Funktionalitäten diese für die wertenden Personen haben:
•  Sind sie nur Ausdruck einer persönlichen Präferenz?
•  Oder dienen sie der Selbstdarstellung, z.B. als gebildete
Person, als Expertin?
•  Soll die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder die
Distanzierung von einer anderen demonstriert werden?
––––––––––––––
3 
Die Unterscheidung von Verstehen und Erklären geht auf Wilhelm Dilthey zurück. Vgl. Hans-Ulrich Lessing: Wilhelm Diltheys ‚Einleitung in die Geisteswissenschaften‘. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001. Bezogen auf
Konflikt – relevantes Verhalten vgl. Montada, L. (2007). Emotions based aggression motives. In Steffgen, G.& Gollwitzer, M. (Ed.), Emotions and Aggressive
Behavior (pp. 19–37). Göttingen: Hogrefe.
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•  Geht es um Sozialstatus, um Verantwortung, Sorge um
Gesundheit, Sicherheit, Wohlstand?
Viele andere Motive sind möglich.
Darüber hinaus ist zu verstehen, welche Motive die Gegenpartei unterstellt hat, was häufig erst den Anlass zum Konflikt
gegeben hat.
Die Schuldfrage in Scheidungskonflikten ist heute nicht nur
juristisch irrelevant, sie ist in unserer Kultur obsolet geworden.
Schuldvorwürfe werden deshalb vielfach nicht geäußert. D.h.
aber nicht, dass es sie nicht gibt und dass sie nicht virulent
werden können und z.B. Streit über justiziable Ansprüche motivieren, etwa bzgl. der Güterteilung oder der Umgangsregelungen mit gemeinsamen Kindern. Man versteht den Streit
nicht, wenn man das Motiv nicht kennt.
•  Ist Mobbing am Arbeitsplatz durch Lust an der Macht oder
an der Ohnmacht der Opfer motiviert? Oder ist es eine
Vergeltung für Unkollegialität der gemobbten Person oder
für deren Missachtung ungeschriebener Verhaltensregeln?
Oder ist es der Versuch, eine unfähige Person zu einer Kündigung zu veranlassen, die man arbeitsrechtlich nicht oder
nur mit hohen Kosten durchsetzen könnte? Eine Bestrafung
der Täter würde „die Opfer“ zwar befriedigen, eine Klärung
der Motive würde den Opfern aber wichtige Erkenntnisse
vermitteln, die eine Beilegung des Konflikts ermöglichen.
Für wechselseitiges Verstehen gibt es produktive und unproduktive Kommunikationsformen, die in Mediationsausbildungen vermittelt werden.
Für eine Verhandlungsmoderation mag es ausreichen, die Positionen der anderen Seite zu kennen. Für eine Konfliktmediation reicht das nicht aus, wenn man folgende Konzeption von
Konflikten zugrunde legt.
2. These: Soziale Konflikte resultieren aus der Verletzung
normativer Erwartungen oder Ansprüche.4
Ob Konflikte justiziabel sind oder nicht, sie resultieren aus
erlebten Verletzungen normativer Überzeugungen und Erwartungen.
•  Divergierende Urteile, Pläne und Ziele, divergierende
Interessen und Präferenzen sind noch keine Konflikte.
Sie können erwünscht sein – etwa in einem Brainstorming
für ein Vorhaben. Sie werden toleriert, wenn sie als legitim
angesehen werden. Sie führen zu Konflikten, wenn sie als
illegitim, als Normverletzungen, als Verletzungen legitimer
Ansprüche bewertet werden.
•  Wettbewerbe sind keine Konflikte. Auf den Märkten und
im Sport gilt: Die Verlierer haben den Gewinnern nichts vorzuwerfen, es sei denn, sie sehen eine geltende Norm als
verletzt an: Foulspiel, Doping, Parteilichkeit der Schiedsrichter im Sport; Korruption, Kartellbildung, Plagiierung u.a. auf
den Märkten. Es gibt allerdings soziale Kontexte, in denen
Solidarität normativ gefordert wird und Wettbewerb nicht
als legitim gilt.
Empörung ist der Leitindikator von Konflikten. Wir verstehen die Empörung über einen Akteur, wenn wir wissen,
welche Normverletzung ihm vorgeworfen wird, dass er dafür
als verantwortlich angesehen wird und dass keine Rechtfertigungsgründe erkannt oder anerkannt werden. Diese Überzeugungen, die Empörung und Konflikte auslösen, sind in Mediationen zu klären und explizit zu formulieren.
Diese Klärung mag im Sport und in manchen Rechtsfeldern
vergleichsweise einfach sein, weil die Normen bekannt sind
und ihre Geltung weithin anerkannt wird.
Das ist schwieriger in Konflikten, in denen die Kontrahenten divergierende normative Überzeugungen haben, deren Geltung wechselseitig abgestritten wird. Schon die Ermittlung und exakte, wechselseitig verständliche Formulierung
dieser Überzeugungen kann eine schwierige Aufgabe sein.
––––––––––––––
4 
Ausführlich dazu Montada, L. & Kals, E. (2013). Mediation: Psychologische
Grundlagen und Perspektiven. Weinheim: Beltz 3. Aufl., Kap. 4.
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Normative Überzeugungen können sehr heterogene Quellen
haben: staatliche und religiöse Gesetze, Staatsverfassungen
verschiedener Provenienz, die Charta der Menschenrechte und
ihre Auslegungen, kulturelle Konventionen, Rollenmuster, Ehrkonzepte, Ideologien oder eine der vielen Gerechtigkeitsmaximen.
Die Maximen und Normen aus den verschiedensten Quellen, die die Überzeugungen der Bürger in pluralistischen Gesellschaften prägen, sind alles andere als konvergent. Z.B.
gibt es wohl kein staatliches Gesetz, das nicht unter Anlegung
einer der vielen Gerechtigkeitsmaximen kritisierbar wäre. Und
es gibt wohl kein Gerechtigkeitsprinzip, das nicht in jedem
konkreten Anwendungsfall im Widerspruch zu vielen anderen
Prinzipien stünde,
Wie ist in Mediationen mit dem normativen Kern von
Konflikten zu verfahren? In der Mediationsliteratur ist die
Empfehlung zu finden, den Blick von den konfligierenden Positionen auf die Interessen oder Anliegen der Medianden zu
lenken und sich mit diesen zu befassen.
Diese Empfehlung resultiert wohl auch aus der Erwartung, dass
Debatten über die Wahrheit oder Geltung normativer Überzeugungen nicht fruchtbar sind und nicht zu einer Lösung führen.
Vermutlich steht auch das ökonomische Denkmodell Pate,
demgemäß Menschen primär motiviert sind, ihre Interessen
zu verfolgen. Konflikte werden in diesem Modell als Interessenkonflikte interpretiert. Folglich ist zu ermitteln, welche
divergierenden Interessen vorliegen und ob es Möglichkeiten
eines Interessenausgleichs oder gar allseitiger Gewinne gibt.
Das Harvard Modell ist sicher eine gute Grundlage für produktives Verhandeln, aber keine ausreichende Grundlage für
Konfliktmediationen.5
Es ist schon möglich, dass ein normativer Konflikt an Bedeutung verliert, wenn die Aussicht auf wechselseitig gewinnbringenden Austausch in den Blick kommt. Dass ist aber bei
hohen Graden an Empörung kaum zu erwarten. Sollte es doch
der Fall sein, wäre der Konflikt damit nicht nachhaltig beigelegt. Die erlebte Normverletzung würde auch bei künftigen
Interaktionen Misstrauen angeraten sein lassen.
Der Konflikt wäre beigelegt, wenn die einer Normverletzung
beschuldigte Person den Vorwurf als berechtigt bewerten und
um Verzeihung bitten würde. Das wird verständlich, wenn
man sich bewusst macht, dass die um Verzeihung bittende
Person zum Ausdruck bringt,
•  dass sie eine geltende Norm verletzt hat,
•  dass sie dafür verantwortlich ist
•  und dass sie keine Rechtfertigungsgründe hat.
Durch ein Schuldeingeständnis wird der Schuldvorwurf als
berechtigt bewertet. Darüber gibt es also keinen Konflikt, sondern Einigkeit in der Bewertung.6
Wenn, wie oft in Konflikten, die Schuldvorwürfe wechselseitig
sind, müsste auch das Eingeständnis einer Normverletzung
wechselseitig sein, um den Konflikt zu befrieden.
Das ist nicht der Fall, wenn einem Konflikt divergente normative Überzeugungen zugrunde liegen. Wenn für die Beilegung
eines Konflikts eine Mediation nachgefragt wird, wird man die
divergierenden normativen Überzeugungen offen legen und
sich mit diesen zu befassen haben, schon um die Positionen
wechselseitig zu verstehen.
Auf der Grundlage dieses Verständnisses ist dann auszuloten,
ob und wie der Konflikt nachhaltig beizulegen ist und welche
Normen gelten sollen, um eine tragfähige soziale Beziehung
zu ermöglichen, was gemeinsam anerkannte Normen voraussetzt.
––––––––––––––
5 
Montada, L. Mediation – Pfade zum Frieden. (Hauptartikel) EWE, 20 (2009),
4, 501–511; Replik. Unterschiedliche Mediationsmodelle – Ein Fall für Mediation? EWE, 20 (2009), 4, 586–607.
6  Goffman, E. (1976, 2nd.Ed.). Relations in Public: Microstudies of the public
order. Harmondsworth: Penguin.
Ohbuchi, K., Agarie, N., & Kameda, M. (1989). Apology as aggression control: Its
role in mediation appraisal of and response to harm. Journal of Personality and
Social Psychology, 56(2), 219–227.
15
Wir sollten uns als Mediatoren bewusst machen, dass normative Erwartungen in sozialen Interaktionen ubiquitär
sind. Es gibt keine Situation, keine Interaktion, keine soziale
Beziehung, die ohne normative Erwartungen wäre.7
Auch hier und jetzt: Sie haben normative Erwartungen an mich
und meinen Vortrag. Diese Erwartungen sind Ihnen vermutlich
vorab nicht bewusst. Wenn jedoch Ärger oder Empörung aufkommt, werden sie sofort wissen, worüber: Behauptungen,
die Sie provozieren, Themen, die Sie für irrelevant oder längst
bekannt halten, unverständliche Formulierungen, dogmatische
Generalisierungen, Kritik an Ihren eigenen Überzeugungen
usw.
Normative Erwartungen sind zwar ubiquitär, sie werden
aber nicht universell geteilt. Das gibt Anlass zu Konflikten.
Wie sollte ein Konflikt nachhaltig beigelegt werden, wenn die
divergenten normativen Erwartungen nicht wechselseitig verstanden werden?
Wie sollte es zu Vereinbarungen kommen, was künftig gelten
soll, wenn der Kern des Konflikts nicht expliziert wird?
mitteln, auch um die Geltungsansprüche der Streitparteien in
Frage stellen zu können.9
Bei der Unzahl existierender Normen, die zu Konflikten führen
können, braucht man Spezialisierungen in der Mediation.
Ich selbst würde mir z.B. nicht zutrauen, in einem verwaltungsrechtlichen Konflikt zu mediieren, weil ich die relevanten
Rechtsnormen und – entscheide nicht kenne, auch nicht die
Genese der Gesetze und die Probleme und Konflikte, die Anlass für die Gesetzgebung, ggfls. für die Revision von Gesetzen waren.10
D.h., mir fehlten entscheidende Kenntnisse, um die Medianden in einem Diskurs zu einer Neubewertung ihrer Positionen
und ihrer „Rechtsintuitionen“ zu führen und um die rechtlich
möglichen Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume – auch
der involvierten Verwaltungen aufzuzeigen.
Grundsätzlich gilt: Wenn Mediatoren den Konflikt nicht zügig
verstehen, können sie den Diskurs nicht produktiv führen.
Sind sie diesbezüglich begriffsstutzig, verlieren die Medianden Vertrauen in ihre Kompetenz zur Führung des Verfahrens.
Eine Annäherung divergenter normativen Überzeugungen
und Positionen ist in Diskursen zu versuchen, in der Hoffnung, dass die Medianden ihren Anspruch relativieren, nur sie
selbst seien „im Recht“, die Gegenseite im Unrecht.
Zur Relevanz persönlicher Anliegen (Interessen)
Die idealen Anforderungen an Diskursteilnehmer, wie sie in
der Diskursethik hinsichtlich Bildung, Kompetenzen und
Haltungen begründet wurden,8 werden in realen Konfliktmediationen kaum je erfüllt sein. Im Unterschied zur Diskursethik haben Diskurse in Mediationen allerdings nicht das Ziel,
ethische Wahrheiten zu suchen.
Ich präferiere den Begriff Anliegen statt Interessen, weil Interessen oft als Eigeninteressen oder gar als ökonomische
Eigeninteressen verstanden werden. Viele wichtige persönliche Anliegen sind alles andere als Eigeninteresse: das Wohl
anderer, das Gemeinwohl, ideelle Werte, Wertorientierungen
bzgl. Familie, Freundschaften, Gemeinschaften aller Art, Kulturgütern, religiösen Glaubensinhalten u.v.a.
Es geht darum, die für emotionalisierte Konflikte charakteristische Überzeugung zu relativieren, man selbst sei mit seiner
Sicht im Recht, die andere Seite im Unrecht. Oft hilft die Einsicht, dass es auch gute Gründe gegen die eigene normative
Überzeugung und für die von der Gegenseite vertretene gibt,
dass – wie oft – ein normatives Dilemma oder Polylemma vorliegt, also dass nicht für eine Position alleinige Geltung beansprucht werden kann.
Für die Führung normativer Diskurse ist spezifische Expertise erforderlich. Die Empfehlung normativer Diskurse
ist mit psychologischen Argumenten begründbar. Die kompetente Führung eines Diskurses setzt ein rasches Verstehen
der konfligierenden Überzeugungen durch die MediatorInnen
voraus, was durch gute Kenntnisse der Überzeugungssysteme und ihrer Quellen befördert wird. Das ist gewiss nicht eine
Domäne der Psychologie.
In justiziablen Konflikten ist juristische Expertise in den relevanten Rechtsfeldern erforderlich. Wissen über die Gesetzesgenese kann helfen, Konflikte zu entschärfen. Es kann in einem
Erbschaftskonflikt z.B. hilfreich sein, Medianden zu erläutern,
warum das Gesetz Gleichverteilung unter den erbberechtigten
Geschwistern vorsieht, wenn kein Testament vorliegt und die
Geschwister sich nicht auf eine anders begründete Aufteilung
verständigen.
Der Gesetzgeber hat sich für Gleichverteilung entschieden,
nicht weil dies die ultimative Gerechtigkeit wäre, sondern weil
Gerichte mit der Tatbestandsermittlung bei der Anlegung anderer Gerechtigkeitsprinzipien überfordert wären. Wie sollten
Gerichte Verdienste um die Erblasser objektiv ermitteln und
wägen oder unterschiedliche Bedürftigkeiten der Geschwister. Und wie wäre die Frage objektiv zu beantworten, wer für
die Bedürftigkeiten verantwortlich ist?
In Konflikten zwischen Menschen und Gruppierungen aus
verschiedenen Kulturen brauchen MediatorInnen Kenntnisse
über die normativen Traditionen oder auch Gesetze, um alle
Seiten zu verstehen und wechselseitiges Verstehen zu ver––––––––––––––
7 
Das ist auch so bei Vorträgen und Schriften. Die Hörer und die Leser haben
Erwartungen an Vortragende und Autoren und umgekehrt. Welche das genau
sind, erkennen beide Seiten oft erst bei aufkommender Empörung.
8  Apel, H. Transformation der Philosophie. Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft, Bd. 2, 1976, Suhrkamp.
16
Mit der Betonung verletzter normativer Erwartungen in Konflikten soll die Relevanz wichtiger persönlicher Anliegen in Konflikten nicht geleugnet werden.
Wenn Verletzungen oder Bedrohungen normativer Erwartungen und Überzeugungen emotionalisieren, was in Konflikten der Fall ist, haben sie Bezug zu wichtigen Anliegen von
Menschen. Es geht insofern auch um die Verletzung oder Bedrohung von Anliegen, einschließlich Eigeninteressen. Aber
Anlass zu einem Konflikt gibt es nur, wenn das Verhalten anderer als illegitim wahrgenommen wird.
Welches die in einem Konflikt relevanten Anliegen sind, ist für
eine Beilegung zu ermitteln. Bei weitem nicht immer sind aus
den Konfliktthemen die dahinter liegenden Anliegen zu erkennen.
Z.B. kann es in Konflikten über Glaubensinhalte, Werturteile
oder Wertorientierungen um Eigeninteressen gehen, aber
auch um die Wahrheit oder um die ethnisch/kulturelle Identität
oder um die persönliche Identität.
Und in Konflikten um materiellen Besitz geht es nicht immer
um Eigennutz, sondern es kann z.B. um Gerechtigkeit gehen,
auch um die Verhinderung eigennütziger Vorteilnahme einer
Seite.
3. These: Eine Beilegung von Konflikten kann durch mannigfaltige Transzendierungen des aktuellen Konflikts erleichtert oder ermöglicht werden.
Menschen in Konflikten sind oft „außer sich“. Der Konflikt
kann zu einer „überwertigen Idee“ mit pathologischen Zügen
werden. Die Verfehlungen der anderen Seite, die Verluste und
Belastungen werden dramatisiert.11 Die divergenten Positionen werden verbissen verteidigt, ihre Anerkennung herrisch
gefordert.
Den Medianden das Spektrum ihrer wichtigen Anliegen und
ihres Selbstbildes mental wieder bewusst zu machen, d.h.
ihnen präsent zu machen, welche Person sie sind oder sein
––––––––––––––
9 
Vgl. Kriegel-Schmidt, K. (2012). Interkulturelle Mediation: Plädoyer für ein Perspektiven-reflexives Modell. Berlin: Lit Verlag.
10  Heintel, P. (2006). Das „Klagenfurter prozessethische Beratungsmodell“
. In
Heintel, P., Krainer, L. & Ukowitz, M. (Hg.): Beratung und Ethik. Praxis, Modelle,
Dimensionen. Berlin: Verlag Leutner, 2006, S. 196–243.
11  Beispiel: Die Folgen eines selbst verschuldeten Sturzes auf einem Spaziergang werden meist bagatellisiert. Die gleichen Verletzungen, die von einem
Radfahrer verursacht wurden, der verbotenerweise auf einem Gehweg fuhr,
werden dramatisiert.
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wollen, wie sie von anderen gesehen werden wollen12, das
alles kann helfen, dass sie den Konflikt und auch mögliche
Beilegungsoptionen neu bewerten. Auch die Kosten einer
bezüglich des Spektrum der persönlichen Anliegen kontraproduktiven Konfliktaustragung werden damit bewusst.13
Parteien eine getroffene Vereinbarung später als suboptimal
ansehen, wenn ihnen im nachhinein gute oder bessere Lösungsalternativen einfallen oder wenn sie von dritter Seite auf
solche hingewiesen werden. Das könnte Ihr Vertrauen in die
Mediatoren und die Mediation insgesamt beschädigen.
Mediatorinnen wollen ja nicht nur den Konflikt etikettieren – so
wie früher manche Klinikärzte von der „die Niere auf Zimmer
17“ geredet haben. Um die Konflikte zu verstehen und die
Beilegungsoptionen auszuloten, um die persönliche Relevanz
des aktuellen Konflikts besser einschätzen zu können, wollen
sie mehr über die Medianden erfahren.
Wenn Mediatorinnen Optionen einzubringen, wird das die kreative Suche der Medianden nach Lösungsoptionen weder ersetzen, noch abwürgen, vielfach wird sie dadurch erst anregt.
Das wird in vorangestellten Einzelgesprächen etwa mit der
Bitte an die Medianden möglich, von sich und ihrem Leben,
ihren Lebensumständen zu reden, über ihre Interessen, Engagements, ihre Wertorientierungen u.a. Wenn Medianden ihr
Bild oder Wunschbild von sich selbst einmal dargestellt haben,
werden sie das in der Mediation nicht ausblenden. Und den
MediatorInnen wird es leichter fallen, den Blick zu weiten und
im Verlauf der Mediation die Frage zu stellen, wer in ihrem
Umfeld von dem Konflikt betroffen ist oder bei Optionen einer
Konfliktbeilegung zu berücksichtigen ist.
Es gibt weitere spezifische Perspektivewechsel, mit denen ein aktueller Konflikt „transzendiert“ und neu bewertet wird:
•  Betrachtung des Konflikts und möglicher Beilegungsoptionen aus den Perspektiven wichtiger Dritter, in Familienkonflikten etwa aus Sicht der Kinder oder der Großeltern.
•  Gegebenenfalls ist die Einbeziehung nicht beigelegter
vorausgegangener Konflikte hilfreich, die oft entscheidend für das Ausmaß der Empörung wegen des aktuellen
Konfliktanlasses sind. Nicht selten sind Konflikte nur unter
Einbeziehung der Konfliktgeschichte nachhaltig beizulegen.14
•  Erweiterung des Spektrums möglicher Handlungs- und Lösungsoptionen. Der Rat an MediatorInnen, „den Kuchen zu
vergrößern,“ ist selbst in Verteilungskonflikten meist nicht
realisierbar. Was getan werden kann, ist eine Erweiterung
der Zahl der zu erwägenden Entscheidungsoptionen,
die dann gemeinsam hinsichtlich ihrer Folgen für die Parteien und ggfls. für Dritte zu bewerten sind.15
4. These: MediatorInnen haben in allen Phasen der Mediation eine aktive Führungsrolle, auch bei der Generierung
und Bewertung von Lösungsoptionen.
Warum sollten die Streitparteien eine Mediation ihres Konflikts wünschen, wenn sie alles selbst könnten? Dass eine
aktive Führung der Diskurse über konfligierende normative
Überzeugungen notwendig ist, wurde bereits begründet.
Aus dem Grundsatz, dass die Medianden selbst entscheiden,
ob und wie sie sich vereinbaren wollen, lässt sich nicht ableiten, dass nur sie selbst Optionen für eine Einigung generieren
dürfen.
Es gibt gute Gründe für die Regel, dass Mediatoren keine Lösung anraten oder gar durchsetzen sollten. Es gibt aber auch
gute Gründe, dass sie bei Bedarf Lösungsoptionen zur Erwägung einbringen sollen. Damit ist die Eigenverantwortlichkeit
der Medianden für eine Entscheidung nicht tangiert.
Mediatoren sollten das Spektrum der zu erwägenden Lösungsoptionen erweitern, auch um zu vermeiden, dass die
––––––––––––––
12 
Selbstaufmerksamkeit ist der Fachterminus. Vgl. Wicklund, R.A. & Frey, D.
(1993). Die Theorie der Selbstaufmerksamkeit. In D. Frey & M.Irle (Hg.), Theorien der Sozialpsychologie. Band I( S. 155–173). Bern: Huber.
13  Der Rat, in Mediationen den Fokus von Positionen auf „Interessen“ zu verschieben, kann mit dieser Argumentation begründet werden, wobei nicht nur an
ökonomische Interessen, sondern an alle persönlichen Anliegen zu denken ist.
14  Die in der Mediationsliteratur verbreitete Empfehlung, nicht zurück zu schauen, sondern nach vorne zu schauen, ist in vielen Fällen nicht zielführend.
15  Die nach der Geburt eines Kindes möglichen Konflikte über die Aufteilung
der Familienaufgaben und deren Vereinbarkeit mit den beruflichen Tätigkeiten
der Eltern lassen sich dadurch „entkrampfen“, dass ein Dutzend oder mehr Gestaltungsoptionen generiert werden, die dann gemeinsam auf Realisierbarkeit
und Fairness unter Berücksichtigung der Anliegen beider Eltern und der Kinder
durchzusprechen und geprüft werden.
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Es kommt ausschließlich auf das „Wie?“ der aktiven Führung
an.16 Problematisch wären direktive, suggestive oder drängende
Empfehlungen und Verweise auf die eigene Berufserfahrung.
Falls Mediatoren inhaltliche Vorschläge zu Lösungsoptionen
haben, bringen sie solche nur in die gemeinsame kreative Sammlung von Optionen zur Erwägung ein, um sie genau
so wie alle anderen Optionen auf Für und Wider zu prüfen.
Sie geben möglichst mehrere Vorschläge zu erwägen, auch solche, die gewiss nicht in Frage kommen. Sie bringen damit zum
Ausdruck, dass sie keine Lösung suggerieren wollen. Sie regen damit die Kreativität der Medianden an, eigene Vorschläge zu entwickeln, nach Möglichkeit mehrere, die dann alle gemeinsam hinsichtlich Machbarkeit, Vor- und Nachteilen, Kosten
und Gewinnen, Wirkungen für Dritte usw. zu bewerten sind.
Ziel ist die Ausweitung des Betrachtungsfeldes:Je mehr Optionen gemeinsam durchdacht und bewertet werden,
•  um so höher die Chance, dass man eine tragfähige Lösung
findet,
•  um so stärker auch die Überzeugung, dass man eine gute
Lösung gefunden hat,
•  und im Falle, dass sich die vereinbarte Lösung nicht bewähren sollte, umso größer die Zuversicht, dass es Alternativen
gibt.
Im Diskurs über Optionen werden die Anliegen und Wertüberzeugungen der Medianden formuliert. Man lernt sich besser
kennen, vielleicht auch verstehen. Man macht dabei etwas
gemeinsam, und es besteht die Chance, dass einzelne Optionen gleich bewertet werden. Die gemeinsam abgelehnten
Optionen sind Gemeinsamkeiten – in Konflikten eine hoch erwünschte Erfahrung.
Auch in der Bewertung von Lösungsoptionen haben die MediatorInnen eine aktive Rolle. Sie geben keine Bewertungen vor,
aber sie fragen nach der Realisierbarkeit, nach Vor- und Nachteilen für die Medianden, auch nach den Auswirkungen auf
Dritte und nach erwarteten Bewertungen durch Dritte. Selbstverständlich bringen sie ggfls. rechtliche Bedenken ein.
Exkurs: Menschen leben in sozialen Systemen. Der Einfluss Dritter, die nicht an der Mediation teilnehmen, ist zu beachten.
Dritte können funktional oder dysfunktional wirken in der Genese, der Austragung und der Beilegung eines Konflikts.
•  Dritte können durch Unterstützung oder Beratung – etwa
von Mobbingopfern – zur Austragung eines notwendigen
Konflikts ermutigen, zur Äußerung von Vorwürfen, zur Abwehr von Zumutungen, zum Einklagen eines berechtigten
Anspruchs.
•  Dritte können zu einem Streit angestachelt oder durch Vorwürfe und Verleumdungen der Gegenseite befördert haben.
•  Medianden mögen Vorwürfe Dritter an einer schon ausgehandelten Vereinbarung fürchten und deshalb auch nach
gutem Verlauf der Mediation doch ein Richterurteil vorziehen, um die Verantwortung nicht tragen zu müssen – z.B.
die Repräsentanten einer Bürgerinitiative oder die Vertreter
einer Verwaltung, die Kritik seitens der Basis bzw.der Vorgesetzten erwarten.
•  Medianden können in einer hidden agenda die Anliegen
Dritter vertreten, etwa in einer Verkehrsrechtsregelung
nach einer Scheidung die Anliegen ihrer Eltern, der Großeltern der Kinder.
––––––––––––––
16 
Montada,L. & Kals (2013) aaO, Kap.3.
17
•  Die Erweiterung des Blickwinkels auf betroffene Dritte oder
auf die Bewertungen wichtiger Dritter kann helfen, egozentrische Positionen zu korrigieren.
•  Grundsätzlich sollte jede anstehende Vereinbarung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Dritte bedacht werden, was
auch dem Rechtsgrundsatz „Keine Verträge zu Lasten Dritter“ entspricht.
Es ist für Mediatorinnen opportun, mit solchen illustrierenden
Beispielen schon zu Beginn der Mediation auf die Tatsache
hinzuweisen, dass wir alle in sozialen Systemen leben, deren
Einflüsse im gegebenen Konflikt nicht zu vernachlässigen sind
und die bei der Bewertung von Konfliktlösungsoptionen nicht
außer Acht gelassen werden sollten.
Bei Bedarf sollten den Medianden Argumentationshilfen angeboten werden, wenn sie Probleme haben, eine Vereinbarung gegenüber wichtigen Dritten zu vertreten.
Vereinbarungen auf Bewährung sind ratsam.
Aus der aspektreichen Erörterung von Optionen im Hinblick
auf nicht sicher vorauszusehende künftige Gegebenheiten,
Entwicklungen und Reaktionen der sozialen Umfeldes lässt
sich eine Folgerung ableiten, Vereinbarungen erst einmal „auf
Bewährung“ zu treffen und einen Gesprächstermin zu vereinbaren, bei dem über die Erfahrungen mit der getroffenen Vereinbarung zu reden ist.
Für nachhaltigen Frieden sind einvernehmliche Evaluierungen und Revisionen von Verträgen bei neuer Sachlage,
neuen Einsichten, auch bei veränderten Sichten der Gerechtigkeit zu erwägen. Diese Möglichkeit vorzusehen, ist eine Option, für die wechselseitiges Vertrauen in die Fairness erforderlich ist, Vertrauen, das in einer guten Mediation aufgebaut wurde.
5. These: Aus den Thesen 1.–4. ist die Forderung nach einer
Spezialisierung von MediatorInnen begründbar.
Es ist durchaus möglich, dass Streitparteien für die Erörterung und Beilegung ihrer Konflikte nicht mehr brauchen als
das interessierte Zuhören einer dritten Person, dass sie ihren
Konflikt disziplinierter und produktiver vor einer dritten Person
austragen, als sie es alleine könnten. Wir würden aber zurecht
zögern, das interessierte Zuhören einer dritten Person als Mediation zu bezeichnen.
Es entspricht weder der Rollenerwartung der Medianden,
noch dem professionellen Selbstverständnis der Mediatorinnen. Verfahrungsführung wird erwartet. Wie aktiv oder
zurückhaltend geführt wird, darüber gibt es unterschiedliche
Ansichten. Ich will den Diskurs darüber weiter anregen durch
die Frage, ob allgemeine Kenntnisse über Prinzipien, Verfahrensschritte und Ziele der Mediation ausreichen, um alle möglichen Konflikte in allen möglichen Konfliktfeldern erfolgreich
mediieren zu können. Ich bin überzeugt, dass das nicht ausreicht.
Mediatoren benötigen spezifische Kenntnisse, um die Konflikte und ihre Anlässe zügig zu verstehen und die konfligierenden Positionen wechselseitig verständlich zu machen,
um Optionen für die Beilegung zu generieren, um deren Realisierbarkeit und mögliche Probleme einschätzen und erörtern
zu können.
Wenn die Mediatorinnen die Systeme kennen, in denen ein
Konflikt ausbricht, verstehen sie den Konflikt rascher und genauer:
•  die sozialen Strukturen,
•  die normativen Ordnungen und Erwartungen,
•  häufige Konfliktanlässe,
•  die kulturellen Hintergründe der Beteiligten.
•  Und sie sind nicht blauäugig bezüglich der Optionen, einen
Konflikt nachhaltig beizulegen.
Ohne einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen können sie
nicht führen. Fraglich, ob sonst die Medianden Vertrauen in die
Kompetenz der Mediatorinnen und das Verfahrens gewinnen
oder behalten.
18
6. These: Mediation hat über die Beilegung eines Konflikts
hinaus „Mehrwerte“ im Sinne nachhaltiger Erkenntnisund Kompetenzgewinne.17
Mediation bietet in der facettenreichen Bearbeitung eines
konkreten Konfliktes Chancen auf nachhaltige Entwicklungsgewinne, etwa die folgenden:18
•  Die Medianden gewinnen Erkenntnisse über sich selbst
– auch über Dispositionen und Verhaltensweisen, die Konflikte erzeugen können, auch wenn diese nicht gewollt sind.
•  Sie gewinnen Erkenntnisse über die andere Seite, die ein
besseres Verstehen erlauben und damit helfen können,
künftig Konflikte zu vermeiden.
•  Sie erwerben Wissen über gute und problematische Formen der Kommunikation, über konfliktträchtige und Frieden stiftende Kommunikation, etwa aus den Bemühungen
der Mediatorinnen, die Medianden durch aktives Zuhören
besser und richtiger zu verstehen.
•  Sie beobachten Strategien der MediatorInnen problematische Emotionen der Medianden zu steuern, schon
durch die Bemühung um Verstehen der Emotionen, etwa
von Empörung oder Ängsten, aber auch durch Reflektion
emotionalisierender Anlässe und deren Deutung.
•  Sie erleben, wie ein Bemühen um besseres Verstehen eine
Deeskalierung von Konflikten ermöglicht.
•  Sie erfahren, dass allein schon die Generierung möglicher
Lösungsoptionen Konflikte entkrampfen kann – auch
durch Ausweitung des Betrachtungsfeldes.
•  Sie erfahren hoffentlich auch, dass wir in allen sozialen Beziehungen, Situationen und Kontexten alle Beteiligten
normative Erwartungen an andere haben, und dass es
Konflikte gibt, wenn diese nicht übereinstimmen.
•  Sie gewinnen Weisheit hinsichtlich der eigenen normativen Überzeugungen, wenn sie erkennen, dass es
normative Dilemmata gibt, aber auch, dass es universell
ganz unterschiedliche normative Kulturen gibt, die die
persönlichen Überzeugungen prägen, dass insofern normative Konflikte unvermeidbar und normal sind.
•  Vor allem aber sollten sie erkennen, dass sie bezüglich
ihrer sozialen Beziehungen Gestaltungsmöglichkeiten
haben, dass sie zusammen mit ihren Konfliktgegnern in
der Rolle der Gesetzgeber sind: Sie können sich einigen
und vereinbaren, was künftig in ihrem Binnenverhältnis
gelten soll. Das ist das Ziel in Mediationen.
•  Sie sollten ein neues Verständnis von Gerechtigkeit im
sozialen Leben gewinnen: Gerechtigkeit durch Vertrag,
der im Binnenverhältnis gerecht ist, wenn er mit gleicher
Freiheit und Informiertheit der Vertragsparteien geschlossen wird, ohne Zwang und Ausnutzung von Notlagen und
ohne Täuschung über Kosten und Folgewirkungen.
•  Und sie werden durch die Mediatorinnen aufgeklärt, dass sie
darauf zu achten haben, ob ihre Vereinbarung Dritte tangiert
und deren Rechte und Anliegen verletzten könnte, und dass
dies zu vermeiden ist: Keine Verträge auf Kosten Dritter.
•  Die Erweiterung des Erwägungshorizontes auf Dritte ist
eine besondere Entwicklungschance der Mediation. Sie
erweitert den Horizont für die Vermeidung von Konflikten
und Unfrieden.
Diese Chancen auf Mehrwerte von Mediationen sollten
bei MediatorInnen einen inneren Monitor anschalten mit
der ständigen Reflexion: Was sollten, was könnten die Medianden lernen? Und was kann ich als Mediatorin zu diesem Lernen beitragen. Wie kann ich das Lernen nachhaltig machen.
Mediation ist kein Coaching, aber das Lernen muss nicht
implizit, d.h. unbewusst erfolgen. Es gibt vieles, was man
explizieren kann:
•  vom Verstehen und Verstehen-wollen durch aktives Zuhören, durch Erkunden der Anlässe von Emotionen und den in
Emotionen zum Ausdruck kommenden Bewertungen
––––––––––––––
17 
Dörflinger-Kashman, N. (2010). Nachhaltige Gewinne aus der Mediation für
Individuum und Person. BernL Haupt.
18  Folger & Jones (1994), New directions in mediation. London: Sage., haben
das verwandte Konzept der transformativen Mediation vorgeschlagen. Montada
& Kals, 2013 aaO,Kap. 10.4.
SchlHA 1/2015
•  bis zur Vermittlung der Erkenntnis, dass es wohl keinen
Beurteilungsgegenstand gibt, der auf der Skala gerecht –
ungerecht universell gleich bewertet wird, dass es keine
normative Maxime gibt, die unumstritten ist: Gelten die
Menschenrechte universell, oder gibt es auch ein Recht auf
Kulturunterschiede in der Bestimmung, was die Würde des
Menschen ist, oder ein Recht auf individuelle Bestimmung
der Würde wie z.B. in Patientenverfügungen, aber nicht nur
dort, sondern grundsätzlich in allen sozialen Beziehungen?
Es ist gut, wenn Medianden erkennen, dass Konflikte unvermeidbar sind.
Es ist gut, wenn sie erfahren, dass Konflikte friedlich ausgetragen werden können und zu Erkenntnissen und Vereinbarungen
führen, die ein besseres Zusammenleben ermöglichen.
Es ist gut zu erkennen, dass Konflikte nicht nur unvermeidbar, sondern oft auch unverzichtbar sind, um die
Beziehungen und das Zusammenleben gemeinsam neu zu
konzipieren, und nicht auf Kosten Dritter. Das Beziehungsverhältnis neu regeln, Rollenkonflikte als Aushandeln der Rollenbeziehungen begreifen: Konflikte sind der Anstoß dazu.
Beziehungskonflikte sind beigelegt, wenn die Beteiligten sich
auf ein neues Beziehungsmodell verständigen.
Der in Mediationen mögliche und anzustrebende Zuwachs an
Weisheit hinsichtlich normativer Überzeugungen soll abschließend noch etwas konkretisiert werden.19
In emotionalisierten Konflikten werden die eigenen normativen Überzeugungen oft als objektiv gültige Wahrheiten vertreten, nicht selten als heilige, als unverhandelbare Werte.
Diese Überzeugung führt zu Konflikten und erschwert ihre
Beilegung.
Weisheit hinsichtlich Normen und Gerechtigkeit hat mehrere
Facetten, die in Mediationen als Wissen, als Einsichten und
als Haltungen zu fördern sind.
An die unbestreitbare Tatsache, dass die geltenden Normenkodices von Staaten, Religionen, Organisationen alles andere
als deckungsgleich sind, sondern vielfach unvereinbare Normen enthalten, sollte erinnert werden.
Bei der Gelegenheit kann darauf verwiesen werden, dass alle
Gemeinschaften, auch Freundschaften, Partnerschaften und
Familien normative Regeln ausbilden, wenn auch nicht immer
in expliziter Formulierung, und dass diese Regeln vielfach divergieren. In neuen Partnerschaften wird bei vielen Gelegenheiten offenkundig, dass die Regeln und Traditionen der Herkunftsfamilien nicht übereinstimmen, auch wenn beide dem
selben Kulturkreis angehören.
Es kann in Mediationen zumindest versucht werden, die Einsicht zu vermitteln,
•  dass Normen keine transzendentalen Wahrheiten, sondern
Menschenwerk sind,
•  dass die Generierung und Durchsetzung von Normen der
Natur des Menschen als sozialem Wesen entspricht,
•  dass alle sozialen Systeme – Staaten, Religionen, Stämme,
Familien, Gruppen, Organisationen usw. – (auch) eigene
––––––––––––––
19 
Montada, L. (2014). Gerechtigkeit – ein Kernproblem in Konflikten und deren
Beilegung. Konfliktdynamik, 3., 26–34.
Normen bilden, dass es diesbezüglich große Kulturunterschiede gibt.
Man kann die unterschiedlichen Wege der Generierung von
Normen aufzeigen und illustrieren:
•  die Vorgabe und Durchsetzung durch mächtige Führer, etwa
die Gründer einer Religion,
•  die eher emergent entstandenen Konventionen und Rollenmuster einer Kultur,
•  die Erörterungen in demokratisch legitimierten Parlamenten
oder in einer Wohngemeinschaft,
•  aber auch die Vereinbarung im Rahmen einer Mediation.
Ohne Bereitschaft zum Diskurs wird eine tragfähige Vereinbarung nicht möglich sein. Die Befähigung zum Diskurs über
normativer Überzeugungen, zur Reflexion von Gründen und
Gegengründen, von Funktionalitäten und Dysfunktionalitäten
von Normen, auch der eigenen normativen Überzeugungen,
kann in Mediationen gefördert werden. Frieden durch normative Weisheit wäre ein Motto der Mediation.
Die Entscheidung eines Dritten, etwa eines Richters, verlangt
den Parteien viel weniger ab. Sie müssen nur ihre Ansprüche
formulieren, den Rest machen die Anwälte und die Richter.
Eine gelungene Mediation ist ein Beleg, dass Konflikte eigenverantwortlich und einvernehmlich geklärt, aufgearbeitet und
mit produktiv gestalteten Lösungen in nachhaltig verbesserte
faire Austauschbeziehungen überführt werden können.
Diese Leistung sollte bewusst gemacht und konkretisiert werden. In einer konkreten Konfliktmediation mit aktiver Mitwirkung der Medianden können „implizit“ Erkenntnisse, Haltungen, Strategien und andere Kompetenzen erworben werden.
Diese können auch durch MediatorInnen in der Rückschau
nach jedem Mediationsabschnitt bewusst gemacht und „explizit“ benannt werden. Ebenso sollen die unproduktiven Haltungen, Interaktionen und Kommunikationsformen bewusst
gemacht und benannt werden.
Dadurch wird Lernen gesichert und in einer Form mental gespeichert, die eine nachhaltige Verfügbarkeit fördert. Wenn
Mediatoren nach jedem Mediationsabschnitt nicht nur den aktuellen Stand der Bearbeitung festhalten, sondern artikulieren
und reflektieren, wie die Fortschritte erreicht wurden, erzeugt
das Wissen, das heuristisch im weiteren Verlauf des Verfahrens und darüber hinaus im weiteren Leben genutzt werden
kann.
MediatorInnen sollten den Medianden eine solche Reflektion
anbieten, durchaus mit dem Hinweis, dass dadurch die geleisteten Investitionen für die Zukunft produktiv werden.
Scheitert ein Mediationsversuch, ist eine Reflexion über die
Gründe des Scheiterns anzuregen, und sei es auch in Form
eines nicht in Rechnung gestellten Schreibens, in dem der
Stand der Bearbeitung festgehalten, das Positive gewürdigt
und Hypothesen über das Scheitern zu erwägen gegeben
werden – nicht in Form von Vorwürfen, sondern als eine Anregung zum Nachdenken, also in mediatorischem Kommunikationsstil.
Go to Mediation!
– Ein EU-Projekt stellt sich vor –
von Antonia Schmidt-Busse, Hamburg*
Der Auftrag aus Brüssel
einem grenzübergreifenden Rechtsstreit
Die durch die Globalisierung bedingte Zunahme des grenzü- verbundenen finanziellen Risiken und Zeitberschreitenden Geschäftsverkehrs hat auch zu einer Zunah- verluste stellen Unternehmer vor eine unme grenzübergreifender Rechtsstreitigkeiten geführt. Die mit ausweichliche Herausforderung.
––––––––––––––
Handlungsbedarf aufgrund dieser Entwicklung sah die EU be* Die Autorin ist EU-Projektmanagerin und Mediatorin bei der HKS Handelskammer Hamburg Service GmbH. Der Beitrag entspringt einen Vortrag, den sie im
Plenum anlässlich des Mediationstages am 13.9.2014 in Schleswig gehalten hat.
SchlHA 1/2015
reits 1999. In diesem Jahr forderte der Europäische Rat die
Mitgliedstaaten erstmals auf, außergerichtliche Verfahren der
19
Streitbeilegung zu schaffen. Die Legitimation dieser Aufforderung liegt im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Denn durch diesen verpflichteten sich die Mitgliedstaaten u.a. dazu, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und
des Rechts zu erhalten und weiterzuentwickeln. Das Prinzip
des Zugangs zum Recht beinhaltet nicht nur die Möglichkeit
Klage einzureichen, sondern auch Streitigkeiten durch außergerichtliche Verfahren beizulegen. Um diese innerhalb der EU
zu etablieren, wurde im Jahre 2008 die europäische Mediationsrichtlinie erlassen (Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen,
veröffentlicht im Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 136
vom 24.5.2008 ). Der Fokus der Richtlinie war auf Aspekte der
Mediation bei grenzübergreifenden Streitigkeiten in Zivil- und
Handelssachen gerichtet. Und genau dieses Kernthema hat
das EU-Projekt „Go to Mediation!“ aufgegriffen.
Das Projekt
Im Rahmen des EU-Projektes „Go to Mediation!“ haben
sich europaweit 9 Industrie- und Handelskammern (IHKs) auf
die Fahne geschrieben, Mediation bei länderübergreifenden
Streitigkeiten zwischen Unternehmern zu fördern. Die Projektpartner kommen aus Italien, Zypern, Belgien, Frankreich,
Rumänien, Lettland, Spanien, Kroatien und Deutschland und
arbeiten Hand in Hand mit den dazugehörigen Mediationszentren. Projektpartner aus Deutschland ist die Handelskammer Hamburg Service GmbH, welche mit der Hamburger Mediationsstelle für Wirtschaftskonflikte kooperiert.
Das EU-Projekt ist auf 24 Monate angelegt und im Januar
2013 gestartet. Insgesamt wurden vier verschiedene Aufgabenpakte mit folgenden Inhalten geschnürt:
Eines der Ziele des EU-Projektes ist es, Unternehmer zu unterstützen einen schnellen und kostengünstigen Zugang zum
Recht zu finden. Des Weiteren sollen Unternehmer und Politiker über Mediationsverfahren informiert werden. Als weiteres
Ziel haben sich die Projektpartner auf die Fahne geschrieben,
Informationen über die gesetzlichen Rahmenbedingungen
und Ausbildungsstandards in der EU zu sammeln und auszuwerten.
Go to Mediation!-Service
Um international tätigen Unternehmern den Zugang zum
Recht zu erleichtern, wurde eine zentrale Anlauf- und Vermittlungsstelle für Unternehmer, die sich mit einer länderübergreifenden Streitigkeit konfrontiert sehen und sich über Mediationsverfahren innerhalb der EU informieren bzw. initiieren
möchten, ins Leben gerufen. Diese Zentrale, das sog. Clearing House, vermittelt Mediationsanfragen an das geeignetste
Mediationszentrum, unter Berücksichtigung der sprachlichen
und kulturellen Gegebenheiten, weiter. Um einen leichten Zugang zu Mediationsverfahren zu gewährleisten, können sich
Unternehmer auf www.gotomediation.eu über Mediationsverfahren an sich und die bei grenzübergreifenden Streitigkeiten zu beachtenden Besonderheiten informieren. Die Aufbereitung der zur Verfügung gestellten Informationen ermöglicht einen schnellen Vergleich der gesetzlichen Rahmenbedingungen innerhalb Europas. Sowohl die voraussichtlichen Kosten
eines Mediationsverfahrens als auch Auskünfte über die in den
einzelnen Mediationszentren gelisteten Mediatoren und Mediatorinnen sind kostenlos über die „Go to Mediation!“-Website
abrufbar. Das Clearing House verfügt über eine kostenlose Hotline, über welche offene Fragen abgeklärt werden können.
Gesetzliche Rahmenbedingungen in Europa
Im Rahmen des EU-Projektes konnten durch Umfragen, an
denen sich fast alle Mitgliedstaaten beteiligt hatten, Informationen rund um das Thema „Mediation“ und vor allem die
gesetzlichen Rahmenbedingungen gesammelt und ein länderübergreifender Vergleich gezogen werden. Da die EU-Länder bei der Umsetzung von EU-Richtlinien in innerstaatliches
Recht relativ frei sind, erließen die EU-Länder eine Vielzahl von
unterschiedlichen Bestimmungen.
20
Insgesamt haben sich drei Formen der Mediation in Europa
etabliert: Es gibt die gesetzlich vorgeschriebene Mediation, so
z.B. in Italien und Rumänien (bei bestimmten Zivil- und Handelssachen ist ein Mediationsverfahren zwingende Klagezulassungsvoraussetzung), die gerichtlich angeordnete Mediation
(hier verweist ein Richter die Parteien auf das Mediationsverfahren) und die von den Parteien autonom veranlasste Mediation (hier vereinbaren die Parteien durch Mediationsklauseln
oder in sonstiger Übereinkunft die Durchführung eines Mediationsverfahrens).
Einige Länder haben versucht, einen Ausgleich zwischen
Mediations- und gerichtlichen Verfahren durch finanzielle Anreize zu schaffen. In Rumänien, Spanien und Lettland besteht
beispielsweise die Möglichkeit, sich die Gerichtsgebühren
zurückerstatten zu lassen, wenn ein bei Gericht anhängiges
Verfahren durch Mediation beendet wird. Von der Reduzierung der Gerichtsgebühren wird ebenfalls in einigen Ländern
Gebrauch gemacht. Das Deutsche Mediationsgesetz enthält
eine kostenrechtliche Ländereröffnungsklausel, welche den
Landesregierungen die Möglichkeit einräumt, bei der Durchführung einer gerichtsbegleitenden Mediation niedrigere Gerichtsgebühren anzusetzen. Die Mediationskostenhilfe wurde
in Belgien, Frankreich und Italien eingeführt. In Deutschland
können nach § 7 MediationsG lediglich Forschungsprogramme
an Gerichten durchgeführt werden, bei welchen die Mediationskostenhilfe für finanziell schwache Rechtsuchende getestet werden kann.
Auch hinsichtlich der Art und Weise, wie eine Mediationsvereinbarung (das Ergebnis eines erfolgreich durchgeführten
Mediationsverfahrens) für vollstreckbar erklärt werden kann,
variiert. In den meisten Ländern kann mit Hilfe eines Notars
oder der Gerichte ein Vertrag und somit auch eine Mediationsvereinbarung für vollstreckbar erklärt werden. In Italien besteht zudem die Möglichkeit, eine Mediationsvereinbarung für
vollstreckbar zu erklären, wenn die Parteien und deren Anwälte die Mediationsvereinbarung unterzeichnen und die Anwälte
erklären, dass die Vereinbarung nicht gegen geltendes Recht
verstößt. In Belgien gibt es die Besonderheit, dass eine Mediationsvereinbarung auch dann vollstreckbar ist, wenn sie von
einem Mediator unterzeichnet wird, der durch die Belgische
Föderale Mediationskommission zertifiziert wurde.
Einer der häufig aufgeführten Vorteile der Mediation ist die
Kürze des Verfahrens. Um dies besonders hervorzuheben,
hielten es einige wenige Mitgliedstaaten für erforderlich, eine
maximale Dauer für ein Mediationsverfahren gesetzlich festzulegen. Die maximale Dauer liegt zwischen 3–4 Monaten.
Ausbildungsstandards
Bei dem EU-Projekt „Go to Mediation!“ wurden auch Daten
über die europäischen Ausbildungsstandards für Mediatoren gesammelt und ausgewertet. Einzige Vorgabe der EU-Mediationsrichtlinie ist, dass die Mitgliedstaaten die Aus- und Fortbildung
von Mediatoren fördern, um sicherzustellen, dass die Mediation für die Parteien wirksam, unparteiisch und sachkundig durchgeführt wird (Art. 4 II Mediationsrichtlinie). Von den befragten
EU-Ländern gaben 57% an, dass sie die Mediationsausbildung gesetzlich geregelt haben. Innerhalb der Länder, die gesetzliche Regelungen getroffen haben, wird zumeist verlangt,
dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um
sich zum Mediator ausbilden lassen zu können. So verlangen
beispielsweise viele Länder einen Hochschulabschluss. Nur
38% der befragten Länder gaben an, dass die Ausbildung zum
Mediator mit einer Abschlussprüfung endet. Hinsichtlich der
Fortbildung hielten manche Länder es für erforderlich, diese
gesetzlich vorzuschreiben, andere sprechen eine bloße Empfehlung aus. Die gesetzlich geregelte Ausbildungslänge variiert
von ca. 40–500 Stunden. Die Ausbildungsinhalte ähneln sich
sehr, wobei die Gewichtung der Ausbildungsschwerpunkte
sowie der Ausbildungsdauer variiert. Ein Ziel des EU-Projektes
ist es u.a., zu einem einheitlichen Ausbildungsstandard innerhalb Europas beizutragen, um das Vertrauen in die Mediatoren
und somit auch in das Mediationsverfahren zu stärken.
SchlHA 1/2015
Informationsveranstaltungen
Alle Projektpartner haben sich verpflichtet, Informationsveranstaltungen für Unternehmer sowie Politiker zu organisieren,
um über die Vorteile und Inhalte von Mediationsverfahren
aufzuklären. Hiermit soll ein weiterer Grundstein für die feste Etablierung von Mediationsverfahren in der internationalen
Wirtschaftswelt gelegt werden.
Es bleibt spannend
Die EU-Länder haben versucht Anreize zu setzen, um die
Etablierung der Mediation zu fördern. Alle Länder haben versucht, entsprechend Artikel 1 der Mediationsrichtlinie, zur Nutzung der Mediation anzuhalten, um zu einem ausgewogenen
Verhältnis zwischen Mediation und Gerichtsverfahren beizu-
tragen. Bis dato reichten die gesetzgeberischen Maßnahmen
jedoch nicht aus, um für eine Ausgewogenheit zwischen Mediation und gerichtlichen Verfahren zu sorgen. Inwieweit dies
dem deutschen Mediationsgesetz gelungen ist, wird im Sommer 2017 (also 5 Jahre nach Inkrafttreten) geprüft werden. Das
deutsche Mediationsgesetz sieht in § 8 vor, dass die Bundesregierung dem Bundesrat zum 26. Juli 2017 Bericht erstattet.
Man darf daher gespannt sein, ob sich der deutsche Gesetzgeber von unseren Europäischen Nachbarländern eventuell
inspirieren lassen wird. Auch wird die Europäische Kommission die Mediationsrichtlinie im Jahr 2016 überprüfen und ggf.
ergänzen oder abändern, so sieht es zumindest Art. 16 der
Richtlinie vor. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Kommission
die Mitgliedstaaten auffordern wird, weitere Maßnahmen zur
Förderung der Mediation zu ergreifen.
Vorschau zum Sonderheft der Schleswig-Holsteinischen Anzeigen
„Mediationstag 2014 Schleswig-Holstein“
Im Sonderheft der Schleswig-Holsteinischen Anzeigen zum Mediationstag – das Sie als Druckfassung bei der Druckerei
J.J. Augustin, Am Fleth 36-37, 25348 Glückstadt beziehen oder unter www.justizministerialblatt.schleswig-holstein.de kostenlos downloaden können – finden Sie die vorstehend abgedruckten Beiträge und zusätzlich folgende Beiträge zu den Foren des
Mediationstages.
Forum 1: 
Wie kommen Konflikte und ihre Beteiligten in die Mediation?
Sascha Böttcher:
Wie kommen Konflikte und ihre Beteiligten in die Mediation?
Dr. Monika Hartges:
Die öffentliche Rechtsauskunft und Vergleichsstelle Hamburg
(ÖRA)
Forum 2:
Familien in der Mediation – gerichtliche und außergerichtliche Verfahren
Jutta Nissen:
Familien in der Mediation – gerichtliche und außergerichtliche
Verfahren
Forum 3:
Was kann Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt leisten?
Charlie J. Groth:
Was kann Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt leisten?
Forum 4:
Konfliktfälle und -risiken im Agrarbereich
Dr. Bärbel Bischoff:
Wie stellt sich die Konfliktsituation heute in der Landwirtschaft dar?
Karl F. Brandt:
Zentrum für Agrarmediation (ZefAM) – ein Mediatorennetzwerk mit gebündeltem Sachverstand
Forum 5:
Anwälte, Familie und Gericht – ein Spannungsfeld
Petra Stolter:
Cooperative Praxis – Chancen und Risiken
SchlHA 1/2015
Forum 6:
Unternehmensnachfolge – ein Anwendungsfeld für die
Mediation
Dr. Armin Teschner:
Unternehmensnachfolge – ein Anwendungsfeld für die Mediation
Susann Barge-Marxen:
Den Unternehmensnachfolgeprozess in KMUs mit Hilfe der
Mediation erfolgreich gestalten
Dr. Ralf Pulz:
Mediation in der Unternehmensnachfolge: Ansätze aus Sicht
der Unternehmensberatung
Forum 7:
Qualitätssicherung in der Mediation
Dr. Martin Probst:
Qualitätssicherung in der Mediation – Einführung und Diskussion
Cornelia Sabine Thomsen:
Qualitätssicherung in der Mediation – wie gelingt dies?
Bernd W. Fries:
Qualitätssicherung in der Mediation „normierte“ Mediatoren/
innen?
Ann Christine Hlawaty:
One size fits all? – Qualitätssicherung durch Diagnostik
Forum 8:
Mediation und Rechtsschutzversicherung – wohin geht
die Reise?
Sascha Boettcher:
Mediation und Rechtsschutzversicherung – wohin geht die
Reise?
Julia Martini: Rechtsschutzversicherungen
Klaus-Hartmut Iltgen: Präsenzmediation
Sebastian Himstedt:
Telefonische Shuttle-Mediation/Konfliktlösungsunterstützung
21
II. Amtliche Veröffentlichungen
Schleswig-Holsteinische Zusatzbestimmungen
zur Kostenverfügung (ZBSH – KostVfg)
AV d. MJKE v. 27. November 2014 – II 312/5607 – 19a SH –
(SchlHA 2015 S. 22)
I
Für Schleswig-Holstein wird zusätzlich zur Kostenverfügung
(KostVfg) Folgendes bestimmt:
1.  Kostenansatz
Die Urschrift der Kostenrechnung für die Sachakte (§ 24 KostVfg) ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen.
2. Kostenprüfungsbeamtinnen und Kostenprüfungsbeamten
Bei den Justizbehörden werden für die Prüfung des Kostenansatzes zu Kostenprüfungsbeamtinnen und Kostenprüfungsbeamten (§ 35 Nummer 2 KostVfg) bestellt:
a) Die Geschäftsleiterin oder der Geschäftsleiter des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts für die erstinstanzlichen Sachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig,
b) die Geschäftsleiterin oder der Geschäftsleiter des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts für die Gerichte
der Verwaltungsgerichtsbarkeit,
c) die Geschäftsleiterin oder der Geschäftsleiter des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts für das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht in Kiel,
d) die Geschäftsleiterin oder der Geschäftsleiter des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts für die Gerichte der
Sozialgerichtsbarkeit.
3. Kostenprüfung bei den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit und bei den Staatsanwaltschaften
a) Die Bezirksrevisorinnen und Bezirksrevisoren bei den
Landgerichten sind für die Prüfung des Kostenansatzes bei
den Land- und Amtsgerichten und bei den Staatsanwaltschaften sowie für die Prüfung des Kostenansatzes in den
nicht erstinstanzlichen Sachen des Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgerichts und der Staatsanwaltschaft bei dem
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig zuständig. Örtliche Prüfungen durch die Bezirksrevisorinnen und
Bezirksrevisoren bei den Landgerichten am Sitze des Oberlandesgerichts finden nicht statt.
b) Die Jahresberichte der Kostenprüfungsbeamtinnen und
Kostenprüfungsbeamten nach § 45 KostVfg sind der Präsidentin bzw. dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts auf dem Dienstweg zur Weiterleitung an die
oberste Justizbehörde vorzulegen.
c) In Grundbuchsachen entfällt der Kostenprüfvermerk nach
§ 2 KostVfg auf dem Aktendeckel der Grundakten.
d) Die nach den §§ 2, 3, 24 und 27 KostVfg vorzunehmenden Vermerke entfallen, wenn die Sachakten elektronisch
geführt werden.
4. Kostenprüfung bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit
Für die Prüfung der Kosten in der Sozialgerichtsbarkeit wird
bestimmt:
a) Die Kostenverfügung und die vorstehenden Zusatzbestimmungen finden entsprechende Anwendung, soweit die
kostenrechtlichen Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes
dem nicht entgegenstehen. Die Prüfungsbeamtin und der
Prüfungsbeamte haben auch darauf zu achten, ob
aa) die Entschädigungen für Beteiligte, Zeuginnen und Zeugen, ehrenamtliche Richterinnen und Richter sowie die Vergü-
22
tungen für Sachverständige bestimmungsgemäß festgesetzt
sowie
bb) Vorschüsse nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes ordnungsgemäß eingefordert, gezahlt und abgerechnet sind.
b) Der etwaige Erlass von Verwaltungsanordnungen über
die Berechnung und Einziehung sozialgerichtlicher Kosten
wird der Präsidentin oder dem Präsidenten des SchleswigHolsteinischen Landessozialgerichts übertragen.
5. Kostenprüfung bei den Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit
Die Bezirksrevisorin oder der Bezirksrevisor bei dem Landesarbeitsgericht ist für die Prüfung des Kostenansatzes bei den
Gerichten der Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig.
6. Kostenansatz bei den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit
In Verfahren vor einem Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit
des Landes Schleswig-Holstein wird abweichend von § 15 Absatz 1 KostVfg Folgendes bestimmt:
Ist das Land alleiniger Schuldner oder Erstschuldner der Kosten (vgl. § 8 Absatz 1 KostVfg), so sind die Kosten erst nach
Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung anzusetzen.
7. Kostenansatz in Strafverfahren
Bei dem Ansatz und der Einziehung der Kosten des Strafverfahrens von zu Freiheitsstrafe Verurteilten ist den Bemühungen um eine alsbaldige und dauerhafte Resozialisierung
von Verurteilten auch durch Rücksichtnahme bei der Geltendmachung der insoweit entstandenen Gerichtskosten Rechnung zu tragen.
Neben § 10 Absatz 1 KostVfg sind die nachstehenden Bestimmungen zu beachten:
a) Ist die Kostenschuldnerin oder der Kostenschuldner der
Aufsicht und Leitung einer Bewährungshelferin oder eines
Bewährungshelfers unterstellt, so unterrichtet die Kostenbeamtin oder der Kostenbeamte hiervon das Finanzverwaltungsamt Schleswig-Holstein – Landeskasse – und setzt die
Bewährungshelferin oder den Bewährungshelfer über die
Höhe der angesetzten Kosten in Kenntnis, damit sich diese
oder dieser vor Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen mit
dem Finanzverwaltungsamt Schleswig-Holstein – Landeskasse – ins Benehmen setzen kann.
b) Hat die Kostenschuldnerin oder der Kostenschuldner
eine Freiheitsstrafe zu verbüßen, so wird sie bzw. er durch
ein der Kostenanforderung beizufügendes Merkblatt des aus
der Anlage ersichtlichen Inhalts darüber informiert, dass und
unter welchen Voraussetzungen die im Strafverfahren entstandenen Gerichtskosten erlassen oder gestundet werden
können.
Die Kostenbeamtin oder der Kostenbeamte versieht in solchen Fällen die Urschrift der Kostenrechnung für die Sachakte
(§ 24 KostVfg) mit dem Hinweis „Merkblatt“. Dieser Hinweis
ist in auffälliger Weise in die Kostenanforderung (§ 25 Absatz
2 KostVfg) zu übernehmen.
II
Diese Allgemeine Verfügung tritt am 1. Dezember 2014 in
Kraft.
Gleichzeitig treten die Schleswig-Holsteinischen Zusatzbestimmungen zur Kostenverfügung vom 10. Oktober 2007 (AV
d. MJAE v. 10. Oktober 2007 – II 313/5607 – 19a SH <SchlHA
S. 465>) außer Kraft.
Kiel, den 27. November 2014
Dr. Schmidt-Elsaeßer
SchlHA 1/2015
Anlage
Merkblatt
(Anlage zur Kostenrechnung)
Die Kostenrechnung gibt Ihnen Aufschluss über die Höhe der
Gerichtskosten, die Sie aufgrund der in Ihrer Strafsache ergangenen Entscheidung des Gerichts zu tragen haben. Die
mit der Kostenentscheidung verbundene finanzielle Belastung beruht auf gesetzlicher Bestimmung. Es muss deshalb
erwartet werden, dass Sie im zumutbaren Umfang Kraft und
Mittel einsetzen, die Kostenschuld in der Ihnen gesetzten Frist
zu begleichen. Auf Ihren Antrag kann Ihnen jedoch gestattet
werden, die Kosten in Teilbeträgen oder zu einem späteren
Zeitpunkt zu zahlen, wenn die sofortige Einziehung mit besonderen Härten für Sie verbunden wäre und der Anspruch
durch die Gewährung der Zahlungserleichterung nicht gefährdet wird. Unter bestimmten Voraussetzungen können Gerichtskosten ganz oder zum Teil erlassen werden, wenn ihre
Einziehung mit besonderen Härten für die Zahlungspflichtige
oder den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder es sonst
aus besonderen Gründen der Billigkeit entspricht.
Wenn Sie in Ihrem Fall die Voraussetzungen für die Bewilligung
einer solchen Vergünstigung für gegeben halten, so können
Sie ein entsprechendes Gesuch an die zuständige Stelle richten. Sie können sich auch wegen der weiteren Einzelheiten an
die Rechtsantragsstelle des nächsten Amtsgerichts wenden
oder, wenn Sie sich in einer Vollzugsanstalt befinden, mit deren Verwaltung in Verbindung setzen.
––––––––––––––
Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Zivilsachen (ZP-Statistik)
Bek. d. MJKE v. 8. Dezember 2014 – II 342/1440 – 2 –
(SchlHA 2015, S. 23)
I
Die Landesjustizverwaltungen haben beschlossen, die Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in Zivilsachen
(ZP-Statistik) (Bekanntmachung v. 13. Dezember 2013 – II 342 /
1440 – 2 – <SchlHA 2014 S. 8 >) zu ändern. Aus diesem Grund
wird die Anordnung neu gefasst und es wird ein neuer Sonderdruck dieser Anordnung – Stand: 1. Januar 2015 – herausgegeben. Den Gerichten wird der Sonderdruck in elektronischer
Form zur Verfügung gestellt.
II
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Anordnung über die Erhebung von statistischen
Daten in Zivilsachen (ZP-Statistik) (Bekanntmachung v. 13. Dezember 2013 – II 342 /1440 – 2 – <SchlHA 2014 S. 8>) außer
Kraft.
––––––––––––––
Anordnung über die Erhebung von statistischen
Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften
(StA-Statistik)
Bek. d. MJKE v. 8. Dezember 2014 – II 342/1440 – 5 –
(SchlHA 2015, S. 23)
I
Die Landesjustizverwaltungen haben beschlossen, die Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten bei den
Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik) (Bekanntmachung v. 23. Dezember 2013 – II 342/1440 – 5 – <SchlHA 2014
S. 8 >) zu ändern. Aus diesem Grund wird die Anordnung neu
gefasst und es wird ein neuer Sonderdruck dieser Anordnung
– Stand: 1. Januar 2015 – herausgegeben. Den Staatsanwaltschaften wird der Sonderdruck in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.
SchlHA 1/2015
II
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Anordnung über die Erhebung von statistischen
Daten bei den Staats- und Amtsanwaltschaften (StA-Statistik)
(Bekanntmachung v. 23. Dezember 2013 – II 342/1440 – 5 –
<SchlHA 2014 S. 8 >>) außer Kraft.
––––––––––––––
Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Sozialgerichtsbarkeit (SG-Statistik)
Bek. d. MJKE v. 9. Dezember 2014 – II 342/1440-7- SH(SchlHA 2015, S. 23)
I
Die Landesjustizverwaltungen haben die Änderung der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Sozialgerichtsbarkeit (Bekanntmachung vom 21. Oktober 2013 –
II 342/1440 – 7 – <SchlHA S. 428>) beschlossen.
Aus diesem Grund wird die Anordnung neu gefasst und es
wird ein neuer Sonderdruck „Anordnung über die Erhebung
von statistischen Daten in der Sozialgerichtsbarkeit (SG-Statistik)“ – Stand: 1. Januar 2015 – herausgegeben. Dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht wird der Sonderdruck
in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.
II
Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Anordnung über die Erhebung von statistischen
Daten in der Sozialgerichtsbarkeit (Bekanntmachung vom 21.
Oktober 2013 – II 342/1440 – 7 – <SchlHA S. 428>) außer
Kraft.
––––––––––––––
Änderung der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
(VwG-Statistik)
Bek. d. MJKE v. 9. Dezember 2014 – II 342 /1440-6(SchlHA 2015, S. 23)
I
Die Landesjustizverwaltungen haben die Änderung der Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwG – Statistik) (Bekanntmachung vom
12. Dezember 2013 – II 342/1440 – 6 – <SchlHA 2014, S. 7 >)
beschlossen.
Aus diesem Grund wird die Anordnung neu gefasst und es
wird ein neuer Sonderdruck „Anordnung über die Erhebung
von statistischen Daten in der Verwaltungsgerichtsbarkeit
(VwG-Statistik)“ – Stand: 1. Januar 2015 – herausgegeben.
Dem Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht wird
der Sonderdruck in elektronischer Form zur Verfügung gestellt.
II
Die Neufassung tritt am 1. Januar 2015 in Kraft. Gleichzeitig
tritt die Anordnung über die Erhebung von statistischen Daten
in der Verwaltungsgerichtsbarkeit (VwG – Statistik) (Bekanntmachung vom 12. Dezember 2013 – II 342/1440 – 6 – <SchlHA
2014, S. 7 >) außer Kraft.
––––––––––––––
Verlust eines Dienstsiegels
Bek. d. MJKE v. 19. Dezember 2014 – II 342/5413 E – 511 –
(SchlHA 2015, S. 23)
Bei dem Amtsgericht Eckernförde ist ein Dienstsiegel – Farbdrucksiegel – verloren gegangen. Das Siegel hat einen Durchmesser von 35 mm. In der Mitte des runden Siegels ist das
Landeswappen abgebildet. Um dem Wappenschild steht
die Inschrift: „Amtsgericht Eckernförde“. Unter dem Wappen
befindet sich die Kennziffer „69“. Das verloren gegangene
Dienstsiegel wird für ungültig erklärt.
23
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die
staatliche Pflichtfachprüfung bei dem SchleswigHolsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig
Vfg. d. Vors. d. JPA vom 16. Dezember 2014 – 2232 E – 223 –
(SchlHA 2015, S. 24)
Zum weiteren Mitglied für den bis zum 31.12.2016 laufenden
Prüfungsabschnitt ist berufen worden: RA Frank Harder.
––––––––––––––
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die staatliche
Pflichtfachprüfung bei dem Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgericht in Schleswig
1.3
1.4
Vfg. d. Vors. d. JPA vom 18. Dezember 2014 – 2232 E – 224 –
(SchlHA 2015, S. 24)
Zum weiteren Mitglied für den bis zum 31.12.2016 laufenden
Prüfungsabschnitt ist berufen worden: Ri’inOVG Birgit VoßGüntge.
1.5
––––––––––––––
Besetzung des Justizprüfungsamtes für die staatliche
Pflichtfachprüfung bei dem Schleswig-Holsteinischen
Oberlandesgericht in Schleswig
Vfg. d. Vors. d. JPA vom 18. Dezember 2014 – 2232 E – 225 –
(SchlHA 2015, S. 24)
Zur weiteren stellvertretenden Vorsitzenden für den bis zum
31.12.2016 laufenden Prüfungsabschnitt ist berufen worden:
Präs’inOVG Maren Thomsen.
––––––––––––––
Hinweis der Redaktion: Änderungen sind in den Leitlinien
im Vergleich zum Vorjahr unterstrichen/kursiv
hervorgehoben.
Unterhaltsrechtliche Leitlinien
des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts
(Stand: 01.01.2015)
Die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts dienen nur als
Hilfsmittel zur Bestimmung des angemessenen Unterhalts.
Sie beruhen auf Erfahrungswerten, gewonnen aus typischen
Sachverhalten, und sollen zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts beitragen. Sie haben keine bindende Wirkung und
können eine auf den Einzelfall bezogene Gesamtschau nicht
ersetzen.
Unterhaltsrechtlich maßgebendes Einkommen
Bei der Ermittlung und Zurechnung von Einkommen ist stets
zu unterscheiden, ob es um Verwandten‑ oder Ehegattenunterhalt sowie ob es um Bedarfsbemessung einerseits oder
Feststellung der Leistungsfähigkeit andererseits geht. Das
unterhaltsrechtliche Einkommen ist nicht immer identisch mit
dem steuerrechtlichen Einkommen. Einkommen können auch
aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielbare
Einkünfte sein (fiktives Einkommen).
1.
1.1
1.2
24
Geldeinnahmen
Auszugehen ist vom Bruttoeinkommen als Summe aller
Einkünfte einschließlich Weihnachts-, Urlaubsgeld, Tantiemen und Gewinnbeteiligungen sowie anderer Zulagen.
Leistungen, die nicht monatlich anfallen, werden auf ein
Jahr umgelegt. Einmalige Zahlungen sind auf einen angemessenen Zeitraum (in der Regel mehrere Jahre) zu
verteilen. Grundsätzlich sind Abfindungen bei der Auf-
1.6
1.7
1.8
2.
2.1
2.2
2.3
2.4
nahme einer neuen Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen bis zur Höchstgrenze des Bedarfs
aufgrund des früheren Einkommens sowohl beim Kindes- als auch beim Ehegattenunterhalt für den Unterhalt
zu verwenden; ob eine Aufstockung bis zum bisherigen
Einkommen unter vollständiger Aufrechterhaltung des
bisherigen Lebensstandards geboten ist, beurteilt sich
nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere der
beim Pflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.
Überstundenvergütungen werden dem Einkommen voll
zugerechnet, soweit sie berufstypisch sind und das in
diesem Beruf übliche Maß nicht überschreiten.
Ersatz für Spesen, Reisekosten und Auslösungen gelten
in der Regel als Einkommen. Damit zusammenhängende Aufwendungen, vermindert um häusliche Ersparnis, sind jedoch abzuziehen. Die Ersparnis wird in der
Regel mit einem Drittel bewertet und (außer Fahrtkostenersatz) insoweit dem Einkommen hinzugerechnet.
Bei Selbständigen (insbesondere Unternehmer, freiberuflich Tätige) wird das Einkommen nach Wirtschaftsjahren ermittelt. Steuerliche Belastungen werden
grundsätzlich nur in dem tatsächlich entrichteten Umfange abgezogen, und zwar unabhängig davon, für
welches Veranlagungsjahr sie angefallen sind. Für die
Bemessung von zukünftigem Unterhalt ist grundsätzlich auf das Durchschnittseinkommen von drei Wirtschaftsjahren abzustellen, wobei dieser Zeitraum von
dem letzten Jahr an zurückgerechnet wird, für welches
ausreichende Einkommensunterlagen vorliegen; für in
der Vergangenheit liegende Unterhaltszeiträume ist auf
das in dieser Zeit erzielte Einkommen abzustellen (Jahresdurchschnitt). Bei erheblich schwankenden Einkünften kann auch ein anderer Zeitraum zugrunde gelegt
werden.
Abschreibungen auf betriebliche Wirtschaftsgüter (Absetzung für Abnutzung: Afa) stehen in der Regel entsprechende Ausgaben für Betriebsmittel gegenüber;
sie sind deshalb grundsätzlich gewinnmindernd abzusetzen. Soweit die zulässigen steuerlichen Absetzungsbeträge erheblich über das tatsächliche Ausmaß
der Wertminderung hinausgehen (etwa bei Gebäuden),
können sie in diesem Umfang unterhaltsrechtlich nicht
berücksichtigt werden.
Für das Einkommen eines Selbstständigen ist grundsätzlich sein Gewinn maßgebend. Ausnahmsweise
kann auf seine Privatentnahmen abgestellt werden, soweit sie Ausdruck eines nicht durch Verschuldung finanzierten Lebensstandards sind.
Zum Einkommen zählen auch Einkünfte aus Vermietung,
Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen, wobei die
Einkünfte grundsätzlich auf das Jahr umgelegt werden.
Steuererstattungen und Steuernachzahlungen sind in
der Regel in dem Jahr, in dem sie anfallen, zu berücksichtigen und auf die einzelnen Monate umzulegen. Soweit Erstattungen auf Aufwendungen beruhen, die unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sind, bleiben
auch die Steuererstattungen außer Betracht.
Zum Einkommen zählen auch sonstige Einnahmen
(z. B. Trinkgelder).
Sozialleistungen gehören wie folgt zum Einkommen:
Arbeitslosengeld (§ 117 SGB III) und Krankengeld.
Arbeitslosengeld II (§§ 19–32 SGB II) beim Verpflichteten; beim Unterhaltsberechtigten ist das Arbeitslosengeld II subsidiär (§ 33 SGB II).
Wohngeld, soweit es nicht erhöhte Wohnkosten deckt.
BAföG-Leistungen, auch soweit sie als Darlehen gewährt werden, mit Ausnahme von Vorausleistungen
nach §§ 36, 37 BAföG.
SchlHA 1/2015
2.5
Erziehungsgeld/Elterngeld nur in den Ausnahmefällen des § 9 Satz 2 Bundeserziehungsgeldgesetz/§ 11
Satz 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz.
2.6 Leistungen aus Unfall- und Versorgungsrenten nach
Abzug eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen; § 1610a BGB ist zu beachten.
2.7 Leistungen aus der Pflegeversicherung, Blindengeld,
Schwerbeschädigten- und Pflegezulagen nach Abzug
eines Betrages für tatsächliche Mehraufwendungen;
§ 1610a BGB ist zu beachten.
2.8 Der Anteil des Pflegegelds bei der Pflegeperson, durch
den ihre Bemühungen abgegolten werden. Bei Pflegegeld aus der Pflegeversicherung gilt dies nach Maßgabe
des § 13 VI SGB XI.
2.9 Beim Verwandtenunterhalt in der Regel Leistungen zur
Grundsicherung (§§ 41–43 SGB XII).
2.10 Sonstige Sozialhilfe nach SGB XII zählt nicht zum Einkommen.
2.11 Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz zählen nicht zum Einkommen.
3.
4. 5.
5.1
5.2
5.3
6. Kindergeld
Kindergeld mindert den Unterhaltsbedarf der Kinder
nach Maßgabe des § 1612b BGB und unterstützt den
betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistungen. Es stellt kein Einkommen des Bezugsberechtigten dar.
Geldwerte Zuwendungen des Arbeitgebers
Geldwerte Zuwendungen aller Art des Arbeitgebers,
z. B. Firmenwagen oder freie Kost und Logis, sind
Einkommen, soweit sie entsprechende Eigenaufwendungen ersparen. Die für Firmenwagen steuerlich in
Ansatz gebrachten, am Neuwert orientierten Beträge
(1 %-Regelung) bieten einen Anhaltspunkt für die Bewertung des geldwerten Vorteils.
Wohnwert
Der Wohnvorteil durch mietfreies Wohnen im eigenen
Heim ist als wirtschaftliche Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtlich wie Einkommen zu behandeln. Neben
dem Wohnwert sind auch Zahlungen nach dem Eigenheimzulagengesetz anzusetzen.
Ein Wohnvorteil liegt nur vor, soweit der Wohnwert den
berücksichtigungsfähigen Schuldendienst, erforderliche
Instandhaltungskosten und jene verbrauchsunabhängigen Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht
belastet wird, übersteigt.
Während des Getrenntlebens ist zunächst regelmäßig
die ersparte Miete anzusetzen, die angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse angemessen wäre. Ist eine
Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft
nicht mehr zu erwarten, sind Ausnahmen von der Berücksichtigung des vollen Mietwertes nur gerechtfertigt,
wenn eine Verwertung durch Vermietung nicht möglich
(z.B. mangelnde Einigung bei Miteigentum) oder nicht
zumutbar (z.B. bei zeitlich begrenztem Aufstockungsunterhalt) ist.
Diese Grundsätze gelten auch beim Kindesunterhalt.
Zinsen sind absetzbar, Tilgungsleistungen in der Regel
nur, wenn sie nicht der einseitigen Vermögensbildung
dienen oder wenn und soweit sie eine Form der zulässigen zusätzlichen Altersvorsorge darstellen.
Beim Kindesunterhalt gilt im Rahmen des § 1603 Abs. 1
BGB ein großzügigerer, im Anwendungsbereich des § 1603
Abs. 2 BGB hingegen ein strengerer Maßstab für die
Berücksichtigung von Tilgungsleistungen.
Haushaltsführung
Führt jemand unentgeltlich für einen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Partner den Haushalt, so ist hierbei ein Einkommen anzusetzen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Partner hinreichend leistungsfähig ist.
SchlHA 1/2015
7. Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit
Einkommen aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit kann
nach Billigkeit ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben (vgl. BGH FamRZ 2006, 846).
8. Freiwillige Zuwendungen Dritter
Freiwillige Zuwendungen Dritter (z. B. Geldleistungen,
Wohnungsgewährung) sind regelmäßig nicht als Einkommen zu berücksichtigen, es sei denn, die Berücksichtigung entspricht dem Willen des zuwendenden Dritten.
9. Erwerbsobliegenheit und Einkommensfiktion
Wer unter leichtfertigem Verstoß gegen eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung bzw. Obliegenheit eine Erwerbsquelle nicht in zumutbarem Umfang nutzt, muss
sich das erzielbare Einkommen zurechnen lassen.
Begibt sich jemand einer Einkommensquelle, insbesondere seines Arbeitsplatzes, aus unterhaltsrechtlich
vorwerfbaren Gründen, so ist ihm das bisherige Einkommen bis zu dem Zeitpunkt fiktiv zuzurechnen, zu
dem er aus anderem, nicht vorwerfbarem Grund die
Arbeitsstelle verloren hätte (BGH NJW 2008, 1525 ff.).
Bei der Zurechnung von fiktiven Einkünften können fiktive berufsbedingte Aufwendungen (z. B. Fahrtkosten)
berücksichtigt werden.
Im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht ist vom
Unterhaltsschuldner im Hinblick auf den nicht gesicherten Mindestunterhalt seines Kindes auch zu verlangen,
dass er neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit
eine ihm mögliche und zumutbare Nebentätigkeit ausübt. Dies gilt auch bei der Zurechnung eines lediglich
fiktiven Einkommens aus einer vollschichtigen Haupttätigkeit (BGH FamRZ 2014, 1992).
10. Bereinigung des Einkommens
10.1 Vom Bruttoeinkommen sind Steuern, Sozialabgaben
und angemessene Vorsorgeaufwendungen abzusetzen
(Nettoeinkommen).
Für eine zusätzliche (keine fiktive) Altersvorsorge können beim Ehegatten- und Kindesunterhalt bis zu 4%,
beim Elternunterhalt bis zu 5% des Bruttoeinkommens
eingesetzt werden. Die zusätzliche Altersvorsorge
kommt jedoch im Regelfall nicht in Betracht, soweit der
Mindestunterhalt/das Existenzminimum nicht gesichert
sind.
Personen, die der gesetzlichen Rentenversicherung
nicht unterliegen, können für ihre Altersvorsorge grundsätzlich 18,7 % ihres Bruttoeinkommens aufwenden.
Eine zusätzliche Altersvorsorge ist wie bei gesetzlich
Rentenversicherten absetzbar.
10.2 Berufsbedingte Aufwendungen
10.2.1Notwendige berufsbedingteAufwendungen werden vom
Einkommen nur abgezogen, soweit sie konkret nachgewiesen sind. Eine Pauschale wird nicht gewährt.
10.2.2Für Fahrten zum Arbeitsplatz werden die Kosten einer Pkw-Benutzung mit einer Kilometerpauschale von
0,30 ¡ (§ 5 II Nr. 2 JVEG) für die ersten 30 Entfernungskilometer, für die weiteren Entfernungskilometer mit
0,20 ¡ berücksichtigt.
Berechnungsbeispiel:
Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsplatz: 50 km.
Berechnung:
30 km x 2 x 0,30 ¡ x 220 ArbTage : 12 Monate = 330,00 ¡ +
20 km x 2 x 0,20 ¡ x 220 ArbTage : 12 Monate = 146,67 ¡
Gesamtkosten:
476,67 ¡
Überschreiten die Fahrtkosten 15 % des Nettoeinkommens, muss dargelegt werden, weshalb die Benutzung
von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar ist.
Neben der Kilometerpauschale können Finanzierungskosten für die Anschaffung des Pkw regelmäßig nicht
angesetzt werden.
10.2.3Bei Auszubildenden wird auf die Ausbildungsvergütung
ein Abzug eines Pauschalbetrages von 90,00 ¡ ange-
25
10.3
10.4
10.5
10.6
10.7
rechnet. Diese Pauschale deckt in der Regel den allgemeinen und ausbildungsbedingten Mehrbedarf mit
Ausnahme von Fahrtkosten.
Kinderbetreuungskosten sind abzugsfähig, soweit die
Betreuung durch Dritte infolge der Berufstätigkeit erforderlich ist. Aufwendungen für die Betreuung eines
Kindes in Kindergärten oder vergleichbaren Einrichtungen mindern das Einkommen nicht; es handelt sich
um Mehrbedarf (vgl. Ziff. 12.4) des Kindes (BGH FamRZ
2009, 962).
Angemessene Tilgungsraten auf Schulden, die auf das
eheliche Zusammenleben zurückzuführen sind oder die
durch die Auflösung der Ehe unabwendbar entstanden sind, werden in der Regel einkommensmindernd
berücksichtigt. Unverhältnismäßig hohe Kosten für die
Ehewohnung (auch Einfamilienhaus) sind nur für eine
Übergangszeit nach der Trennung abzusetzen.
Soweit der Mindestbedarf der Unterhaltsberechtigten
nicht gewahrt ist, hat der Schuldendienst so weit wie
möglich und zumutbar zurückzustehen. Für minderjährige Kinder soll möglichst der Mindestunterhalt gesichert bleiben. Im Einzelfall sind in eine umfassende
Interessenabwägung unter Billigkeitsgrundsätzen die
Belange der Unterhaltsberechtigten, des Unterhaltsschuldners (insbesondere sein Interesse an der Verhinderung einer wachsenden Verschuldung) wie auch der
Fremdgläubiger einzubeziehen.
Den Unterhaltsschuldner trifft grundsätzlich eine Verpflichtung zur Einleitung einer Verbraucherinsolvenz,
wenn dieses Verfahren zulässig und geeignet ist, den
laufenden Unterhalt eines minderjährigen Kindes sicherzustellen (vgl. BGH NJW 2005, 1279 ff.).
Sind einkommensmindernd anzusetzende Schulden bereits Gegenstand einer Auseinandersetzung über einen
Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB, sind sie
für die Unterhaltsbemessung nicht zu berücksichtigen.
Unterhaltsleistungen (Zahlbeträge) an vorrangig Berechtigte sind vorweg abzuziehen.
Die vermögenswirksame Leistung des Arbeitgebers
und die Arbeitnehmer-Sparzulage gehören nicht zum
Einkommen. Der vermögenswirksam gesparte Betrag
mindert nicht das anrechenbare Einkommen.
Kosten für die Ausübung des Umgangsrechts, die über
den dem Umgangsberechtigten verbleibenden Anteil
am Kindergeld hinausgehen, können durch einen – teilweisen – Abzug vom Einkommen oder eine Erhöhung
des Ehegattenselbstbehalts berücksichtigt werden (vgl.
BGH NJW 2009, 2592).
Kindesunterhalt
11. Bemessungsgrundlage (Tabellenunterhalt)
Der Barunterhalt minderjähriger und noch im elterlichen
Haushalt lebender volljähriger unverheirateter Kinder
bestimmt sich nach den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle (Anhang I.).
11.1 Die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle enthalten
keine Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für das
Kind, wenn dieses nicht in einer gesetzlichen Familienversicherung mitversichert ist. Das Nettoeinkommen
des Verpflichteten ist um solche zusätzlich zu zahlenden
Versicherungskosten zu bereinigen.
11.2 Die Tabellensätze sind auf den Fall zugeschnitten, dass
der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten
Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer geringeren oder
größeren Zahl von Unterhaltsberechtigten ist in der Regel um eine Stufe herauf‑ oder herabzustufen.
In den oberen Gruppen kann im Einzelfall insbesondere
aus kindgerechten Gründen eine Bedarfsbegrenzung
angezeigt sein.
Erreicht das dem Unterhaltspflichtigen nach Abzug aller
Unterhaltslasten verbleibende Einkommen nicht den
für die Tabellengruppe ausgewiesenen Bedarfskontroll-
26
betrag, so kann so weit herabgestuft werden, dass dem
Unterhaltsschuldner der entsprechende Kontrollbetrag
verbleibt.
12. Minderjährige Kinder
12.1 Die Freistellung vom Barunterhalt durch die Pflege und
Erziehung eines Kindes nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB
gilt nur für den allgemeinen Tabellenunterhalt. Solange
der Betreuungsschwerpunkt bei einem Elternteil liegt,
ist der allgemeine Barunterhalt nur vom anderen Elternteil aufzubringen (vgl. BGH NJW 2007, 1882 ff.).
12.2 Eigenes Einkommen des minderjährigen Kindes wird
auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes mit Rücksicht auf die Betreuungslast des anderen Elternteils
nach Billigkeit angerechnet.
Arbeitseinkünfte geringen Umfangs (z. B. Ferienjobs)
oder aus unterhaltsrechtlich nicht gebotener Tätigkeit
bleiben unberücksichtigt.
12.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, wird der Bedarf minderjähriger Kinder im Verhältnis zu dem Elternteil, der den Barunterhalt zu leisten hat, in der Regel
allein nach seinem Einkommen ermittelt. Ausnahmsweise kann der betreuende Elternteil zur Barunterhaltsleistung entlastend herangezogen werden, wenn sein
Einkommen das des anderen Elternteils wesentlich
übersteigt. Die Entlastung wird dann nach den Umständen des Einzelfalles bemessen.
12.4 Zusätzlichen Bedarf eines minderjährigen Kindes (z. B.
Prozesskostenvorschuss, Mehrbedarf, Sonderbedarf)
haben beide Eltern entsprechend ihren Erwerbs- und
Vermögensverhältnissen zu decken (§ 1606 Abs. 3 Satz 1
BGB).
13. Volljährige Kinder
13.1 Für den Unterhalt volljähriger Kinder gilt Folgendes:
Lebt das volljährige Kind im Haushalt eines Elternteils,
so ist sein Bedarf grundsätzlich der Unterhaltstabelle zu
entnehmen.
Lebt das Kind nicht mehr im Haushalt eines Elternteils,
so ist zu unterscheiden:
–  Für die Vorjahre wird auf die von der Düsseldorfer Tabelle aufgeführten Beträge verwiesen. Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträge sind hierin nicht enthalten. Der Unterhaltsbedarf eines Studierenden beträgt in der Regel monatlich 670,00 ¡. Hierin sind bis
280,00 ¡ für Unterkunft einschließlich umlagefähiger
Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
– Für andere Kinder kann bei eigenem Haushalt derselbe Betrag zugrunde gelegt werden; dann entfallen
der Freibetrag (s. o. 10.2.3) und andere Absetzungen
für berufsbedingte Aufwendungen (einschließlich
Fahrtkosten).
Für die Vorjahre wird auf die vorangegangenen Düsseldorfer Tabellen verwiesen.
13.2 Sämtliche Einkünfte (auch BAföG-Darlehen) werden auf
den Bedarf volljähriger Kinder angerechnet.
13.3 Verfügen beide Eltern über Einkommen, ergibt sich
der Bedarf volljähriger Kinder, soweit dafür die Tabelle
maßgebend ist, grundsätzlich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern, jedoch ist wegen
doppelter Haushaltsführung in der Regel um eine Stufe
herabzustufen. Den offenen Bedarf haben die Eltern anteilig zu decken,
und zwar grundsätzlich im Verhältnis ihrer Einkommen
zueinander. Dabei werden nur die Einkommensteile zueinander ins Verhältnis gesetzt, die jeweils über dem
angemessenen Selbstbehalt liegen, und zwar nach Abzug vorrangiger Unterhaltspflichten.
Bei sog. privilegiert volljährigen Kindern sind grundsätzlich die bereinigten Einkünfte oberhalb des angemessenen Selbstbehalts maßgebend. Lediglich im Mangelfall ist auf die bereinigten Einkünfte oberhalb des
SchlHA 1/2015
notwendigen Selbstbehalts abzustellen (BGH FamRZ
2011, 454).
Ein Elternteil hat jedoch höchstens den Unterhalt zu
leisten, der sich allein aus seinem Einkommen gemäß
der Unterhaltstabelle ergibt.
14.
Verrechnung des Kindergeldes
Das Kindergeld wird nach § 1612 b BGB angerechnet.
Ehegattenunterhalt
15. Unterhaltsbedarf
15.1 Der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnisse im
Sinne von § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB wird grundsätzlich
durch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
Ehegatten bestimmt, die bis zur Rechtskraft der Ehescheidung eingetreten sind. Nacheheliche Entwicklungen
wirken sich auf die Bedarfsbemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, wenn sie auch bei fortbestehender Ehe eingetreten wären oder in anderer Weise in der Ehe angelegt und mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten waren (BGH FamRZ 2012, 281 ff.).
Unerwartete, nicht in der Ehe angelegte Steigerungen
des Einkommens des Verpflichteten (insbesondere
aufgrund eines Karrieresprungs) oder auf Wiederverheiratung beruhende Steuervorteile bleiben bei der Bedarfsbemessung unberücksichtigt. Eine Einkommensreduzierung ist dann unbeachtlich, wenn sie auf einem
unterhaltsrechtlich vorwerfbaren Verhalten beruht.
Die Unterhaltspflichten für neue Ehegatten sowie für
nachehelich geborene Kinder und den dadurch bedingten Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB sind bei
der Bemessung des Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten nach § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB nicht zu
berücksichtigen.
15.2 Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten bestimmt sich zu 3/7 des Arbeitseinkommens des Unterhaltsverpflichteten, falls der Unterhaltsberechtigte
kein eigenes Einkommen erzielt, oder zu 3/7 des Unterschiedsbetrages der Arbeitseinkommen des Verpflichteten und des Berechtigten (Differenzmethode).
Es ist von einem Mindestbedarf auszugehen, der nicht
unter dem Existenzminimum für nicht Erwerbstätige
liegen darf (Nr. 21.2).
Sonstiges Einkommen (z. B. Renten, Abfindungen und Kapitalerträge) ist hälftig zu teilen, falls nicht eine Herabsetzung dieser hälftigen Beteiligung durch besondere Gründe gerechtfertigt erscheint. Erträge aus ererbtem Vermögen prägen die ehelichen Lebensverhältnisse nur, soweit sie bereits zum Unterhalt der Familie zur Verfügung
standen, also den Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a
BGB beeinflussten (vgl. BGH FamRZ 2006, 387, 390).
Bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs ist der Zahlbetrag des prägenden Kindesunterhalts abzuziehen.
Unterhalt für nachrangige volljährige Kinder ist abzusetzen, wenn der Kindesunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat und den Eheleuten ein angemessener Unterhalt verbleibt.
15.3 Bei höheren Einkommen bleiben Teile, die regelmäßig
und in angemessenem Umfang zur Vermögensbildung
verwandt worden sind, grundsätzlich unberücksichtigt.
15.4 Vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen sind wie
die eigenen Aufwendungen für angemessene Vorsorge
grundsätzlich auch solche abzusetzen, die er für den Berechtigten und gemeinsame Kinder aufbringt.
Der Elementarunterhalt hat bis zur Höhe des Mindestbedarfs Vorrang vor dem Altersvorsorgeunterhalt.
Die Kosten für die angemessene Vorsorge für Alter,
Erwerbs‑ und Berufsunfähigkeit errechnen sich in folgenden Stufen:
a)  der an sich geschuldete Elementarunterhalt wird mit
Hilfe der sog. Bremer Tabelle auf ein fiktives Bruttoeinkommen hochgerechnet.
SchlHA 1/2015
b)  Danach bemessen sich unter Anwendung des Beitragssatzes, der jeweils für die gesetzliche Rentenversicherung gilt, die Vorsorgekosten.
c)  Sie werden von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen vorweg abgesetzt. Danach wird der Elementarunterhalt endgültig festgesetzt.
15.5 nicht belegt
15.6 nicht belegt
15.7 Für die Befristung des nachehelichen Unterhalts ist bei
der Billigkeitsprüfung nach § 1578 b BGB vorrangig zu
berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten
sind. Diese stehen schon deswegen einer Befristung
des nachehelichen Unterhalts regelmäßig entgegen,
weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst erzielen kann.
Sind ehebedingte Nachteile vorhanden, die aus tatsächlichen Gründen nicht mehr ausgeglichen werden
können, kommt im Regelfall nach einer Übergangszeit
eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts nur
insoweit in Betracht, als dem berechtigten Ehegatten
unter Berücksichtigung eigener und eventuell auch fiktiver Einkünfte jedenfalls der Betrag zur Verfügung stehen muss, den er ohne einen ehebedingten Nachteil
zur Verfügung hätte.
Fehlt es an ehebedingten Nachteilen oder sind diese
bereits ausgeglichen, ist im Rahmen der umfassenden
Billigkeitsabwägung bei der Entscheidung über eine Befristung oder Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts eine – über die Kompensation ehelicher Nachteile
hinausgehende – nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Dabei sind neben den weiteren relevanten
Umständen des Einzelfalls die Dauer der Pflege und
Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie die Dauer der Ehe maßgeblich. Die
Ehedauer gewinnt durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer
eigenen Erwerbstätigkeit wegen Kinderbetreuung oder
Haushaltsführung eintritt (BGH FamRZ 2010, 1971).
Ist Unterhalt wegen Krankheit geschuldet, ist für die
Billigkeitsentscheidung besonders dem Gedanken der
nachehelichen Solidarität Rechnung zu tragen.
Der Betreuungsunterhalt ist nicht nach § 1578 b BGB zu
befristen.
Die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände,
aus denen die Unbilligkeit der Fortzahlung des Unterhalts resultiert, trägt der Unterhaltsverpflichtete. Dem
Unterhaltsverpflichteten obliegt es, im Rahmen seiner
primären Darlegungslast das Fehlen von ehebedingten
Nachteilen substantiiert zu behaupten. Sodann obliegt
es dem Unterhaltsberechtigten, diese Behauptung
substantiiert zu bestreiten und positiv konkrete ehebedingte Nachteile darzutun. Konkret vorgetragene ehebedingte Nachteile muss der Unterhaltsverpflichtete
widerlegen (BGH FamRZ 2012, 93).
16.
nicht belegt
17. Erwerbsobliegenheit
17.1 Die nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes grundsätzlich einsetzende Erwerbsobliegenheit des
betreuenden Elternteils ist hinsichtlich Art und Umfang
an den Belangen des Kindes auszurichten.
Die Billigkeitsprüfung nach § 1570 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
BGB ist zumindest anhand folgender Kriterien vorzunehmen:
Kindbezogene Gründe:
1. Betreuungsbedürftigkeit aufgrund der individuellen
Entwicklung des Kindes
2. Fehlende kindgerechte Betreuungsmöglichkeiten
3. Krankheiten, die durch die Betreuung in einer Einrichtung nicht aufgefangen werden können und damit die Betreuung durch einen Elternteil erfordern.
27
Elternbezogene Gründe:
1. Vertrauen in die vereinbarte oder praktizierte Rollenverteilung und Ausgestaltung der Kinderbetreuung.
Zu berücksichtigen ist dabei auch die Aufgabe einer
Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung und die
Dauer der Ehe.
2. Umfang der Betreuungsbedürftigkeit des Kindes im
Anschluss an die Betreuung in einer Betreuungseinrichtung.
Eine überobligationsmäßige Belastung des betreuenden Elternteils durch Berufstätigkeit, Kinderbetreuung
und Haushaltsführung ist zu vermeiden.
17.2 In der Regel besteht für den Berechtigten im ersten
Jahr nach der Trennung keine Obliegenheit zur Aufnahme oder Ausweitung einer Erwerbstätigkeit.
Weitere Unterhaltsansprüche
18. Ansprüche nach § 1615 l BGB
Der Bedarf nach § 1615 l BGB bemisst sich nach der
Lebensstellung des betreuenden Elternteils. Er ist auch
dann nicht nach dem Einkommen des Pflichtigen zu bemessen, wenn dieser mit dem betreuenden Elternteil
zusammengelebt hat.
Der Bedarf darf das Existenzminimum für nicht Erwerbstätige (derzeit 880,00 ¡) nicht unterschreiten.
Die Inanspruchnahme ist durch den Halbteilungsgrundsatz begrenzt.
19.
Elternunterhalt
Beim Bedarf der Eltern sind Leistungen zur Grundsicherung nach §§ 41 ff SGB XII zu berücksichtigen (vgl.
Nr. 2.9).
20.
Lebenspartnerschaft
Bei Getrenntleben oder Aufheben der Lebenspartnerschaft gelten §§ 12, 16 LPartG.
Leistungsfähigkeit und Mangelfall
21. Selbstbehalt
21.1 Ausgangspunkt ist das anrechenbare Einkommen des
Unterhaltspflichtigen. Gegenüber minderjährigen und
privilegiert volljährigen Kindern gilt der notwendige
Selbstbehalt gemäß § 1603 Abs. 2 BGB. Gegenüber
Ehegatten ist dem Unterhaltspflichtigen der eheangemessene Selbstbehalt gemäß § 1581 S. 1 BGB und gegenüber volljährigen Kindern der angemessene Selbstbehalt gemäß § 1603 Abs. 1 BGB zu belassen.
21.2 Der notwendige Selbstbehalt beträgt
bei nicht Erwerbstätigen 880,00 ¡,
bei Erwerbstätigen 1080,00 ¡.
Hierin sind bis zu 380,00 ¡ für Unterkunft einschließlich
umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete)
enthalten.
21.3 Im Übrigen gilt beim Verwandtenunterhalt der angemessene Selbstbehalt.
21.3.1Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern beträgt der angemessene Selbstbehalt 1300,00 ¡. Hierin
sind bis zu 480,00 ¡ für Unterkunft einschließlich umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete) enthalten.
21.3.2Gegenüber Ansprüchen aus § 1615l BGB gilt der eheangemessene Selbstbehalt.
21.3.3Gegenüber Eltern beträgt der Selbstbehalt monatlich
1800,00 ¡ (einschließlich 480,00 ¡ Warmmiete) zzgl.
der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens,
bei Vorteilen des Zusammenlebens in der Regel 45 %
des darüber hinausgehenden Einkommens (BGH
FamRZ 2010, 1535).
21.3.4nicht belegt
21.4 Ehegattenunterhalt ist nur aus dem Einkommen oberhalb des eheangemessenen Selbstbehalts zu leisten.
28
Der eheangemessene Selbstbehalt beträgt 1200,00 ¡.
Hierin sind bis zu 430,00 ¡ für Unterkunft einschließlich
umlagefähiger Nebenkosten und Heizung (Warmmiete)
enthalten.
Im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB ist außerdem ein individueller
Selbstbehalt zu berücksichtigen. Bei diesem ist der
Halbteilungsgrundsatz zu beachten, was zu einem relativen Mangelfall führen kann, wenn dem Unterhaltspflichtigen für den eigenen Unterhalt weniger verbliebe, als der Unterhaltsberechtigte mit dem Unterhalt zur
Verfügung hätte. Sonstige Verpflichtungen gegenüber
anderen Unterhaltsberechtigten, die nicht bereits den
Bedarf des Unterhaltsberechtigten beeinflusst haben,
sind entsprechend ihrem Rang zu berücksichtigen (BGH
FamRZ 2012, 281 ff.). Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit ist kein Erwerbstätigenbonus zu berücksichtigen
(BGH FamRZ 2013, 1366).
21.5 Bei einem Zusammenleben mit einem leistungsfähigen
Partner kann der Selbstbehalt wegen ersparter Aufwendungen herabgesetzt werden, wobei die Ersparnis des
Unterhaltspflichtigen im Regelfall und höchstens mit
10 % seines Selbstbehalts angesetzt werden kann.
22.
Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden
Ehegatten.
22.1 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen
des nachrangigen, geschiedenen Ehegatten 960,00 ¡.
22.2 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten beträgt bei Unterhaltsansprüchen
nicht privilegierter volljähriger Kinder 1040,00 ¡.
22.3 Der Mindestbedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten bei Unterhaltsansprüchen von
Eltern oder Enkeln bemisst sich nach den ehelichen
Lebensverhältnissen (Halbteilungsgrundsatz), beträgt
jedoch mindestens 1440,00 ¡ (einschließlich 380,00 ¡
Warmmiete).
23.
Bedarf des vom Pflichtigen getrennt lebenden oder
geschiedenen Ehegatten
Der monatliche notwendige Eigenbedarf des von dem
Unterhaltspflichtigen getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten beträgt, unabhängig davon, ob er erwerbstätig ist oder nicht:
23.1 Gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten 1200,00 ¡
23.2 Gegenüber nicht privilegierten volljährigen Kindern
1300,00 ¡
23.3 Gegenüber Eltern des Unterhaltspflichtigen 1800,00 ¡.
24. Mangelfall
24.1 Ein Mangelfall liegt vor, wenn das Einkommen des
Unterhaltsverpflichteten zur Deckung seines Selbstbehalts und der Unterhaltsansprüche der gleichrangigen
Berechtigten nicht ausreicht. Für diesen Fall ist die nach
Abzug des Selbstbehalts des Unterhaltspflichtigen verbleibende Verteilungsmasse auf die gleichrangigen Unterhaltsberechtigten im Verhältnis ihrer jeweiligen Einsatzbeträge gleichmäßig zu verteilen.
24.2 Die Einsatzbeträge im Mangelfall belaufen sich
24.2.1bei minderjährigen und diesen nach § 1603 Abs. 2 Satz
2 BGB gleichgestellten Kindern nach den jeweiligen
Zahlbeträgen der Einkommensgruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle
24.2.2bei getrennt lebenden oder geschiedenen Ehegatten
und bei mit dem Pflichtigen im gemeinsamen Haushalt
lebenden Ehegatten, sowie bei nach § 1615 l BGB Unterhaltsberechtigten nach ihren jeweiligen ungedeckten
Bedarfsbeträgen.
SchlHA 1/2015
24.3 Die prozentuale Kürzung berechnet sich nach der Formel:
K = V : S x 100
K =  prozentuale Kürzung
S =  Summe der Einsatzbeträge aller Berechtigten
V =  Verteilungsmasse (Einkommen des Verpflichteten
abzüglich Selbstbehalts)
24.4 nicht belegt
Sonstiges
25.
Rundung
Der Unterhaltsbetrag ist auf volle Euro aufzurunden.
Anhang:
  1
bis 1500
ab 18
Bedarfskontrollbetrag
Nr. 11.2.2
Altersstufen
0–5
(Geburt bis
6. Geburtstag)
6–11
(6. bis 12.
Geburtstag)
12–17
(12. bis 18.
Geburtstag)
Einkommensgruppen
Anrechenbares Einkommen des Pflichtigen
I. Düsseldorfer Tabelle:
(alle Beträge in Euro)
317
364
426 488 100% 880/1080
  2 1501–1900
333
383
448
513 105%
1180
  3 1901–2300
349
401
469 537 110%
1280
  4 2301–2700
365
419
490 562 115%
1380
  5 2701–3100
381
437
512
586 120%
1480
  6 3101–3500
406
466
546 625 128%
1580
  7 3501–3900
432
496
580 664 136%
1680
  8 3901–4300
457
525
614
703 144%
1780
  9 4301–4700
482
554
648
742 152%
1880
10 4701–5100
508
583
682 781 160%
1980
über 5100 nach den Umständen des Falles
II. Kindergeldanrechnungstabelle:
Die folgenden Tabellen enthalten die sich nach Abzug des jeweiligen Kindergeldanteils (hälftiges Kindergeld bei Minderjährigen, volles Kindergeld bei Volljährigen) ergebenden Zahlbeträge. Für das 1. bis 2. Kind beträgt das Kindergeld derzeit
184 ¡, für das 3. Kind 190 ¡, ab dem 4. Kind 215 ¡.
3. Kind
0–5
6–11 12–17 ab 18
  1.
  2.
  3.
  4.
  5.
  6.
  7.
  8.
  9.
10.
bis 1500
1501–1900
1901–2300
2301–2700
2701–3100
3101–3500
3501–3900
3901–4300
4301–4700
4701–5100
222
238
254
270
286
311
337
362
387
413
269
288
306
324
342
371
401
430
459
488
Ab 4. Kind
0–5
6–11
  1.
  2.
  3.
  4.
  5.
  6.
  7.
  8.
  9.
10.
bis 1500
1501–1900
1901–2300
2301–2700
2701–3100
3101–3500
3501–3900
3901–4300
4301–4700
4701–5100
209,50 256,50
225,50 275,50
241,50 293,50
257,50 311,50
273,50 329,50
298,50 358,50
324,50 388,50
349,50 417,50
374,50 446,50
400,50 475,50
331
353
374
395
417
451
485
519
553
587
298
323
347
372
396
435
474
513
552
591
12–17 ab 18
318,50
340,50
361,50
382,50
404,50
438,50
472,50
506,50
540,50
574,50
273
298
322
347
371
410
449
488
527
566
%
100
105
110
115
120
128
136
144
152
160
%
100
105
110
115
120
128
136
144
152
160
III.  Umrechnung nach früherem Recht erstellter dynamischer Unterhaltstitel über Kindesunterhalt nach § 36 Nr. 3
EGZPO:
Ist Kindesunterhalt als Prozentsatz des jeweiligen Regelbetrages zu leisten, bleibt der Titel bestehen. Eine Abänderung ist
nicht erforderlich. An die Stelle des bisherigen Prozentsatzes
vom Regelbetrag tritt ein neuer Prozentsatz vom Mindestunterhalt (Stand: 01. 01. 2008). Dieser richtet sich einheitlich nach
der am 01.01.2008 gültigen Altersstufe und ist auf eine Stelle
nach dem Komma zu begrenzen (§ 36 Nr. 3 EGZPO). Der Bedarf ergibt sich aus der Multiplikation des neuen Prozentsatzes
mit dem Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe und ist
auf volle Euro aufzurunden (§ 1612 a Abs. 2 Satz 2 BGB). Der
Zahlbetrag ergibt sich aus dem um das jeweils anteilige Kindergeld verminderten bzw. erhöhten Bedarf.
Es sind vier Fallgestaltungen zu unterscheiden:
a)Der Titel sieht die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes
oder eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + ½ Kindergeld
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––– x 100 = Prozentsatz neu
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
Beispiel 1. Altersstufe
Kontrollberechnung
1. und 2. Kind
0–5
6–11 12–17 ab 18
  1.
bis 1500
225
272
334
304
100
  2.
1501–1900
241
291
356
329
105
(196 ¡ + 77 ¡)
_______________ x 100 = 97,8% 279 ¡ x 97,8% = 272,86 ¡, ger. 273 ¡
279 ¡
Zahlbetrag 273 2 – 77 2 = 196 2
  3.
1901–2300
257
309
377
353
110
b)Der Titel sieht die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes vor.
  4.
2301–2700
273
327
398
378
115
  5.
2701–3100
289
345
420
402
120
  6.
3101–3500
314
374
454
441
128
  7.
3501–3900
340
404
488
480
136
  8.
3901–4300
365
433
522
519
144
  9.
4301–4700
390
462
556
558
152
10.
4701–5100
416
491
590
597
160
SchlHA 1/2015
%
Zahlbetrag – ½ Kindergeld
___________________________________ x 100 = Prozentsatz neu
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
Beispiel 1. Altersstufe
Kontrollberechnung
(273 ¡–77 ¡)
_____________ x 100 = 70,2% 279 ¡ x 70,2% = 195,85 ¡, ger. 196 ¡
279 ¡
Zahlbetrag 196 2 + 77 2 = 273 2
29
c)Der Titel sieht die Anrechnung des vollen Kindergeldes vor
Zahlbetrag + 1/1 Kindergeld
___________________________________ x 100 = Prozentsatz neu
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
Beispiel 2. Altersstufe
Kontrollberechnung
(177 ¡ + 154 ¡)
______________ x 100 = 102,7% 322 ¡ x 102,7% = 330,69 ¡, ger. 331 ¡
322 ¡
Zahlbetrag 331 2–154 2 = 177 2
d)Der Titel sieht weder eine Anrechnung noch eine Hinzurechnung des
Kindergeldes vor.
Zahlbetrag + ½ Kindergeld
______________________________________ x 100 = Prozentsatz neu
Mindestunterhalt der jeweiligen Altersstufe
Beispiel 3. Altersstufe
Kontrollberechnung
(329 ¡ + 77 ¡)
______________ x 100 = 111,2% 365 ¡ x 111,2% = 405,88 ¡, ger. 406 ¡
365 ¡
Zahlbetrag 406 2–77 2 = 329 2.
III. Personalnachrichten
Oberlandesgericht
Erna n n t : Zum Justizoberamtsrat: Justizamtsrat Reinhard
Klapper, Justizamtsrat Jörg Hansen.
Best e l l u n g z u m Le i t e n d e n Wa ch t m e i s t e r : Zuerkennung der Stellenzulage (A6Z): Zum Ersten Justizhauptwachtmeister: Justizhauptwachtmeister Daniel Mintert.
Vers e t z t : Justizoberwachtmeister Oliver Thomsen, von dem
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht an das Amtsgericht Schleswig.
Gerichte
Erna n n t : Zum Richter am Landgericht: Richter Dr. Stefan
Wolf, Landgericht Flensburg; Richter Florian Feistritzer, Landgericht Flensburg.
Zur Richterin am Amtsgericht: Richterin Katja Krebs, Amtsgericht Lübeck; Richterin Dr. Anne Pfister, Amtsgericht Kiel;
Richterin Heidi Rauert, Amtsgericht Pinneberg; Richterin
Anne-Marei Wilhelm, Amtsgericht Lübeck; Richterin Marit von
Elm, Amtsgericht Itzehoe; Richterin Margret Will, Amtsgericht
Pinneberg.
Zum Richter am Amtsgericht: Richter Dr. Holger Fahl, Amtsgericht Kiel; Richter Niels Giffhorn, Amtsgericht Kiel.
Zur Justizamtsrätin: Justizamtfrau Anja Cornils, Amtsgericht
Niebüll.
Zum Justizamtsrat: Justizamtmann Frank Jähnig, Amtsgericht Flensburg; Justizamtmann Michael Breese, Amtsgericht
Flensburg.
Zur Justizamtfrau: Justizoberinspektorin Claudia Hansen,
Amtsgericht Husum; Justizoberinspektorin Ines Randel, Amtsgericht Norderstedt.
Zur Justizobersekretärin: Justizsekretärin Imke Schröder,
Amtsgericht Elmshorn.
Vers e t z u n g i n d e n Ru h e s t a n d : Richterin am Amtsgericht Frauke Bendixen, Amtsgericht Flensburg.
Justizamtsrat Hans-Richard Berndt, Amtsgericht Flensburg.
Eint r i tt i n d e n Ru h e s t a n d : Justizamtsrat Elfroth Fey,
Amtsgericht Itzehoe; Erster Justizhauptwachtmeister Uwe
Dau, Amtsgericht Kiel.
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Erna n n t : Zur Richterin am Verwaltungsgericht: Richterin Dr.
Katharina Bork, Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht
in Schleswig.
Vers e t z t : Richterin am Landessozialgericht Birgit Voß-Güntge, jetzt Richterin am Oberverwaltungsgericht, an das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht in Schleswig.
Staatsanwaltschaften
E r n a n n t : Z u r S t a a t s a nw ä l t i n – als Gruppenleiterin
–: Staatsanwältin Sarah Führer (Staatsanwaltschaft bei dem
Landgericht Itzehoe), zum Staatsanwalt – als Gruppenleiter
–: Staatsanwalt Dr. Henning Hadeler (Staatsanwaltschaft bei
dem Landgericht Kiel).
Vers e t z u n g i n d e n Ru h e s t a n d : Justizamtsrätin Angelika
Flüsloh, Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Itzehoe.
Eint r i tt i n d e n Ru h e s t a n d : Oberstaatsanwalt Joachim Bahr (Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Lübeck);
30
Staatsanwalt Henning Struck (Staatsanwaltschaft bei dem
Landgericht Lübeck).
Vollzugsanstalten
Eintritt in den Ruhest and mit Ablauf des Monats
Oktober 2014: Justizamtsinspektorin Brigitte Bekker, JVA
Lübeck; Justizamtsinspektor Peter-Hubert Kohlscheen, JVA
Lübeck.
Notare
Not aramt erloschen: Hans-Henning Reese, Ahrensburg;
Gerhard Nolle, Nortorf; Kurt Meyer-Bellmann, Glinde; Axel
Erhard Mallick, Pinneberg; Christel Hacke, Ahrensburg; GerdVolker Brandt, Henstedt-Ulzburg; Hartmut Unterlehberg, Neumünster; Joachim Schröder, Neumünster; Friedrich Karl Vitt,
Büdelsdorf; Wolf-Dieter Paulsen, Kiel.
Im September 2014 haben folgende Rechtspflegeranwärterinnen und Rechtspflegeranwärter die
Rechtspflegerprüfung vor dem Prüfungsamt in
Hildesheim bestanden:
Laura Bartels, Oldenburg; Patrick Bernier, Ahrensbök; LarnThorben Grönwoldt, Kiel; Philipp Helmchen, Kappeln; Jana
Kliesch, Altenholz; Susanne Kubica, Plön; Sabrina Kühl, Mönkeberg; Christopher Lähn, Felm; Linn Martens, Seefeld; Heiko Nanninga, Flensburg; Jana Kim Schneider, Lübeck; Laura
Schulze, Hüsby; Corinna Treede, Rabenkirchen-Faulück.
Zweite Staatsprüfung für Juristen
bestanden im Monat Oktober/November 2014: Stefanie Boneß, Hamburg; Inga-Kristin Stegen, Bad Bevensen; Philipp
Harländer, Schlesen; Julika Lüders, Barsbüttel; Janne Otten,
Hamburg; Philipp Genßler, Kiel; Dr. Jan-Alexander Lange, Kiel;
Sascha Jaeger, Kiel; Broder Jensen, Kiel; Bastian Burow, Kiel;
Florian Frey, Kiel; Birte Swat, Kiel; Hendrik Weh, Flensburg;
Livia Nink, Kiel; Oliver Grund, Kiel; Irini Falaggi, Kiel; Maik
Grandke, Kiel; Thore Kalinka, Dobersdorf; Mareike Anders,
Hamburg; Marlen Hennings, Kiel; Thorben Wagner, Kiel; Dorothee Griebel, Hamburg; Patrick Schlicker, Flensburg; Lars
Cornels, Kiel; Bastian Hansen, Kiel; Stephanie Wiechmann,
Kiel; Katharina Harm, Hamburg; Kevin Suhr, Kiel; Carol Kleinke,
Kiel; Katrine Manecke, Kiel; Stefanie Grötzner, Fockbek; Nazim
Abdullayev, Hamburg; Charlotte Becker, Kiel; Carolin Conradt,
Kiel; Miriam Münstermann; Kiel; Malte Wendt, Kiel; Rebecca
Wolff, Dänischhagen; Anh Tran, Hamburg; Lina Schröder, Kiel;
Dr. Christoph Pabst, Kiel; Mojdeh Gorji, Kiel; Sebastian Thomas, Kiel; Anna-Katharina Pieronczyk, Kiel; Maria Schwandt,
Kiel; Doreen Jeske, Kiel; Svenja Cleve, Kiel; Lyn Albrechtsen,
Kiel; Saskia Büschleb, Süsel; Annika Bennek, Kiel; Maik Schulze, Kiel; Philipp Tamme, Kiel; Marc Thomas Mau, Kiel; Nicole
Deckers, Kiel; Karsten Schreiner, Elmshorn; Olga Lorenz,
Flensburg; Inga Ludwig, Flensburg; Finnja Uecker, Kiel; Daniel
Hennig, Kiel; Mirko Back, Fleckeby; Timo Schirakow, Kiel; Patrick Ziegler, Kronshagen; Britta Karstens, Kiel; Kara Renkosik,
Kiel; Katrin Manneck, Hamburg.
SchlHA 1/2015
IV. Ausschreibungen
Bek. d. MJKE vom 5. Januar 2015 – II 332/5112 Ea – 1824 –
(SchlHA 2015 S. 31)
1. Bekanntmachung:
Ich sehe Bewerbungen entgegen für die planmäßige Besetzung von
1  Stelle der BesGr. R 2 mit einer Amtszulage nach Anlage 8
SHBesG für eine Direktorin oder einen Direktor des Amtsgerichts bei dem Amtsgericht Eutin.
Die Stelle ist mit einer Richterin oder einem Richter zu
besetzen, die oder der sich in der Rechtsprechung, insbesondere in den Aufgabenbereichen eines Amtsgerichts, in
besonderer Weise bewährt hat und über Erfahrungen in der
Gerichtsverwaltung verfügt.
Gesucht wird eine engagierte und verantwortungsbewusste Persönlichkeit, die den anstehenden und durchgeführten
Strukturveränderungen der Justiz aufgeschlossen gegenüber steht und in der Lage ist, diese aktiv gestaltend voran
zu treiben.
Unverzichtbar sind ein ausgeprägtes Organisationsvermögen sowie die besondere Befähigung zur Personalführung;
gefordert ist ein kooperativer Führungsstil, der insbesondere die für neue Techniken und Organisationsformen notwendige Akzeptanz aller in der Justiz Tätigen schafft und sie zur
verantwortlichen Mitgestaltung im Interesse des Ansehens
der Justiz in der Öffentlichkeit motiviert.
Die Landesregierung setzt sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein. Sie werden bei entsprechender
Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Die Landesregierung ist bestrebt, ein Gleichgewicht zwischen
weiblichen und männlichen Beschäftigten in der Landesverwaltung und im Justizdienst zu erreichen. Frauen werden bei
gleichwertiger Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung
vorrangig berücksichtigt.
Es besteht die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Allgemeine Verfügung vom 9. September 1970 – SchlHA S. 206 – in Verbindung mit der Allgemeinen Verfügung vom 30. Dezember 1971
– SchlHA 1972 S. 22 –.
Bewerbungen werden erbeten binnen drei Wochen ab Datum
dieser Bekanntmachung.
Gleichzeitig bitte ich um Mitteilung der aktuellen Privatanschrift.
2. Bekanntmachung:
Ich sehe Bewerbungen entgegen für die planmäßige Besetzung von
1  Stelle der BesGr. R 1 für eine Richterin oder einen Richter
am Amtsgericht bei dem Amtsgericht Schleswig
Die Ausschreibung richtet sich ausschließlich an schleswigholsteinische Richterinnen und Richter auf Probe in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Die Landesregierung setzt sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein. Sie werden bei entsprechender
Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Es besteht die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Allgemeine Verfügung vom 9. September 1970 – SchlHA S. 206 – in Verbindung mit der Allgemeinen Verfügung vom 30. Dezember 1971
– SchlHA 1972 S. 22 –.
Bewerbungen werden erbeten binnen drei Wochen ab Datum
dieser Bekanntmachung.
Gleichzeitig bitte ich um Mitteilung der aktuellen Privatanschrift.
SchlHA 1/2015
3. Bekanntmachung:
Ich sehe Bewerbungen entgegen für die planmäßige Besetzung von
1  Stelle der BesGr. R 1 für eine Staatsanwältin oder einen
Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Flensburg
Die Ausschreibung richtet sich ausschließlich an schleswigholsteinische Richterinnen und Richter auf Probe im staatsanwaltschaftlichen Dienst.
Die Landesregierung setzt sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein. Sie werden bei entsprechender
Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Es besteht die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung.
Wegen der Einzelheiten verweise ich auf die Allgemeine Verfügung vom 9. September 1970 – SchlHA S. 206 – in Verbindung mit der Allgemeinen Verfügung vom 30. Dezember 1971
– SchlHA 1972 S. 22 –.
Bewerbungen werden erbeten binnen drei Wochen ab Datum
dieser Bekanntmachung.
Gleichzeitig bitte ich um Mitteilung der aktuellen Privatanschrift.
4. Bekanntmachung:
Ich sehe Bewerbungen entgegen für die planmäßige Besetzung von
1  Stelle der BesGr. A 14 für eine Oberregierungsrätin oder
einen Oberregierungsrat – als Verwaltungsreferentin oder
Verwaltungsreferent und zugleich Geschäftsleiterin oder
Geschäftsleiter – bei dem Amtsgericht Lübeck nach Maßgabe des § 10a der Allgemeinen Laufbahnverordnung vom 19.
Mai 2009, zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. April
2012 (GVOBl. Schl.-H. S. 516, ber. S. 614). Die Aufgabenübertragung erfolgt frühestens zum 1. Januar 2017.
Für Beamtinnen und Beamte der Laufbahngruppe 2, erstes
Einstiegsamt, der Laufbahn der Fachrichtung Justiz mit der
Befähigung zum Laufbahnzweig Rechtspflegerdienst ist die
erfolgreiche Teilnahme an einer Führungspotentialanalyse
der Staatskanzlei obligatorisch.
In der zweijährigen Bewährungszeit für die Aufgaben einer
Verwaltungsreferentin oder eines Verwaltungsreferenten
der Laufbahngruppe 2, zweites Einstiegsamt, in der Fachrichtung der Allgemeinen Dienste ist eine einjährige erfolgreiche Erprobung im Ministerium für Justiz, Kultur und Europa erforderlich.
Zu den Aufgaben der Verwaltungsreferentin oder des Verwaltungsreferenten und der Geschäftsleiterin oder des
Geschäftsleiters bei dem Amtsgericht Lübeck gehören insbesondere die Leitung und Koordinierung folgender Aufgabenbereiche:
• Personalangelegenheiten mit Ausnahme des richterlichen
Dienstes,
• Haushaltsrecht, Kassen- und Rechnungswesen,
• Koordinierung der Verwaltungsabläufe,
• Initiierung und Durchführung von Projekten zur Reorganisation von Geschäftsabläufen sowie
• Hausverwaltung und Bauangelegenheiten.
Hinsichtlich der weiteren Aufgaben wird auf die Allgemeine Verfügung über die Bestellung und Aufgaben der
Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleiter bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein vom
16. April 2009 – II 34/3010 – 79a SH – (SchlHA 2009 S. 142)
verwiesen.
Die Bewerberin oder der Bewerber muss den anstehenden
Strukturveränderungen in der Justiz aufgeschlossen gegenüberstehen und in der Lage sein, diese aktiv gestaltend
voranzutreiben. Unverzichtbar sind ein ausgeprägtes Organisationsvermögen sowie die besondere Befähigung zur
31
Personalführung; gefordert ist ein kooperativer Führungsstil, der die für neue Techniken und Organisationsformen
notwendige Akzeptanz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schafft und sie zur verantwortlichen Mitgestaltung motiviert.
Vorausgesetzt werden Verwaltungserfahrung, insbesondere fundierte Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen
Personalverwaltung, Haushaltsrecht, Modernisierungsprojekte und elektronische Datenverarbeitung.
Die Landesregierung setzt sich für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ein. Sie werden bei entsprechender
Eignung bevorzugt berücksichtigt.
Es besteht die Möglichkeit zur Teilzeitbeschäftigung.
Frauen werden bei gleichwertiger Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigt.
Bewerbungen werden auf dem Dienstweg erbeten bis zum
28. Februar 2015.
V. Entscheidungen
Zivilrecht und Zivilverfahren
BGB §§ 823 I, 249 I
1.  Der BGH (Urteil vom 30.9.1963, NJW 1964, 542) übersieht bei seiner Rechtsprechung zur PKW-Nutzungsausfallentschädigung, dass der Geschädigte die grundsätzliche und jederzeitige Möglichkeit erhält, die Unbenutzbarkeit des eigenen PKW’s durch die Inanspruchnahme eines Mietwagens, eines Taxis oder Busses oder
sonstiger Beförderungsmöglichkeiten auf Kosten des
Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung auszugleichen.DieserTransportkosten-Flatrate des Geschädigten für den Zeitraum der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs kommt ebenfalls ein Vermögenswert zu, der bei
dem erforderlichen Vermögensvergleich vor und nach
dem schädigenden Ereignis zu berücksichtigen ist.
2.  Dem deutschen Zivilrecht sind Bestrafungen eines
Schädigers, anders als etwa in den USA, mit den sog.
„punitive damages“, fremd.
AG Reinbek, Urteil vom 4. November 2013 – 12 C 271/13 – , RA Bachmor
Anmerkung der Redaktion: Auf die Berufung des Kl. hat das Landgericht das
angefochtene Urteil teilweise geändert und die begehrte Nutzungsausfallentschädigung von 406 ¡ zuerkannt (Zahlung in Höhe von insgesamt 1281,– ¡ =
875,– + 406,– ¡). LG Lübeck, Urteil vom 15.5.2014, Az. 14 S 18/14.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall.
Die Bekl. überquerte am 22.11.2012 gegen 13.45 Uhr in G. die M-straße an der
Kreuzung mit dem O-Weg auf der Straßenseite Richtung G. von Ost nach West.
Der Sohn des Kl., der Zeuge R., befuhr mit dem Fahrzeug des Kl., einem Seat
Mii mit dem amtlichen Kennzeichen xx die M.-straße in Richtung Süden. Der
Zeuge R. befand sich auf der Rechtsabbiegerspur, um der M.-straße in Richtung
O. zu folgen. Im Bereich des Fußgängerüberwegs über die Möllner Landstraße
an der oben beschriebenen Kreuzung kam es zu einem Zusammenstoß zwischen der Bekl. und dem Fahrzeug des Kl..
Dem Kl. entstand ein Sachschaden an seinem Fahrzeug und die Reparaturkosten beliefen sich auf 2226,82 ¡. Der Kl. nahm seine Vollkaskoversicherung in Anspruch und zahlte 500,00 ¡ Selbstbeteiligung für die Reparatur. Des Weiteren
machte der Kl. gegenüber der Bekl. Nutzungsausfall für die Reparaturdauer von
14 Tagen in Höhe von insgesamt 406,00 ¡, eine Wertminderung von 350,00 ¡
und eine allgemeine Kostenpauschale von 25,00 ¡ geltend. Die Bekl. lehnte
eine Zahlung ab.
Der Kl. behauptet, der Zeuge R. habe die Ampel bei Grün und die Bekl. bei Rot
passiert. Der Zeuge R. sei vorsichtig an der Ampel angefahren.
Der Kl. beansprucht von der Bekl. die Zahlung von 1281,00 ¡ nebst Zinsen sowie Feststellung, dass die Bekl. ihm bezüglich der Vollkaskoversicherung bei der
Signal Iduna, entstandene Prämienmehrbelastung zu erstatten habe.
Die Bekl. behauptet, die Ampel habe für den Zeugen R. Rot angezeigt. Sie bestreitet, dass sie bei Rot die Ampel überquert habe.
Es wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen R. und H. im Termin
am 14.10.2013.
Im Ergebnis hat das Amtsgericht die Bekl. verurteilt, an den Kl. 875,00 ¡ nebst
Zinsen zu zahlen und festgestellt, dass die Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. bezüglich der Vollkaskoversicherung aufgrund des Unfalls vom 22.11.2012 die entstehende Prämienmehrbelastung zu erstatten. Im Übrigen hat das Amtsgericht die
Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen.
Das Berufungsverfahren ist bei dem LG Lübeck unter dem Az.: …… anhängig.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.
I. Der Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von
875,00 ¡ aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Bekl. das alleinige Verschulden am Unfall vom
22.11.2012 trifft. Ein Mitverschulden des Zeugen R. liegt nicht
vor. Die Bekl. hat daher dem Kl. seinen entstandenen Schaden
zu ersetzen.
Das Gericht ist aufgrund der Zeugenaussage des Zeugen R.
davon überzeugt, dass die Ampel für ihn als Rechtsabbieger
Grün anzeigte, während die Ampel für den Geradeausverkehr
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noch auf Rot stand, als er sich der Ampel näherte. Weiter ist
das Gericht aufgrund seiner glaubhaften Darstellung davon
überzeugt, dass die Ampel insgesamt für den Rechtsabbieger- und Geradeausverkehr Grün anzeigte, als er die Ampel im Bereich des Fußgängerüberwegs passierte. Das Gericht ist darüber hinaus aufgrund der glaubhaften Aussage
der Zeugin H. davon überzeugt, dass die Fußgängerampel für
die Bekl. auf Rot stand, als sie den Fußgängerüberweg der
Fahrspur des Zeugen R. überquerte. Die Zeugin H. stand direkt an der Ampel und wollte selbst die Ampel in der gleichen Richtung wie die Bekl. überqueren. Sie hatte es eilig und
wollte den Bus auf der anderen Straßenseite erreichen, hatte
also ein Interesse daran, so schnell wie möglich die Straße zu
überqueren. Sie wartete dort bewusst, weil die Ampel für sie
und die Bekl. Rot anzeigte. Gleichwohl überquerte die Bekl.
die Ampel dort. ….(die Beweiswürdigung wird weiter ausgeführt).
Die Bekl. hat dem Kl. demnach seinen entstandenen Schaden
zu ersetzen. Dieser setzt sich zur Überzeugung des Gerichts
aus der Selbstbeteiligung in Höhe von 500,00 ¡, einer Wertminderung von 350,00 ¡ und einer allgemeinen Kostenpauschale in Höhe von 25,00 ¡ zusammen.
Die Wertminderung schätzt das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO
auf 350,00 ¡. Es ist absolut nachvollziehbar und sehr gering
angesetzt, wenn bei einem Frontschaden dieses Ausmaßes
mit Reparaturkosten von über 2000,00 ¡ eine Wertminderung von 350,00 ¡ geltend gemacht wird. Das Fahrzeug des
Kl. war zum Unfallzeitpunkt gerade einmal etwa sechs Wochen zugelassen und hatte 2400 km gelaufen. Ein Seat Mii
kostet ab etwa 9000,00 ¡ neu, da stellt sich eine Wertminderung von 350,00 ¡ also gerade einmal als knapp 4% des Neupreises, selbst bei den preiswertesten Ausstattungsvarianten,
dar. Gerade bei einem reparierten Frontschaden, welchen man
bei einem Verkauf von sich aus angeben müsste und welchen
man auch als Laie und Kaufinteressent bei Nachlackierungen
im Frontbereich gerade im Bereich des Übergangs von Kotflügel zu Motorraum/-haube leicht erkennen kann, ist zur Überzeugung des Gerichts eine Wertminderung evident. Es erscheint dem Gericht sachgerecht, eine solche Wertminderung
bei mindestens 350,00 ¡ anzusetzen. Dieser Betrag wird zur
Überzeugung des Gerichts ein Minimum dessen sein, was
ein Kaufinteressent erfolgreich als Nachlass verlangen können
wird, wenn er ein unfallfreies Fahrzeug mit dem streitgegenständlichen vergleicht.
Eine allgemeine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 ¡ hält
das Gericht ebenfalls nach § 287 Abs. 1 ZPO für angemessen
und sachgerecht. Diese ist von der Bekl. ebenfalls als Schaden
zu erstatten.
Der Kl. hat jedoch keinen Anspruch auf Zahlung von 406,00 ¡
als Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum der Reparaturdauer von 12 Tagen vom 22.11.2012 bis zum 5.12.2012.
Dem Kl. ist durch die Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs in
diesem Zeitraum zur Überzeugung des Gerichts kein ersatzfähiger materieller Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB entstanden, den die Bekl. ausgleichen müsste. Der Ersatz eines
nur immateriellen Schadens schadet mangels gesetzlicher
Grundlage nach § 253 Abs. 1 BGB aus.
Der Kl. trägt vor, ihm sei aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs im Zeitraum vom 22.11.2012 bis 5.12.2012 ein
SchlHA 1/2015
Schaden in Höhe von 29,00,00 ¡ für jeden Tag entstanden,
in welchem ihm kein Ersatzfahrzeug zur Verfügung gestanden
habe. Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass dem Kl. ein
solcher materieller Schaden entstanden ist.
Der Bundesgerichtshof (BGH) stellte in einer Entscheidung
vom 30.9.1963
(BGH NJW 1964, 542)
zwar fest, dass allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstellen könne.
Begründet wurde dies insbesondere damit, dass zum einen
alles einen Vermögensschaden darstellen könne, was ihm Verkehr mit Geld erlangt zu werden pflegt. Da die Verfügbarkeit
eines Kraftfahrzeugs in den meisten Fällen mit Miet- oder Anschaffungs- und Betriebskosten erkauft werden muss, stelle
also auch der Verlust allein der abstrakten Benutzbarkeit einen
Verlust dieses geldwerten Vorteils dar. Der BGH stellte ohne
weitere Begründung fest, dass es damals „allgemein als wirtschaftlicher Vorteil angesehen“ werde, jederzeit und sofort ein
Kraftfahrzeug nutzen zu können.
Der BGH übersieht jedoch bei seiner Argumentation, dass der
Geschädigte aufgrund der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs
auch etwas erhält und stellt dieses in seine Abwägung nicht
mit ein. Der Geschädigte erhält nämlich während der Zeit der
Unbenutzbarkeit seines eigenen Fahrzeugs die grundsätzliche
und jederzeitige Möglichkeit, die Unbenutzbarkeit durch die Inanspruchnahme eines Mietwagens, eines Taxis oder Busses
oder sonstiger Beförderungsmöglichkeiten auf Kosten des
Schädigers bzw. dessen Haftpflichtversicherung auszugleichen. Der Geschädigte kommt so in den Genuss eines für ihn
jederzeit kostenfreien Transports, auch wenn er die Erstattung
grundsätzlich erst im Nachhinein erhält, sofern er nicht einen
Vorschuss vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung
verlangt. Dieser Transportkosten-Flatrate des Geschädigten im
Zeitraum der Unbenutzbarkeit seines Fahrzeugs kommt zur
Überzeugung des Gerichts ebenfalls ein Vermögenswert zu,
welcher in der Summe den ihm nach Auffassung des BGH entstehenden Schaden durch die Unbenutzbarkeit des Fahrzeugs
ausgleicht. Schließlich kommt einer Netzkarte der Deutschen
Bahn oder Netzkarte des öffentlichen Nahverkehrs unzweifelhaft ebenfalls ein erheblicher Vermögenswert zu.
Die Tatsache, dass der Geschädigte sich, da er in der Regel in
Vorleistung wird treten müssen oder wollen, vermutlich auf
die notwendigsten Fahrten beschränken wird, spricht nicht
gegen die Annahme eines mindestens äquivalenten Vermögenswerts. Ein wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch
wird sich nämlich aufgrund der erheblichen Kosten für Treibstoff und Wartungskosten auch bei seinem eigengenutzten
Kraftfahrzeug auf die notwendigen Fahrten beschränken.
Gegen die Annahme, dass dem Kl. allein durch die Unbenutzbarkeit kein materieller Schaden entstanden sein kann, spricht
auch nicht, dass nach Auffassung des BGH bei der Bestimmung des Schadens grundsätzlich der Ersatzanspruch unberücksichtigt bleiben müsse
(vgl. BGH NJW 58, 1085).
Nach Ansicht des BGH stellt sich der Schaden nämlich als der
Unterschied zwischen der Vermögenslage des Betroffenen,
wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat, und seiner Vermögenslage, wie sie ohne dieses Ereignis bestehen würde, wenn dabei der Ersatzanspruch selbst
unberücksichtigt bleibt, dar.
Bei der Betrachtung der Vermögenslagen stellt es sich allerdings so dar, dass der Kl. ohne den Unfall sein Fahrzeug während der Reparaturdauer durchgängig zur ständigen Verfügung
gehabt hätte. Aufgrund des Unfalls hatte der Kl. nun für 12
Tage überhaupt kein Fahrzeug zur Verfügung. Unterstellte
man, dass allein der Nutzungsmöglichkeit bereits ein eigener
Vermögenswert zukäme, so wurde ihm dieser Vermögenswert für die genannten Zeiträume entzogen und fehlt ihm in
der Differenzbetrachtung als eine Vermögensposition. Der Ersatzanspruch, welcher nach Auffassung des BGH bei der Betrachtung der Vermögenslagen vor und nach dem schadensstiftenden Ereignis nicht zu berücksichtigen ist, wäre demnach
hier der Anspruch des Kl. gegen die Bekl. auf Entschädigung
SchlHA 1/2015
des für den genannten Zeitraum entzogenen Vermögenswerts. Die Definition des BGH schließt zur Überzeugung des
Gerichts damit nicht aus, dass die fiktive Möglichkeit des Bekl.,
sich im Zeitraum der Reparaturdauer jederzeit ein Ersatzfahrzeug anzumieten, eine Taxifahrt zu unternehmen oder mit Bus
und Bahn zu fahren und die Kosten von der Bekl. ersetzt oder
als Vorschuss zu verlangen, den Verlust des Fahrzeugs für diesen Zeitraum vollumfänglich und gleichwertig ausgleicht. Die
Möglichkeit, sich auf Kosten der Bekl. alternativen Transport zu
verschaffen stellt sich schließlich inhaltlich als ein anderer Anspruch dar und entspricht nicht dem Ersatzanspruch im Sinne
der Definition des BGH, welcher bei der Betrachtung der Vermögenslagen unberücksichtigt bleiben soll.
Im Übrigen schließt allein die Tatsache, dass der Kl. Gefahr
läuft, diese Kosten nicht erstattet zu bekommen, nicht die
Gleichwertigkeit dieses Anspruchs zur Überzeugung des Gerichts aus. Schließlich läuft ein Geschädigter in sämtlichen Fällen des Schadensersatzrechts Gefahr, dass der Geschädigte,
aus welchem Grund auch immer, z.B. aufgrund von Zahlungsunfähigkeit, den von ihm verursachten Schaden nicht wird begleichen können. Gerade im Bereich des Verkehrsunfallrechts
dürfte diese Gefahr zudem zu vernachlässigen sein, da der
Schädiger gesetzlich verpflichtet ist, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, die genau diese Schäden trägt.
Auch die Tatsache, dass im Rahmen der vom Geschädigten zu
wählenden Transportmöglichkeiten selbstverständlich die Grundsätze der Schadensminderungspflicht zu berücksichtigen sind,
spricht nicht gegen die Annahme, dass bei wertender Betrachtung allein aufgrund der tatsächlich fehlenden Nutzungsmöglichkeit noch kein Vermögensschaden vorliegt. Schließlich gilt
dieser Grundsatz in sämtlichen Bereichen des Schadensersatzrechts und daher ist es nur folgerichtig, dass der Geschädigte auch im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität
eine gleichwertige und von mehreren zur Verfügung stehenden gleichwertigen, auch die günstigste Variante wählt.
Darüber hinaus ist auch der Geschädigte ohnehin im Hinblick
auf die Regelung in § 241 Abs. 2 BGB gehalten, im Rahmen
des aufgrund des Unfalls entstandenen gesetzlichen Schuldverhältnisses nach seinem Inhalt auch Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils, also des
Schädigers, zu nehmen. Dies beinhaltet zur Überzeugung des
Gerichts in etwa auch, dass mit Rücksicht auf das Vermögen
des Schädigers der zu ersetzende Schaden möglichst gering
zu halten ist.
Verzichtet der Geschädigte folglich im Rahmen der Wiederherstellung seiner Mobilität im Übergangszeitraum nach einem
Unfall freiwillig auf die Verursachung von Kosten, so entsteht
ihm auch kein Vermögensschaden. In der Summe steht dann
nämlich der potentiellen Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs
die dem Geschädigten potentiell mögliche und für ihn im Ergebnis kostenfreie Inanspruchnahme anderweitiger Transportmöglichkeiten gegenüber.
Im Übrigen begegnet bereits die Annahme des BGH, dass
allein die Unbenutzbarkeit eines Kraftfahrzeugs einen materiellen Vermögensschaden darstelle, mehr als erheblichen Bedenken des Gerichts.
Auch der BGH hat seine Annahme, dass bereits die Unbenutzbarkeit an sich einen Vermögensschaden darstellt, in der Folgezeit erheblich eingeschränkt. Schließlich machte der BGH
mit seiner Entscheidung vorn 15.4.1966
(BGH NJW 1966, 1260)
das Vorliegen eines materiellen Vermögensschadens davon
abhängig, dass der Geschädigte während der Zeit des Nutzungsausfalls auch einen tatsächlichen Nutzungswillen und
eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit hatte. Die Voraussetzung einer solchen „fühlbaren Nutzungsbeeinträchtigung“
solle vorbeugen, dass der Geschädigte den Unfall „zur Gewinnerzielung“ ausnutze
(BGH NJW 1966, 1260).
Diese Argumentationen auf der subjektiven Ebene des Geschädigten zeigen, wie wenig überzeugend die Begründung
zur Entstehung und Ersatzfähigkeit eines Nutzungsausfallschadens als materiellem Schaden ist.
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Ein ersatzfähiger Schaden nach § 249 Abs. 1 BGB berechnet
sich nämlich grundsätzlich aus einem Vergleich der Vermögenslagen des Betroffenen, wie sie sich infolge des schadenstiftenden Ereignisses gestaltet hat und wie sie ohne dieses
Ereignis bestehen würde. Diese Definition kommt vollständig
ohne subjektive Beeinträchtigungs- oder Beschädigungsempfindungen beim Geschädigten aus. Die Hinzunahme der Kriterien der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit und des tatsächlichen Nutzungswillens verdeutlicht eindrucksvoll, um was es
sich bei einem Nutzungsausfalls tatsächlich handelt, nämlich
einen immateriellen Schaden, der sich nicht notwendigerweise auf die Vermögenslage des Geschädigten auswirken muss.
Durch eine Nutzungsausfallentschädigung soll selbst nach der
Argumentation des BGH in seiner genannten Entscheidung
vom 15.4.1966 nur eine „fühlbare“ Nutzungsbeeinträchtigung
ausgeglichen werden. Solche immateriellen Schäden sind
allerdings nach § 253 Abs. 1 BGB nur in dem vom Gesetz
vorgesehen Fällen auszugleichen und eine solche gesetzliche
Regelung ist hier nicht ersichtlich.
Auch die offensichtliche Hauptbegründung des BGH im Urteil
vom 15.4.1966 zum Vorliegen eines materiellen Schadens trägt
zur Überzeugung des Gerichts nicht. Der BGH führte aus:
„Für die Zubilligung einer Geldentschädigung zum Ausgleich
der Nutzungsentziehung spricht es vor allem dass der betroffene Wageneigentümer vom Schädiger die Stellung eines Ersatzfahrzeugs oder die Vorlage der Kosten für die Anmietung
eines Ersatzfahrzeugs hätte fordern können. Die Berechtigung
eines solchen Anspruchs ergibt sich aus § 249 BGB und ist
allgemein anerkannt, wenn ein Bedürfnis für die Benutzung
eines Ersatzwagens in der Reparaturzeit zu bejahen ist Würde mit der Charakterisierung dieses Anspruchs als eines nur
transitorischen oder zweckgebundenen das Ergebnis gewonnen, dass nach Unterbleiben der Ersatzwagenbeschaffung ein
Ausgleichsanspruch entfiele, so wäre durch diese Rechtsauffassung für die Schädiger und ihre Haftpflichtversicherer ein
starker Anreiz gegeben, die Erfüllung berechtigter (aber nur
transitorischer) Ansprüche abzulehnen und darauf zu vertrauen, der Anspruchsteller werde von der Anmietung eines Ersatzwagens aus Scheu vor einem finanziellen Risiko oder mangels liquider Geldmittel absehen und sich behelfen. Wenn die
unberechtigte Weigerung, eine Schuld zu erfüllen, im Ergebnis
zur vollen Schuldbefreiung führt, so ist das insbesondere dann
ein unerfreuliches Ergebnis, wenn das Motiv des Betroffenen,
kein Risiko einzugehen, durchaus verständlich ist.“
Allein die Tatsache, dass Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung sich unter Umständen einer Ersatzpflicht dadurch
entziehen könnten, dass sie zunächst einen Vorschuss in der
Hoffnung ablehnen, der Geschädigte werde während der Zeit
des Nutzungsausfalls keine ersatzfähigen Kosten verursachen,
trägt keinesfalls als Argument dafür, dass ein tatsächlich nicht
vorliegender Schaden materieller Art in einen solchen umgedeutet wird. Selbst der BGH geht offenbar davon aus, dass die
Charakterisierung des Anspruchs auf Wiederherstellung der
Mobilität viel naheliegender als transitorisch und zweckgebunden ist und wegfällt, sofern im Zeitraum der Unbenutzbarkeit
tatsächlich keine Kosten entstehen. Allein die abstrakte Befürchtung des BGH, ein Haftpflichtversicherer oder ein Schädiger könnten versuchen, die Entstehung eines materiellen
Schadens dadurch verhindern, dass Ansprüche auf Vorschüsse zurückgewiesen werden, ist zur Überzeugung des Gerichts
kein sachgerechtes Argument zur Begründung, dass es sich
um einen materiellen Schaden handelt.
Dem deutschen Zivilrecht sind schließlich „Bestrafungen“
eines Schädigers fremd. Anders als etwa in den USA, sind
sogenannte „punitive damages“, also eine Schadensersatzsumme, welche den Schädiger davon abhalten soll, in der Zukunft weitere Schädigungen zu begehen oder ihn animieren
soll, Vorsorge zu treffen, dass weitere Schädigungen in der
Zukunft ausgeschlossen sind, im deutschen Recht nicht vorgesehen. Die Begründung der Berechtigung eines Anspruchs
auf Nutzungsausfallentschädigung damit dass der Schädiger
sich einer Ersatzpflicht nicht entziehen können soll, zielt jedoch auf eine solche präventive Bestrafung ab. Nur dass die-
34
se Bestrafung offenbar noch früher greifen soll nämlich bevor
überhaupt feststeht, dass der Schädiger mit seinem dem Unfall möglicherweise nachgelagerten Verhalten überhaupt eine
Vermeidung von berechtigten Schadensersatzforderungen
beabsichtigt. Diese Unterstellung möglichen Schädiger Verhaltens vermag zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls die
Umdeutung eines immateriellen in einen materiellen Schaden
begründen.
II. Der Kl. hat ein berechtigtes Interesse und einen Anspruch
auf Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet ist, die dem Kl.
bezüglich der Vollkaskoversicherung bei der Signal Iduna, Versicherungsnummer XXX, aufgrund des Unfalls vom 22.11.2012
entstehende Prämienmehrbelastung zu erstatten. Diese
beläuft sich nach einer vorläufigen Berechnung auf etwa
473,75 ¡.
III. Der Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
ergibt sich als adäquater Schaden aus §§ 823, 249 BGB. Der
Anspruch auf die Verzugszinsen auf Rechtsanwaltskosten und
Hauptforderung ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB. Das Gericht
hat den Antrag zu 1) so ausgelegt, dass der Kl. die Zinsen seit
der Rechtshängigkeit begehrt, da der Kl. keine weiteren Ausführungen zu einem möglichen Verzugseintritt gemacht hat.
IV. Die Entscheidung zu den Kosten des Rechtsstreits folgt aus
§ 92 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert beträgt insgesamt 1754,75 ¡
und der Kl. unterliegt mit 406,00 ¡, was in etwa 23% entspricht.
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
VI. Die Berufung wird nach § 511 Abs. 4 ZPO für den Kl. zugelassen, da die Entscheidung zur Nutzungsausfallentschädigung grundsätzliche Bedeutung hat und einer Fortbildung des
Rechts dient.
BGB §§ 666, 667, 812, 1922, 2039
1.  Bei der Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht
für ein Kind des Vollmachtgebers wird in der Regel nicht
von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, sondern von
einem Auftragsverhältnis auszugehen sein
2.  Die Erteilung eines schriftlichen Auftrags an ein Kind
des Vollmachtgebers, drei Konten aufzulösen, von dem
Guthaben Goldbarren zu kaufen und diese dem Vollmachtgeber auszuhändigen, spricht für das Vorliegen
eines Rechtsbindungswillens und gegen ein bloßes
Gefälligkeitsverhältnis.
3.  Im Fall von § 667 BGB trifft die Darlegungs- und Beweislast für die auftragsgemäße Verwendung bzw.
Herausgabe des Erlangten den Bevollmächtigten. Eine
Ausnahme ist nach § 242 BGB nur dann anzunehmen,
wenn es um regelmäßig getätigte Kontoabhebungen
von Beträgen geht, die für das tägliche Leben des Auftraggebers erforderlich erscheinen, und wenn jahrelang wegen des Vertrauensverhältnisses Abrechnungen
oder Quittungen nicht verlangt worden sind.
SchlHOLG, 3. Zivilsenat, Urteil vom 18. März 2014 – 3 U 50/13 –, Te.
Die Kl.in und die Bekl. sind Töchter der am 2. Dezember 2010 in Kiel verstorbenen A. Der Ehemann der Erblasserin und Vater der Parteien ist bereits am
8. April 1985 verstorben. Die Kl.in und die Bekl. sind im Wege der gesetzlichen
Erbfolge jeweils zur Hälfte Erben der Erblasserin geworden.
Die Erblasserin erklärte in einer von ihr unterzeichneten schriftlichen Erklärung
vom 2. Oktober 2009, dass ein bestimmtes Depotkonto und zwei bestimmte
Sparbücher aufgelöst und die freiwerdenden Beträge zum Ankauf von Gold verwendet werden sollten, das sie zu ihren Händen erbat. In dieser Erklärung heißt
es weiter, dass sie mit der Abwicklung ihre Tochter (die Bekl.) beauftrage. Die
Bekl. – der die Erblasserin bereits früher Bankvollmacht erteilt hatte – erhielt von
ihrer Mutter unter dem 18. November 2009 auch eine schriftliche Vorsorgevollmacht. Die Parteien streiten über die Verwendung bzw. den Verbleib von Abhebungen, die die Bekl. von Konten der Erblasserin seit dem 23. November 2009
vorgenommen hat, und darüber, ob die Bekl. nach dem unstreitigen Ankauf der
Goldbarren im Dezember 2009 diese der Erblasserin übergeben hat.
Das Landgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme überwiegend stattgegeben Die Kl.in könne von der Bekl. aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus
dem Auftragsverhältnis in Verbindung mit § 2039 BGB Herausgabe der Goldbarren an die Erbengemeinschaft verlangen. Die Bekl. habe nicht bewiesen,
die Goldbarren der Erblasserin übergeben zu haben. Außerdem könne die Kl.in
aus den eingangs genannten beiden Rechtsgründen auch die Zahlung an die
Erbengemeinschaft in Höhe von 8893,98 ¡ verlangen. Von den unstreitig von
der Bekl. in der Zeit vom 22. Dezember 2009 bis zum Tod der Erblasserin vorgenommenen Abhebungen vom Konto der Erblasserin in Höhe von 31236,65 ¡
SchlHA 1/2015
seien insgesamt 22 342,67 ¡ abzuziehen (Heimkosten: 16 500,00 ¡; Taschengeld/Lebensunterhalt: 3300,00 ¡; Miete für die bisherige Wohnung: 1758,40 ¡;
Kurzzeitpflege: 227,20 ¡; Auflösung der Mietwohnung: 479,72 ¡ und 77,35 ¡),
so dass sich ein Abhebungsbetrag in Höhe von 8893,98 ¡ ergebe, dem keine
weiteren Ansprüche der Bekl. gegenüberstünden. Weitere Aufwendungen der
Bekl. seien nicht dargelegt worden. Eine Abrede zwischen der Bekl. und der
Erblasserin, die Bekl. könne sich für Pflege- und Hilfsleistungen sowie für den
Fahrtkostenaufwand Gelder abheben, sei ebenfalls weder hinreichend dargelegt
noch durch die Vernehmung des Ehemannes als Zeugen bewiesen worden. Die
Bekl. habe keinen Zeitaufwand an Betreuungsleistungen dargelegt, der über
das zwischen Eltern und Kindern übliche Maß hinausgehe. Auch der Ehemann
habe in seiner Zeugenvernehmung keine präzisen Angaben dazu machen können, was die Erblasserin und die Bekl. möglicherweise besprochen hätten.
Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Bekl. blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen
Die Berufung der Bekl. ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Kl.in steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Herausgabe der Goldbarren und ein Zahlungsanspruch in Höhe von
8893,98 ¡, jeweils an die Erbengemeinschaft, zu.
Die Kl.in kann diese Ansprüche der Erbengemeinschaft gemäß
§ 2039 Satz 1 BGB im eigenen Namen für die Erbengemeinschaft geltend machen
(Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 2039, Rn. 6).
Die Ansprüche auf Herausgabe bzw. Zahlung an die ungeteilte
Erbengemeinschaft, bestehend aus den Parteien zu je ½, beruhen auf einem ursprünglich der Erblasserin gegen die Bekl.
zustehenden Anspruch aus § 667 Alt. 2 BGB (oder hilfsweise
aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nach dem Tod der Erblasserin
sind die Ansprüche der Erblasserin gemäß §§ 1922 Abs. 1,
1942 Abs. 1 BGB auf die Kl.in und die Bekl. als Miterbinnen
übergegangen.
a) Der Anspruch auf Herausgabe der Goldbarren ergibt sich
aus § 667 Alt. 2 BGB. Danach ist der Beauftragte verpflichtet,
alles, was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, an den
Beauftragten herauszugeben.
aa) Zwischen der Erblasserin und der Bekl. bestand ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB und nicht lediglich ein
bloßes Gefälligkeitsverhältnis.
Gemäß § 662 BGB liegt ein Auftrag vor, wenn sich der Beauftragte verpflichtet, ein ihm vom Auftraggeber übertragenes
Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen. Die Entscheidung, ob ein Auftragsverhältnis oder ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswille anzunehmen ist, erfolgt
im Wege der Auslegung im konkreten Einzelfall nach Treu und
Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte. Es kommt darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt. Eine vertragliche
Bindung wird insbesondere dann zu bejahen sein, wenn erkennbar ist, dass für den Leistungsempfänger wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art auf dem Spiel stehen und er sich
auf die Zusage des Leistenden verlässt oder wenn der Leistende an der Angelegenheit ein rechtliches oder wirtschaftliches Interesse hat. Ist dies hingegen nicht der Fall, kann dem
Handeln der Beteiligten nur unter besonderen Umständen ein
rechtlicher Bindungswille zugrunde gelegt werden. Ein Bindungswille wird deshalb in der Regel bei dem sogenannten
Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens, bei Zusagen im
rein gesellschaftlichen Verkehr oder bei Vorgängen, die diesen
ähnlich sind, zu verneinen sein
(BGH, Urt. v. 21.6.2012 – III ZR 290/11, bei juris Rn. 14 mwN; zum Ganzen:
Staudinger/Martinek, BGB, Bearb. 2006, § 662, Rn. 8; PWW/Fehrenbacher, BGB, 8. Aufl. 2013, § 662, Rn. 4; Palandt/Sprau, BGB, 73. Aufl. 2014,
vor § 662, Rn. 4).
Bei der Einräumung von Kontovollmachten ist in der Rechtsprechung in einigen Fällen ein Gefälligkeitsverhältnis bejaht worden, sofern ein besonderes Vertrauensverhältnis vorliegt. So
hat der BGH angenommen, dass zwischen Eheleuten ein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662 ff. BGB selbst dann nicht
bestehe, wenn sie übereingekommen seien, während des Zusammenlebens die Aufgabenbereiche in der Weise zu regeln,
dass einer von ihnen die Wirtschaftsführung allein übernehme
und die verfügbaren Mittel im Wesentlichen aus den Einkünften oder dem Vermögen des anderen Ehegatten zuflössen
(BGH, Urt. v. 5.7.2000 – XII ZR 26/98, bei juris Rn. 13).
In zwei Entscheidungen haben Oberlandesgerichte diese
SchlHA 1/2015
Rechtsprechung auf Fälle von Kontovollmachten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
(OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2006 – I-4 U 102/05, bei juris Rn. 22 ff.)
bzw. im Verhältnis zwischen einer Großmutter und einem Enkel, der sie in sein Haus aufgenommen hatte
(OLG Naumburg, Urt. v. 6.7.2007 – 10 U 27/07, bei juris Rn. 34 f.),
übertragen. Der BGH hat jedoch 2008 klargestellt, dass für
seine Entscheidung aus dem Jahr 2000 die Besonderheiten
der ehelichen Lebensgemeinschaft maßgebend gewesen
seien und sie auf Fallgestaltungen mit sonstigem familiären
oder personalen Einschlag nicht übertragbar sei
(BGH, Urt. v. 26.6.2008 – III ZR 30/08, bei juris Leitsatz und Rn. 2).
Bei der Erteilung einer umfassenden Vorsorgevollmacht wird
in der Regel nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis,
sondern von einem Auftragsverhältnis auszugehen sein
(OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013 – 3 U 1/12, bei juris Rn. 82; Palandt/
Götz, 73. Aufl. 2014, Einf. v. § 1896, Rn. 6).
Selbst bei bevollmächtigten Kindern ist außerordentliche Zurückhaltung bei der Verneinung eines Rechtsbindungswillens
geboten
(OLG Brandenburg, aaO, Rn. 83 im Anschluss an Horn/Schnabel, Auskunfts- und Rückforderungsansprüche nach möglichem Vollmachtsmissbrauch, NJW 2012, 3473, 3474)
und bedarf es daher konkreter Anhaltspunkte dafür, dass aufgrund des besonderen Vertrauens keine Informationspflichten
für die Zukunft entstehen sollen. Die Anforderungen für die
Annahme eines besonderen Vertrauensverhältnisses, das
lediglich ein reines Gefälligkeits- und kein Auftragsverhältnis
entstehen lässt, sind damit sehr hoch. Das bloße verwandtschaftliche Verhältnis zwischen Mutter und Tochter reicht keinesfalls aus.
Nach Auffassung des Senats sprechen mehrere Umstände
für das Vorliegen eines Auftragsverhältnisses mit Rechtsbindungswillen.
Zwischen der Erblasserin und der Bekl. bestand seit vielen
Jahren ein Vertrauensverhältnis. Die Erblasserin erteilte wohl
schon nach dem Tod ihres Ehemannes, auf jeden Fall bereits
mehrere Jahre vor ihrem Tod der Bekl. zunächst Bankvollmachten, von denen aber damals nur sehr selten Gebrauch
gemacht wurde (Schriftsatz der Bekl. vom 8. Mai 2012, Bl. 29
f. d.A.; siehe auch Bl. 102 und 108 d.A.). Nach der Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes unterzeichnete die Erblasserin am 18. November 2009 eine umfassende Vorsorgevollmacht und eine Betreuungsverfügung, nach der ggf. die Bekl.
zu ihrer Betreuerin bestellt werden sollte. In einem Schreiben
vom 2. Oktober 2009 hatte die Erblasserin zudem verfügt,
dass ihr Depotkonto bei der Frankfurter Fondsbank sowie ihre
Sparkonten bei der Förde-Sparkasse und bei der Postbank aufgelöst werden sollten und dafür Gold gekauft werden sollte,
das ihr übergeben werden sollte.
Zumindest bei der Vorsorgevollmacht und der Betreuungsverfügung handelt es sich um schriftliche Rechtsakte, die
regelmäßig auf einem Rechtsbindungswillen beruhen. Dies
gilt erst recht für den schriftlich erteilten Auftrag, die drei Konten aufzulösen und von den Guthaben Goldbarren zu kaufen.
Wenn ein derartiger Auftrag der Mutter an die Tochter sogar
schriftlich erteilt wird, spricht dies sehr deutlich für das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens. Dass dieser Auftrag lediglich im Hinblick auf die Bank schriftlich fixiert worden sein soll,
leuchtet nicht ein, da die Bekl. bereits seit Jahren über eine
Bankvollmacht verfügte. Vielmehr unterstreicht die schriftliche
Auftragserteilung die Bedeutung, die diese Angelegenheit für
die Erblasserin hatte. Auch wird man annehmen können, dass
für die Erblasserin wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art
auf dem Spiel standen. Immerhin handelte es sich um einen
erheblichen Teil ihrer Ersparnisse.
Dass die Bekl. sich um die Erblasserin gekümmert hat, begründet im Übrigen nicht schon ein besonderes Vertrauensverhältnis, in dem die Erblasserin auf Auskunftserteilung,
Rechenschaftslegung und Herausgabe des Erlangten von
vornherein verzichten wollte
(vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 19.3.2013, aaO, Rn. 86).
Dies gilt umso mehr, als die Bekl. selbst die Erblasserin als
„sehr bestimmend und eigen“ beschreibt, die Bekl. habe die
35
Entscheidungen respektieren müssen und sie sei „lediglich
das ausführende Organ“ gewesen. Auch insofern kann man
nicht von einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen
Erblasserin und Beklagter, wie es für ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis Voraussetzung wäre, sprechen.
Auch aus der Entscheidung des OLG Köln vom 19. September 2012
(OLG Köln, Urt. v. 19.9.2012 – I-16 U 196/11),
auf die sich die Bekl. beruft, lässt sich nicht herleiten, dass zwischen Erblasserin und Beklagter kein Auftrags-, sondern lediglich ein Gefälligkeitsverhältnis bestand. Die Entscheidung lässt
sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. Das OLG Köln
führt in seinem Urteil aus, dass ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Kind dann besteht, wenn das
Kind nicht nur über eine Bankvollmacht verfügt, sondern wenn
es sich im gesteigerten Maße um die Mutter kümmert. Dieses
Urteil beruht auf der besonderen Konstellation, dass eine mit
„Vorsorgevollmacht und Auftrag“ überschriebene Notarurkunde, die eine Generalvollmacht enthielt, im Innenverhältnis erst
im Vorsorgefall Wirksamkeit entfalten sollte und dieser Fall nie
eingetreten ist
(OLG Köln, bei juris Rn. 14).
Somit konnte aus der Errichtung der Vorsorgevollmacht kein
Rechtsbindungswille hergeleitet werden. Außerdem wurden
mit der Bankvollmacht regelmäßige Bargeldabhebungen vorgenommen, die in etwa den laufenden Einnahmen der Erblasserin entsprachen, und es handelte sich um wiederkehrende
Ausgaben der Haushaltsführung
(OLG Köln, bei juris Rn. 16).
Im vorliegenden Fall ist jedoch der Vorsorgefall eingetreten
und es handelt sich nicht um regelmäßige Bargeldabhebungen, die in etwa den laufenden Einnahmen der Erblasserin entsprachen und die die wiederkehrenden Ausgaben der
Haushaltsführung deckten. Die Entscheidung des OLG Köln
betrifft offenbar einen Sonderfall und gibt keinen Anlass, von
der vom BGH in seinem Urteil vom 26. Juni 2008 eingeschlagenen und auch vom OLG Brandenburg in seinem Urteil vom
19. März 2013 verfolgten Linie abzuweichen.
bb) Im Fall von § 667 BGB trifft die Darlegungs- und Beweislast für die auftragsgemäße Verwendung des Erlangten und
damit auch für die auftragsgemäße Herausgabe des Erlangten
an den Erblasser den Bevollmächtigten
(BGH, Urt. v. 21.6.2012, aaO, Rn. 32; Senat, Urt. v. 16.3.2010 – 3 U 76/09, bei
juris Rn. 47; OLG Brandenburg, aaO, Rn. 89; Horn/Schnabel, aaO, 3477).
Eine Ausnahme ist nach § 242 BGB nur dann anzunehmen,
wenn der Auftraggeber eine Rechnungslegung im Sinne von
§ 666 BGB über Jahre hinweg nicht verlangt hat und Quittungen nie ausgestellt worden sind. Ein solcher Sonderfall liegt
etwa vor, wenn es um Abhebungen von Beträgen geht, die für
das tägliche Leben des Auftraggebers erforderlich erscheinen,
und wenn jahrelang wegen des Vertrauensverhältnisses Abrechnungen oder Quittungen nicht verlangt worden sind
(Senat, Urt. v. 16.3.2010, aaO, Rn. 54 f.).
Die Darlegungs- und Beweislast für die auftragsgemäße Herausgabe der Goldbarren an die Erblasserin trifft die Bekl.. Eine
Ausnahme ist nicht gegeben, da die Erblasserin nicht „jahrelang“ von einem Rechenschaftsverlangen abgesehen hat.
Auch nach dem Vortrag der Bekl. gab es bis Mitte November
2009 keinen Grund für eine Abrechnung oder Rechnungslegung, da die Erblasserin ihre finanziellen Angelegenheiten im
Wesentlichen selbst regelte und nur „sehr selten“ die Bekl.
dafür in Anspruch nahm. Mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes im Herbst 2009 ergab sich eine neue
Situation. Die dann erfolgte Umwandlung der Sparguthaben
in Goldbarren reiht sich nicht in eine jahrelang geübte Praxis
von Geldabhebungen zur Sicherung des täglichen Lebens zwischen Erblasserin und Beklagter ein. Vielmehr handelte es sich
um einen wesentlichen Teil des Ersparten der Erblasserin.
Der Bekl. ist nicht der Beweis gelungen, dass sie den Umschlag
mit den Goldbarren tatsächlich der Erblasserin übergeben hat.
Dass die Bekl. die Goldbarren in der Stückelung 1 Goldbarren
à 500 g, 4 Goldbarren à 20 g und 1 Goldbarren à 10 g zu einem
Preis von 15 055,00 ¡ erhalten und somit „etwas“ im Sinne
36
von § 667 BGB „erlangt“ hat, ist unstreitig. Eine schriftliche Bestätigung über den Erhalt der Goldbarren durch die Erblasserin
gibt es nicht, obwohl – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – eine Quittierung angesichts der schriftlichen Auftragserteilung durchaus zu erwarten gewesen wäre. Es hätte
nahe gelegen, sich die Übergabe der Goldbarren quittieren zu
lassen oder einen neutralen Zeugen, etwa aus der Heimverwaltung, hinzuziehen. Soweit das Landgericht aufgrund der
Widersprüche zwischen den Ausführungen der Bekl. in ihrer
persönlichen Anhörung am 22. März 2013 und Teilen der Aussage des Zeugen X vom selben Tag erhebliche Zweifel an der
von der Bekl. behaupteten Übergabe der Goldbarren an die
Erblasserin am 22. oder 23. Dezember 2009 im Zimmer des
Pflegeheims äußert, ist dies nicht zu beanstanden. Es bestehen keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom Landgericht zugrunde gelegten entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und
deshalb eine erneute Feststellung gebieten, so dass der Senat
die vom Landgericht festgestellten Tatsachen seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Gegen
die Behauptung der Bekl. sprechen im Übrigen nicht nur die
bereits vom Landgericht benannten Widersprüche zwischen
den Aussagen der Bekl. und des Zeugen, sondern auch ihr unstreitiges Telefonat und ihr Schreiben an die Kl.in Anfang 2010,
in dem sie auf fehlendes Geld zur Deckung der laufenden
Pflegeheimkosten hinwies. Die Bekl. erwähnte dabei die ihr
bekannten Goldbarren im Wert von 15 055,00 ¡ nicht. Eine
Geldnot der Erblasserin war somit aber gar nicht ersichtlich.
cc) Soweit die Bekl. geltend macht, die Verurteilung zur Herausgabe der Goldbarren sei auf etwas Unmögliches gerichtet,
hilft dies ihrer Berufung nicht zum Erfolg, denn die Einwendung der Unmöglichkeit der Herausgabe hat der Beauftragte
zu beweisen
(Palandt/Sprau, aaO, § 667, Rn. 9 und 10).
Daran fehlt es hier, weil unstreitig ist, dass die Bekl. die Goldbaren erhalten hat, sie aber nicht bewiesen hat, diese Goldbarren
wie von ihr behauptet der Erblasserin übergeben zu haben.
b) Der Anspruch auf Zahlung von 8893,98 ¡ an die Erbengemeinschaft ergibt sich ebenfalls aus § 667 Alt. 2 BGB.
aa) Auch hinsichtlich der Barabhebungen im Zeitraum zwischen dem 23. November 2009 und dem Tod der Erblasserin
am 2. Dezember 2010 ist von einem Auftragsverhältnis und
nicht lediglich von einem Gefälligkeitsverhältnis ohne Rechtsbindungswillen auszugehen.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob bereits mit der Erteilung
der Bankvollmachten ein Auftragsverhältnis entstanden ist, da
sie der Bekl. eine Zugriffsmöglichkeit auf das gesamte Vermögen der Erblasserin eröffneten. Auf jeden Fall ist für den hier
allein maßgeblichen Zeitraum zwischen dem 23. November
2009 und dem 2. Dezember 2010 ein Auftragsverhältnis gegeben. Ab diesem Zeitpunkt zeigte sich deutlich, dass die Erblasserin aufgrund ihres sich verschlechternden Gesundheitszustandes kaum noch selbst Bankgeschäfte würde vornehmen
können. Die Bekl. übernahm die Geldgeschäfte für die Erblasserin nun nicht mehr nur aufgrund der Bankvollmachten, sondern auf der Grundlage der umfassenden Vorsorgevollmacht
vom 18. November 2009, die eine uneingeschränkte Vermögenssorge ermöglichte. Da nun die gesamte Vermögenssorge durch die Bekl. durchgeführt werden konnte, waren auch
wesentliche Interessen wirtschaftlicher Art der Erblasserin
berührt. Damit handelte es sich nicht lediglich um ein Gefälligkeitshandeln des täglichen Lebens; vielmehr lag ein Bindungswille spätestens mit der Errichtung der Vorsorgevollmacht,
dem Eintritt des Vorsorgefalls und dem Gebrauch-machen von
dieser Vollmacht durch die Bekl. vor.
bb) Die Darlegungs- und Beweislast für die auftragsgemäße
Verwendung des erlangten Geldes trifft die Bekl.. Eine Ausnahme ist nicht gegeben, da die Erblasserin nicht „jahrelang“
von einem Rechenschaftsverlangen abgesehen hat. Die hier
relevanten Geldabhebungen beziehen sich auf einen Zeitraum
von elf Monaten und setzen nicht eine jahrelang geübte Praxis
von Geldabhebungen zur Sicherung des täglichen Lebens zwischen Erblasserin und Bekl. fort.
SchlHA 1/2015
Die Bekl. hat für den Betrag in Höhe von 8893,98 ¡ keinen
Beweis für die auftragsgemäße Verwendung erbringen können. Sie hat unstreitig in der Zeit vom 23. November 2009
bis zum Tod der Erblasserin am 2. Dezember 2010 insgesamt
31236,65 ¡ von deren Konto abgehoben. Von diesem Betrag
sind folgende Positionen abzuziehen:
Heimkosten (11 x 1500,00 ¡)
16.500,00 ¡
Taschengeld, Lebensunterhalt (11 x 300,00 ¡) 3.300,00 ¡
Mietzins für die bisherige Wohnung
1.758,40 ¡
Kurzzeitpflege
227,20 ¡
Auflösung Mietwohnung (2 Rechnungen)
557,07 ¡
22.342,67 ¡
Entgegen der Auffassung der Bekl. sind von diesem Betrag
nicht noch weitere 5500,00 ¡ abzuziehen. Die Bekl. macht
geltend, dass für von ihr erbrachte Versorgungs- und Betreuungsleistungen für die Erblasserin in der Zeit von Dezember
2009 bis zum Tod der Erblasserin (11 Monate) 500,00 ¡ monatlich zu veranschlagen seien (bei einem Stundensatz von
25,00 ¡ und einem Aufwand von 4 Stunden pro Woche, vgl.
Berufungsbegründung vom 17. September 2013, Bl. 220 d.A.).
Die Bekl. will mit der Erblasserin einen Vertrag abgeschlossen
haben, der ein Entgelt für die von ihr erbrachten Versorgungsleistungen vorgesehen haben soll. Der Abschluss eines solchen Vertrages ist jedoch nicht substantiiert dargelegt worden.
Auch zur Höhe der Beträge gibt es keinen konkreten Vortrag.
Die Bekl. verweist dazu lediglich auf nicht näher bezeichnete
Rechtsprechung. Soweit das Landgericht auf der Grundlage
der Aussagen des Zeugen X festgestellt hat, dass eine über
die Erstattung der Auslagen hinausgehende Abrede über Abhebungen für Pflege- und Hilfsleistungen nicht bewiesen worden sei, sieht sich der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
daran gebunden.
Auch soweit die Bekl. rügt, dass die Festlegung eines Betrages
von 300,00 ¡ für den persönlichen Lebensbedarf der Erblasserin durch das Landgericht willkürlich sei, kann sie damit nicht
durchdringen. Das Landgericht ist von diesem Betrag ausgegangen, weil er von der Kl.in akzeptiert worden ist. Sofern
die Bekl. meint, dass dieser Betrag zu niedrig sei, trifft sie die
Darlegungs- und Beweislast dafür, dass sie von dem von ihr
abgehobenen Geld der Erblasserin noch weitere Beträge hat
zukommen lassen. Die Erblasserin befand sich in Vollzeitpflege, so dass ein über 300,00 ¡ hinausgehender Bedarf näher
hätte dargelegt werden müssen. Die Bekl. hat zwar dargelegt,
dass sie für die Erblasserin im Pflegeheim ein Verwahrkonto
eingerichtet habe; sie hat jedoch keine konkreten Angaben
zur Höhe der Einzahlungen gemacht. Dass in einem Fall nicht
einmal genug Geld für einen Friseurbesuch der Erblasserin
auf dem Verwahrkonto war, deutet eher darauf hin, dass auf
dieses Konto keine allzu großen Beträge eingezahlt wurden.
c) Die der Erblasserin zustehenden Ansprüche aus § 667 Alt.
2 BGB sind gemäß § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen. Die Bedenken der Bekl. gegen den Übergang der
Ansprüche der Erblasserin auf die Kl.in unter Hinweis auf eine
Entscheidung des BGH vom 19. September 1989 greifen nicht
durch. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Fall hatte der
Erblasser die ihm zustehenden Rechte nach §§ 666, 667 BGB
auf seine Person beschränkt; sie sollten nach seinem Tode erlöschen und aus dem der Vererbung unterliegenden Vermögen ausscheiden. Dieser Wille des Erblassers hatte in der Vollmachtsurkunde seinen deutlichen Ausdruck gefunden
(BGH, Urt. v. 19.9.1989 – XII ZR 26/98, bei juris Rn. 15).
Die Bekl. hat mit Schriftsatz vom 18. September 2012 vorgetragen, dass angesichts des besonderen Näheverhältnisses
zwischen ihr und der Erblasserin von der Erblasserin nicht gewollt gewesen sei, dass andere Personen, auch nicht die Kl.in,
Kenntnis über die Ausübung der Vollmacht und die in diesem
Zusammenhang vorgenommenen Handlungen in finanzieller
Hinsicht oder sonstiger Hinsicht hätten bekommen sollen.
Was zu Lebzeiten gegolten habe, müsse auch nach dem Tod
der Erblasserin weiterhin gelten. Das Urteil des BGH lässt
sich jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen. In der
Entscheidung des BGH handelte es sich um eine ausdrückliche Anordnung des Erblassers in der Vollmachtsurkunde. Eine
SchlHA 1/2015
solche ausdrückliche Anordnung enthält die von der Erblasserin unterschriebene Vorsorgevollmacht nicht. Es wird von der
Bekl. auch nicht vorgetragen, dass aufgrund einer ausdrücklichen Anordnung der Erblasserin ihre Rechte aus §§ 666, 667
BGB nicht auf die Erben übergehen und ihre Herausgabeansprüche nach ihrem Tod erlöschen sollten. Anders als in dem
vom BGH entschiedenen Fall hat der von der Bekl. behauptete
Wille der Erblasserin keinen Ausdruck in der Vollmachtsurkunde gefunden….
UWG §§ 5, 8; UKlaG § 4
Die Bezeichnung „SMS Flat“ für einen Tarif, bei dem nur
das Versenden von bis zu 3.000 SMS im Monat von der
Flatrate abgegolten ist, ist als irreführend unzulässig. Die
Bezeichnung „SMS Flat 3000“ für einen solchen Tarif ist
zulässig, sofern der Verbraucher noch vor der Kaufentscheidung durch einen deutlichen und unmissverständlichen Hinweis über den Inhalt des Tarifs aufgeklärt wird,
weil der Verbraucher die Erläuterungsbedürftigkeit dieser
Tarifbezeichnung erkennen kann und von sich aus nach einer entsprechenden Erläuterung sucht.
SchlHOLG, 6. Zivilsenat, Urteil vom 19. März 2014 – 6 U 31/13 –, Hi.
Die Parteien streiten um Unterlassung der Werbeaussage „SMS-Flat“ und
„SMS-Flat 3000“ für einen Mobilfunktarif, bei dem über das pauschal zu zahlende monatliche Entgelt hinaus nutzungsabhängige Entgelte für SMS anfallen
können.
Der Kl. ist ein nach § 4 UKlaG eingetragener Verbraucherschutzverein. Die Bekl.
ist Mobilfunkanbieterin und vertreibt ihre Produkte unter anderem über eine
Homepage. Unter anderem bietet sie den Mobilfunktarif „Allnet-Spar-Flat“ zum
Preis von 19,85 ¡ pro Monat an, bei dem das Versenden von SMS in deutsche
Mobilfunknetze zusätzlich zum monatlichen Grundpreis 0,09 ¡ pro SMS kostet.
Der Kunde kann aber auch eine „SMS-Flat“ zum Preis von 9,95 ¡ pro Monat zu
dem bestehenden Tarif dazu buchen. Die Flatrate berechtigt ihn zum Versenden
von monatlich bis zu 3000 SMS ohne gesonderte Berechnung. Für jede weitere
SMS fallen wieder je 0,09 ¡ an.
Der Kl. hält die Tarifbezeichnung des Zusatzangebots für irreführend, weil die
Begrenzung nicht zum Ausdruck komme. Auf eine entsprechende Abmahnung
gab die Bekl. zwar keine Unterlassungserklärung ab, änderte aber die Tarifbezeichnung in „SMS Flat 3000“. Auch diese geänderte Tarifbezeichnung hält der
Kl. für irrführend.
Auf der Internetseite mit der Überschrift „Allnet-Spar-Flat“ ist rechts unter der
Überschrift „Tarif-Upgrades“ die streitgegenständliche Tarifoption unter der
jetzigen Bezeichnung „SMS-Flat 3000“ zu finden. Fährt der Nutzer mit dem
Mauszeiger auf diese Tarifoption, öffnet sich ein kleines Fenster. Dort finden sich
unter der Überschrift „SMS-Flat 3000“ die Aussagen
– 9,95 ¡ pro Monat
– Ohne Risiko SMS in alle deutschen Netze schicken1
Durch Herunterscrollen an das untere Ende der Seite gelangt der Nutzer zum
Stichwort „Rechtliche Hinweise“. Bei Anklicken öffnet sich der folgende Text:
„Verbindungspreise und Freikontingente gelten für innerdeutsche Verbindungen (ausgenommen Rufumleitungen, Mehrwertdienste und Sonderrufnummern, für die unsere Sonderpreislisten gelten).
Alle Preise inkl. MwSt.
1 Die SMS Flat ermöglicht das Verschicken von 3000 SMS pro Monat.
Der Kl. hat gemeint, die mit der Klage angegriffenen Produktbezeichnungen
„SMS Flat“ und „SMS Flat 3000“ verstießen gegen § 5 Abs.1 Nr.1 UWG. Die
Bekl. ist den Klaganträgen entgegengetreten. Sie hat die Ansicht vertreten, es
sei einem verständigen Verbraucher bewusst, dass der Leistungsinhalt einer
Flatrate nicht aus ihrem Namen, sondern nur aus der jeweiligen Leistungsbeschreibung entnommen werden könne.
Das Landgericht Kiel hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.
Aus den Gründen
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
1. Das Unterlassungsbegehren wegen der Bezeichnung „SMS
Flat“ ist begründet. Das Landgericht hat die Klage insoweit zu
Unrecht abgewiesen. Dem Kl. steht aus den §§ 8 Abs.1 und
Abs.3 Nr.3, 5 Abs.1 Satz 2 Nr.1 UWG ein Unterlassungsanspruch gegen die Bekl. zu.
a) Der Kl. ist nach § 8 Abs.3 Nr.3 UWG i. V. m. § 4 UKlaG
zur Geltendmachung des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert.
b) Die Voraussetzungen eines Unterlassungsanspruchs liegen
vor.
aa) Die Werbeaussage „SMS Flat“ ist als unlautere geschäftliche Handlung nach § 3 UWG unzulässig. Unlauter sind nach
§ 5 UWG irreführende geschäftliche Handlungen. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über
37
kaufentscheidende Umstände enthält. In diesem Sinne ist die
Bezeichnung „SMS Flat“ für einen Tarif, der auf 3000 SMS
monatlich begrenzt ist, irreführend.
Im Grundsatz bedeutet der Begriff „Flat“ nichts anderes als
das Angebot einer Leistung zu einem Pauschalpreis. Welche
Leistung dies im Einzelfall ist, ist der Leistungsbeschreibung
zu entnehmen. Eine „Flatrate“ kann etwa für die Nutzung des
Internets, des Telefonfestnetzes oder Mobilfunknetzes gelten.
Auch innerhalb eines Netzes kann sie auf bestimmte Leistungsangebote beschränkt sein und etwa nur das Telefonieren oder nur das Versenden von SMS betreffen. Die „Flatrate“
kann überdies auch auf einen bestimmten Nutzungsumfang
beschränkt werden. Was genau mit der „Flatrate“ pauschal abgegolten sein soll, ist deshalb letztendlich erst aus der jeweiligen Leistungsbeschreibung zu ersehen. Bei der Auslegung
eines Angebots ist jedoch stets zu beachten, dass eine „Flatrate“ begrifflich eine grundsätzlich uneingeschränkte Leistung
zu einem Pauschalpreis bezeichnet. Soweit Einschränkungen
nicht allgemein bekannt sind – etwa die, dass eine Flatrate für
SMS nicht notwendig die Nutzung ausländischer Netze umfasst – oder im Angebot deutlich gemacht werden, kann der
Verbraucher von einem uneingeschränkten Leistungsangebot
ausgehen.
Nach diesen Grundsätzen ist die Tarifbezeichnung „SMS Flat“
als Angebot einer uneingeschränkten Möglichkeit der Versendung von SMS jedenfalls in inländische Netze zu verstehen.
Die Tarifbezeichnung enthält entgegen der Auffassung der
Bekl. eine eindeutige Aussage. Aus dem ersten Namensbestandteil – „SMS“ – ist der Gegenstand der angebotenen
Leistung zu entnehmen. Der Umfang, in dem diese Leistung
zur Verfügung gestellt wird, erschließt sich aus dem weiteren
Namensbestandteil „Flat“. Wie dargelegt, bezeichnet eine
Flatrate eine im Grundsatz uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der betreffenden Leistung. Zwar trifft der Vorhalt der
Bekl. zu, dass die in „SMS Flat“ enthaltene Aussage durch
ergänzende Hinweise konkretisiert werden kann. Solche finden sich an anderer Stelle auch auf der Homepage unter dem
Stichwort „rechtliche Hinweise“. Dies genügt aber nicht. Die
Tarifbezeichnung lässt nicht erkennen, dass der Begriff der
Flatrate hier nur in eingeschränktem Sinne gemeint ist. Dann
aber hat der Verbraucher auch keinen Anlass, in der Fußnote
nach Leistungsbeschränkungen zu suchen. Deshalb kommt es
in Fällen, in denen der Verbraucher bereits in der im Blickfang
stehenden Werbung das Leistungsangebot erfasst zu haben
meint, nicht darauf an, ob in einer Fußnote eine Richtigstellung erfolgt. Der Verbraucher erwartet dort keine ergänzenden
Angaben zum wesentlichen Leistungsinhalt mehr
(OLG Koblenz, Urteil vom 8. Mai 2013 – 9 U 1415/12 – bei juris Rn. 29).
Sofern der beklagtenseits vorgelegten Entscheidung des
Landgerichts Kiel vom 19. September 2013 – 14 O 91/13 – (Bl.
147–153 d. A.) eine andere Auffassung zu entnehmen sein
sollte, teilt der Senat diese nicht. Allerdings ist fraglich, ob die
Fälle vergleichbar sind. Ausweislich des Urteilstatbestands
erhielt der Verbraucher im dortigen Fall zugleich mit der Anpreisung des Tarifs einen Hinweis darauf, wo er weitere Informationen fände. Damit könnte – der Senat kann dies ohne nähere Kenntnis des Sachverhalts nicht beurteilen – hinreichend
deutlich zum Ausdruck gekommen sein, dass nur ein Tarif nach
Maßgabe der noch darzustellenden Bedingungen angeboten
werde. Die Bezeichnung als „Flatrate“ hätte in diesem Fall
kein unberechtigtes Vertrauen auf eine unbegrenzte Leistung
hervorrufen können.
bb) Die Irreführung ist geeignet, bei einem erheblichen Teil
der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das
Angebot hervorzurufen und überdies die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich erheblicher Weise zu beeinflussen. Es genügt die Eignung hierzu; eine tatsächliche
Beeinflussung der Marktentscheidung ist nicht erforderlich.
Die Beschränkung des Irreführungsverbots auf wettbewerbsbeeinflussende Irreführungen ergibt sich zwar nicht aus dem
Wortlaut der Norm, aber aus ihrem Schutzzweck zugunsten
der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs
(Köhler/Bornkamm/ders., § 5 Rn. 2.169).
38
Grundsätzlich kann von der Feststellung der Irreführung eines
erheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise auf die
wettbewerbliche Erheblichkeit geschlossen werden. Das gilt
jedoch nicht, sobald begründete Zweifel an der Erheblichkeit
der Fehlvorstellung bestehen. Derartige Zweifel stellen sich
nicht, wenn es nach der Lebenserfahrung naheliegt, dass die
erzeugte Fehlvorstellung für die Kaufentscheidung eines nicht
unbeachtlichen Teil des Verkehrs von Bedeutung ist. Anders
verhält es sich, wenn die Umstände, über die getäuscht worden ist, erfahrungsgemäß für die Marktentscheidung eine unwesentliche Bedeutung haben
(Köhler/Bornkamm/ders., § 5 Rn. 2.180).
Die Bekl. bestreitet die wettbewerbliche Erheblichkeit mit
dem Hinweis auf die hohe Schwelle der Leistungseinschränkung. Im Schnitt könne ein Verbraucher täglich 100 SMS verschicken. Dies liege weit unter dem Umfang bei normaler Nutzung. Exzessive Mobilfunknutzer bedienten sich heutzutage
ohnehin anderer Dienste wie insbesondere WhatsApp. Mit
diesem Einwand kann die Bekl. nicht gehört werden. Zum Einen ist keineswegs ausgeschlossen, dass viele, zumal jüngere
Verbraucher täglich annähernd 100 SMS mit kürzesten Nachrichten versenden. Für sie kann es von kaufentscheidender
Bedeutung sein, ob sie die Anzahl der SMS im Auge behalten
müssen oder sorglos auf die pauschale Abgeltung vertrauen
dürfen. Zum Anderen zielt die Werbung mit einer vermeintlich
unbegrenzten Möglichkeit zum Versenden von SMS gerade
auf exzessive Mobilfunknutzer. Sie sollen sich nicht für WhatsApp, sondern für die Bekl. entscheiden.
cc) Wiederholungsgefahr ist gegeben. Sie liegt immer dann
vor, wenn eine Wiederholung des wettbewerbswidrigen Verhaltens ernsthaft und greifbar zu besorgen ist. Ist es bereits
zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine widerlegliche tatsächliche Vermutung für das Bestehen der Wiederholungsgefahr
(Köhler/Bornkamm/ders., § 8 Rn. 1.33).
Diese Vermutung ist entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht allein durch die Erklärung der Bekl. widerlegt, dass
sie keine erneute Änderung ihrer Tarifbezeichnung beabsichtige. Nur eine unwiderrufliche Unterlassungserklärung ist zur
Widerlegung der Wiederholungsgefahr geeignet
(Köhler/Bornkamm/ders, § 8 Rn. 1.34).
Eine solche Erklärung hat die Bekl. bisher nicht abgegeben.
c) Die Klage kann dennoch mit dem Hauptantrag keinen Erfolg haben. Sie ist auf das Verbot der Tarifbezeichnung „SMS
Flat“ schlechthin gerichtet. Dieser Antragsumfang ist zu weit
gefasst. Er zielt, wie die Bekl. zutreffend beanstandet, auf ein
Verbot der Tarifbezeichnung schlechthin. Damit bezieht der
Antrag auch Verhaltensweisen ein, die nicht wettbewerbswidrig sind. Der Bekl. wäre auch eine Werbegestaltung untersagt,
bei der es durch einen deutlichen Hinweis auf die Begrenzung
zu keiner Irreführung käme, etwa
„SMS Flat
Achtung: gilt nur bis 3000 SMS monatlich!“
Untersagt werden kann dem Kl. die Werbung mit der Tarifbezeichnung aber nur, wenn sie in der bisherigen irreführenden
Form geschieht. Die Bekl. hat unter Hinweis darauf schon in der
Klagerwiderung die zu weite Fassung des Klagantrags gerügt.
Mit dem Hilfsantrag hat die Kl.in ihr Unterlassungsbegehren
entsprechend eingeschränkt. Mit dieser Einschränkung hat der
Unterlassungsantrag Erfolg. In dem Umfang, in dem der
Hauptantrag darüber hinaus geht, ist die Klage abzuweisen.
d) Der hilfsweise eingeführte Unterlassungsanspruch ist nicht
verjährt. Unterlassungsansprüche nach § 8 UWG verjähren
in sechs Monaten ab der Entstehung des Anspruchs und der
Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Verletzten
von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 11 UWG).
Bei einer Dauerhandlung, wie sie in einer fortlaufenden Werbung liegt, beginnt die Verjährung mit Beendigung der Handlung. Dies war hinsichtlich der Tarifbezeichnung „SMS Flat“
frühestens Ende Juli 2012 der Fall. Die Verjährung wurde jedoch mit Klageerhebung am 6. September 2012 gehemmt
(§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Der Klagantrag war zwar zu weit gefasst. Erst der nach Fristablauf in der mündlichen Verhandlung
SchlHA 1/2015
vom 21. Mai 2013 gestellte Hilfsantrag konnte erfolgreich sein.
Bereits der ursprüngliche Klagantrag hemmte jedoch die Verjährung. Bei einem zu weit gefassten Unterlassungsantrag ist
im Allgemeinen anzunehmen, dass er auch die mit der Klage
konkret beanstandeten Verletzungshandlungen erfassen soll
(BGH NJW-RR 2001, 686; BGH GRUR 2007, 987, 988).
Deshalb entfaltet auch ein solcher Antrag Hemmungswirkung, wenn er durch Hilfsanträge, die den Gegenstand des
Verbots bilden, eingeschränkt wird, ohne dass sich dadurch
der zugrunde liegende Sachverhalt ändert
(BGH GRUR 1998, 481, 483; Köhler/ders./Bornkamm, § 11 Rn. 1.40).
So war es hier. Zwar ging es dem Kl. vornehmlich darum, die
Tarifbezeichnung als solche zu unterbinden. Dies beinhaltet
zwingend aber auch ein Verbot der Werbung in ihrer konkreten
Form. Diese hat der Kl. schon in der Klagschrift in den Rechtsstreit eingeführt. Er hat die Gestaltung der Werbung genau
dargestellt und mit den Screenshots in den Anlagen zur Klagschrift belegt. In seiner rechtlichen Bewertung des Sachverhalts weist er neben seinen Ausführungen zur irreführenden
Wirkung der beanstandeten Tarifbezeichnungen ergänzend
darauf hin, dass die in der konkreten Werbung enthaltene Fußnote nichts an der Irreführung ändere.
2. Soweit das Landgericht den Unterlassungsantrag wegen
der Verwendung der Bezeichnung „SMS Flat 3000“ abgewiesen hat, hat die Berufung keinen Erfolg. Die Werbung mit dieser Tarifbezeichnung ist in der konkreten Form – gerade noch
– zulässig.
a) Die Tarifbezeichnung „SMS Flat 3000“ ist nicht in gleicher
Weise irreführend wie die Bezeichnung „SMS Flat“. Zwar ist
aus der Bezeichnung selbst nicht eindeutig auf die Einschränkung des Angebots zu schließen. Die Zahlenangabe „3000“
ist nicht unmissverständlich als Mengenbegrenzung für die
Anzahl der von der Flatrate abgedeckten SMS zu verstehen.
Allerdings belegt die vom Kl. selbst vorgelegte Emnid-Studie,
dass die Tarifbezeichnung für einen Großteil der Verbraucher
erläuterungsbedürftig erscheint. Nach dem Ergebnis der Studie sollen 49 % der Befragten unter einem Tarif „SMS-Flat
1000“ einen Tarif mit Mengenbegrenzung verstehen. 13 %
hielten ihn für eine uneingeschränkte Flatrate und 37 % waren
irritiert oder machten keine Angaben. Demnach hat sich nur
ein mit 13 % noch unerheblicher Teil der Verbraucher durch die
Tarifbezeichnung irreführen lassen. Fast die Hälfte hat ihn richtig verstanden. Bei den verbleibenden 37 % bleibt offen, welcher Anteil auf diejenigen Befragten entfällt, die keine Angaben machten und die damit nicht berücksichtigungsfähig sind.
Jedenfalls haben sich diejenigen, die irritiert waren, ebenfalls
nicht irreführen lassen, denn sie haben die Tarifbezeichnung
zumindest als erläuterungsbedürftig erkannt.
Für diesen Teil der Verbraucher gilt, dass eine Irreführung durch
rechtzeitige Erläuterungen zum Tarifinhalt ausgeschlossen
werden kann. Hierfür gelten die zur Blickfangwerbung – also
einer Werbung mit einer als Blickfang hervorgehobene Angabe, die eine Fehlvorstellung beim Verbraucher auslösen kann –
entwickelten Grundsätze. Bei Werbung dieser Art kann eine irrtumsausschließende Aufklärung durch einen klaren und unmissverständlichen Hinweis erfolgen, der seinerseits am Blickfang
teilhaben und dadurch eine Zuordnung zu der jeweiligen Angabe ermöglichen muss. Dies kann z.B. durch einen Stern
oder ein anderes hinreichend deutliches Zeichen geschehen
(BGH, GRUR 2003, 163; OLG Köln, WRP 2013, 201, 202 Rn. 11 zur unrichtigen Angabe „Daten-Flat mit bis zu 7,2 Mbit/s“).
b) Eine solche unmissverständliche Aufklärung ist erfolgt.
Unbeachtlich ist entgegen der Auffassung der Bekl. zwar die
Aufklärung über die Tarifbegrenzung nach Anklicken des Buttons „Jetzt Bestellen“. Sie erfolgt zu spät. Sie erfolgt erst,
nachdem sich der Verbraucher für den Tarif entschieden hat.
Damit hat die Werbung bereits ihren ersten Zweck erfüllt, den
Entscheidungsprozess zu beeinflussen. Erst nach der grundsätzlichen Entscheidung für den Tarif hat der Verbraucher Anlass, den „Bestellprozess“ einzuleiten, wie die Bekl. auf ihrer
Homepage selbst den Verfahrensschritt bezeichnet, in dem
der Verbraucher auf diesem Wege von der Leistungsbeschränkung erfährt.
SchlHA 1/2015
Gerade noch zureichend ist aber die Information des Verbrauchers in der Fußnote 1 unter dem Stichwort „Rechtliche
Hinweise“. Auf diese Information kann der Verbraucher schon
vor Einleitung des Bestellvorgangs stoßen, indem er mit dem
Mauszeiger auf der Seite nach unten scrollt und das Stichwort
anklickt. Der Hinweis in dem sich nach Anklicken öffnenden
Text ist eindeutig und kann nicht übersehen werden. Der Senat teilt zwar im Grundsatz die in einem Urteil des Landgerichts Kiel geäußerten Bedenken, dass ein Verbraucher unter
diesem Stichwort regelmäßig kaum nähere Angaben zum Vertragsinhalt vermuten wird
(LG Kiel, Urteil vom 28. Februar 2012 – 14 O 18/12 – bei juris Rn. 22).
Er erwartet hier vielmehr Informationen zu den rechtlichen
Rahmenbedingungen des Vertrags wie etwa zu Vertragslaufzeit, Kündigungsrechten oder Gewährleistung. Im dortigen Fall
hatte der Anbieter jedoch mit dem Angebot zu „unbegrenztem
Surfen“ geworben, so dass der Verbraucher trotz Tarifbezeichnung „SMS Flat 500“ einen Tarif mit uneingeschränktem Leistungsumfang erwarten konnte. Er brauchte deshalb keine Einschränkungen zu vermuten und auch nicht danach zu suchen,
schon gar nicht unter dem Stichwort „Rechtliche Hinweise“.
Anders ist es bei der hier streitgegenständlichen Werbung.
Hier wird die in der Zahlenangabe „3000“ liegende Warnfunktion für den Verbraucher nicht durch eine Aussage, die eine
uneingeschränkte Leistung verspricht, entwertet. Der Verbraucher hat demnach Anlass, nach Erläuterungen zu suchen. Anlass dazu besteht umso mehr, als durch die hochgestellte „1“
deutlich erkennbar wird, dass es zum Leistungsangebot noch
eine Erläuterung gebe. Das einzige Stichwort auf der Startseite der Bekl., unter dem der Verbraucher dergleichen erwarten
kann, ist jedoch das Stichwort „Rechtliche Hinweise“.
3. Der Kl.in steht kein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten zu, weil die vorgerichtlichen Abmahnungen unberechtigt waren. Mit der Abmahnung vom 4. Juli 2012
beanstandete der Kl. die Bezeichnungen „Echte AllNet-Flat“
und „Flat in alle Handynetze“ sowie „SMS Flat“ für Tarife, in
denen nutzungsabhängige Entgelte anfallen können. An den
ersten beiden Beanstandungen hat er schon in der nächsten
Abmahnung nicht mehr festgehalten, sie sind auch nicht streitgegenständlich. Soweit der Kl. die Bezeichnung „SMS Flat“
als solche für irreführend hält, ist sein Unterlassungsbegehren
zu weitgehend (s. o. Ziff. 1. c). Die vom Kl. abgeforderte Unterlassungserklärung enthielt auch nicht hilfsweise eine Einschränkung auf die konkrete Verletzungsform. Dies gilt gleichermaßen für die folgende Abmahnung vom 20. Juli 2012,
die nur noch die Verwendung des Begriffs „Flat“ betraf….
BGB §§ 1836, 1836e, 1915; VBVG §§ 1, 4
1.  Mittellosigkeit des Nachlasses als Voraussetzung für
einen Vergütungsanspruch des Nachlasspflegers gegen
die Staatskasse aus den §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1836
Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 1 Abs. 2 Satz 1, 4 VBVG ist auch
dann anzunehmen, wenn der Verwertung des Nachlassvermögens ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis
entgegensteht oder die Verwertung in angemessener
Zeit nicht durchgeführt werden kann.
2.  Dieser Fall kann bei einem Nachlassinsolvenzverfahren vorliegen, auch wenn über die noch nicht absehbare Verwertung eines vorhandenen Grundstücks
möglicherweise in Zukunft eine die Vergütung deckende Masse erzielt werden könnte. Der Staatskasse ist
unbenommen, zu gegebener Zeit beim Nachlass nach
§ 1836e BGB Rückgriff zu nehmen.
SchlHOLG, 3. Zivilsenat, Beschl. vom 24. März 2014 – 3 Wx 84/13 –, Hi.
Der Erblasser verstarb 2012. Er war verheiratet und kinderlos. Ein Testament
existiert nach Aktenlage nicht. Die Ehefrau des Erblassers schlug mit Erklärung
gegenüber dem Nachlassgericht die Erbschaft aus. Die Eltern des Erblassers
sind vorverstorben. Geschwister hatte er nicht. Die nächsten gesetzlichen Erben sollen nach Mitteilung der Ehefrau des Erblassers eine Tante und eine Cousine sein.
Der Nachlass ist überschuldet. Das Nachlassgericht bestellte Rechtsanwalt A
zum Nachlasspfleger mit der Aufgabe der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses und der Ermittlung der Erben. Der Nachlasspfleger beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass. Das Amtsgericht – Insolvenz-
39
gericht – eröffnete das Insolvenzverfahren mit Beschluss vom 18. Januar 2013
und ernannte Rechtsanwalt B zum Insolvenzverwalter, nachdem dieser gutachterlich festgestellt hatte, dass der Nachlass zahlungsunfähig, eine kostendeckende Masse jedoch vorhanden sei. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der
Aktivnachlass aus einem Grundstück mit einem Verkehrswert von 35 000,00 ¡
und Bankguthaben in Höhe von 3805,07 ¡ besteht, dem Nachlassverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 64 135,66 ¡ gegenüberstehen. Die Kosten des
Verfahrens werden mit 2977,81 ¡ veranschlagt.
Nach Vorlage des Berichts des Insolvenzverwalters hat der Nachlasspfleger
seinen Vergütung für seine Tätigkeit von Juli bis Dezember 2012 mit einem
Stundensatz von 33,50 verlangt. Diesem Antrag hat das Nachlassgericht mit
Beschluss vom 24. Juni 2013 stattgegeben und die Erstattung der Vergütung
aus der Landeskasse angeordnet.
Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor am 28. Juni 2013 Beschwerde
eingelegt und dazu ausgeführt, dass die Vergütung des Nachlasspflegers im
Nachlassinsolvenzverfahren nach § 324 Abs. 1 Nr. 6 InsO eine Masseverbindlichkeit darstelle, so dass der Nachlasspfleger seinen Anspruch als vorrangig
zu bedienende Forderung zum Insolvenzverfahren anmelden müsse. Da Masse
vorhanden sei und eine Schlussverteilung noch nicht stattgefunden habe, sei
eine Erstattung aus der Landeskasse derzeit nicht möglich. Eine Einstandspflicht bestünde nur hinsichtlich der Beträge, mit denen der Nachlasspfleger mit
der Masseverteilung ausfalle.
Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Der angefochtene Beschluss begegnet keinen durchgreifenden formellen Bedenken….(wird ausgeführt)
2. Der angefochtene Beschluss ist auch in der Sache nicht zu
beanstanden.
Dem Nachlasspfleger steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse aus den §§ 1915 Abs. 1 Satz 1,
1836 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG zu. Nach diesen Vorschriften hat ein Nachlasspfleger bei Mittellosigkeit des
Nachlasses einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse
nach Maßgabe des in § 4 VBVG geregelten Stundensatzes.
a) Mittellosigkeit liegt im Grundsatz dann vor, wenn ein die
Vergütung deckender Aktivnachlass nicht vorhanden ist
(BayObLG ZEV 2000, 410, 412; W. Schlüter in Erman, 13. Aufl. 2011, § 1960
Rn. 25 a. E.).
Unter diesem Gesichtspunkt steht eine Mittellosigkeit des
Nachlasses allerdings nicht fest. Zwar wird der Erlös aus dem
Grundstücksverkauf im Wesentlichen den Grundpfandgläubigern zu Gute kommen. Da offenbar jedoch keine Verwertung
durch Zwangsversteigerung, sondern durch freihändigen Verkauf beabsichtigt ist, wird der Insolvenzmasse voraussichtlich
ein Betrag zwischen 3 und 5 % des Verkaufserlöses zufließen,
wie er für Fälle freihändiger Verwertung durch den Insolvenzverwalter regelmäßig zwischen diesem und den Grundpfandgläubigern vereinbart wird
(Bäuerle in Braun. InsO, 5. Aufl. 2012, § 49 Rn. 21 f).
Bei einem Verkehrswert von 35 000,00 ¡, wie hier, wären
dies rund 1800,00 ¡, wovon freilich noch die Umsatzsteuer
abzuziehen ist. Zuzüglich der Guthaben verfügte der Nachlass dann über Barmittel in Höhe von rund 5500,00 ¡. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass aus diesen Mitteln die Kosten der
Nachlasspflegschaft beglichen werden können. Diese gehören nach den §§ 324 Abs. 1, Abs. 2; 209 Abs. 1 Nr. 3 InsO
zu den Masseverbindlichkeiten und sind damit vorrangig zu
befriedigen. Außer den Kosten des Insolvenzverfahrens sind
nach Aktenlage keine weiteren vorrangig zu befriedigenden
Forderungen bekannt.
b) Mittellosigkeit des Nachlasses ist aber auch dann anzunehmen, wenn der Verwertung des Nachlassvermögens ein tatsächliches oder rechtliches Hindernis entgegensteht oder die
Verwertung in angemessener Zeit nicht durchgeführt werden
kann
(OLG Naumburg, FamRZ 2011, 1252, 1253; Leipold in MüKo BGB, 6. Aufl.
2013, § 1360 Rn. 75).
Insoweit gilt gleiches wie bei der Feststellung der Mittellosigkeit eines Betreuten, bei der dem Berufsbetreuer ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zusteht. Auch der Betreute hat – mit Ausnahme eines bei der Nachlasspflegschaft
nicht anzuerkennenden Schonvermögens – sein Vermögen
einzusetzen. Ggf. hat er es zu verwerten. An der Verwertbarkeit von Vermögen fehlt es, wenn der Verwertung ein rechtliches oder tatsächliches Hindernis entgegensteht oder die
Verwertung nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden
kann. Der Betreute ist dann zu Gunsten des Berufsbetreuers
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als mittellos zu behandeln. Dies rechtfertigt sich damit, dass
es sich bei der Betreuung um eine staatliche Fürsorgemaßnahme handelt. Aus der Verpflichtung des Staates zur Fürsorge entspringt zugleich seine Verpflichtung, die Erstattung der
zum Zwecke der Betreuung gemachten Aufwendungen und
die Entlohnung sicherzustellen. Dies ist nur gewährleistet,
wenn die Ansprüche auf Aufwendungsersatz und Vergütung
von Betreuten in angemessener Zeit erfüllt werden können
(BayObLG, FamRZ 2002, 416, 417; ausführlich und im Ergebnis ebenso
OLG Oldenburg, FamRZ 1996, 437).
Für die Nachlasspflegschaft kann nichts anderes gelten. Auch
sie wird nur bei einem Fürsorgebedürfnis eingerichtet, ist damit eine staatliche Fürsorgemaßnahme und kann einem Nachlasspfleger nur zugemutet werden, wenn er in angemessener
Zeit seine Vergütung dafür erhält.
Nach diesen Grundsätzen ist der Nachlass vorliegend als mittellos anzusehen. Wann das Grundstück verwertet werden
und es zum Abschluss des Insolvenzverfahrens kommen
kann, ist nicht absehbar. Das Nachlassgericht hat dem Nachlasspfleger deshalb zu Recht einen Ersatzanspruch gegen die
Staatskasse zugebilligt. Der Staatskasse ist unbenommen, zu
gegebener Zeit nach § 1836e BGB beim Nachlass Rückgriff
zu nehmen, soweit bei Beendigung des Insolvenzverfahrens
eine die Vergütung deckende Masse vorhanden ist. Inwieweit
ein Anspruch gegen den Nachlassverwalter für den Fall bestünde, dass die Befriedigung aus der Masse daran scheitert,
dass – wie der Beschwerdeführer mutmaßt – der Nachlassverwalter den Vergütungsanspruch nicht zur Insolvenztabelle
angemeldet hat, braucht nicht entschieden zu werden.
3. Einwände der Höhe nach sind nicht geltend gemacht….
AUB 2005 Ziff. 1.1, 1.4, 2.1.1.1, 2.1.2.2., 3 Satz 2
In der Unfallversicherung rechtfertigt eine vorbestehende
Spinalkanalstenose, die an der Ausprägung des Gesundheitsschadens nach einem Sturz auf den Rücken erheblich
mitgewirkt hat, eine Minderung der Invaliditätsleistung
gemäß Nr. 3 Satz 2 AUB 2005, und dies auch dann, wenn
sie zuvor keine Beschwerden bereitet hat. Sie ist als ein
Gebrechen im Sinne der Bedingungen anzusehen.
SchlHOLG, 16. Zivilsenat, Urteil vom 6. März 2014 – 16 U 95/13, n.rkr. –, Alt.
Der 1982 geborene Kl. begehrt weitere Zahlung aus einer bei der Bekl. unterhaltenen Unfallversicherung, der die AUB 2005 zugrunde liegen.
Im Februar 2010 rutschte der als Postzusteller tätige Kl. auf gefrorenem Boden
aus und stürzte auf den Rücken; er konnte nach seinen Angaben unmittelbar
danach seine Beine nicht mehr bewegen. Die Bildgebung im Krankenhaus Elmshorn ergab den Nachweis einer Prellung des Rückenmarkes auf Höhe BWK 8/9.
Wegen anhaltender Beschwerden wurde im Juni 2010 eine operative Erweiterung des Rückenmarkkanals (Laminektomie) des BWK 8 vorgenommen. Hintergrund war eine für die Ausprägung der verbliebenen Beschwerden bedeutsame
hochgradige Einengung des Spinalkanals in Höhe BWK 8/9 (Stenose), die teils
knöchern, teils bandbedingt war. Die Verkalkungen der den Rückenmarkskanal
auskleidenden Bandstrukturen und knöchernen Anbauten an den Gelenken sind
nach den Ausführungen von Dr. S.
als Verschleißumformungen anzusehen, die sich eindeutig über einen längeren Zeitraum bereits vor dem Unfallereignis gebildet hätten; unter vor allem
der Berücksichtigung des Alters des Kl. sei das Ausmaß der Einengung ungewöhnlich. Als Folge der Enge sei die Flüssigkeitsumscheidung des Rückenmarks nahezu aufgehoben, dem Rückenmark fehle damit die Pufferfunktion
des Flüssigkeitsmantels. Spinalkanalstenosen könnten lange Zeit völlig ohne
klinische Symptome verlaufen, träten diese auf, so verlaufe die Erkrankung
über einen längeren Zeitraum schleichend, d.h. die Beschwerden und gegebenenfalls Ausfallerscheinungen entwickelten sich über Wochen, Monate und
manchmal Jahre und seien bei zeitnaher Diagnose vollständig rückzubilden. Der
bei dem Kl. gegebene klinische Verlauf einer akuten inkompletten Querschnittslähmung könne daher nicht Ausdruck einer alleinigen Verschleißumformung
gewesen sein, vielmehr habe das Unfallereignis für den Krankheitsverlauf
eine relevante Bedeutung, der ohne das Unfallereignis so nicht denkbar gewesen sei. Allerdings sei auch die vorliegende Kontusion des Rückenmarks
bei dem angegebenen Unfallereignis bei anatomisch normalen Verhältnissen
eher ungewöhnlich. Deswegen schätze er das Verhältnis unfallabhängiger zu
unfallunabhängigen Ursachen zu gleichen Teilen oder auf 50 zu 50 ein.
Ausgehend von einem Invaliditätsgrad von 50 % gemäß dem ersten Gutachten
von Dr. S. und dessen Ausführungen zu unfallabhängigen Faktoren kürzte die
Bekl. die auf diese 50% entfallende, rechnerisch unstreitige Invaliditätsleistung
von 44 250,– ¡ wegen unfallfremder Mitwirkung um 50 % auf 22 125,– ¡, wobei sie sich auf Nr. 3 AUB 2005 berief.
Der Kl. hat klagweise die ungekürzte 50%ige Invaliditätsleistung (= weitere
22 125,– ¡) verlangt und gemeint, die vorbestehende Spinalkanalstenose sei
weder eine Krankheit noch ein Gebrechen; die Stenose sei ein Zufallsbefund
anlässlich des Unfalls gewesen, derentwegen er, wie er behauptet hat, weder
behandelt worden sei noch Beschwerden gehabt habe.
Die Bekl. hat zwar nicht den Sturz als solchen, indes jedoch bestritten, dass es
in dessen Folge zu der behaupteten Gesundheitsschädigung und zur Invalidi-
SchlHA 1/2015
tät gekommen sei, ebenfalls, dass es eine unfallbedingte Notwendigkeit zur
Erweiterung des Spinalkanals durch OP gegeben habe und die Stenose zuvor
asymptomatisch gewesen sei. Im Übrigen hat sie sich auf den Mitwirkungseinwand nach Nr. 3 AUB 2005 berufen: Es liege zumindest ein Gebrechen vor,
weil als Folge der Verschleißumformung des Spinalkanals dem Rückenmark die
Pufferfunktion der Flüssigkeitsumscheidung fehle.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. blieb erfolglos.
Aus den Gründen
Die Berufung hat keinen Erfolg, § 513 Abs. 1 ZPO.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf weitere Invaliditätsleistung abgewiesen.
1. Anspruchsgrundlagen für den Kl. sind die Ziffern 1.1, 1.4,
2.1.1.1, 2.1.2.2. AUB 2005.
Ziffer 1.1 verspricht Versicherungsschutz bei Unfällen; Ziffer
Nr. 1.4 definiert den Unfallbegriff; Ziffer 2.1.1.1 beschreibt die
Voraussetzungen der Invaliditätsleistung; Ziffer 2.1.2.2 bestimmt, dass sich außerhalb der sog. Gliedertaxe der Invaliditätsgrad nach der Beeinträchtigung der normalen körperlichen
Leistungsfähigkeit bemisst. All diese Voraussetzungen sind
hier unproblematisch gegeben.
Dass der Kl. im Sinne des Unfallbegriffs (der ein von außen auf
den Körper wirkendes Ereignis erfordert) auf glattem Boden
ausgerutscht und auf den Rücken gefallen ist, nimmt die Bekl.
als gegeben hin. Ihr Bestreiten, dass es dadurch zu einer Gesundheitsbeschädigung gekommen sei, ist unbeachtlich. Die
Gesundheitsbeeinträchtigung ergibt sich zwanglos schon aus
dem zeitlichen Zusammenhang. Weiter ist die Kontusion noch
selbigen Tages durch Bildgebung im BUK Hamburg-Boberg
festgestellt und entsprechend auch von dem von ihr selbst beauftragten Gutachter Dr. S. so zugrunde gelegt worden. Dessen Beurteilung hat die Bekl. dazu bewogen, auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 50 % zu leisten. Warum nach
alldem gleichwohl noch das Vorliegen einer unfallbedingten
Gesundheitsbeeinträchtigung fraglich sein soll, erschließt sich
nicht. Augenscheinlich will die Bekl. – schon vor dem von ihr zu
beweisenden Mitwirkungseinwand – darauf hinaus, dass (wie
namentlich für Bandscheibenschäden immer wieder zu diskutieren ist) der Sturz lediglich eine unwesentliche Gelegenheitsursache gewesen sei und der Kern die vorbestehende
Spinalkanalstenose; aus diesem Grund meint sie wohl auch
bestreiten zu müssen, dass die Spinalkanalstenose unfallbedingt entstanden sei (was allerdings noch nicht einmal der Kl.
behauptet). All dem stehen aber die ärztlichen Feststellungen
entgegen. Aufgrund der bildgebenden Untersuchungen (vgl.
nur 1. Gutachten Dr. S. S. 18) ist eine Prellung des Rückenmarks nachgewiesen. Damit liegt eine traumatische Ursache
vor. Nicht minder deutlich heißt es im neurochirurgischen Befund- und Behandlungsbericht des BUK Hamburg vom 24. Juni
2010, dass es durch das Unfallereignis zu einer strukturellen
Schädigung des Rückenmarks gekommen sei. Dass und warum daran irgendetwas nicht stimmen könnte, trägt die Bekl.
nicht vor und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit nach dem Unfall zu 50%, wie sie Dr. S. ermittelt hat, ist
als solche nicht streitig.
2. Streitentscheidend ist mithin, ob die vorbestehende Spinalkanalstenose gemäß Nr. 3 Satz 2 AUB eine Minderung der
Invaliditätsleistung rechtfertigt oder nicht.
Nach Auffassung des Senats (wie auch schon des Landgerichts) ist das der Fall, und zwar auch dann, wenn man mit dem
Kl. – und den Behandlern (vgl. den Befundbericht vom 24. Juni
2010, S. 3) – davon ausgeht, dass die Spinalkanalstenose zuvor keine Beschwerden bereitet hat. Die Spinalkanalstenose
ist als ein Gebrechen im Sinne der Bedingung anzusehen.
a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen,
wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen
muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten
eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche
Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an
(ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGHZ 153, 182, 185 f.; BGHZ 123, 83,
85 jeweils mwN).
Dem Bundesgerichtshof
SchlHA 1/2015
(Beschluss vom 8. Juli 2009, VersR 2009, 1525, Rn. 18f.; dort lag ein vorbestehender abgeheilter Kreuzbandriss dem erneuten Kreuzbandriss zugrunde)
zufolge geht, was das Verständnis der Bedingungen in der
Unfallversicherung angeht, der durchschnittliche Versicherungsnehmer vom Wortlaut aus und versteht die Regelung in
Ziffer 3 Satz 2 AUB 2000 (gleichlautend die hier maßgeblichen
AUB 2005) so, das unfallfremde Krankheiten und Gebrechen
grundsätzlich zu seinen Lasten gehen, nämlich zu einer Kürzung des Anspruchs oder einem Abzug von der Gesamtinvalidität führen. Er entnimmt schon aus Ziffer 3 Satz 1, dass der
Unfallversicherer Versicherungsschutz für Unfälle und deren
Folgen bieten will, nicht jedoch für unfallfremde Ursachen von
Gesundheitsschädigungen wie Krankheiten oder konstitutionell oder schicksalhaft bedingte Anomalien. Bereits die Definition des Unfalls in der Ziffer 1.3 der Bedingungen impliziert
diese Abgrenzung, indem sie den Unfall als eine Kausalreihe
beschreibt, die mit einem plötzlich von außen auf den Körper
wirkenden Ereignis (Unfallereignis) beginnt und zu einer Gesundheitsschädigung führt. Für bereits bestehende Schäden
kann ein Unfallereignis nicht kausal sein, allenfalls für deren
Verschlimmerung. Auch die Bestimmungen über die Entstehung des Anspruchs und die Bemessung der Leistung in Ziffer 2 AUB stellen auf eine Kausalreihe ab, die mit dem Unfall
beginnt und zur jeweiligen Leistung führt. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer erwartet demgemäß nicht, dass
der Versicherer ihm Versicherungsschutz insoweit bietet, als
bereits vor dem Unfall bestehende körperliche Beeinträchtigungen sich auf Unfallfolgen auswirken.
b) Vor dem Hintergrund dieser Auslegung, der der Senat folgt,
hat vor dem Unfall bei dem Kl. eine Krankheit im Sinne der
Bedingungen nicht vorgelegen.
Ausgehend vom allgemeinen Wortlautverständnis wird der
durchschnittliche Versicherungsnehmer unter einer Krankheit
einen regelwidrigen Körperzustand verstehen, der ärztlicher
Behandlung bedarf
(allgemeine Meinung, vgl. nur Prölss/Martin-Knappmann, VVG, Kommentar, 28. Auflage, AUB 2005, Rn. 3 m. N.; Grimm, AUB, Unfallversicherung,
Kommentar, 6. Auflage, § 10 Anm. 5; so auch BGH, aaO, Rn. 14).
Eine Krankheit liegt danach hier nicht vor; denn ein ärztlich
behandlungsbedürftiger Zustand war – den Klägervortrag hier
zugrunde gelegt – nicht gegeben.
c) Die vorbestehende Spinalkanalstenose ist aber als ein Gebrechen im Sinne der Bedingungen zu verstehen.
Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird annehmen,
dass ein Gebrechen vorliegt, wenn es der bei ihm vorliegenden Konstitution an der für einen gesunden Körper medizinisch vorausgesetzten Normalität gebricht, es ihm an dieser
Normalität also in bestimmter Hinsicht fehlt oder sein Körperzustand von dieser Normalität abweicht.
Er wird verstehen, dass es dafür nicht darauf ankommt, dass
er wegen des Gebrechens schon konkrete Beschwerden hat,
behandelt wird oder (eigentlich) behandlungsbedürftig wäre.
Denn dann wäre der abnorme Körperzustand bereits durch
den Begriff der Krankheit erfasst und der Begriff des Gebrechens wäre überflüssig: Wenn schon der Begriff der Krankheit
voraussetzt, dass ein behandlungsbedürftiger Zustand vorliegt, würde der Begriff des Gebrechens, wenn er Beschwerden voraussetzte, dem nichts mehr hinzufügen können; denn
auch Beschwerden sind körperliche Zustände, wegen derer
man ärztliche Hilfe in Anspruch nimmt.
Auch wird er den Begriff nicht im landläufigen Sinne einer
Altersgebrechlichkeit verstehen, also dahin, dass damit eine
Dysfunktionalität oder Schwäche des Bewegungsapparates
gemeint wäre, die mit entsprechenden körperlichen Beschwernissen oder gar mit manifesten Beschwerden verbunden wäre. Denn bei einem solchen Verständnis wäre zum einen der Begriff nicht mehr gegen den Begriff der Krankheit
abgrenzbar, weil sich derlei Beschwernisse jedenfalls mit dem
Ziel der Linderung behandeln lassen. Zum anderen würde die
kürzende Berücksichtigung solcher altersbedingter Beschwernisse sofern sie – wie zumeist – altersgemäß sind, zu einer
schleichenden Aushöhung des Versicherungsschutzes führen,
obwohl weiterhin volle Beiträge zu leisten sind; dies liefe den
41
wohlverstandenen und berechtigten Interessen des Versicherungsnehmers zuwider.
Vor dem Hintergrund dieser und auch der eingangs (zu a) erwähnten Überlegungen zu Inhalt und Struktur des Leistungsversprechens (das sich auf unfallverursachte Schäden und nicht
auf Vorschäden bezieht) wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer ein Gebrechen als einen anhaltenden Zustand
seines Körpers begreifen, der von dessen regulärer (normaler,
gesunder Weise gegebener) Funktionsweise abweicht; dabei
wird er – in Bezug auf das Problem der schleichenden Degeneration wie auch des Umstandes, dass es innerhalb der
medizinischen Normen des Gesunden auch tolerable (= nicht
schon krankhaft zu nennende) Abweichungen geben kann –
verstehen, dass normale Verschleißzustände und unkritische
Normvarianten noch nicht als Gebrechen eingeordnet werden
können, und dies auch dann nicht, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten, ein Gebrechen
aber vorliegt, wenn bei der Gesundheitsbeschädigung oder
der Ausprägung der Unfallfolgen ein vorbestehender körperlicher Zustand mitgewirkt hat, der über einen normalen Verschleiß oder über das Maß einer unkritischen Normvariante
hinausgeht, und dies auch unabhängig davon, ob deswegen
vor dem Unfall eine akute Behandlungsbedürftigkeit bestanden hat oder nicht.
In genau diesem Sinne wird unter einem Gebrechen ein dauernder abnormaler Gesundheitszustand verstanden, der eine
einwandfreie Ausübung normaler Körperfunktionen (teilweise)
nicht mehr zulässt
(auch dies allgemeine Meinung, vgl. Prölls/Martin-Knappmann, aaO;
Grimm, aaO, Anm. 6 m. N.; auch BGH, aaO, Rn. 14; ebenso BGH, Urteil
vom 23. Oktober 2013, IV ZR 98/12, Rn. 28 bei juris).
Dazu sollen (wie oben hergeleitet) indes altersbedingt normale Verschleiß- und Schwächezustände nicht gehören und
sollen auch Zustände, die noch innerhalb der medizinischen
Normen liegen, nicht als Gebrechen anzusehen sein, letzteres
auch dann nicht, wenn sie eine gewisse Disposition für Gesundheitsstörungen bedeuten.
Danach ist nach Auffassung des Senats insoweit auch nicht
dem OLG Düsseldorf
(RuS 2005, 300, Rn. 34 bei juris)
und dem OLG Hamm
(NJW-RR 2010, 764 Rn. 20ff. 22 bei juris)
zu folgen, auf die sich aber der Kl. stützen will. Beide Gerichte
verneinen das Vorliegen eines Gebrechens – im ersteren Fall
bezogen auf über das Alterstypische hinausgehende degenerative Veränderungen der Menisken und des Gelenkknorpels,
im anderen Fall bezogen auf degenerative Erscheinungen bzw.
eine O-Bein-Fehlstellung – jeweils mit dem Hinweis darauf,
dass der Versicherungsnehmer noch keine Beschwerden hatte
(im zweiteren Fall auch darauf, dass er wegen des Vorbefunds
nicht „behindert“ gewesen sei) und entsprechend eine ärztliche Behandlung nicht in Anspruch genommen habe. Auf das
Vorliegen der Behandlungsbedürftigkeit kommt es aber, wie
ausgeführt, ebenso wenig an wie auf das Vorliegen fühlbarer
Beeinträchtigungen. Die Entscheidungen erscheinen am Maßstab des herkömmlichen Gebrechensbegriffs als unrichtig und
dürften – auch das drei Wochen später ergangene Urteil des
OLG Hamm zitiert den Bundesgerichtshof nicht – durch die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Juli 2009 überholt sein.
d) Versteht man die Klausel wie vorstehend, ist die beim Kl.
vorab bestanden habende – unterstellt: klinisch „stumme“
– Spinalkanalstenose zwar nicht als Krankheit, aber doch als
Gebrechen einzuordnen, das darin besteht, dass als Folge der
Verschleißumformung des Spinalkanals dem Rückenmark die
regelgerechte (normale) Pufferfunktion der Flüssigkeitsumscheidung abgeht.
Für eine Krankheit fehlt es an der akut (vor dem Unfall) bestehenden Behandlungsbedürftigkeit. Indes liegt, wie der
Sachverständige Dr. S. eingehend beschrieben hat, eine für
das relativ junge Alter des Kl. sehr weit fortgeschrittene Verschleißumformung der Brustwirbelkörper 8/9 und damit im
oben erklärten Sinn ein irregulärer Körperzustand vor, der
deutlich außerhalb der altersgemäßen medizinischen Norm
42
liegt und auch nicht als „normaler Verschleiß“ angesehen werden kann.
e) Dass die Wirbelsäulenstenose, sieht man sie als Gebrechen
an, bei den Ausprägungen des Gesundheitsschadens, also
bei der Unfallfolge, erheblich mitgewirkt hat, kann nach den
sachverständigen Feststellungen nicht zweifelhaft sein, und
die Parteien wenden sich auch nicht gegen die Einschätzung
eines Mitwirkungsanteils von 50 %.
Der Gutachter Dr. S. (2. Gutachten S. 27) hat ausgeführt, dass
die inkomplette Querschnittslähmung ohne die Stenose in der
aufgetretenen Form undenkbar gewesen sei. Gleichermaßen
kann – jedenfalls unter der Prämisse vorheriger Beschwerdefreiheit – der Unfall nicht hinweggedacht werden. Eine nähere Einordnung der Gewichte erscheint sinnvoll nicht möglich
sein, so dass die Anrechnung eines 50%igen Mitwirkungsanteils nicht zu beanstanden ist…
UrhG §§ 72, 97 II; ZPO § 287
1.  Für die Vergütung von Fotos für Ebay-Anzeigen gibt es
keinen Markt. Die Höhe des zu leistenden Schadensersatzes kann nicht im Wege der Lizenzanalogie bestimmt werden.
2.  Der Höhe des Schadenersatzes ist gem. § 287 ZPO vom
Gericht zu schätzen und orientiert sich an dem, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages
in Kenntnis der wahren Rechtslage und der gesamten
Umstände des Falles vereinbart hätten.
3.  Ein vernünftiger Nutzer wird den finanziellen Aufwand
zur Bewerbung seines Ebay-Angebots stets so beschränken, dass ihm durch den Verkauf noch ein Gewinn bleibt. Auf professionelle Fotos ist der Verkäufer
bei Ebay nicht angewiesen. Wenn der Wert des verkauften Produkts nur für 5,– ¶ beträgt, schätzt das Gericht
den Marktwert für das Produktfoto auf lediglich 10,– ¶,
wenn das Produktfoto keinen besonderen künstlerischen Wert aufweist.
AG Husum, Urteil vom 22. Juli 2014 – 26 C 161/13 –, Ki.
Die Parteien streiten um einen Schadensersatzanspruch nach Urhebergesetz,
nachdem die Bekl. einen Artikel bei Ebay angeboten und dabei ohne Erlaubnis
des Kl. ein Bild von „Singstar-Mikrofonen incl. USB Adapter“ verwandt hat, an
dem der Kl., der das Unternehmen Web -XY betreibt, als Fotograf und Schöpfer
urheberrechtliche Ansprüche geltend macht.
Unter dem 09.09.2013 hat die Bekl. eine strafbewehrte Unterlassungserklärung
abgegeben und auf die Schadensersatzforderung des Kl. vom 12.8.2013, die
unter Fristsetzung zum 30.08.2013 erfolgte, den Betrag von 40,– ¡ gezahlt.
Der Kl. beansprucht weiteren Schadensersatz in Höhe von 260,– ¡ aus §§
97, 72, 15, 19 a UrhG. Der Betrag orientiere sich an den von der Mittelstandsgemeinschaft Fotomarketing festgesetzten Bildhonoraren und entspreche dem
marktüblichen Honorar für vergleichbares Bildmaterial.
Die Bekl. ist der Ansicht, es handele sich um ein Produktfoto einfachster Art,
das allenfalls Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genieße und keinen Marktwert
habe. Es sei für 7 Tage bei Ebay eingestellt gewesen, der Erlös der Auktion habe
5,– ¡ betragen.
Das Gericht hat den Kl. persönlich angehört.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kl. hat keinen Anspruch aus § 97 Abs. 2 UrhG, der über
den bereits gezahlten Schadensersatz für die Verwendung
des Fotos in Höhe von 40,– ¡ hinaus geht.
Die Bekl. hat nicht in Abrede gestellt, dass dem Kl. als Lichtbildner die Ausschließlichkeitsrechte gem. § 72 UrhG am Foto
zustehen, das sie für ihre Ebay-Anzeige verwandt hat. Sie
hat das Bild öffentlich zugänglich gemacht, ohne dass der Kl.
dies erlaubt hätte und so dessen Rechte verletzt. Das Gericht geht dabei von Fahrlässigkeit aus, denn die im Verkehr
erforderliche Sorgfalt hätte es – auch angesichts der von Ebay
erstellten AGB – geboten, sich über den Urheber zu vergewissern.
Der dafür zu leistende Schadensersatz kann jedoch nicht im
Wege der Lizenzanalogie bestimmt werden, denn der Kl. hat,
wie er in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, noch
nie ein von ihm erstelltes Foto verkauft. Es gibt auch keinen
Markt, der die Vergütung von Fotos für Ebay-Anzeigen umfasst, wie bereits das OLG Braunschweig im Urteil vom 8.Februar 2012 zu 2 U 7/11 festgestellt hat. Eine Beweisaufnahme
SchlHA 1/2015
zur Frage der Marktüblichkeit und Angemessenheit musste
deswegen nicht erfolgen.
Der Schadensersatz orientiert sich demnach an dem, was
vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in
Kenntnis der wahren Rechtslage und der gesamten Umstände des Falles vereinbart hätten
(so OLG München, 6 U 1500/13, Urteil vom 21.11.2013 unter Hinweis auf
BGH)
und ist gem. § 287 ZPO vom Gericht zu schätzen.
Dass vernünftige Parteien hier einen Preis von 300,– ¡ für die
Nutzung des Bildes vereinbart hätten, ist mehr als unwahrscheinlich: zum einen handelt es sich um ein Produktfoto ohne
eigenen künstlerischen Wert, zum anderen wird auch mit dem
Verkauf des abgebildeten Produktes nur ein geringer Betrag erzielt. Ein Nutzer wird aber den finanziellen Aufwand, den er benö-
tigt, um sein Angebot zu bewerben, stets so beschränken, dass
ihm durch den Verkauf noch ein Gewinn bleibt, zumal er auf
professionelle Fotos gerade bei Ebay nicht angewiesen ist
(vergl. OLG Braunschweig, aaO).
Dass angesichts des Wertes des Produktes (hier: verkauft für
5,– ¡) ein Preis von mehr als 10,– ¡ für die Nutzung des Fotos
zu erzielen wäre, meint das Gericht nicht und schätzt insoweit
den Marktwert auf 10,– ¡.
Ein Aufschlag darauf ist nicht vorzunehmen, weil eine entsprechende Vergütungspraxis nicht besteht und der Aufschlag bei
einmaliger privater Nutzung im Rahmen einer Ebay-Auktion
auch nicht der Billigkeit entspräche
(so schon OLG Braunschweig, aaO).
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO
abzuweisen.
Rezension
Mediationsgesetz
von Klowait/Gläßer (Hrsg.)
Klowait/Gläßer (Hrsg.), Mediationsgesetz, Handkommentar, Güterichtermodells löst. Die Kommentierung und der zugehöNomos-Verlag, 732 S., 1. Aufl. 2014, 78,– ¡
rige Aufsatz aus dem dritten Teil „Gerichtliche Mediation und
ISBN 978-3-8329-6997-4
Güterichter-Modell“ zeichnen den Verlauf der Diskussion nach,
Am 26. 7. 2012 ist das „Gesetz zur Förderung der Mediation stellen Güterichter sowie richterlichen Mediator in ihrer Unterund anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbei- schiedlichkeit tabellarisch gegenüber, verdeutlichen aber auch
legung“ in Kraft getreten und die Mediation in Deutschland die dem Güterichter durchaus vielgestaltig verbleibende Mögerstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden. Das lichkeit, im Ablauf der Verhandlung die Methode der Mediation
anzuzeigende Werk erläutert diese in der Presse als wich- fruchtbar zu machen. Den hier eher pessimistischen Ansatz
tigste Neuerung des deutschen Rechts- und Gerichtswe- des Kommentars – Blickrichtung auf die „Abschaffung der gesens seit Einführung der ZPO (Heribert Prantl in der SZ vom richtsinternen Mediation“ trotz deren vorausgegangener Er12.1. 2011) bezeichnete Gesetzgebung umfassend. Der Band folge – muss man deshalb nicht unbedingt teilen.
geht dabei über die Gestalt eines klassischen Kommentars Der zweite zentrale Konfliktpunkt im Prozess der Gesetzesdeutlich hinaus. Auf rund 250 Seiten beleuchten die Autoren entstehung war das Ringen um die Aus- und Fortbildung des
nämlich in einem vorgeschalteten ersten Teil sowie in einem der Mediators und seine Zertifizierung. Auch hier zeichnet die
Kommentierung nachfolgenden dritten Teil die Entstehungs- Kommentierung die Entstehungsgeschichte umfassend nach,
geschichte des Gesetzes und seinen Anwendungsbereich in aber auch die Kritik an dem letztlich gefundenen noch recht
verschiedensten gesellschaftlich relevanten Gebieten, wo Me- rudimentären Weg. Im Anhang findet sich der Verordnungsentwurf zur Aus- und Fortbildung von zertifizierten Mediatoren
diation als Konfliktlösungsinstrument eingesetzt wird.
Gleich zu Beginn des Werkes findet sich eine für den Praktiker mit Stand 31. Januar 2014.
äußerst nützliche umfangreiche Zusammenstellung der maß- Im dritten Teil des Bandes sind Abhandlungen zu zentralen Angeblichen Dokumente aus dem deutschen Gesetzgebungs- wendungsfeldern der Mediation – beispielsweise Mediation
verfahren und der zugrundeliegenden EU-Quellen jeweils mit zwischen Unternehmen, Mediation in arbeitsrechtlichen KonFundstellen im Internet – als Hilfsmittel für die Auslegung flikten, Familien- und Scheidungsmediation oder Mediation in
eines derart jungen Gesetzes in den kommenden Jahren trotz der Versicherungswirtschaft – aber auch Aufsätze zu Schnittaller Qualitäten der folgenden Kommentierung unentbehrlich. stellen – wie Mediationsbegleitung durch Rechtsanwälte,
Am Schluss des Bandes sind einige einschlägige europäische Mediation aus notarieller Sicht oder Mediation und Schiedsgerichtsbarkeit – zusammengestellt. Mag der Leser vielleicht
Normen abgedruckt.
Aus dem ersten Teil hervorzuheben ist die Abhandlung „Blick das ein oder andere wichtige Thema bzw. Anwendungsfeld
auf die bisherige Rechtsprechung zum Thema Mediation“. Der vermissen (wie der Rezensent die Mediation im Erbrecht),
Aufsatz macht deutlich, wie Mediationssachverhalte in der zi- liegt doch in den pointiert geschriebenen Beiträgen gerade
vilprozessualen Praxis zunächst als „ungeladener Gast“ (S. 65 eine besondere Qualität des Werkes. Sie machen die KonseRn. 4) erschienen sind und sich teilweise durchaus schwierig quenzen der gesetzlichen Neuregelung für wichtige einzelne
mit den Instrumenten der ZPO handhaben ließen, Mediation Arbeitsbereiche unmittelbar deutlich.
andererseits aber auch bereits innovativ auf den Zivilprozess Der Nomos-Handkommentar Mediationsgesetz – dessen Autoeinzuwirken begonnen hat. Der Praktiker findet hier eine de- ren schwerpunktmäßig aus der Anwaltschaft kommen, in einigen
tailreiche Aufarbeitung von Judikaten etwa zu Themen wie Fällen aber auch aus Wissenschaft und Justiz – lädt den Nutzer
Vertraulichkeit in der Mediation, Mediation und Fristen oder anders als ein üblicher Kommentar über das Nachschlagen
von Einzelproblemen hinaus durchaus zum lesenden Verweilen
Mediation und Kosten.
Die im zweiten Teil des Bandes auf rund 350 Seiten folgende ein. Kommentierungen wie Aufsätze sind spannend geschrieeigentliche Kommentierung macht an vielen Stellen deutlich, ben, betreffen sie doch in vielen Bereichen eine noch laufende
dass um die Details der gesetzlichen Regelung vor dem Hin- und keineswegs abgeschlossene Debatte auf einem Gebiet,
tergrund der Vorgaben des europäischen Rechts und unter- dessen gesamtgesellschaftliche Bedeutung sich weiter steigern
schiedlicher Interessen von Anwaltschaft, Justiz sowie freien dürfte. Wer in Anwaltschaft, Justiz oder in anderen gesellschaftMediatoren intensiv gerungen worden ist. Eine der zentralen lichen Bereichen mit Mediation befasst ist, wird in dieser NeuStreitpunkte war die Frage der gesetzlichen Verankerung der erscheinung viele Anregungen und Hilfen für die tägliche Arbeit
gerichtlichen Mediation, die Art. 2 des Gesetzes mit der Än- finden, aber auch Grundsätzliches über das Tagwerk hinaus.
derung von § 278 Abs. 5 ZPO zugunsten der Einführung des Dr. Armin Teschner, Vors. Richter am OLG, Schleswig
Herausgeber: Das Ministerium für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein, Lorentzendamm 35, 24103 Kiel, im Eigenverlag.
Verantwortlich i.S.d. § 8 Abs. 2 des Landespressegesetzes Schleswig-Holstein:
Richter am Oberlandesgericht Friedhelm Röttger, Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Gottorfstraße 2, 24837 Schleswig.
Die „Schleswig-Holsteinischen Anzeigen“ erscheinen als Justizministerialblatt in zwei Ausgaben, Teil A (Fachzeitschrift mit Bekanntmachungsteil) und Teil B
(Bekanntmachungen der Gerichte). Teil A erscheint monatlich einmal zum 20. und Teil B monatlich einmal zum 30. Der Bezugspreis beträgt jährlich für Teil A 51,– ¡.
Teil B steht online zum kostenlosen Download auf der Website www.justizministerialblatt.schleswig-holstein.de oder als Printausgabe zum Jahrespreis von 28,– ¡
zur Verfügung. Einzelhefte von Teil B kosten 5,80 ¡ plus Porto. Der Preis für dieses Einzelheft beträgt 13,20 ¡ und Porto. Privatbezieher können beide Teile nur bei
Druckerei Verlag J.J.Augustin GmbH, Postfach 1106, 25342 Glückstadt, Telefon 04124/2044, Fax 4709, E-Mail: augustinverlag@t-online.de, bestellen.
Beiträge sind an die Redaktion der „Schleswig-Holsteinischen Anzeigen“ Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Gottorfstraße 2, 24837 Schleswig, zu senden;
Tel. 04621/86-1279 bzw. -1302, Fax. 04621/86-1284, E-Mail: redaktion-schlha@olg.landsh.de.
– Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. –
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Druck: Verlag J.J. Augustin GmbH, Glückstadt – ISSN 1860-9643.
SCHLHAGLICHT
Meinungen I Thesen I A spe
Lasst uns „wischen“!
von JA Marc Ehlers, Rendsburg
Ich wische gerne. Nicht den Boden, aber mein Smartphone und mein Tablet-PC.
Die Smartphone-Hersteller haben in den letzten
Jahren bewiesen, dass man Eingabegeräte und Programme (sog. Apps) intuitiv bedienen kann. Ohne
eine Anleitung gelesen zu haben ist man in der Lage,
Smartphones und Tablet-PC´s überwiegend durch
„wischen“ zu bedienen.
Wäre es da nicht schön, Arbeitsabläufe in der Justiz
zukünftig per „wischen“ zu erledigen?
Wir alle profitieren von der großen Bandbreite an
inhaltlichen Aufgaben, die uns die Justiz bietet. So
können wir unseren „Kunden“ eine Menge an „Produkten“ anbieten: Es gibt Grundbucheintragungen,
Erbscheine, Scheidungsurteile, Pfändungs- und
Überweisungsbeschlüsse, Strafbefehle pp (es mag
zwar zynisch klingen, einen Strafbefehl als „Produkt“
zu bezeichnen, aber per Definition handelt es sich
nun mal um ein solches). Leider ist es so, dass wir für
jedes herzustellende Produkt teilweise unterschiedliche elektronische Hilfsmittel in Form von Software
benutzen und damit wenig Synergieeffekte haben.
Für das „Produkt“ Grundbucheintragungen verwenden wir die Software Folia. Zusätzlich wird bereits
jetzt das Programm Vis5 in den Grundbuchämtern
eingeführt, um die Grundbuchangelegenheiten ausschließlich elektronisch bearbeiten zu können.
Um die „Produkte“ Erbschein oder Scheidungsurteil
herzustellen, benötigen wir derzeit noch die Software Mega und MegaSAT. Als Nachfolge wird hier
in absehbarer Zeit forumSTAR eingeführt. Bereits mit
forumSTAR werden die Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bearbeitet.
In der Verwaltung werden weitere Programme als
Hilfsmittel eingesetzt. So werden SAP, Permis, das
Nachfolgeprogramm Kopers, Primeweb pp. vorgehalten, um die Arbeitsabläufe zu erleichtern (habe ich
jedenfalls gehört).
Natürlich dürfen auf der Benutzeroberfläche die Standardprodukte aus dem Haus Microsoft (Word, Excel,
Outlook, Internetexplorer) nicht fehlen. Derweil lauern bestimmt weitere Programme auf ihren Einsatz,
um die Einführung der elektronischen Akte –nicht nur
im Grundbuchamt- zukünftig abbilden zu können.
Alle Programme haben für die Herstellung des jeweiligen Produktes ihre Daseinsberechtigung. Und doch
wünscht man sich manchmal die „eierlegende Wollmilchsau“, die auch in Sachen Bedienbarkeit Maßstäbe setzt. Gibt´s nicht, sollte man meinen, sonst
könnten wir ja damit arbeiten.
44
Marc Ehlers, Justizamtmann, Jahrgang 1976, im
Landesdienst seit 2005, von 2009 bis 2013 Geschäftsleiter beim Sozialgericht Schleswig, seit 2013
Geschäftsleiter beim Amtsgericht Rendsburg.
Und damit komme ich zurück zum „Wischen“. Durch
die Einführung der elektronischen Akte wird die Papierakte verschwinden (müssen). Alles, was wir an
Haptik im Bereich der Papierakte „ertasten“ können,
fällt weg. Kein Blättern mehr, keine handschriftlichen
Notizen, keine „Klebis“ an den Seiten, keine Textmarker zu setzen. Als Ersatz fuchteln wir dann mehr oder
weniger elegant mit der Maus herum oder helfen uns
mit sog. Shortcuts, um Menüs zu öffnen, Eingaben
zu bestätigen, Häckchen zu setzen, Knöpfe zu drücken, Befehle zu übergeben.
Was wäre es für ein Vorteil, bereits etablierte Eingabegeräte wie z.B. einen Tablet-PC zukünftig dienstlich nutzen zu können, welche überwiegend durch
„Wischen“ zu bedienen sind. Blättern wie im E-bookReader, Eingaben bestätigen, in den man einfach nur
auf einen virtuellen Knopf drückt, weitere Befehle
und Menüs durch „wischen“ aktivieren, Textzeilen
durch Festhalten und „wischen“ verschieben, Notizen per Eingabestift machen. So stelle ich mir eine ergonomische Bedienung vor. Natürlich müssten dazu
auch die einzusetzenden Programme, mit denen die
Arbeitsabläufe ausgeführt werden sollen, auf einem
entsprechenden Eingabegerät bedienbar sein.
Ich hoffe, dass mit der Einführung der elektronischen
Akte in den nächsten Jahren auch über den Einsatz
entsprechender Endgeräte und Software in der Justiz verstärkt nachgedacht wird, damit am Ende des
Tages die Arbeit erledigt ist. Schließlich sind alle hier
genannten Programme nur „Hilfsmittel“, um die tägliche Arbeit erledigen zu können.
Es bleibt abzuwarten, ob wir weiterhin – verstärkt –
mit der Maus arbeiten werden und uns damit eine
mögliche neue Volkskrankheit (Sehnenscheidenentzündung) antrainieren.
Deswegen mein Appell: Lasst uns „wischen“!
Produkt: Ergebnis der Produktion und Sachziel einer
Unternehmung oder auch Mittel der Bedürfnisbefriedigung. (Gabler Wirtschaftslexikon).
SchlHA 1/2015
V. Entscheidungen
Zivilrecht und Zivilverfahren
AG Reinbek  4. 11. 2013 12 C 271/13
SchlHOLG
18.  3. 2014 3 U 50/13
SchlHOLG
19.   3. 2014 6 U 31/13
SchlHOLG
24.  3. 2014 3 Wx 84/13
SchlHOLG  6.  3. 2014 16 U 95/13
AG Husum
22.  7. 2014 26 C 161/13
Grundsätzlich kein Anspruch auf Zahlung einer pauschalen PKW-Nutzungsausfallentschädigung für die Reparaturdauer Abgrenzung Auftrag/Gefälligkeitsverhältnis bei Vorsorge-/Kontovollmacht
Irreführende Bezeichnung „SMS Flat“ bei Begrenzung der abgegoltenen
SMS
Vergütung des Nachlasspflegers bei Nachlassinsolvenz
Minderung der Invaliditätsleistung gem. Nr. 3 Satz 2 AUB 2005 wegen
Vorschädigung
Zur Höhe des Schadenersatzes bei Verwendung eines urheberrechtlich
geschützten Fotos in einer Ebay-Verkaufsanzeige Rezension
Dr. Armin TeschnerKlowait/Gläßer, Mediationsgesetz
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SCHLHAGLICHT
Marc Ehlers
Lasst uns „wischen“
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Buchanzeige
Drost / Ell (Hrsg.)
Das neue Wasserrecht
Wasserhaushaltsgesetz (WHG)
3. bis 6. bearb. Ergänzungslieferung (Stand: 1.9.2014)
Kommentar mit Vorschriftensammlung zum Europa- und Bundesrecht, kommentiert und herausgegeben von Ulrich Drost,
Ministerialrat a.D., ehemals Referatsleiter Wasserrecht im Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit, und
Marcus Ell LL.M. (Lüneburg), Regierungsdirektor, stellv. Referatsleiter Wasserrecht, Bodenschutz und Altlastenrecht im
Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, nebenamtlicher Arbeitsgemeinschaftsleiter für die Rechtsreferendarausbildung
Loseblattwerk, etwa 3280 Seiten, einschl. 2 Ordnern, 148,– ¡, ISBN 978-3-415-04483-8
Erschienen im Richard Boorberg Verlag, Stuttgart
Das Werk widmet sich insbesondere der wasserrechtlichen Vollzugspraxis. Die praxisgerechten Kommentierungen und die
an den Belangen des Verwaltungsvollzugs ausgerichtete Vorschriftensammlung bieten die notwendige Unterstützung bei
der täglichen Gesetzesanwendung.
WHG-Kommentar
Band I ist ein Vollkommentar zu den neuen Regelungen des WHG. Ausführlich erläutern die Verfasser die für den Vollzug
besonders wichtigen wasserrechtlichen Schwerpunkte, wie zum Beispiel
• die Regelungen über die Benutzung der Gewässer,
• die Gewässerunterhaltung,
• den Gewässerausbau,
• die allgemeinen Bestimmungen sowie
• die Bestimmungen zur Ausweisung von Wasserschutzgebieten und Überschwemmungsgebieten.
Systematisch stellen die Autoren bei jeder Vorschrift ihre Entstehungsgeschichte sowie ihre Anknüpfungspunkte dar – sowohl im bisherigen Bundesrecht als auch im Landesrecht. Zu jeder Bestimmung zeigen sie die Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat auf, da sich aus dem Zusammenwirken der beiden Verfassungsorgane wichtige Hinweise zu den
jeweiligen Regelungsabsichten ergeben. So wird der für die Auslegung wichtige Wille des Gesetzgebers deutlich.
Darüber hinaus bindet der Kommentar auch die vom WHG abweichenden und im Bundesgesetzblatt verkündeten Vorschriften des Landesrechts in die Erläuterungen mit ein.
Vorschriftensammlung zum Europa- und Bundesrecht
Band II bietet eine praxisgerechte Sammlung der für den Verwaltungsvollzug relevanten wasserrechtlichen Vorschriften auf
Europa- und Bundesebene. Neben europäischen Richtlinien und Verordnungen ist eine umfangreiche Zusammenstellung
bundesrechtlicher Gesetze, Verordnungen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Handlungsanleitungen enthalten, zum
Beispiel Vorschriften zu
• Grundwasser,
• Abwasser und Abwasserabgaben,
• Bundeswasserstraßen
• Wasser- und Bodenverbänden,
• dem begleitenden Umweltrecht (z.B. UVPG, USchadG, UmweltHG, Umweltrechtsbehelfsgesetz, Umweltauditgesetz,
EEG, Düngegesetz).
Relevante Bestimmungen wasserrechtlicher Nebengesetze werden auszugsweise wiedergegeben, so z.B. des BNatSchG,
des BlmSchG inkl. der 9. BlmSchV oder des StGB.
Buchanzeige
Baumfalk/Gierl (Hrsg.)
Zivilprozess
Stagen und Examen
11. Auflage 2013, 399 Seiten, Broschiert, 32,– ¡, ISBN 978-3-8329-7463-3
erschienen im Nomos Verlag, Baden-Baden
Das Werk ist Teil der Reihe NomosReferendariat
Mit dem Baumfalk/Gierl werden alle Referendarinnen und Referendare optimal vorbereitet auf
• Ihre Stationen bei Anwalt und Gericht sowie
• auf Ihr Examen.
Ihr zivilprozessualer Wegweiser im Referendariat!
Das Standardwerk zum Zivilprozessrecht orientiert sich am typischen Verfahrensgang: Beginn des Verfahrens/Prozesskostenhilfe und Mahnverfahren/vorbereitendes Verfahren/mündliche Verhandlung/Erlass der Entscheidung/weiterer Ablauf.
Geschildert werden zudem besondere Verfahrensarten und -situationen wie das Säumnisverfahren, Klagerücknahme und
-verzicht, Anerkenntnis und Erledigung, der Vergleich, der Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozess.
Alle ausbildungs- und examensrelevanten Fragen des Zivilprozessrechts werden erörtert: Parteien und sonstige Verfahrensbeteiligte/Klagearten/Streitgegenstand mit Klagehäufung und Klageänderung/Zulässigkeit der Klage/Angriffs- und Verteidigungsmittel/Beweis.
Begründet von Dr. Walter Baumfalk, Vizepräsident des Landgerchts Aurich a.D. und fortgeführt von Walter Gierl, Richter am
Oberlandesgericht München.
Buchanzeige
Kommentar zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L)
57.–59. Ergänzungslieferung (Stand Juli 2014)
begründet als Kommentar zum Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) von Horst Clemens, Ottheinz Scheuring, Werner
Steingen und Friedrich Wiese, fortgeführt als Kommentar zum TV-L von Knut Bredendiek, Ernst Bürger, Markus Geyer,
Norbert Görgens, Stefan Hebler, Joachim Jeske und Wilfried Kley
Loseblattwerk, etwa 8350 Seiten, einschl. 8 Ordnern, edition moll, 188,– ¡, ISBN 978-3-415-03757
Erschienen im Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG in 70563 Stuttgart
Es handelt sich um den Standardkommentar zum TV-L
Das bewährte Praktikerwerk enthält die Texte:
• des TV-L,
• des Tarifrechts der Ärztinnen und Ärzte,
• der Überleitungstarifverträge,
• sonstiger Tarifverträge.
Topaktuelle Kommentierungen zu den Regelungen des TV-L sowie zu den Überleitungstarifverträgen bieten Ihnen die optimale Unterstützung bei der täglichen Arbeit.
59. Ergänzungslieferung
Die 59. Ergänzungslieferung (240 Seiten) erschienen am 15. September 2014, ist auf dem Stand Juli 2014.
Schwerpunkt der Ergänzung ist die Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung zu den §§ 2, 6, 7, 11, 16, 33 und 37 TV-L.
In diesem Zusammenhang ist bei der Kommentierung des § 33 TV-L auch auf das RV-Leistungsverbesserungsgesetz eingegangen worden, soweit es Änderungen des SGB VI enthält.
Auf die Auswirkungen dieses Gesetzes auf Altersteilzeitfälle und den diesbezüglichen Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL wird in dieser Ergänzung eingegangen.
In den Erläuterungen zum ATV wird auf die neuen Grenzbeträge zu § 39 Abs. 1 und 2 ATV hingewiesen, die sich aufgrund
der Entgeltrunde 2014 bei Bund/VKA geändert haben.
Neu aufgenommen wurde ein Arbeitsvertragsmuster für Beschäftigte, die im Anschluss an das Berufsbildungsverhältnis
befristet eingestellt werden. Und schließlich berücksichtigt die Ergänzung auch die neuen Durchführungshinweise der TdL
zur Elternzeit.
58. Ergänzungslieferung
Die 58. Ergänzungslieferung (274 Seiten) erschienen am 27. Mai 2014, ist auf dem Stand April 2014.
Schwerpunkt der Ergänzung ist der Abschluss der Überarbeitung der Erläuterungen zu § 34 TV-L unter Einarbeitung der
Rechtsprechung zum Kündigungsrecht in den Jahren 2010 bis 2013.
57. Ergänzungslieferung
Die 57. Ergänzungslieferung (260 Seiten) erschienen am 17. April 2014, ist auf dem Stand Februar 2014.
Schwerpunkt der Ergänzung ist die Einarbeitung der neuesten Rechtsprechung des BAG zum Abschluss befristeter Arbeitsverträge sowie zur Kündigung von Arbeitsverhältnissen und zu tariflichen Ausschlussklauseln in die Erläuterungen zu den
§§ 30, 34 und 37 TV-L.