Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer
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Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer
Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer Richtlinien INAUGURAL-DISSERTATION IN INFORMATIK zur ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOKTORWÜRDE vorgelegt der PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT II – MATHEMATISCHES INSTITUT – der UNIVERSITÄT ZÜRICH von Matthias Rauterberg aus Deutschland BEGUTACHTET VON DEN HERREN Prof. Dr. Kurt Bauknecht Direktor des Instituts für Informatik der Universität Zürich Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Ulich Direktor des Instituts für Arbeitspsychologie der ETH Zürich Zürich 1995 Anschrift des Autors: Dr. Matthias Rauterberg Institut für Arbeitspsychologie (IfAP) Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Nelkenstrasse 11, CH-8092 Zürich Schweiz CIP-Titelaufnahme der Schweizerischen Bibliothek Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer Richtlinien. Matthias Rauterberg Zürich: Institut für Arbeitspsychologie der ETH ISBN 3-906509-11-7 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ausserhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Institutes für Arbeitspsychologie der ETH Zürich unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © 1995 Institut für Arbeitspsychologie der ETH Zürich Für Anja INHALTSVERZEICHNIS Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Leseanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI 1 1.1 1.1.1 1.2 Einführung........................................................... 1 Nutzen und Grenzen richtlinienorientierter Softwaregestaltung ................. 3 Beschreibungs- und Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion.............................................................................. 4 Normen zur Gestaltung interaktiver Software ..................................... 9 Richtlinien ('design guidelines, style guides') zur Gestaltung interaktiver Software.................................................................. 9 Allgemeine Forschungsfragestellung ............................................. 12 2 2.1 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 Die Benutzungsoberfläche interaktiver EDV-Systeme........... 1 3 Der interaktionelle Raum zwischen Benutzer und System .... ................. 19 Operatoren im Handlungsraum des Benutzers................................... 25 Allgemeine Klassifikation von Operatoren....................................... 26 Generische Operatoren ............................................................. 33 Transparenz- und Feedbackoperatoren ........................................... 35 3 Anforderungen an die software-ergonomische Produktgüte.........................................................37 Softwaretechnische Anforderungen............................................... 37 Arbeitspsychologische Anforderungen........................................... 44 Zielkonflikte zwischen verschiedenen Anforderungen ......................... 48 Die Gestaltungsmatrix als Orientierungsrahmen................................. 50 1.1.2 1.1.3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 5 5.1 Die Messung der Gebrauchstauglichkeit interaktiver Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3 Ansätze zur Messung von Benutzungsfreundlichkeit........................... 56 Der formalanalytische Messansatz (FM) ......................................... 58 Der produktzentrierte Messansatz (PM) .......................................... 60 Der benutzerzentrierte Messansatz (BM) ......................................... 61 Der interaktionszentrierte Messansatz (IM) ...................................... 62 Über die Validierung von Messwertskalen....................................... 64 Das quantitative Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 5 Allgemeine Definition von Interaktionspunkten ................................. 66 I Inhaltsverzeichnis 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 6 6.1 6.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.3.6 6.3.7 7 7.1 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.3.7 8 8.1 8.1.1. 8.1.2. 8.1.3. 8.2. 8.2.1. II Interaktionspunkte von Kommandooberflächen................................. 75 Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen (CUI) ................................................................................. 77 Interaktionspunkte von direktmanipulierbaren Oberflächen (GUI) ........... 81 Definition von Dialogkontext und Interaktionspfad............................. 84 Anwendungsmöglichkeiten des Beschreibungskonzeptes ..................... 89 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 Theoretische Grundlagen........................................................... 91 Die Forderung nach 'Transparenz'................................................ 96 Produktbezogene Messung von Feedback ...................................... 101 Quantitative Masse für Feedback................................................. 102 Ausmass an Feedback einer CUI-Oberfläche................................... 107 Ausmass an Feedback einer GUI-Oberfläche................................... 109 Ein Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche............................... 111 Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur .......................................... 112 Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur ............................................... 115 Vergleich der beiden multimedialen Informationssysteme .................... 116 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 7 'Kontrolle' als Bestandteil menschlicher Handlungen......................... 117 Die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' .................................... 118 Produktbezogene Messung von Flexibilität..................................... 123 Quantitative Masse für Flexibilität................................................ 124 Der Hierarchisierungsgrad der CUI-Oberfläche................................ 132 Der Hierarchisierungsgrad der GUI-Oberfläche................................ 133 Ein Vergleich der Flexibilität der CUI- mit der GUI-Oberfläche ............. 134 Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur................. 135 Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur...................... 137 Vergleich der Flexibilität der beiden multimedialen Informationssysteme............................................................... 141 Validierung der Messkriterien....................................1 4 3 Validierung von Feedback ........................................................ 143 Kommando- versus Menüoberfläche ............................................ 144 Kommando- versus Desktopoberfläche ......................................... 145 Zusammenfassende Beurteilung von Kommandooberflächen................ 146 Validierung von Flexibilität ....................................................... 146 CUI- versus GUI-Oberfläche..................................................... 146 Inhaltsverzeichnis 8.2.2. Baum- versus netzartige Interaktionsstruktur................................... 152 8.2.3. Kreuzvalidierung an zwei CUI-Oberflächen eines Simulationsprogrammes........................................................... 166 8.3. Wahrnehmungs- und Aktionsraum .............................................. 174 8.3.1. Methodisches Vorgehen........................................................... 176 8.3.2. Beschreibung der Testpersonen .................................................. 177 8.3.3. Ablauf der Untersuchung ......................................................... 177 8.3.4. Beschreibung der Testaufgaben .................................................. 177 8.3.5. Darstellung der Ergebnisse........................................................ 178 8.3.6. Fazit für die Gestaltung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum............. 181 9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.2 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente..........1 8 3 Qualitative Aspekte der Anwendungsfunktionalität ............................ 183 Funktionale Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen..................... 183 Funktionale Vollständigkeit....................................................... 186 Anwendungsbezogene Flexibilität ............................................... 188 Quantitative Masse für die Anwendungsfunktionalität......................... 190 10 10.1 10.2 Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 9 9 Ein allgemeines Gestaltungsprinzip.............................................. 205 Ausblick auf zukünftige Forschung.............................................. 208 11 Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 0 9 12 Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 1 1 Anhang mit Interaktionsstrukturschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 2 9 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 3 5 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 3 9 III VORWORT "Das Denken für sich allein bewegt nichts, sondern nur das auf einen Zweck gerichtete und praktische Denken" (Aristoteles ca. 350 v.Chr.). Der Ausgangspunkt dieser Arbeit begann vor ca. acht Jahren mit einem Telefonat von meinem Freund Ulrich Klotz, in dem er mich um die Übersendung von empirischen Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Arten von Benutzungsoberflächen bat. Sehr bald musste ich zu meiner grossen Verwunderung feststellen, dass zum damaligen Zeitpunkt allgemein sehr wenige – und insbesondere zu dem Vergleich von zeichenorientierten Menüoberflächen mit graphischen Desktopoberflächen keine – Studien vorlagen. In Zusammenarbeit mit der ADI GmbH – vertreten durch Herrn Dr. habil. Karl Schlagenhauf und Herrn Raimund Mollenhauer – konnte ich dann eine empirische Vergleichsstudie an der ETH-Zürich durchführen. In dieser Vergleichsstudie zeigte sich eine generelle Überlegenheit zugunsten der graphischen Desktopoberfläche. Seit dieser Zeit versuchte ich herauszufinden, wie sich dieses empirische Ergebnis erklären lässt. Ich stellte mir die Frage, welche spezifischen Eigenschaften einer graphischen Oberfläche für diese empirisch beobachtbare Überlegenheit verantwortlich sein könnten. Erst im Laufe dieser Dissertation, welche ohne die grosszügige Akzeptanz und Unterstützung meiner beiden Doktorväter Herrn Prof. Dr. Kurt Bauknecht an der Universität Zürich und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Ulich an der ETH-Zürich undenkbar wäre, ist es mir gelungen, in den letzten fünf Jahren der gestellten Frage nachgehen zu können. Dazu musste ich zunächst eine Methode entwickeln, welche es mir gestattet, ansatzweise die wesentlichen Elemente von graphischen Oberflächen beschreiben zu können. Durch einen interdisziplinären Forschungsansatz zwischen Informatik einerseits und Psychologie andererseits konnte ich die Vorteile des formalen Ansatzes mit den Möglichkeiten der empirischen Forschung sinnvoll verbinden. Ohne die vielfältige Unterstützung meiner Projektkollegen Herrn Dr. Philipp Spinas, Herrn Dr. Oliver Strohm und Herrn Daniel Waeber, meiner Arbeitskollegen Herrn Dr. David Ackermann, Herrn Dr. Thomas Greutmann und Herrn Andreas Grützmacher, sowie einer Vielzahl von InformatikstudentInnen der ETH wäre der erfolgreiche Abschluss dieser Arbeit sehr unwahrscheinlich gewesen. Allen erwähnten Personen gilt mein tiefster Dank für die verschiedensten Arten der Unterstützung und Zusammenarbeit. Zum Schluss möchte ich meiner Freundin Anja Neukom für ihre Geduld und ihre unermüdliche Ermunterung in all den Jahren der Erstellung dieser Arbeit aufs herzlichste danken. Matthias Rauterberg Zürich, den 1. Mai 1995 V LESEANLEITUNG Da diese Arbeit auf einem interdisziplinären Forschungsansatz aufbaut, sind die Schwerpunkte seitens der Informatik und seitens der Arbeitspsychologie entsprechend miteinander in Beziehung gesetzt. Der interdisziplinäre Forschungsansatz besteht darin, dass Gestaltungsfragen der Informatik zum Teil mit empirischen Methoden der Arbeitspsychologie untersucht und beantwortet wurden. Den Inhalt dieser Arbeit kann man sich auf verschiedene Weisen 'er'-lesen. • Die schnellste Variante ist das Lesen der Zusammenfassung (Kapitel 11). • Die zweitschnellste Variante besteht aus dem Lesen der Zusammenfassung (Kapitel 11) und dem Lesen der Diskussion (Kapitel 10). • Bei den beiden vorherigen Varianten wird man wahrscheinlich feststellen, dass wesentliche Begriffe und Konzepte nicht vollständig verstanden werden können. Es empfiehlt sich daher, als nächstes 'das quantitative Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen' (Kapitel 5) und dann Kapitel 7 (der Gestaltungsbereich 'Kontrolle') zu lesen. Die wesentlichen Konzepte für das allgemeine Gestaltungsprinzip kann man in dem Kapitel 6 (der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle') nachlesen. • Für denjenigen Leser, welcher bei den bisher vorgestellten Lesevarianten mit einigen auftauchenden Fachbegriffen weiterhin seine Schwierigkeiten haben sollte, empfiehlt es sich, mindestens die 'Einführung' (Kapitel 1) zu lesen. Im Kapitel 2 – 'die Benutzungsoberfläche interaktiver EDV-Systeme' – wird darüber hinaus eine der wichtigsten Unterscheidungen dieser Arbeit eingeführt und erläutert: der Unterschied zwischen Dialog- und Anwendungsfunktionen. • Für den eher an arbeitspsychologischen Fragestellungen interessierten Leser sei das Kapitel 3 – 'Anforderungen an die softwareergonomische Produktgüte' –, sowie das Kapitel 9 – 'der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente' – empfohlen. • Wer den empirisch geführten Nachweis zur Überprüfung und Validierung der verschiedenen Masse im einzelnen nachvollziehen möchte, muss das Kapitel 8 – 'Validierung der Messkriterien' – lesen. VI 1 EINFÜHRUNG "Die Entwicklung von Informatikanwendungen hat in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu interessanten aber auch heftigen Diskussionen gegeben. Anfänglich wurde die Anwendungsentwicklung als eine künstlerische Aufgabe verstanden, bei welcher der persönliche Stil des Entwicklers dominant war und zu Unikaten führte. Die Schwierigkeiten im Betrieb und beim Weiterausbau solcher Lösungen wie auch die praktische Unmöglichkeit, diese zu integrieren, führten schliesslich zur Überzeugung, dass Softwareentwicklung formalisiert und analog zur industriellen Einzelproduktefertigung betrieben werden sollte" (Bauknecht 1992, S. I). Zunächst schien es innerhalb der Softwareergonomie wichtig und ausreichend, dass die Forschung sich primär auf die Gestaltung der Benutzungsoberfläche konzentriert hat. Diese Tradition setzt sich auch in der Entwicklung von User-Interface-Management-Systemen (UIMS) fort. In letzter Zeit ist jedoch die Verkopplung der Gestaltung der Benutzungsoberfläche mit der Analyse und Gestaltung der Anwendungskomponente zunehmend als Problem erkannt und aufgegriffen worden (Maass und Oberquelle 1989). Bei der Gestaltung eines interaktiven EDV-Werkzeuges ist speziell bei der Gestaltung der Benutzungsoberfläche die Abhängigkeit von der Anwendungsfunktionalität zu beachten. Dabei hat es sich gezeigt, dass der Benutzereinbezug in den Entwicklungsprozess zunehmend in das Zentrum gängiger und zukünftiger Softwareentwicklungspraxis rückt. Das bisher erarbeitete Wissen zur Analyse, Bewertung und Gestaltung von interaktiven Systemen – insbesondere ihrer Benutzungsoberflächen – liegt oftmals in Form von Richtlinien-, Kriterien- bzw. Prinzipiensammlungen vor. Die zur Zeit umfassendsten Darstellungen im deutschsprachigen Bereich kommen von Fähnrich (1987, Hrsg.), Lauter (1987), Balzert, Hoppe, Oppermann, Peschke, Rohr und Streitz (1988, Hrsg.), Baitsch, Katz, Spinas und Ulich (1989), Koch, Reiterer und Tjoa (1991), Zeidler und Zellner (1992), Wandmacher (1993), sowie Ziegler und Ilg (1993, Hrsg.); im englischsprachigen Bereich sind die Werke von Shneiderman (1987), Brown (1989), Brown und Cunningham (1989), Galitz (1989), Booth (1990), Helander (1991, Hrsg.), Mayhew (1992), sowie Preece, Rogers, Sharp, Benyon, Holland und Carey (1994) zu nennen. Diese Bücher setzen alle voraus, dass sich die dort angegebenen Richtlinien in ihrer vollumfänglichen Bedeutung anwenden lassen. Da dies oftmals nicht erreichbar scheint, versuchen einzelne Autoren diese Lücke durch möglichst repräsentative Beispiele zu schliessen (z.B. Lauter 1987, Mayhew 1992, Preece et al 1994). Eine umfassende Gestaltungstheorie fehlt jedoch. Ansätze in diese Richtung sind bei Card, Moran und Newell (1983), Norman und Draper (1986), Booth (1990), sowie Keil-Slawik (1990) zu erkennen. Die meisten Werke mit softwareergonomischem Wissen enthalten Hinweise und Richtlinien 1 1 Einführung zu folgenden Bereichen (nach Bodart und Vanderdonckt 1993): (1.) Dateneingabe, (2.) Darstellung von Daten auf dem Bildschirm, (3.) Gestaltung des Dialoges, (4.) Darstellung von Graphiken, (5.) Interaktionselemente und -geräte, (6.) Interaktionsweisen, (7.) Benutzerführung, (8.) Gestaltungen von (Rück-)Meldungen, (9.) Gestaltung von OnlineHilfen, (10.) Aufbereitung der Dokumentation, (11.) Vorgehensweisen bei der Evaluation, (12.) Vorgehensweisen bei der Implementation. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass Entwickler oftmals Softwareergonomie mit dem Einsatz von Herstellerstandards (SAA, OSF/Motif™, MS-Windows™, Apple™ usw.) verwechseln (Schlesinger, Maier, Vogt, Hauri, Rauterberg und Mauerhofer 1992). Softwareergonomisches Wissen und entsprechende Richtlinien dienen nach einer Umfrage in 84 europäischen Softwarehäusern, Beratungsunternehmen usw. den folgenden Zwecken (Dillon, Sweeney und Maguire 1993): (1.) Richtlinien zur Gestaltung der Benutzungsfreundlichkeit (54 %), (2.) Standards für den Test auf Benutzbarkeit (46 %), sowie (3.) Ausbildungskurse für eine softwareergonomische Qualifizierung (29 %). Der erste und dritte Zweck lässt sich durch das bisher erarbeitete Wissen weitgehend erreichen (Helander 1991). Für die Einschätzung betreffend des zweiten Zweckes möge das bis heute weitgehend akzeptierte Zitat aus der DIN 66 234 (Teil 8, 1988) dienen: "Es ist derzeit noch nicht möglich, die Erfüllung einzelner ... Leitsätze objektiv zu überprüfen, da geeignete Überprüfungsverfahren noch nicht bekannt sind. Wenn Prüfverfahren bekannt sind, bedarf es noch einer Weiterentwicklung dieser oder weiterer Normen, z.B. hinsichtlich quantifizierbarer Grössen und anwendungsspezifischer Anforderungen." Seither gab es mindestens drei europäische Ansätze zur Lösung der aufgezeigten Problematik: (1.) das EVADIS-Projekt bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (Oppermann, Murchner, Paetau, Pieper, Simm & Stellmacher 1988), (2.) das PROTOS-Projekt an der Technischen Universität in München (Müller-Holz auf der Heide, Hacker und Bartsch 1990), (3.) das Esprit-Projekt MUSiC (Rengger, MacLeod, Bowden, Dryman und Blayney 1992). Keinem dieser drei Projekte ist es gelungen, unabhängig von der konkreten Interaktion eines Benutzers mit der zu analysierenden Software eine vollständig objektive Quantifizierung relevanter Richtlinien zu ermöglichen, welche die softwareergonomische Güte direkt an dem Produkt selbst feststellen liesse. Diese Art der Produktgütebestimmung werden wir den produkt-zentrierten Messansatz mittels objektiver Messmethoden nennen (siehe ausführlicher in Kapitel 4). Bei Englisch (1993) finden wir einen ersten Ansatz, die softwareergonomische Produktgüte von CAD-Systemen mittels eines Masses für die Menükomplexität zu bestimmen. Leider muss sich Englisch (1993, S. 167) wegen der enormen Komplexität der analysierten Softwareprodukte bei der Validierung seiner Masse mit "hypothetischen" Kennwerten begnügen. 2 Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1 In der hier vorliegenden Arbeit wird ein Beitrag für die detaillierte Ausformulierung eines Konzeptes zur Quantifizierung wesentlicher softwareergonomischer Richtlinien geleistet. Dieses Konzept soll – um seinem interdisziplinären Einsatzzweck Rechnung zu tragen – ein Minimum an formalem Aufwand erfordern, dennoch ein Maximum an Präzisierung ermöglichen und sich in empirischen Überprüfungen bewähren. 1.1 N UTZEN UND G RENZEN RICHTLINIENORIENTIERTER S OFTWAREGESTALTUNG "For a designer whose professional life is spent in solving immediate problems, the imperative argument is that today's design must be made today. As human factors practitioners, our influence with designers may be diminished if we come to them without hard data; but our influence will disappear altogether if we come to them too late. When no directly relevant data are available, which is usually the case, then we must rely on judgements. If we must rely on judgement, then by all means let us seek first the considered judgement offered by guidelines rather than the more casual opinions of individual designers" (Smith 1986, S.55). Da bei der Softwareentwicklung mindestens 30 bis 35% des erstellten Programmcodes auf die Unterstützung der Benutzungsoberflächenfunktionalität entfällt (Smith und Mosier 1984a), wird ein entsprechender Teil der Forschung auf die sinnvolle Gestaltung interaktiver Software ausgerichtet. Auf dem Forschungsgebiet der Gestaltung von interaktiver Software ist es sinnvoll, dass die folgenden wissenschaftlichen (Teil)-Disziplinen inhaltlich zusammenarbeiten: Softwaretechnik und Softwareengineering, Arbeitspsychologie, sowie kognitive Psychologie. Jeder dieser Forschungsbereiche trägt seinen Teil dazu bei, benutzungsgerechte interaktive Software als eine spezielle Klasse von modernen Werkzeugen der Arbeitswelt zur Verfügung zu stellen. Es hat sich daher auch in den letzten Jahren der interdisziplinär besetzte Forschungsbereich der Softwareergonomie1 herausgebildet. Zunächst muss das Verhältnis der verschiedenen Begrifflichkeiten (Kriterium, Standard, Norm, Richtlinie, Regel, Mass, Dimension) geklärt werden. Hierzu werden die Definitionen im Duden (1963) herangezogen. Eine Richtlinie weist auf in ihr enthaltene Aspekte hin und dient der Hinlenkung der Aufmerksamkeit auf diese Inhalte. Ein Kriterium ist ein unterscheidendes Merkmal und dient zur Kennzeichnung bestimmter inhaltlicher Aspekte; ein Kriterium kann aufgrund seiner Quantifizierbarkeit als Prüfstein für eine anspruchsvolle Beurteilung verwendet werden. 1 "Software ergonomics is defined as fitting the properties of a dialogue-based working system to the cognitive and intellectual attributes of man working in an organizational environment" (Cakir 1986, p. 63). 3 1 Einführung Ein Standard dient primär der Vereinheitlichung und kann als Normalmass bzw. als Richtlinie zur Erstellung einer Normalausführung bzw. eines Standardmodelles verwendet werden. Eine Norm ist eine Richtlinie, eine Regel bzw. ein Massstab, welche primär der einheitlichen Gestaltung eines Produktes auf dem Hintergrund einer sozialen Übereinkunft ('Normung') dient. Während ein Standard einen lediglich empfehlenden Charakter hat, so gilt eine Norm als verbindlich. Eine Regel ist eine sprachlich gegebene Vorschrift und dient als inhaltliche Konkretisierung einer Norm bzw. eines Standards. Eine Regel kann als qualitativer 'Massstab' angesehen werden. Ein Mass ist eine formal gegebene Vorschrift und bildet die quantitative Entsprechung zur Regel. Eine Dimension ist Ausdehnung bzw. Ausmass und dient der Abmessung eines bestimmten Bereiches. Im folgenden wird unter Dimension die Zusammenfassung von verschiedenen Regeln und Massen zu vorgegebenen Gestaltungsrichtlinien verstanden. Ein Prinzip ist ein Grundsatz, den man der Gestaltung zugrunde legt; Prinzipien umfassen generelle Aspekte, welche man soweit als möglich berücksichtigen sollte. Das Gestaltungsmodell von Ulich (1991, 1992, 1994) beruht auf dem Werkzeugparadigma (Maass 1984, Rauterberg 1988b, Oberquelle 1991) und besteht aus drei Gestaltungsbereichen: 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle', 'Kontrolle' und 'Aufgabenorientierung'. Jedem dieser drei Gestaltungsbereiche sind Gestaltungsrichtlinien zugeordnet. Die in dieser Arbeit erwähnten 'Richtlinien' werden als inhaltliche Operationalisierungen dieser Gestaltungsrichtlinien verstanden. Die Begriffe 'Richtlinie', 'Standard' und 'Norm' zielen auf die Form und die soziale Verbindlichkeit dieser Gestaltungsrichtlinien ab. 1.1.1 Beschreibungs- und Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion "Fragen der sogenannten 'Benutzungsfreundlichkeit' spielen seit einer Reihe von Jahren eine zunehmende Rolle für die Bewertung und die Akzeptanz rechnergestützter Arbeitsmittel" (Ulich 1991, S. 256). Das Bewertungs- und Gestaltungsmodell von Ulich (1988, 1991, 1992, 1994) wird vorgestellt und mit den bisher bekannten Richtlinienkatalogen verglichen. Bevor wir jedoch 4 Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1 dies tun, werden wir die wesentlichen Kennzeichen der bestehenden Beschreibungs- und Bewertungsmodelle (ISO-OSI, DIN 66 234, VDI 5005, ISO 9241, EG-Richtlinie 90/ 270/ EWG) kurz erwähnen. In dem ISO-OSI-Schichtenmodell ist ein umfassender Beschreibungs- und Festlegungsversuch aus primär technischer Perspektive erstellt worden. Während die unteren, rein technischen Ebenen in dem ISO-OSI-Schichtenmodell schon recht früh standardisierungsfähige Festlegung erhalten haben, so wurden die anwendungsnahen Schichten erst später festgelegt (z.B. Computer Science and Technology Board 1988, Tanenbaum 1988). Dennoch reichen diese Festlegungen nicht aus, um für primär interaktive Software ein aufgabenangemessenes und benutzungsgerechtes Design zu gewährleisten. Die DIN 66 234 Teil 3, 5 und 81 legen Anforderungen an die softwaremässige Gestaltung der Ein/Ausgabeschnittstelle und der Dialogkomponente, sowie zum Teil implizit auch an die Gestaltung der Anwendungskomponente fest. Die Anforderungen an die Ein/Ausgabeschnittstelle beziehen sich auf die Gruppierung und Formatierung der alphanumerischen Ein- und Ausgabefelder, sowie auf die feste Aufteilung des Bildschirmes in die drei Bereiche: 1. Arbeitsdaten, 2. Befehlsdaten und 3. Ausgabe von Systemmeldungen bzw. Statusinformationen (DIN 66 234 Teil 3). Dzida, Herda und Itzfeldt (1978) haben durch eine Umfrage unter 233 Computerbenutzern mittels einer Faktorenanalyse (Bortz 1989, S.615-675) aus 57 Systemeigenschaften 7 Eigenschaftsgruppen ('Faktoren') erhalten. Die Gestaltung der Ausgabeschnittstelle (AS) mit graphischen Elementen bzw. allgemein mit optischen (einschliesslich Farbgebung) und akustischen Ausgabeinformationen wird in DIN 66 234 Teil 5 beschrieben. Der Teil 8 dagegen bezieht sich allgemein auf die Gestaltung der Dialogkomponente und Anwendungskomponente. Die Repräsentation des Zustandsraumes der Anwendungskomponente soll 'aufgabenangemessen' erfolgen; wie dies gemeint ist, wird an elf Beispielen erläutert. Die restlichen vier Gestaltungsrichtlinien 'Selbstbeschreibungsfähigkeit', 1 Die einzelnen Teile der DIN 66 234 stammen aus folgenden Jahren: Teil 3 - März 1981; Teil 5 - März 1981 und Teil 8- Februar 1988. 5 1 Einführung 'Steuerbarkeit', 'Erwartungskonformität' und 'Fehlerrobustheit' zielen im wesentlichen auf die Gestaltung der Dialogkomponente ab, wobei es jedoch auch noch zu bedeutsamen Überschneidungen mit dem Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente kommt. So wird bei den erläuternden Beispielen zur Gestaltungsrichtlinie 'Selbsterklärungsfähigkeit' sowohl die Darstellung bestimmter Aspekte des Zustandsraumes der Dialogkomponente, als auch des Zustandsraumes der Anwendungskomponente angesprochen. Wesentliche Teile der DIN 66 234 sind in die ISO 9241 übernommen worden. Während sich die beiden Beiblätter zum Teil 5 aus dem Jahre 1988 auf die experimentellen Untersuchungen von Verhagen (1981), Kokoschka (1981) und Linnertz, Meessen, Münch und Pfeiffer (1981) berufen, so stützt sich die empirische Basis der DIN 66 234 Teil 8 lediglich auf Befragungsdaten. Dieses Fehlen entsprechender empirischer Untersuchungen anhand hypothesengeleiteter Experimente wird daher von Moll und Ulich (1988) zu recht kritisiert. So konnten wir (Rauterberg und Cachin 1993) z.B. zeigen, dass die Bildschirmaufteilung gemäss DIN 66 234 Teil 3 grundlegend an den Bedürfnissen der menschlichen Informationsaufnahme und -verarbeitung vorbeigeht. Das aus theoretischen Konzepten abgeleitete, benutzungsorientierte Bewertungsund Gestaltungsmodell von Ulich (1988, 1989, 1991, et al. 1991) lässt sich daher nur zum Teil mit den Gestaltungsrichtlinien der DIN 66 234 in Übereinstimmung bringen. Dies ist im wesentlichen dadurch bedingt, dass die übergeordnete Dreiteilung der einzelnen Gestaltungsrichtlinien 'Aufgabenorientierung', 'Kalkulierbarkeit' und 'Kontrolle' (siehe Abbildung 1.1.1.1) – aufbauend auf handlungstheoretischem Grundlagenwissen – durch das Kontrollkonzept mentaler Informationsverarbeitung beeinflusst worden ist (siehe auch Troy 1981). Bevor dieses Bewertungs- und Gestaltungsmodell im Einzelnen erläutert wird, soll ein kurzer Überblick über drei verschiedene Bereiche bei der Gestaltung interaktiver Software gegeben werden, um dann auch die Grenzen und damit den Bereich der Forschungsfragestellungen dieser Arbeit erläutern zu können. Der benutzerorientierte Gestaltungsansatz interaktiver Software umfasst die folgenden drei Gestaltungsbereiche: I Der soziotechnische Bereich, II die Mensch-Computer Funktionsteilung, III die Gestaltung des interaktiven Systems selbst. 6 Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1 Diese drei Bereiche sind unterschiedlich umfassend und schliessen einander in der folgenden Art ein: I ⊃ II ⊃ III. Benutzer-orientierte Softwaregestaltung AufgabenOrientierung Kalkulierbarkeit als eine Voraussetzung für Kontrolle • Ganzheitlichkeit • Anforderungsvielfalt Kontrolle • Transparenz • Flexibilität • Feedback • individuelle Auswahlmöglich keiten • soziale Interaktionsmöglichkeiten • Konsistenz • Autonomie • Kompatibilität • Lern- und Entwicklungs• Unterstützung möglichkeiten • individuelle Anpassbarkeit • Zeitelastizität und stressfreie Regulierbarkeit • Sinnhaftigkeit • Partizipation Abbildung 1.1.1.1 Das arbeitspsychologische Bewertungs- und Gestaltungsmodell für eine benutzungsorientierte Softwaregestaltung nach Ulich (1994, S. 161 und 323). Während der soziotechnische Gestaltungsbereich den Gestaltungsrahmen absteckt und hierbei die Frage nach dem Einsatz von Maschinen (z.B. Computer in unserem Falle) allgemein abgeklärt wird (hier ist insbesondere die organisationale Schnittstelle angesprochen), so wird in der anschliessenden Mensch-Computer Funktionsteilung (MCF) im Detail festgelegt, welche Arbeitsanteile auf den Computer übertragen werden, um eine optimale Unterstützung des Benutzers zu gewährleisten (das Ergebnis der MCF ist die Werkzeugschnittstelle; siehe Rauterberg, Strohm und Ulich 1993, Grote 1994). Bei der Gestaltung der interaktiven Software selbst geht es um die konkrete Beantwortung der Frage nach der Form der Umsetzung der Vorgaben aus der MCF (die Ein/Ausgabe- und die Interaktionsschnittstelle). 7 1 Einführung Tabelle 1.1.1.2 Übersicht über verschiedene Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion (siehe auch Reiterer 1990 und Ilg 1993). Dzida, et al. (1977) Dzida, Herda & Itzfeldt (1978) Aufgabenangemessenhei t Selbsterklä- Selbsterklärungsfähigke rungsfähigke it it Rückkopplungsfähigke it Erwartungskonformität Dialogflexibilität einfache Anwendbarkeit DIN 66 234 Teil 8 (1988) VDI Richtlinie 5005 (1990) EG Richtlinie 90/270/EWG (1990) Aufgabenan- Aufgabenan- Tätigkeitsangegemessenhe gemessenhe passtheit it it ISO 9241 Entwurf (1991) (1994) Aufgabenangemessenheit • Ganzheitlichkeit, • Anforderungsvi elfalt, • Autonomie, • soziale Interaktionsmöglichkei ten Selbsterklä • Transparenz, rungsfähig- • Unterstützung keit • Feedback Selbsterklärungsfähigk eit Angaben über die jeweiligen Systemabläufe Erwartungskonformität Format- und tem- Erwartungs- • Konsistenz pogerechte konformitä • Kompatibilität Informat tionsdarstellung • Flexibilität Handlungsflexibilität Erlernbarkeit Handlungsflexibilität Erlernbarke it Kompetenzförderlichke it Unterrichtung und Unterweisung Anpassbarkeit Individualian Kenntnis- und sierbarkeit Erfahrungsstand Anhörung und Beteiligung Zuverlässigk eit Ulich Steuerbarkeit Steuerbarkei t Fehlertoleran Fehlerz robustheit Steuerbarke it Fehlertoleranz • Lernpotential • Entwicklungsmöglichkeiten • individuelle Wahlmöglichkeiten, • individuelle Anpassbarkeit • Partizipation • Flexibilität [wird vorausgesetzt] Die verschiedenen Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion (Dzida et al. 1977; Dzida, Herda und Itzfeldt 1978; DIN 66 234 1988; VDI 5005; ISO 9241 1991; Ulich 1991) zeigen unterschiedliche Schwerpunkte und Differenzierungsgrade (siehe Tabelle 1.1.1.2). Das Modell von Ulich (1991) ist nicht nur handlungspsychologisch begründbar, sondern auch am weitesten differenziert. Lediglich die Forderung nach Zuverlässigkeit bzw. Fehlerrobustheit wird nicht expliziert. Da die Gestaltung benutzungsge- 8 Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1 rechter Systeme ohne die zuverlässige Funktionsweise des technischen Teilsystems keinen Sinn machen würde, wird diese Anforderung als unabdingbar vorausgesetzt. Im Rahmen dieser Arbeit geht es weitgehend um die Gestaltung der interaktiven Software selbst. Es wird davon ausgegangen, dass die soziotechnische Systemanalyse und die inhaltlichen Vorgaben aus der MCF vorliegen. Der Themenschwerpunkt dieser Arbeit stellt somit nur einen spezifischen Ausschnitt aus dem benutzungsorientierten Bewertungs- und Gestaltungsmodell von Ulich (1991) dar. Da die Analyse-, Bewertungsund Gestaltungsdimensionen für ganzheitliche Aufgaben an anderer Stelle ausreichend dargestellt worden sind (Ulich 1978, 1988, 1989a, 1989b, 1991; Baitsch et al. 1989), werden wir im Rahmen dieser Arbeit stärker auf die Bereiche 'Kalkulierbarkeit...' und 'Kontrolle' eingehen. 1.1.2 Normen zur Gestaltung interaktiver Software Es wurden eine Reihe von verschiedenen Richtlinien, Gestaltungskonzepten usw. erwähnt, welche dazu gedacht sind, dem Softwareentwickler eine brauchbare und umsetzbare Handlungsanweisung zur benutzungsgerechten Systemgestaltung an die Hand zu geben. Es wurden nur die einflussreichsten Normen des internationalen und deutschsprachigen Raumes für die Gestaltung der Mensch-Computer-Schnittstelle angesprochen: DIN 66 234 Teil 3, 5 (1981) und 8 (1988), VDI-Richtlinie 5005 (1988), ISO 9241 (im Entwurf), sowie die EG-Richtlinie 90/270/EWG (1990) zur Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes. Für eine ausführlichere Diskussion der einzelnen Normen siehe bei Ilg (1993). Darüber hinaus haben sich als Quasinormen etablieren können: Apple Human Interface Guideline (Apple Computer 1986), IBM-Guideline (Engel und Granda 1975), sowie OSF/ Motif Styleguide (1990, 1991). Eine kritische Bestandsaufnahme leisten Ilg und Görner (1993). 1.1.3 Richtlinien ('design guidelines, style guides') zur Gestaltung interaktiver Software "We need more precise principles" (Norman 1983a, S.1). Zusätzlich zu den Richtlinien wurden verschiedene Leitfäden zur Gestaltung menschengerechter interaktiver Software entwickelt: Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von Arbeit mit Bildschirmsystemen (Spinas, Troy und Ulich 1983); Guidelines for Designing User Interface Software (Smith und Mosier 1986); Computerunterstützte Büroarbeit: ein Leitfaden für Organisation und Gestaltung (Baitsch et al. 1989); HIF-Regelwerk: Regeln zur Gestaltung von Benutzungsoberflächen (Nixdorf 1989, Siemens-Nixdorf 1990, bzgl. SAP-Styleguides siehe Tillert 1993). 9 1 Einführung Es stellt sich somit die Frage, inwieweit es sich bei dem scheinbar hohen Grad der Normung lohnt, weitere Forschung in die Entwicklung und Validierung von Gestaltungsrichtlinien zu investieren. Inwieweit sich Standards, Gestaltungsrichtlinien bzw. Regeln in dem Bereich der Gestaltung von Benutzungsoberflächen sinnvoll umsetzen lassen, wurde am gründlichsten bisher wohl nur von Smith und Mosier (1984a), Mosier und Smith (1986), sowie Smith (1986) untersucht und diskutiert. Es soll daher das allgemeine Problem des Einsatzes von Gestaltungsrichtlinien im Softwareerstellungsprozess anhand der Sammlung von Smith und Aucella (1983) eingehender dargestellt werden. Wir gehen davon aus, dass sich die von Smith und Mosier vorgestellten Ergebnisse auch auf andere Normen und Richtliniensammlungen sinnvoll übertragen lassen (Smith 1993). Neuere Untersuchungen (Beimel, Schindler und Wandke 1993, Hüttner und Wandke 1993) bestätigen weitgehend die folgenden Ausführungen. Eine Sammlung von 580 Richtlinien, Kriterien, Gestaltungshinweisen wurde von Mosier und Smith vor ca. 10 Jahren an 400 Empfänger verschickt. Von diesen 400 Angeschriebenen antworteten 130 Personen (Rücklaufquote von 32%). Bei der Auswertung dieser Befragung zeigte sich die geringste Akzeptanz bei der Gruppe der Softwareentwickler (Mosier und Smith 1986). Dieser deutliche Unterschied in der Einschätzung der Gebrauchstauglichkeit von Richtliniensammlungen kann verschiedene Gründe haben. Weniger als ein Drittel (28%) der Befragten war vor ca. 10 Jahren direkt in der Softwareentwicklung tätig. Wichtig für das weitere Vorgehen in unserer Arbeit bleibt festzuhalten, dass softwareergonomisches Wissen von sehr unterschiedlich ausgebildeten Personen angewendet wird. Eine neuere Umfrage unter schweizer Softwareherstellern ergab, dass 48% der 73 befragten Unternehmen mindestens einen Mitarbeiter mit Ergonomiekenntnissen festangestellt haben (Schlesinger et al. 1992). Rogers und Armstrong (1977) sehen die Gebrauchstauglichkeit damaliger Gestaltungsrichtlinien als kritisch an, weil sie nicht in jedem Fall eine benutzungsfreundliche Oberfläche garantieren. Zu dem gleichen Ergebnis kommt auch Tillert (1993). Darüber hinaus erwies sich die Anwendbarkeit für Systemdesigner als schwierig (Rogers und Pegden 1977; Good 1989; Beimel, Schindler und Wandke 1993). Welche Gründe werden im einzelnen für die eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit von Gestaltungsrichtlinien angegeben ? Der grösste Teil (40%) derjenigen, welche die Richtliniensammlung von Smith und Aucella (1983) einsetzten, konnte keine konkreten Gestaltungshinweise für seine aktuelle Arbeit finden. Lediglich ein gutes Drittel (40%) konnte mit den Kriterien direkt bzw. nach Überarbeitung etwas anfangen. Eines der Hauptprobleme hierfür scheint darin zu liegen, dass neuere technische Entwicklungen nicht schnell und adäquat genug berücksichtigt 10 Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1 werden können. Ein anderes Problem stellt die fehlende Anwendbarkeit im konkreten Einzelfall dar: "The most frequent problem cited is that guidelines are too general to be applied" (Mosier und Smith 1986, S.43). Als Lösung für dieses Problem geben Mosier und Smith an, zu jeder Gestaltungsrichtlinie eine Gestaltungsregel mit beizuordnen, welche eine Transformation aus dem Allgemeinen auf das Spezielle leistet (z.B. Angabe eines konkreten Beispiels usw.). "Effective application of guidelines will require a process of translation into systemspecific design rules,..." (Smith 1986, S.47). Nach einer Umfrage unter – softwareergonomischen Gestaltungsansprüchen interessiert gegenüberstehenden – Softwareentwicklern im deutschsprachigen Bereich werden das benötigte Gestaltungswissen zu 80% von Kollegen erfragt und zu 57% aus Gestaltungsrichtlinien entnommen (Hüttner und Wandke 1993). In einer vergleichbaren Umfrage in der Schweiz (Schlesinger et al. 1992) zeigte sich, dass softwareergonomisches Wissen zu 41% durch 'training on the job', zu 37% durch Selbststudium, sowie zu 17% durch externe Ausbildung erworben wird. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Softwareentwickler selbst mit den Gestaltungsrichtlinien aufgrund ihrer zu grossen Allgemeinheit in der konkreten Arbeit wenig anzufangen wissen (siehe hierzu auch Good 1989, S.84). Von Softwareentwicklern werden am meisten konkrete Beispiele, wenn möglich interaktive Beispiele bevorzugt (Tetzlaff und Schwartz 1991). Zu welchem Zweck werden aber die Richtlinien eingesetzt? Der Haupteinsatzbereich der Sammlung von Smith und Aucella (1983) ist im Bereich der Evaluation von Systemen (84%) und nicht im Bereich der Systementwicklung zu sehen (46%); dies mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass die Hauptanwender die 'human factor specialists' sind. Dass jedoch ein deutlicher Bedarf nach brauchbaren Gestaltungsrichtlinien – insbesondere von Softwareentwicklern – besteht, konnten Hüttner und Wandke (1993) zeigen. Der Verein Deutscher Ingenieure hat im November 1988 einen Richtlinienentwurf für die Gestaltung von EDV-gestützten Bürosystemen vorgelegt. Dieser Entwurf hat als Kern ein Vier-Ebenen-Konzept, welches sich auf handlungstheoretische Grundlagen abstützt. "Die Richtlinie ist auf die Vermittlung konzeptioneller Prinzipien und Vorgehensweisen ausgerichtet. Einzelne Gestaltungsziele können am jeweiligen System auf unterschiedliche Weise realisiert werden. Aus diesem Grunde werden keine Detailgestaltungsvorschriften gegeben" (VDI-Entwurf 5005 1988, S. 4). 11 1 Einführung Dieser allgemeine Anspruch mit dem bewussten Verzicht auf konkrete Detailgestaltungsvorschriften birgt jedoch gerade die Gefahr in sich, dass die Zielgruppe der Softwaredesigner wiederum auch diese Richtlinien nicht handlungsleitend umsetzen kann. Um Gestaltungskriterien auch für den Entwicklungsprozess selbst nutzbar zu machen, müssen im wesentlichen zwei Aspekte stärker berücksichtigt werden: (1) Die Entwicklung eines allgemeinen, in sich geschlossenen Konzeptes und (2) die Möglichkeit, diese Allgemeinheit auf den konkreten Einzelfall transformieren zu können. Dass ein derartiges generelles Gestaltungskonzept notwendig ist, wird bereits von Smith und Mosier (1986) gefordert: "Such a conceptual structure is urgently needed to help clarify discourse in this field" (Smith und Mosier 1986, S.6). 1.2 A LLGEMEINE F ORSCHUNGSFRAGESTELLUNG "Technik nicht als Sachzwang, sondern als Gestaltungsaufgabe zu begreifen, eröffnet die Chance, qualifizierte lebendige Arbeit und automatisierte Arbeit nicht als unversöhnliche Gegensätze, sondern als einander ergänzende Produktivkräfte zu sehen" (Martin, Ulich und Warnecke 1988, S.121). Für die eingeschränkte Anwendbarkeit von Gestaltungsrichtlinien lassen sich die folgenden drei Gründe ausmachen (für eine ausführlichere Diskussion siehe Smith 1986, Ilg und Görner 1993, Tillert 1993, Hampe-Neteler 1994): 12 1 Es hat sich bisher kein allgemein verbindlicher standardisierungsfähiger Ansatz für die Gestaltung der anwendungsbezogenen Aspekte interaktiver Software herausgebildet. 2 Es hat sich in der Anwendungspraxis von Gestaltungsrichtlinien gezeigt, dass für die Gestaltung einer Vielzahl interaktiver Systeme der Softwareentwickler um das anwendungsspezifische Wissen des Endanwenders bzw. Endbenutzers nicht umhinkommt. Die Anwendbarkeit der Gestaltungsrichtlinien wird daher ergänzt und zum Teil überlagert von den Ansätzen im Bereich des partizipativen Softwareengineerings, bei denen Methoden zum Benutzereinbezug in den Erstellungsprozess interaktiver EDV-Werkzeuge entwickelt und untersucht werden (Spinas, Waeber und Strohm 1989; Rauterberg, Spinas, Strohm, Ulich und Waeber 1994b). 3 Die Klasse der Gestaltungsrichtlinien ist hinsichtlich seiner konkreten Umsetzbarkeit scheinbar in dem folgenden Dilemma: Wenn die jeweilige Gestaltungsrichtlinie allgemeingültigen Charakter aufweist, so ist sie nicht spezifisch genug, um von dem Softwareentwickler auf sein konkretes Gestaltungsproblem runtergebrochen werden zu können; ist die Gestaltungsrichtlinie jedoch andererseits konkret Fragestellung 1.2 umsetzbar, so ist der Anwendungskontext dieser Gestaltungsrichtlinie oft nicht passend oder unbekannt. "However, the more specific a guideline is, the less generally applicable it will be" (Mosier und Smith 1986, S.43). Im Rahmen dieser Arbeit wird der dritte Grund zum Forschungsgegenstand erhoben: Es geht darum, ein möglichst umfassendes, benutzungsorientiertes Gestaltungskonzept weiter zu entwickeln, welches sich durch die Ergänzung entsprechend operationalisierter Transformationsregeln auf das jeweilige konkrete Gestaltungsproblem im Softwareentwicklungsprozess handlungsleitend anwenden lässt unter besonderer Berücksichtigung der Messbarkeit des erreichten Ausmasses an Gebrauchstauglichkeit. 13 2 DIE BENUTZUNGSOBERFLÄCHE INTERAKTIVER EDV-SYSTEME "Make it as simple as possible, but not simpler" (Albert Einstein). Die Benutzungsoberfläche lässt sich durch die differenzierte Beschreibung der MenschComputer-Schnittstelle des Seeheim-Modells in die folgenden Komponenten und Schnittstellen aufgliedern: der Benutzer, die Ein/Ausgabeschnittstelle, die Dialogkomponente und die Anwendungs- bzw. Werkzeugkomponente (Green 1985a, 1985b; Dzida 1983, 1987; siehe Abbildung 2.0.1). Für eine weitergehende Diskussion der zur Zeit gängigen Interaktionsmodelle siehe Hübner (1990), Dix, Finlay, Abowd und Beale (1993), Kung, Lin und Hsia (1994), sowie Balzert (1994). Benutzer Präsentationskomponente DialogKontrolle Anwendungsschnittstelle Anwendung komponente Abbildung 2.0.1 Das Seeheim-Modell nach Green (1985a, 1985b)1 mit den verschiedenen Schnittstellen (entnommen aus Dix, Finlay, Abowd und Beale 1993, S.356). Der Benutzer interagiert mit dem System im interaktionellen Raum (IR)2, indem er sich an bestimmten Merkmalen auf der Ein/Ausgabeschnittstelle orientierend über die Dialogkomponente mit der Anwendungskomponente (AK)3 seine Aufgaben bzw. Probleme löst. Der Benutzer wählt den benötigten Operator aus, führt die entsprechende Operation durch und aktiviert somit die zugehörige Systemfunktion. Betrachtet man die Anwendungskomponente als das 'traditionelle' Werkzeug zur Erledigung der gestellten Aufgaben, so schiebt sich mit dieser neuen Technologie zwischen den Benutzer und das eigentliche Werkzeug ein neues Werkzeug, das 'interaktive' Werkzeug in Form der Dialogkomponente (DK)4 (Spinas 1987; Streitz 1990). 1 In einer erweiterten Version auch im deutschen Sprachraum als IFIP-Modell bekannt (Dzida 1983, 1987). 2 IR = interaktioneller Raum zwischen Benutzer und System. 3 AK = Anwendungskomponente. 4 DK = Dialogkomponente. 15 2 Die Benutzungsoberfläche Wenn zur Bearbeitung einer Aufgabe ein interaktives Computersystem eingesetzt wird, gibt es drei Gestaltungsprobleme zu lösen: das Sachproblem, das Interaktionsproblem und das Präsentationsproblem (Streitz 1990). Da das Seeheim-Modell aus den drei Schichten ('Schnittstellen') (1.) Ein/Ausgabe-, bzw. Präsentations-, (2.) Interaktions-, bzw. Dialog- und (3.) Werkzeug-, bzw. Anwendungsschnittstelle aufgebaut ist, lässt sich die Unterscheidung zwischen Sach- und Interaktionsproblem nur im Rahmen einer logischen Hierarchie beschreiben. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass fälschlicherweise oft die Forderung nach einer einfachen Interaktionsschnittstelle auch gleichzeitig als Forderung nach einer einfachen Werkzeugschnittstelle missverstanden wird1. Es ist richtig, zu fordern, dass die Dialogschnittstelle so einfach wie möglich sein soll; die Werkzeugschnittstelle dagegen sollte an die zu bearbeitenden Aufgaben angepasst sein und, wenn die Aufgaben komplex sind, dieser Aufgabenkomplexität gerecht werden. Erst wenn man die Dialog- und Werkzeugschnittstelle als logisch unabhängig von einander und gleichberechtigt nebeneinander betrachtet, kann man diese beiden unterschiedlichen Anforderungen sinnvoll miteinander vereinen (siehe zur einschlägigen Kritik am Seeheim-Modell bei Coutaz 1989, Edmonds und Hagiwara 1990, Cockton 1991). So konnte z.B. Cockton (1991) aufzeigen, dass die Umsetzung wichtiger softwareergonomischer Richtlinien (wie Flexibilität, Konsistenz und Aufgabenangemessenheit) wesentlich auch durch die gewählte Softwarearchitektur bedingt ist. Eine beispielhafte Umsetzung des Kriteriums der Änderbar- und Anpassbarkeit ist bei Greutmann (1992) und Haaks (1992) erreicht worden. Diese Überlegungen sind in die Entwicklung eines veränderten Seeheim-Modells2 eingeflossen und als konzeptionelle Sicht in Abbildung 2.0.2 dargestellt. Das Sachproblem besteht darin, dem Benutzer im Rahmen seiner inhaltlichen, primären Aufgabenbearbeitung alle notwendigen Funktionen auf einem geeigneten 'Granulationsgrad' anzubieten. Der anzustrebende Granulationsgrad hängt ausschliesslich von der Aufgabenstruktur ab und kann erst durch eine sorgfältige Aufgabenanalyse herausgefunden werden. Wir sprechen daher auch vom Nutzen bzw. der Benutzbarkeit des Systems (Rauterberg 1992d). Die aufgabenbezogenen Funktionen müssen für die Bearbeitung der Aufgaben in ausreichendem Masse zur Verfügung stehen und dürfen den Benutzer in 1 Siehe auch die Diskussion zu 'Komplexität' (bzgl. Werkzeugschnittstelle) und 'Kompliziertheit' (bzgl. Dialogschnittstelle) von Frese (1987b). 2 Die Unterscheidung zwischen Anwendungs- und Dialogoperationen wurde schon von Dehning, Essig und Maass (1978, S. 126) eingeführt, wenn auch mit der irritierenden Unterscheidung zwischen 'anwendungsspezifischem Dialog' und 'Metadialog'. Wir werden den Begriff Metadialog ausschliesslich im Kontext von Individualisierungsoperationen benutzen, bei Viereck (1987, S. 27) auch 'Gestaltungsdialog' genannt. 16 Schnittstellenkonzepte 2.0 seinem individuellen Problembearbeitungsprozess nicht unnötig einschränken. Wir nennen diese aufgabenbezogenen Funktionen die Anwendungsfunktionen. Die Lösung des Sachproblems bedeutet die aufgabenangepasste Gestaltung der Werkzeugschnittstelle mit allen notwendigen Anwendungsfunktionen unter Berücksichtigung arbeitspsychologischer Richtlinien. AnwendungsSchnittstelle Benutzer Ein/ Ausgabe Schnittstelle Prsentationsproblem Ausgabekomponente InteraktionsSchnittstelle Sachproblem Anwendungskomponente Dialogproblem Dialogkomponente Abbildung 2.0.2 Konzeptionelle Sicht der verschiedenen Schnittstellen eines interaktiven Computersystems und der zugeordneten Problembereiche (ohne Berücksichtigung der Organisationsschnittstelle, siehe Rauterberg et al. 1994, S.12). Das Dialogproblem kommt im wesentlichen durch die Begrenzungen der Ein/Ausgabeund Interaktionsschnittstelle zustande. Damit der Benutzer seine aufgabenbezogenen Informationen erhalten und die notwendigen Problemlöseschritte dem Computer mitteilen kann, muss er dies durch die Eingabe spezieller Interaktionsoperatoren tun. Für diese Operationen stehen zur Zeit unterschiedliche interaktive Techniken zur Verfügung (Kommandos, Makros, Menüs, maussensitive Bereiche usw.). Jede heutzutage existierende Benutzungsoberfläche verlangt vom Benutzer einige Interaktionsoperationen, welche lediglich zur Gestaltung der Ausgabeschnittstelle und der Interaktionsschnittstelle dienen und nichts zur unmittelbaren, primären Aufgabenbearbeitung beitragen. Es ist ein unglücklicher Umstand, dass der Begriff 'Dialog' sich traditioneller Weise auf alle Arten der Interaktion bezieht. Da wir jedoch die Bezeichnung 'Dialogkomponente' beibehalten wollen, müssen wir die 'Dialog'-Funktionen dieser Komponente semantisch neu bestimmen. Wir fassen die Anwendungsfunktionen und die 'reinen' Dialogfunktionen zu der Klasse der Interaktionsfunktionen (IF) zusammen. Der Unterschied zwischen den 'reinen' Dialogfunktionen und den Anwendungsfunktionen kann man sich am besten wie folgt merken: Alle Operationen, welche den Zu- 17 2 Die Benutzungsoberfläche stand des jeweiligen Anwendungsobjektes (AO)1 (z.B. Textdokument, Datenbank usw.) verändern, aktivieren die Anwendungsfunktionen (AF)2; alle anderen Operationen aktivieren 'Gestaltungs'-Funktionen (jedoch umfassender definiert als bei Viereck 1987), welche nur den Zustand von Dialogobjekten (DO)3 bzw. der Dialogkomponente verändern (z.B. die Veränderungen von Fenstern, wie Öffnen, Schliessen, Verschieben usw.). Wir werden diese 'Gestaltungs'-Funktionen im weiteren die 'eigentlichen' Dialogfunktionen (DF)4 nennen. Die Klasse IF ist somit die Vereinigung von AF und DF. Die Handhabung dieser 'reinen' Dialogfunktionen sollte so einfach wie möglich sein und dem Benutzer keinerlei zusätzlichen kognitiven Aufwand abfordern. Dialogfunktionen sind 'eigentlich' überflüssig und dienen meistens 'nur' dazu, die beschränkten Ressourcen im interaktionellen Raum (z.B. Bildschirmfläche) zu verwalten. "Viele Systeme leiden darunter, dass die möglichen Auswahlpunkte in ihrer Anzahl limitiert werden müssen, damit sie alle auf einmal auf dem Bildschirm des Benutzers angezeigt werden können. In vielen Fällen ist dies kein Problem, aber in anderen kann es Hunderte oder Tausende von Möglichkeiten geben. Dann müssen Techniken entwickelt werden, um diese Möglichkeiten zu klassifizieren und es dem Benutzer zu ermöglichen, dem System seine Wünsche mit möglichst wenigen Eingaben zu verdeutlichen" (Sommerville 1987, S. 269). Dehning, Essig und Maass (1978, S. 130ff.) haben die Interaktionsfunktionen folgendermassen klassifiziert: (1.) Dialogablauffunktionen, (2.) Kontrollfunktionen und Ein/Ausgabefunktionen (sofern sie sich nur auf Dialogobjekte beziehen), (3.) Helpfunktionen (bei Viereck 1987, S. 27 auch Metadialogfunktionen genannt, heissen bei uns weiterhin Transparenzoperatoren), (4.) Erweiterungsfunktionen (bei uns die Metaoperatoren), sowie (5.) die Kommunikationsfunktionen. Die Handhabung und die Gestaltung der Dialogfunktionen darf daher nicht mit der Komplexität der Werkzeugschnittstelle verwechselt werden, welche sich ausschliesslich nach der Komplexität der zu bearbeitenden Aufgaben zu richten hat! Das Präsentationsproblem besteht darin, die vom Benutzer wahrnehmbaren Ausgaben des Computers so zu gestalten, dass der Benutzer bei seiner Aufgabenbearbeitung mit allen notwendigen Informationen in seinem aktuellen Aufmerksamkeitsfokus auf der Ausgabeschnittstelle versorgt wird und hierzu möglichst wenig 'reine' Dialogfunktionen be- 1 AO = Menge der Anwendungsobjekte. 2 AF = Menge der Anwendungsfunktionen (af∈AF verändert den Zustand eines ao∈AO, bzw. der AK). 3 DO = Menge der Dialogobjekte. 4 DF = Menge der Dialogfunktionen (df∈DF verändert den Zustand eines do∈DO, bzw. der DK). 18 Schnittstellenkonzepte 2.0 nötigt. Die Ausgabe von aufgabenenbezogenen Informationen auf der Ausgabeschnittstelle ist für den Benutzer eine Art 'externes' Gedächtnis (Schönpflug 1986). Dieses externe Gedächtnis ist eine Art Erweiterung des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses und lässt sich grob in drei Bereiche unterteilen: (1) das visuelle Gedächtnis, (2) das akustische Gedächtnis, und (3) das taktile Gedächtnis. Nach jeder motorisch ausgeführten Handlung kann sich der Benutzer zusätzlich noch eine gewisse Zeitspanne an diese Ausführung erinnern (internes motorisches Gedächtnis). Es ist sinnvoll, wenn der Benutzer die Möglichkeit hat, verschiedene Wahrnehmungskanäle (visuell, akustisch, taktil) benutzen zu können. Um die Unterscheidung zwischen der Dialog- bzw. Anwendungskomponente und den jeweils zugehörigen Zustandsräumen auf der einen Seite und den weiteren Bestandteilen der Benutzungsoberfläche auf der anderen Seite detaillierter darstellen und erläutern zu können, wird unsere konzeptionelle Sicht (Abbildung 2.0.2) in einer etwas anderen Darstellungsart nochmals aufgeführt (siehe Abbildung 2.0.3). Als Kritik an dem IFIPModell ist anzumerken (Coutaz 1989), dass das Anwendungsobjekt keinerlei strukturelle Berücksichtigung findet1 (Akscyn, Yoder und McCracken 1988). Das Anwendungsobjekt ist wahrscheinlich im IFIP-Modell in der Anwendungskomponente implizit eingeschlossen. Abbildung 2.0.3 wird eingeführt, um das Anwendungsobjekt explizit darstellen und die damit einhergehenden Auswirkungen auf den Schnittstellenentwurf diskutieren zu können(siehe auch Akscyn, Yoder und McCracken 1988). Zunächst werden die organisationalen Schnittstellen zur Arbeitsumgebung aussen vor gelassen2. Der Benutzer befindet sich in einer interaktiven Dialogschleife (IDS)3. Die Aktionen des Benutzers lassen sich zunächst allgemein in die reine Steuerung der Dialogkomponente einerseits und den Anwendungsdialog andererseits aufteilen. Es lassen sich jeweils unterschiedliche Zustandsräume sowohl der Dialogkomponente (DK), als auch der Anwendungskomponente (AK) mit dem Anwendungsobjekt (AO) zuordnen. Einzelne, ausgewählte Eigenschaften dieser beiden Zustandsräume werden auf der Ein/ Ausgabeschnittstelle (EAS)4 repräsentiert, wobei nur die relevanten Zustände des Zustandsraumes der AK auf den oberflächeninternen Zustandsraum der AK übernommen werden 1 Dieser Aspekt kann als generelle Kritik an dem Anspruch der anwendungs-unabhängigen Entwicklung von User-Interface-Management-Systemen angesehen werden. 2 Diese Beschränkung impliziert jedoch nicht, dass die Arbeitsumgebung generell bei der Gestaltung interaktiver Systeme unberücksichtigt bleiben darf. 3 IDS = interaktive Dialog-Schleife. 4 EAS = Ein/Ausgabe-Schnittstelle. 19 2 Die Benutzungsoberfläche können. Die Benutzungsoberfläche besteht somit aus der EAS, der DK sowie dem Zustandsraum der Dialogkomponente (DKZ) und dem Zustandsraum der Anwendungskomponente (AKZ)1. Der Systemzustand (Dehning, Essig und Maass 1978, S. 135) setzt sich hier – im Unterschied zu Dehning, Essig und Maass – aus dem Dialogzustandsraum und dem Anwendungszustandsraum zusammen. Benutzer Handlung Wahrnehmung Repräsentation Dialog-Komponente (DK) Dialog-Funktionen (DF) DialogObjekte (DO) DialogZustand (DKZ) Anwendungs-Komponente (AK) AnwendungsFunktionen (AF) Anwendungs- Transformation Objekte (AO) AnwendungsZustand (AKZ) Benutzungsoberfläche Ein / Ausgabe-Schnittstelle (EAS) Abbildung 2.0.3 Interaktive Software lässt sich in die Ein/Ausgabeschnittstelle, die Dialogkomponente, die Anwendungskomponente, sowie die zugehörigen Zustandsräume unterscheiden. Die Handhabung der Dialogkomponente ermöglicht es dem Benutzer, die gewünschte Anwendungsfunktionalität auf das aktuellen Anwendungsobjekt anwenden zu können. Das Besondere an dieser Konzeption einer Benutzungsoberfläche besteht darin, dass hier der Zustandsraum der Anwendungskomponente und des Anwendungsobjektes mit in die Architektur der Benutzungsoberfläche einbezogen wird. Dies lässt sich insbesondere dadurch rechtfertigen, dass die Repräsentationen der beiden Zustandsräume auf der EAS benutzer-adäquate Abbildungen systeminterner Eigenschaften erfordern (für eine rein formale Beschreibung dieser repräsentationalen Abbildungen siehe Cordes 1988). Für eine mehr inhaltliche Beschreibung der Abbildungs- bzw. Visualisierungsfunktionen siehe bei Lauter (1987), Staufer (1987), Helander (1991), Mayhew (1992), Wandmacher (1993), sowie Rist und Andre (1993). Die reinen Dialogobjekte werden auf der syntaktischen Ebene durch die firmenspezifischen Styleguides festgelegt (Apple 1986, IBM 1989, 1991, OSF/Motif 1990, 1991, Microsoft 1992). 1 20 AKZ = Zustandsraum der Anwendungskomponente und DKZ = Zustandsraum der Dialogkomponente. Der interaktionelle Raum 2.1 2.1 D ER INTERAKTIONELLE R AUM ZWISCHEN B ENUTZER UND S YSTEM Bei der eben vorgestellten Konzeption der Benutzungsoberfläche muss die Schnittstelle der DK zur AK und die Schnittstelle der AK zum oberflächeninternen AKZ definiert werden. Wie werden die anwendungsbezogenen Operationen des Benutzers über die DK an die AK weitergereicht? Welche Eigenschaften der AK und des AOes werden auf den auf der EAS repräsentierbaren oberflächeninternen Zustandsraum abgebildet? Welche Eigenschaften des DKZes bzw. AKZes und AOes werden auf der EAS repräsentierbar implementiert, und wenn ja, in welcher Form, um eine optimale Interpretierbarkeit durch den Benutzer zu gewährleisten? Welche Möglichkeiten werden dem Benutzer zur Verfügung gestellt, auf diese repräsentationale Abbildung Einfluss zu nehmen? In welcher Art und Weise lässt sich die Transformation der AK auf den AKZ in Abhängigkeit von der Funktionalität der AK, und damit von dem Aufgabenbereich des Benutzers sinnvoll definieren? Dies sind wesentliche Fragen, die in der Softwareergonomie bearbeitet werden. Wir werden im Rahmen dieser Arbeit nur einige ausgewählte Aspekte behandeln können. Um dies tun zu können, werden wir zunächst den interaktionellen Raum zwischen Benutzer und EDV-System detailliert beschreiben. Um die einzelnen Komponenten einer Benutzungsoberfläche etwas detaillierter darstellen zu können, soll die in einer Petri-Netz ähnlichen Notation dargestellte Abbildung 2.0.3 in eine vollständige Petri-Netz Notation überführt werden. Bei der Untersuchung von interaktiven Verarbeitungsprozessen, bei denen sich der Problemraum (die Ein/Ausgabeschnittstelle) aus wahrnehmbaren Darstellungen zusammensetzt, ist es angebracht, zwischen den internen Gedächtniskomponenten und den externen Gedächtniskomponenten zu unterscheiden (Schönpflug 1986; Larkin und Simon 1987, S.97). Das interne Gedächtnis hat das verinnerlichte prozedurale Wissen und nur zum Teil das deklarative Wissen zum Inhalt, während das externe 'Gedächtnis' den restlichen Teil des deklarativen Wissens und das darüber hinaus vorgegebene prozedurale Wissen umfasst. Zwischen diesen beiden Gedächtnisformen finden Verarbeitungsprozesse statt: Efferent über die visuelle, auditive und haptische1 Wahrnehmung der externen Repräsentationen (siehe auch Sellen, Kurtenbach und Buxton 1990, sowie Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993) und afferent über die Motorik der Hände (Bedienung der Maus und der Tastatur) zur Manipulation der externen Wissensbasis (insbesondere hinsichtlich des deklarativen Wissens). 1 Als Beispiel für das externe haptische 'Gedächnis' kann der Druckpunkt der einzelnen Tasten angeführt werden; der Druckpunkt dient dazu, dem Benutzer bei der Betätigung die Tatsache haptisch rückzumelden, dass der Rechner den Tastenanschlag registriert hat. 21 2 Die Benutzungsoberfläche Der Benutzer lässt sich grob durch die folgenden Komponenten beschreiben: Die Wahrnehmungskomponente, die Speicherungskomponente, die Problemlösungskomponente und die Handlungskomponente, sowie die entsprechenden Schnittstellen zwischen diesen Komponenten (siehe Abbildung 2.1.1). Problemlösungskomponente Plan Handlungskomponente Operation Eingabe motorisches Gedächtnis Kurzzeitgedächtnis Erwartungshaltung Wahrnehmungskomponente visuelles auditives haptisches "Gedächtnis" "Gedächtnis" "Gedächtnis" visuelleAusgabe akustische Ausgabe haptische Ausgabe Input-Handler Output-Handler (DK) Output-Handler (AK) Repräsentation Dialog-Funktionen (DF) DialogObjekte (DO) DialogZustand (DKZ) Dialog-Komponente (DK) Benutzungsoberfläche Ziele Benutzer Speicherungskomponente Langzeitgedächtnis AnwendungsZustand (AKZ) AnwendungsFunktionen (AF) AnwendungsObjekte (AO) Transformation Anwendungs-Komponente (AK) Abbildung 2.1.1 Die einzelnen Komponenten eines interaktiven Systems in einer Petri-Netz Darstellung. Die runden bzw. ellipsoiden Elemente stellen die passiven Elemente (die 'Stellen') dar: z.B. Speicher und Übertragungskanäle; die eckigen Elemente sind die aktiven Bestandteile (die 'Transitionen'): z.B. Handlungen, Scannen, Parsen usw. Die eckigen Elemente mit abgerundeten Ecken sind komplexe 'Transitionen'. Die Problemlösungskomponente generiert das nächste anzustrebende Ziel und den dazu gehörigen Zielerreichungsplan; die Ziele bzw. Subziele werden in einem Speicher verwaltet, der wahrscheinlich nach dem Stackprinzip aufgebaut ist. Die Handlungskomponente setzt das jeweils aktuelle Ziel mit dem zugehörigen Plan in Handlungen um. Die Rückwirkung der Problemlösungskomponente auf die Wahrnehmung erfolgt über die Erwartungshaltung und dient der selektiven Aufmerksamkeitssteuerung. Unter der Annahme, 22 Der interaktionelle Raum 2.1 dass die physikalische Übertragung der ausgegebenen Signale seitens des Systems hin zum Benutzer identitätsbewahrend ist, kann man erkennen, dass diese Kanäle vom Benutzer und vom System ge-'teilt' ('shared') werden bzw. werden müssen. Wir fassen diesen Aspekt unter dem Begriff des 'interaktionellen Raumes' zusammen. Die Inputund Outputhandler setzen die jeweiligen 'Nachrichten' um ('En-' bzw. 'De-codierung'): Von einer externen Darstellung in eine interne Darstellung ('parsen') und vice versa. Die Operationen eines Benutzer setzen sich aus einzelnen Aktionen zusammen, z.B. die einzelnen Tastendrucke bzw. Mausklicks, Joystickoperationen usw. So setzt sich die Eingabe des Operators 'dir' aus der Tastenfolge 'd', 'i', 'r' und 'CR'('carriage return') zusammen und aktiviert die systemintern zugehörige Funktion (hier 'Auflisten der 'directory'-Einträge'). Die Eingabe eines Operators aus Sicht des Benutzer heisst Operation, aus Sicht des Systementwicklers Funktionsaufruf. Die Beschreibungsebene der einzelnen Operationen bestehend aus einzelnen Aktionen ('Tastendrucke') stellt den höchsten Auflösungsgrad der Beobachtung eines Interaktionsprozesses dar und lässt sich softwaretechnisch durch die sogenannte 'logfile'-Aufzeichnung realisieren. Werfen wir noch einen Blick auf den Objektraum (OR)1 mit seinen internen 'Objekten'. Als Dialogobjekte (DO) kommen z.B. 'Fenster', 'Dialogboxen', 'Menüs', 'Funktionstasten', 'Dialogknöpfe' usw. in Frage. Während sich die Menge der Dialogobjekte bei einem gegebenen System weitgehend vollständig angeben läßt, so kann die Menge der Anwendungsobjekte (AO) nur über den jeweiligen Applikationskontext bestimmt werden: Z.B. im Bürobereich kommen 'Adressdateien', 'Notizzettel', 'Dokumente', 'Graphiken', 'Listen', 'Berechnungsformulare' usw. vor; im Bereich von Betriebssystemen für Computer gibt es 'Dateien', 'Speichermedien', 'Schnittstellen', 'Peripheriegeräte', 'Prozesse' usw. Dialogobjekte und Anwendungsobjekte können wahrnehmbar auf der EAS repräsentiert sein oder sich gegenüber dem Benutzer verborgen im System befinden. Die Menge der wahrnehmbaren Objekte werden wir mit WO2 und die Menge der verborgenen Objekte mit VO3 abkürzen. Die Menge der Dialog-, bzw. Anwendungsobjekte setzt sich zusätzlich noch aus zwei unterschiedlichen Mengen zusammen: • Die Menge aller aktiven Repräsentationsformen. • Die Menge aller passiven Repräsentationsformen. 1 OR = Menge aller Objekte eines interaktiven Systems. 2 WO = Menge aller wahrnehmbaren Objekte. 3 VO = Menge aller verborgenen Objekte. 23 2 Die Benutzungsoberfläche Der Wahrnehmungsraum des Benutzers umfasst zusätzlich zu der Menge aller passiven Repräsentationsformen auch noch – sofern vorhanden – die Menge aller Signalmuster, welche die Interaktionspunkte selbst repräsentieren. Hierzu zählen in der Regel alle Tasten der Tastatur (also die hardwaremässig installierten Eingabegeräte), sowie die auf dem Bildschirm zusätzlich repräsentierten Symbole der maussensitiven Bereiche. Im einfachsten Falle kann der Wahrnehmungsraum eines voll funktionsfähigen interaktiven Systems nur aus einem leeren Bildschirm und einer einzigen Maustaste bestehen; alle weiteren aktiven und passiven Repräsentationsformen werden dann inkrementell während der Interaktion nach dem Drücken der Maustaste erzeugt (siehe z.B. Ziegler 1986). Warum jedoch dieser scheinbar einfachste Fall in der Regel nicht realisiert ist (abgesehen vom Fall des 'Screen-Saver'-Modus), wird weiter unten durch die Dimension der 'interaktiven Direktheit' beschrieben. Die Repräsentationsformen der aktiven Interaktionsobjekte sind die seitens des Benutzers wahrnehmbaren Signale bzw. Symbole der Dialog- und Anwendungsfunktionen. Die Menge der aktiven Repräsentationsformen lässt sich zusätzlich noch in zwei Bereiche unterteilen: Die Menge an Operatoren, welche sich auf die Handhabung von Dialogobjekten (DOp)1 beziehen und diejenige Menge an Operatoren, welche sich auf die Menge der Anwendungsobjekte (AOp)2 beziehen. Das folgende Zitat verdeutlicht am Beispiel des Dialogobjektes 'Fenster' die Menge der passiven und aktiven Repräsentationsformen. "Ein einzelnes Fenster benötigt eine Menge von Zustandsvariablen (passive Komponente), die seine verschiedenen Parameter beschreiben (z.B. Position und Grösse auf dem Bildschirm, Verweis auf den Fensterinhalt). Zusätzlich gibt es noch eine Menge von Operationen (aktive Komponente), die auf ein Fenster angewendet werden können" (Fabian 1986, S. 113). Wenden wir uns dem interaktionellen Raum als der Zusammensetzung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum zu. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Gestaltung interaktiver Software unter dem Blickwinkel der interaktiven Dialogschleife (IDS; siehe Abbildung 2.1.2), welche sich aus einer handlungstheoretische Rahmenkonzeption herleiten lässt (siehe auch Norman 1984). Um die IDS mit Inhalt zu füllen, werden einige Forschungsergebnisse zum Bereich 'Wahrnehmung', 'Handlung' und 'Interpretation' aufgearbeitet. Nach Hacker (1978, 1986) – aufbauend auf Leontjew (1979) – bestehen Tätigkeiten aus einzelnen Handlungen und diese wiederum aus der Anwendung einzelner Operationen. Tätigkeiten werden über Motive, Handlungen über einzelne Ziele und die Anwen1 DOp = Dialogobjekt-spezifischer Operator. 2 AOp = Anwendungsobjekt-spezifischer Operator. 24 Der interaktionelle Raum 2.1 dung von Operatoren über Teilziele bzw. gegenständliche Bedingungen gesteuert (siehe ausführlicher im Abschnitt 3.2). Eine Handlung ist also die kleinste psychologische Einheit einer willensmässig gesteuerten Tätigkeit. Handlungen – insbesondere auch kognitive Problemlösungshandlungen – verlaufen nach einem fünfstufigen, psychischen Regulationsprozess (Hacker 1986). BENUTZER extern vorgegebene Aufgabe (entstammt aus der ursprüngl. Arbeitsumgebung) Interaktioneller RaumSYSTEM (11) Abbildung der (13) Wahrnehmung der AUSGABE internen Objekte Repräsentationen(12) Wahrnehmungsin ihre externe raum Repräsentationen (14) Interpretation Ider NTERW a h r n e h m uPRETATIVE ngsInhalte EBENE (10) Test auf eventue Inkonsistenzen in der Struktur der (15) Bewertung hin- E V A L U A T I V E sichtlich der EBENE internen Objekte Zielvorgaben (1) Zielsetzung: "Repräsentation der Aufgabe" KONZEPTUELLE EBENE (2) Ziel-Spezifikation: "Repräsentation der SystemFunktionalität" (3) Umsetzung in die Operatoren der Dialogkomponente SEMANTISCHE EBENE (8) Umsetzung der Tastenanschlagssequenzen in inter System-Funktione SYNTAKTISCHE EBENE (7) Parsen der eingege nen Tastenschläge Test auf syntaktis Korrektheit EINGABE (4) Eingabe der Operatoren in die E/A-Schnittstelle (9) Ausführung der jeweiligen System Funktion (5) Aktionsraum (6) Einlesen und Ausgab eines Echos, sowie Speichern der Eingaben Abbildung 2.1.2 Die interaktive Dialogschleife (IDS) dargestellt am Fünf-Ebenen Modell der Mensch-Computer Interaktion aus handlungstheoretischer Perspektive (in Anlehnung an Fähnrich und Ziegler 1985). Nach Oesterreich und Volpert (1987, S. 49–50) können folgende fünf Ebenen der Handlungsregulation unterschieden werden: Ebene 5: Schaffung neuer Handlungsbereiche "Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht festgelegt und nur durch Schaffung neuer Möglichkeiten der Produktion zu erreichen. Es geht also um die Erschliessung eines neuen Produktionsbereiches." Ebene 4: Koordination mehrerer Handlungsbereiche "Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht in allen Einzelheiten festgelegt. Es be- 25 2 Die Benutzungsoberfläche steht in der Aufrechterhaltung oder Initiierung eines mehrere Bereiche umfassenden Arbeitsprozesses." Ebene 3: Teilzielplanung "Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht in allen Einzelheiten festgelegt. Das Arbeitsresultat kann erst über eine Abfolge von ebenfalls nicht in allen Einzelheiten festgelegten Teilzielen, die auf dem Weg zum Arbeitsresultat liegen, erreicht werden." Ebene 2: Handlungsplanung "Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht durch ein Bewegungsprogramm allein herzustellen, verschiedene Bewegungsprogramme müssen in neuartiger Weise miteinander verknüpft werden." Ebene 1: Sensumotorische Regulation "Das Aktionsprogramm besteht aus einem Handlungsprogramm. Das Handlungsprogramm wird vom Arbeitenden selbst geplant. Es hat unterschiedliche Möglichkeiten der Verknüpfung verschiedener Bewegungsprogramme vorher antizipatorisch durchgespielt und dann ein bis zum Arbeitsergebnis reichendes Handlungsprogramm festgelegt." Auf der Grundlage der verschiedenen Handlungsregulationsebenen lassen sich die folgenden fünf Ebenen im interaktionellen Raum zwischen Benutzer und System ausmachen (siehe Abbildung 2.1.2): 1. Interpretative Ebene: Hier sind die Interpretationen der direkt wahrnehmbaren Eigenschaften der repräsentierten Zeichen, Signale und Symbole auf der EAS angesiedelt; inwieweit die wahrgenommenen Symbole bezüglich ihres Informationsgehaltes bezüglich des aktuellen Problemlösezustandes vom Benutzer adäquat interpretiert werden können, hängt sicherlich sehr stark vom individuellen Wissensstand des jeweiligen Benutzers und von der Gestaltung der wahrnehmbaren Struktur der Symbole ab (Rauterberg 1985). Dieser Aspekt ist dann auch bei der Gestaltung der EAS entsprechend zu berücksichtigen (siehe auch Streitz, Lieser und Wolters 1989). 2. Evaluative Ebene: Hier steht die Einschätzung des Wirkungsaspektes der Operation auf das zu bearbeitende Objekt im Vordergrund. Dabei sind die Bedingungen für die Anwendbarkeit dieser Operation zu berücksichtigen (z.B. setzt DELETE <file_name> voraus, dass das Objekt <file_name> existiert). So können in der Regel nur bestimmte Operatoren auf bestimmte Objekte sinnvoll angewendet werden, um die angestrebten spezifischen Effekte zu erzielen. Es ist z.B. das Löschen einer Datei – im pragmatischen Sinne gesehen – grösser von seinem Wirkungsgrad her, als das Löschen eines einzelnen alphanumerischen Zeichens in einer Textdatei. Es ist also der durch die Eingabe unmittelbar bewirkte Veränderungsgrad (pragmatische Komplexität) des Arbeitsobjektes gemeint. 3. Konzeptuelle Ebene: Der Benutzer muss die Ziele und Teilziele zur Bewältigung einer Aufgabe in aufgabenbezogene Handlungssequenzen umsetzen, um diese dann auf die 26 Der interaktionelle Raum 2.1 im System vorhandene Anwendungsfunktionalität abbilden zu können. Eine aufgabenangemessene Systemgestaltung erlaubt dem Benutzer eine möglichst direkte Abbildung seiner aufgabeninternen Ziele und Handlungssequenzen auf die im System vorhandene Funktionalität zur Erreichung dieser Ziele. 4. Semantische Ebene: Hier ist die Wechselwirkung zwischen Anwendungssystem und Dialogsystem angesprochen. Wie muss eine inhaltlich angemessene Interaktionssequenz aussehen, um ein gesetztes (Arbeits-) Ziel zu erreichen? Dabei spielt das mentale Modell des Benutzers von den elementaren Bedeutungskomponenten der verwendeten Operatoren (Kommandos, direktmanipulierbare Aktionen usw.) eine herausragende Rolle. Welche interaktive Problemlösungsstrategie muss der Benutzer entwickeln, um seine Intentions-Aktions-Diskrepanz zu bewältigen? 5. Syntaktische Ebene: Hier ist die korrekte Handhabung des Interaktionssystems in rein syntaktischem Sinne gemeint; d.h., dass der Benutzer eine syntaktisch korrekte Alternative aus allen syntaktisch möglichen Eingaben auswählen soll. Bei der Verwendung eines kommandogesteuerten Interaktionssystems sollte bei der Namensvergabe für die einzelnen Kommandos auf den syntaktischen Kontext aus der ursprünglichen Sprachumgebung geachtet werden (z.B. SUBSTITUTE <new item> (for) <old item>, aber im Deutschen ERSETZE <alt> (durch) <neu> !); bei einer direktmanipulierbaren Benutzungsoberfläche (z.B. eine Desktopoberfläche) ist die Syntax der meisten Operatoren über die Maussteuerung extrem einfach (z.B. 'Positionierung des Maus-Cursors' und 'Mausklick'). Die interaktiven Dialogschleife (IDS) aus handlungstheoretischer Perspektive ist jedoch in dem hier vorgestellten Sinne lediglich auf die direkte Interaktion mit dem System beschränkt. Will man auch den Arbeitskontext, wie dies in dem oben erwähnten IFIP-Modell durch die organisationale Schnittstelle vorgesehen ist (siehe Abbildung 2.0.1), mit in die benutzungsorientierte Evaluation und Gestaltung interaktiver EDV-Systeme einbeziehen, so muss das handlungstheoretische Konzept der '(Selbst)-Kontrolle' auch diesen Bereich mit umfassen. Wenn man dies tut, so ergeben sich neue Gestaltungsdimensionen (z.B. 'Partizipation', 'Autonomie'), deren Gestaltungsbereiche dem konkreten Design der Benutzungsoberfläche vor- bzw. nachgelagert sind. 2.2 O PERATOREN IM H ANDLUNGSRAUM DES B ENUTZERS Nachdem der psychoregulatorische Handlungsprozess nach Hacker (1978, 1986) sowie Oesterreich und Volpert (1987) vorgestellt wurde, gilt es nun den Problemlöseprozess auf operativer Ebene zu beschreiben. Wir werden die systeminternen Algorithmen, welche 27 2 Die Benutzungsoberfläche während der Interaktion aktivierbar sind, Funktionen nennen. Die Aktivierung einer Funktion erfolgt aus Sicht der Benutzer durch eine Operation, welche die Eingabe eines Operators bedeutet. Die Eingabe eines Operators kann aus der Ausführung einer oder mehrerer Aktionen bestehen. AufgabenStruktur Benutzungsoberflche Sicht der SoftwareentwicklerIn ('von innen') Sicht der BenutzerIn ('von aussen') Operator SystemStruktur Operation Funktion Abbildung 2.2.0.1 Die beiden unterschiedlichen Sichten auf die Ein/Ausgabe-Schnittstelle: (1.) die Benutzersicht und (2.) die Softwareentwicklersicht. Die Sicht des Softwareentwicklers und die Sicht des Benutzers sind oftmals sehr unterschiedlich und zum Teil genau entgegengesetzt (siehe Abbildung 2.2.0.1). Diese entgegengesetzte Sichtweise liegt in den unterschiedlichen Funktionswelten begründet. Weil der Softwareentwickler primär in Algorithmen und Datenstrukturen denkt und handelt, erfolgt die Abbildung der systeminternen Zustandsräume auf die Benutzungsoberfläche sozusagen 'von innen' heraus. Der Benutzer dagegen nimmt ein interaktives System weitgehend nur 'von aussen' wahr. Der Benutzer wählt einen interaktiven Operator aus, führt die entsprechende Operation aus und aktiviert die zugehörige systeminterne Funktion. 2.2.1 Allgemeine Klassifikation von Operatoren Zunächst müssen die allgemeinen Grundlagen von der Verwendung von Operatoren in einem Problemlösungsprozess vorgestellt werden. Aufbauend auf diesen Aspekten lassen sich die einzelnen Benutzeraktionen sinnvoll klassifizieren und entsprechend gestalterisch umsetzen. Wenden wir uns zunächst dem Problemlösungsprozess zu. Dörner (1974) dimensioniert den Problemlösungsprozess in vier allgemeine Prozeduren: 1. Startpunktauswahl, 2. Zielpunktsetzung, 3. Operatorauswahl und 4. Interpolation. Den Problemlö- 28 Operatoren im Handlungsraum 2.2 sungsbereich teilt Dörner (1974) in die beiden folgenden Bereichsmerkmale auf (siehe Tabelle 2.2.1.1): (1.) Objektbereichsdimensionen und (2.) Operatorbereichsdimensionen. Tabelle 2.2.1.1 Übersicht über die verschiedenen Objekt- und Operatorbereichsdimensionen (nach Dörner 1974). Bereichsdimensionen für Objekte • Komplexität der Objekte • Transparenz der Objekte • 'freie' Komponenten • Bekanntheit der Objektdimensionen • Ähnlichkeit der aktuell bearbeiteten Objekte mit den Objekten anderer Problemräume für Operatoren • Wirkungsbreite der Operatoren • direkte Reversibilität der Operatoren und des Operatorsystems • indirekte Reversibilität im Operatorsystem • Eingangsbestimmbarkeit der Operatoren • Ausgangsbestimmbarkeit der Operatoren • Anwendungsbreite der Operatoren • elementare Operatoren vs. Makrooperatoren • elementare bzw. Makrooperatoren vs. Metaoperatoren • zeitliche und/oder materielle 'Kosten' der Operatoranwendung Im folgenden seien kurz die einzelnen Bereichsdimensionen – zuerst die Objektbereichsdimensionen und dann die Operatorbereichsdimensionen – erläutert. Komplexität der Objekte: Die Komplexität der Objekte setzt sich zusammen aus der Anzahl der Komponenten und der Anzahl der Beziehungen zwischen diesen Komponenten. Dabei hat sich die Anzahl von sieben (z.B. 'chunks') als besonders günstig bezüglich der Eigenschaften des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses herausgestellt. Bei sehr komplexen Objekten wird entweder sehr viel Zeit für den Aufbau eines adäquaten mentalen Modells über das komplexe Objekt benötigt (wegen der Überführung der Objektstruktur in das Langzeitgedächtnis), oder aber das Objekt wird in einer komprimierten Form betrachtet – entweder durch Verringerung des Auflösungsgrades der Betrachtung oder durch Aufdeckung und Auswahl der 'wesentlichen' Eigenschaften des Objektes. Transparenz der Objekte: Ein Objekt gilt als transparent, wenn alle (bzw. möglichst viele) seiner einzelnen Merkmale bzw. Eigenschaften wahrnehmbar sind. Von aktueller Transparenz soll gesprochen werden, wenn die 'wesentlichen' Eigenschaften direkt wahrnehmbar und damit erkennbar sind. Als potentielle Transparenz gilt, wenn erst nach Durchführung 29 2 Die Benutzungsoberfläche bestimmter Operationen (mittels der 'Transparenz'-Operatoren) die Objekteigenschaften erkennbar werden. Die Intransparenz – im Sinne von potentieller Transparenz – macht also die Anwendung von Operatoren vor oder parallel zur eigentlichen Aufgabenbearbeitung zur Aufdeckung der verborgenen Objektmerkmale erforderlich. Falls dies nicht möglich ist, kann die eigentliche Aufgabenbearbeitung im Sinne eines Problemlösungsprozesses nur unter zusätzlicher Unsicherheit bewältigt werden und ergibt somit eine zum Teil nicht unerhebliche Quelle psychomentaler Belastung. 'Freie' Komponenten: Diese Dimension lässt sich am besten durch die Beschreibung ihrer beiden Enden verdeutlichen. Das eine Ende handelt von der Umwandlung von 'Ganzheiten', denen man nichts 'abschneiden' oder 'hinzufügen' kann, wobei man also immer die unzerlegbare Gesamtsituation vor sich hat. Bei dieser Art von Problemlösungsbereichen gibt es keine freien Komponenten. Das andere Ende handelt von Problemräumen, bei denen die zu bearbeitenden Objektkomponenten in Form eines 'Baukasten' vorliegen. Die gesuchten bzw. angezielten Objekte können über die einzelnen Komponenten aufgebaut bzw. konstruiert werden. Bei dieser Art von Problemräumen hat man also zunächst nur 'freie' Komponenten. In einem Problemraum mit 'freien' Komponenten spielen die Operatoren mit Vermehrungs- und Verminderungswirkung (gegenüber den Tausch- und Wandlungsoperatoren) eine herausragende Rolle. Als Beispiel für einen Problemraum mit zunächst überwiegend 'freien' Komponenten (der ASCII-Zeichensatz) kann die Klasse der verschiedenen Textverarbeitungsprogramme dienen, wobei das Texteinfügen als Operator mit Vermehrungswirkung und das Textlöschen als Operator mit Verminderungswirkung angesehen werden kann. Bekanntheit der Objektdimensionen: Zunächst lassen sich drei Objektdimensionen unterscheiden: – Komposition ist die Aufzählung der im Objekt vorhandenen Komponenten; – Hierarchieform ist die Aufzählung der Über- oder Unterordnungen der verschiedenen Verknüpfungen; – Verknüpfungsform ist die Aufzählung der zwischen den Komponenten und Objektteilen bestehenden Verknüpfungen. Einzelne Problemräume zeichnen sich dadurch aus, dass die Art der Komponenten relativ klar erkennbar ist. Bei anderen Problemräumen hingegen besteht ein zum Teil 30 Operatoren im Handlungsraum 2.2 nicht unerheblicher Interpretationsspielraum (z.B. hinsichtlich des 'Auflösungsgrades') und dann damit auch hinsichtlich der als relevant zu betrachtenden Art der Komponenten. Je nachdem, welche Art der Komponenten den Objekten zugrunde gelegt wird, ist auch die Unterscheidbarkeit und Bearbeitbarkeit dieser Objekte festgelegt (d.h. Auswahl der Operatoren). Ähnlichkeit der Objekte eines Problemraumes mit denjenigen Objekten anderer Problemräume: Falls bei einem Problemlösungsprozess in einem Problemraum das gegebene Operatorinventar als (vermeintlich) unzureichend angesehen wird, kommt es häufig aufgrund der Ähnlichkeiten der zu bearbeitenden Objekte mit Objekten aus anderen Problemräumen (hier im Sinne von Interaktionskontexten) zu einem Transfer der Operatoren (hier im Sinne von Interaktionsoperationen) aus dem anderen Problemraum. Daher ist diese Objektdimension eng mit dem Operatorsuchprozess verbunden. Man kann die Übertragung von Operatoren aus einem Bereich in den anderen als eine Übertragung von Relationen aus einem Realitätsbereich in den anderen – aktuell gültigen – ansehen. Dieses Vorgehen wird als 'Analogie'-Schluss bezeichnet. Die Anwendbarkeit dieses bei kreativen Problemlösungsprozessen oft sehr entscheidende Schlussverfahren darf jedoch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass die Angemessenheit der diesem Schlussverfahren zugrundeliegenden Objektähnlichkeiten genau geprüft werden muss bzw. dass bei zu grosszügiger Auslegung der Ähnlichkeiten es sehr leicht zu Fehlschlüssen im Sinne von inadäquater Operatorauswahl kommen kann. Eine wesentliche Voraussetzung für einen adäquaten Analogieschluss ist die Transparenz der Objekte in den verschiedenen Problemräumen. Nachdem die Objektbereichsdimensionen vorgestellt worden sind, sollen jetzt die wesentlichen Eigenschaften der Operatorbereichsdimensionen zur Sprache kommen. Wirkungsbreite der Operatoren: Eine Absichtenmatrix (bzw. Zielmatrix) stellt in systematischer Form alle die bei einem Problemlösungsprozess relevanten Absichten dar. Die Absichten sind im einzelnen abhängig voneinander, weil z.B. die Objektdimensionen nicht orthogonal sind. "Als Mass für die Wirkungsbreite eines Operators kann man nun die Anzahl von Absichten nehmen, die man durch seine Anwendung erfüllen kann" (Dörner 1974, S.60). 31 2 Die Benutzungsoberfläche Die Wirkung eines Operators lässt sich in notwendige Wirkungen – diese treten immer bei Operatoranwendung ein – und in akzidentelle Wirkungen – diese treten nur manchmal ein (die sogenannten 'Seiteneffekte') – unterscheiden. 'Breitband'-Operatoren zeichnen sich durch eine grosse Wirkungsbreite aus, wohingegen 'Schmalband'-Operatoren eine kleine Wirkungsbreite besitzen. Die Schwierigkeiten bei der Handhabung von 'Breitband'-Operatoren ergeben sich durch eben diese grosse Wirkungsbreite – insbesondere, wenn das Ausmass der Seiteneffekte gross ist –, so dass man Gefahr laufen kann, bei der Beseitigung der unbeabsichtigten Nebeneffekte auch gleichzeitig die angestrebte Hauptwirkung mit aufzuheben. Zur Vermeidung von Seiteneffekten empfehlen sich daher möglichst spezifische 'Schmalband'-Operatoren. Falls man jedoch um die Verwendung von 'Breitband'Operatoren nicht umhinkommt, wird eine Nebenwirkungsanalyse im vorhinein erforderlich. Direkte Reversibilität der Operatoren und des Operatorinventars: Ein Operator heisst dann direkt reversibel, wenn die zweimalige Anwendung dieses Operators den Ausgangszustand des bearbeiteten Objektes vollständig wieder herstellt. Darüber hinaus gelten Operatoren ebenfalls als direkt reversibel, wenn ihre Auswirkungen durch die Anwendung genau eines anderen Operators rückgängig gemacht werden können. Ein Beispiel eines einfachen direktreversiblen Operators einer Desktopoberfläche ist die Tastenkombination von SHIFT- und Maustaste zur Aktivierung bzw. Deaktivierung eines Desktopobjektes im Rahmen einer Mehrfachauswahl. Ebenfalls ein einfaches direktreversibles Operatorpaar ist das Öffnen eines Desktopobjektes durch den doppelten Mausklick, wobei der Inhalt dann in einem Fenster erscheint, und das Schliessen dieses Fensters durch den einfachen Mausklick im Schliessfeld des Fensters erfolgt. Ein anderes reversibles Operatorpaar wäre das Kommando für das Starten eines Programmes und innerhalb des gestarteten Programmes das Kommando für seine ordnungsgemässe Terminierung (z.B. Aufruf eines Editors – z.B. durch WORD™ – und das Verlassen dieses Editors – z.B. durch CRTL⊗Q –). 32 Operatoren im Handlungsraum 2.2 Es ist allgemein äusserst wünschenswert, dass die sich reversibel gegenüberstehenden Operatoren auch als solche in der Dokumentation (z.B. Handbuch, Manual, Tutorial) kenntlich gemacht werden! Indirekte Reversibilität der Operatoren und des Operatorsystems: Ein Operator heisst dann indirekt reversibel, wenn die Auswirkung dieses Operators durch die Anwendung mehrerer anderer Operatoren wieder rückgängig gemacht werden kann. Je mehr Operatoren zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes benötigt werden, desto indirekter ist die Reversibilität. Allgemein ist die Reversibilität eines Operators als notwendige Voraussetzung anzusehen, wenn es um exploratives Verhalten auf Seiten des Benutzers geht. Hierunter würde auch der oft beschriebene UNDO-Befehl fallen, wobei es oft an der gewünschten Ausgangsbestimmbarkeit und Anwendungsbreite dieses Operators mangelt. Was es damit auf sich hat, soll kurz dargestellt werden. Eingangsbestimmbarkeit der Operatoren: Operatoren haben dann eine maximale Eingangsbestimmbarkeit, wenn die Abbildungen der Eingangszustände auf die Ausgangs- bzw. Folgezustände nach Anwendung dieser Art von Operatoren eineindeutige Relationen bilden. Man kann anhand der Folgezustände also mit Sicherheit auf die Eingangszustände zurückschliessen. Bei hoher Eingangsbestimmbarkeit lassen sich Probleme häufig durch Rückwärtsverkettung ('backward chaining') lösen, wobei man sich vom Zielzustand rückwärts zum Eingangszustand 'vor'-arbeitet. Ausgangsbestimmbarkeit der Operatoren: Operatoren haben dann eine hohe Ausgangsbestimmbarkeit, wenn sich die vollständige Auswirkung vor der Anwendung dieses Operators vorhersagen lässt. Je weniger Seiteneffekte auftreten und je weniger komplex ein Operator ist, desto grösser ist die Ausgangsbestimmbarkeit; es nimmt oft mit zunehmender Wirkungsbreite die Ausgangsbestimmbarkeit ab, so dass tiefer gehende Planungen mit zunehmender Anzahl von Operatoranwendungen mit einem entsprechend grösser werdenden Risiko behaftet sind. Das Ausmass an Ausgangsbestimmbarkeit begrenzt somit die Planungstiefe eines gegebenen Operatorsystems. Dies ist oft eine Quelle von psychischen Belastungen bei der Benutzung interaktiver Systeme, wenn nämlich die Anzahl der Interaktionsschritte zur Erreichung eines Zielzustandes hoch und die dabei verwendeten Interaktionsoperatoren voll von Seiteneffekten sind. 33 2 Die Benutzungsoberfläche Anwendungsbreite der Operatoren: Die Anwendungsbreite eines Operators ist dann gross, wenn die Anzahl der einschränkenden Anwendungsbedingungen für diesen Operator gering ist. So hätte ein allgemeines 'UNDO'-, 'Show'-, 'Move'- oder 'Delete'-Kommando dann eine grosse Anwendungsbreite, wenn es auf die verschiedensten Datenobjekte (ASCII-Dateien, HEX-Dateien, Datenbankdateien, Dateien mit ausführbaren Maschinencode usw.) sinnvoll anwendbar ist. Dieser Aspekt wird häufig auch unter dem Begriff der 'generic commands' diskutiert (Rosenberg und Moran 1985). Anwendungschmale Operatoren setzen dagegen einen spezifischen Ausgangszustand voraus, bevor sie überhaupt angewandt werden können. Diese spezifischen Ausgangszustände müssen – zum Teil recht mühsam – hergestellt werden. Wenn der Benutzer kein ausreichendes Wissen über die notwendigen Ausgangszustände hat und dies von dem interaktiven System nicht adäquat, d.h. kontextspezifisch dem Benutzer mitgeteilt werden kann, so sprechen wir von einer interaktiven Deadlock-Situation. Der Benutzer stellt fest, dass eine von ihm gewünschte Operation nicht ausführbar ist, ohne die Möglichkeit zu haben, die notwendigen Aktionen zur Herstellung des benötigten Ausgangszustandes vornehmen zu können. Elementare Operatoren vs. Makrooperatoren: Ein Elementaroperator stellt die einfachste Aktionseinheit eines Operatorsystems dar. Elementaroperatoren lassen sich in ihrer Wirkung nicht durch Kombinationen aus anderen Operatoren ersetzen. Elementaroperatoren können jedoch zu grösseren Aktionseinheiten zusammengefasst werden und bilden dann die Makrooperatoren. Je einfacher die Elementaroperatoren in ihrer Wirkungsbreite sind ('Granulationsgrad'), desto notwendiger wird die Möglichkeit zur Konstruktion und zum Gebrauch von Makrooperatoren. Beim Erlernen der Handhabung eines Operatorsystems wird mit zunehmendem Wissen über die Wirkungs- und Anwendungsbreite der Elementaroperatoren der Einsatz von Makrooperatoren wichtig, um insbesondere wiederkehrende Anwendungsketten von Elementaroperatoren zusammengefasst (in gleichsam automatisierter Form) verwenden zu können. Dieser Aspekt wird insbesondere unter dem Thema 'Möglichkeiten des Aufbaus und Gebrauchs von Makrodialogbefehlen' diskutiert. Die Zusammenfassung von Makrooperatoren zu Makro-Makrooperatoren werden nach Dörner (1974) als Organisationsschemata von Operatoren bezeichnet. 34 Operatoren im Handlungsraum 2.2 Elementare bzw. Makrooperatoren vs. Metaoperatoren: Dienen die elementaren Operatoren der Bearbeitung der Objekte, so sind die Metaoperatoren dazu vorgesehen, die Syntax und/oder die Semantik der Elementaroperatoren zu verändern. Diejenigen Operatoren, mit denen sich z.B. Makrooperatoren aufbauen lassen, sind Metaoperatoren. Allgemein sind alle Operatoren, die die Komplexität des Operatorinventars sowie ihre wahrnehmbaren Repräsentationen verändern, Metaoperatoren. Komplexität des Operatorinventars: Die Komplexität eines Operatorinventars setzt sich zusammen aus der Anzahl an Operatoren und aus den verschiedenen Anwendungsformen der einzelnen Operatoren. Je nachdem ob ein Operator in mehrerlei Weise oder nur auf eine spezielle Weise auf ein Objekt anwendbar ist, muss seine Anwendungsform unterschiedlich eingestuft werden. Ein Operator hat dann mehrere Anwendungsformen, wenn mit ihm ein Objekt in mehrfacher Hinsicht bearbeitet werden kann (z.B. das 'mv'-Kommando unter UNIX™ dient zum Verschieben, aber auch zum Umbenennen von Dateiobjekten). Je geringer die Operatoranzahl und je eingeschränkter die Anwendungsform dieser Operatoren ist, desto geringer ist die Komplexität des Operatorinventars. Zeitliche und/oder materielle Kosten: Hier ist der zeitliche und/oder materielle Aufwand angesprochen, der bei der Anwendung eines Operators notwendigerweise aufgebracht werden muss. Oftmals geht man bei der Auswahl und Anwendung eines Operators lieber ein höheres Risiko ein und/oder nimmt grössere materielle Kosten in Kauf, um den Effekt eines Operators in kürzerer Zeit erreichen zu können. Materielle Kosten würden im Kontext dieser Arbeit z.B. den Ausbau des Hauptspeichers, Anschaffung eines PCs mit lokalem Drucker und die Installation einer Harddisk zur Geschwindigkeitssteigerung gegenüber Diskettenlaufwerken bedeuten. 2.2.2 Generische Operatoren Eine besondere Gruppe von Operatoren sind die Grundoperatoren, auch 'generische' Operatoren genannt (Rosenberg und Moran 1985). Diese Operatoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie in vielen unterschiedlichen Dialogkontexten dem Benutzer zur Verfügung stehen. Je nach Beschaffenheit des zu bearbeitenden Objektes weisen diese Operatoren von sich aus bereits eine dem jeweiligen Objekt angemessene Semantik auf. 35 2 Die Benutzungsoberfläche In dem Handlungsmodell der VDI-Richtlinie 5005 (1990) für den Bereich der Bürokommunikation wird als globaler Gestaltungsrahmen von der 'Ganzheitlichkeit der Büroarbeit' ausgegangen. Zunächst werden die notwendigen Basishandlungen der ganzheitlichen Vorgangsbearbeitung aufgelistet, dann werden die Gestaltungsaspekte dieser Basishandlungen im Rahmen der grundlegenden Strukturelemente einer jeden Handlungssteuerung (Zielsetzung-Aktionsdurchführung-Rückkopplung) unter besonderer Berücksichtigung des Wissensbedarfes bei der Handlungssteuerung beschrieben. Im Anwendungsmodell werden parallel zum Handlungsmodell die Basisanwendungen der Bürokommunikation für die vier konzeptuellen Ebenen (Aufgabenebene, funktionale Ebene, operative Ebene und Ein/Ausgabeebene) beschrieben. Die Basisanwendungen auf der Aufgabenebene sind: Dokumentbearbeitung, Dokumentverwaltung, Dokumenttransport, Direktkommunikation und Organisationshilfen. Es gibt vier verschiedene Dokumenttypen: Text, Sprache, Bild und Daten. Auf der funktionalen Ebene lassen sich die Objekte und Funktionen der Büroanwendungen beschreiben. Als allgemeingültige Funktionen auf Dokumenten lassen sich ausmachen: Einrichten und Löschen, Öffnen und Schliessen, Kopieren und Übertragen. Diese allgemeingültigen Funktionen gilt es auf der operativen Ebene in generische Operatoren abzubilden. Die folgenden Gestaltungshinweise für die Repräsentation der allgemeingültigen Funktionen auf der funktionalen Ebene werden angegeben: • Gleichartige Funktionen wirken auf unterschiedliche Objekttypen jeweils typangepasst; • es werden automatisch nur die jeweils geeigneten Funktionen für den zu bearbeitenden Objekttyp dem Benutzer angeboten; • Objekte mit übereinstimmenden Eigenschaften lassen sich zu Typen (Klassen) zusammenfassen. Auf der operativen Ebene werden die vorhandenen Objekte, ihre Eigenschaften und Funktionen grundsätzlich über 'Fenster' dem Benutzer zugänglich gemacht. Objekte und die auf ihnen im aktuellen Dialogkontext verfügbaren Funktionen werden direkt über entsprechende Repräsentationen (z.B. maussensitive Bereiche) aktiviert. Nur über sichtbare Repräsentationen (z.B. Inhaltsverzeichnisse) hat der Benutzer auch Zugang zu 'versteckten' Objekten. Auf der Ein/Ausgabeebene werden die geeigneten Formen der Repräsentationen spezifiziert, z.B. durch textuelle Hinweise, geeignete Markierungen von Objekten, sichtbare Fensterinhalte oder zustandsabhängige Symboldarstellungen (Objekt ist vorhanden, ausgewählt, geöffnet, defekt usw.). 36 Operatoren im Handlungsraum 2.2 2.2.3 Transparenz- und Feedbackoperatoren Da in der Regel der Zustandsraum (ZR) der DK bzw. AK sowie der zugehörigen Objekte sehr gross ist, können nur kontextspezifisch ausgewählte Eigenschaften aufgrund der physikalischen Begrenztheit einer jeden EAS automatisch, d.h. aktuell auf der EAS repräsentiert werden. Will der Benutzer Auskunft über weitere Zustandseigenschaften erhalten, so muss er sich diese Informationen durch die Eingabe entsprechender DOpen beschaffen (siehe Abbildung 2.2.3.1). Diese Menge an DOpen wird Transparenzoperatoren (TOpen)1 genannt (Rauterberg 1987). Benutzer Handlung Wahrnehmung Ein/Ausgabe-Schnittstelle (EAS) DialogKomponente Repräsentation Transparenz-Operatoren Transformation potentiell aktuell Dialog-Zustand AnwendungsKomponente Transparenz-Operatoren Transformation potentiell aktuell Anwendungs-Zustand Abbildung 2.2.3.1 Die Unterscheidung von potentieller und aktueller Transparenz führt zur Klasse der dialog- und anwendungsbezogenen Transparenzoperatoren (TOpen). Alle diejenigen Zustandseigenschaften, welche sich der Benutzer durch einen TOp auf der EAS repräsentieren lassen kann, ist der potentiell transparente Zustandsraum. Schmitt (1983, S. 121) spricht in diesem Falle auch von einer transparenten Daten- bzw. Systemumgebung. Arend (1990) konnte zeigen, dass diese 'Prüfoperationen' zur Evaluation des erreichten Systemzustandes die Performanz nachweislich erhöhen können. Diejenigen Zustandseigenschaften, welche weder aktuell noch potentiell wahrnehmbar sind, sind für den Benutzer in-transparent. Diese Menge der unmittelbar intransparen- 1 TOp = Transparenz-Operator. 37 2 Die Benutzungsoberfläche ten Zustandseigenschaften lässt sich jedoch manchmal von dem Benutzer aufgrund des Systemverhaltens mittelbar erschliessen. Die Menge der TOpen lässt sich für die DK und die AK getrennt definieren (siehe Abbildung 2.2.3.1). Dieser Aspekt der Transparenz wird unter der Gestaltungsrichtlinie Feedback diskutiert und schon seit längerem gefordert (Norman 1983b, S.257; Spinas 1987, S. 51; Baitsch et al. 1989, S.79). Feedbackoperatoren (FOpen)1 sind eine Teilmenge der TOPen, welche sich auf das handlungsbezogene Feedback beziehen, wie Rückmeldung über die jeweils durchgeführte Operation (Ablauffeedback) und den erreichten Objektzustand (Resultatfeedback; Ulich 1994, S. 168), sowie die im aktuellen Dialogkontext zugreifbaren Funktionen. Darüber hinaus gehören zur Menge der TOpen noch alle Funktionen, die zum Gestaltungsbereich der Unterstützung (wie Hilfesysteme, Tutorials usw.; siehe Moll 1989) gehören (bei Dehnig, Essig und Maass 1978, sowie Viereck 1987 'Metadialog' genannt). An dem einfachen Beispiel aus der Benutzungsumgebung des Betriebssystems MsDOS™ lässt sich das Konzept der TOpen verdeutlichen: Objekte der Anwendungskomponente von MsDOS™ sind z.B. die auf der Festplatte bzw. Diskette verwalteten Dateien; diese Anwendungsobjekte lassen sich über die folgenden Eigenschaften wie 'Name.Extension', 'Grösse in Byte', 'Datum der Erstellung', 'Datum der letzten Änderung', 'Ort der Speicherung' beschreiben und auf der EAS entsprechend repräsentieren; alle diese Eigenschaften sind jedoch nur potentiell transparent. Erst durch den TOp 'dirCR' lassen sich diese Eigenschaften sichtbar machen. Andere Oberflächen für MsDOS™ (wie z.B. PCTOOLS™, QDOS™, GEM™ oder MS-WINDOWS™) haben aus diesen potentiell transparenten Eigenschaften aktuell transparente Eigenschaften werden lassen, indem z.B. jeweils automatisch der aktuelle 'directory'-Inhalt auf der EAS repräsentiert wird. Ein sehr häufiges interaktives Problem kommt immer dadurch zustande, dass ein bestimmter TOp nicht vorhanden bzw. dem Benutzer nicht bekannt ist, oder dass die aktuelle Erreichbarkeit des vom Benutzer benötigten TOp im aktuellen Dialogkontext nicht gegeben ist. Diese Art von Problemen stellen ebenfalls eine Art von interaktiven 'deadlock'-Situationen dar. 1 38 FOp = Feedback-Operator. 3 ANFORDERUNGEN AN DIE SOFTWAREERGONOMISCHE PRODUKTGÜTE "Vorteilhaft wirkt sich [bei einer anthropozentrischen Vorgehensweise] aus, dass nicht nur informatische, sondern auch arbeitswissenschaftliche Kriterien wie Ergonomie oder Arbeitspsychologie einbezogen werden, und der technische Einfluss der Informatiker erst in der Schlussphase der Projekte spürbar wird" (Gysler 1991, S. 91). In diesem Abschnitt werden zunächst die beiden unterschiedlichen Anforderungssichten – die softwaretechnische Sicht und die arbeitspsychologische Sicht – an eine adäquate, benutzungsorientierte Systemgestaltung vorgestellt, um diese beiden Sichten dann in einer Gestaltungsmatrix – hinsichtlich ihrer Verschränkungen – beschreiben zu können. 3.1 S OFTWARETECHNISCHE A NFORDERUNGEN Es werden in der Literatur zur Softwareentwicklung aus der Informatikperspektive eine Reihe von softwaretechnischen Qualitätsmerkmalen aufgelistet. Wenn in der Literatur über Qualitätsmerkmale berichtet wird, so geschieht dies in der Regel in dem Kontext von Softwareengineeringkonzepten (Kimm et al. 1979; Balzert 1982; Zehnder 1986; Sommerville 1987). Insgesamt gehen diese Autoren davon aus, dass die Güte eines Softwareproduktes von der Art und Weise des Softwareengineeringkonzeptes abhängt. Für die Fragestellungen im Rahmen dieser Arbeit gilt es zu nächst abzuklären, inwieweit die Gestaltung der Benutzungsoberfläche ihren Niederschlag in den verschiedenen Softwareengineeringkonzepten bis heute gefunden hat. Mit der zunehmenden Bedeutung interaktiver Softwaresysteme rückte das Konzept der 'Benutzungsfreundlichkeit' in das Rampenlicht softwaretechnischer Anforderungen. Neben der Fülle der rein auf das technische Produkt bezogenen Anforderungen wurden auch einzelne Aspekte, welche den Endbenutzer (häufig auch als Anwender bezeichnet) betreffen, hinzugenommen. Es geht im Rahmen dieser Arbeit nicht darum, einen repräsentativen Überblick über bisherige Ansätze zum Einbezug von Anforderungen an die Benutzungsfreundlichkeit in einschlägigen Softwareengineeringkonzepte zu liefern, sondern vielmehr darum, herauszufinden, welche Aspekte bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben sind. Im folgenden werden die drei Aspekte des Konzeptes der 'Benutzungsfreundlichkeit' von Boehm, Brown und Lipow (1976) kurz vorgestellt (zitiert nach Balzert 1982): Robustheit: "Grad, in dem ein Softwareprodukt eine wohlverständliche Reaktion bei nicht vorgesehener Verwendung erbringt und seine Funktionsfähigkeit bewahrt." 39 3 Software-ergonomische Produktgüte Verwertbarkeit: "Grad, in dem ein Softwareprodukt den selektiven Gebrauch von Produktteilen auch für andere Zwecke erleichtert." Anpassbarkeit: "Grad, in dem Form und Inhalt von Ein- und Ausgaben leicht geändert und angepasst werden können." Geräteunabhängigkeit Portabilität Autarkie Genauigkeit Zuverlässigkeit Vollständigkeit Robustheit Konsistenz Zählbarkeit Brauchbarkeit Effizienz Benutzerfreundlichkeit SoftwareQualität Geräteeffizienz Verwertbarkeit Anpassbarkeit Testbarkeit Wartbarkeit Verständlichkeit Selbsterklärung Strukturierung Kompaktheit Änderbarkeit Lesbarkeit Erweiterbarkeit Abbildung 3.1.1 Baum von Softwarequalitätseigenschaften, welche im Rahmen eines Softwareerstellungsprozesses Berücksichtigung finden sollten (Boehm et al. 1976, zitiert nach Balzert 1982). Einen allgemein gültigen Satz von Gestaltungsrichtlinien für die Benutzungsfreundlichkeit anzugeben, wird z.B. deshalb als schwierig erachtet, weil "es den Benutzer an sich nicht gibt – und damit auch nicht die Benutzungsfreundlichkeit" (, S. 37). Eine entsprechende Konsequenz aus Informatiksicht besteht darin, die Vielfalt der unterschiedlichen Benutzer zu klassifizieren. So werden von Bauknecht und Zehnder (1989, S. 142) die folgenden vier Typen von Benutzern aufgelistet: 40 Softwaretechnische Anforderungen 3.1 • Computerspezialisten (Experten) • ständige Benutzer (Fortgeschrittene) • gelegentliche Benutzer (Anfänger) • Organisationsfremde. Die grundlegende Dimension für diese und auch an anderer Stelle ähnlich vorzufindende Klassifikationen ist völlig zu recht, der unterschiedliche Kenntnisstand und die entsprechende Fertigkeit im Umgang mit einem interaktiven Computersystem. Dies ist rückführbar auf eine wesentliche Eigenschaft des Menschen bzw. des Benutzers: Nämlich seine Fähigkeit zu Lernen. Welche Konsequenzen dies für die Gestaltung von Benutzungsoberflächen hat, gilt es im Rahmen dieser Arbeit herauszufinden. Schauen wir uns zunächst jedoch weiter im Bereich von Softwareengineeringkonzepten nach den Aspekten von 'Benutzungsfreundlichkeit' um. Bei Kimm, Koch, Simonsmeier und Tontsch (1979) werden 'Anhaltspunkte' für ein vages Konzept von Benutzungsfreundlichkeit angegeben: Verständlichkeit, Angemessenheit und vernünftiges Fehlerverhalten. Für den Softwareerstellungsprozess insgesamt werden die folgenden Richtlinien für die Güte des Softwareproduktes als wichtig erachtet: Zuverlässigkeit des Programms, Benutzungsfreundlichkeit, Flexibilität (im Sinne von Adaptabilität und Portabilität), Lesbarkeit des Programmcodes und Effizienz der Algorithmen. In einem Einführungslehrbuch zum Softwareengineering wird im neunten Kapitel "ein Gebiet behandelt, das normalerweise in Texten zum Softwareengineering nicht erwähnt wird: die Schnittstelle des Benutzers zum System" (Sommerville 1987, S. 255ff). Aus diesem Zitat können wir erkennen, dass offenbar das Interesse an der Gestaltung der Benutzungsoberfläche erst in den letzten Jahren Eingang in den Softwareerstellungsprozess gefunden hat. Es werden von Sommerville (1987) drei grundlegende Prinzipien des Benutzerschnittstellenentwurfes vorgeschlagen: • Die Schnittstelle muss den Bedürfnissen und Fähigkeiten jedes einzelnen Benutzers entsprechen; • die Schnittstelle muss konsistent sein; • die Schnittstelle sollte über eingebaute Hilfseinrichtungen ('help-facilities') verfügen. Mit diesen drei Sommerville'schen Prinzipien lassen sich im Vergleich zu den Ulich'schen Gestaltungsrichtlinien lediglich der Teil des Gestaltungskonzeptes abdecken, welcher sich mit der 'Berechenbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' befasst. 41 3 Software-ergonomische Produktgüte Tabelle 3.1.1 Übersicht über Softwarequalitätsmerkmale und ihre unterschiedliche Wichtigkeit für die drei beteiligten Personenkreise (Benutzer, Softwareentwickler und Management) (in Anlehnung an Becker, Haberfellner und Liebetrau 1990, S. 269-270). Softwarequalitätsmerkmale Kopplungsfähigkeit Verständlichkeit, Testbarkeit Portabilität Sicherheit Effizienz Benutzungsfreundlichkeit Funktionserfüllung Genauigkeit, Korrektheit Wartungsfreundlichkeit, Anpassbarkeit weitere Merkmale Entwickler x x x Management x x x x x x Benutzer x x x (x) x x x (x) x Wenn in Softwareengineeringkonzepten über die 'Benutzungsfreundlichkeit' berichtet wird, dann sehr oft im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung und Überprüfung eines erstellten Softwaresystems. Im zwölften Kapitel seines Buches zählt Zehnder (1986) die folgenden 15 Softwarequalitätsmerkmale auf, welche ein gutes Softwaresystem zu erfüllen hat: "Vollständigkeit der Funktionen; Genauigkeit der Lösungen; Zuverlässigkeit des Systems; Fehlertoleranz für aussergewöhnliche Situationen; Benutzerfreundlichkeit; Flexibilität in der Verwendung; Modularität im Sinne einer strukturierten Form; Einfachheit im Sinne von Vermeidung unnötiger Komplexität; Ausbaufähigkeit; Verträglichkeit und Kompatibilität; Übertragbarkeit; Unterhaltsfreundlichkeit; Entwicklungseffizienz; Betriebseffizienz und -leistung; Datenintegrität und -konsistenz bei permanenten Daten." (Zehnder 1986, S. 169ff.) Leider ist bei Zehnder keine weitere Erläuterung des Qualitätsmerkmals der 'Benutzerfreundlichkeit' zu finden. Die Tabelle 3.1.1 gibt eine gute Übersicht über die unterschiedliche Bedeutung der verschiedenen Merkmale für jede der drei an einem Softwareerstellungsprozess beteiligten Personengruppen (Benutzer, Entwickler und Management). Die einzelnen Softwarequalitätsmerkmale aus Tabelle 3.1.1 nach Becker, Haberfellner und Liebetrau (1990, S. 269-270) haben folgende Bedeutung: Kopplungsfähigkeit: "Möglichkeiten der Verbindung verschiedener Softwaresysteme (Programmiersprachen, Betriebssysteme, Benutzerschnittstellen, Protokolle, etc.)." Verständlichkeit, Testbarkeit: "Aufwand für das Verständnis der Funktionsweise und der strukturellen Zusammenhänge (klare Abgrenzung von Modulen und Programmen)." 42 Softwaretechnische Anforderungen 3.1 Portabilität: "Übertragbarkeit eines Programmes und/oder von Datenbeständen auf andere Hardwaresysteme (Programmiersprachen, Betriebssysteme). Lauffähigkeit bei Release-Änderungen, etc." Sicherheit: "Vorgesehene Schutzmassnahmen der Software, die einen unerlaubten Zugriff, unabsichtliche oder absichtliche Aneignung oder Zerstörung von Daten verhindern" (siehe auch Bauknecht und Strauss 1989; Strauss 1990). Effizienz: "Optimale Ausnutzung von Hardwareressourcen, kurze Verarbeitungs- und Laufzeiten." Benutzerfreundlichkeit: "Robustheit soll verhindern, dass Bedienungsfehler die Funktionsweise beeinträchtigen." "Benutzerdokumentation soll vollständig, richtig und übersichtlich sein." "Ergonomie soll die Anpassung an den natürlichen Arbeitsablauf, benützergerechte Dialogkonzeption, etc. ermöglichen." Funktionserfüllung: "Übereinstimmung der Funktionen mit den applikatorischen Anforderungen." Genauigkeit, Korrektheit: "Programm soll die angegebenen Funktionen zuverlässig für alle zugelassenen Daten erbringen, ausreichende numerische Genauigkeit." Wartungsfreundlichkeit, Anpassbarkeit: "Erleichterung späterer potentieller Änderungen (Fehlerbehebung, Anpassung, Erweiterung)." weitere Merkmale wie: "Gewährleistung, Weiterentwicklung, Bereitschaft der Lieferanten zu benutzerindividuellen Anpassungen, Einführungsunterstützung (Implementierung, Schulung, etc.), Preise, Lieferkonditionen." Die Verwendung dieser Qualitätsmerkmale erfolgt erst in der vorletzten Phase – der Testphase – eines normalen, phasenförmigen Softwareengineeringprozesses. Hierdurch ist auch zu erklären, warum die Gruppe der Softwareentwickler nur bei den Merkmalen 'Testbarkeit', 'Anpassbarkeit', 'Portabilität' und 'Kopplungsfähigkeit' laut Tabelle 3.1.1 in Erscheinung treten. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass man allgemein davon ausgeht, dass die folgenden Massnahmen die Qualität der Software insgesamt erhöhen: • Beachtung der Prinzipien des Softwareengineering (Sommerville 1987), • Beachtung der Regeln der strukturierten Programmierung (Dijkstra 1976), • gute Testorganisation (Wallmüller 1990, 1995). Eine brauchbare Verwendung von diesen Qualitätsmerkmalen kann erst dann erfolgen, wenn "die Merkmale operationalisiert sind, d.h. wenn Kriterien festgelegt sind, die es ermöglichen festzustellen, ob die jeweilige Eigenschaft vorhanden ist oder nicht. Bei vielen Merkmalen ist auch unklar, ob sie unabhängig voneinander sind oder nicht. Softwarepro- 43 3 Software-ergonomische Produktgüte dukte werden erst dann vergleichbar, wenn die Merkmale quantifizierbar und messbar sind" (Balzert 1982, S.14). Wartungskosten – als ein softwaretechnisches Kriterium – lassen sich gemäss der folgenden Formel abschätzen (Sommerville 1987, S. 247): Wartungskosten: WK = JÄR * EZ Es haben in der angegebenen Formel die einzelnen Abkürzungen folgende Bedeutung: WK: Wartungskosten (engl: AME 'Annual Maintenance Effort'), JÄR: Jährliche Änderungsrate (engl: ACT 'Annual Change Traffic') und EZ: Entwicklungszeit (engl: SDT 'Software Development Time'). Weitere Metriken wurden von Boehm et al. (1978) entwickelt und leider nur zum Teil empirisch validiert. Daher konnten sich die Versuche, die Wartungsfreundlichkeit von Software über die in der Software enthaltene Komplexität zu quantifizieren (McCabe 1976; Halstaed 1977), nur bedingt durchsetzen (Shepard et al. 1979). Eine empirische Validierung der Masse erfolgt erst in neuerer Zeit (Ebert 1992) und wird von Basili (1993) ausdrücklich gefordert. Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch auf den Aspekt der Systemantwortzeit zu sprechen kommen. Die Systemantwortzeit hängt sehr stark von den eher technischen Systemressourcen (Hardware, Betriebssystem, effiziente Algorithmen usw.) ab (Gibson und Senn 1989). Warum eine angemessene Systemantwortzeit wichtig ist, soll kurz aus einer allgemeinpsychologischen Perspektive des Lernens betrachtet und begründet werden. Damit ein vom Benutzer auf der EAS wahrgenommenes Zeichen zu einem handlungsleitenden Signal wird, müssen die zum Gestaltungsbereich 'Vorhersehbarkeit' aufgezählten Bedingungen erfüllt sein. Die in diesem Zusammenhang wichtigen lerntheoretischen Erkenntnisse beziehen sich auf die lernpsychologischen Befunde zum 'instrumentalen Bedingen' oder zur 'bedingten Aktion' (Klix 1976, S. 375-384). Beim Lernen gemäss dem 'instrumentalen Bedingen' müssen zwei Phasen unterschieden werden: "Einen Suchprozess bei vollständig unbekannter Umgebung und als Folge der ersten Bekräftigung einen Suchprozess mit Gedächtnis für die relevanten Situationsmerkmale und die letzte notwendige motorische Aktion" (Klix 1976, S.377). Es wird ein Ausgangszustand – charakterisiert durch eine bestimmte Menge an relevanten Merkmalen ('Signalen') – durch die Eingabe von Interaktionsoperatoren in einen Folgezustand überführt. Für den Aufbau eines adäquaten mentalen Modells muss der Benutzer einen Zusammenhang zwischen den relevanten Situationsmerkmalen des Ausgangszustandes einerseits mit den entsprechend eingegebenen Interaktionsoperatoren andererseits. Es hat sich als besonders günstig erwiesen, wenn die Rückmeldung über den Erfolg bzw. Misserfolg der Operation bestimmte, zeitkritische Werte nicht überschreitet (siehe Abbildung 3.1.2). 44 Softwaretechnische Anforderungen 3.1 Erinnerungsleistung 100% 80% 60% 40% 20% 0 9 12 15 18 3 6 Zeitintervall bis zur Erinnerung (in Sekunden) Abbildung 3.1.2 Behaltenskurve des Kurzzeitgedächtnisses: Die Erinnerungs- bzw. Behaltensleistung bezüglich der Gedächtnisinhalte im Kurzzeitgedächtnis nimmt mit der Dauer des zeitlichen Intervalls bis zum Abruf dieser Gedächtnisinhalte monoton ab (aus: Hilgard, Atkinson und Atkinson 1975, S.236). Die Erinnerungsleistung des Kurzzeitgedächtnisses sinkt innerhalb der ersten fünf bis neun Sekunden rapide ab. Es ist daher unumgänglich, dass zum Aufbau stabiler Zusammenhangsstrukturen eine möglichst schnelle, d.h. 'direkt' wahrnehmbare (z.B. visuelle) Rückmeldung erfolgen sollte. Diese Rückmeldung muss darüber hinaus im primären Aufmerksamkeitsfokus (z.B. dem fovealen Gesichtsfeld) des Benutzers liegen (Bruce und Green 1992, Rauterberg und Cachin 1993). Nur wenn man bei sehr grossen EASen (z.B. Bildschirme mit einer Bildschirmdiagonalen von über 12 Zoll) diese beiden Bedingungen einhält, kann erreicht werden, dass die Zeit für das Absuchen der gesamten Bildschirmoberfläche zum 'Updaten' der intern gespeicherten relevanten Signale sich nicht hinderlich auf den Aufgabenbearbeitungsprozess auswirkt. Der Kern des instrumentalen Bedingens besteht also darin, dass die zu einer bestimmten Zielerreichung notwendigen Handlungsschritte mit den entsprechenden Merkmalen eines Ausgangszustandes nur innerhalb eines begrenzten Zeitintervalls (null bis drei Sekunden) in unmittelbare Verbindung gebracht werden können. Die entstehende kognitive Belastung des Benutzers durch zu lange Systemantwortzeiten ohne jegliche Rückmeldung an den Benutzer kann und muss vermieden werden (Boucsein, Greif und Wittekamp 1984; Schaefer, Kuhmann, Boucsein und Alexander 1986; Boucsein 1987; Frese 1987a). Das ist eine Seite der Beanspruchung. Die andere Seite ist, dass – vor allem nicht kalkulierbare – arbeitsablaufbedingte Wartezeiten eine erhebliche Belastung bzw. Beanspruchung bewirken. 45 3 Software-ergonomische Produktgüte Hier kommt die softwaretechnische Gestaltungsrichtlinie 'Effizienz' voll zum Tragen. Die Entwicklung preiswerter Hardware und ihr Einsatz im Bereich der Arbeitsplatzrechner (PCs und Workstation) lassen eine positive Entwicklung erkennen, bei der dem Benutzer eine möglichst umfassende technische 'Power' zur Verfügung gestellt wird. Erst wenn diese grundlegenden Aspekte des technischen Systems gewährleistet sind, lassen sich sinnvolle Gestaltungsmassnahmen aus arbeitspsychologischer Sicht für die interaktive Software umsetzen. Wir gehen daher im weiteren davon aus, dass das technische System keine unnötige Beschränkung hinsichtlich Antwortzeit und Speicherplatz aufweist und zuverlässig arbeitet. 3.2 A RBEITSPSYCHOLOGISCHE ANFORDERUNGEN Schauen wir uns die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' des Konzeptes zur benutzungsorientierten Softwaregestaltung von Ulich etwas genauer an, so stellen wir fest, dass 'Flexibilität' in das umfassendere Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' eingebunden ist (Ulich 1988, S. 52-54). Der 'Tätigkeitsspielraum' setzt sich aus den drei Dimensionen Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zusammen. Motiv Tätigkeit Ziel Handlung ... gegenständliche Bedingungen Operation ... Abbildung 3.2.1 Die hierarchische Tätigkeitskonzeption nach Leontjew (1979). Die Tätigkeit im Sinne von Leontjew (1979) ist eine recht komplexe Strukturierung von einzelnen Teiltätigkeiten und Handlungen. Tätigkeiten werden über Motive initiiert, Handlungen über Ziele gesteuert und Operationen über die gegebenen gegenständlichen Bedingungen festgelegt (siehe Abbildung 3.2.1). Zu diesen 'gegenständlichen Bedingungen' im Rahmen der Mensch-Computer-Interaktion gehört unter anderem die konkrete Ausgestaltung der Benutzungsoberfläche. Die drei Dimensionen 'Entscheidungs-', 'Gestaltungs-' und 'Handlungsspielraum' stecken jeweils den Rahmen für die ihnen entsprechenden Aspekte menschlichen Handelns ab (Ulich 1988, S. 54-55; siehe Abbildung 3.2.2): 46 Arbeitspsychologische Anforderungen 3.2 Die Grösse des Entscheidungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Autonomie, das mit einer Tätigkeit verbunden ist; die Grösse des Gestaltungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Variabilität einer Handlung bzw. Teiltätigkeit; die Grösse des Handlungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Flexibilität bei der Ausführung einer Operation bzw. Teilhandlung. Die einzelnen Operationen setzen sich selbst wiederum aus verschiedenen Aktionen zusammen. Aus dem hier kurz vorgestellten Konzept des Tätigkeitsspielraumes wird somit der Stellenwert der Gestaltungsrichtlinie der 'Flexibilität' für die Ausgestaltung des Handlungsspielraumes auf operationeller Ebene ersichtlich. Entscheidungsspielraum Gestaltungsspielraum Handlungsspielraum Abbildung 3.2.2 Autonomie Tätigkeit Variabilität Handlung ... Flexibilität Operation ... Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' nach Ulich (1988). Das Ausmass an Autonomie in der Tätigkeit (der Entscheidungsspielraum) wird durch die Mensch-Mensch-Funktionsteilung an der Organisationsschnittstelle festgelegt. Das Ausmass an Variabilität der auszuführenden Handlungen bzw. Teiltätigkeiten im Umgang mit dem Computer (der Gestaltungsspielraum) wird durch die Mensch-Maschine-Funktionsteilung an der Werkzeugschnittstelle definiert. Die Interaktionsschnittstelle legt das Ausmass an Flexibilität (der Handlungsspielraum) der einzelnen Anwendungs- und Dialogoperationen fest. Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' (siehe Abbildung 3.2.2) ist ein strikt hierarchisch, top-down strukturiertes Konzept. Um die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' in diesem Konzept berücksichtigen zu können, werden entsprechende Rückwirkungsmöglichkeiten von 'unten nach oben' – vom Handlungsspielraum zum Entscheidungsspielraum – vorgesehen (Abbildung 3.2.3). Wichtig hierbei ist zu erkennen, dass jede Aktivität (Operation oder Handlung) im Sinne der Individualisierbarkeit eine Metaaktivität ist; eine Metaaktivität deshalb, weil bei dieser Art von Aktivität ausschliesslich die Rahmenbedingungen (der Gestaltungs- und 47 3 Software-ergonomische Produktgüte Entscheidungsspielraum) beeinflusst werden, unter denen dann die Tätigkeiten, Handlungen und Operationen ausgeführt werden können. Nur wenn im Handlungs- bzw. Gestaltungsspielraum dem Benutzer Metaoperatoren zur Verfügung stehen, die den Gestaltungs- bzw. Entscheidungsraum beeinflussen können, kann das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' den Selbstverwirklichungspotentialen und -bedürfnissen des Benutzers voll umfänglich gerecht werden. Entscheidungsspielraum Gestaltungsspielraum Handlungsspielraum Autonomie Tätigkeit Variabilität Handlung ... Flexibilität Operation ... Abbildung 3.2.3 Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' erweitert um die Dimension der Individualisierbarkeit. Die Rückwirkung vom Handlungsspielraum auf den Gestaltungsspielraum und von diesem wiederum auf den Entscheidungsspielraum entspricht der Forderung nach Individualisierbarkeit. Der Benutzer erwirbt im Laufe der Bewältigung interaktiver Probleme ein zunehmend adäquateres Wissen ('mentales Modell') über die Software (Rauterberg 1992b). Leider hat sich jedoch in der Praxis gezeigt, dass die Aneignung der Funktionalität bei einem Prozentsatz von 20 bis 40 Prozent stagniert (Greenberg und Witten 1988). Wieso ist das so? Offenbar kommt der Benutzer nach einer Kostennutzenabwägung zu dem Schluss, dass die erlernte Funktionalität für die Bewältigung der meisten alltäglichen Aufgabenstellungen ausreicht. Eine weitere Aneignung von Systemeigenschaften wäre mit einem unverhältnismässig hohen Aufwand verbunden. Dies deutet darauf hin, dass die bisherige Lernpraxis sich für den Benutzer durch übermässig hohe mentale Anstrengung, Desorientierung und/oder andere unangenehme Erfahrungen auszeichnet. Ein Grund für diese negative Einstellung kann darin gesehen werden, dass die meisten interaktiven Softwareprodukte der menschlichen Lern- und Handlungssituation nicht angepasst sind. Bei dem Entwurf und vor der Ausführung eines Handlungsplanes in Form von Operationsfolgen kommt es zunächst einmal darauf an, dass der Benutzer den aktuellen Systemzustand (Dialog- und Anwendungszustand) zutreffend erkennen kann. Der Benutzer muss wissen, wo er sich gerade befindet; dies setzt voraus, dass er sich adäquat orientieren kann. 48 Arbeitspsychologische Anforderungen 3.2 1 AUFGABE(N) Ziel-, Teilziel-Setzung 4 2 Kontrolle der Ausführung Planung der Ausführung Auswahl der Mittel 3a mentale Ausführung 3b physikalische Ausführung Abbildung 3.2.4 Der vollständige Handlungszyklus (siehe auch Ulich 1994, S. 168). Wie sieht ein interaktives Softwareprodukt aus, welches der menschlichen Lern- und Handlungssituation angepasst ist? Dazu ist es zunächst einmal notwendig zu verstehen, wie ein Mensch Handlungen aufbaut. Dabei lassen sich die folgenden vier Phasen1 einer vollständigen Handlung unterscheiden (siehe Abbildung 3.2.4): (1.) Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Zielkomplexe eingebettet sind, sowie die Orientierung auf das aktuelle (Teil)-Ziel; (2.) Handlungsvorbereitung, Planung, sowie die Auswahl der Mittel zur adäquaten Zielerreichung; (3.) Ausführung mit Ablauffeedback zur gegebenenfalls notwendigen Handlungskorrektur; (4.) Kontrolle mit Resultatfeedback, um die Ergebnisse der Handlung auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen überprüfen zu können. Wenn wir das Konzept des vollständigen Handlungszyklus unter Berücksichtigung des Fünf-Ebenen-Modells der interaktiven Dialogschleife auf die verschiedenen Tätigkeits-, Handlungs- und Operatorstrukturen anwenden, so erhalten wir eine Auflistung der sich ergebenden Problem- bzw. Gestaltungsbereiche (siehe Tabelle 3.2.1; in Anlehnung an Rasmussen 1986 und Volpert 1987). Eine unzureichende Gestaltung der Tätigkeit lässt sich durch eine noch so gute Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle nicht ausgleichen (Ulich 1993b). So kann Ulich (1993a) zeigen, dass arbeitsorientierte Gestaltungs- 1 Im Unterschied zur 'vollständigen Handlung' in Kapitel 2.1 nach Hacker (1986) fassen wir 'Vorsatzbildung', 'Zielsetzung' und 'Orientierung' zusammen. 49 3 Software-ergonomische Produktgüte konzepte oftmals mit grundlegenden Veränderungen vorherrschender Organisationsstrukturen verbunden sind. Erst die konsequente Anwendung des Konzeptes der vollständigen Aufgabe ermöglicht nicht nur eine humangerechte Aufgabengestaltung, sondern bewirkt zudem oftmals eine wirtschaftliche Effizienzsteigerung (Theerkorn und Lingemann 1987). Tabelle 3.2.1 Übersicht über die vollständigen Handlungszyklen bezüglich jeder Ebene des Fünf-Ebenen Modells der MCI (siehe auch Abbildung 2.1.2). Regulationsebene Handlungstyp (5) interpretative Ebene strategische Planung (4) evaluative Ebene Kosten–Wirkungsabschätzung (3) konzeptuelle Ebene a u f g a b e n b e z o g e n e ZielTeilzielbildung (2) semantische Ebene systembezogene Ziel-Teilzielbildung (1) syntaktische Ebene sensumotorische Regulation Gestaltungsbereich Orientierungsstruktur Ressourcenbewertung Handlungsstruktur Operatorstruktur Interaktionstechnik Die fünf Regulationsebenen in Abbildung 2.1.2 und Tabelle 3.2.1 (siehe auch Abschnitt 2.1) entsprechen weitgehend den ersten drei Regulationsebenen nach Oesterreich (1986): (1) die Handlungsausführung erfolgt in der MCI auf der syntaktischen Ebene (sensumotorische Regulation); (2) Handlungsplanung erfolgt auf der semantischen und konzeptuellen Ebene durch Entscheidung für einen möglichen Handlungsweg; (3) Zielplanung wird durch die systembezogene und aufgabenbezogene Ziel-Teilzielbildung erreicht. So konnte Arend (1990) zeigen, dass "die bewussten, expliziten Reflektionsprozesse über Ziele, Zwischenziele und erreichte Zustände der Unterstützung durch das Programmsystem durch eigens dafür vorgesehene Operationen bedürfen" (Arend 1990, S. 215). Erst wenn dem Benutzer in seiner Rolle als Arbeitnehmer ausreichende Einflussmöglichkeiten auf seinen Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum gegeben sind, hat er die Chance, individuell optimales Verhalten zu entwickeln und die oftmals als 'Fehler' (Arnold und Roe 1987) zu beobachtenden Handlungen zu vermeiden. 3.3 Z IELKONFLIKTE ZWISCHEN VERSCHIEDENEN A NFORDERUNGEN Zum Abschluss dieses Abschnitts muss noch darauf hingewiesen werden, dass die gleichzeitige Anforderung aller dieser Gestaltungsrichtlinien und Merkmale an das Softwareprodukt zu Konflikten und Widersprüchen, den sogenannten 'Trade-Offs' führen kann (Balzert 1982; Greutmann und Ackermann 1989). Mögliche Zielkonflikte zwischen verschiedenen Kriterien lassen sich konstruktiv durch die Abhängigkeitsmatrix (Evans 50 Zielkonflikte 3.3 und Marciniak 1987, S.180) und die Paarvergleichsmethode (Sherwood-Smith 1989, S.87) lösen. Ein Teil dieser Konflikte lässt sich ebenso durch eine entsprechende Hierarchisierung (qualitative Gewichtung) beseitigen; der restliche Teil kann jedoch nur durch eine entsprechende quantitative Gewichtung gehandhabt werden. Wandke (1990) konnte zeigen, dass auch mit Benutzungstests Zielkonflikte gelöst werden können. Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Konflikte auftreten können, wenn arbeitspsychologische Anforderungen mit softwaretechnischen Anforderungen zusammengebracht werden (Berli und Frei 1989; Greutmann und Ackermann 1989). Es wird zunächst eine Liste aller bedeutsamen Richtlinien aufgestellt. Dann werden die Trade-Offs zwischen einzelnen Richtlinien ermittelt und in eine Zielkonfliktmatrix eingetragen (siehe Berli und Frei 1989). Diskutieren wir an zwei Beispielen dieses Vorgehen einmal durch. Der Trade-Off zwischen der arbeitspsychologischen Richtlinie 'Flexibilität' und der softwaretechnischen Richtlinie 'Robustheit', sowie zwischen der Richtlinie 'Effizienz' und der Richtlinie 'Arbeitsökonomie' (nach Berli und Frei 1989). 'Flexibilität' heisst: Der Arbeitsweg kann vom Benutzer frei gewählt und beeinflusst werden; das System ist an unterschiedliche Benutzer anpassbar; das Arbeitstempo ist vom Benutzer steuerbar; Unterbrechungen und Umschaltungen der Interaktion ist möglich, wobei eine spätere Wiederaufnahme der früheren Tätigkeit möglich ist. 'Robustheit' heisst: Das Systemverhalten ist bei Fehlern und Fehleinflüssen stabil. Die Richtlinie der 'Flexibilität' wirkt deswegen auf die Richtlinie der 'Robustheit' negativ, weil eine hohe Flexibilität des Systemverhaltens es dem Entwickler erschwert, mögliche Fehlerquellen auszutesten. 'Effizienz' heisst: Mit möglichst geringem Aufwand grosser Erfolg; optimale Gestaltung der Abfragen führt zu akzeptablem zeitlichem Verhalten des Systems; Überlappung von Funktionen beinhaltet, dass man neue Abfragen beginnen kann, bevor die Resultate der alten geliefert sind. 'Arbeitsökonomie' heisst: Lohnt sich in wirtschaftlicher Hinsicht; für den Benutzer ist rationelles Arbeiten interessanter; der Benutzer hat mehr Zeit für andere Arbeiten. Die Richtlinie der 'Effizienz' wirkt deswegen auf die Richtlinie der 'Arbeitsökonomie' positiv, weil eine hohe Effizienz seitens des Systems eine arbeitsökonomische Benutzung des Systems durch den Benutzer möglich macht. 51 3 Software-ergonomische Produktgüte Die im folgenden dargestellte Paarvergleichsmethode kann dazu herangezogen werden, die einzelnen als relevant erachteten Gestaltungsrichtlinien nach ihrer Bedeutung zu ordnen (Sherwood-Smith 1989, S.87). Jede Gestaltungsrichtlinie wird mit jeder anderen Gestaltungsrichtlinie verglichen: Diejenige Richtlinie, welche als eher wichtig eingestuft wird, erhält den Punktwert 2, die andere den Wert 0; werden beide Richtlinien als gleichwertig angesehen, erhalten beiden den Wert 1. Anschliessend werden diese Gewichtungen in die Vergleichsmatrix eingetragen und die Zeilensummen der einzelnen Gewichtungen errechnet (siehe Tabelle 3.3.1). Tabelle 3.3.1 Die Paarvergleichsmatrix eines fiktiven Beispiels nach Sherwood-Smith (1989, S.87). Richtlinie Kompatibilität Erlernbarkeit Flexibilität Transparenz Portierbarkeit Wartbarkeit 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 total % – 1 0 0 1 2 1 – 1 0 1 0 2 1 – 1 2 2 2 2 1 – 2 2 1 1 0 0 – 0 0 2 0 0 2 – 6 7 2 1 8 6 20 23 7 3 27 20 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine Vielzahl verschiedener Anforderungen gibt, denen bei der Entwicklung von Softwareprodukten eine unterschiedlich grosse Rolle zugeschrieben wird. Meistens versucht man den Trade-Offs zwischen diesen unterschiedlichen Anforderungen durch eine Gewichtung beizukommen. Welche Rolle in diesem Zusammenhang Programmiertechniken und CASE-Tools haben, bleibt vorerst weiteren Untersuchungen vorbehalten. Siehe hierzu auch Bauknecht, Hultzsch, Österle und Rall (1992). 3.4 D IE G ESTALTUNGSMATRIX ALS ORIENTIERUNGSRAHMEN Um das benutzungsorientierte Gestaltungskonzept von Ulich auf die einzelnen Bestandteile einer Benutzungsoberfläche abbilden zu können, werden entsprechend den drei Gestaltungsbereichen EAS, DK und AK entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten abgeleitet. Dazu müssen die einzelnen Richtlinien des Gestaltungskonzeptes den einzelnen Komponenten der Benutzungsoberfläche eines interaktiven Softwaresystems zugeordnet werden. Den Zeilen dieser Gestaltungsmatrix entsprechen die einzelnen Gestaltungsbereiche und den Spalten entsprechen die drei Komponenten der Benutzungsoberfläche (siehe Abbildung 3.4.1). 52 Die Gestaltungsmatrix 3.4 Durch eine vorläufige Gewichtung lassen sich drei unterschiedliche Gestaltungsschwerpunkte ausmachen. So lässt sich der Bereich 'Berechenbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' am ehesten der Gestaltung des Wahrnehmungsraumes der Ein-/Ausgabeschnittstelle zuordnen. Der Bereich der 'Kontrolle' hat seinen Gestaltungsschwerpunkt bei dem Entwurf der Dialogkomponente und der Bereich der 'Aufgabenorientierung' bei der Gestaltung der Anwendungskomponente. Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle AFBF, AFBO RFBF, RFBO GRFBF HG Kontrolle IA, IVG DFl, AFl RFuDi Aufgabenorientierung FuVo AFFl Ein/Ausgabe- DialogSchnittstelle Schnittstelle WerkzeugSchnittstelle Legende: sehr wichtig relevant wichtig nicht relevant Abbildung 3.4.1 Übersicht über die drei Gestaltungsbereiche aufgeteilt auf die einzelnen Komponenten der Benutzungsoberfläche; je nach Anwendungsschwerpunkt sind die einzelnen Felder der Matrix unterschiedlich schraffiert; die einzelnen Messvorschriften sind in die entsprechenden Felder eingetragen. Für jeden dieser drei Gestaltungsschwerpunkte gilt es, möglichst qualitative Regeln und quantitative Messverfahren zur Operationalisierung der einzelnen Richtlinien zu finden. Wie man in Abbildung 3.4.1 erkennen kann, ist dies mit dem in dieser Arbeit entwickelten Beschreibungskonzept für einige Richtlinien möglich. Die detaillierte Erläuterung dieser einzelnen Masse erfolgt in Kapitel 6, 7 und 9. Nachdem wir nun drei Gestaltungsschwerpunkte gemäss den drei Komponenten einer Benutzungsoberfläche und die zugehörigen Richtlinien herausgestellt haben, sind wir in der Lage, die den einzelnen Schwerpunkten entsprechenden Gestaltungsrichtlinien 53 3 Software-ergonomische Produktgüte und Masse für die Produktgüte zuordnen zu können (siehe Abbildung 3.4.1). Die einzelnen Messvorschriften (z.B. AFBF, etc.) werden im Kapitel 6 und 7 definiert. 54 4 DIE MESSUNG DER GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT INTERAKTIVER SOFTWARE "Der strategische Wert von Informationssystemen wird gegenwärtig noch häufig unterschiedlich beurteilt, da für eine Kosten/Nutzen-Analyse bestenfalls erste Ansätze vorliegen, und es mit den derzeit vorhandenen Methoden nicht möglich ist, den Nutzen von Informationssystemen exakt zu quantifizieren" (Bauknecht, Tjoa und Draxler 1991, S. I). Wenn man die Forschungsmethoden der Psychologie und der Informatik miteinander vergleicht, so stellt man fest, dass diese beiden Disziplinen z.T. grundlegend unterschiedliche Methoden zur Lösung der fachimmanenten Fragestellungen einsetzen. Begreift sich die Psychologie als Sozialwissenschaft mit einem breiten Kanon an Methoden zur Erhebung und Auswertung von empirischem Datenmaterial, so versteht sich die Informatik überwiegend als Ingenieurswissenschaft (Claus und Schwill 1988). In der Informatik werden im wesentlichen die beiden folgenden methodischen Ansätze als adäquat angesehen: (1) das Erstellen eines Programmes und/oder (2) die (semi-)formale Beschreibung. AufgabenStruktur ArbeitsPsychologie AufgabenWissen Wahrnehmen, Speichern, Handeln, Lernen Allgemeine Psychologie SystemWissen SystemStruktur Informatik Abbildung 4.0.1 Übersicht über die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, welche bei der Gestaltung einer benutzungsorientierten Oberfläche zusammenarbeiten. Es gibt jedoch Forschungsfragestellungen sowohl in der Informatik als auch in der Psychologie, welche sich am besten zusätzlich mit Methoden der jeweils anderen Disziplin bearbeiten und lösen lassen (siehe hierzu auch die Diskussion bei Coy 1989). Betrachten wir im folgenden den Bereich des 'Human-Factors-Engineering', insbesondere den Bereich der 'Softwareergonomie' etwas genauer (siehe Abbildung 4.0.1). 55 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit Im Bereich der 'Softwareergonomie' geht es auf der Informatikseite um die konkrete Gestaltung der Benutzungsoberfläche eines interaktiven Programmes. Da dieser Forschungsgegenstand aus den beiden Komponenten 'Mensch' und 'Maschine' besteht, sich aber bisher das menschliche Verhalten aufgrund seiner Komplexität nicht ausreichend detailliert formal beschreiben lässt, muss also die gestaltende Ingenieursmethode des 'Erstellens eines Programmes' um weitere Methoden ergänzt werden. Solange dies nur innerhalb der Informatikmethoden geschieht, ist der Versuch der 'formalen Beschreibbarkeit' der beiden Komponenten des Forschungsgegenstandes an der Stelle begrenzt, wo der Softwaredesigner innerhalb seines formalen Beschreibungsmodelles Entscheidungen über die Einbettung praktisch verwertbaren Gestaltungswissens im Bezug auf die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der 'menschlichen Komponente' zu treffen hat (Coutaz 1992). Wird hierbei kein Wissen aus der (Arbeits-)Psychologie herangezogen, so wird der Softwaredesigner auf seine persönliche Erfahrung zurückgeworfen, d.h. er muss sich der introspektiven Methode zur Gewinnung empirischen Erfahrungswissens bedienen (siehe auch Winograd und Flores 1989) bzw. sich die 'gesammelte' Erfahrung über das in der Literatur vorhandene Gestaltungswissen aneignen. Nach Sarris (1990, S. 20) lassen sich die folgenden vier Prinzipien der Erkenntnisgewinnung unterscheiden: das Prinzip der Autorität (der Bereich der Religionen), das Prinzip der Intuition (der künstlerische Bereich), das Prinzip der Vernunft (z.B. Mathematik) und das Prinzip der Erfahrung (z.B. Physik, Biologie, Psychologie usw.). Unterstellen wir, dass diese vier Prinzipien den Bereich der möglichen Erkenntnisgewinnung vollständig abdecken, so lässt sich die Informatik am besten dem Prinzip der Vernunft und als nichtempirische Wissenschaft dem Prinzip der Intuition zuordnen. Ähnlich wie bei dem Verhältnis von Mathematik und Physik kann sich die Informatik erst durch die Methoden der Psychologie dem empirischen Gegenstandsbereich 'Mensch' hin öffnen. Warum lässt sich menschliches Verhalten nur sehr schwer formal beschreiben? Ein sehr gewichtiger Grund ist die enorme Komplexität des zu beschreibenden Verhaltens. Diese Komplexität verhindert zum grossen Teil eine adäquate Formalisierung. Wie kann man dennoch damit sinnvoll umgehen? Eine weitverbreitete Methode zur Analyse komplexer Systeme ist die empirische Beobachtung am 'lebendigen' System. Dies ist auch das Vorgehen, welches bei der Überprüfung komplexer Softwareprodukte im Rahmen der meisten Softwareengineeringkonzepte angewendet wird: Man testet das System nach seiner Fertigstellung (Parrington und Roper 1991, Rauterberg 1991a, 1991b, 1991d, Dumas und Redish 1993). Es zeichnet sich daher auch ein Trend ab, die Gebrauchstauglichkeit interaktiver Software mittels empirischer Tests zu evaluieren und zu überprüfen (z.B. Frühauf, Ludewig und Sandmayr 1991, Dzida 1993, sowie Lindermeier 1993). 56 Einführung 4.0 Die empirischen Untersuchungsmethoden lassen sich in induktive und deduktive Verfahren unterscheiden (Sarris 1990, S. 21f). Je nach der konkreten Fragestellung innerhalb des Designprozesses interaktiver Software haben diese beiden Verfahren ihre Vor- und Nachteile. Im grossen und ganzen betrachtet, dienen die induktiven Verfahren ('formative evaluation', Hewett 1986) dazu, durch den Einbezug von Endanwendern Hinweise auf die Schwachstellen eines vorliegenden Entwurfes zu bekommen (die sogenannten 'Stolpersteine' bzw. 'critical incidents' bei Carroll et al. 1993; Koenemann-Belliveau et al. 1994); die deduktiven Verfahren ('summative evaluation', Hewett 1986) liefern dann eine Möglichkeit zur Überprüfung der getroffenen Designentscheidungen auf ihre Tragfähigkeit, d.h. empirische Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit hin. Die Forschungsergebnisse in der kognitiven Psychologie und der entsprechenden Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) haben sich gemeinsam zum Ziel gesetzt, das menschliche Verhalten soweit als irgendmöglich zu formalisieren. Bedingt jedoch durch den Komplexitätsgrad des Untersuchungsgegenstandes 'Mensch' mussten diese beiden Disziplinen ihre Begrenztheit zugestehen. Diese Grenzen der Formalisierbarkeit wurden von den Kritikern insbesondere der KI aufgezeigt (Weizenbaum 1976; Dreyfus 1979; Dreyfus und Dreyfus 1986; Winograd und Flores 1989). Inwieweit sich die Grenze der Formalisierbarkeit menschlichen Verhaltens grundsätzlich in den Bereich formaler Modelle hinein verschieben lässt, bleibt vorerst ungeklärt. Die Grenzen der Formalisierbarkeit menschlicher Wahrnehmungsleistungen sind bei Weidenmann (1988) ausführlich dargestellt. Nichts desto trotz ist es wichtig, dies soweit als irgendmöglich zu versuchen, um die Möglichkeit zu erlangen, wissenschaftlich relevante Erklärungsmodelle menschlichen Verhaltens aufstellen und überprüfen zu können. Um gemäss der Forderung von Moll und Ulich (1988) die bestehenden Gestaltungsrichtlinien auf eine theoretisch und möglichst empirisch abgesicherte Basis zu stellen, lassen sich zwei unterschiedliche abgestufte Vorgehensweisen nach Landauer und Galotti (1984, S. 428) heranziehen: 1. Die Richtlinien auf der Grundlage eines ausreichend tiefen theoretischen Fachverständnisses des Gegenstandsbereiches ableiten; 2a. alle Richtlinien in allen möglichen Kontexten testen; dieses Vorgehen ist wegen des erheblichen Aufwandes nicht praktikabel, wenn nicht gar unmöglich; 2b. eine Reihe von möglichst unterschiedlichen und validen Experimenten durchführen, um die Tragweite der einzelnen Richtlinien hinsichtlich ihrer Generalisierbarkeit und ihrer Beschränkungen abschätzen zu können. 57 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit Wir werden die Vorgehensweise nach 2b verfolgen. Das wohl wichtigste Problem, welches bei dieser Vorgehensweise auftaucht und gelöst werden muss, ist die repräsentative und valide Konstruktion von Testaufgaben, die der Benutzer in dem Benutzungstest zu bearbeiten hat (siehe zur weiteren Methodendiskussion bei Nachreiner 1994). In der Praxis lassen sich jedoch brauchbare Verfahren zur Gewinnung von repräsentativen Testaufgaben einsetzen (siehe Rauterberg et al. 1994b). 4.1 A NSÄTZE ZUR M ESSUNG VON B ENUTZUNGSFREUNDLICHKEIT "Die Erfahrung zeigt … , dass dort wo unbesehen und ungeprüft eingekauft wird, böse Überraschungen eintreten können." (Bauknecht 1985, S. 5) Softwareprodukte müssen zuallererst einmal ihre Gebrauchstauglichkeit unter Beweis stellen. Gebrauchstauglichkeit setzt sich zusammen aus Benutzbarkeit ('utility') und Benutzungsfreundlichkeit ('usability'). Benutzbar ist interaktive Software dann, wenn sie mit der notwendigen aufgabenangemessenen Funktionalität ausgestattet ist. Unter Benutzungsfreundlichkeit verstehen wir die Kriterien der beiden Gestaltungsbereiche 'Kalkulierbarkeit als eine Voraussetzung für Kontrolle' und 'Kontrolle' (Ulich 1994, S. 323). Wenn die Benutzbarkeit gewährleistet ist, bleibt noch offen, wie gut die aufgabenbezogene Funktionalität von dem jeweiligen Benutzer im Rahmen seiner Tätigkeit tatsächlich genutzt werden kann (die Benutzungsfreundlichkeit). Zur Messung dieser Benutzungsfreundlichkeit lassen sich vier Messansätze unterscheiden (Whitefield, Wilson und Dowell 1991; Bevan, Kirakowski und Maissel 1991, S.651; eine ausführliche Übersicht gibt Rauterberg 1992d): • Der formalanalytische Messansatz (FM); die Benutzungsfreundlichkeit des Systems wird in ergonomischen Eigenschaften eines formalen Modelles bestimmt. • Der produktzentrierte Messansatz (PM); die Benutzungsfreundlichkeit des Systems wird in ergonomischen Eigenschaften des Produktes selbst bestimmt (Maskenaufbau, Interaktionstechnik usw.). • Der benutzerzentrierte Messansatz (BM); es werden die subjektiven Beurteilungen des Benutzers erhoben (subjektive Ratings, psychomentale Beanspruchungen usw.). • Der interaktionszentrierte Messansatz (IM); Benutzungsfreundlichkeit lässt sich über Eigenschaften der Interaktion zwischen Benutzer und System selbst messen (Performanz, Anzahl Tastendrucke usw.). Jede Messung setzt sich aus dem Inhalt der Messung und der Form, unter der die Messung verläuft, zusammen (Zülch und Englisch 1991). Die Inhalte der Messung von Be- 58 Messansätze 4.1 nutzungsfreundlichkeit sind Kriterien zur benutzerorientierten Interaktionsgestaltung. Inwieweit das jeweilige Kriterium erfüllt sein sollte, wird im Rahmen der Messung normativ vorgegeben. Um den Ausprägungsgrad eines Kriteriums bestimmen zu können, muss eine Messvorschrift erstellt werden; dieser Vorgang wird 'Operationalisierung' genannt (Sarris 1990, S.142). Es müssen also Zuordnungen zwischen theoretisch begründeten Konstrukten (z.B. Flexibilität) und messbaren Phänomenen (z.B. Bearbeitungszeit) getroffen werden (Rauterberg 1990a, S.26). Folgende Operationalisierungen lassen sich in der Literatur finden (Rengger 1991, S.658): • Benutzbarkeitsindikatoren: Messung der Entfernung des erreichten Bearbeitungszustandes in Bezug auf den angestrebten Zielzustand (Messskalen: Produktgüte, Mängelrate, Verhältnis von Produktgüte zu Mängel, Genauigkeit, Effektivität). • Leistungsindikatoren: Messung der Güte des Bearbeitungsprozesses in zeitlichen Dimensionen (Messskalen: Bearbeitungsgeschwindigkeit, Lösungsgrad, Effizienz, Produktivität, Produktivitätszuwachs). • Handhabungsindikatoren: Messung der Fähigkeiten der Benutzer die zu testenden Eigenschaften des Systems benutzen zu können (Messskalen: Anzahl Fehler, Anzahl interaktive Probleme, Handhabungsschwierigkeiten, Funktionsnutzung). • Qualifizierungsindikatoren: Messung der Fähigkeiten und Anstrengungen der Benutzer zum Erlernen, Verstehen und Erinnern der Systemnutzung (Messskalen: Lernfähigkeit, Lernzeitraum, Lernrate). Der folgende Bereich ist bei Rengger (1991) ausser Acht gelassen worden und muss unbedingt noch hinzugenommen werden (Boucsein 1987; Kishi und Kinoe 1991): • Belastungsindikatoren: Messung der vom Benutzer vor, während und nach der Systemnutzung erlebte emotionale und mentale Stress. Stress lässt sich über psychophysiologische Masse (Boucsein 1987; Wiethoff, Arnold und Houwing 1991), über Videoaufnahmen (Rauterberg 1988a), und über Fragebögen (Apenburg 1986) messen. Ein gutes Messverfahren sollte sich nicht nur durch die Eigenschaften der 'Objektivität', der 'Reliabilität' und der 'Validität' (Lienert 1989), sondern sich auch durch einen minimalen Messaufwand auszeichnen. Dies ist einer der Gründe, warum ein grosses Interesse daran besteht, den aufwendigen interaktions- und benutzerzentrierten Messansatz durch den weniger aufwendigen produktzentrierten Messansatz zu ergänzen, bzw. zu ersetzen. Es gibt jedoch Kriterien wie z.B. 'Transparenz', welche sich wahrscheinlich nur im Bezug auf die Wahrnehmungs- und Interpretationsleistung des Benutzers messen lassen 59 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit (Weidenmann 1988, S.95), so dass der interaktions- bzw. benutzerzentrierten Messansatz sich vorerst nicht vollständig durch den produktzentrierte Messansatz ersetzen lässt. Durch die Modellierung bzw. Simulierung des Benutzers oder des interaktiven Systems versucht man, den Messaufwand beim Einsatz empirischer Tests zu reduzieren. Wenn sowohl die Software, als auch der Benutzer nur als Modell gegeben ist, handelt es sich um einen formalanalytischen Ansatz (siehe Tabelle 4.2.1). Da die Modellannahmen dieser formalanalytischen Methoden noch nicht ausgereift sind, werden wir auf diesen Ansatz nicht weiter eingehen (zur einschlägigen Kritik siehe Greif und Gediga 1987; Ziegler 1988, S. 250; Karat und Bennett 1991). Tabelle 4.1.1 Übersicht über die vier verschiedenen Messansätze (in Anlehnung an Whitefield, Wilson und Dowell 1991, S.74, Kishi und Kinoe 1991, S.600, Sweeney, Macguire und Shackel 1993). Benutzermodell realer Benutzer Com- Modell formalanalytische Methode (FM) benutzerzentrierter Messansatz (BM) puter Real produktzentrierter Messansatz (PM) interaktionszentrierter Messansatz (IM) Wir werden zuerst die bisher möglichen Messkriterien im Rahmen des PM, dann den BM und zum Schluss den am häufigsten eingesetzten IM vorstellen. Die Zuordnung zu einem dieser Messansätze bestimmt die Quelle, für welche die jeweilige Messskala definiert ist. Oft werden BM und IM im Rahmen von empirischen Tests gemeinsam eingesetzt. Eine empirische Messung setzt sich aus einer Datenerhebungs- und einer Datenaufzeichnungsmethode, sowie einer Auswertungs- bzw. Messvorschrift zusammen. 4.2 D ER FORMALANALYTISCHE MESSANSATZ (FM) Die hier getroffene Auswahl der verschiedenen formalanalytischen Messansätze ist nach dem Kriterium erfolgt, eine möglichst repräsentative, jedoch nicht unbedingt vollständige Auswahl der verschiedenen Formalismen zu treffen. Um die Einordnung der verschiedenen Ansätze etwas zu erleichtern, soll zunächst ein Überblick über die historisch bedeutsamsten Ansätze gegeben werden (siehe Tabelle 4.2.1). Die Ansätze zur Beschreibung mentaler Modelle in der Mensch-Computer-Interaktion können in die beiden folgenden Richtungen unterschieden werden: 60 Der formalanalytische Messansatz 4.2 Interaktionsorientierte Ansätze: Die Eingabeaktionen zur Steuerung der interaktiven Software werden als Sprache aufgefasst und lassen sich daher elegant mit Grammatiken oder Graphen in ihrer statischen Struktur beschreiben. Handlungsorientierte Ansätze: Aufbauend auf dem Handlungs-Regulations-Modell werden einzelne Aufgaben in ihrer logischen Struktur durch Fakten und Regeln beschrieben; wenn diese Fakten und Regeln in einem ablauffähigen Modell dargestellt werden können, lässt sich so der Bearbeitungsprozess der einzelnen Aufgaben in seiner dynamischen Prozessualität simulieren. Tabelle 4.2.1 Historische Übersicht über einige formale Beschreibungsansätze. Interaktionsorientierte Ansätze Handlungsorientierte Ansätze 1960 1962 1970 Zustands/Transitions-Graph (Woods; Parnas; Singer) 1972 1981 BNF-Grammatik (Reisner, Shneiderman) 1980 1980 1981 1983 1984 1986 1987 Modell der Orientierungsgrundlagen von Handlungen (Galperin) Modell der TOTE-Einheit (Miller, Galanter &Pribram) SET-Grammatik (Payne, Green) Petri-Netze (Oberquelle) Task-Action-Grammar (Green, Payne) Objektorientierte Spezifikation (Alexander) 1985 1986 Handlungsregulationsmodell (Hacker) GOMS-Modell (Card, Moran, Newell) 'Keystroke-level'-Modell (Card, Moran, Newell) Command-Language-Grammar (Moran) Regelbasierte Modelle (Polson, Kieras) 'User-Virtual-Machine' (Tauber) Insgesamt betrachtet lassen sich die verschiedenen Formalismen oftmals gegenseitig in einander überführen, so dass bei der Auswahl für den einen oder anderen Formalismus die Frage nach dem zu analysierenden Aspekt stärker in den Vordergrund tritt. Die handlungsorientierten Prozessmodelle versuchen die Menge aller möglichen Interaktionen zwischen Benutzer und System so zu beschreiben, dass man aus der Analyse bestimmter Eigenschaften dieser Mengen (z.B. Konsistenz; siehe Rauterberg 1990b) Vorhersagen über Schwachstellen in dem Entwurf der Benutzungsoberfläche abzuleiten versucht (z.B. Endestad und Meyer 1993). 61 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit In Rauterberg (1990b) werden verschiedene formale Modelle ('keystroke-level' von Card, Moran und Newell 1983; Grammatiken wie BNF, EBNF usw.; TAG: 'task action grammer'; regelbasierte Ansätze wie GOMS, CCT usw.; objektorientierte Ansätze wie SPI) im einzelnen vorgestellt und ihre Brauchbarkeit für die Gestaltung von interaktiven Systemen diskutiert. Die verschiedenen Formalismen werden zum Teil an einem relativ einfachen Beispiel dargestellt und miteinander verglichen. Eine sehr ausführliche Darstellung des GOMS-Ansatzes findet man z.B. bei Wandmacher (1993). Für eine weitergehende Diskussion zu diesen formalanalytischen Messansätzen siehe bei Ziegler (1988, S.231ff), Greif und Gediga (1987), Rauterberg (1992b), sowie Gugerty (1993) und Dutke (1994). 4.3 D ER PRODUKTZENTRIERTE MESSANSATZ (PM) Bei dem produktzentrierten Messansatz (PM) werden Eigenschaften des Softwareproduktes in der Regel durch einen Softwareergonomieexperten direkt am Produkt selbst gemessen. Daher wird dieser Messansatz auch manchmal 'specialist reports' genannt (Whitefield, Wilson und Dowell 1991). Das Benutzermodell ist eingebettet in die Operationalisierungen der verwendeten Messwertskalen. Es gibt drei mögliche Zugangsweisen: Richtlinien (z.B. DIN 66 234), Checklisten (z.B. Evadis, Software Checker) und quantitative Masse (Gunsthövel und Bösser 1991; Rauterberg 1993a, 1993b). Tullis (1983, 1986, 1988) hat z.B. ein Verfahren entwickelt, mit dem die Güte von alphanumerischen Masken automatisch analysiert und bewertet werden kann. Leider lässt sich dieses Verfahren nicht unmittelbar auch auf graphische Oberflächen anwenden. Grundsätzlich ist für diesen produktzentrierten Messansatz eine Beschreibungssprache für Eigenschaften von Benutzungsoberflächen notwendig, welche nicht zu allgemein ist, aber auch nicht zu spezifisch am technischen Detail hängen bleibt. Der 'Granulationsgrad' dieser Beschreibungssprache sollte so gewählt sein, dass die verwendeten Beschreibungskonstrukte die spezifischen Eigenschaften der verschiedenen Oberflächentypen hinreichend genau differenzieren können, aber dennoch auf möglichst viele Oberflächentypen einheitlich anwendbar sind. Die DIN 66 234 Teil 8 verzichtet von vornherein auf ihre Überprüfbarkeit und begnügt sich mit beispielhaften Beschreibungen. Das EVADIS-Verfahren stellt den Prüffragen eine Erläuterung der technischen Komponenten der Benutzungsschnittstelle voran (Oppermann et al. 1988, S.21-23; Reiterer und Oppermann 1993). Das von uns entwickelte Beschreibungskonzept der Interaktionspunkte erlaubt es nun, nicht nur verschiedenste Arten von Benutzungsoberflächen einheitlich zu beschreiben, sondern auch wesentliche Unterschiede zwischen diesen Oberflächen einfach darzu- 62 Der produktzentrierte Messansatz 4.3 stellen. Es lassen sich in Abhängigkeit von der jeweiligen interaktiven Bedeutung verschiedene Mengen von Interaktionspunkten unterscheiden: Interaktionspunkte der wahrnehmbaren Funktionen (WFIPe) und Interaktionspunkte der verborgenen Funktionen (VFIPe). Unterscheidet man zusätzlich die Menge aller interaktiven Funktionen in Dialogfunktionen und Anwendungsfunktionen, so erhält man verborgene dialogfunktionale Interaktionspunkte (VDFIPe) und verborgene anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (VAFIPe); sind diesen beiden Arten von FIPen jeweils wahrnehmbare Repräsentationen auf der Ein/Ausgabeschnittstelle zugeordnet, so ergeben sich wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte (WDFIPe) und wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (WAFIPe). Aufbauend auf diesen Beschreibungskonstrukten lassen sich Gestaltungsrichtlinien wie Feedback und Flexibilität, aber auch individuelle Auswahl und individuelle Anpassung in quantifizierbare Formeln überführen. Wir werden dies zum Teil weiter unten im einzelnen genauer ausführen. 4.4 D ER BENUTZERZENTRIERTE M ESSANSATZ (BM) Als Messmethoden bei einer benutzerzentrierten bzw. personenbezogenen Messung lassen sich schriftliche Befragungen (Fragebogen, siehe Mummendey 1987) und mündliche Befragungen (Interview, siehe Holm 1975) einsetzen (siehe auch Bortz 1984, S. 163- 189). Die Messung erfolgt mittels Skalen, für deren korrekten Aufbau gesorgt werden muss (Langer und Schulz von Thun 1974, Lienert 1989). Bei schriftlichen Befragungen sollte man stets eine möglichst hohe Rücklaufquote anstreben, da sonst die Gefahr von nicht abschätzbar verzerrten Ergebnissen besteht. Wie man eine gute Rücklaufquote erreichen kann, beschreibt Vögele (1992). Im allgemeinen können Rücklaufquoten zwischen 30% und 50% als akzeptabel gelten; über 50% gilt als sehr gut, bei unter 30% wird es kritisch (Farago 1991). Tabelle 4.4.1 Zuordnung benutzerbezogener Messskalen zu den fünf Messbereichen Benutzbarkeit Aufgabeneigenschaften (Rudolph, Schönfelder und Hacker 1987), Beurteilungsskalen (Shneiderman 1987, S.402-407; Spinas 1987; ISO 9241/10 1993) Leistung Fragebögen zur Messung der Intelligenz, der Leistungsmotivation, der Aufmerksamkeitsspanne usw. (Brickenkamp 1975, 1983) Handhabung Handhabungsbogen (Spinas 1987, Rauterberg 1991b), 'Questionnaire for User Interface Satisfaction (QUIS)' (Chin, Diehl und Norman 1988) Qualifizierung Zeit zur Bewältigung eines Trainingprogramms, 'Questionnaire for User Interface Satisfaction (QUIS)', Wissensfragebogen (Dutke 1988), Vorerfahrungsfragebogen (Rauterberg 1991b) Belastung Fragebogen zur Messung psychomentaler Belastungen (Apenburg 1986) 63 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit Es sind im Laufe der letzten Jahre verschiedene Fragebogen entwickelt worden, welche sich z.T. als standardisierte Messinstrumente einsetzen lassen: (1) diverse Checklisten (Spinas, Troy und Ulich 1983, Baitsch et al. 1989); (2) subjektiver Bewertungsfragebogen (Shneiderman 1987); (3) Software Checker (TCO 1992); (4) Software Usability Measurement Inventory (SUMI 1993); (5) Evaluation von Software auf der Grundlage der ISO 9241 Teil 10 (Prümper und Anft 1993). Alle empirisch gewonnenen Messwerte, die also ausschliesslich über Eigenschaften oder Einschätzungen des Benutzers erhoben werden, gehören zum benutzerzentrierte Messansatz (BM). Es lassen sich zwei Messwertbereiche ausmachen: Eigenschaften des Benutzers selbst oder Eigenschaften des virtuellen Systems gemessen über die Einschätzungen seitens des Benutzers (siehe Tabelle 4.4.1). Als Datenerhebungsmethoden kommen zum Einsatz: 'walk-through', Inspektion der Simulation (z.B. Datenmodell, Spezifikation, Prototyp usw.), Interviews und Fragebögen. Im Zusammenhang mit dem interaktionszentrierten Messansatz bietet sich die Videokonfrontation als wichtige Datenerhebungsmethode an (Nielson 1962, Neal und Simons 1984, Moll 1987). 4.5 D ER INTERAKTIONSZENTRIERTE M ESSANSATZ (IM) Wenn die Messskala einzelne Eigenschaften des Interaktionsprozesses zwischen Benutzer und System erfasst, handelt es sich um den interaktionszentrierten Messansatz (IM). Es lassen sich verschiedene Aspekte des Interaktionsprozesses messen (siehe Tabelle 4.5.1). Beim IM werden eine Datenerhebungs-, eine Datenaufzeichnungs- und eine Datenauswertungsmethode benötigt. Benutzungstests lassen sich in zwei Typen unterteilen: Induktive und deduktive Benutzungstests (Sarris 1990). Hewett (1986) unterscheidet in formative und summative Evaluationsverfahren, wobei der induktive Benutzungstest dem 'formativen' und der deduktive Benutzungstest dem 'summativen' Verfahren weitgehend entspricht (siehe auch Nielsen 1993, sowie Dumas und Redish 1993). Die induktiven Benutzungstests sind bei der Evaluation eines (z.B. vertikalen) Prototypen, oder einer (Vor)-Version zur Gewinnung von Gestaltungs- und Verbesserungsvorschlägen bzw. zur Analyse von Schwachstellen in der Benutzbarkeit einsetzbar. Induktive Benutzungstests können immer dann zum Einsatz kommen, wenn nur ein Prototyp bzw. eine Version der zu testenden Software vorliegt. Demgegenüber verfolgen deduktive Benutzungstests primär den Zweck, zwischen mehreren Alternativen (mindestens zwei Prototypen bzw. Versionen) zu entscheiden (Spencer 1985; Karat 1988, S. 894). Zusätzlich lassen sich jedoch auch mit deduktiven Benutzungstests Gestaltungs- und Verbesserungsvorschläge gewinnen (Rauterberg 1990a). 64 Der interaktionszentrierte Messansatz 4.5 Leistungsfähige Datenaufzeichnungsmethoden sind: Testleiterprotokollierung, Videoaufzeichnung des Bildschirminhaltes ('screen-recording'; Mittenecker 1987), des Benutzers, sowie der Eingabeschnittstelle, automatische Aufzeichnung der benutzten Interaktionsoperatoren ('logfile-recording') (Crellin, Horn und Preece 1990). Als brauchbarer Kompromiss hat sich eine Kombination zwischen 'logfile-recording' und unmittelbarer Testleiterprotokollierung ergeben (Müller-Holz et al. 1991, S.418). Die Datenaufzeichnung auf Video oder Tonband ist zwar sehr praktisch (Dowrick und Biggs 1983, Mittenecker 1987), benötigt aber bei der Auswertung mindestens einen doppelten bis dreifachen zeitlichen Auswertungsaufwand. Um diesen Auswertungsaufwand zu minimieren, empfiehlt es sich möglichst viele Daten während der Testung mitzuerheben bzw. mitzuprotokollieren (Vossen 1991). Die wichtigsten Daten (z.B. Aufgabenbearbeitungszeit, Anzahl Hilfestellungen usw.) lassen sich oftmals problemlos und schnell auf dem Testleiterprotokollbogen vermerken. Tabelle 4.5.1 Zuordnung interaktionsbezogener Messskalen zu den fünf Messbereichen Benutzbarkeit Güte des Arbeitsergebnisses, Mängelrate, Verhältnis von Güte zu Mängel, Genauigkeit, Effektivität (Rengger 1991), Art und Anzahl benutzter Funktionen (Moll 1987) Leistung Aufgabenbearbeitungsgeschwindigkeit, Anzahl Interaktionsoperatoren, durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Interaktionsoperator, durchschnittliche Dauer der Pausen zwischen zwei Interaktionsoperatoren (Ackermann und Greutmann 1987), Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen Interaktionsoperatoren (Schmid und Meseke 1991) Handhabung Art und Anzahl benutzter Interaktionsoperatoren, Art und Anzahl Fehler, Art und Anzahl interaktiver Probleme ('interaktive Deadlocks'), Art der Problemlösestrategie, angestrebte Bearbeitungsziele ('lautes Denken'), Blickbewegungen (Fleischer et al. 1984) Qualifizierung Art und Anzahl von Problemlösestrategiewechsel, Zeit für die Benutzung des Hilfesystems- bzw. der Dokumentation (Moll 1989) Belastung Psychophysiologische Masse: Herzrate, Atmung, Hautleitfähigkeit, EEG usw. (Wiethoff, Arnold und Houwing 1991), Fehler (Wieland-Eckelmann 1992), bipolare Videoratingskalen (Rauterberg 1988a) Um die vom Benutzer jeweils angestrebten Bearbeitungsziele messen zu können, wird er gebeten, seine kognitiven Ziele während der Aufgabenbearbeitung laut auszusprechen ('lautes Denken', Ericsson und Simon 1984). Problematisch ist diese Datenerhebungsmethode, wenn der Benutzer ungeübt im Verbalisieren oder sehr intensiv mit der zu bearbeitenden Aufgabenstellung beschäftigt ist. Der Benutzer neigt dann dazu, mit dem lauten Denken aufzuhören. Die Videokonfrontationsmethode (Nielson 1962, Neal und Simons 1984, Moll 1987) kann die Schwächen der Datenerhebungsmethode des lauten Denkens zum Teil ausgleichen. Die Gruppe der Datenauswertungsmethoden für den interaktions- 65 4 Messung der Gebrauchstauglichkeit zentrierten Messansatz ist sehr umfangreich und kann am besten in einschlägigen Lehrbüchern der angewandten Statistik nachgelesen werden (z.B. Bortz 1984, 1989; Lienert 1989, Schmid 1992). Kirakowski und Corbett (1990), Rauterberg (1991b), Dumas und Redish (1993), sowie Nielsen (1993) beschreiben allgemein das Vorgehen bei Benutzertests im Rahmen interaktiver Softwaregestaltung. 4.6 Ü BER DIE V ALIDIERUNG VON M ESSWERTSKALEN Im folgenden sollen verschiedene Systemeigenschaften in quantifizierbare Messwertskalen überführt werden, um mittels dieser Messwertskalen ein Analyse- und Bewertungsmodell aufbauen bzw. bestehende Modelle überprüfen zu können. Nach Schmidtke (1976) müssen quantitative Analyse- und Bewertungsverfahren den folgenden Bedingungen genügen: "a) die Zuverlässigkeit oder Reliabilität, d.h. der Grad an Übereinstimmung des Bewertungsergebnisses bei wiederholter Anwendung ... b) die Gültigkeit oder Validität, d.h. die Angemessenheit oder diagnostische Relevanz für die Erfassung derjenigen Sachverhalte, für die das Instrument konstruiert wurde, c) die Objektivität, d.h. der Grad an Übereinstimmung des Bewertungsergebnisses bei der Anwendung des Instrumentes auf das gleiche ... Arbeitsmittel durch verschiedene Bewerter, d) die Ökonomie, d.h. die Einfachheit und Schnelligkeit der Datenerfassung und -verarbeitung sowie die Standardisierbarkeit der Erfassungsmethode und e) die Nützlichkeit, d.h. die Erfassung von Sachverhalten, deren Analyse und Bewertung einem praktischen Bedürfnis entspricht, wobei die Erfassung durch kein anderes Instrumentarium gleich gut möglich erscheint" (Schmidtke 1976, S.3-4). Für die Überprüfung der Validität sind nach Hodges und Dewar (1992) vier verschiedene Voraussetzungen für die zu validierenden Systemeigenschaften zu erfüllen: 1.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen beobachtbar und messbar sein. 2.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen eine zeitlich beständige Struktur aufweisen. 3.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen stabil gegenüber Bedingungsvariationen sein, welche ursprünglich bei der Modellierung nicht berücksichtigt wurden. 4.) Es müssen ausreichend Daten gesammelt werden können, mit denen die Vorhersage des Modells geprüft werden kann. Wir werden daher den interaktionszentrierten Messansatz (Bortz 1984, Rauterberg 1991b, Dumas und Redish 1993, Nielsen 1993) zur Validierung der im Rahmen des produktzentrierten Messansatzes von uns entwickelten Masse heranziehen. 66 5 DAS QUANTITATIVE BESCHREIBUNGSKONZEPT FÜR BENUTZUNGSOBERFLÄCHEN Um die verschiedenen Typen von Benutzungsoberflächen beschreiben und klassifizieren zu können, bedarf es Beschreibungskonzepte, welche sich auf die verschiedenen Oberflächen gleichermassen sinnvoll anwenden lassen und möglichst einfach zu handhaben sind. Diese Beschreibungskonzepte müssen von den spezifischen Aspekten der einzelnen Oberflächentypen abstrahieren, um generell anwendbar zu sein. Grafische, insbesondere objektorientierte Oberflächen lassen sich jedoch nur bedingt vollständig mit einer kontextfreien Sprache beschreiben. Obwohl bei modernen – insbesondere objektorientierten – Oberflächen die Mächtigkeit von kontextsensitiven Beschreibungssprachen (siehe Tabelle 5.0.1) notwendig scheint, fehlt es zur Zeit an ausreichenden Methoden und Mitteln, diesem Ziel gerecht zu werden. "Da mit den rein formalen kontextsensitiven Methoden eine dialogadäquate Spezifikation und Implementation nicht möglich ist, muss auf eine Spezifikationsmethode vom Typ 2 oder 3 zurückgegriffen werden, wobei die erforderliche Kontextsensitivität dann, … , durch entsprechende programmiersprachen-ähnliche Erweiterungen erreicht werden muss" (Zachmann 1989, S. 60). Tabelle 5.0.1 Typ der erzeugenden Grammatik Übersicht über die Mächtigkeit der verschiedenen formalen Beschreibungssprachen (nach Hopcroft und Ullman 1993). Bezeichnung äquivalentes der zugehörigen Automatenmodell Sprachen äquivalentes Beschreibungsmittel Mächtigkeit Typ-0 aufzählbar Turingmaschine Semi-Thue System maximal Typ-1 kontextsensitiv linear beschränkter Automat [partiell: Petri-Netz] ziemlich Typ-2 kontextfrei nicht deterministischer Kellerautomat BNF, EBNF, Syntaxdiagramme einigermassen Typ-3 regulär endlicher Automat reguläre Ausdrücke, Zustandsdiagramme, Flow-Expressions Events minimal Im folgenden werden exemplarisch drei verschiedene Oberflächen vorgestellt und das kontextfreie Beschreibungskonzept des 'Interaktionspunktes' an ihnen verdeutlicht (siehe zur Einführung des Begriffes 'interaction point (IAP)' bei Denert 1977). Greutmann (1993, S. 102) spricht in diesem Zusammenhang auch von "Einstiegspunkten". Es gibt bereits eine Reihe von Beschreibungskonzepten für Interaktionssysteme (Kupka und Wilsing 1975, Schmitt 1983, Alexander 1987, Oberquelle 1987, Viereck 67 5 Das quantitative Beschreibungskonzept 1987, Zemanek 1987, Zachmann 1989). Eine Übersicht über die formalen Modellierungsansätze (GOMS, CCT, TAG usw.) und ihre Verwendbarkeit gibt Rauterberg (1990b). Der Ansatz von Oberquelle (1987) ist primär für die Spezifikation von interaktiven Systemen im Rahmen von Softwareengineeringkonzepten entwickelt worden und für die Gestaltung der Benutzungsoberfläche selbst am ehesten dort verwendbar, wo es um die Analyse der relevanten Anwendungsobjekte und ihre Funktionalität geht. Die Anwendbarkeit der zitierten Ansätze setzt in der Regel ein Wissen über die programminternen Kontrollstrukturen voraus, auf das man bei der Analyse von marktgängigen Produkten nur sehr bedingt zugreifen kann. Ein Beschreibungskonzept sollte daher so einfach wie möglich und primär von einem aussenstehenden Betrachter anwendbar sein. Um z.B. dem Aspekt der Wahrnehmbarkeit teilweise gerecht werden zu können, brauchen wir Beschreibungskonstrukte, welche diesen Aspekt adäquat berücksichtigen. Wir unterscheiden daher – aus Sicht des Benutzers – zwischen wahrnehmbaren und verborgenen Strukturen. Zu den wahrnehmbaren Strukturen zählen wir alle diejenigen, welche im jeweiligen Dialogkontext wahrnehmbar sind oder sich gegebenenfalls durch die oben eingeführten Transparenzoperatoren wahrnehmbar machen lassen. Die verborgenen und grundsätzlich nicht in wahrnehmbare Strukturen überführbare Funktionen und Objekte eines Systems müssen z.B. über die Dokumentation, Schulung, systematisches Probieren usw. erst herausgefunden und gelernt werden. Der algebraische Ansatz von Cordes (1988) liefert eine Reihe von wichtigen Definitionen, welche aber zum Teil für unsere Zwecke zu differenziert sind. So definiert Cordes (1988, S. 67) das Zweitupel der Visualisierungstechnik bestehend aus einem 'Namen' und einer Menge an 'Darstellungstechniken'. Wir haben diese Idee aufgegriffen und entsprechende Abbildungsvorschriften in unser Beschreibungskonzept eingeführt. 5.1 A LLGEMEINE D EFINITION VON I NTERAKTIONSPUNKTEN Wir unterscheiden den Dialogkontext (D) in den Zustandsraum (ZR) und den interaktionellen Raum (IR). Weiterhin folgen wir Cockton (1987) in seiner Unterscheidung zwischen Objekten und Funktionen ("control sequences"), indem wir ihnen den Objektraum (OR) und den Funktionsraum (FR) zuordnen. Im aktuellen Dialogkontext stehen dem Benutzer verschiedene Operatoren zur Verfügung, wobei die konkrete Operatorauswahl von der Wahrnehmung des Zustandsraumes abhängen kann. Die Eingabe eines Operators bewirkt die Aktivierung der semantisch zugehörigen Funktion und heisst Operation. Ein Dialogkontext ist durch die aktuell verfügbaren Objekte und Funktionen definiert. 68 Definition von Interaktionspunkten 5.1 Operatoren sind all diejenigen interaktiven Teilhandlungen eines Benutzers, welche von dem jeweiligen System akzeptiert und in die intern entsprechenden Funktionen umgesetzt werden. Diese internen Funktionen bilden den Funktionsraum (FR)1; die Elemente von FR werden funktionale Interaktionspunkte (FIPe)2 genannt. Die FIPe sind dem Benutzer nur indirekt über die jeweilige Interaktionssyntax zugänglich. Die Menge der FIPe umspannt die Semantik des Operatorsystems. Wenn diesen einzelnen FIPen eine wahrnehmbare Struktur auf der Ausgabeschnittstelle zugeordnet ist (visuell, auditiv, haptisch), so nennen wir diese Strukturen wahrnehmbare funktionale Interaktionspunkte. Somit lässt sich der Funktionsraum (FR) in die wahrnehmbaren Funktionen (WFIP)3 und die verborgenen Funktionen (VFIP)4 aufteilen. Jeder VFIP besitzt mindestens einen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkt (WFIP). Ein WFIP kann mehreren VFIPen zugeordnet sein. Die Menge der funktionalen Repräsentationsformen (RF)5 für WFIPe setzt sich dabei aus den folgenden zwei unterschiedlichen Mengen zusammen: • Die Menge aller aktiven Repräsentationsformen: Diese Menge umfasst alle diejenigen Interaktionspunkte (IPe), welche es dem Benutzer ermöglichen, eine Funktion auszulösen. Hierzu zählen alle Tasten der Tastatur und gegebenenfalls alle maussensitiven Bereiche auf dem Bildschirm bzw. alle zusätzlichen Eingabegeräte wie Digitizer, spezielle Funktionstastentabletts, bei speziellen Tastaturen auch die LCD-Anzeigen auf den Funktionstasten usw. Alle diese Interaktionspunkte umspannen den Aktionsraum des Benutzers. Dem Aktionsraum ist perzeptiv der aktive Wahrnehmungsraum zugeordnet. • Die Menge aller passiven Repräsentationsformen: Diese Menge enthält alle darüber hinaus auf dem Ausgabemedium (meistens ein oder zwei Bildschirme) seitens des Benutzers wahrnehmbaren Signalmuster. Diese Signalmuster können aus auditiven (Rauterberg und Styger 1994) und haptischen bzw. taktilen Signalen bestehen (Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993). Diese Repräsentationsformen heissen passiv, weil sie ausschliesslich der Rückmeldung über systeminterne Zustandsparameter dienen und nicht unmittelbar zum Aktionsraum des Benutzers gehören. Alle diese Repräsentationsformen bilden den passiven Wahrnehmungsraum. 1 FR = Menge aller Funktionen eines interaktiven Systems. FR ist mit der Klasse IF identisch. 2 FIP = funktionaler Interaktionspunkt. 3 WFIP = wahrnehmbarer funktionaler Interaktionspunkt; es gilt: WFIP = WDFIP ∪ WAFIP. 4 VFIP = verborgener funktionaler Interaktionspunkt; es gilt: VFIP = VDFIP ∪ VAFIP. 5 RF = Menge aller Repräsentationsformen für Funktionen (z.B. Menüoptionen, Ikonen usw.). 69 5 Das quantitative Beschreibungskonzept Die Menge der FIPe des FR lässt sich weiterhin in zwei Funktionsbereiche (die Dialogund die Anwendungsfunktionen) unterteilen (siehe auch Abbildung 5.1.1): 1.) Die Menge der Funktionen, welche sich auf die Handhabung von Dialogobjekten beziehen (z.B. Fenster; Menüs, sofern sie nur zur reinen Dialogsteuerung dienen; im folgenden mit DFIP abgekürzt). Wenn eine Dialogfunktion vorliegt, so nennen wir diese funktionalen Interaktionspunkte: Dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe1). Im Unterschied zu dem in der Literatur sonst üblichen Sprachgebrauch wird hier die Bedeutung von 'Dialogoperatoren' auf die Zuordnung zu reinen Dialogobjekten ('Fenster', 'Menüs' usw.; im Gegensatz zu den Anwendungsobjekten) beschränkt. 2.) Diejenige Menge der Funktionen, welche sich auf die Menge der Anwendungsobjekte beziehen (z.B. Dateien, Textdokumente, Absätze, Zeilen, Zeichen usw.; im folgenden mit AFIP abgekürzt). Wir nennen alle funktionalen Interaktionspunkte, welche sich auf die Veränderung von Eigenschaften der Anwendungsobjekte beziehen: Anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (AFIPe2). Diese Unterscheidung hilft uns zu vermeiden, dass "die Beherrschung des Werkzeuges, hier des Dialogsystems, zu einer eigenständigen Aufgabe wird, obwohl das System ein Instrument zur Unterstützung der originären Aufgaben des Benutzers sein sollte" (Dzida 1982, S. 5). Wir formulieren daher als Gestaltungsprinzip die maximale Einfachheit der Dialogfunktionen. Diese Forderung nach Einfachheit der Dialogfunktionen ist jedoch nicht damit zu verwechseln, dass die Anwendungsfunktionen ebenfalls einfach sein sollen. Die Anwendungsfunktionen müssen vielmehr der Aufgabe angemessen sein! Als Faustregel kann man sich merken: Alle Funktionen, die nicht den Zustand eines Anwendungsobjektes verändern, sind "reine" Dialogfunktionen! Die Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) lässt sich hinsichtlich der vorhandenen Repräsentationsformen in die den dialogfunktionalen Interaktionspunkten (DFIPen) und den anwendungsfunktionalen Interaktionspunkten (AFIPen) zugeordneten, wahrnehmbaren Interaktionspunkten unterscheiden (WDFIP bzw. WAFIP; siehe Abbildung 5.1.2). Direktmanipulierbare Benutzungsoberflächen haben zum Ziel, möglichst viele der AFIPe bei möglichst wenigen dialogfunktionalen Interaktionspunkten (DFIPen) dem Benutzer in dem 1 DFIP = dialog-funktionaler Interaktionspunkt. 2 AFIP = anwendungs-funktionaler Interaktionspunkt. 70 Definition von Interaktionspunkten 5.1 aktuellen, d.h. in dem anwendungsobjektbezogenen Dialogkontext direkt zur Verfügung zu stellen. aktueller Dialogkontext (D)E/A-Schnittstelle Repräsentation des Zustandsraumes(Menge aller passiven Repräsentationsformen) anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) A.Funktion-1 A.Funktion-2 repräsentationaler anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (WAFIP) A.Funktion-3 A.Funktion-4 repräsentationaler dialogfunktionaler Interaktionspunkt (WDFIP) A.Funktion-5 A.Funktion-6 dialogfunktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) AnwendungsKomponente D.F1 D.F2 D.F3 D.F4 Dialog-Komponente Abbildung 5.1.1 Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte. Entsprechend der Aufteilung in Dialog- und Anwendungskomponente werden auch die funktionalen Interaktionspunkte (FIPe) in dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe bzw. AFIPe) unterschieden. 71 5 Das quantitative Beschreibungskonzept Interaktioneller Raum IR Objekt-Raum OR wahrnehmbare Objekte WO wahrnehmbare Dialog-Objekte WDO verborgene Objekte VO verborgene Dialog-Objekte VDO wahrnehmbare Anwendungs-Objekte WAO µ Funktions-Raum FR ν Menge aller Objekt-Repräsentationen RO wahrnehmbare Funktionen WFIP wahrnehmbare Dialog-Funktionen WDFIP verborgene Anwendungs-Objekte VAO verborgene Dialog-Funktionen VDFIP wahrnehmbare Anwendungs-Funktionen WAFIP δ verborgene Funktionen VFIP verborgene Anwendungs-Funktio VAFIP α Menge aller Funktions-Repräsentationen RF Abbildung 5.1.2 Der interaktionelle Raum (IR) besteht aus dem Objektraum (OR) und dem Funktionsraum (FR). OR und FR lassen sich weiter in wahrnehmbare und verborgene Bereiche bezüglich der Dialog- und der Anwendungskomponente aufteilen. Tabelle 5.1.1 Formale Beschreibung des Dialogkontextes, des Zustands- und interaktionellen Raumes, sowie die Aufteilung in Objekt- und Funktionsraum usw. D ZR DKZ AKZ IR OR FR WO VO WFIP VFIP WDFIP WAFIP δ α WDO WAO µ ν RF RO 72 := ZR x IR 'Dialogkontext' := DKZ ∪ AKZ 'Zustandsraum' := Menge aller Zustände der Dialogkomponente. (siehe Kapitel 2) := Menge aller Zustände der Anwendungskomponente. (siehe Kapitel 2) := OR x FR 'interaktioneller Raum' := WO ∪ VO 'Objektraum' := WFIP ∪ VFIP 'Funktionsraum' := WDO ∪ WAO 'wahrnehmbare Objektrepräsentationen' := VDO ∪ VAO 'verborgene Objekte' := WDFIP ∪ WAFIP 'wahrnehmbare Funktionsrepräsentationen' := VDFIP ∪ VAFIP 'verborgene Funktionen' := {(df,rf) ∈ VDFIP x RF: rf = δ(df)} 'wahrnehmbare DFIPe' := {(af,rf) ∈ VAFIP x RF: rf = α(af)} 'wahrnehmbare AFIPe' := Abbildungsvorschrift einer df ∈ VDFIP auf eine geeignete rf ∈ RF. := Abbildungsvorschrift einer af ∈ VAFIP auf eine geeignete rf ∈ RF. := {(do,ro) ∈ VDO x RO: ro = µ(do)} := {(ao,ro) ∈ VAO x RO: ro = ν(ao)} := Abbildungsvorschrift eines do ∈ VDO auf eine geeignete ro ∈ RO. := Abbildungsvorschrift eines ao ∈ VAO auf eine geeignete ro ∈ RO. := Menge aller möglichen Funktionsrepräsentationen. := Menge aller möglichen Objektrepräsentationen. Definition von Interaktionspunkten 5.1 Formal werden die verschiedenen Mengen des Dialogkontextes (D), bestehend aus dem Zustandsraum (ZR, siehe Abbildung 2.0.3) und dem interaktionellen Raum (IR, siehe Abbildung 5.1.2) in Tabelle 5.1.1 beschrieben. Die Abbildungsvorschriften δ und µ werden auf der syntaktischen Ebene durch die firmenspezifischen Styleguides festgelegt (Apple 1986, IBM 1989, 1991, 1992, OSF/Motif 1990, 1991, Microsoft 1992). Ein noch weitgehend ungelöstes Problem ist jedoch die semantische Festlegung (Galitz 1989, Marais 1990, S. 13). Die syntaktische und semantische Ausfüllung der Abbildungsvorschriften α und ν hängt hochgradig von der jeweiligen Anwendung ab (siehe z.B. van der Schaaf 1989, Bodart und Vanderdonckt 1994). Es lassen sich jedoch im einzelnen konstruktive Methoden zu Überwindung dieser Probleme angeben (Staufer 1987, Rauterberg et al. 1991, Rauterberg und Hof 1995). Nachdem wir ein Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen definiert haben, möchte ich die verschiedenen Kategorien von Benutzungsoberflächen in einem historischen Rekurs beschreiben. Danach werden wir dann unser Beschreibungskonzept auf die zur Zeit gängigsten Interaktionsarten anwenden, um diese zunächst qualitativ einordnen zu können. Shneiderman (1987, S. 57) unterscheidet zwischen folgenden fünf Interaktionsarten: (1.) Kommandoeingabe, (2.) Menüauswahl, (3.) Formulardialog, (4.) direkte Manipulation und (5.) natürlichsprachliche Ein/Ausgabe. Gehen wir noch weiter zurück in die Vergangenheit, so sind noch der Lochstreifen und die Stapelverarbeitung mit Lochkarten zu erwähnen (siehe Nielsen 1993, S. 50). Interaktive Arbeit am Rechner – im eigentlichen Sinne von kurzzyklischen Ein-Ausgabesequenzen – wurde erst mit der Kommandoeingabe über Tastatur und Bildschirmgerät ab Mitte dieses Jahrhunderts möglich. Kommandooberflächen (KOn) zeichnen sich dadurch aus, dass der Benutzer über die Tastatur Interaktionsoperatoren als Zeichenketten eingibt. In diesem allgemeinen Sinne haben alle interaktiven Systeme mit einer Tastatur eine KO. Im engeren Sinne werden Oberflächen dann zu den KOn gezählt, wenn die eingegebenen Zeichenketten mit einer bestimmten Taste (z.B. CR, ENTER usw.) abgeschlossen werden. KO werden aufgrund ihrer rein sequentiellen Ein- und Ausgabestruktur auch als zeilen- und zeichenorientierte Oberflächen bezeichnet. Der Benutzer muss die Syntax und Semantik der Kommando-'Sprache' beherrschen und bei der Eingabe fehlerfrei reproduzieren können, um ein interaktives System mit einer KO adäquat benutzen zu können (Oberquelle 1994, S. 119). Als eine vereinfachte Variante von Kommandooberflächen wurden Frage-Antwortdialoge realisiert. Meistens bieten Frage-Antwortdialoge dem Benutzer die aktuellen Antwortmöglichkeiten zum Auswählen an. In diesem Fall gehören sie zu den Oberflächen mit Menü- 73 5 Das quantitative Beschreibungskonzept auswahl. Wenn auf einer Bildschirmmaske nicht nur eine, sondern parallel eine Reihe von Eingabestellen bzw. Interaktionspunkten vorgesehen sind, an denen der Benutzer verschiedene Operatoren eingeben kann, handelt es sich in der Regel um Formulardialoge (Shneiderman 1987). Oftmals wird dem Benutzer an diesen Eingabestellen eine Menüauswahl der verschiedenen Eingaben angeboten. Sind alle Eingaben im aktuellen Dialogkontext getätigt, so kann der Benutzer alle auf einmal mittels einer speziellen Operation (z.B. die Taste 'DatFrg') als 'komplexes Kommando' an den Rechner 'abschicken'. Wir betrachten daher Formulardialoge als eine Mischung aus Kommando- und Menüoberfläche. Menüoberflächen (MOn) sind dadurch erkennbar, dass der Benutzer in einer Menüstruktur die einzugebenden Operatoren auswählen kann. Verschiedene MOn unterscheiden sich darin, wie diese Auswahl im Einzelnen erfolgt (ganze Menümasken, Pop-Up-, Pull-down-, Drop-down-Menüs, siehe Lauter 1987, S. 9-12). Für eine Menüauswahl ist zwingend notwendig, dass dem Benutzer eine wahrnehmbare Repräsentation der einzelnen Operatoren auf der Benutzungsoberfläche angeboten wird. Wegen der Vielzahl an Operatoren sind hierbei Strukturierungshilfen notwendig. So gibt es baum- und netzartige Menüstrukturen mit verschiedenen Menüoptionen auf der aktuellen Menüebene. Die z.B. am häufigsten benötigten Operatoren werden oftmals direkt auf einzelne Funktionstasten der Tastatur abgebildet und stehen dem Benutzer dadurch zusätzlich parallel zur Verfügung. Wenn die Darstellung aller Ausgaben einer MO (1.) auf einem graphikfähigen Bildschirm erfolgt, (2.) einzelne Objekte als verschiebbare Piktogramme dargestellt sind (Staufer 1987), und (3.) die Menüstruktur in Form einer Pull-down-Menüleiste gegeben ist, so spricht man auch von Desktopoberflächen (König 1989). Der wohl wesentlichste Unterschied zu den traditionellen MOn besteht im Wechsel von der Funktions-Objekt-Struktur (FO-Struktur) zur Objekt-Funktions-Struktur (OF-Struktur, siehe König 1989, S. 21f). Die FO-Struktur einer Oberfläche bedeutet, dass zuerst die gewünschte Funktion über den entsprechenden Operator und erst dann das zugehörige Objekt eingegeben werden. Bei der OF-Struktur ist es genau umgekehrt. In der Studie von Bannert (1991, S. 52) gaben 60 von insgesamt 64 Testpersonen an, eine 'objektorientierte' Vorgehensweise gemäss der OF-Struktur zu bevorzugen. Sind auch Pop-up-Menüs und/oder Piktogramme mit Operatorfunktionalität vorhanden, so erweitern sich Desktopoberflächen zu der umfassenderen Klasse der direktmanipulierbaren Oberflächen. Direktmanipulierbare Oberflächen (DO) sind nach Shneiderman (1983) alle Oberflächen, "bei denen eine permanente Sichtbarkeit aller relevanten Objekte, Ersetzung 74 Definition von Interaktionspunkten 5.1 komplexer Kommandos durch physische Aktionen, wie Mausbewegungen, Selektionsaktionen und Funktionstastenbetätigung, schnelle, umkehrbare, einstufige Benutzeraktionen mit unmittelbarer Rückmeldung" (Ziegler 1993, S. 146) gegeben ist. Eine wesentliche Eigenschaft von DOn besteht darin, dass die Ausgaben auf dem Bildschirm in der Regel auch wieder direkt als Eingaben verwendet werden können ("inter-referential input-output", Smith et al. 1982). Wenn bei einer DO keine standardisierten Vorgaben für die Ausgabe gegeben sind (wie z.B. bei SAA/CUA, OSF/Motif, Windows usw.) und akustische und/oder haptische Sinneskanäle des Benutzers in die Interaktion einbezogen werden, so spricht man im allgemeinen von multimedialen Oberflächen. Multimediale Oberflächen (MMO) bieten dem Benutzer zusätzlich zur visuellen Darstellung (Text, Graphik, Bild) auch akustische Ausgaben (Musik, Geräusche, Sprache; siehe Dannenberg und Blattner 1992). Weitere Interaktionskanäle können auch haptischer bzw. taktiler Natur sein. Allgemein ist der Gestaltungs- und Interaktionsbereich wesentlich offener als bei den traditionellen graphischen Oberflächen. Bei der Gestaltung einer MMO steht die realitätsgerechte, anschauliche Umsetzung der Anwendungsobjekte im Vordergrund (Koller 1992). Zur besonderen Veranschaulichung dynamischer Vorgänge können z.B. auch Film- bzw. Videosequenzen eingesetzt werden. Wenn der Benutzer auf das multimediale System neben den direktmanipulativen Interaktionsarten auch über die Sprache einwirken kann, dann spricht man eher von natürlichsprachlichen Oberflächen. Natürlichsprachliche Oberflächen (NO) zeichnen sich in der Regel allein durch die Tatsache aus, dass der Benutzer mit dem System über das natürliche geschriebene oder gesprochene Wort interagieren kann. Wenn nur das geschriebene Wort zugelassen ist, dann ist dies Oberfläche einer Kommandooberfläche recht ähnlich, wobei die Syntax und Semantik der Interaktion an die natürliche Sprache angelehnt ist (Vossen et al. 1991). Bei dem gesprochenen Wort ist die automatische Spracherkennung zur Zeit noch recht begrenzt. Die zur Zeit besten Spracherkennungssysteme haben bei unbeschränkter Eingabe noch eine Fehlerrate von ca. 50% (Zue et al. 1991). Als objektorientierte Oberflächen (OO) sollen alle Arten von Benutzungsoberflächen zusammengefasst werden, bei denen der Benutzer direkt, möglichst mittels analoger Operationen auf hoch animierten, 21/2 oder 3D Darstellungen der Anwendungsobjekte nach der OF-Struktur interagiert. Hierunter fallen dann auch Oberflächen aus dem Bereich 'virtual reality', bei der der Benutzer sich in der Welt 75 5 Das quantitative Beschreibungskonzept der Objekte selbst bewegt und mit diesen Objekten in einem virtuellen Raum interagiert. Es gehören zusätzlich zu der Klasse der OO auch die Oberflächen aus dem Bereich 'embedded virtuality' (Wellner 1993). Für ausgewählte Funktionen können manchmal natürlichsprachliche Eingaben zur Verfügung stehen (siehe als Beispiel Fujita et al. 1993). Diese Definition ist umfassender als bei Zeidler und Zellner (1992, S. 108ff). Die verschiedenen Kategorien von Benutzungsoberflächen lassen sich nach unterschiedlichen Aspekten klassifizieren: (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) Zeilen- vs. Vollschirmeingabe, system- vs. benutzerkontrolliert, zeichen- vs. graphikorientiert, diskrete vs. analoge Eingabe- und/oder Ausgabe, Erinnern und Reproduzieren vs. Wiedererkennen und Auswählen, FO-Struktur vs. OF-Struktur (siehe Kunkel, Bannert und Fach 1995), freier vs. modaler Dialog (Zeidler und Zellner 1992, S. 96ff), sowie deiktische vs. symbolische Referenzierung (Ziegler 1987 und Ziegler 1993). Da sich oftmals keine der oben beschrieben sechs Oberflächenklassen eindeutig nur einem dieser acht Klassifikationskriterien zuordnen lässt, wurden Oberklassen eingeführt: Zeichenorientierte (CUI1) vs graphische Oberflächen (GUI2 nach dem WYSIWYG3-Prinzip), direktmanipulierbare Oberflächen (DM bzw. DO), hybride Dialogformen (WIMP: 'windows', 'icons', 'mouse' mit OF-Struktur), objektorientierte Oberflächen. Allein jedoch mit den beiden Dimensionen Visualisierungsgrad (Gilmore 1991) und interaktive Direktheit (Laverson, Norman und Shneiderman 1987), können wir bereits eine brauchbare Zuordnung von einigen typischen Oberflächenarten vornehmen (siehe Abbildung 5.1.3). Interaktive Direktheit ist nicht identisch mit der Handlungsdirektheit von Laurel (1988); Handlungsdirektheit im Sinne von Laurel (1988) und Wandmacher (1993, S. 206f.) wird im Rahmen dieser Arbeit unter Aufgabenangemessenheit diskutiert. 1 CUI = 'character oriented user interface' 2 GUI = 'graphical user interface' 3 WYSIWYG = What you see is what you get. 76 Definition von Interaktionspunkten 5.1 Visualisierungsgrad niedrig niedrig interaktive Direktheit hoch Stapelverarbeitung hoch MenüOberfläche (z.B. MsWORD für PCs) Kommando Oberfläche (z.B. MS-DOS, UNIX) direkte Manipulation (z.B. Desktop-Oberfläche) Abbildung 5.1.3 Klassifikationsschema für die verschieden Oberflächen mit den beiden Dimensionen Visualisierungsgrad und interaktive Direktheit. Wie man sehen kann, ist die Kommandooberfläche ähnlich interaktiv direkt wie eine direktmanipulierbare Oberfläche, hat jedoch einen ausserordentlich geringen Visualisierungsgrad. Den Visualisierungsgrad kann man gemäss unserem Beschreibungskonzept einfach über das Verhältnis der repräsentationalen zu den funktionalen Interaktionspunkten bestimmen. Wenn für alle vom interaktiven System angebotenen Funktionen mindestens eine spezifische Repräsentationsform existiert, so ist der Visualisierungsgrad ≥100%. Je weniger Interaktionsschritte notwendig sind, um aus dem aktuellen Dialogkontext heraus an eine benötigte Anwendungsfunktion heranzukommen, desto interaktiv direkter ist die Oberfläche. Wenden wir diese beiden Beschreibungsdimensionen auf die vier bekanntesten Oberflächenarten an, so zeigt sich, dass die Kommandooberfläche zwar genauso interaktiv direkt ist wie z.B. eine Desktopoberfläche (wenn nicht oftmals sogar direkter). Im Unterschied zu einer DO hat die KO aber nur einen sehr niedrigen Visualisierungsgrad. 5.2 I NTERAKTIONSPUNKTE VON K OMMANDOOBERFLÄCHEN Als erstes Beispiel soll die Kommandooberfläche von MsDOS™ dazu dienen, das Beschreibungskonzept der Interaktionspunkte zu verdeutlichen. Bei einer Kommandooberfläche werden die verborgenen Funktionen über die Eingabe von Interaktionsoperatoren ('Kommandos') angesprochen, welche sich aus Zeichenketten zusammensetzen (daher auch die durchbrochenen Kreise über den einzelnen Tasten in Abbildung 5.2.1). 77 5 Das quantitative Beschreibungskonzept MS-DOS Vers. 3.01 C:>_ Abbildung 5.2.1 Jede Kommandooberfläche (hier z.B. MsDOS™) zeichnet sich dadurch aus, dass auf dem Bildschirm nur ein wahrnehmbarer Interaktionspunkt (WFIP) dem Benutzer zur Verfügung steht (der Eingabebereich hinter dem 'Systemprompt'). Der Aktionsraum des Benutzers ist die Tastatur. Der grösste Teil des Bildschirmes dient lediglich als Ausgabemedium. Zunächst wählen wir verschiedene dialog- und anwendungsbezogene Funktionen aus: Die Kommandos 'dirCR' und 'cd <path>CR' sind stellvertretend für alle dialogfunktionalen Interaktionspunkte (VDFIPe), und die beiden Kommandos 'delete <file name>CR' und 'rename <old name> <new name>CR' sind stellvertretend für alle anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (VAFIPe). Dem Benutzer steht in der Regel bei einer Kommandooberfläche nur ein wahrnehmbarer funktionaler Interaktionspunkt (WFIP) zur Verfügung (Abbildung 5.2.1; der Eingabebereich hinter dem 'Systemprompt' auf dem Bildschirm). Wenn bestimmte Funktionen zusätzlich über spezielle Funktionstasten oder Tastenkombinationen ausgelöst werden können, so sind ihre Repräsentationen auf der Tastatur ebenfalls wahrnehmbare Funktionsrepräsentationen (WFIPe) (Abbildung 5.2.1; die 'vollen' Kreise über den Tasten der Tastatur). Diese wahrnehmbaren Funktionsrepräsentationen (WFIP) sind z.B. über spezielle Funktionstasten (z.B. 'PRT', 'DEL') gegeben. Es besteht zwischen dem WFIP auf 78 Interaktionspunkte von Kommandooberflächen 5.2 dem Bildschirm und den VFIPen eine (1 zu n)-Beziehung. Dies lässt sich abstrakt durch die schematische Darstellung in Abbildung 5.2.2 veranschaulichen. E/A-Schnittstelle aktueller Dialogkontext (D) anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) A.Funktion-1 wahrnehmbarer funktionaler Interaktionspunkt (WFIP) A.Funktion-2 A.Funktion-3 A.Funktion-4 A.Funktion-5 dialogfunktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) A.Funktion-6 A.Funktion-7 D.F1 D.F2 ... AnwendungsKomponente Dialog-Komponente Abbildung 5.2.2 Die schematische Darstellung einer kommandoorientierten Benutzungsoberfläche und der (1 zu n)-Beziehung zwischen dem WFIP und den n verborgenen dialog- bzw. anwendungsfunktionalen Interaktionspunkten (VDFIPen bzw. VAFIPen). An einem einfachen Beispiel lässt sich die Menge der verborgenen dialogfunktionalen Interaktionspunkte (VDFIPe) verdeutlichen: Ein Teil der Anwendungsobjekte (VAO) von MsDOS™ sind die auf der Festplatte bzw. Diskette verwalteten Dateien; diese Anwendungsobjekte lassen sich über Eigenschaften wie 'Name.Extension', 'Grösse in Byte', 'Datum der Erstellung', 'Datum der letzten Änderung', 'Ort der Speicherung' usw. beschreiben bzw. auf der Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) repräsentieren und gegebenenfalls verändern. Alle diese Eigenschaften sind jedoch nur potentiell wahrnehmbar. Erst durch den Dialogoperator 'dirCR' mit dem entsprechenden dialogfunktionalen Interaktionspunkt (VDFIP) lassen sich diese Eigenschaften in eine passiv wahrnehmbare Repräsentationsform überführen. Wie ausserordentlich hilfreich dies ist, belegen empirische Untersuchungen (Greenberg und Witten 1988; Rauterberg 1991b). Das mit Abstand am häufigsten benutzte Kommando bei der Benutzung von UNIX™ ist das 'ls' Kommando, welches wie das 'dir' Kommando bei MsDOS™ lediglich den aktuellen 'Directory'-Inhalt auf den Bildschirm ausgibt und somit eindeutig der Orientierung dient (Kraut, Hanson und Farber 1983). Es zeigte sich, dass eine der Hauptschwächen von Kommandoober- 79 5 Das quantitative Beschreibungskonzept flächen in der mangelnden automatischen Rückmeldung zu sehen ist. Diese Schwäche erweist sich oftmals nicht nur für Anfänger, sondern auch für erfahrene Benutzer als nachteilig (Kraut, Hanson und Farber 1983; Greenberg und Witten 1988). Der Oberflächentyp 'Formulardialog' ('form fill in') ist im wesentlichen eine spezielle Art einer Kommandooberfläche mit multiplen Eingabepunkten (WFIPen) im aktuellen Dialogkontext, wobei der weitere Interaktionsverlauf von den jeweils eingegebenen Werten abhängt. Das hier vorgestellte Beschreibungskonzept und die ableitbaren Gestaltungshinweise sind gleichermassen auch auf den Oberflächentyp 'Formulardialog' anwendbar. 5.3 I NTERAKTIONSPUNKTE VON ZEICHENORIENTIERTEN M ENÜOBERFLÄCHEN (CUI) Sehen wir uns als zweites Beispiel die historisch nächste Entwicklungsstufe von Benutzungsoberflächen an. Eine zeichenorientierte Oberfläche ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass möglichst für jede verborgene Funktion (VFIP) auch eine wahrnehmbare Funktionsrepräsentation (WFIP) vorhanden ist und somit dem Benutzer Feedback über die im aktuellen Dialogkontext gültigen Funktionen gibt (Ulich et al. 1991). Ein besonderes Problem – insbesondere im Vergleich zu direktmanipulierbaren Oberflächen – taucht auf: Welchen repräsentationalen Stellenwert haben die Hinweise auf die aktuelle Semantik der Menüitems (siehe in Abbildung 5.3.1 hinter 'BEFEHL:')? Zur Beantwortung dieser Frage ist die oben eingeführte Unterscheidung in den aktiven Wahrnehmungsraum und den Aktionsraum hilfreich. Wir nennen alle semantischen Bezeichner der Menüleiste auf dem Bildschirm 'wahrnehmbare Interaktionspunkte des aktiven Wahrnehmungsraumes' und die wahrnehmbaren Interaktionspunkte der zugehörigen (Funktions)-Tasten auf der Tastatur 'repräsentationale Interaktionspunkte des Aktionsraumes'. Da jedoch die Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) meistens einen physikalisch begrenzten Darstellungsraum hat, können auf der Bildschirmoberfläche nur ausgewählte funktionale Interaktionspunkte repräsentiert werden (Ilg und Ziegler 1987, Sommerville 1987). Dies hat zur Konsequenz, dass die repräsentationalen Interaktionspunkte (WFIPen) auf verschiedene Dialogkontexte aufgeteilt werden müssen. Übertragen wir diese Sicht auf ein schematisches Diagramm, so ergibt sich Abbildung 5.3.2. 80 Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen 5.3 1 [.........1.........2.........3.........4.........5.........6..].....7 Dies ist die normale Sicht auf den Text eines Dokumentes mit MsWORD 4.0 DOKUMENT.TXT BEFEHL: Ausschnitt Bibliothek Druck Einfügen Format Gehezu Hilfe Kopie Löschen Muster Quitt Rückgängig Suchen Übertragen Wechseln Zusätze Öffnen, schließen, verändern der Größe von Fenstern Se1 Ze1 Sp1 () ? Microsoft Word Abbildung 5.3.1 Die CUI-Oberfläche des Textverarbeitungsprogrammes MSWORD™ 4.0. Das System MS-WORD in Abbildung 5.3.1 befindet sich gerade in dem Interaktionsmodus 'Befehlseingabe'. Der Benutzer hat die Möglichkeit, bei dem 'Eingabe'-WDFIP (z.B. das Menüitem 'Ausschnitt') weitere Untermenüs aufzuklappen. Die Verlagerung dieses repräsentationalen Interaktionspunktes erfolgt über die Cursortasten bzw. die TAB-Taste. Alle Zeicheneingaben des Benutzers werden in diesem Zustand ausschliesslich zur Dialogsteuerung verwendet. Das aktuell ausgewählte Menüitem (z.B. 'Ausschnitt') ist in der zweit untersten Bildschirmzeile jeweils ausführlicher erläutert. Die Unterscheidung zwischen dem aktiven Wahrnehmungsraum und dem Aktionsraum ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn der für einen funktionalen Interaktionspunkt die Semantik tragende Interaktionspunkt räumlich nicht mit dem aktionalen Interaktionspunkt zusammenfällt. Dies ist dann der Fall, wenn auf dem Bildschirm die Bedeutung (in irgendeiner Form) für einzelne Tasten (insbesondere Menüeinträge oder Funktionstasten) oder sonstige Interaktionselemente als repräsentationaler Interaktionspunkt gegeben ist. Wir müssen also zwischen der Menge der repräsentationalen Interak- 81 5 Das quantitative Beschreibungskonzept tionspunkte des aktiven Wahrnehmungsraumes (WFIP) und der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte des Aktionsraumes (WFIPA) unterscheiden. aktueller Dialogkontext (D) E/A-Schnittstelle wahrnehmbarer anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (WAFIP) anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) A.Funktion-1 A.Funktion-2 A.Funktion-3 A.Funktion-4 wahrnehmbarer dialogfunktionaler Interaktionspunkt (WDFIP) dialogfunktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) A.Funktion-5 A.Funktion-6 A.Funktion-7 D.F1 D.F2 D.F3 ... AnwendungsKomponente Dialog-Komponente Abbildung 5.3.2 Die schematische Darstellung einer CUI-Oberfläche. Die konzeptionelle Trennung in den aktiven Wahrnehmungsraum und den Aktionsraum ist zwar sehr wichtig (siehe die entsprechende Unterscheidung von 'execution' – 'perception' bei Norman 1986), führte bisher jedoch leider auch zu der physikalischen Trennung dieser beiden Bereiche ('Bildschirm' – 'Tastatur'). Die physikalische Distanz zwischen diesen beiden Bereichen ist z.B. durch die räumliche Entfernung ∆ zwischen WFIP und WFIPA messbar (Abbildung 5.3.3). Um dieses Problem in der Praxis teilweise zu entschärfen, werden – bei überwiegend durch Funktionstasten gesteuerten Systemen – z.B. Tastaturschablonen mit ausgeliefert bzw. von den Benutzern oftmals selbst angefertigt. Die Zuordnung zwischen dem repräsentationalen Interaktionspunkt des aktiven Wahrnehmungsraumes (WFIP) und dem repräsentationalen Interaktionspunkt des Aktionsbereiches (WFIPA) muss vom Benutzer entweder im (internen) Kurzzeit- oder bei längerer Übung im Umgang mit der jeweiligen Software auch im Langzeitgedächtnis für die handlungsleitende Entscheidung verfügbar sein. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Benutzer diese Zuordnung im externen visuellen 'Gedächtnis' (die Ein/ Ausgabeschnittstelle) belässt und die jeweilige Funktionstaste ohne Blickwendung hin zur Tastatur findet und betätigt. Je grösser die physikalische Distanz zwischen WFIP und 82 Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen 5.3 WFIPA ist, desto stärker ist – zumindest für den ungeübten Benutzer mit Blickwendung zur Tastatur – die kurzzeitige Gedächtnisbelastung. aktueller Dialogkontext (D) funktionaler Interaktionspunkt (VFIP) repräsentationaler Interaktionspunkt des Wahrnehmungsbereiches (WFIP) Funktion-1 Funktion-2 physikalische Distanz ∆ Funktion-3 (WFIPA) repräsentationaler Interaktionspunkt des Aktionsbereiches Funktion-5 Funktion-4 Funktion-6 Funktion-7 Ein/AusgabeSchnittstelle FunktionsKomponente Abbildung 5.3.3 Die Unterscheidung der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte (WFIPen) in die Menge der Elemente des Wahrnehmungsraumes (WFIPen) und die Menge der Elemente des Aktionsraumes (WFIPAen). Dieser Unterschied ist immer dann wichtig, wenn der aktive Wahrnehmungsraum und der Aktionsraum auf der Ein/Ausgabeschnittstelle auseinanderfallen (z.B. 'Bildschirm' und 'Tastatur'). Bei direktmanipulierbaren Oberflächen wird gegenüber den CUI-Oberflächen für die maussensitiven Bereiche (bzw. die entsprechenden WFIPen) die Distanz ∆ Null sein. Dies kommt dadurch zustande, dass bei einem direktmanipulativen Interaktionselement (z.B. die 'Maus') der entsprechende WFIPA nicht die Maustaste selbst, sondern der Maus-Cursor auf dem Bildschirm ist. Dies gilt dann auch ebenso für die Cursortasten der herkömmlichen Tastatur bzw. für alle Arten der Interaktionssteuerung, bei der ein WFIPA des jeweiligen Aktionsraumes auf dem Bildschirm vorhanden ist. Hierbei wird angenommen, dass die jeweilige Positionierung bzw. Steuerung des WFIPAs auf dem Bildschirm auf der sensumotorischen Regulationsebene ausgeführt werden kann, ohne dabei mit höheren mentalen Regulationsebenen zu interagieren. Der Nachteil der Cursorsteuertasten gegenüber der Maussteuerung liegt darin begründet, dass sie – bedingt durch den 'digitalen' Charakter ihrer Steuerung – einen erhöhten zusätzlichen interaktiven Aufwand benötigen (Ilg und Ziegler 1987; Hächler et al. 1990). 83 5 Das quantitative Beschreibungskonzept 5.4 I NTERAKTIONSPUNKTE VON DIREKTMANIPULIERBAREN O BERFLÄCHEN (GUI) Wenn wir sowohl einen hohen Grad an Visualisierung anstreben und gleichzeitig die interaktionale Distanz zu den funktionalen Interaktionspunkten (FIPen) minimieren wollen, kommen wir zu der Klasse der graphischen Oberflächen. Die verschiedenen Anwendungsobjekte können z.B. als Ikonen graphisch auf dem Bildschirm repräsentiert sein; die zugehörigen anwendungsbezogenen Funktionen lassen sich direkt über entsprechend zugeordnete Menüs aktivieren. Als besonders 'direkt', und damit von Benutzern bevorzugt, haben sich 'Pop-up'-Menüs in unmittelbarem raumzeitlichen Zusammenhang mit den zugehörigen Objekten erwiesen (Koller und Ziegler 1989). Wie z.B. bei der SmallTalk-Umgebung sollten für die Interaktion mehr als nur eine Maustaste zur Verfügung stehen: Eine Taste um die Objekte zu aktivieren, bewegen usw. und eine zweite Maustaste für die anwendungsbezogenen Funktionen auf diesen Objekten. Eine dritte Maustaste z.B. ermöglicht die Aktivierung der Eigenschaftsliste des aktivierten Objektes. Eine historische Übergangsform zwischen den traditionellen CUI-Oberflächen und den direktmanipulierbaren Oberflächen bilden die Desktopoberflächen. Eine Desktopoberfläche zeichnet sich neben der graphikfähigen Bildschirmausgabe durch 'Pull-down'-Menüs und durch Ikonen, Piktogramme, Fenster, Dialogboxen, Dialogknöpfe usw. aus. Da bei grossen Bildschirmflächen die Distanz zwischen den Pull-down-Menüitems am oberen Bildschirmrand und den aktuell bearbeiteten Dialog- bzw. Anwendungsobjekten irgendwo auf dem Schirm recht gross werden kann, wurden verschiedene Interaktionstechniken (z.B. die 'Abreiss'-Menüs) entwickelt. Durch diese weiteren Dialogobjekte ergeben sich auch neue Interaktionsoperatoren. Bei einer direktmanipulierbaren Oberfläche werden die meisten funktionalen Interaktionspunkte (FIPe) dem Benutzer direkt im aktuellen Dialogkontext in den verschiedensten Repräsentationsformen angeboten. Da bei einem einigermassen komplexen System dennoch nicht alle funktionalen Interaktionspunkte (VFIPe) gleichzeitig als repräsentationale Interaktionspunkte (WFIPe) auf dem Bildschirm Platz haben (Ilg und Ziegler 1987, Sommerville 1987), werden sie als Menüitems z.B. bei Desktopoberflächen in den Pulldown Menüs der Menüleiste versteckt (Fabian und Rathke 1983) bzw. bei direktmanipulierbaren Oberflächen in den Pop-up-Menüs. Wie man in Abbildung 5.4.1 sehen kann, nimmt die Bedeutung der Tastatur für die konkrete Interaktionssteuerung bei einer direktmanipulierbaren Oberfläche stark ab und beschränkt sich meistens auf die reine Texteingabe. 84 Interaktionspunkte von direktmanipulierbaren Oberflächen 5.4 Eingeben... Löschen... Ändern... Bearbeiten... Anzeigen... GRUPPE ADDRESSE VERBUNDDATE Primärsch CH..8092 CH..8092 CH..8092 CH..8092 CH..8092 GDR.8024 USA.20742 GRUPPE.Primärschlüssel Nachname Vorname Ackermann David Greutmann Thomas Rauterberg Matthias Spinas Philipp Ulich Eberhard Hacker Winfried Shneiderman Ben KLEMMBRET IM/EXPORT SORTIERBRET PAPIERKORB Wahl Rechnen Klemmbr Anzahl Maske Merkmal Sortierun MISCHEN DISKETTE DRUCKER Abbildung 5.4.1 Die direktmanipulierbare Oberfläche eines relationalen Datenbankprogrammes. Alle die eingekreisten Repräsentationsformen (WFIPe) gehören zum Aktionsraum des Benutzers. Der Maus-Cursor als repräsentationaler Interaktionspunkt des Aktionsraumes (WFIPA) befindet sich im maussensitiven Bereich des Pop-up-Menüs zu der Datei 'Adressen'. Die Interaktionssteuerung bei direktmanipulierbaren Oberflächen erfolgt fast ausschliesslich über ein 'analoges' Interaktionselement (z.B. Maus, Rollkugel, Finger bei berührungssensitiven Bildschirmen usw.; Balzert 1988), bis hin zu dem Datenhandschuh (Foley 1988). Der Vorteil dieser neuen Interaktionstechniken besteht darin, dass Aktionsraum und aktiver Wahrnehmungsraum raum-zeitlich zusammenfallen (Dumais und Jones 1985). Ebenso weisen neuere Entwicklungen im Schnittstellenbereich in diese Richtung (Ward und Phillips 1987; Mel et al. 1988). Eine Reihe von speziellen Interaktionselementen werden ausschliesslich dazu entwickelt, dem Benutzer möglichst direkt die benötigte Anwendungsfunktion darzubieten. Dies kann man z.B. bei CAD-Arbeitsplätzen beobachten, wo oftmals zusätzlich spezielle Interaktionselemente wie Drehknöpfe, Grafiktabletts usw. den Benutzern zur Verfügung gestellt werden. 85 5 Das quantitative Beschreibungskonzept aktueller DialogKontext (D) E/A-Schnittstelle wahrnehmbarer anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (WAFIP) anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) A.Funktion-1 A.Funktion-2 A.Funktion-3 A.Funktion-4 wahrnehmbarer dialogfunktionaler Interaktionspunkt (WDFIP) dialogfunktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) A.Funktion-5 A.Funktion-6 AnwendungsKomponente D.F1 D.F2 ... Dialog-Komponente Abbildung 5.4.2 Die schematische Darstellung einer direktmanipulierbaren Oberfläche. In dem aktuellen Dialogkontext sind überwiegend anwendungsfunktionale Interaktionspunkte repräsentiert (WAFIPe). Der Benutzer hat aus dem aktuellen Dialogkontext heraus direkten Zugriff über die vorhandenen Repräsentationen auf alle Funktionen der Dialog- und Anwendungskomponente. Das bisher vorgestellte Beschreibungskonstrukt des Interaktionspunktes gibt zunächst nur den rein formalen Charakter der repräsentierten Formen wieder und lässt die Problematik der Semantik der einzelnen repräsentationalen Interaktionspunkte zunächst ausser acht (siehe in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von Streitz et al. 1989). Ein wesentlicher Vorteil unseres Konzeptes der Interaktionspunkte (FIPe) liegt jedoch darin, dass man neben dem 'Visualisierungsgrad' zusätzlich den 'interaktiven Aufwand' beschreiben und quantifizieren kann. Wieviel verschiedene dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe) müssen z.B. benutzt werden, um an einen bestimmten anwendungsfunktionalen Interaktionspunkt (AFIP) heranzukommen? D.h., je weniger dialogfunktionale Interaktionspunkte notwendig sind, um einen benötigten AFIP zu erreichen, desto direkter ist die Interaktionsstruktur. Dieser Aspekt wird im Folgenden interaktive Direktheit genannt. 5.5 D EFINITION VON D IALOGKONTEXT UND I NTERAKTIONSPFAD Um die interaktive Direktheit operational messbar zu machen, werden weitere Beschreibungskonstrukte eingeführt. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Länge des interaktionalen Zugriffes auf die einzelnen Funktionen (DFIPen bzw. AFIPen) quantitativ angeben zu können. Für das hier gewählte Vorgehen ist es ausreichend, "Dialogabläufe auf Fenster- 86 Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5 ebene (grobe Dialogabläufe)" (Janssen 1993, S.69) zu beschreiben (siehe auch Alty und Mullin 1989; Haubner 1992). Dialog-Kontexte mit den einzelnen WFen 1 (die zugehörigen VDFIPe sind nicht extra eingezeichnet) 3 2 4 8 WDFIP 5 12 WAFIP 9 10 6 11 13 7 14 VAFIPEbene a b c d e f g h i j k l 3 44 44 3 3 3 3 3 5 5 Pfad- längen Abbildung 5.5.1 Schematische Darstellung eines beispielhaft gegebenen, strikt hierarchischen Menü- bzw. Interaktionsbaumes (z.B. MS-WORD™ für DOS™). Der Benutzer navigiert sich durch die 14 verschiedenen Dialogkontexte hindurch zu der jeweils gewünschten Anwendungsfunktion (VAFIP a, b, ..., l). Um sich z.B. in einem Interaktionsbaum 'bewegen' zu können, stehen dem Benutzer im aktuellen Dialogkontext – direkt – entsprechende dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe) zur Verfügung (um z.B. von Dialogkontext zu Dialogkontext zu gelangen). Zunächst muss die Basisaktion – der einzelne Interaktionsschritt (IS) – definiert werden. Um diese Definition plausibel machen zu können, wird ein einfacher Interaktionsbaum beispielhaft eingeführt (siehe Abbildung 5.5.1). Desweiteren werden wir einen Interaktionsoperator (IOp) und einen Dialogkontext (D) definieren. Die Länge der einzelnen Interaktionspfade von dem obersten Dialogkontext (D) bis hin zu der Ebene der Anwendungsfunktionen ist für alle anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (AFIPe) als Pfadlängen angegeben (siehe Abbildung 5.5.1). Sehen wir uns als erstes die Definition eines strikt hierarchischen Interaktionsbaumes an. Mit der Beschränkung auf einen strikt hierarchischen Interaktionsbaum gehen wir von der Annahme aus, dass der Benutzer zunächst nach dem Aufstarten eines bestimmten interaktiven Programmes sich in einem Startdialogkontext ('Wurzelknoten') befindet und an der Auslösung bzw. Aktivierung einer bestimmten Anwendungsfunktion (AFIP) interessiert ist (z.B. Erzeugung eines neuen Anwendungsobjektes wie etwa eines Textdoku- 87 5 Das quantitative Beschreibungskonzept mentes). Wir gehen also bei der folgenden Betrachtung vereinfachend davon aus, dass der Benutzer immer von dem Start- bzw. Wurzeldialogkontext (SD) ausgeht. Wie der Benutzer jedesmal zu diesem ausgezeichneten Startdialogkontext gelangt, bleibt vorerst unberücksichtigt. Um sich überhaupt in einem Interaktionsbaum durch die Hierarchie der Dialogkontexte navigieren zu können, stehen dem Benutzer jeweils entsprechende, dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe) zur Verfügung. (Definition von einem INTERAKTIONSBAUM) (1) (2) der Knoten O ist ein Baum. Wenn B1, B2, ... Bn für (n ≥ 1) Bäume sind, dann ist auch ein Baum. Ein Interaktionsbaum ist ein gerichteter Graph ohne geschlossene Wege, in dem zwischen je zwei Knoten genau ein Pfad existiert. Es handelt sich um einen zyklenfreien, zusammenhängenden gerichteten Graphen, welcher aus endlich vielen Knoten und Kanten besteht. Ein Knoten in einem Interaktionsbaum heisst Dialogkontext (D); eine gerichtete Kante steht für einen entsprechenden Interaktionsoperator (IOp). Der Wechsel zwischen den Dialogkontexten (z.B. in einem Interaktionsbaum) soll Interaktionsschritt heissen und lässt sich aufbauend auf den Definitionen eines Interaktionsoperators und eines Dialogkontextes definieren. Durch die Ausführung eines Interaktionsschrittes kann, muss aber nicht der aktuelle Dialogkontext wechseln. Darüber hinaus kann eine Wechsel des Dialogkontextes auch durch das System selbst vorgenommen werden. (Definition von einem INTERAKTIONSOPERATOR) ein Interaktionsoperator (IOp) ist die Auslösung einer Dialog- oder Anwendungsfunktion über den entsprechenden funktionalen Interaktionspunkt des Funktionsraumes FR: IOpn = A(FRm → Fm) mit ((n = m + i) oder (n = nil)) und (m ≥ 1) und (i ≥ 0) A 88 ist eine systeminterne Abbildung des FRm auf die zugeordnete Funktion bzw. den Algorithmus Fm. Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5 n=nil bedeutet, dass die Funktionalität Fm nicht durch den Benutzer, sondern selbsttätig durch das System ausgelöst wird; dieser Interaktionsoperator heisst Operatordummy. Als nächstes müssen wir noch eine bessere Definition für den Dialogkontext finden, als sie in der Definition für den Interaktionsbaum gegeben wurde. Ein Dialogkontext setzt sich aus sehr verschiedenen Elementen zusammen. Zum einen gehören sicherlich die verschiedenen Interaktionspunkte dazu; dies sind dann insbesondere die repräsentationalen und ihre funktional zugehörigen Interaktionspunkte. Dann gehören noch die repräsentationalen Zustandseigenschaften der Dialog- und der Anwendungskomponente dazu. Das wichtigste sind jedoch sicherlich die jeweils zu diesen einzelnen Bereichen gehörenden Abbildungsvorschriften bzw. Abbildungsfunktionen (siehe auch Cordes 1988). Hinter diesen Abbildungsfunktionen (φ, ζδ, ζα) verbergen sich im Detail noch ausstehende Forschungsergebnisse. Diese Abbildungsfunktionen werden leider in den meisten formalen Betrachtungen einer Interaktionssprache ausgegrenzt (z.B. Zachmann 1989, S. 57). Hierdurch können jedoch Gestaltungsrichtlinien wie 'Transparenz' und 'Feedback' nicht adäquat berücksichtigt werden (zu den Gestaltungsrichtlinien siehe Ulich 1985, Spinas 1987, Ulich et al. 1991). Definieren wir uns zunächst einmal den Dialogkontext: (Definition von einem DIALOGKONTEXT) ein Dialogkontext (D) ist ein Sieben-Tupel der folgenden Form: D = (FRm, WFn, DKZd, WDKZe, AKZa, WAKZb, ORo) wenn gilt: FRm ist die Menge mit m-Elementen aus der Menge aller funktionalen Interaktionspunkte des Funktionsraumes. WFn ist die Menge aller n wahrnehmbaren Elemente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion φ der m Funktionen des FR auf die Menge aller Funktionsrepräsentationen RF. DKZd ist die Menge aller Zustände der Dialogkomponente (d an der Zahl). WDKZe ist die Menge aller e wahrnehmbaren Zustände der Dialogkomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζδ der d Elemente von DKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ. AKZa ist die Menge aller Zustände der Anwendungskomponente (a an der Zahl). WAKZb ist die Menge aller b wahrnehmbaren Zustände der Anwendungskomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζα der a Elemente von AKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ. 89 5 Das quantitative Beschreibungskonzept ORo ist die Menge aller interaktiven Objekte im Objektraum (o an der Zahl). Der Wechsel zwischen Dialogkontexten soll Interaktionsschritt (IS) heissen und lässt sich wie folgt definieren (siehe auch Dehning, Essig und Maass 1978, S. 105, sowie Cordes 1988, S. 23). Zunächst listen wir alle IOpen auf und weisen ihnen einen eindeutigen Index n ∈ ℵ zu (ℵ := Menge der natürlichen Zahlen ohne die Null). Das gleiche tun wir mit allen Dialogkontexten D. Wenn ein IOpn im aktuellen Dm zu einem anderen Do führt, addieren wir jeweils einen Wert i derart zu m, so dass wir o erhalten (mit i ∈ ℑ, mit ℑ := Menge der ganzen Zahlen). (Definition von einem INTERAKTIONSSCHRITT) ein Interaktionsschritt (IS) ist die Folge von einem Interaktionsoperator (IOp) und einem Dialogkontext (D): ISn,m = (IOpn, Dm+i) mit (n ≥ 1) und (m ≥ 1) und (i ∈ ℑ) und (n ≠ nil) Ein Interaktionsschritt ISn,m ist somit der Übergang von einem gegebenen Dm durch Auslösung einer Funktion F zu einem folgenden Dm+i. Wenn i=0 ist, handelt es sich um einen zustands- bzw. kontextbewahrenden IS. In diesem Fall reden wir auch von einer elementaren Interaktionsschlinge. Ein Interaktionsschritt (IS) ist also der Wechsel eines Dialogkontextes durch Eingabe bzw. durch Auslösung einer Dialog- oder Anwendungsfunktion zu einem nächsten Dialogkontext. Hiermit ist der Zustandsübergang im Zustandsraum der Dialog- und Anwendungskomponente gemeint. Es gibt zustandsbewahrende und zustandsverändernde Interaktionsschritte. Ein zustandsbewahrender Interaktionsschritt wird als elementare Interaktionsschlinge bezeichnet. Syntaktische Fehleingaben eines Benutzer sind häufig zustandsbewahrende Interaktionsschritte, sofern das interaktive System nicht extra mit einem neuen Dialogkontext zur Fehlerbehandlung oder gar Stillstand reagiert. Definieren wir die Abfolge von Interaktionsschritten als ein zusammenhängendes Ganzes, so kommen wir zu der Definition des Interaktionspfades (der Dialogabschnitt bei Dehning, Essig und Maass 1978, S. 129). (Definition von einem INTERAKTIONSPFAD) ein Interaktionspfad (Pfd) ist die Folge von aufeinanderfolgenden Interaktionsschritten: 90 Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5 Pfd [ISn,m…ISn+i,m+j] = [(IOpn,Dm),...,(IOpn+i,Dm+j)] mit (n ≥ 1) und (m ≥ 1) und (i,j ∈ ℑ) Zur Verbesserung der Übersicht wird die folgende, abkürzende Schreibweise für Interaktionspfade eingeführt: Pfd [ISn…ISn+i] = [IOpn,...,IOpn+i] mit (n ≥ 1) und (i ∈ ℑ) Mit dieser hier vorgelegten Definition des Interaktionspfades in abgekürzter Schreibweise wird die Struktur eines Logfiles abstrakt beschrieben. Man kann also direkt aus den meisten Logfileaufzeichnungen die Länge einzelner Interaktionspfade angeben. Offen bleibt dabei zunächst noch das Problem, wie und nach welchen Kriterien man den Anfangs- und den Endpunkt eines Interaktionspfades bestimmt. Sehen wir uns nun die Länge eines Interaktionspfades etwas näher an und definieren sie wie folgt: (Definition der LÄNGE eines INTERAKTIONSPFADes) Die Länge eines Interaktionspfades ist die Anzahl der Interaktionsschritte zwischen dem Start- und dem Enddialogkontext des Pfades und wird wie folgt geschrieben: lng (Pfd[ISn…ISn+i]) Mit den hier vorgestellten Definitionen sind wir bereits in der Lage, eine Reihe von brauchbaren Operationalisierungen für benutzungsorientierte Gestaltungsrichtlinien angeben zu können. 5.6 A NWENDUNGSMÖGLICHKEITEN DES B ESCHREIBUNGSKONZEPTES Das hier vorgestellte Beschreibungskonzept kann auf die meisten gängigen Oberflächentypen angewendet werden. Die Anwendung auf eine Kommandooberfläche ist relativ einfach (siehe Abschnitt 5.2) und bedarf daher keiner gesonderten Behandlung. Wenn wir unsere erweiterte Definition einer Kommandooberfläche heranziehen, dann kann der Oberflächentyp Formulardialog als eine Mischung zwischen Kommando- und Menüoberfläche angesehen werden. Um jedoch Aussagen über die zur Zeit gängigsten Oberflächentypen machen zu können, werden wir uns auf die Behandlung einer Menü- bzw. CUI- und einer GUIOberfläche konzentrieren (Rauterberg 1988b, 1989a, 1989b, 1990a, 1991c, 1992e). Zusätzlich werden wir unser Beschreibungskonzept auf ein multimediales Informations- 91 5 Das quantitative Beschreibungskonzept system (siehe Daum und Schlagenhauf 1993), sowie auf zwei unterschiedliche CUIOberflächen eines Simulationsprogrammes (Grützmacher 1988) anwenden. Zur Veranschaulichung unserer bisher eingeführten Definitionen werden wir die Dialogkontexte, die Interaktionsoperatoren, sowie die Interaktionsschritte für unser Beispiel aus Abbildung 5.5.1 auflisten: Menge aller Di := Menge aller IOpi := {D1, D2, D3, D4, D5, D6, D7, D8, D9, D10, D11, D12, D13, D14} {IOp1, IOp2, IOp3, IOp4, IOp5, IOp6, IOp7, IOp8, IOp9, IOp10, IOp11, IOp12, IOp13, IOp14, IOp15, IOp16, IOp17, IOp18, IOp19, IOp20, IOp21, IOp22, IOp23, IOp24, IOp25, IOp26, IOp27, IOp28, IOp29, IOp30, IOp31, IOp32} Menge aller ISi := {(IOp1,D2), (IOp2,D3), (IOp3,D4), (IOp4,D9), (IOp5,D5), (IOp6,D6), (IOp7,D7), (IOp8,D13), (IOp9,D8), (IOp10,D12), (IOp11,D10), (IOp12,D11), (IOp13,D14), ((IOp14,D9)), (IOp15,D1), (IOp16,D1), ((IOp17,D10)), ((IOp18,D10)), ((IOp19,D11)), ((IOp20,D11)), (IOp21,D1), (IOp22,D1), ((IOp23,D6)), ((IOp24,D6)), ((IOp25,D7)), (IOp26,D1), ((IOp27,D13)), ((IOp28,D13)), (IOp29,D1), (IOp30,D1), ((IOp31,D14)), ((IOp32,D14))} (( )) bedeutet elementare Interaktionsschlinge. Interaktionspfade für Pfd ['a'] := [(IOp1,D2), (IOp4,D9), ((IOp14,D9))] Pfd ['b'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp11,D10), ((IOp17,D10))] Pfd ['c'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp11,D10), ((IOp18,D10))] Pfd ['d'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp12,D11), ((IOp19,D11))] Pfd ['e'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp12,D11), ((IOp20,D11))] usw. Länge des Interaktionspfades für die VAFIPe 'a', 'b' usw.: lng(Pfd ['a']) = 3 lng(Pfd ['b']) = 4 usw. 92 6 DER GESTALTUNGSBEREICH 'KALKULIERBARKEIT ALS VORAUSSETZUNG FÜR KONTROLLE' Im folgenden werden nur diejenigen Richtlinien des benutzungsorientierten Gestaltungskonzeptes von Ulich (siehe Abbildung 1.1.1.1) im einzelnen vorgestellt, welche im Rahmen dieser Arbeit eine besondere Rolle spielen werden. Es sind hierbei im wesentlichen die beiden Bereiche 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung von Kontrolle' und 'Kontrolle' angesprochen. Die Beschreibung der einzelnen Richtlinien ist aus Spinas, Troy und Ulich (1983), Spinas (1987), Ulich (1986, 1988) bzw. Baitsch et al. (1989) entnommen. Die Gestaltungsrichtlinien 'Unterstützung' (Moll 1989), 'individuelle Auswahl' und 'individuelle Anpassbarkeit' (Ackermann 1987; Greutmann und Ackermann 1987; Greutmann 1992; Ulich 1986; Ulich et al. 1991) sind bereits ausführlich untersucht worden. Das Kriterium 'Kompatibilität' wird bzgl. "Darstellungsform" und "Sprache" bei Ulich (1985) beschrieben; in einem erweiterten Sinne setzt sich Norman (1989) unter dem Aspekt der Erwartungskonformität damit auseinander. Der aktuelle Diskussionsstand zum Kriterium 'Konsistenz' kann bei Wandmacher (1993), Dix et al. (1993) und Preece et al. (1994) nachgelesen werden. Daher werden diese Gestaltungsrichtlinien im Rahmen dieser Arbeit nicht im Vordergrund der Analyse stehen. 6.1 T HEORETISCHE G RUNDLAGEN Bei der handlungstheoretischen Sichtweise des Ablaufes psychischer Regulationsprozesse nimmt die Wahrnehmung der Interaktionspunkte (IPe) in einen Ausführungsprozess (sprich 'interaktiven Problemlösungsprozess') eine zentrale Rolle ein. Erst die Adäquatheit dieser Wahrnehmung gewährleistet eine angemessene Umsetzung der vom Benutzer angestrebten Ziele. Zunächst lassen sich die Eingriffspunkte nach den folgenden Richtlinien charakterisieren: – Häufigkeit ihres Vorkommens; – zeitliche Verteilung im Interaktionsprozess; – Erkennbarkeit der Merkmale des Dialog- und Anwendungszustandes; – Art der erforderlichen mentalen Verarbeitungsschritte zum Ableiten von Interaktionsoperatoren; – Umfang des Suchbereiches relevanter bzw. überhaupt möglicher Interaktionsoperatoren (–> objektiver Handlungsspielraum); – Art und psychische Struktur des Operatorsystems; 93 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' – Bewertung der Interaktionsoperatoren, z.B. hinsichtlich der erforderlichen Bearbeitungszeiten (zu lange vs. zu kurze Antwortzeiten des Interaktionssystems) und/oder der materiellökonomischen Kosten. Damit diejenigen Merkmale der Eingriffspunkte im Interaktionsprozess, die zur Vorbereitung und Ableitung der weiteren Interaktionsoperatoren notwendig sind, wahrgenommen werden können, müssen diese Merkmale aktuell (und wenn dies nicht möglich ist, zumindest potentiell) transparent sein. Zunächst ist jedoch die wahrnehmbare Oberfläche des Interaktionssystems als eine Gesamtheit von unterscheidbaren Reizen (hier besser: Zeichen, Symbolen, Cursoranzeigen, Piktogrammen usw.) gegeben. Diese Zeichen werden jedoch erst dann zu handlungsleitenden Signalen, wenn sie bestimmte Verhaltens- und Handlungsnotwendigkeiten anzeigen (hier ist also der pragmatische Informationsgehalt der Zeichen angesprochen). Diese handlungsleitenden Signale sind die relevanten Merkmale der Eingriffspunkte. Damit ein Zeichen zu einem Signal wird, sind mindestens die folgenden Bedingungen zu erfüllen (Hacker 1978): 1. Das Zeichen muss wahrnehmbar sein; dabei kann über den visuellen Wahrnehmungskanal hinaus auch die auditive (z.B. 'hearcons' bei Gaver 1986) und haptische Sinneswahrnehmung (z.B. Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993) angesprochen sein. 2. Unterschiedliche Erscheinungsweisen von Zeichen (z.B. Piktogramm oder alphanumerische Benennung) müssen als ein und dasselbe Signal wiedererkannt werden können. 3. Es muss der Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Signals und den unterschiedlichen Konsequenzen aufgrund der jeweiligen Interaktionsoperatoren erfasst werden können. Auswirkungen eines Interaktionsoperators, die sich erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt in einem anderen Interaktionszustand beobachten lassen, können nur sehr schwer mit der sie ursprünglich auslösenden Aktion in Zusammenhang gebracht werden (man kann hier auch von 'interaktiven Seiteneffekten' sprechen). 4. Es müssen die unterschiedlichen Ausprägungsgrade eines Zeichens (z.B. Füllungsgrad eines Textpuffers usw.) hinsichtlich ihrer Konsequenzen in ein Bezugssystem eingeordnet werden, um die bedeutsamen Ausprägungsgrade eines Zeichens von den unbedeutsamen trennen zu können. 94 Theoretische Grundlagen 6.1 Ein angemessenens Signalinventar und seine Verwendung zeichnen sich hinsichtlich ihrer leistungsbestimmenden qualitativen Eigenheiten wie folgt aus (Hacker 1986): a. Es gibt Signale, die eine Störung im vorhinein anzeigen und somit ein vorbeugendes Eingreifen ermöglichen (z.B. eine unerwartet hohe Antwortzeit). b. Die Benutzungsoberfläche wird systematisch nach effektiven Signalen abgesucht. c. Kontroll- und Rückmeldesignale (auf der Grundlage von Statusinformationen über Dialog- und Anwendungszustand) sind für interaktive Problemlösungsstrategien und Ergebnisse der Interaktionsoperatoren hinreichend vorhanden. d. Signale und Abbildungseigenschaften als bildliche Kopien oder analoge Nachbildungen von Zuständen sind weniger mental belastend als Signale mit solchen Symboleigenschaften, welche eine Recodierung im Sinne einer Übersetzungstransformation erforderlich machen (siehe zum Kriterium 'Kompatibilität' bei Ulich 1985). e. Das Auftreten von Signalen muss zeitlich vorhersehbar und sollte möglichst nicht stochastisch sein (siehe zum Kriterium 'Konsistenz' bei Ulich 1986). f. Das Signal sollte von einer Erscheinungsdauer sein, welche eine Wahrnehmung (einschliesslich der kognitiven Interpretationsprozesse) ermöglicht. g. Entscheidende Signale sollten nicht einer absichtlichen Zuwendungsreaktion bedürfen, sondern sollten aufgrund ihrer physikalischen Beschaffenheit eine Orientierungsreaktion reflektorisch auszulösen vermögen (z.B. akustische Signale eignen sich generell; wichtige visuelle Signale sollten im Bereich des aktuellen Aufmerksamkeitsfokus und nicht am Rande in einer Statuszeile erscheinen; siehe hierzu die anderslautende Gestaltungsrichtlinie bei der DIN 66 234, Teil 3, Absatz 5 und unsere Kritik daran; Rauterberg und Cachin 1993). In dem hier vorgestellten Sinne ist der Aufbau eines angemessenen Signalinventars die Voraussetzung für das Erkennen objektiver Freiheitsgrade im Interaktionsprozess. Signale informieren also nicht nur über Merkmale des Dialog- und Anwendungszustandes, sondern auch über die Auswirkungen von Interaktionsoperatoren im vorhinein (Härtner 1988). Darüber hinaus führen Lernvorgänge unter stabilen Interaktionsbedingungen zum Zusammenfassen der bewusst verarbeiteten Signale mehrerer Interaktionsabschnitte zu einem Gesamtsignal im Sinne einer Superzeichenbildung. Diese Superzeichen spielen dann insbesondere bei der Verwendung von Interaktionsmakrobefehlen eine besonders wichtige Rolle. 95 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' Der Signalerwerb wird auch unter dem Stichwort Codierung bzw. Transformation diskutiert. Hierbei handelt es sich allgemein um die Umwandlung von Reizen in entsprechende kognitive Abbildungen (hier speziell hinsichtlich des 'Signalinventars'), wobei die aktive Verarbeitung im Sinne einer Extraktion relevanter Reizmerkmale als Codierung bzw. Transformation verstanden wird (Dutke 1994). Es können dabei folgende kognitive Prozesse unterschieden werden (Dörner 1979): 'Chunking' als einfache Zusammengruppierung wegen ihrer raumzeitlichen Kontingenzen; 'Clustering' als einfache Zusammengruppierung von Reizen wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeiten; 'Klassenbildung' als hierarchisch-kategoriale Gruppierung aufgrund von Abstraktion und/oder Generalisierungen von Reizen zu Oberbegriffen, Konzepten, Schemata usw.; 'Komplexbildung' als im wesentlichen hierarchische Kombination von Einzelmerkmalen zu neuen Ganzheiten aufgrund abstraktiv-integrativer Prozesse. Gemäss der Handlungsregulationstheorie ist das Kontrollieren der Ausführung über die wahrgenommenen Zustandsbeschreibungsparameter der eigenen Aktionen im Kontext eines Problemlösungs- bzw. Aufgabenbearbeitungsprozesses von ausschlaggebender Bedeutung. Bei dieser Sichtweise des Ablaufes psychischer Regulationsprozesse nimmt also die Wahrnehmung der Eingriffspunkte im Ausführungsprozess eine zentrale Rolle ein. Bei dem Entwurf und vor der Ausführung eines Handlungsplanes kommt es also zunächst einmal darauf an, dass der Benutzer den aktuellen Systemzustand (Dialog- und Anwendungszustand, siehe Abbildung 2.0.3) zutreffend erkennen kann. Der Benutzer muss wissen, wo er sich gerade befindet; dies setzt voraus, dass er sich adäquat orientieren kann (siehe auch Nievergelt 1982). "Galperin nennt drei Bedingungen der Handlung, auf die sich der Lernende, bewusst oder unbewusst, bei der Ausführung der Handlung orientieren muss: 1. das Objekt der Handlung selbst und seine Eigenschaften, 2. das Handlungsziel und 3. die zur Zielrealisierung erforderlichen Mittel bzw. deren Eigenschaften in bezug auf den konkreten Handlungsablauf" (Wilhelmer 1979, S.199-200). Galperin (1973) unterscheidet drei Orientierungstypen, die zu qualitativ unterschiedlichen Lernprozessen und Lernergebnissen führen. 96 Theoretische Grundlagen 6.1 Orientierungstyp-I: Aufgrund einer unvollständigen Orientierungsgrundlage der Handlung wird die Problemlösung nach dem trial-and-error Verfahren durchgeführt. "Handlungen, Vorstellungen und Begriffe werden unter diesen Bedingungen im wesentlichen mit Hilfe der Kontrolle des Ergebnisses gebildet, und das gewährleistet weder das Herausgliedern nur der notwendigen Elemente noch das Herausgliedern der wirksamen Bedingungen und ihrer Beziehung zu den Operationen" (Galperin 1973, S.112). Der Lernende fängt an, die angezeigten Fehler zu vermeiden, ohne sich darüber klar werden zu können, welche Teilschritte in seiner fehlervermeidenden Problemlösestrategie ('Handlung') wichtig und welche unwichtig sind. Eine Übertragung auf neue Aufgaben ist in der Regel nicht möglich und zeichnet sich durch Zufälligkeiten aus. Orientierungstyp-II: Hier ist eine Orientierungsgrundlage vollkommen ausgebildet. Der Lernende kann immer anhand spezifischer Wahrnehmungsinhalte angeben, wo er sich gerade befindet und welche Operationen ihn dem Ziel näher bringen. "Jede Operation wird in enger Beziehung zu ihren Bedingungen durchgeführt, und die Handlung führt sicher zum notwendigen Erfolg" (Galperin 1973, S.112). Der Lernende hat jedoch noch kein Wissen über die Bedeutung, die Gründe für das Auftreten der spezifischen Wahrnehmungsinhalte an bestimmten Stellen im Handlungsverlauf. Er weiss, was er zu machen hat und was daran wichtig und was unwichtig ist, ohne zu wissen, warum dies im einzelnen so ist. Eine Übertragung auf neue Aufgaben verläuft nach dem 'Prinzip der identischen Elemente': Gleiche Aufgabentypen werden als solche erkannt und in vergleichbarer Weise angegangen. Orientierungstyp-III: Hier geht es darum dass der Lernende die Möglichkeit hat, seine schon vorhandene Orientierungsgrundlage zu vervollkommnen. Er hat ein Wissen über die Grundlegenden Eigenschaften und Zusammenhänge des zu bearbeitenden Gegenstandsbereiches und kann sich die noch unbekannten Zusammenhänge selbst erarbeiten. Jetzt weiss er, warum sich der Gegenstandsbereich an bestimmten Stellen im Handlungsverlauf so und nicht anders verhält bzw. sich repräsentiert. Der Lernende hat ein weitgehend vollständiges mentales Modell über den Gegenstandsbereich und kann aus diesem Wissen heraus seine Handlungen den gestellten Aufgaben gemäss aufbauen (siehe auch Dutke 1994). Während beim Orientierungstyp-II noch das permanente Feedback über den aktuellen Zustand ausschlaggebend war, ist hier eine weitgehend 'verinnerlichte', mentale Orientierung gegeben. 97 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' "Der Lernende wird in die Lage versetzt, die Struktur neuer Lerngegenstände und ihrer wesentlichen Merkmale zu erkennen, und lernt Methoden zu entwickeln, um sie selbständig zu analysieren und anzueignen" (Wilhelmer 1979, S.203). Eine lernförderliche Gestaltung der Benutzungsoberfläche sollte sich darin auszeichnen, dass der Benutzer in die Lage versetzt wird, ein operatives Abbildsystem gemäss dem Orientierungstyp-III ausbilden zu können. Dieser Aspekt wird in der Literatur unter dem Thema der Transparenz und Lernförderlichkeit diskutiert (Dutke 1994). 6.2 D IE F ORDERUNG NACH 'T RANSPARENZ ' "BenutzerInnen sollten erkennen können, ob ein eingegebener Befehl behandelt wird oder ob das System auf weitere Eingaben wartet. Bei längeren Vorgängen sollte das System Zwischenzustandsmeldungen abgeben können." (Ulich 1991, S.258-259) Transparenz: Unter der Transparenz ist im Sinne des Kontrollkonzeptes die 'Durchschaubarkeit' zu verstehen (Troy 1981); sie ist eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass der Benutzer sich eine adäquate mentale Vorstellung von der Funktionsweise des Systems aufbauen kann, welche ihm die zur erfolgreichen Aufgabenbewältigung notwendigen Orientierungsgrundlagen liefert; damit verbunden ist die Möglichkeit zur 'Vorhersehbarkeit' bzw. 'Antizipation' der Folgen von Eingaben in das System (siehe auch Nievergelt 1982). Bei der Untersuchung der Transparenz geht es unter anderem um die Gestaltung von visuellen Bildern für Objekte, Objekteigenschaften und Aktionen auf und mit diesen Objekten, sowie des gesamten Operatorsystems der Interaktionsstruktur und ihre Erschliessbarkeit. Bei graphischen Oberflächen stehen Ikonen (oft auch Piktogramme genannt) und Menünamen im Zentrum der Maskengestaltung. Wir werden im folgenden den Begriff 'Ikon' für die visuellen Bilder von Objekten und den Begriff 'Piktogramm' für die visuellen Bilder von Aktionen (auch Funktionsobjekte genannt, Zeidler und Zellner 1992, S. 115) verwenden. Bisher ist noch keine klare Trennung bei der Gestaltung von Benutzungsoberflächen zwischen der Darstellung von Objekten und der Darstellung der Operationen bzw. Aktionen auf diesen Objekten zu erkennen. Für beide Bereiche werden in der Praxis sowohl Einträge in Form von Menüoptionen, als auch Ikonen bzw. Piktogramme verwendet. Die Lösung dieser Gestaltungsfrage hängt im wesentlichen davon ab, wie die Objekte im Rahmen einer Aufgabe und die jeweils zugeordneten Funktionen identifiziert werden (siehe Rauterberg et al. 1994b). 98 Die Forderung nach Transparenz 6.2 Zu den generativen Verfahren von Piktogrammen gehören nach Staufer (1987, S. 95ff) die 'Produktions'-Methode: Personen aus dem jeweiligen Arbeitsbereich (z.B. Büroanwendungen) werden gebeten, Zeichnungen von Gegenständen oder Sachverhalten aus ihrer Arbeitsumgebung anzufertigen (Krampen 1969). Die verschiedenen semantischen Eigenschaften dieser Objekte lassen sich dann mit der 'Kärtchen'-Methode erfassen: Die Personen werden gebeten, alle relevanten Eigenschaften der verschiedenen Objekte auf Kärtchen aufzuschreiben und anschliessend hinsichtlich ihrer semantischen Nähe verschiedenen Haufen zuzuordnen. Dieses schriftliche Material ist die Gestaltungsgrundlage für die semantischen Beschriftungen der Ikonen bzw. Piktogramme Sind durch die eben beschriebenen Methoden erst einmal wichtige Objektklassen identifiziert, so kann über ein semantisches Differential dieser Visualisierungen die Grundlage für eine Validierung mit dem semantischen Differential der verbalen Beschreibungen gelegt werden (Staufer 1987, S. 97ff.). Die semantischen Beschreibungskategorien lassen sich über das generative Verfahren des 'Brainstormings' gewinnen. Anschliessend wird das semantische Umfeld der relevanten Kategorien mit Hilfe des semantischen Differentials erschlossen. Larkin und Simon (1987, S.98) stellen folgende drei Aspekte als besonders vorteilhaft von bildhaften Repräsentationsformen heraus: • "Diagrams can group together all information that is used together, thus avoiding large amounts of search for the elements needed to make a problem-solving inference. • Diagrams typically use location to group information about a single element, avoiding the need to match symbolic labels. • Diagrams automatically support a large number of perceptual inferences, which are extremely easy for humans." In einer empirischen Untersuchung konnte gezeigt werden (Streitz, Lieser und Wolters 1989), dass die Vorteile in der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Testaufgaben für eine Desktopoberfläche im wesentlichen auf die Art der visuellen Beschaffenheit der repräsentierten Interaktionsobjekte zurückzuführen ist. Die topologische Struktur des externen 'Gedächtnisses' mit bildhafter Repräsentationsform kann unterschiedlich komplex sein (Loftus 1972; Loftus und Bell 1975; Antes, Chang und Lenzen 1985). Die Bewältigung dieser Komplexität durch den Benutzer hängt im wesentlichen von seinem Wissensstand über den Problembereich ab: "Because the representation is useful only if one has the productions that can use it, we can readily understand the common complaint of physics professors that students 'refuse to draw diagrams' or 'don't appreciate their value.' If the students lack productions for making physics inferences from diagrams, they may not only fail to 'appriciate' the value, but will find them largely useless" (Larkin und Simon 1987, S.71). 99 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' Die Ausnutzung des visuellen Informationsangebotes ist darüber hinaus auch noch von der konkreten per Instruktion vorgegebenen Aufgabenstellung abhängig. Dies konnten Heemsoth und Möckel (1986) bei der Untersuchung des Blickverhaltens unter Variation der Instruktionen aufzeigen (siehe auch Paap et al. 1987). Wie lassen sich unter den zuvor skizzierten Bedingungen allgemeine Vorgaben für die Gestaltung des Wahrnehmungsraumes ableiten? Zunächst einmal gilt es, den semantischen Rahmen für die konkrete Ausgestaltung der zu visualisierenden Strukturen abzustecken. Da dieser semantische Rahmen nicht allgemein angebbar1 ist, sondern stets für die betreffende Benutzergruppe neu erstellt werden muss, können also nur Verfahren und Methoden zur Gewinnung der benutzerspezifischen Interpretationsvorschriften eingesetzt bzw. entwickelt werden. Diese Verfahren und Methoden gilt es dann in einem zweiten Schritt auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Folgende Visualisationsprobleme sind insgesamt bei Abbildung der Zustandsräume des interaktiven Systems auf die Benutzungsoberfläche zu berücksichtigen (Daugs, Blischke und Oliver 1984, siehe Tabelle 6.2.1). Tabelle 6.2.1 Übersicht über die verschiedenen Visualisierungsbereiche (aus Daugs, Blischke und Oliver 1984) Visualisierungsbereich Bereichsdimensionen Gegenstandsbezogener Visualisationsbereich Visualisation aufgabenrelevanter Teilaspekte; Visualisation veränderter aufgabenrelevanter Teilaspekte; Visualisation von Ist-Soll-Diskrepanzen. ('Was soll visualisiert werden?') Quantitativer Visualisationsbereich ('Wieviel soll visualisiert werden?' Topologischer Visualisationsbereich ('Wie soll visualisiert werden') 1 Oberflächenkomplexität = Dialogkomplexität + Anwendungskomplexität; Dichte des Informationsangebotes; Umfang der textuellen und bildhaften Rückmeldungen; Menge der Hervorhebungen; Menge von Hinweis- und Leitzeichen. Abstraktionsgrad; Anordnungsstruktur; Hervorhebungen und Hinweiszeichen (Farbe, Schattierung, Zoom); Präsentationswiederholungen. Siehe z.B. die 'Desktop'-Metapher als Gestaltungsrahmen für den Einsatz von Software im Bürobereich oder die 'Karteikasten'-Metapher bei dem Einsatz von Datenbanksystemen. In wie weit jedoch diese Art von Metaphern auch bei völlig neuartigen Strukturen (z.B. HyperText-Systemem) einsetzbar ist, bleibt fragwürdig (Rauterberg und Hof 1995). 100 Die Forderung nach Transparenz 6.2 Diese einzelnen Dimensionen dienen der Gestaltungsgrundlage für die Visualisierungen im Sinne der Transparenz. Die konkreten Objekte, um die es sich z.B. bei einer GUIOberfläche handelt, sind Fenster, Pull-down-Menüs und Ikonen (Zeidler und Zellner 1992). Zur Ikon- und Menügestaltung liegt schon eine umfangreiche Forschungstätigkeit vor (Staufer 1987; Lauter 1987). Im Rahmen der Prozesssteuerung ist die Gestaltung der Bildschirmdarstellungen für die von den Benutzern benötigten Informationsquellen von Härtner (1988) beispielhaft untersucht worden. Bisher gibt es noch keine umfassende Theorie, aus der sich unabhängig von der jeweiligen Aufgabe ableiten liesse, welche Eigenschaften des Zustandsraumes eines interaktiven Systems in welchen interaktiven Situationen von welchem Benutzer benötigt werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist dabei eine entsprechende Aufgabenanalyse, welche auf diese Fragen ein besonderes Augenmerk richtet (Gediga, Greif, Monecke und Hamborg 1989; Beck und Ilg 1991; Greif und Hamborg 1991; Ziegler und Janssen 1995). Ein erstes heuristisches Vorgehen besteht darin, dass der Systemdesigner sich in denjenigen interaktiven Situationen, in denen vom Benutzer Entscheidungen verlangt werden, Rechenschaft darüber ablegt, welche Informationen für eine sinnvolle Entscheidung vom Benutzer benötigt werden könnten (McKendree und Carroll 1987; Monecke und Hamborg 1989). Da die Interessen der Benutzer und ihre individuellen Unterschiede sehr verschieden sein können, ist es allgemein ratsam, dem Benutzer soviel wie möglich an Zustandseigenschaften mit Hilfe von TOpen zugänglich zu machen. Um den Benutzer jedoch nicht zu überfordern, sollte Anzahl und Umfang der TOpen anpassbar sein (Haaks 1992). Transparenz Feedback Kompatibilität Konsistenz Unterstützung Abbildung 6.2.1 Die Forderung nach 'Transparenz' setzt sich inhaltlich aus den vier Richtlinien 'Feedback', 'Kompatibilität', 'Konsistenz' und 'Unterstützung' zusammen. Es scheint sinnvoll zu sein, Transparenz als eine globale Systemeigenschaft und nicht als eine einzelne Gestaltungsrichtlinie aufzufassen. Allerdings ebenfalls soweit zu gehen wie 101 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' Maass (1994), nämlich "Transparenz als Idealzustand der Mensch-Computer Interaktion" zu definieren, würde eine zu starke Betonung allein dieses einen Aspektes bedeuten. Wenn man Transparenz jedoch nur etwas weiter fasst, entgeht man zumindest dem Problem, unter Transparenz all diejenigen Aspekte zusammenfassen zu müssen, welche sich besser einzeln unter Feedback, Kompatibilität, Konsistenz und Unterstützung diskutieren lassen (siehe Maass 1983). Ein System kann dann als transparent gelten, wenn es ausreichend Feedback gibt, kompatible Wahrnehmungs- und Interaktionsstrukturen anbietet, welche hinreichend konsistent sind, sowie dem Benutzer verschiedene Arten von Unterstützung anbietet. Durch diese Verlagerung von Transparenz auf die Ebene der emergenten Systemeigenschaften müssen wir auch das Konzept der Transparenzoperatoren auf die Gestaltungsrichtlinien Feedback, Kompatibilität, Konsistenz und Unterstützung ausdehnen (siehe Abbildung 6.2.1). Transparenz lässt sich durch zwei unterschiedliche Arten von Feedback erhöhen: statisches und dynamisches Feedback. Ein interaktives System gibt dann statisches Feedback, wenn der Benutzer die statische Struktur des interaktiven Systems bzw. wesentliche Eigenschaften dieser Struktur (z.B. das Operatorsystem) während des Umganges mit dem System wahrnehmen, erlernen und adäquat handhaben kann. Unter den Aspekt des statischen Feedbacks fällt also die Visualisierung hinsichtlich der von der DK und AK angebotenen Funktionalität (Card und Henderson 1987, Fitzgibbon und Patrick 1987, Krönert 1987) und des Aufbaus der Menüstruktur (Widdel und Kaster 1986, Lüdtke und Nackunstz 1987). Bei der Entwicklung von Programmierumgebungen werden verstärkt die bearbeiteten Programmstrukturen visuell umgesetzt und auf der E/A-Schnittstelle in einer statischen Form dem Benutzer zugänglich gemacht (Shneiderman et al. 1986, Wiecha und Henrion 1987, Haarslev und Möller 1989). Auf die Bedeutung der Vermittlung der Design-'Philosophie' – von Keil-Slawik (1987) auch Systemrationalität genannt – soll hier hingewiesen werden. Damit ist gemeint, dass bei den gängigen Softwareprodukten aus dem Bereich der Standardsoftware (wie Textverarbeitung, Datenbanken, Tabellenkalkulation) die Entwickler von einem bestimmten Ablauf bei der Bearbeitung der jeweiligen Anwendungsobjekte ausgehen. Diese Sicht der Entwickler wird jedoch meistens weder in der Dokumentation noch in der Software selbst explizit vermittelt. Der Benutzer erkennt diese Systemrationalität meistens nur implizit daran, dass ein Bearbeitungsweg gemäss der Designphilosophie von dem jeweiligen Softwareprodukt optimal bewältigt wird. Wenn der Benutzer jedoch einen davon abweichenden Bearbeitungsweg wählt, was viele Softwareprodukte oftmals zulassen, hat er mit Seiteneffekten, bzw. unbeabsichtigten Auswirkungen, zu rechnen. 102 Die Forderung nach Transparenz 6.2 Unter dynamischem Feedback soll sowohl die statische Rückmeldung über dynamische Prozesse, als auch die dynamische Rückmeldung über Prozessverläufe selbst verstanden werden. Hinweise auf die Gestaltung von statischen Repräsentationsformen dynamischer Prozesse finden sich bei Kindborg und Kollerbaur (1987) und Rauterberg (1994). Kindborg und Kollerbaur unterscheiden dabei die Darstellung von Handlungsträgern und Handlungsabläufen und berufen sich auf Darstellungsmittel, wie sie in den Bereichen des Comics und des Zeichentrickfilms verwendet werden. Im Bereich der Simulation von dynamischen Systemen werden z.B. 'system-dynamic'-artige Modelldiagramme eingesetzt (Häuslein und Hilty 1988). Das dynamische Feedback dient der Visualisierung von dynamischen Prozessen in Form dynamischer Abläufe. So wurde in einer Programmierumgebung für eine visuelle Programmiersprache der Ablauf der Wertzuweisungen an die einzelnen Parameter visuell nach ikonischen Regeln umgesetzt (Janke und Kohnert 1989, Schröder et al. 1990). Dynamisches Feedback wird sehr gut im einfachsten Fall über 'analoge' Zustandsanzeigen realisiert (z.B. 'percent-done progress indicator' Myers 1985, Dählmann-Heinecke und Heinecke 1989). 6.3 P RODUKTBEZOGENE M ESSUNG VON F EEDBACK Feedback: Feedback beinhaltet die Art und Weise der Rückmeldungen seitens des Systems an den Benutzer, welche dem Benutzer gegenüber Auskunft über den aktuellen Systemzustand, als auch über Erfolg oder Misserfolg seiner Handlungen geben. Diese Rückmeldungen können somit zur Korrektur der Handlungsplanung und -ausführung herangezogen werden. Rückmeldungen über statische und dynamische Systemeigenschaften dienen dem Erlernen, bzw. der Ausdifferenzierung der mentalen Vorstellungen des Benutzers. Feeback Anzahl (und Art) an Repräsentationsformen der interaktiven Funktionen Wirkungsbreite und Reversibilität der Interaktionsoperatoren Anzahl (und Art) an Repräsentationsformen der interaktiven Objekte Eingangs- und Ausgangsbestimmbarkeit der Interaktionsoperatoren Ein/AusgabeSchnittstelle InteraktionsSchnittstelle Aktivierbarkeit und Anwendungsbreite der Anwendungsfunktionen WerkzeugSchnittstelle Abbildung 6.3.0.1 Die produktbezogenen Aspekte der Gestaltungsrichtlinie Feedback bezogen auf die drei Seeheim-Schnittstellen. 103 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' Um die Gestaltungsrichtlinie 'Feedback' quantitativ bestimmen zu können, lassen sich in einem ersten Schritt als grobe Annäherung die Summe über alle Quotienten zwischen wahrnehmbaren und verborgenen Objekten und Funktionen berechnen (Definition des Ausmasses an absolutem Feedback). Um dieses Mass unabhängig von der aktuellen Anzahl an Dialogkontexten zu definieren, kann das Verhältnis der Anzahl an WFIPen zu der Anzahl an VFIPen als Mittelwert über alle Dialogkontexte hinweg errechnet werden (Definition des Ausmasses an relativem Feedback; zur Erläuterung von WFIP und VFIP siehe oben). Wir gehen dabei von der folgenden Überlegung aus: Je mehr WFIPe vorhanden sind, desto grösser ist auch das Ausmass an statischem Feedback über das Operatorsystem. In diesem Sinne wird die Messung von Feedback ausschliesslich auf die Anzahl wahrnehmbarer Repräsentationen der Dialog- und Anwendungsoperatoren und -objekte beschränkt! Der gesamte Bereich der Dialog- und Anwendungszustände bleibt vorerst unberücksichtigt. 6.3.1 Quantitative Masse für Feedback Wir definieren verschiedene Masse, welche das Ausmass an Feedback getrennt für die interaktiven Objekte und die interaktiven Funktionen (dargeboten als interaktive Operatoren) messen. Es wird hier zunächst nicht zwischen der Dialog- und der Anwendungsfunktionalität unterschieden, obwohl sich die Masse (AFBO und AFBF bzw. AFBF RFBF) auch jeweils getrennt für diese beiden Funktionsbereiche angeben liessen. (Definition des ABSOLUTEN FEEDBACKs der interaktiven Objekte) K AFBO = Σ d=1 AFBO #WOd #VOd K 104 (#WOd / #VOd) absolutes Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Objekte; Anzahl an allen wahrnehmbaren nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an allen verborgenen nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einem VO. Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 (Definition des ABSOLUTEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen) K AFBF Σ = d=1 AFBF #WFIPd (#WFIPd / #VFIPd) absolutes Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Funktionen; Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF. #VFIPd K Die beiden so definierten Masse AFBO und AFBF sind jedoch in ihrer Grösse noch abhängig von der absoluten Anzahl an analysierten Dialogkontexten im interaktiven System und können daher nur bedingt zum Vergleich zwischen verschiedenen Systemen herangezogen werden. Um diesen Nachteil auszugleichen, werden die beiden folgenden, relativen Masse RFBO und RFBF entwickelt. Wie man unschwer erkennen kann, lässt sich das Mass AFBO bzw. AFBF aus dem zugehörigen Mass RFBO bzw. RFBF einfach herleiten: AFBO = K * RFBO / 100% bzw. ABFF = K * RFBF / 100%. (Definition des RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Objekte) K RFBO = 1/K Σ d=1 RFBO #WOd #VOd K #WOd / #VOd * 100% relatives Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Objekte; Anzahl an allen wahrnehmbaren nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an allen verborgenen nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einem VO. 105 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' (Definition des RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen) K RFBF = 1/K Σ d=1 RFBF #WFIPd #VFIPd K #WFIPd / #VFIPd * 100% relatives Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Funktionen; Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF. Wenn AFBF bzw. RFBF auch zunächst einmal als globale Masse des funktionalen Feedbacks gelten können, so ergibt sich bei ihrer Anwendung folgendes Problem: Für mehrere WFIPe für genau einen VFIP liefert AFBF und RFBF nur ein verzerrtes Abbild des absoluten bzw. mittleren funktionalen Feedbacks (z.B. die Verwendung von Alias-Konstrukten: andere Kommandonamen, andere Ikonen usw.). Aus diesem Grund ist es ratsam, eine Korrektur vorzunehmen. Eine Korrekturmöglichkeit für diesen Fall besteht darin, bei der Quantifizierung der überzähligen WFIPen pro VFIP diese nur einmal zu zählen. (Definition des korrigierten RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen) K KRFBF = 1/K Σ d=1 (#WFIPd – #ÜWFIPd ) / #VFIPd * 100% KRFBF #WFIPd korrigiertes relatives Mass für funktionales Feedback; Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten im Dialogkontext d; #ÜWFIPd Anzahl an überzähligen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten bezüglich eines VFIP im Dialogkontext d; #VFIPd Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; K Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF. Es bleibt bisher der Aspekt vollständig unberücksichtigt, dass der für einen VFIP die Semantik tragende, perzeptuelle WFIP räumlich nicht mit dem aktionalen WFIP zusammenfällt. Bei den Massen AFBO, AFBF und RFBO, RFBF ist daher auch nicht die Trennung zwischen Bildschirm und Tastatur berücksichtigt; so ist z.B. ein maussensitiver Bereich repräsentational direkter als die Erklärung der Bedeutung einer Funktionstastenbelegung 106 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 auf dem Bildschirm Für diesen letzteren Fall muss der Benutzer immer noch die Semantik der jeweiligen Taste kognitiv kurzfristig zwischenspeichern, um während der Zuwendungsreaktion hin zur Tastatur behalten zu bleiben. Erst bei einem hochgeübten Benutzer, der mit seinen 10 Fingern 'blind' schreiben kann und keine Orientierungsreaktion bezüglich der Tastatur benötigt, fällt dieser Unterschied weg. Dies ist z.B. immer dann der Fall, wenn auf dem Bildschirm die Bedeutung (in irgendeiner Form) für einzelne Tasten (insbesondere Funktionstasten) als WFIP gegeben ist (siehe König 1989, S. 73). Wir müssen also zwischen der Menge der Elemente des Wahrnehmungsraumes (WFIPen) und der Menge der Elemente des wahrnehmbaren Aktionsraumes (WFIPAen) unterscheiden (siehe Abbildung 5.3.3). Diese Unterscheidung ist deshalb besonders wichtig, weil hier die eigentlich zusammengehörenden Elemente des Wahrnehmungsraumes und des Aktionsraumes auseinanderfallen. Diese Distanz ist durch die physikalische Entfernung ∆ zwischen WFIP und WFIPA messbar. Gegeben sei das folgende Beispiel: Auf dem Bildschirm wird zu jedem aktuellen Dialogkontext auf der untersten Bildschirmzeile die Belegung der Funktionstasten angezeigt. Die Menge der WAFIPe ist die Menge der Funktionstasten auf der Tastatur selbst, zumeist mit Benennungen wie F1.. bzw. PF1.. beschriftet. Die Menge der WFIPen ist die Menge der Bezeichnungen auf der untersten Bildschirmzeile: PF1=HELP oder ähnlich. Diese Zuordnung muss vom Benutzer entweder im Kurzzeit- oder bei längerer Übung im Umgang mit der jeweiligen Software auch im Langzeitgedächtnis für die handlungsleitende Entscheidung vorhanden sein. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Benutzer diese Zuordnung im externen visuellen 'Gedächtnis' belässt und die jeweilige Funktionstaste ohne Blickwendung hin zur Tastatur findet und betätigt. Erweitern wir nun das Mass für RFBF um diese physikalische Distanz, so kommen wir zur Definition des gewichteten relativen Feedbacks. Die Distanz zwischen einem gegebenen WFIP und seinem WFIPA wird in physikalischen Masseinheiten gemessen (z.B. in cm). Um dieser Distanz ∆ ein angemessenen Gewicht innerhalb des Gesamtmasses zu geben, wird der Korrekturfaktor C eingeführt. Dieser Korrekturfaktor C dient zusätzlich noch dazu, die physikalische Masseinheit herauszukürzen und hat daher selbst die jeweilige Masseinheit der Distanz ∆. (Definition des gewichteten RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen) GRFBF = 100% * 1 / K Id K ∑ 1/ I ∑ d d =1 i=1 ∆ i = 0; # WFIPi,d / # VFIPi,d ∆ > 0; # WFIP / (# VFIP * ∆ / C) i,d i,d i,d i 107 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' GRFBF #WFIPd #VFIPd K ∆i WFIPi WFIPAi C Id gewichtetes, relatives Mass für das Ausmass an funktionalem Feedback; Anzahl an repräsentationalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d; Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF; = |WFIPi – WFIPAi|d der Absolutbetrag der physikalisch messbaren Distanz des i-ten WFIP zu seinem WFIPA im Aktionsraum bezüglich Dialogkontext d (Angabe z.B. in cm); der i-te wahrnehmbare Interaktionspunkt des Wahrnehmungsraumes; der i-te wahrnehmbare Interaktionspunkt des Aktionsraumes; Korrekturfaktor für die Distanz; z.B. C=10 cm; Anzahl der vorhandenen Interaktionsdistanzen bezüglich des Dialogkontextes d. Bei der Anwendung des Masses GRFBF wird der Unterschied einer traditionellen CUIOberfläche mit den üblichen Auswahlmenüs (Zahlen oder Buchstabenkodierungen für die entsprechenden Menüoptionen) zu einer mausgesteuerten Oberfläche deutlich. Bei der mausgesteuerten Oberfläche werden die Distanzen ∆ = |WFIP–WFIPA| überwiegend Null ergeben. Ebenso lassen sich Benutzungsprobleme bei Grafiktabletts vorhersagen, wenn die Aufteilung der Funktionen auf den Wahrnehmungsraum (z.B. Bildschirm) und den wahrnehmbaren Aktionsraum (z.B. wechselnde Bedeutung der [Funktions-]Tasten der Messlupe) ein ständiges hin- und herpendeln für den Benutzer erzwingen. Besonders kritisch wird es dann, wenn die Messlupe auch noch gleichzeitig selbst als 'Maus' eingesetzt werden muss! Die bisher vorgestellten Masse geben natürlich nur einen rein quantitativen Aspekt des Ausmasses an Feedback wieder und lassen die Problematik der semantischen Bedeutung der einzelnen WFIPen völlig ausser acht (siehe die beachtenswerten Ergebnisse von Streitz, Lieser und Wolters 1989). Es ist jedoch oftmals – wie hier auch – ein trade-off: Verlust an Semantik, Gewinn an quantitativer Exaktheit. Wie werden nun die Kennwerte für eine gegebene Benutzungsoberfläche ermittelt? Die folgende Verfahrensvorschrift beschreibt, wie man im einzelnen vorzugehen hat: 1. Es werden alle zu analysierenden Dialogkontexte festgelegt und in Form eines Interaktionsstrukturschemas graphisch aufbereitet (siehe Abbildungen A.1 bis A.4 im Anhang). Jeder mögliche Wechsel zwischen einzelnen Dialogkontexten wird durch eine gerichtete Kante in dieses Schema eingetragen (siehe auch Alty und Mullin 1989, sowie Gieskens und Foley 1992, Janssen 1993). 108 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 2. Für jeden Dialogkontext wird die Anzahl aller wahrnehmbaren und verborgenen interaktiven Objekte bzw. Funktionen ausgezählt und in das zugehörige Schema des Dialogkontextes eingetragen. Es lassen sich auch – für eine vorläufige, globale Charakterisierung – Summen- und Mittelwerte mit zugehöriger Standardabweichung berechnen. Es ist jeweils festzustellen, ob es sich um ein Dialog- oder Anwendungsobjekt bzw. -funktion handelt. 3. Für jeden Dialogkontext wird das Verhältnis #WO/#VO bzw. #WFIP/#VFIP berechnet und dem entsprechenden Dialogkontext zugeordnet. 4. Die Anwendung der einzelnen Masse auf dieses Schema erlaubt die einfache Berechnung der definierten Kennwerte pro Mass. Da es sich bei den Massen RFBO und RFBF um arithmetische Mittelwerte handelt, kann man mit einem entsprechenden Taschenrechner bzw. Statistikprogramm auch gleichzeitig die zugehörige Streuung bzw. Standardabweichung als zusätzliches Mass für die Variation des jeweiligen Kennwertes über alle Dialogkontexte hinweg berechnen. 6.3.2 Ausmass an Feedback einer CUI-Oberfläche Zunächst werden alle zu analysierenden CUI-Dialogkontexte festgelegt. Dann werden anhand der Dokumentation oder durch systematisches Ausprobieren, alle verborgenen und wahrnehmbaren Interaktionspunkte ermittelt. Dies bedeutet in der Regel eine vertiefte Einarbeitung in die zu analysierende Software und kann sich ohne automatische Unterstützung – je nach Vorkenntnissen – über Stunden und Tage erstrecken. So bietet z.B. das Programm MsWORD dem Benutzer unter der Menüoption "Extras:Befehle…" die Möglichkeit, sich automatisch eine vollständige Liste aller WORD-Funktionen (VFIPe) erstellen zu lassen. 109 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' DB.Addressen (CON,CON) ( - - - ) Datei.Eingabe Verbindung:>CH..Neukom, Anja_____ Anrede: Frau_ Vorname: Anja____________ Nachname: Neukom____ Strasse: Irchelstr. 10_____ Stadt: 8057 Zuerich__________ Land: Switzerland_________ Telephon: +49-1-3622951__ Bemerkung: _______________________________________________ 1Feld 2Richtg 3 4Merk 5 6 7Rechn 8Druck 9Fertig 10Stop Abbildung 6.3.2.1 Die CUI-Oberfläche eines Datenbankprogrammes mit allen WFIPen und WOen. Bei dem dargestellten Dialogkontext in Abbildung 6.3.2.1 befindet man sich in der Routine 'Eingabe' des Moduls 'Daten' des Datenbankprogrammes ADIMENS. Der Benutzer hat die Möglichkeit, bei dem 'Eingabe'-WAFIP (senkrechter Strich) weitere ASCIIZeichen einzugeben bzw. zu löschen. Die Verlagerung dieses WAFIP erfolgt über die Cursortasten. Die weitere Dialogsteuerung kann in diesem Dialogkontext nur noch über die Funktionstasten erfolgen. Die Semantik der Funktionstasten ist in der untersten Bildschirmzeile gegeben. Bei jedem Interaktionspunkt, der gefunden wird, muss entschieden werden, ob es sich um eine Anwendungs- oder eine Dialogfunktion handelt. Hierbei hilft die oben bereits beschriebene Faustregel: Alle Operatoren, welche Änderungen des Anwendungsobjektes hervorrufen, beruhen auf Anwendungsfunktionen; alle anderen Operatoren beruhen auf Dialogfunktionen! Das Ergebnis dieses ersten und zweiten Schrittes ist ein Interaktionsstrukturschema und ist in Abbildung A.1 im Anhang zu sehen. 110 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 Tabelle 6.3.2.1 CUI-Oberfläche mit den Kennwerten für wahrnehmbare bzw. verborgene dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl analysierter Dialogkontexte D]. nur für betroffene D Art der FIPe VAFIP WAFIP VDFIP WDFIP Kennwert (± Std) 27,1 (± 25,3) 2,5 (± 3,2) 11,0 (± 18,1) 4,9 (± 3,9) K 16 16 33 33 über alle D Kennwert (± Std) 12,1 (± 21,2) 1,1 (± 2,5) 10,1 (± 17,6) 4,5 (± 3,9) K 36 36 36 36 Gesamtzahl 434 40 362 162 Im zweiten Schritt wird zur globalen Charakterisierung der Oberfläche die Summe und der Kennwert mit Standardabweichung (Streuung) für jeden der vier Interaktionspunkttypen (VAFIP, WAFIP, VDFIP, WDFIP) ausgezählt bzw. errechnet. Das Ergebnis ist in Tabelle 6.3.2.1 gegeben. Die relativ hohen Werte für die verborgenen anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (VAFIP) kommen dadurch zustande, dass bei Interaktionspunkten mit reiner Texteingabe, alle in Frage kommenden ASCII-Tasten der separaten Tastatur genau einmal als ein VAFIP gezählt werden. Wenn diese Eingaben dagegen ebenfalls über eine auf dem Bildschirm sichtbaren ASCII-Tabelle mittels Mausklick erfolgen können (wie z.B. bei MsWORD), so sind entsprechende WAFIPe mitzuzählen. Zur vorläufigen Beurteilung dieser CUI-Oberfläche anhand der gewonnenen Kennwerte berechnen wir das Verhältnis von WAFIP zu VAFIP. Es ergibt sich der Wert von 2.5/27.1 = 0,08; d.h. nur ca. 8 % aller VAFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung (WAFIPe) auf dem Bildschirm. Etwas besser sieht es bei den DFIPen aus: Ca. 44% aller VDFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung. Aufgrund der stark unterschiedlichen und teilweise hohen Streuungen (±2,5 bis ±25,3; Tabelle 6.3.2.1) zwischen den verschiedenen Dialogkontexten erhalten wir jedoch erst dann validere Angaben, wenn wir das Mass AFBF bzw. RFBF berechnen (siehe weiter unten). 6.3.3 Ausmass an Feedback einer GUI-Oberfläche Da die GUI-Oberfläche fast beliebig viele Fenster – und damit entsprechende Dialogkontexte – zulässt, besteht die Schwierigkeit, nicht genau angeben zu können, wieviel Fenster bzw. verschiedene Dialogkontexte für die Aufgabenbearbeitung aktuell benutzt werden könnten. Wir behelfen uns zur Lösung dieses Problems damit, dass wir für die Quantifizierung einer GUI-Oberfläche nur untere Abschätzungen angeben. 111 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' DeskDatei Edit VerbundWahl RechnenSchalterOption Programm VERBUND.Lieferant-Nr VERBUND.Lieferant-Nr ( ) Lieferant-Nr Artikel-Nr Menge LIEFERANT ARTIKEL 500010 500010 604650 604650 604650 1001 1002 1001 1002 2004 Diskette 250 10 500 100 50 Drucker LIEFERUNG VERBUND KlemmbrettMischen Sortierbrett F1 F2 F3 Eingabe Löschen Ändern F4 Suchen F5 F6 Anzeigen Datei Im/Export F7 F8 Schlüssel Sortier. Papierkorb F10 Ende Abbildung 6.3.3.1 Die GUI-Oberfläche des Datenbankprogrammes mit allen WFIPen und WOen. Die im folgenden bezüglich der GUI-Oberfläche aufgeführten Werte stellen somit untere Grenzwerte dar, welche oftmals überschritten werden. Dieser Ansatz ist daher als konservativ anzusehen, weil die GUI-Oberflächen im Einzelfall noch deutlich höhere Kennwerte erhalten können, als wir in unserer Quantifizierung berücksichtigen. Um z.B. die Interaktionsstruktur graphischer Oberflächen vollständig zu beschreiben, reichen kontextfreie Sprachen bzw. Zustandsübergangsdiagramme (ZÜD) nicht aus. "Für realistische graphische Anwendungen ist eine Spezifikation mit ZÜD nicht durchführbar. Allerdings ist die Komplexitätsbeherrschung graphischer Interaktionen auch mit anderen existierenden Spezifikationsmittel nicht gelöst, weil nicht die Spezifikationsmittel selbst, sondern der Umfang graphischer Benutzerschnittstellen und die Feinregulierung der Beschreibung die Problemursachen darstellen " (Hübner 1990, S. 284). Es ist dennoch oftmals ausreichend, durch eine entsprechende Abstraktion und damit einhergehende Vereinfachung die jeweils relevanten Aspekte hinreichend genau abschätzen 112 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 zu können (siehe z.B. Rauterberg 1988b, bzw. Abbildung A.2 im Anhang). Weiterhin haben wir vereinfachend bei der Menüauswahl in Pull-down-, bzw. Pop-up-Menüs von Desktop- bzw. direktmanipulierbaren Oberflächen folgendes Vorgehen gewählt: Obwohl die einzelnen Menüoptionen nicht permanent sichtbar sind, zählen wir dennoch alle aktivierbaren Menüoptionen als vollwertige WFIPe zum jeweiligen Dialogkontext hinzu. Die Operation 'Auswahl einer Menüoption' lässt sich aus der folgenden 'analogen' Aktionssequenz zusammengesetzt betrachten: 'Mausklick auf Menünamen' + 'Auswahl der Menüoption' + 'Aktivierungsaktion'. Diese vereinfachende Annahme verhindert, dass jede Menüoperation als ein neuer Dialogkontext gezählt werden muss. Dies lässt sich dadurch rechtfertigen, dass durch den 'Mausklick auf Menünamen' in der Regel keine Einschränkung im aktuellen Umfang der ansonsten ebenfalls aktivierbaren Operatoren hervorgerufen wird. Tabelle 6.3.3.1 GUI-Oberfläche mit den Kennwerten für wahrnehmbare bzw. verborgene dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl analysierter Dialogkontexte D]. nur für betroffene D Art der FIPe VAFIP WAFIP VDFIP WDFIP Kennwert (± Std) 28,8 (± 25,8) 2,6 (± 3,2) 20,4 (± 26,9) 15,2 (± 18,7) K 19 19 28 28 über alle D Kennwert (± Std) 19,5 (± 25,1) 1,8 (± 2,9) 20,4 (± 26,9) 15,2 (± 18,7) K 28 28 28 28 Gesamtzahl 547 49 570 425 Zur vorläufigen Beurteilung dieser GUI-Oberfläche berechnen wir das Verhältnis von WAFIP zu VAFIP. Es ergibt sich der Wert von 2,6/28,8 = 0,09; d.h. nur ca. 9 % aller VAFIPe haben – ähnlich wie bei der CUI-Oberfläche – eine wahrnehmbare Entsprechung (WAFIPe) auf dem Bildschirm. Deutlich besser sieht es bei den DFIPen aus: 75 % aller VDFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung. Auch bei dieser Oberfläche messen wir stark unterschiedliche und teilweise hohe Streuungen zwischen den verschiedenen Dialogkontexten (±2,9 bis ±26,9; Tabelle 6.3.3.1), so dass wir die genauere Analyse mittels AFBF und RFBF abwarten wollen. 6.3.4 Ein Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche Bei der CUI- und der GUI-Oberfläche – insbesondere in den Dialogkontexten mit Texteingabe – kommen auch nicht wahrnehmbare Interaktionspunkte vor. Wir erhalten daher Feedbackwerte deutlich unter 100% (siehe Tabelle 6.3.4.1). Bei der Berechnung von AFBF und RFBF haben wir jedoch zunächst nicht zwischen WDFIPen und WAFIPen 113 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' unterschieden, sondern einen allgemeinen Kennwert über alle Interaktionspunkte hinweg berechnet. Um GRFBF zu bestimmen, haben wir eine mittlere Distanz zwischen Bildschirm und Tastatur von 20 cm angenommen, so dass sich für jeden Interaktionspunkt der Tastatur (WFIPA) eine Korrektur mit C=10 cm um den Faktor 2 ergab. Durch diese Korrektur wird das Ausmass an Feedback des jeweiligen WFIPA und seines zugehörigen VFIP um die Hälfte reduziert. Da bei der CUI-Oberfläche keine maussensitiven Bereiche existieren, sondern zu jedem WFIP auf dem Bildschirm ein entprechender WFIPA auf der Tastatur gehört, macht sich diese Korrektur deutlich bemerkbar. Bei der GUI-Oberfläche kommt diese Korrektur nur dann zum Tragen, wenn es im entsprechenden Dialogkontext primär um Texteingabe über die separate Tastatur geht. Zur speziellen Bedeutung und Wirkung der Interaktion mit einem direktmanipulativen Gerät (z.B. Maus) siehe die Diskussion im Abschnitt 5.3. Tabelle 6.3.4.1 Ergebnisse der Masse AFBF, RFBF und GRFBF (plus Standardabweichung) für die beiden Oberflächen des relationalen Datenbankprogramms [K = Anzahl analysierter Dialogkontexte, F = Anzahl verborgener Funktionen]. Interaktionsstruktur CUI-Oberfläche GUI-Oberfläche AFBF 26,3 18,4 RFBF 73% ± 40% 66% ± 38% K 36 28 GRFBF 42% ± 22% 61% ± 39% F 796 1117 Um die Ergebnisse unserer empirischen Vergleichsstudie zwischen diesen beiden Oberflächen zu erklären (Rauterberg 1989a, 1992e), haben wir zunächst angenommen, dass die GUI-Oberfläche deutlich mehr visuelles Feedback im Sinne von Transparenz besitzt (siehe Ulich et al. 1991). Diese Interpretation lässt sich anhand der quantitativen Unterschiede bzgl. der Kennwerte von AFBF und RFBF nicht aufrechterhalten (siehe Tabelle 6.3.4.1). Erst wenn man das Mass GRFBF zum Vergleich heranzieht, kann der angenommene Unterschied zu Gunsten der GUI-Oberfläche aufgezeigt werden. Weiteren Forschungsarbeiten bleibt zunächst vorbehalten, herauszufinden, ob unsere Wahl des Korrekturfaktors C = 10 cm valide ist. Auch scheint – statt der räumlichen – die zeitliche Dimension zur Korrektur sinnvoll einsetzbar zu sein (siehe oben die Diskussion über die Behaltenskurve für das Kurzzeitgedächtnis zu Abbildung 3.1.2). Ebenso wäre die Anzahl an Transparenzoperatoren (TOpen) als Dimension für den Korrekturfaktor denkbar: Wieviel TOpen werden benötigt, um an die Beschreibung über die Benutzung eines Interaktionspunktes z.B. in einem Online-Hilfesystem heranzukommen? Wir haben hier zunächst nur deshalb die interaktiven Funktionen ausgewertet, weil die Handlungsplanung des Benutzers primär auf der wahrgenommenen Verfügbarkeit und Verwendbarkeit des Operatorsystems beruhen. Insbesondere bei graphischen Ober- 114 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 flächen zeichnen sich die einzelnen Dialogkontexte überwiegend durch die WDFIPe und WAFIPe aus (siehe Abbildung 6.3.3.1). Wir werden weiter unten bei der Analyse einer multimedialen Oberfläche sehen, dass dort auch die wahrnehmbaren Objekte aus der Menge aller passiven Repräsentationsformen eine wesentliche Rolle spielen. Der Vergleich dieser beiden Oberflächen mittels RFBF bzw. GRFBF gilt daher zunächst nur eingeschränkt für das Funktionsfeedback und nicht für das Objektfeedback. Da unsere Masse nur den rein quantitativen Aspekt wiedergeben, ist auch nicht auszuschliessen, dass der deutlich nachweisbare Vorteil der GUI-Oberfläche noch zusätzlich in der Art der Objektrepräsentation selbst begründet ist (Art der Ikonen für die Dateien, Klemmbrett, Papierkorb usw., sowie die Dateiinhalte in einem Fenster mit den enthaltenen Datensätzen usw.). Nichts desto trotz ist Art und Umfang des Operatorsystems von ausschlaggebender Bedeutung. 6.3.5 Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur Der Ausgangspunkt dieser Analyse ist das multimediale Bankeninformationssystem 'Kiosk' (Version-A, Daum und Schlagenhauf 1993)1 . 'Kiosk' ist für eine deutsche Bankorganisation entwickelt worden und wurde erstmals in einer Schalterhalle des CashService dem Publikum öffentlich zugänglich. Benutzt wird es über einen berührungssensitiven Bildschirm ('Touchscreen'). Das System basiert auf einer sternförmigen bzw. hierarchischen Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.3 im Anhang). Wenn der Benutzer von einem Sachgebiet in ein anderes wechseln will, muss er innerhalb der stern- bzw. baumartigen Hierarchie immer über den Hauptknoten gehen. Alle maussensitiven Bereiche, welche eine Aufsteigen in der Hierarchie bewirken, sind in explizitem Design (Rauterberg 1993c) gestaltet ('ikonisierte Buttons' in der Schaltleiste; siehe Abbildung 6.3.5.1; Rauterberg und Schlagenhauf 1993). Alle absteigenden Interaktionsfelder sind dagegen meistens implizit gestaltet und in der Regel im Darstellungsbereich plaziert. Der Darstellungsbereich befindet sich zwischen der oberen Infozeile ("Wo bin ich?", Nievergelt 1982) und der unteren Schaltleiste ("Wohin kann ich gehen?"). 1 An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei der ADI GmbH in Karlsruhe, insbesondere Herrn Dr. habil. K. Schlagenhauf bedanken, ohne dessen grosszügige Unterstützung diese Untersuchung undenkbar gewesen wäre. 115 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' Abbildung 6.3.5.1 Bildschirmmaske des multimedialen Informationssystems mit sechs WFIPen (kreisförmiger Button unten Mitte, Bild links, 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit') und zwei nicht-funktionalen WOen ('Logo', 'Wegweiser'). Auf der Bildschirmmaske (Abbildung 6.3.5.1) sind sechs verschiedene funktionale Objekte zu sehen, welche im Darstellungsbereich angeordnet sind: Das Bild links, sowie die Begriffe 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit'. Ein Mausklick auf das Bild führt zu einem Maskenwechsel hin zu einer grundrissartigen Übersicht des betreffenden Stockwerkes mit einer Übersicht der dort angebotenen Dienstleistungen. Durch einen Mausklick auf einen der Begriffe gelangt der Benutzer zu dem entsprechenden Sachgebiet. Durch 'Drücken' des kreisförmigen Buttons kommt man genau eine Hierarchiestufe nach oben. Die Infozeile am oberen Maskenrand enthält keine interaktiven Objekte. Gemäss unserem quantitativen Beschreibungskonzept unterscheiden wir zwischen anwendungs- (AFIP) und dialogfunktionalen (DFIP) Interaktionspunkten. Was ist jedoch ein AFIP bei einem Informationssystem bzw. was ist die Anwendungskomponente? Da ein Informationssystem primär dazu da ist, zu informieren, haben wir alle berührungssensitiven Bereiche einer Masken dann als ein AFIP gezählt, wenn die zugehörige Folgemaske Sachinformationen enthält. Alle anderen aktivierbaren Objekte sind demzufolge reine DFIPe. Diese DFIPe dienen ausschliesslich dazu, die Navigation zwischen den verschiedenen Sachgebieten zu ermöglichen. Als erstes haben wir festgelegt, welche Masken Sachinformationen enthalten. Alle Vorgängermasken erhalten für den entsprechenden be- 116 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 rührungssensitiven Bereich, welcher zu der Maske mit Sachinformation führt, einen AFIP. Tabelle 6.3.5.1 Kennwerte, Standardabweichung und Gesamtzahl der wahrnehmbaren bzw. verborgenen dialog- und anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte]. Art der FIPe verborgene AFIPe VAFIP wahrnehmbare AFIPe WAFIP verborgene DFIPe VDFIP wahrnehmbare DFIPe WDFIP nicht-funktionale Objektrepräsentationen WO WAFIP + WDFIP + WO WOtot Kennwert (± Std) 3,5 (± 3,4) 3,5 (± 3,4) 0,5 (± 0,7) 0,5 (± 0,7) 5,9 (± 3,4) 10,0 (± 5,7) K 68 68 68 68 68 68 Gesamtzahl 241 241 34 34 404 679 In der Abbildung 6.3.5.1 zählen wir z.B. einen WDFIP (kreisförmiger Button) und fünf WAFIPe (Bild links, 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit'), sowie zwei zusätzliche, nicht-funktionale WOe ('Logo' und 'Wegweiser' in der Infozeile). Da ein multimediales Informationssystem in der Regel ohne separate Tastatur benutzt wird, kann es nur dann VFIPe geben, wenn (1.) ein berührungssensitiver Bereich keine wahrnehmbare Repräsentationsform hat, (2.) weiteren Maustasten entsprechende Operatoren zugeordnet oder (3.) Mehrfachklicks mit unterschiedlicher Bedeutung zugelassen sind. Keine dieser drei Bedingungen liegt in unserem Fall vor. Um das Ausmass an Feedback zu berechnen, stellt sich bei dieser Art von multimedialen Oberflächen ein besonderes Problem: Obwohl alle verborgenen Funktionen auch mit einem wahrnehmbaren Interaktionspunkt ausgestattet sind, kann es durch die Eigenschaften des Maskenkontextes zu Interpretationsschwierigkeiten kommen. Nicht alle wahrnehmbaren Objekte sind auch tatsächlich aktivierbar! Die Anzahl wahrnehmbarer Objekte pro Dialogkontext (Bildschirmmaske) lässt sich daher in zwei Teile aufteilen: (1.) die Menge aller funktionalen und damit aktivierbaren Objekte [WAFIP + WDFIP], und (2.) die Menge aller nicht-funktionalen Objekte [WO]. Der Benutzer hat also mindestens drei spezifische Orientierungsprobleme zu bewältigen: (1.) welches wahrnehmbare Objekt ist maussensitiv, (2.) welche Maske erscheint als nächstes, wenn ein maussensitiver Bereich aktiviert wurde, sowie (3.) wie komme ich wieder zu der vorherigen Maske zurück. Die Menge aller wahrnehmbaren Objekte eines Dialogkontextes [WOtot] ist die Summe aus (WAFIP + WDFIP + WO). Je näher der Quotient aus (WAFIP + WDFIP)/WOtot bei Eins liegt, desto seltener kommt es vor, dass nicht-funktionale Objekte fälschlicherweise 117 6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit' für aktivierbar gehalten werden. Wir erhalten für die Version-A des multimedialen Informationssystems den Quotienten (0,5 + 3,5)/10,0 = 0,40. Bei der Version-A sind im Mittel 40% aller wahrnehmbaren Objekte berührungssensitiv und daher aktivierbar. 6.3.6 Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur Um den Zugang zu den angebotenen Informationen der verschiedenen Sachgebiete des multimedialen Informationsystems (Version-A, siehe vorherigen Abschnitt) zu erleichtern, wurde eine neue Oberflächenversion entwickelt (Version-B): Wir verknüpften die einander zugehörigen Informationen miteinander (Brunner und Rauterberg 1993). D.h., zu jeder gefundenen Information sollte man die dazu relevanten anderen Informationen einfach und direkt aufrufen können (ausführlichere Beschreibung im Kapitel 7). Die dadurch erreichte Flexibilisierung bewirkt zugleich eine Zunahme der Komplexität der Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.4 im Anhang). Um diesem Gestaltungsziel gerecht werden zu können, musste teilweise der Übergang von explizitem zu implizitem Design vorgenommen werden (Rauterberg 1993c). Tabelle 6.3.6.1 Multimediales Informationssystem mit netzartiger Interaktionsstruktur: Kennwerte, Standardabweichung und Gesamtzahl der wahrnehmbaren bzw. verborgenen dialog- und anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte]. Art der FIPe verborgene AFIPe VAFIP wahrnehmbare AFIPe WAFIP verborgene DFIPe VDFIP wahrnehmbare DFIPe WDFIP nicht-funktionale Objektrepräsentationen WO WAFIP + WDFIP + WO WOtot Kennwert (± Std) 4,2 (± 4,5) 4,4 (± 4,7) 1,3 (± 1,1) 1,4 (± 1,1) 7,0 (± 2,7) 12,8 (± 6,3) K 65 65 65 65 65 65 Gesamtzahl 276 285 87 88 458 831 Die Veränderungen des multimedialen Informationssystems bei der Version-B beziehen sich im wesentlichen auf die Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.4 im Anhang). Das Ausmass an visuellem Feedback sollte sich daher von dem der Version-A nicht unterscheiden. Eine Besonderheit muss jedoch erwähnt werden: Bei der detaillierten Analyse der einzelnen Dialogkontexte haben wir überzählige WFIPen gefunden (siehe Dialogkontext 'Immobilien Angebot', 'Veranstaltungen' und 'Ausstellung' in Abbildung A.4 im Anhang). Schauen wir uns das im einzelnen an (siehe Tabelle 6.3.6.1). Es zeigen sich keine gravierenden Unterschiede hinsichtlich des Ausmasses an funktionalem Feedback zwischen den beiden multimedialen Oberflächen (siehe Tabelle 118 Produktbezogene Messung von Feedback 6.3 6.3.5.1 und Tabelle 6.3.6.1): Alle VFIPe haben auch mindestens einen WFIP. Der geringfügige Unterschied zwischen WAFIP und VAFIP bzw. WDFIP und VDFIP in Tabelle 6.3.6.1 ist bedingt durch die überzähligen WAFIPe bzw. WDFIPe. Das Verhältnis von (WAFIP + WDFIP)/WOtot beträgt (4,4 + 1,4)/12,8 = 0,45. D.h., dass im Mittel 45% aller wahrnehmbaren Objekte der Version-B berührungssensitiv sind. Das Problem der überzähligen WAFIPe bzw. WDFIPe wird im folgenden Abschnitt durch die Anwendung des Masses KRFBF adäquat berücksichtigt. 6.3.7 Vergleich der beiden multimedialen Informationssysteme Um die Kennwerte für die Masse AFBO und RFBO bzw. AFBF und RFBF berechnen zu können, müssen wir zuerst festlegen, welche Objekte des interaktionellen Raumes IR als WO und VO bzw. WFIP und VFIP anzusehen sind. Dies ist jedoch im allgemeinen bei multimedialen Informationssystemen recht einfach (siehe die Beschreibung zur Abbildung 6.3.5.1); die Darstellung dieser Ergebnisse für jeden Dialogkontext – einschliesslich der Interaktionsstruktur – ist in einem Interaktionsstrukturschema in der Abbildung A.3 bzw. A.4 im Anhang zu sehen. Tabelle 6.3.7.1 Multimediales Informationssystem mit baum- und netzartiger Interaktionsstruktur: Ergebnisse der Masse AFBO und RFBO bzw. AFBF und RFBF (plus Standardabweichung) [K = Anzahl analysierter Dialogkontexte]. Vers.: Struktur A: baumartig B: netzartig AFBO 404 458 RFBO 100% ± 0% 100% ± 0% AFBF 275 373 RFBF 100% ± 0% 103% ±16% KRFBF 100% ±0% 100% ±0% K 68 65 Da es bei den beiden Oberflächen unseres multimedialen Informationssystems weder verborgene Objekte, noch verborgene Funktionen gibt, sind alle entsprechenden Kennwerte für RFBO und RFBF mindestens 100% (siehe Tabelle 6.3.7.1). Die etwas höheren Werte für RFBF bei der Version-B mit der netzartigen Interaktionsstruktur sind durch insgesamt 10 überzählige funktionale Repräsentationen bedingt. Dieser Unterschied wird durch das Mass KRFBF vollständig ausgeglichen (siehe Tabelle 6.3.7.1). Wie wir sehen, unterscheiden sich beide Oberflächenversionen nicht hinsichtlich ihres relativen Ausmasses an Objekt- bzw. Funktionsfeedback. 119 7 DER GESTALTUNGSBEREICH 'KONTROLLE' Der Bereich der 'Kontrolle' ist in verschiedene Richtlinien untergliedert. Eine im Rahmen dieser Arbeit wesentliche Gestaltungsrichtlinie ist die 'Flexibilität' und ihr Verhältnis zu den Gestaltungsrichtlinien 'individuelle Anpassbarkeit (benutzerseitige Definierbarkeit)' und 'individuelle Auswahl-(möglichkeiten)'. Die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation' wird in Rauterberg et al. (1994b) behandelt. 7.1 'K ONTROLLE ' ALS B ESTANDTEIL MENSCHLICHER H ANDLUNGEN Kontrolle ist eine menschliche Aktivität, bei der Zustände bzw. Vorgänge 'kontrolliert' werden oder ein Wissen über diese Möglichkeiten vorhanden ist. Der Mensch hat dann das Gefühl von Kontrolle (über sich und/oder seine Umwelt), wenn die Wirkungen seiner Handlungen die von ihm beabsichtigten Ansprüche bzw. Ziele erfüllen. Je nach Anspruch kann eine Wirkung befriedigend oder unbefriedigend sein. Nicht alles lässt sich wirksam beeinflussen, dennoch ist das subjektive Gefühl der eigenen Wirksamkeit von existentieller Bedeutung (Flammer 1990, Ulich 1991). Menschliches Verhalten hat immer irgendwelche Wirkungen, unabhängig ob das Verhalten bewusst oder nicht bewusst, geplant oder nicht geplant ist. Handlungen sind geplantes und bewusst ausgeführtes Verhalten. Wenn das Ziel einer Handlung ausserhalb dieser Handlung selbst liegt, ist es oft möglich, das gleiche Ziel auf mehrere Arten erreichen zu können. Wenn die Arten der alternativen Zielerreichung komplex sind und sich die handelnde Person dessen mehr oder weniger bewusst ist, dann heissen die mental repräsentierten möglichen Wege zur Erreichung eines Handlungszieles Pläne (Miller, Galanter und Pribram 1960). Es lassen sich vier Kontrollbereiche unterscheiden (siehe Tabelle 7.1.1): (1.) Kontingenz-Wissen (K-W), (2.) Kontroll-Meinung (K-M), (3.) Kontrolle-Haben (K-H) und (4.) Kontrolle-Ausüben (K-A). Menschen, die Kontrolle ausüben, haben ein Wissen um das aktuell gesetzte Ziel (a) und es für sich selbst als handlungsleitend akzeptiert (e); sie kennen mindestens einen Weg, dieses Ziel zu erreichen (b), wissen von sich selbst, dass sie diesen Weg auch gehen können (c bzw. d) und gehen diesen Weg dann auch tatsächlich (f). Im Unterschied dazu bedeutet Kontrolle-Haben, dass Menschen nur von sich selbst überzeugt sind, dass sie den Zielerreichungsweg auch tatsächlich gehen könnten, tun es jedoch aktuell nicht. Um eine Kontroll-Meinung handelt es sich dann, wenn man zwar das Ziel kennt (a), auch einen Weg zur Zielerreichung (b), und sich selbst die Fähig- 120 Theoretische Grundlagen 7.1 keit zuschreibt, diesen Weg auch gehen zu können (c), aber diese Fähigkeit tatsächlich nicht besitzt (d). Kontingenz-Wissen umfasst alle gewussten Ziel-Mittel-Relationen (b). "Kontrolle ist im menschlichen Leben mindestens in zwei Formen existentiell, nämlich als aktives Kontrollieren und als Wissen, dass man über bestimmte Zielbereiche Kontrolle hat. Das erste dient dem aktiven Zielerreichen, das zweite ist Bestandteil des Selbstbildes und dient dem eigenen Selbstwert. ... Kontrolle ermöglicht eine gewisse Vorhersagbarkeit. Auch wenn Vorhersagbarkeit allein Stress reduzieren und das Wohlbefinden steigern kann, so sind diese Wirkungen der Vorhersagbarkeit doch weniger ausgeprägt als im Fall von Kontrolle..." (Flammer 1990, S. 112-113). Tabelle 7.1.1 Übersicht über die verschiedenen Arten der Kontrolle: KontingenzWissen (K-W), Kontroll-Meinung (K-M), Kontrolle-Haben (K-H) und Kontrolle-Ausüben (K-A) (in Anlehnung an Flammer 1990). Bestandteile von Handlungskontrolle a b c d e f das (bestimmte) Ziel Z kennen (mindestens) einen Zielerreichungsweg kennen zu glauben, diesen Weg selber gehen zu können diesen Weg auch tatsächlich selber gehen können das Ziel Z als aktuell gesetztes Ziel akzeptieren den gewählten Zielerreichungsweg selber gehen K-W K-M K-H K-A X X X X X X X X X X X X X X X Die verschiedenen Arten der subjektiven und/oder objektiven Kontrollmöglichkeiten sind in das Modell der verschiedenen Arbeitszufriedenheitsformen von Bruggemann (Bruggemann, Groskurth und Ulich 1975) eingeflossen. Oesterreich (1981, S.243) konnte zeigen, dass positive Gefühle aus der Erfahrung von Kontrollkompetenz bzw. KontrolleHaben resultieren ('zu wissen, diesen Weg selber gehen zu können' (d) siehe Tabelle 7.1.1). Stress ist nach Ulich (1981) insbesondere mit – tatsächlichem oder vermeintlichem – Kontrollverlust verbunden. Kontrollverlust geht einher mit Gefühlen der Bedrohung, des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und der Abhängigkeit. Um Anwendern von EDV möglichst frühzeitig und umfassend die Kontrolle über das EDV-System zu geben, dient die Gestaltungsrichtlinie der 'Partizipation' und der 'Individualisierbarkeit'. 7.2 D IE F ORDERUNG NACH 'I NDIVIDUALISIERBARKEIT ' "Wenn wir tatsächlich alle miteinander verwandt sein sollten, der Mensch des uns gegenwärtig vertrauten Typs also tatsächlich an einer Stelle (auf dieser Erde, Anm.d.V.) entstanden ist, dann ist das Geschehen auf der Welt als ein gigantischer Individualisierungsprozess zu deuten, personell und kulturell" (Deichsel 1988, S. 21). 121 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Sonderstellung der Gestaltungsrichtlinie 'Individualisierbarkeit' eingehen und seine Rolle im Bezug auf die anderen Gestaltungsrichtlinien herausarbeiten. Es muss davon ausgegangen werden (Ulich 1978), dass (1.) Benutzer individuell recht unterschiedlich sind, und (2.) die Berücksichtigung dieser Unterschiede bei der Werkzeuggestaltung einen positiven Effekt auf die Benutzer ausübt (Ulich 1978, Ackermann 1987, Ulich 1987 und 1989). Da der Softwareentwickler nicht im vorhinein jede jemals von irgendeinem Benutzer gewünschte Oberflächeneigenschaft vorwegnehmen kann, ist Individualisierbarkeit nur dadurch möglich zu erreichen, dass der Benutzer selbst später 'vor Ort' die Möglichkeit hat, die zunächst vorgegebene Oberfläche in seinem Sinne durch entsprechende Veränderungen anzupassen (Greutmann 1992, Haaks 1992). Mit dieser Möglichkeit der Individualisierbarkeit kann damit bei entsprechender Metafunktionalität die einmal vorgegebene Oberfläche (in einem gewissen Rahmen) umgestaltet werden. Die Gestaltungsrichtlinie Individualisierbarkeit (sowie auf der Ebene des Softwareentwicklungsprozesses die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation') nimmt eine Metarolle ein. Wir werden daher auch die zur individuellen Anpassung benötigten Operatoren Metaoperatoren nennen (im Unterschied zu Dehning, Essig und Maass 1978). Es wird dadurch – zusätzlich zu der im Zentrum der Gestaltung stehenden Benutzungsoberfläche – eine weitere Benutzungsoberfläche etabliert: Die Individualisierungsoberfläche zur Anpassung der Arbeitsoberfläche. Inwieweit die Bedienung dieser Individualisierungsoberfläche auch im Arbeitsalltag durch die Endbenutzer selbst durchgeführt werden kann, oder vom System durchgeführt werden sollte, wird an anderer Stelle diskutiert (Greutmann und Ackermann 1987, Karger 1990, Rauterberg und Thalmann 1992, Meyer 1994). Die Ziele der Individualisierbarkeit können auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Zum einen steht die Flexibilität zur Verfügung, die dem Benutzer jederzeit erlaubt, aus dem Angebot von mehreren vorhandenen Möglichkeiten irgendeine auszuwählen. Im Unterschied dazu bietet die individuelle Auswahl alternative Nutzungsvarianten an (z.B. 'configuration sets'), zwischen denen sich der Benutzer im Sinne von Wahlmöglichkeiten zunächst entscheiden muss. Diese Auswahlentscheidung wird durch Metaoperationen dem System mitgeteilt. Sobald der Benutzer jedoch seine Entscheidung getroffen hat, ist der weitere Bearbeitungsweg festgelegt und kann – im Gegensatz zur Flexibilität – nicht mehr sofort und unmittelbar neu gewählt werden, sondern bedarf stets mindestens einer zusätzlich Metaoperation. Eine weitere Möglichkeit der Individualisierbarkeit wird als individuelle Anpassung bezeichnet. In diesem Fall erlaubt das System dem Benutzer Änderungen an dem Granu- 122 Die Forderung nach Individualisierbarkeit 7.2 lationsgrad und/oder dem aktuell verfügbaren Funktionsumfang selber vornehmen zu können (Adaptierbarkeit durch Eigenprogrammierung), oder das System verändert sich selbst aufgrund der Nutzungsart des Benutzers (Autoadaptierbarkeit, siehe Haaks 1992 bzw. Debevc et al. 1994). Abbildung 7.2.1 zeigt eine Übersicht über die drei Grundsäulen der Individualisierbarkeit, sowie das zugehörige Ausmass an aktuellen bzw. potentiellen Freiheitsgraden. Individualisierbarkeit Flexibilität Individuelle Auswahl Individuelle Anpassung (Eigenprogrammierung) potentielle Freiheitsgrade (Meta-Dialog Aufwand) aktuelle Freiheitsgrade Abbildung 7.2.1 Die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' setzt sich inhaltlich aus den drei Richtlinien 'Flexibilität', 'individuelle Auswahl' und 'individuelle Anpassung' zusammen. Die Umsetzung der potentiellen Freiheitsgrade in aktuelle Freiheitsgrade erfordert einen Metadialog (siehe Ulich et al. 1991, S. 135-138). Um jedoch einen Benutzer zunächst überhaupt in die Lage zu versetzen, mit einem interaktiven Softwaresystem zu arbeiten, müssen Gestaltungsvorgaben gemacht werden. Diese Vorgaben sind sozusagen als Voreinstellungen ('default-values') anzusehen. Diejenigen Kriterien, welche unmittelbar auf die konkrete Gestaltung der Benutzungsoberfläche abzielen, dienen somit dazu, diese Voreinstellungen aus arbeitspsychologischer Sicht sinnvoll vornehmen zu können. Die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation' setzt an der Stelle an, an der der möglichst repräsentative Einbezug der BenutzerInnen in den Gestaltungsprozess diese Voreinstellungen herauszuarbeiten hilft (Rauterberg et al. 1994b). Im Unterschied zu dem Konzept von Oppermann (1989) gehen wir davon aus, dass die wesentliche Dimension primär aus Sicht des Benutzers darin besteht, Möglichkeiten zur individuellen Nutzung des Systems zur Verfügung zu haben. Für die softwaretechnische Umsetzung lassen sich die drei Gestaltungskonzepte für Individualisierbarkeit ausmachen: Flexibilität, individuelle Auswahl und individuelle Anpassung. 123 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Das Gestaltungskonzept Flexibilität ist im wesentlichen eine Systemeigenschaft (bei Oppermann 1989 auch 'Vielfältigkeit' genannt). Der Benutzer wählt zwischen den gleichzeitig angebotenen Alternativen die ihm angemessene aus (Merksatz: 'mehrere Möglichkeiten gleichzeitig'): z.B. Steuerung der Interaktion (1.) mit der Maus, (2.) über Funktionstasten oder (3.) durch die Eingabe von Kommandos. Alle Freiheitsgrade, welche das flexible System dem Benutzer permanent anbietet, stehen jeweils im aktuellen Dialogkontext parallel zur Verfügung. Im Unterschied dazu muss der Benutzer sowohl bei der individuellen Auswahl, als auch bei der individuellen Anpassung zunächst einen zusätzlichen Metadialog mit dem System führen. Durch diesen Metadialog wird die jeweilige Auswahl bzw. Anpassung dem System mitgeteilt: Umwandlung von potentiellen Freiheitsgraden in aktuelle Freiheitsgrade! Da nicht für alle Gestaltungsaspekte einer Oberfläche eine flexible Lösung möglich ist (z.B. die Verwendung von Farbe: ein Objekt kann entweder die eine oder die andere Farbe haben), müssen die beiden anderen Individualisierungsmöglichkeiten zusätzlich vorhanden sein. Abbildung 7.2.2 Individualisierungsoberfläche für die 'individuelle Auswahl' beim Textverarbeitungsprogramm MsWORD. Der Gestaltungsbereich individuelle Auswahl ermöglicht dem Benutzer, aus einer Menge von vorgegebenen Einstellungen eine ihm zusagende Einstellung auszuwählen (Merksatz: 'Eins zur Zeit, nach Auswahl aus dem Angebot'): Z.B. die Belegung der Tastatur; Farbe, Form oder Inhalt der Bildschirmelemente; Auswahl und damit Einschränkung auf die bevorzugte Interaktionsart usw. (siehe Abbildung 7.2.2). Hat sich der Benutzer einmal entschieden und das System per Metadialog gemäss seinen Vorstellungen konfiguriert, so 124 Die Forderung nach Individualisierbarkeit 7.2 kann er die anderen Alternativen erst nach einem weiteren Auswahldialog benutzen. Um den Metadialog für die Auswahl mit dem System führen zu können, ist eine spezielle Schnittstelle notwendig (z.B. das 'Schreibtischzubehör' beim Apple-MacIntosh oder die Option 'Befehle...' bei MsWORD). Diese Auswahl kann z.B. in einem separaten Fenster wie bei dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD erfolgen (siehe Abbildung 7.2.2). Der Gestaltungsbereich individuelle Anpassung erlaubt dem Benutzer mittels der vom System angebotenen Metafunktionalität die Eigenschaften und das Systemverhalten zu verändern. So kann z.B. der Benutzer die Bildschirmelemente und Interaktionsobjekte nach eigenen Vorstellungen frei benennen. Eventuell kann er den Bildschirmaufbau selbst neu definieren oder den Granulationsgrad des Operatorsystems dadurch verringern, dass er die einzelnen Basisfunktionen zu Makros zusammenfügt. Für alle diese Anpassungen benötigt der Benutzer eine spezielle Schnittstelle: die Individualisierungsoberfläche. Diese ist zumeist eine visuelle oder textuelle Programmierumgebung, mittels derer das System mit den neuen (zusätzlichen oder alternativen) Eigenschaften ausgestattet werden kann (z.B. die Batchdateien [*.bat] bei dem Betriebssystem MsDOS™). Einen guten Überblick über weitere softwaretechnische Möglichkeiten gibt Greutmann (1992, S. 48f) und Haaks (1992, S. 28ff). Abbildung 7.2.3 Individualisierungsoberfläche für die 'individuelle Anpassung' beim Textverarbeitungsprogramm MsWORD. Bei dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD™ (Vers. 5.0) besteht die Anpassungsschnittstelle aus einer Dialogbox, in der der Benutzer über eine Liste aller Funktionen (Menüoption 'Befehl...') die von ihm gewünschten Funktionen durch Anklicken mit der Maus auswählen und bestimmen kann, in welches Menü diese Funktion eingebaut wer- 125 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' den soll (siehe Abbildung 7.2.3). Zusätzlich lässt sich eine individuell definierbare Tastenkombination diesem Menüeintrag zuordnen. Lediglich die Benutzung dieser Dialogbox ist der notwendige Metadialog zur individuellen Anpassung dieses Programms. 7.3 P RODUKTBEZOGENE M ESSUNG VON F LEXIBILITÄT Flexibilität: Flexibilität meint die im System vorhandenen interaktiven Freiheitsgrade und damit die dem Benutzer prinzipiell zugestandene Autonomie zur Vorgehensweise bei seiner Aufgabenbearbeitung (z.B. alternative Wege durch die Interaktionsstruktur, unterschiedliche Reihenfolge der einzelnen Bearbeitungsschritte zur Aufgabenbearbeitung). Jede Art von aktuell gegebenen Freiheitsgraden, welche das System dem Benutzer ohne zusätzlichen Metadialog zur Verfügung stellt, fällt unter die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität'. Flexibilität ist die "Summe objektiv vorhandener Freiheitsgrade zur selbständigen Setzung und Erreichung von Teil-Zielen durch variable Abfolge von Teil-Schritten" (Spinas 1987, S.146). Die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass dem Benutzer gleichzeitig parallel nebeneinander verschiedene Nutzungsmöglichkeiten angeboten werden. Der Benutzer kann sich die ihm angemessene Art der Nutzung aussuchen und durchführen; dabei muss er sich nicht unbedingt aller aktuell vorhandenen Alternativen bewusst sein; es ist lediglich notwendig, dass er mindestens einen möglichen Zielerreichungsweg (siehe Abschnitt 7.1) kennt. Flexibilität ("mehrere Möglichkeiten gleichzeitig") Anzahl der gleichzeitig angebotenen Namen, bzw. Icons (z.B. Aliase) Art und Anzahl der gleichzeitig angebotenen Interaktionspfade Art und Anzahl der parallel angebotenen Bildschirmlayouts, bzw. mehrere Bildschirme Art und Anzahl der gleichzeitig vorhandener Interaktionsarten Anzahl der parallel vorhandenen Tastaturen, bzw. Eingabegeräte Art und Anzahl der vorhandenen Makros Art und Anzahl der angebotenen Funktionen, bzw. Funktionsbereiche InteraktionsSchnittstelle WerkzeugSchnittstelle Ein/AusgabeSchnittstelle Abbildung 7.3.0.1 Die produktbezogenen Aspekte der Gestaltungsrichtlinie Flexibilität bezogen auf die drei Seeheim-Schnittstellen. Um einem System Flexibilität zu verleihen, werden oft vielfältig zugängliche Funktionen angeboten. Da diese Funktionen permanent zur Verfügung stehen, kann der Benutzer je- 126 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 derzeit im aktuellen Dialogkontext entscheiden, welchen weiteren Bearbeitungsweg er einschlagen will (z.B. Menüaufruf mittels Maus oder Tastenkombination). Dadurch bedient der Benutzer nicht nur das System, sondern er behält die Kontrolle über die Systemnutzung (z.B. das Oberon-System; Wirth und Gutknecht 1992). Bei der Bedienung des Systems genügt es zunächst, wenn der Benutzer einen beliebigen Bearbeitungsweg kennt. Dies setzt jedoch eine absolute Äquivalenz der einzelnen angebotenen Funktionen, die die gleiche Zielerreichung ermöglichen, voraus (kein Auftreten von Seiteneffekten!). Die Tatsache, dass der Benutzer das System zufriedenstellend bedienen kann, ohne dabei alle Bearbeitungswege benutzen oder kennen zu müssen, erweist sich als ein anzustrebendes Ziel bei der Gestaltung flexibler Systeme. Ein sehr flexibles System kann unter Umständen sehr komplex werden. Zu grosse Flexibilität führt zu Unübersichtlichkeit und die Vorteile, die durch Flexibilität einem System zugefügt werden, können verloren gehen. In diesem Fall schafft die Einführung einer teilweisen Standardisierung (optimale Voreinstellung / 'weiche' Sollregelung) Abhilfe. Will man die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität produktbezogen messbar machen, so sind zunächst die verschiedenen Gestaltungsaspekte bzgl. der Ein/Ausgabe-, der Interaktions- und der Werkzeugschnittstelle zu bestimmen (siehe Abbildung 7.3.0.1). 7.3.1 Quantitative Masse für Flexibilität Da sich Flexibilität primär auf die Interaktionsstruktur bezieht, werden wir verschiedene Masse zu ihrer Quantifizierung definieren. Mit der Länge eines Interaktionspfades besteht nun die Möglichkeit eines vorläufigen, allgemeinen Masses zur Beschreibung einer Interaktionsstruktur: der Hierarchisierungsgrad (Spinas 1987, S. 117). Berechnen wir die mittlere Länge aller kürzesten Interaktionspfade einer Oberfläche von einem Startkontext hin zu einem VFIP, so erhalten wir die Kenngrösse HG. Die Einschränkung auf den kürzesten Interaktionspfad (min[lng(Pfdn)]) ist zunächst deshalb von Bedeutung, weil es bei netzartigen Interaktionsstrukturen meistens mehrere Interaktionsalternativen gibt. Wir werden diesen Aspekt weiter unten mit einem eigenen Mass quantifizieren. (Definition des HIERARCHISIERUNGSGRADES) N HG = 1/N Σ n=1 HG lng(Pfdn) N min[lng(Pfdn)] der Hierarchisierungsgrad; Länge des Interaktionspfades n; Anzahl aller VFIPe. 127 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Wenden wir dieses Mass HG auf den strikt hierarchischen Interaktionsbaum an (siehe Abbildung 5.5.1), so ergibt sich eine mittlere Pfadlänge von 3,7 (±0,8) für die 12 Interaktionspfade vom Startkontext bis hin zu den einzelnen Anwendungsfunktionen. Hierbei ist die Länge der möglichen Interaktionspfade hin zu einer Anwendungsfunktion (VAFIP) zu unterscheiden von der Länge hin zu einer Dialogfunktion (VDFIP). Zur Berechnung des Kennwertes HG für die VAFIPe geht man wie folgt vor: 1. Man markiert alle Dialogkontexte mit mindestes einem VAFIP. 2. Für jeden dieser Dialogkontexte zählt man die Anzahl der Interaktionsschritte, um vom 'Startmenü' zu diesem Dialogkontext zu gelangen. Dann muss noch genau ein extra Interaktionsschritt für die Aktivierung des jeweiligen VAFIP hinzugezählt werden. Dieser Kennwert wird dem jeweiligen Dialogkontext zugeordnet. 3. Man summiert diese Kennwerte über alle VAFIPe und alle markierten Dialogkontexte auf und teilt durch die Anzahl aller VAFIPe. Für alle vorhandenen VDFIPe kann man entsprechend vorgehen. Dialog-Kontexte mit den einzelnen DFIPen 1 3 2 4 8 5 12 9 a 3 11 10 7 6 13 14 VAFIPEbene b c d e f g h i j k l 4 4 4 4 3 3 4 4 3 4 3 4 3 3 4 4 3 3 5 5 Pfad- längen = Anzahl Interaktionsschritte Abbildung 7.3.1.1 Schematische Darstellung einer beispielhaft gegebenen, netzartigen Interaktionsstruktur. Der Benutzer navigiert sich durch die 14 unterschiedlichen Dialogkontexte hindurch zu der jeweils gewünschten Anwendungsfunktionalität (VAFIP), wobei ihm jeweils unterschiedlich viele alternative Interaktionspfade zur Verfügung stehen. Die alternativen Interaktionspfade sind z.T. unterschiedlich lang. 128 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 Wenn wir die eingeschränkte Gültigkeit des Interaktionsbaumes verlassen wollen, so müssen wir zu der Beschreibung eines entsprechenden Interaktionsnetzes übergehen. Hierzu haben wir das Beispiel des Interaktionsbaumes um einige Kanten erweitert und kommen zu unserem einfachen Interaktionsnetz (siehe Abbildung 7.3.1.1). In der Abbildung 7.3.1.1 sind zu jedem VAFIP (a–l) die entsprechenden Pfadlängen für die interaktive Distanz vom Startkontext bis hin zur VAFIP-Ebene für die verschiedenen Interaktionspfade angegeben. Wenden wir unser Mass HG auf dieses beispielhaft eingeführtes Interaktionsnetz an, so ergibt sich eine mittlere Pfadlänge von 3,5 (±0,8) für die insgesamt 12 kürzesten Interaktionspfade. Das Interaktionsnetz weist somit einen fast gleichen Hierarchisierungsgrad auf wie der des Interaktionsbaumes aus Abbildung 5.5.1. Um jedoch den offensichtlichen Unterschied zwischen der 'Baum'- und der 'Netz'Struktur quantitativ bestimmen zu können, muss ein weiteres Mass für die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität eingeführt werden. Dieser Aspekt von Flexibilität einer Interaktionsstruktur lässt sich als die Anzahl der alternativen Interaktionspfade hin zur selben Anwendungsfunktion operationalisieren (Spinas 1987, S. 121). Interaktionsflexibilität drückt sich in der Vielfalt der dem Benutzer angebotenen Interaktionsfunktionalität aus. Diese Vielfalt in der Interaktionsfunktionalität – insbesondere in der Interaktionsstruktur (z.B. Maussteuerung und Funktionstasten) – führt zu netzartigen Interaktionsstrukturen. Da die meisten modernen Oberflächen immer stärker in die Richtung auf netzartige Interaktionsstrukturen hin entwickelt werden (z.B. der Bereich 'Hypertext' usw.), müssen wir uns zunächst eine Definition für ein Interaktionsnetz verschaffen (siehe auch Janssen 1993). (Definition eines INTERAKTIONSNETZes) ein Interaktionsnetz IN ist ein gerichteter Graph IN = (D,IS) wenn gilt: D ist eine endliche Menge an Dialogkontexten. IS ist eine endliche Menge aller möglichen Interaktionsschritte. Wir betrachten hier zunächst die Unterschiedlichkeit im Rahmen der Dialogfunktionalität, über die der Benutzer an eine Anwendungsfunktion gelangt. Je mehr Wege dem Benutzer hin zu einer Anwendungsfunktion zur Verfügung stehen, desto individuell unterschiedlicher kann er auf die Anwendungsfunktionen zugreifen. Sehen wir uns beispielhaft für die beiden Anwendungsfunktionen 'd' und 'h' des Interaktionsnetzes aus Abbildung 7.3.1.1 die alternativen Interaktionspfade im einzelnen an (siehe Abbildung 7.3.1.2). 129 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' 1 1 2 2 1 {2} 1 {3} {3} {4} 1 1 4 4 13 8 5 9 {5} {9} 11 6 10 {8}{13} 7 12 14 a b c d e f g h i j k l Abbildung 7.3.1.2 Übersicht über die 21 Interaktionspfade vom Startdialogkontext (Nr. 1) bis hin zu jeder Anwendungsfunktion (a–l) des Interaktionsnetzes aus Abbildung 7.3.1.1; die alternativen Pfade sind durch geschweifte Klammern gekennzeichnet. Menge aller alternativen Interaktionspfade für die Anwendungsfunktion 'd': MaPfdd = {[1,2,5,11], [1,3,11]} Die Kardinalität K von MaPfd ergibt die Anzahl der Alternativen für die Anwendungsfunktion 'd': K MaPfd(d) = 2 Menge aller alternativen Interaktionspfade für die Anwendungsfunktion 'h': MaPfdh = {[1,3,7], [1,4,7], [1,4,8,7], [1,4,13,7]} Die Kardinalität K von MaPfd ergibt die Anzahl der Alternativen für die Anwendungsfunktion 'h'; K MaPfd(h) = 4 Das Mass für die Interaktionsalternativen (IA) lässt sich als Mittelwert über alle diejenigen Dialogkontexte berechnen, welche mindestens einen VAFIP enthalten. Es werden dabei pro Dialogkontext mit mindestens einem VAFIP alle möglichen Interaktionspfade vom Startkontext analysiert und als Kennwert jedem dieser Dialogkontexte zugeordnet. Um sinnlose Kreispfade zu vermeiden, sollten die alternativen Interaktionspfade um nicht mehr als maximal zwei Interaktionsschritte vom kürzesten Weg abweichen. Sind alle Interaktionspfade bestimmt, kann man sehr einfach über alle VAFIPe hinweg IA als Mittelwert gewichtet mit der Kardinalität der Menge alternativer Interaktionspfade berechnen. 130 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 Das Mass IA gibt somit an, wieviel Interaktionsalternativen im Mittel pro VAFIP zur Verfügung stehen. (Definition der INTERAKTIONSALTERNATIVEN) IA = 1/K VAFIP Σ K MaPfd(f) f∈VAFIP IA relatives Mass für die Interaktionsalternativen; K MaPfd(f) Kardinalität der Menge alternativer Interaktionspfade für die jeweilige Interaktionsfunktion f; VAFIP Menge mit allen VAFIPen. Sehen wir uns in der folgenden Tabelle 7.3.1.1 die jeweiligen Kardinalitäten der 12 VAFIPe unseres Netzbeispiels aus Abbildung 7.3.1.1 an. Die alternativen Pfade sind in der Abbildung 7.3.1.2 veranschaulicht. Berechnen wir IA für unser Netzbeispiel anhand der folgenden Tabelle 7.3.1.1, so ergibt sich IA = 1,75 (±0,87) als durchschnittliche Anzahl an Interaktionsalternativen pro Anwendungsfunktion. Im Unterschied dazu ergibt sich IA des strikt hierarchischen Interaktionsbaumes zu IA = 1,00 (±0,00); mit anderen Worten gibt es bei dem Beispiel mit der Baumstruktur keine Interaktionsalternativen. Tabelle 7.3.1.1 Anzahl der alternativen Interaktionspfade für die verborgenen Funktionen (VAFIP) des Netzbeispiels aus Abbildung 7.3.1.1. VAFIP a b c d e f g h i j k l MaPfd = Menge der alternativen Pfade [1,2,9] [1,2,5,10], [1,2,9,10] [1,2,5,10], [1,2,9,10] [1,2,5,11], [1,3,11] [1,2,5,11], [1,3,11] [1,2,5,6], [1,3,6] [1,2,5,6], [1,3,6] [1,3,7], [1,4,7], [1,4,8,7], [1,4,13,7] [1,4,13] [1,4,13] [1,4,8,12,14] [1,4,8,12,14] K MaPfd 1 2 2 2 2 2 2 4 1 1 1 1 Alle möglichen Interaktionspfade, bei denen der Benutzer irgendwo in der Hierarchie hinab und dann irgendwo wieder hinauf steigt, schliessen wir bei unserer Berechnung von IA selbstverständlich aus. Wir berücksichtigen daher nur alle diejenigen alternativen Inter- 131 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' aktionspfade, die nicht länger als maximal zwei Interaktionsschritte – relativ zum kürzesten Interaktionspfad – sind. Zudem setzen wir Zyklenfreiheit für die Berechnung der alternativen Interaktionspfade voraus. Ein wesentlicher Aspekt des Vernetzungsgrades der gesamten Interaktionsstruktur lässt sich somit durch das Mass IA beschreiben. Darüber hinaus werden wir durch ein weiteres Mass den Verzweigungsgrad pro Dialogkontext definieren. Alle möglichen Verzweigungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten sind durch Pfeile zwischen ihnen symbolisiert (siehe Abbildung A.1 bis A.4 im Anhang). Das Mass für den interaktiven Verzweigungsgrad (IVG) misst somit das durchschnittliche Ausmass an Dialogfortsetzungsmöglichkeiten pro Dialogkontext auf der globalen Betrachtungsebene aller Dialogkontexte ('fan degree'). (Definition des INTERAKTIVEN VERZWEIGUNGSGRADES) K IVG = 1/K Σ d=1 Σ Post(Dd,f) f∈VFIP IVG Mass für den interaktiven Verzweigungsgrad; Post(Dd,f) Erreichbarkeitsfunktion aller unmittelbar zu Dd,f folgenden, unterschiedlichen Dialogkontexte mit lng(Pfd[ISf])=1 für alle f ∈ VFIP; Post ist 1 für alle erreichbaren Dialogkontexte, 0 sonst. K Anzahl aller Dialogkontexte D. Mit den Massen HG, IA und IVG können wir handlungspsychologisch relevante Eigenschaften von Interaktionsstrukturen auf der globalen Ebene der Dialogkontexte quantifizieren. Für die Definition von weiteren Flexibilitätsmassen auf der lokalen Ebene eines jeden Dialogkontextes, müssen wir unsere Definition des Dialogkontextes um die Unterscheidung in Dialog- und Anwendungsfunktionen erweitern. Entsprechend muss die Abbildungsfunktion der VFIPe auf die entsprechenden WFIPe aufgeteilt werden. Wir führen daher die Menge aller dialogfunktionalen Interaktionspunkte (DFIPe) und die Menge aller anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (AFIPe) ein (siehe auch Abbildung 2.2). Diesen beiden Mengen werden über Abbildungsvorschriften entsprechende Repräsentationen auf der EAS zugeordnet: die Menge der WDFIPe und der WAFIPe. Welchen Inhalt diese Abbildungsvorschriften haben, kann am besten über entsprechende Methoden unter Einbezug der Benutzer herausgefunden werden (Rauterberg et al. 1991). 132 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 (erweiterte Definition des DIALOGKONTEXTes) ein Dialogkontext (D) ist ein Neun-Tupel der folgenden Form: D = (VDFIPm, WDFIPn, VAFIPt, WAFIPs, DKZd, WDKZe, AKZa, WAKZb, ORo) wenn gilt: VDFIPm ist die Menge mit m-Elementen aus der Menge aller verborgenen dialogfunktionalen Interaktionspunkte. WDFIPn ist die Menge mit n-Elementen aus der Menge aller wahrnehmbaren dialogfunktionalen Interaktionspunkte gemäss der kontextspezifischen Abbildungsvorschrift δ der m VDFIPe auf RF. VAFIPt ist die Menge mit t-Elementen aus der Menge aller anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte. WAFIPs ist die Menge mit s-Elementen aus der Menge aller wahrnehmbaren anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte gemäss der kontextspezifischen Abbildungsvorschrift α der t VDFIPe auf RF. DKZd ist die Menge aller Zustände der Dialogkomponente (d an der Zahl). WDKZe ist die Menge aller e wahrnehmbaren Zustände der Dialogkomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζδ der d Elemente von DKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ. AKZa ist die Menge aller Zustände der Anwendungskomponente (a an der Zahl). WAKZb ist die Menge aller b wahrnehmbaren Zustände der Anwendungskomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζα der a Elemente von AKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ. ORo ist die Menge aller interaktiven Objekte im Objektraum (o an der Zahl). Die Kardinalität K der Menge aller VDFIPe pro Dialogkontext bildet die Grundlage für ein weiteres Mass der Flexibilität: die Dialogflexibilität, abgekürzt DFl. Errechnen wir den Mittelwert der Kardinalitäten K aller VDFIPe pro Dialogkontext über alle Dialogkontexte hinweg, so erhalten wir den Kennwert für DFl des interaktiven Systems. (Definition der DIALOGFLEXIBILITÄT) K DFl = 1/K Σ d=1 DFl K VDFIPd K VDFIPd relatives Mass für die dialogbezogene Flexibilität; Kardinalität der Menge aller verborgenen dialogbezogenen funktionalen Interaktionspunkte im Dialogkontext d; 133 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' K Anzahl der analysierten Dialogkontexte D. Wenden wir uns der eigentlichen, aufgabenbezogenen Flexibilität zu. Das hierzu entwickelte Mass für die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität bezieht sich auf die Handhabung der Anwendungsfunktionen: die Anwendungsflexibilität, abgekürzt AFl. Der Benutzer sollte in jedem Dialogkontext die Möglichkeit haben, auf die gesamte Vielfalt der Anwendungsfunktionen zugreifen zu können ('modeless state'). Dies erlaubt dem Benutzer, nicht nur sehr unterschiedliche Aufgabenstellungen zu bearbeiten, sondern auch ein und dieselbe Aufgabe auf unterschiedlichen Lösungswegen abzuarbeiten. Dieser Problembereich wird uns unter der Gestaltungsdimension der Aufgabenorientierung weiter unten noch ausführlicher beschäftigen (Abfolge der Anwendungsoperatoren, siehe Abschnitt 9.2). Ein konkretes Beispiel für die konsequente Umsetzung eines 'modeless'-State Systems ist Oberon (Wirth und Gutknecht 1992). Um zu einem quantitativen Mass für die Anwendungsflexibilität AFl zu gelangen, betrachten wir die Anzahl an direkt zugänglichen Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext. Es ist mit diesem Mass jedoch noch keine Aussage über die aufgabenbezogene Zusammenführung von Anwendungsfunktionen im aktuellen Dialogkontext getroffen worden. Diese Einschränkung kann bei Dialogkontexten mit relativ wenigen Anwendungsfunktionen schwerwiegende Beeinträchtigungen des Benutzers zur Folge haben. Je grösser das Ausmass an Anwendungsflexibilität für die Oberfläche in dem hier vorgestellten Sinne ist, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine vom Benutzer gerade benötigte Anwendungsfunktion nicht erreichbar ist. Im Extremfall ist zu jedem Zeitpunkt jeder VAFIP vom aktuellen Dialogkontext aus aktivierbar: ein 'modeless-state' wäre erreicht. Das quantitative Mass für die anwendungsbezogene Flexibilität AFl lässt sich wie folgt definieren. (Definition der ANWENDUNGSFLEXIBILITÄT) K AFl = 1/K Σ d=1 AFl K VAFIPd K K VAFIPd relatives Mass für die anwendungsbezogene Flexibilität; Kardinalität der Menge aller verborgenen anwendungsbezogenen funktionalen Interaktionspunkte im Dialogkontext d; Anzahl aller Dialogkontexte D. Zur konkreten Berechnung von AFl wird zunächst pro Dialogkontext die Menge aller verborgenen Anwendungsfunktionen bestimmt. Dann wird die Kardinalität dieser Menge 134 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 festgestellt, über alle Dialogkontexte hinweg aufsummiert und durch die Anzahl aller analysierten Dialogkontexte geteilt. Wenden wir dieses Mass auf unsere beiden Beispiele (Interaktionsbaum und -netz) an, so ergibt sich in beiden Fällen AFl = 0,86 (± 0,91; mit K = 14). Dieses Mass kann also nicht zwischen der baum- und der netzartigen Interaktionsstruktur bei unseren beiden Beispielen differenzieren. Dies liegt daran, dass AFl speziell auf die lokale Gestaltung der einzelnen Dialogkontexte zugeschnitten ist und beide Beispiele sich zufällig nur in ihrer Interaktionsstruktur auf der globalen Betrachtungsebene der Dialogkontexte unterscheiden. 7.3.2 Der Hierarchisierungsgrad der CUI-Oberfläche Die CUI-Oberfläche unseres relationalen Datenbankprogrammes ist durch eine weitgehend hierarchische Interaktionsstruktur gekennzeichnet (Rauterberg 1990a, S. 62-63). Der Benutzer gelangt vom Startmenü durch die Eingabe des gewünschten Datenbanknamens hinter dem Eingabeprompt (= WAFIP) in das Hauptmenü. In unserem Fall gibt es z.B. drei Anwendungsobjekte. Für den Vergleich von mehreren Programmen des gleichen Typs (hier z.B. Datenbankprogamme) müssen die Anwendungsobjekte von ihrer internen Struktur her vergleichbar sein (z.B. gleiche Anzahl Dateien, gleiche Anzahl Datensätze pro Datei, gleiche Anzahl Merkmale pro Datensatz). Vom Hauptmenü aus kann man durch Eingabe eines Buchstabens hinter dem Eingabeprompt (= WDFIP) des zugehörigen Menüs das benötigte Modul aufrufen. Von den insgesamt neun Modulen werden wir hier nur die fünf analysieren, welche für die Validierung der quantitativen Masse im Rahmen einer empirischen Untersuchung tatsächlich auch benutzt wurden. Im einzelnen Modul (= Dialogkontext) kann der Benutzer wiederum durch die Eingabe hinter dem Eingabeprompt (= WDFIP) des zugehörigen Menüs die gewünschte Routine (= Dialogkontext) aufrufen. Auf Hauptmenü- und Modulebene hat der Benutzer zusätzlich die Möglichkeit, einzelne Systemschaltermenüs (= Dialogkontexte) per Funktionstaste aufzurufen. Auf der Ebene der Routinen dienen ausschliesslich die Funktionstasten der weiteren Interaktionssteuerung. Wir können unmittelbar aus dem Interaktionsstrukturschema (Abbildung A.1 im Anhang) z.B. die Länge der Interaktionspfade als Grundlage zur Berechnung von HG ablesen. Das Ergebnis für die CUI-Oberfläche steht in Tabelle 7.3.2.1. 135 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Tabelle 7.3.2.1 CUI-Oberfläche: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP 7.3.3 Kennwert (± Std) 4,05 (± 1,15) 4,32 (± 0,93) K (16) (33) F 434 362 Gesamtlänge 1756 1564 Der Hierarchisierungsgrad der GUI-Oberfläche Die GUI-Oberfläche unseres relationalen Datenbankprogrammes ist durch eine weitgehend flache Interaktionsstruktur gekennzeichnet (Rauterberg 1988b, S. 112-125). Der Benutzer gelangt über den Startkontext nach dem 'Laden einer Datenbank' auf den Desktop (= Dialogkontext) und kann dort alle datenbankbezogenen Funktionen aktivieren. In unserem Fall gibt es wiederum genau die drei selben Anwendungsobjekte. Zu beachten ist, dass der Einfachklick und Doppelklick der Maus bzw. weitere Modifikatoren des Mausklicks (z.B. SHIFT-, CONTROL-Taste usw.) die Struktur einer Kommandooberfläche (1 zu n-Beziehung zwischen WFIPe und VFIPe) hat. Ebenso ist der WAFIP der Texteingabe in der Regel ebenfalls eine Kommandooberfläche und wird durch alle sinnvoll verwendbaren ASCII-Tasten als VAFIPe beschrieben. Tabelle 7.3.3.1 GUI-Oberfläche: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 4,45 (± 0,69) 3,92 (± 0,70) K (19) (28) F 547 570 Gesamtlänge 2435 2237 Anhand der Abbildung A.2 (im Anhang) berechnen wir die mittleren Pfadlängen der GUI-Oberfläche. Wenn wir die mittlere Pfadlänge der GUI-Oberfläche (Tabelle 7.3.3.1) derjenigen der CUI-Oberfläche (Tabelle 7.3.2.1) gegenüberstellen, so ist die mittlere Pfadlänge für alle VAFIPe der CUI-Oberfläche kürzer. Dieses Resultat ist dadurch bedingt, dass der Benutzer bei der GUI-Oberfläche erst das Programm insgesamt aufstarten muss, um dann im zweiten Schritt eine gewünschte Datenbank zu laden, während beim Aufstarten der CUI-Oberflächenversion gleich nach der gewünschten Datenbank gefragt wird ('Startkontext'). Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine der nächsten Oberflächenversionen der GUI-Oberfläche (siehe Abschnitt 6.3.3) beim Aufstarten mit dieser 136 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 Möglichkeit des sofortigen Ladens einer Datenbank ausgestattet wurde, wodurch sich die Länge der Interaktionspfade genau um einen Schritt verkürzte (siehe Tabelle 7.3.3.2). Tabelle 7.3.3.2 GUI-Oberfläche ohne den ursprünglichen Startdialogkontext: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 3,45 (± 0,69) 2,93 (± 0,67) K (19) (27) F 547 568 Gesamtlänge 1888 1667 Wenn wir für diese veränderte Oberfläche die Pfadlängen berechnen, so erhalten wir die Werte in Tabelle 7.3.3.2. Diese Werte zeigen deutlich, dass durch diese einfache Massnahme eine Verbesserung im Sinne der interaktiven Direktheit gegenüber der CUI-Oberfläche um 15% (= 1– 3,45 / 4,05) für HG(A) bzw. um 32% (= 1 – 2,93 / 4,32) für HG(D) erreicht werden kann. HG ist direkt umgekehrt proportional zur interaktiven Direktheit. Wenn man sich zusätzlich das Benutzerverhalten per Videoanalyse genau anschaut, so kann gezeigt werden (Rauterberg 1992e, S. 235), dass die meisten Benutzer zunächst einmal den Dialogkontext mit mindestens einem geöffneten Fenster aufsuchen. Wählen wir diesen Dialogkontext als Startkontext, dann erreicht der Hierarchisierungsgrad (HG(A) = 2,11 ± 0,34 [F=383]; HG(D) = 1,76 ± 0,52 [F=412]) ein Minimum. Dieser Dialogkontext zeichnet sich gleichzeitig dadurch aus, dass die lokale Dialogflexibilität (DFl = 117) ein Maximum erreicht. Durch dieses optimierende Verhalten seitens der Benutzer kann eine Verbesserung gegenüber den Werten der CUI-Oberfläche aus Tabelle 7.3.2.1 um 48% (= 1 – 2,1/4,1) für HG(A) bzw. um 59% (= 1 – 1,8/4,3) für HG(D) erreicht werden. Wie wir sehen, ist die Wahl des 'Startkontextes' für unsere Masse von entscheidender Bedeutung. Hier sind die Ergebnisse einer Aufgabenanalyse, in der z.B. die häufigsten Aufgabenzustände herausgefunden werden, von grossem Nutzen. 7.3.4 Ein Vergleich der Flexibilität der CUI- mit der GUI-Oberfläche Wenn wir die Masse IA, IVG, DFl und AFl auf das relationale Datenbankprogramm mit der CUI-Oberfläche anwenden wollen, so lesen wir einfach die der jeweiligen Berechnung zugrunde liegenden Werte aus der Interaktionsstruktur ab (Abbildung A.1 im Anhang). Zu beachten ist bei der Berechnung von IVG, dass bei der Beschreibung der GUIOberfläche (Abbildung A.2) die Doppelpfeile der beiden Dialogkontexte 'Desktop ohne Fenster' und 'Desktop mit Fenster' kontextsensitiv zu interpretieren sind. Die Rückkehr 137 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' von den jeweils erreichten Dialogkontexten kann immer nur zu demjenigen Dialogkontext erfolgen, von dem ursprünglich ausgegangen wurde. Dieser Umstand ist bei der Berechnung von IA und IVG der GUI-Oberfläche zu berücksichtigen. Wie wir aus Tabelle 7.3.4.1 erkennen können, ist die Dialogflexibilität der GUIOberfläche (DFl=20,4) doppelt so gross wie die der CUI-Oberfläche (DFl=10,1). Bemerkenswert ist ebenso die deutlich grössere Streuung. Dies kommt durch die enorme Dialogflexibilität der GUI-Oberfläche für die beiden Dialogkontexte DFl['Desktop ohne Fenster']=81 und DFl['Desktop mit Fenster']=117 zustande, wobei das Ausmass an Feedback des Dialogkontextes 'Desktop mit Fenster' mit WFIP/VFIP = 97/125 = 0,78 etwas geringer ausfällt als das Ausmass an Feedback des Dialogkontextes 'Desktop ohne Fenster' mit WFIP/VFIP = 73/89 = 0,82 (siehe Abbildung A.2 im Anhang). Aus der Tatsache, dass in dem deduktiven Benutzungstest die BenutzerInnen bei 50% der ersten acht Aufgaben mindestens einmal den Dialogkontext 'Desktop mit Fenster' aufgesucht haben (Rauterberg 1992e), können wir die hohe Attraktivität von Dialogkontexten mit grossen Kennwerten für DFl und AFl erkennen. Tabelle 7.3.4.1 CUI- und GUI-Oberfläche: Übersicht über die Ergebnisse (Kennwert ± Standardabweichung) der Masse IA, IVG, DFl und AFl [F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte]. Interaktionsstruktur IA CUI-Oberfläche 2,0 ± 1,0 GUI-Oberfläche 1,4 ± 0,5 Verhältnis: GUI/CUI 0,7 F DFl 796 10,1 ± 17,6 1117 20,4 ± 26,9 2,0 AFl 12,1 ± 21,5 19,5 ± 25,1 1,6 K 36 28 IVG 1,5 ± 1,4 2,4 ± 4,7 1,6 Ein wesentlicher Unterschied zwischen der CUI-Oberfläche und der GUI-Oberfläche besteht sicherlich in der doppelt so hohen Dialogflexibilität (DFl) der GUI-Oberfläche, sowie der deutlich grösseren Anwendungsflexibilität (AFl). Die Dialogkontexte der GUIOberfläche enthalten eben durchschnittlich 1,6 mal mehr Anwendungsfunktionen als die der CUI-Oberfläche. Erstaunlich ist das Ergebnis von IA; hiernach bietet die CUI-Oberfläche (IA=2,0) etwas mehr Interaktionsalternativen an als die GUI-Oberfläche (IA=1,4). Die Interaktionsstrukturen beider Oberflächen sind weitgehend hierarchisch, wobei die GUI-Oberfläche aufgrund des geringeren HGs einen etwas grösseren IVG aufweist. Zusammenfassend können wir feststellen, dass die deutlichsten Unterschiede zwischen der CUI- und der GUI-Oberfläche durch die Masse DFl und AFl ausgedrückt werden. Darüber hinaus ist in Erinnerung zu rufen, dass die hier angegebenen Werte für die GUI-Oberfläche nur untere Abschätzungen darstellen. Die tatsächlichen Werte liegen in 138 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 der Regel deutlich über den hier angegeben Werten: Z.B. immer dann, wenn die Benutzer nicht nur ein, sondern mehrere Fenster gleichzeitig geöffnet haben. 7.3.5 Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur Um herauszufinden, ob die absoluten Ausprägungsgrade der einzelnen Kennwerte oder aber nur ihr Verhältnis zueinander von Bedeutung sind, haben wir ein interaktives System ausgewählt, welches deutlich geringere Kennwerte für Flexibilität aufweist. Der Ausgangspunkt dieser Analyse ist unser oben schon eingeführtes multimediales Informationssystem 'Kiosk' (Daum und Schlagenhauf 1993). Die Interaktionsstruktur der Originalversion-A ist strikt hierarchisch aufgebaut (siehe Abbildung 7.3.5.1 und 7.3.5.2). Vom 'Hauptmenü' ausgehend verzweigt man in vier verschiedene Sachgebiete 'Immobilienangebot', 'Wegweiser', 'Cashservice' und 'Diesen Monat neu…'. Von jedem dieser Hauptsachgebiete aus können weitere Untersachgebiete aufgesucht werden. Über einen generellen 'Zurück'-Button auf jeder Maske kann der Benutzer in der Hierarchie wieder nach oben steigen. Eine vollständige Übersicht über die gesamte Interaktionsstruktur gibt Abbildung A.3 im Anhang. Hauptmenu Immobilienangebot ... Wegweiser ... Cashservice ... Diesen Monat neu ... Abbildung 7.3.5.1 Version-A des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die beiden obersten Ebenen der vollständig hierarchischen Interaktionsstruktur. 139 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Immobilienangebot Einfamilienhäuser Gewerbehäuser ... ... Grundstücke Mehrfamilienhäuser ... ... Abbildung 7.3.5.2 Version-A des multimedialen Informationssystems: Übersicht über das Sachgebiet 'Immobilienangebot' der vollständig hierarchischen Interaktionsstruktur. Um den Hierarchisierungsgrad dieser Interaktionsstruktur zu berechnen, identifizieren wir zunächst das 'Hauptmenü' als den Startdialogkontext. Ausgehend von diesem Startdialogkontext zählen wir die Interaktionsschritte hin zu jedem Dialogkontext und tragen diesen Wert in das zugehörige Dialogkontextschema ein. Wenn wir das Mass HG auf diese Interaktionsstruktur anwenden, erhalten wir die Kennwerte in Tabelle 7.3.5.1. Da bei diesem System die Anzahl der VFIPe identisch ist mit der Anzahl der WFIPe, können wir für unser Mass HG die WFIPe zugrunde legen. Insgesamt zählen wir 241 WAFIPe und 34 WDFIPe (siehe zur Kontrolle auch Tabelle 6.3.5.1). Wir können erkennen, dass HG(A) etwas grösser ausfällt als HG(D). Dieser Umstand ist in der Regel dadurch bedingt, dass die meisten WAFIPe in den 'Blättern' des Interaktions'Baumes' untergebracht sind. Die Blätter sind immer am weitesten vom Startdialogkontext (der 'Wurzel' des 'Baumes') entfernt. Tabelle 7.3.5.1 Version-A des multimedialen Informationssystems: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) der hierarchischen Interaktionsstruktur für alle anwendungs(A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 3,98 (± 1,14) 3,56 (± 1,38) K (67) (31) F 241 34 Gesamtlänge 959 121 Im Mittel benötigt der Benutzer ca. vier Interaktionsschritte (exakt 3,98; siehe Tabelle 7.3.5.1), um vom 'Hauptmenü' in den Dialogkontext mit der gesuchten Sachinformation zu gelangen. Für die Rückkehr zum Hauptmenü benötigt er im Mittel 3,56 Interaktionsschritte; dieser Wert ist kleiner als (3,98 – 1) = 3,88; wir können daraus schliessen, dass der Aufstieg zum Hauptmenü im Mittel kürzer ist (z.B. siehe Abbildung 7.3.6.2). 140 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 7.3.6 Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur Für die Veränderung der Flexibilität der Interaktionsstruktur der Version-B gegenüber der Version-A wählten wir eine 'Was-Wer-Wo'-Basisstruktur. Mit dem 'Was'-Aspekt wird das jeweilige Sachgebiet bezeichnet. Dazugehörig ist ein Berater ('Wer'-Aspekt) und ein Standort ('Wo'-Aspekt), unter dem das Büro oder die Abteilung des zugehörigen Beraters zu finden ist. Zwischen diesen Knoten soll jederzeit beliebig gewechselt werden können. Wir konnten oben zeigen, dass sich das Ausmass an funktionalem Feedback bei der Veränderung der Interaktionsstruktur nicht mit verändert hat (siehe Tabelle 6.3.7.1). Die 'Was', 'Wer' und 'Wo'-Struktur weist daher in sich keine komplexe Unterstruktur auf, sondern gewährt dem Benutzer stets direkten Zugang zu den jeweils anderen beiden Themenkomplexen (siehe Abbildung A.4 im Anhang). 7.3.6.1 Der 'Was'-Aspekt Es liessen sich vier verschiedene Fachbereiche bzw. Sachgebiete identifizieren (siehe Abbildung 7.3.6.1). Das sind die Sachgebiete 'Immobilien', 'Cashservice (EC)', 'Veranstaltungen' und 'Geld'. Diese Sachgebiete wurden netzwerkartig miteinander verbunden. Jedes der vier Sachgebiete ist mit einer eigenen, komplexen Substruktur ausgestattet (siehe z.B. Abbildung 7.3.6.2). ... Immobilien Caschservice ... ... Veranstaltungen Geld ... Abbildung 7.3.6.1 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die vollständig vernetzte Interaktionsstruktur der Sachgebiete des multimedialen Informationssystems Version-B. Das Sachgebiet 'Immobilien' wurde wie bei der Originalversion-A belassen. Dieses Sachgebiet unterteilt sich in die Darstellung von 'Einfamilienhäusern', 'Mehrfamilienhäusern', 'Eigentumswohnungen', 'Grundstücken' und 'gewerblich nutzbaren Häusern'. Jedes dieser fünf Untersachgebiete ist als linear verkettete Liste implementiert, wobei von jeder Maske direkt zum übergeordneten Sachgebiet 'Immobilien' zurückgekehrt werden kann. 141 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Immobilien ... Einfamilienhaus A Mehrfamilienhaus A Einfamilienhaus B ... Mehrfamilienhaus B ... Abbildung 7.3.6.2 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die teilweise netzartige Unterstruktur des Sachgebietes 'Immobilien'. Das Sachgebiet 'Cashservice' ist nur eine Maske mit Verzweigungen zum 'Wo'-Aspekt. Wie in der Version-A sind dies die Standorte aller EC-Automaten in der Stadt. Hinzu kommt jeweils eine Verzweigung zum 'Wer'-Aspekt, wobei man auf diesem Pfad jedoch nicht wie sonst zu einem menschlichen Berater, sondern zur Simulation eines EC-Geldautomaten gelangt. Das Sachgebiet 'Veranstaltungen' wurde ebenfalls wie in Version-A belassen, nur dass dieser Komplex in der gesamten Interaktionsstruktur eine Stufe höher gerückt ist. Er nimmt den Platz der Maske 'Diesen Monat neu' bei Version-A ein (siehe Abbildung 7.3.6.3). Veranstaltungen Bankencup Theater Konzert ... Abbildung 7.3.6.3 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die strikt hierarchische Unterstruktur des Sachgebietes 'Veranstaltungen'. Das Sachgebiet 'Geld' wurde neu geschaffen. Es wird unterteilt in 'Geldservice', 'Wertpapiere', 'Vermögensberatung', 'Kreditservice' und 'Direktfinanz' (siehe Abbildung 7.3.6.4). 142 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 Geld Geldservice Vermögensberatung Wertpapiere Kreditservice Direktfinanz Abbildung 7.3.6.4 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die strikt hierarchische Unterstruktur des Sachgebietes 'Geld'. 7.3.6.2 Der 'Wer'-Aspekt Alle Beraterknoten ('Wer') sind in einer zyklischen Liste angeordnet, so dass der Benutzer auch über diese Struktur zwischen den Sachgebieten wechseln kann (siehe Abbildung 7.3.6.5). Berater für Immobilien Berater für Wertpapiere EC-Automat ... ... Berater für Veranstaltungen ... ... Sachgebiete ... Berater für Kredite ... ... Abbildung 7.3.6.5 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die ringförmige Struktur der den einzelnen Sachgebieten zugeordneten 'Berater'. Aus jedem entsprechenden Sachgebiet ist der zugehörige 'Berater' über ein Ikon mit der stilisierten Form eines Gesichtes direkt zugänglich. Der Benutzer kann über diese Beraterliste quer durch das gesamte Informationssystem navigieren. Ein ähnlich flexible Navigationsart ist ihm zusätzlich auch über die Ortsknoten möglich (der 'Wo'-Aspekt). 7.3.6.3 Der 'Wo'-Aspekt Die Ortsknoten ('Wo'-Aspekt) sind intern in einer sternförmigen Struktur angeordnet. Es gibt ein Hauptmenü als 'Aufzug' symbolisiert, welches fünf verschiedene Räume bzw. Etagen unterscheidet. Das sind Erdgeschoss, erstes und zweites Obergeschoss, Nebengebäude und ein Ausgang zur Stadtübersicht ('Cashservice Lageplan'). Erdgeschoss und erstes Obergeschoss spalten sich weiter in die konkreten Orte der jeweiligen Abteilungen auf. Um in den 'Aufzug' zu gelangen, benutzt man das 'Lift'- oder das 'Ausgang'-Ikon 143 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' auf der jeweiligen Bildschirmmaske. Die Ortsknoten ('Wo') sind vom entsprechenden Sachgebietsknoten über ein Ikon in Form eines stilisierten 'Wegweisers' zugänglich. Hauptmenu "Aufzug" Erdgeschoss erstes Obergeschoss Wegweiser Geldservice Wegweiser Wertpapiere ... ... Wegweiser Immobilien Wegweiser Vermögensb. ... ... ... Abbildung 7.3.6.6 Übersicht über die hierarchische Interaktionsstruktur der Ortsknoten. Wenn wir unser Mass HG auf diese veränderte Interaktionsstruktur anwenden, so erkennen wir, dass im Mittel nur noch 2,46 Interaktionsschritte von einem der 'Hauptsachgebiete' (der Startdialogkontext, siehe Abbildung 7.3.6.1) notwendig sind, um zu einem Knoten mit Sachinformation zu gelangen. Dies ist mehr als ein ganzer Interaktionsschritt weniger als in der Originalversion-A (siehe Tabelle 7.3.5.1 und Tabelle 7.3.6.1). Beachtenswert ist ebenfalls die Tatsache, dass die Standardabweichungen um 30% bis 40% kleiner geworden sind; d.h., dass das Interaktionsnetz der Version-B mit seinen z.T. hierarchischen Unterstrukturen weitgehend ausgeglichen ist. Tabelle 7.3.6.1 Version-B des multimedialen Informationssystems: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) der netzartigen Interaktionsstruktur für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 2,46 (± 0,75) 2,16 (± 0,79) K (55) (58) F 276 87 Gesamtlänge 679 188 Wie bei der Version-A ist auch bei dieser Version-B der Kennwert von HG(D) etwas kleiner als der von HG(A). Dieser Effekt sollte bei allen Interaktionsstrukturen mit hierar- 144 Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3 chischen Anteilen zu beobachten sein, bei denen im wesentlichen die VAFIPe in den 'Blättern' implementiert sind. 7.3.7 Vergleich der Flexibilität der beiden multimedialen Informationssysteme Die Interaktionsstruktur der Version-B wurde von uns so abgeändert und implementiert, dass die Verhältnisse von DFlVersion-B/DFlVersion-A bzw. AFlVersion-B/AFlVersion-A in etwa den Verhältnissen der CUI- und GUI-Oberfläche entsprechen (DFlGUI/DFlCUI = 2,0; AFlGUI/AFlCUI = 1,6; siehe Tabelle 7.3.4.1). Der wesentliche Unterschied zu der CUIund GUI-Oberfläche besteht darin, dass die absoluten Werte von DFl und AFl bei den beiden multimedialen Informationssystemen deutlich geringer ausfallen. Wenn es nur auf das Verhältnis ankommt, dann sollte diese Version-B mit ihrer vernetzten Interaktionsstruktur im Vergleich zu der Version-A – aufgrund ihrer grösseren Flexibilität – ebenso zu einer höheren Benutzungsperformanz führen, wie wir dies für die GUI-Oberfläche annehmen. Die Ergebnisse der Vergleichstests sind im nächsten Kapitel beschrieben. Wenn wir die beiden Versionen unseres multimedialen Informationssystems mit den Kennwerten für die Masse IA, DFl, AFl und IVG quantifizieren, so sehen wir, dass die Version-B mehr alternative Interaktionspfade ermöglicht (IA=8,6; siehe Tabelle 7.3.7.1) als die Version-A (IA=6,1; siehe Tabelle 7.3.7.1). Der relativ grosse Kennwert IA für die eigentlich hierarchische Version-A ist im wesentlichen bedingt durch die vollständig vernetzte Interaktionsstruktur des Sachgebietes 'Cash Service' (rechts oben in Abbildung A.3 im Anhang). Dies drückt sich in der grösseren Standardabweichung (±4,7; in Tabelle 7.3.7.1) aus. Um unsere beiden multimedialen Informationssysteme bezüglich ihrer interaktiven Flexibilität unterscheiden zu können, hat sich das Mass DFl für die dialogbezogene Flexibilität bisher am besten bewährt. Die Version-B hat eine 2,6-mal grössere DFl (= 1,3) als die Version-A (= 0,5; siehe Tabelle 7.3.7.1); dieser Unterschied entspricht im wesentlichen den Vorgaben für das Verhältnis DFlVersion-B/DFlVersion-A. Ebenso ist AFl von Version-B grösser als von Version-A. Diese beiden Masse DFl und AFl quantifizieren daher den Unterschied, welcher zwischen beiden Interaktionsstrukturen am deutlichsten zur Geltung kommt! Der grössere Kennwert von IVG für Version-B spiegelt die eher netzartige Interaktionsstruktur gegenüber der Version-A wider. 145 7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' Tabelle 7.3.7.1 Version-A und -B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über die Ergebnisse (Kennwert ± Standardabweichung) der Masse IA, DFl, AFl und IVG [F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte]. Interaktionsstruktur Version-A: hierarchisch Version-B: netzartig IA 6,1 ± 4,7 8,6 ± 3,4 Verhältnis: Vers-B/Vers- 1,4 A F 275 363 DFl AFl 0,5 ± 0,7 3,6 ± 3,4 1,3 ± 1,1 4,2 ± 4,5 2,6 1,2 K 68 65 IVG 4,0 ± 3,6 5,7 ± 4,8 1,4 Obwohl die Version-B nur noch 65 Dialogkontexte umfasst – gegenüber der Version-A mit 68 Dialogkontexten, lassen sich dennoch deutlich mehr WFIPen (F = 363 plus 10 überzählige WFIPe) gegenüber der Version-A (F = 275) zählen. Dies wurde durch eine Verdichtung der WFIPen pro Dialogkontext erreicht. Die Kennwerten von DFl und AFl zeigen, dass diese Verdichtung gleichmässig erfolgt ist. Als Mass für den interaktiven Verzweigungsgrad IVG über die Menge {WDFIP ∪ WAFIP} hinweg ergibt sich für die Version-A 4,0 und für die Version-B 5,7. Insgesamt besitzt die Version-B 1,4 mal mehr Verzweigungsmöglichkeiten auf der globalen Ebene der Dialogkontexte als die VersionA. Bei multimedialen Informationssystemen ist in der Regel das Ausmass an Flexibilität gemessen über IVG praktisch identisch mit dem Ausmass gemessen über alle WFIPe (= DFl + AFl). Zur Validierung der bisher vorgestellten Flexibilitätskennwerte werden wir im folgenden Kapitel die Ergebnisse von empirischen Vergleichsstudien darstellen. Es ergeben sich in unserem Fall die folgenden beiden Interpretationsmöglichkeiten: (1.) Die Verhältnisse der Kennwerte zueinander sind bedeutsam. Wenn diese Interpretation richtig ist, müssten sowohl die GUI- besser als die CUI-Oberfläche, als auch die netzartige besser als die hierarchische multimediale Oberfläche abschneiden. (2.) Die absoluten Ausprägungen der Kennwerte sind bedeutsam. Wenn diese Interpretation richtig ist, müsste zwar die GUI- besser als die CUI-Oberfläche abschneiden, aber die netzartige sich als genauso gut wie die hierarchische multimediale Oberfläche herausstellen. 146 8 VALIDIERUNG DER MESSKRITERIEN Es werden anhand von vier Vergleichsexperimenten mit den drei beschriebenen interaktiven Systemen, für die jeweils zwei verschiedene Oberflächen zur Verfügung stehen, exemplarisch die Validierung der eingeführten quantitativen Masse diskutiert (siehe Schneidewind 1993). Drei der vier Experimente wurden im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt. Das vierte Experimente – mit einem gänzlich anderen interaktiven System – wurde durch jemanden Externen durchgeführt, so dass wir anhand der Ergebnisse dieses Experimentes eine Kreuzvalidierung (siehe Bortz 1984) vornehmen können. Wie sich im letzten Kapitel gezeigt hatte, unterscheiden sich die zwei jeweils unterschiedlichen Oberflächen nicht hinsichtlich ihres Ausmasses an Funktionsfeedback. Um dennoch eine Validierung auch dieses Kriteriums ansatzweise zu ermöglichen, werden wir uns auf veröffentlichte Vergleichsstudien abstützen. Zum Schluss dieses Kapitels führen wir zusätzliche empirische Belege für das von uns aufgestellte allgemeine Gestaltungsprinzip auf, welches sich auf die Unterscheidung in Wahrnehmungs- und Aktionsraum bezieht. 8.1 V ALIDIERUNG VON F EEDBACK Zur Validierung der Gestaltungsrichtlinie 'Feedback' bzgl. der Funktionen führen wir eine Meta-Analyse über bisher veröffentlichte empirische Vergleichsstudien durch (zum Thema Meta-Analyse siehe Hunter, Schmidt und Jackson 1982, sowie Rosenthal 1984). Wir haben alle Vergleichsstudien ausgewählt, in denen eine Kommandooberfläche gegen eine Menü- oder eine Desktopoberfläche getestet wurde. Dabei gehen wir davon aus, dass bei einer Menü- und einer Desktopoberfläche eindeutig mehr visuelles Funktionsfeedback vorhanden ist als bei einer Kommandooberfläche. Kommandooberflächen arbeiten auf der Basis von Befehlen, deren Bedeutungen dem Benutzer bekannt sein müssen. Der Vorteil hier besteht darin, dass die aktuelle Dialogumgebung minimalen Platz auf der E/A-Schnittstelle beansprucht und der Benutzer über das Kommando direkt auf die gewünschte Anwendungs- bzw. Dialogfunktionalität zugreifen kann. Der Dialogkontext bei kommandoorientierten Oberflächen setzt sich somit aus genau einem WFIP (die Eingabestelle hinter dem System-Prompt) zusammen. Der grosse Nachteil dieser Interaktionsart – insbesondere für den gelegentlichen Benutzer – liegt in seiner kognitiven Begrenzung der Behaltens- und Erinnerungsleistung. Um das Merken und Erinnern der Befehlsnamen zu erleichtern, wendet man häufig mnemotechnische Verfahren zur Kodierung der Kommandos an und bemüht sich um maximale Konsistenz bei der Kommandosprachen-Syntax (das Konsistenz-Problem). 147 8 Validierung der Meßkriterien 8.1.1. Kommando- versus Menüoberfläche Es lassen sich in der Literatur insgesamt acht Studien finden, in denen mindestens eine Kommando- mit einer Menüoberfläche verglichen wurde (siehe Tabelle 8.1.1.1). 148 Validierung von Feedback 8.1 Tabelle 8.1.1.1 Übersicht über acht verschiedene Vergleichsstudien: KO vs. MO (KO = Kommandooberfläche, MO = Menüoberfläche, DO = Desktopoberfläche, IO = 'ikonenorientierte' Oberfläche, NO = natürlichsprachliche Oberfläche; 'Ox < Oy' = Ox ist schlechter als Oy, 'Ox > Oy' = Ox ist besser als Oy). Literaturstelle Oberfläche n Testpersone Mess-Skala n Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger (1983) Whiteside et al. (1985) KO, MO, IO Anfänger Streitz et al. (1987) KO, MO Anfänger Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger (1983) Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger (1983) Chin et al. (1988) KO, MO Anfänger Streitz et al. (1987) Antin (1988) Roy (1992) Antin (1988) Roy (1992) KO, MO Fortgeschritte ne KO, M O , Fortgeschritte KMO ne KO, MO Fortgeschritte ne KO, M O , Fortgeschritte KMO ne KO, MO Fortgeschritte ne Moran KO, MO, DO Experten Roberts & (1983) Whiteside et al. (1985) KO, MO, IO Experten Chin et al. (1988) KO, MO Experten Roberts & Moran KO, MO, DO Experten (1983) Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Bearbeitungszeit Ergebni s KO MO Bearbeitungszeit KO MO Bearbeitungszeit KO MO Anzahl Fehler KO MO subjektive KO Bewertung MO subjektive KO Bewertung MO Bearbeitungszeit KO MO Bearbeitungszeit KO MO Bearbeitungszeit KO MO subjektive KO Bewertung MO Fehlerrate KO MO Bearbeitungszeit KO MO Bearbeitungszeit KO MO subjektive KO Bewertung MO Fehlerbehebungsze K O it MO Vergessensfehler KO MO Erkennensfehler KO MO effiziente Nutzung K O MO = = < = = < > > = = < < > < = < < < 149 8 Validierung der Meßkriterien Die genaue Analyse der Ergebnisse aller acht Vergleichsstudien zeigt insgesamt ein eher uneinheitliches Bild bzgl. der Überlegenheit von Menüoberflächen über Kommandooberflächen (siehe Tabelle 8.1.1.1). Bei 18 unterschiedlichen Messergebnissen schneidet die Menüoberfläche in acht Fällen besser ab (44%); in sieben Fällen ergeben sich keine Unterschiede (39%), und dreimal zeigt sich sogar die Kommandooberfläche der Menüoberfläche überlegen (17%). Diese Vorteile einer Kommandooberfläche zeigen sich tendenziell erst bei Fortgeschrittenen und Experten. 8.1.2. Kommando- versus Desktopoberfläche Es lassen sich in der Literatur insgesamt 12 Studien finden, in denen mindestens eine Kommando- mit einer Desktop- oder direktmanipulierbaren Oberfläche verglichen wurde (siehe Tabelle 8.1.2.1). 150 Validierung von Feedback 8.1 Tabelle 8.1.2.1 Übersicht über 12 verschiedene Vergleichsstudien: KO vs. DO (KO = Kommandooberfläche, MO = Menüoberfläche, DO = Desktopoberfläche; 'Ox < Oy' = Ox ist schlechter als Oy, 'Ox > Oy' = Ox ist besser als Oy). Literaturstelle Oberfläche n Testpersone Mess-Skala n Karat et al. (1987) KO, DO Anfänger Margono et al. (1987) KO, DO Altmann (1987) KO, DO Streitz et al. (1989) KO, DO Morgan et al. (1991) KO, DO Sengupta & Te'eni KO, DO (1991) Margono et al. (1987) KO, DO Morgan et al. (1991) KO, DO Morgan et al. (1991) KO, DO Karat et al. (1987) KO, DO Altmann (1987) KO, DO Margono et al. (1987) KO, DO Morgan et al. (1991) KO, DO Torres-Chazaro et KO, DO al.(1992) Sengupta & Te'eni KO, DO (1991) Masson et al. (1988) KO, DO Tombaugh et al. (1989) KO, DO Tombaugh et al. (1989) KO, DO Torres-Chazaro al.(1992) et KO, DO Bearbeitungszeit Ergebni s KO DO Anfänger Bearbeitungszeit KO DO Anfänger Bearbeitungszeit KO DO Anfänger Bearbeitungszeit KO DO Anfänger Bearbeitungszeit KO DO Anfänger Bearbeitungszeit KO DO Anfänger Fehleranzahl KO DO Anfänger Fehleranzahl KO DO Anfänger Zeit zwischen K O Fehlern DO Anfänger Fehlerbehebungsze K O it DO Anfänger subjektive KO Bewertung DO Anfänger subjektive KO Bewertung DO Anfänger subjektive KO Bewertung DO Anfänger subjektive KO Bewertung DO Anfänger effiziente Nutzung K O DO Fortgeschritte Bearbeitungszeit KO ne DO Fortgeschritte Bearbeitungszeit KO ne DO Fortgeschritte subjektive KO ne Bewertung DO Fortgeschritte subjektive KO ne Bewertung DO < = < < = < < < < < = < < < < > = < < 151 8 Validierung der Meßkriterien Roberts & Moran KO, MO, DO Experten (1983) Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Roberts & Moran KO, MO, DO Experten (1983) Peters et al. (1990) KO, MO, DO Experten Bearbeitungszeit KO DO Vergessensfehler KO DO Erkennensfehler KO DO Fehlerbehebungsze K O it DO effiziente Nutzung K O DO < < < = < Bei der Analyse der Ergebnisse aller 12 Vergleichsstudien zeigt sich insgesamt eine deutliche Überlegenheit der Desktopoberflächen über den Kommandooberflächen (siehe Tabelle 8.1.2.1). Bei 24 unterschiedlichen Messergebnissen schneidet die Desktopoberfläche in 18 Fällen besser ab (75%); in fünf Fällen ergeben sich keine Unterschiede (21%), und nur einmal zeigt sich die Kommandooberfläche der Desktopoberfläche überlegen (4%). Das jedoch der Umstieg auf eine vollgraphische Desktopoberfläche alleine – ohne weitere Gestaltungsüberlegungen (siehe z.B. Marais 1990, S. 13, bzw. Olsen und Holladay 1994) – nicht ausreicht, konnte mit der Vergleichsstudie von PC-Professionell (PC-Professionell, 1995) gezeigt werden. 8.1.3. Zusammenfassende Beurteilung von Kommandooberflächen Ausgangspunkt unserer Meta-Analyse war die Annahme, dass Feedback über die im jeweiligen Dialogkontext aktuell gültigen Funktionen von Vorteil ist. Während wir beim Vergleich von Menüoberflächen mit Kommandooberflächen ein eher uneinheitliches Bild bekommen (siehe Tabelle 8.1.1.1), so zeigt sich die Überlegenheit von Desktopoberflächen deutlich (siehe Tabelle 8.1.2.1). Die uneinheitlichen Ergebnisse bei den Menüoberflächen können zum Teil durch den Trade-off zwischen 'Visualisierungsgrad' und 'interaktiver Direktheit' erklärt werden (siehe auch Abbildung 5.1.3). Die wahrscheinlich zu geringe interaktive Direktheit der Menüoberflächen verhindert dann einen entsprechend beobachtbaren Vorteil. Die Richtigkeit dieser Erklärung kann durch die eindeutigen Vergleichsergebnisse zugunsten der direktmanipulierbaren Desktopoberflächen belegt werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass – bei vergleichbarer 'interaktiver Direktheit' – das Ausmass an Feedback über das aktuell gültige Operatorsystem von entscheidender Bedeutung ist. Ob und inwieweit das Ausmass an visuellem Feedback jedoch allein für einen empirisch beobachtbaren Vorteil verantwortlich ist, wollen wir mit den folgenden Vergleichsstudien zur Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' beantworten. 152 Validierung von Flexibilität 8.2 8.2. 8.2.1. V ALIDIERUNG VON F LEXIBILITÄT CUI- versus GUI-Oberfläche In diesem ersten Experiment geht es darum, herauszufinden, welcher Typ von Benutzungsoberfläche – 'desktop (GUI)' oder 'menüorientiert (CUI)' – für die Benutzung eines relationalen Datenbank-Management-System (DBMS) eher geeignet ist. Wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, scheint die GUI-Oberfläche in einzelnen Flexibilitätskennwerten der CUI-Oberfläche überlegen zu sein. Ob und inwieweit sich dieser quantifizierbare Unterschied auch empirisch beobachten lässt, soll uns die folgende Untersuchung zeigen. Die Vorteile von Desktopoberflächen schienen bis vor sieben Jahren so offensichtlich zu sein, dass es damals kaum experimentelle Untersuchungen zu finden gab, die die Überlegenheit der Desktopoberflächen gegenüber insbesondere Menüoberflächen aufzeigten (Shneiderman 1987, Smith und Mosier 1986, Krause 1986). So forderten dann auch Hutchins, Hollan und Norman (1986, S. 123) eine eingehendere empirische Evaluation der direktmanipulierbaren (GUI) Oberflächen. Bei Whiteside et al. (1985) zeigte sich z.B. eine menüorientierte Oberfläche einer Desktopoberfläche überlegen. Beachtenswerterweise sprechen Whiteside et al. (1985) jedoch von ikonenorientierten statt von direktmanipulierbaren Oberflächen, so dass nur schwer abzuschätzen ist, inwieweit dieser Unterschied für das Ergebnis entscheidend ist. Zurecht betonen Whiteside et al. (1985), dass die aufgabenangemessene Gestaltung der Benutzungsoberfläche sehr wichtig ist, zum Teil sogar wichtiger als die Art der Benutzungsoberfläche selbst. Da bisher nur unzureichende und widersprüchliche Ergebnisse zum Vergleich von direktmanipulierbaren (GUI-) mit konventionellen Menü-(CUI-)Oberflächen hinsichtlich der Flexibilität vorliegen, werden diese beiden Interaktionsarten im Rahmen dieser Arbeit verglichen werden: Menüorientierten Benutzungsoberfläche (CUI): Die konventionelle, CUI-orientierte Benutzungsoberfläche, bei der die Dialogführung mit Funktionstasten (inklusive Cursor-Steuertasten) und Auswahlmenüs abgewickelt wird (siehe Abschnitt 6.3.2). Desktoporientierte Benutzungsoberfläche (GUI): Die graphikorientierte, direktmanipulierbare Benutzungsoberfläche, bei der die Dialogführung mit der Maus durch Anklicken von maussensitiven Bereichen vollzogen wird (siehe Abschnitt 6.3.3). 153 8 Validierung der Meßkriterien Folgende zwei Fragen sollen mit diesem Test beantwortet werden: 1.) Gibt es einen arbeitswissenschaftlich relevanten Unterschied in der Performanz (gemessen über die Bearbeitungszeit)? 2.) Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Art der Aufgabe und dem Typ der Benutzungsoberfläche? 8.2.1.1 Methodisches Vorgehen Es ergibt sich ein zweifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung auf dem zweiten Faktor: Der erste Faktor ist der 'Typ der Benutzungsoberfläche' ('CUI' auf IBM™ unter MsDOS™ vs. 'GUI' auf IBM™ unter GEM™), den zweiten Faktor bilden die 10 'Testaufgaben'. Diese zwei Faktoren sind die beiden unabhängigen Variablen. Eine ausführliche Beschreibung dieser Untersuchung ist in Rauterberg (1988b, 1989a, 1990a, 1992e) nachzulesen. Als abhängige Variablen wurden gemessen: die reinen 'Bearbeitungszeiten' gemäss Logfileprotokoll (bereinigt von den Systemantwortzeiten); als Co-Variaten: die genaue 'Anzahl der Stunden an allgemeiner EDV-Vorerfahrung' und die genaue 'Anzahl der Stunden an spezifischer Vorerfahrung' mit der jeweiligen Benutzungsoberfläche. Für die Bearbeitung der 10 Testaufgaben stand ein relationales Datenbankprogramm mit den zwei oben beschriebenen Benutzungsoberflächen zur Verfügung, wobei als Anwendungskomponente exakt die gleiche Datenbankmaschine diente; jeder Tastendruck wurde automatisch protokolliert. 8.2.1.2 Beschreibung der Testpersonen Es nahmen 12 Experten1 aufgeteilt in zwei Gruppen als Testpersonen an dieser Studie teil. Diese 12 Experten zeichneten sich dadurch aus, dass sie in ihrer täglichen Arbeit mit dem jeweiligen DBMS schon seit mehreren Jahren gearbeitet haben. Die Experten erhielten für ihre Testteilnahme keine Bezahlung. Gruppe-1 (Experte-CUI, N=6): durchschnittlich 38 Jahre; 6 Männer; 7.500 Stunden allgemeine EDV-Vorerfahrung; 1.736 Std. spezifische Oberflächenerfahrung. Gruppe-2 (Experte-GUI, N=6): durchschnittlich 38 Jahre; 6 Männer; 3.700 Stunden allgemeine EDV-Vorerfahrung; 1.496 Std. spezifische Oberflächenerfahrung. 1 An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei der ADI GmbH in Karlsruhe, insbesondere Herrn R. Mollenhauer bedanken, ohne dessen hervorragende Zusammenarbeit diese Untersuchung undenkbar gewesen wäre. Über die Kundenliste der Firma war es möglich, 12 'echte' Experten ausfindig zu machen. 154 Validierung von Flexibilität 8.2 8.2.1.3 Ablauf der Untersuchung Die Untersuchung wurde 1988 als Feldexperiment im süddeutschen Raum mit einem Toshiba-Laptop T2100 durchgeführt. Die Testpersonen begannen nach der Erhebung ihrer Vorerfahrung über einen Vorerfahrungsfragebogen (16 Skalen) mit der Aufgabenbearbeitung. Am Ende füllten alle Testpersonen einen Nachbefragungsbogen aus. Die Untersuchung dauerte insgesamt pro Testperson ca. 180 bis 240 Minuten (Einzelsitzungen). Die Testpersonen haben alle (bis auf einen) die 10 Aufgaben bearbeiten können. Die Reihenfolge der gestellten Aufgaben war für alle gleich. Erst wenn die jeweilige Aufgabe vollständig gelöst worden war, durften die Testpersonen weiterarbeiten. 8.2.1.4 Beschreibung der Testaufgaben Die zehn Testaufgaben wurden so ausgewählt, dass exakt die gleiche Funktionalität der Anwendungskomponente des DBMS unter den beiden Oberflächen angesprochen werden konnte und die in der alltäglichen Arbeit am häufigsten vorkommenden Handlungsschritte durchgeführt wurden. Aufgabe neun und zehn wurden ausgewählt, um die aufgabenangemessene Oberflächengestaltung zu testen. Die GUI-Tester mussten für Aufgabe neun und zehn ein Mischdokument mit einem externen Texteditor nach der Syntax einer vorgegebenen, einfachen Kommandosprache erstellen, während die CUI-Tester die Listen interaktiv in einem extra für diese Zwecke vorgesehenen Listenmodul definieren und erstellen konnten. Als Testdatenbank diente eine Datenbank bestehend aus drei Dateien (PLATZ; 17 Datensätze, ADRESSEN; 280 Datensätze, GRUPPE; 27 Datensätze) zur Verwaltung eines fiktiven Campingplatzes. Aufgabe 1: Aktivieren einer bestimmten Menüoption und Ablesen der drei Dateigrössen. Aufgabe 2: Öffnen (sortiert nach einen vorgegebenen Schlüsselmerkmal), Selektieren und Löschen des letzten Datensatzes (für Datei: PLATZ, ADRESSEN, GRUPPE). Aufgabe 3: Selektion eines bestimmten Datensatzes (Datei: PLATZ), Korrektur des Datensatzes bei vier Merkmalen. Aufgabe 4: Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: ADRESSEN), Korrektur jedes Datensatzes in einem Merkmal. Aufgabe 5: Definition eines Filters für ein Merkmal (Datei: PLATZ), Anwenden des Filters auf die Datei; Ausgabe der gefundenen Datensätze auf dem Bildschirm. 155 8 Validierung der Meßkriterien Aufgabe 6: Laden eines Rechnenprogramms (Datei: PLATZ), Anwenden der Rechnung auf alle Datensätze, Ausgabe auf Bildschirm und Abspeichern der Ergebnisse auf die Festplatte. Aufgabe 7: Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: GRUPPE), Erstellen und Drucken einer Liste für die gefundenen Datensätze mit drei Merkmalen. Aufgabe 8: Suchen eines (nicht vorhandenen) Datensatzes (Datei: ADRESSEN), Selektion eines vorhandenen Datensatzes (Datei: PLATZ), Laden des Rechnenprogramms, Mischen mit dem Datensatz, Ausdrucken der erstellten Rechnung. Aufgabe 9: Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: GRUPPE), Erstellen und Drucken einer Liste mit fünf Merkmalen aus Datei PLATZ und GRUPPE (2-stellige Relation). Aufgabe 10: Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: PLATZ und ADRESSEN), Erstellen und Drucken einer Liste mit drei Merkmalen aus Datei PLATZ, ADRESSEN und GRUPPE (dreistellige Relation). 8.2.1.5 Darstellung der Ergebnisse Es wurde ein zwei-faktorielles Testdesign über alle zehn Aufgaben hinweg gerechnet (Faktor F1 'Oberfläche' und Faktor F2 'Aufgabe (1–10)'). Da die Testpersonen jeweils alle Aufgaben bearbeiteten, muss der Faktor F2 als Messwiederholungsfaktor ausgewertet werden. 156 Validierung von Flexibilität 8.2 Bearbeitungszeit (s) GUI CUI 1591 1600 1400 1568 1261 1200 929 1000 800 698 600 445 321 400 197 200 125 416 346 156 154 53 200 114 693 409 412 180 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Aufgabennummer Abbildung 8.2.1.5.1 Darstellung der gemessenen, reinen Bearbeitungszeiten für die einzelnen Aufgaben, getrennt nach Oberfläche: 'GUI' = desktop- bzw. 'CUI' = menüorientierte Benutzungsoberfläche. Im Mittel erreichten die Experten mit der direktmanipulierbaren Oberfläche ('GUI') nur 55 % derjenigen Bearbeitungszeit, die die Benutzer mit der menüorientierten Oberfläche ('CUI') benötigten (F1: Oberfläche p ≤ ,001; Tabelle 8.2.1.5.1); lässt man die Aufgaben neun und zehn aussen vor, so verbessert sich das Verhältnis sogar auf durchschnittlich 46 %. Bei Aufgabe neun kehrt sich das Verhältnis zugunsten der menüorientierten Oberfläche kurzfristig um (126 %, Abbildung 8.2.1.5.1; F1 ⊗ F2: p ≤ ,003, p ≤ ,004 und p ≤ ,079; Tabelle 8.2.1.5.1). D.h., der Aufwand für eine bestimmte Aufgabe hängt noch zusätzlich von der jeweiligen Oberflächenversion ab. 157 8 Validierung der Meßkriterien Tabelle 8.2.1.5.1 Ergebnisse der varianzanalytischen Auswertung für die Variable Bearbeitungszeit mit zusätzlich zwei verschiedenen Co-Variaten 'allgemeine EDV-Erfahrung' und 'Anzahl Tastendrucke' [nur Angabe des Signifikanzniveaus p]. Co-Variate: keine allgemeine EDV-Erfahrung Anzahl Tastendrucke und ggf. Mausklicks Abhängige Variable: Bearbeitungszeit Bearbeitungszeit Bearbeitungszeit Faktor F1: Oberfläche Faktor F2: Aufgabe F1:Oberfläche ⊗ F2:Aufgabe ,001 ,001 ,003 ,001 ,001 ,004 ,001 ,001 ,079 Die Experten mit der direktmanipulierbaren GUI-Oberfläche (Gruppe 1) benötigten als mittlere Bearbeitungszeit über alle Aufgaben hinweg 374 s, die Experten mit der menüorientierten CUI-Oberfläche (Gruppe 2) jedoch eine mittlere Bearbeitungszeit von 581 s. Die Gruppe 1 mit der GUI-Oberfläche zeigt eindeutig im Vergleich zur Gruppe 2 mit der CUI-Oberfläche die geringeren Bearbeitungszeiten und damit die höhere Performanz bei der Arbeit mit einem relationalen DBMS. 8.2.1.6 Fazit für das relationale Datenbanksystem Obwohl die Experten der menüorientierten CUI-Oberfläche mehr als doppelt soviel an Vorerfahrung im Umgang mit EDV und deutlich mehr an spezifischer Vorerfahrung im Umgang mit ihrer CUI-Oberfläche haben (siehe Abschnitt 8.1.2), lässt sich eine deutliche Überlegenheit der GUI-Oberfläche gegenüber der konventionellen, menüorientierten CUI-Oberfläche aufzeigen. Frage 1 lässt sich daher eindeutig mit Ja beantworten. Mit der GUI-Oberfläche kann mehr als die Hälfte der Bearbeitungszeit eingespart werden. Dieser deutliche Unterschied in der Bearbeitungszeit kann nicht über die unterschiedliche Anzahl an Tastendrucken erklärt werden. Die Umstellung von einer CUI- auf eine GUI-Oberfläche alleine reicht jedoch nicht aus (Aufgabe neun!): Es muss für jeden Aufgabentyp eine sorgfältige, aufgabenangemessene Dialoggestaltung durchgeführt werden (Frage 2: Ja). Hatten die Experten der GUIOberfläche jedoch erst einmal das Lösungsschema für die Aufgabe neun (Definition einer Relation) herausgefunden, so konnten sie dies auch gleich gewinnbringend bei der Aufgabe zehn umsetzen. Dies spricht für die Lernförderlichkeit der GUI-Oberflächen. Was können wir jedoch aus diesen empirischen Ergebnissen für die Validierung der eingeführten Masse zur Quantifizierung des Feedbacks ableiten? Ursprünglich hatten wir angenommen, dass dieser empirische Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche geeignet ist, das unterschiedliche Ausmass an Feedback bzw. Transparenz zu validieren (siehe dazu Ulich et al. 1991). Anhand der Kennwerte zur Beschreibung dieser beiden Oberflä- 158 Validierung von Flexibilität 8.2 chen lässt sich jedoch unschwer ersehen (Abschnitt 6.3.2 bis Abschnitt 6.3.4), dass der deutliche Unterschied zwischen diesen beiden Oberflächen nicht primär im Bereich des Funktionsfeedbacks liegt, sondern vielmehr in der unterschiedlichen Flexibilität der Interaktionsstruktur zum Tragen kommt (siehe Tabelle 7.3.4.1). Wir können daher annehmen, dass das Kriterium Flexibilität von ausschlaggebender Bedeutung ist. Nachdem wir zeigen konnten, dass der absolute Unterschied im Ausmass an interaktiver Flexibilität – gemessen über DFl und AFl (siehe Abschnitt 7.3.4) – auch durch ein empirisch messbaren Performanzunterschied validiert werden kann, bleibt noch abzuklären, ob die absolute Unterschiedsdifferenz – oder aber das unterschiedliche Verhältnis dieser einzelnen Kennwerte – die wesentlichen Oberflächeneigenschaften charakterisieren. Wir haben daher ein vergleichbares Experiment mit den bereits oben beschriebenen multimedialen Oberflächen durchgeführt. 8.2.2. Baum- versus netzartige Interaktionsstruktur Wir gehen davon aus, dass (1) die netzartige Interaktionsstruktur eine grössere interaktive Flexibilität aufweist als die hierarchische Interaktionsstruktur (siehe Abschnitt 7.3.7), und dass (2) das Ausmass an Feedback zwischen beiden Oberflächen gleich ist (siehe Abschnitt 6.3.5). Benutzungsoberfläche mit einer hierarchischen Interaktionsstruktur (System-A): Benutzungsoberflächen mit einer strikt hierarchische Interaktionsstruktur zeichnen sich dadurch aus, dass der Benutzer gezwungen ist, in der Hierarchie auf und ab zu steigen (siehe Abschnitt 7.3.5). Benutzungsoberfläche mit einer netzartigen Interaktionsstruktur (System-B): Benutzungsoberflächen mit einer netzwerkartigen Interaktionsstruktur zeichnen sich dadurch aus, dass der Benutzer einerseits auf einem direkteren Weg zum Ziel gelangen kann und andererseits ihm mehrere Alternativen zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 7.3.6). Folgende zwei Fragen sollen beantwortet werden: 1.) Gibt es einen arbeitswissenschaftlich relevanten Unterschied in der Bearbeitungszeit zwischen diesen beiden Benutzungsoberflächen? 2.) Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art der Aufgabe und dem Typ der Benutzungsoberfläche? 159 8 Validierung der Meßkriterien 8.2.2.1. Methodisches Vorgehen Wir werden die Ergebnisse aus zwei, weitgehend identischen Benutzungstests vorstellen. Die überraschenden Resultate im ersten Test (Brunner und Rauterberg 1993) haben wir durch einen zweiten Test (Rauterberg et al. 1994b) überprüft und bestätigt gefunden. Dabei haben wir einfach dasselbe multimediale Informationssystem mit anderen Benutzern ein zweites Mal getestet. Die beiden Benutzungstests unterscheiden sich lediglich in drei Punkten: (1.) beim zweiten Benutzungstest gibt es eine zusätzlich, elfte Testaufgabe; die Bearbeitungszeit wurde beim Wiederholungstest für jede einzelne Testaufgabe getrennt gemessen; (2.) beim zweiten Benutzungstest haben wir zusätzlich die Blickbewegungen der Testpersonen während der Aufgabenbearbeitung miterhoben; sowie (3.) die Anzahl der Testpersonen im Wiederholungstest ist aufgrund des grösseren apparativen Aufwandes kleiner als im ersten Test. Es ergibt sich für den ersten Benutzungstest ein zweifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung auf dem ersten Faktor: Der erste Faktor ist der 'Typ der Benutzungsoberfläche' ('hierarchische Menüstruktur' versus 'netzartige Menüstruktur'); den zweite Faktor bildet die 'Reihenfolge der zu testenden Oberfläche'. Diese zwei Faktoren sind die beiden unabhängigen Variablen. Es ergeben sich zwei eigenständige Benutzergruppen, welche die Testaufgaben in ausbalancierter Reihenfolge bearbeiten ('lateinisches Quadrat', Bortz 1989). Es ergibt sich für den zweiten Benutzungstest ein dreifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung auf dem ersten und zweiten Faktor: Der erste Faktor ist der 'Typ der Benutzungsoberfläche' ('hierarchische Menüstruktur' versus 'netzartige Menüstruktur'), den zweiten Faktor bilden die 'Testaufgaben' (10 plus 1) und den dritten Faktor bildet die 'Reihenfolge der zu testenden Oberfläche'. Als abhängige Variablen wurden gemessen: die Bearbeitungszeiten über alle Testaufgaben hinweg, sowie die Anzahl der Maskenwechsel; als Co-Variate: die Anzahl der Stunden an allgemeiner EDV-Vorerfahrung. 8.2.2.2. Beschreibung der Testpersonen Benutzungstest-I Um die zwei Oberflächenversionen gegeneinander auszutesten, wurden 12 Testpersonen in zwei Gruppen eingeteilt. Es waren vier Informatikstudierende und zwei Nicht-Informatikstudierende in jeder Gruppe (drei Frauen und neun Männer). 160 Validierung von Flexibilität 8.2 Gruppe 1 (N=6) testete zuerst Version-A, dann Version-B; durchschnittliches Alter von 24,2 ± 0,4 Jahren; allgemeine EDV-Vorerfahrung mit interaktiven Computersystemen ca. 933 ± 797 Stunden. Gruppe 2 (N=6) testete zuerst Version-B, dann Version-A; durchschnittliches Alter von 22,5 ± 0,8 Jahren; allgemeine EDV-Vorerfahrung mit interaktiven Computersystemen ca. 1000 ± 858 Stunden. Der Altersunterschied zwischen beiden Gruppen ist signifikant (zweiseitiger T-Test, p ≤ ,001). Die beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch nicht in ihrer EDV-Vorerfahrung mit Computern (zweiseitiger T-Test, p ≤ ,892). Benutzungstest-II Um die zwei Oberflächenversionen nochmals gegeneinander auszutesten, wurden acht Testpersonen in zwei Gruppen eingeteilt. Alle acht Testpersonen waren männliche Praktikanten einer Elektrotechnikfirma im süddeutschen Raum. Gruppe 1 (N=4) testete zuerst Version-A, dann Version-B; durchschnittliches Alter von 25,0 ± 1,1 Jahren. Gruppe 2 (N=4) testete zuerst Version-B, dann Version-A; durchschnittliches Alter von 26,3 ± 3,1 Jahren. Der Altersunterschied zwischen beiden Gruppen ist nicht signifikant (zweiseitiger T-Test, p ≤ ,149). Die beiden Gruppen unterscheiden sich auch nicht in ihrer Vorerfahrung mit Computern. 8.2.2.3. Ablauf der Untersuchung Es mussten für beide Oberflächenversionen jeweils 10 Testaufgaben (plus eine zusätzliche Aufgabe beim zweiten Benutzungstest) bearbeitet werden. Beim ersten Benutzungstest wurde die Gesamtbearbeitungszeit aller Aufgaben gemessen, sowie die Anzahl Maskenwechsel gezählt, die mit Mausklicks ausgeführt worden sind. Vor und nach jeder Aufgabenserie wurde beim zweiten Benutzungstest der subjektive Eigenzustand der Testpersonen erhoben (Fragebogen nach Apenburg 1986). Das subjektive Urteil der Testperson zur Handhabbarkeit des Systems wurde nach jeder Aufgabenserie erhoben (Handhabungsfragebogen). Da die Benutzer die Interaktionsstruktur kennen sollten, um sich erfolgreich in ihr bewegen zu können, wurden zwei spezielle Wissensfragebögen entwickelt. Im ersten Fragebogen wurde gemessen, ob die Testpersonen die Nachfolgeknoten (Bildschirmmasken bzw. Dialogkontexte) eines vorgegebenen Knotens erkennen. Der zweite Fragebogen 161 8 Validierung der Meßkriterien zeigt den Teil der Interaktionsstruktur in der Form eines gerichteten Graphen, der in beiden Systemen gleichgeblieben ist. Die Richtung der Kanten stellt den jeweils gangbaren Weg dar. Es wurden fünf richtige Kanten gelöscht und fünf falsche Kanten eingefügt. Diese Fehler mussten von den Testpersonen möglichst vollständig erkannt und korrigiert werden. Zum Schluss hatten die Testpersonen die Änderung von System-A nach System-B zu beurteilen und zu kommentieren (zur genaueren Beschreibung siehe Brunner und Rauterberg 1993 bzw. Rauterberg et al. 1994a). 8.2.2.4. Beschreibung der Testaufgaben Die generelle Instruktion für die Aufgabenbearbeitungsphase lautete: "Bearbeiten Sie die Aufgaben bitte zügig und ohne unnötige Zeitverluste", die spezifische Instruktion lautete: "Bitte bearbeiten Sie die Aufgaben in der gegebenen Reihenfolge. Bitte fangen Sie jetzt an....". Es sollten die folgenden 10 (bzw. 11) Testaufgaben bearbeitet werden: 1. Suchen sie ein Einfamilienhaus für 450 000 DM. 2. Wer ist zuständig, wenn Sie es anschauen oder kaufen wollen? 3. Wo können Sie diese Person finden? 4. Sie brauchen eine Hypothek für das Haus; wo können Sie diese bekommen? 5. Wo können Sie sich über Kauf und Verkauf von Wertpapieren erkundigen? 6. Die Bank bietet Ihnen verschiedene Veranstaltungen an. Sie haben am 7.2.93 frei. Welchen Anlass können Sie besuchen? 7. Sie haben kein Bargeld mehr und sind am Hauptbahnhof. Wo finden Sie den nächsten EC-Bancomat? 8. In welchem Raum finden Sie den Bancomat in der Hauptstelle? 9. Welche Dienstleistungen können Sie am Schalter 'Geldservice' erwarten? 10. Suchen Sie ein Grundstück (das erste, welches Sie finden können). [11. Sehen Sie sich noch in den nächsten ca. zwei Minuten das in diesem Informationssystem an, was Sie am meisten interessiert.] Die Anzahl minimal notwendiger Maskenwechsel für die vollständige Aufgabenlösung ist für beide Systeme je nach Aufgabe unterschiedlich (siehe Tabelle 8.2.2.4.1). Wenn man alle 10 Aufgaben unmittelbar nacheinander (d.h., ohne Rückkehr zu einer Startmaske usw.) bearbeitet, so benötigt man bei Version-A insgesamt 33 und bei Version-B insgesamt 26 Maskenwechsel. Wir werden diesen Aspekt die 'objektive Aufgabenanforde- 162 Validierung von Flexibilität 8.2 rung' auf der Handlungsebene nennen. Durch die grössere Dialogflexibilität von VersionB ist die objektive Aufgabenanforderung um 21% gesenkt worden. Tabelle 8.2.2.4.1 Anzahl minimal benötigter Maskenwechsel ('objektive Aufgabenanforderung') für die 10 verschiedenen Aufgaben getrennt nach den beiden Systemen. [Die Angaben beruhen auf einer fortlaufenden Aufgabenbearbeitung.] Aufgabe Version-A Version-B % Verbesserung A->B Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe 3 Aufgabe 4 Aufgabe 5 Aufgabe 6 Aufgabe 7 Aufgabe 8 Aufgabe 9 Aufgabe 10 3 0 5 2 2 5 6 4 2 4 3 2 1 2 3 4 4 1 3 3 (1 – 3/3)*100% = (1 – 2/0)*100% = (1 – 3/3)*100% = (1 – 3/3)*100% = (1 – 3/2)*100% = (1 – 4/5)*100% = (1 – 4/6)*100% = (1 – 1/4)*100% = (1 – 3/2)*100% = (1 – 3/4)*100% = 0% n.b. 80 % 0% –50 % 20 % 33 % 75 % –50 % 25 % Total 33 26 (1 – 26/33)*100% = 21 % 8.2.2.5. Darstellung der Ergebnisse Mittels inferenzstatistischer Auswertungsverfahren (Bortz 1989) können die Ergebnisse der beiden Messgrössen (abhängigen Variablen) 'Aufgabenbearbeitungszeit' und 'Anzahl Maskenwechsel' verglichen und ggfs. vorhandene Unterschiede zwischen den beiden Oberflächenversionen generalisiert werden. Benutzungstest-I Die beiden Systemversionen unterscheiden sich hinsichtlich der Aufgabenbearbeitungszeiten über die insgesamt 10 Aufgaben hinweg nicht signifikant (MEANVersion-A = 10 ± 4 min, MEANVersion-B = 11 ± 4 min; F1: Oberfläche p ≤ ,085; Tabelle 8.2.2.5.1). D.h., für die flexiblere Version-B ist zwar – objektiv gesehen – eine geringere Anzahl an Maskenwechseln zur Lösung der Aufgaben notwendig als für die strikt hierarchische VersionA, dennoch schlägt sich dieser Vorteil nicht in der gemessenen Bearbeitungszeit nieder; im Gegenteil scheint die weniger flexible Version-A sogar eine tendenziell geringere Bearbeitungszeit aufzuweisen. Der Unterschied in der Bearbeitungszeit lässt sich nicht durch eine unterschiedliche Anzahl der tatsächlich getätigten Maskenwechsel erklären. Die beiden Systemversionen 163 8 Validierung der Meßkriterien unterscheiden sich nämlich ebenfalls nicht hinsichtlich der von den Benutzern getätigten Maskenwechsel über alle 10 Aufgaben hinweg (MEANVersion-A = 54 ± 15 Maskenwechsel, MEANVersion-B = 56 ± 19 Maskenwechsel; F1: Oberfläche p ≤ ,625; Tabelle 8.2.2.5.2). Tabelle 8.2.2.5.1 Ergebnisse der Varianzanalyse aus dem Benutzungstest-I für die Messgrösse 'Aufgabenbearbeitungszeit' über alle 10 Aufgaben hinweg. 'Aufgabenbearbeitungszeit' dF F1: Oberfläche F2: Reihenfolge der Bearbeitung Wechselwirkung F1 ⊗ F2 innerhalb der Testpersonen 1 1 1 10 Mean Square 6,531 3,542 1,288 34,056 F-Test 3,657 0,104 0,721 – p Signifikanz ,085 ,754 ,416 Tabelle 8.2.2.5.2 Ergebnisse der Varianzanalyse aus dem Benutzungstest-I für die Messgrösse 'Anzahl Maskenwechsel' global über alle 10 Aufgaben hinweg. 'Anzahl Maskenwechsel' dF Mean Square F1: Oberfläche F2: Reihenfolge der Bearbeitung Wechselwirkung F1 ⊗ F2 innerhalb der Testpersonen 1 1 1 10 22,042 15,042 12,042 564,042 F-Test 0,255 0,027 0,139 – p Signifikanz ,625 ,874 ,717 Dieses Ergebnis hat uns zunächst überrascht: Obwohl ein objektiver Flexibilitätsvorteil für Version-B vorzuliegen scheint (siehe Tabelle 7.3.7.1 und Tabelle 8.2.2.4.1), ist kein nachweisbarer Vorteil für die flexiblere Interaktionsstruktur zu messen. Im Gegenteil scheint sogar die hierarchische Interaktionsstruktur tendenziell im leichten Vorteil zu sein. Eine mögliche Erklärung kann im Grad der Geübtheit der Benutzer gesehen werden. Alle Testpersonen hatten keinerlei Vorerfahrung mit den beiden untersuchten multimedialen Informationssystemen. Der Vorteil einer flexibleren Interaktionsstruktur zeigt sich erst bei – im Umgang mit dem System – erfahreneren Benutzern (siehe Abschnitt 8.2.1). Dies deutet auf ein anfängliches Orientierungsproblem bei der flexibleren Interaktionsstruktur des multimedialen Informationssystems B hin – dem noch unzureichend ausgebildeten operativen Abbildsystems (siehe Abschnitt 6.1). Dieses Orientierungsproblem kann einerseits durch unzureichende Konsistenz und/oder andererseits durch eine als zu gross wahrgenommene Komplexität bedingt sein (siehe Dutke 1994, S. 108ff.). Um diese Interpretationsmöglichkeiten näher auszuloten, wurde der zweite Benutzungstest durchgeführt, bei dem wir zusätzlich noch das Blickverhalten der Benutzer mit gemessen haben. 164 Validierung von Flexibilität 8.2 Benutzungstest-II Die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Aufgabe zwischen den beiden Versionen-A und -B ist auch bei dieser Replikationsstudie ebenfalls nicht signifikant (MEANSystem-A = 73 ± 14 s, MEANSystem-B = 81 ± 28 s; Tabelle 8.2.2.5.3; F1: Oberfläche p ≤ ,273; Tabelle 8.2.5.4). Wie schon im Benutzungstest-I ist auch diesmal ein leichter Vorteil für Version-A erkennbar (siehe Tabelle 8.2.2.5.3). In der folgenden Tabelle werden die Mittelwerte der Variablen 'Aufgabenbearbeitungszeit' für die 10 verschiedenen Aufgaben dargestellt. Zusätzlich ist in der vierten Spalte das Signifikanzniveau des direkten Versionsvergleichs mittels zweiseitigem T-Test für die jeweilige Aufgabe angegeben. Tabelle 8.2.2.5.3 Mittelwerte des zweiten Benutzungstest für die Messgrösse 'Aufgabenbearbeitungszeit' für alle 10 Aufgaben. Aufgabe Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe 3 Aufgabe 4 Aufgabe 5 Aufgabe 6 Aufgabe 7 Aufgabe 8 Aufgabe 9 Aufgabe 10 Mean total Vers-A: Mean ± Std 99 ± 118 s 29 ± 23 s 99 ± 26 s 56 ± 33 s 33 ± 22 s 144 ± 73 s 89 ± 48 s 84 ± 37 s 40 ± 22 s 56 ± 27 s 73 ± 14 s Vers-B: Mean ± Std 53 ± 32 s 86 ± 56 s 34 ± 51 s 161 ± 127 s 79 ± 70 s 70 ± 32 s 78 ± 48 s 114 ± 84 s 87 ± 55 s 50 ± 33 s 81 ± 28 s P (2-tail) ,295 ,026 ,008 ,023 ,091 ,014 ,648 ,406 ,054 ,616 ,273 Mean total 76 ± 87 s 57 ± 51 s 67 ± 52 s 109 ± 105 s 56 ± 56 s 107 ± 67 s 83 ± 46 s 99 ± 65 s 63 ± 47 s 53 ± 29 s 77 ± 22 s Zwischen den beiden Testgruppen ist – im Unterschied zum Faktor F1: Oberfläche – ein signifikanter Unterschied bei der Reihenfolge der Bearbeitung beobachtbar: Gruppe-1 benötigte nur 68 s gegenüber Gruppe-2 mit 86 s (F2: Reihenfolge p ≤ ,029; Tabelle 8.2.2.5.4). Dieser Unterschied kommt im wesentlichen durch die überdurchschnittlich lange Bearbeitungszeit der zuerst getesteten Version zustande: bei Gruppe-2 die VersionB (104 s), bei Gruppe-1 die Version-A (78 s). Dieser Effekt verstärkt sich noch zusätzlich beim Wechsel auf die jeweils andere Systemversion (signifikante Wechselwirkung F1 ⊗ F2: p ≤ ,002; Tabelle 8.2.2.5.4): Bei Gruppe-2 die Version-A (68 s), bei Gruppe-1 die Version-B (59 s). Diese Wechselwirkung 'Oberfläche (F1)' mit 'Reihenfolge (F2)' ist auf den zu erwartenden Lerneffekt bei der wiederholten Aufgabenbearbeitung zurückzuführen. Zur Unterscheidung und genaueren Berechnung des Oberflächen- und Lerneffektes haben wir ein entsprechendes Berechnungsverfahren entwickelt (siehe hierzu Rauterberg 1991b), auf das wir hier jedoch nicht weiter eingehen wollen. 165 8 Validierung der Meßkriterien Die Bearbeitungszeiten zwischen den 10 verschiedenen Aufgaben unterscheiden sich signifikant (F3: Aufgaben p ≤ ,023; in Tabelle 8.2.2.5.4). Die Aufgabe 10 hatte die kürzeste (53 ± 29 s; Tabelle 8.2.2.5.3), die Aufgabe 4 die längste Bearbeitungszeit (109 ± 105 s; Tabelle 8.2.2.5.3 letzte Spalte). Tabelle 8.2.2.5.4 Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'Aufgabenbearbeitungszeit' für alle 10 Aufgaben getrennt (Messwiederholung). 'Aufgabenbearbeitungszeit' F1: Oberfläche F2: Reihenfolge der Bearbeitung Wechselwirkung F1 ⊗ F2 innerhalb der Testpersonen F3: Aufgaben (Messwiederholung) Wechselwirkung F1 ⊗ F3 Wechselwirkung F2 ⊗ F3 Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3 dF 1 1 1 12 9 9 9 9 Mean Square 2640,6 12250,0 30802,5 2000,5 7337,9 13687,5 3909,4 3591,7 F-Test 1,32 6,123 15,397 – 2,263 4,221 1,206 1,108 p Signifikanz ,273 ,029 ,002 ,023 ,001 ,299 ,364 Die signifikante Wechselwirkung (F1 ⊗ F3: p ≤ ,001; in Tabelle 8.2.2.5.4) besagt, dass die Bearbeitungszeit einer Aufgabe wesentlich von der Systemversion abhängt, mit der die Aufgabe bearbeitet wurde. So wird z.B. die Aufgabe 2 signifikant schneller mit Version-A als mit Version-B gelöst (p ≤ ,026; in Tabelle 8.2.2.5.3). Dagegen wird Aufgabe drei schneller mit Version-B als mit Version-A bearbeitet (p ≤ ,008; in Tabelle 8.2.2.5.3). Obwohl im Mittel die Version-B tendenziell die längeren Bearbeitungszeiten erforderte, ergab sich für die fünf Aufgaben eins, drei, sechs, sieben und zehn zum Teil beträchtliche Vorteile zugunsten der Version-B. Die Unterschiede bei Aufgabe drei und sechs zugunsten der Version-B sind signifikant. Umgekehrt schneidet die Version-A gegenüber der Version-B bei den drei Aufgaben zwei, vier und neun signifikant besser ab. Wenn man die objektive Aufgabenanforderung ('Anzahl Maskenwechsel', siehe Tabelle 8.2.2.4.1) mit der tatsächlich gebrauchten Bearbeitungszeit (siehe Tabelle 8.2.2.5.3) korreliert, so zeigt sich, dass nur die Bearbeitungszeiten bei Version-A mit dem Ausmass an objektiven Anforderungen positiv korrelieren (Spearman R = ,800; p ≤ ,005; N=10). D.h., je grösser die objektiven Anforderungen sind, desto grösser ist auch die benötigte Bearbeitungszeit! Beachtenswert ist, dass dieser Zusammenhang für die flexiblere Version-B nicht gilt (Spearman R = –,205; p ≤ ,571). In der Tabelle 8.2.2.5.5 werden die Ergebnisse der Variablen 'Anzahl Maskenwechsel' für die zweifaktorielle Varianzanalyse dargestellt. 166 Validierung von Flexibilität 8.2 Tabelle 8.2.2.5.5 Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'Anzahl Maskenwechsel' global über alle 10 Aufgaben hinweg. 'Anzahl Maskenwechsel' dF F1: Systemvergleich A versus B F2: Gruppe 1 versus 2 Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Fehlerterm 1 1 1 11 Mean Square 29,64 148,10 35,10 312,29 F-Test P Signifikanz 0,095 0,474 0,112 – ,764 ,505 ,744 Wie aus der Tabelle 8.2.2.5.5 hervorgeht, zeigt sich auch hier kein bedeutsamer Unterschied hinsichtlich der getätigten Interaktionsoperationen ('Anzahl Maskenwechsel'). Im Mittel wurden für beide Systeme ungefähr gleich viele Interaktionsoperationen getätigt (siehe Tabelle 8.2.2.5.6). Tabelle 8.2.2.5.6 Aufgabe Gruppe-1 Gruppe-2 Mean total Mittelwerte für die Messgrösse 'Anzahl Maskenwechsel' global über alle 10 Aufgaben hinweg. A: Mean ± Std. B: Mean ± Std. 89 ± 20 99 ± 10 95 ± 14 95 ± 22 99 ± 18 97 ± 18 Mean total 93 ± 19 99 ± 13 96 ± 16 Die psychomentale Belastung wurde über den Eigenzustandsbogen erfasst, welcher aus acht Skalen mit jeweils drei bis sechs Einzelfragen besteht (zur genaueren Beschreibung siehe Apenburg 1986 nach Nitsch 1976). Die Skalen lauten wie folgt: Anstrengungsbereitschaft, Erholtheit, Kontaktbereitschaft, Schläfrigkeit, Selbstsicherheit, sozial Anerkennung, Spannungslage und Stimmungslage. Insgesamt zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Systemversionen hinsichtlich der verschiedenen Skalen mit Ausnahme der Skala 'Spannungslage' und 'Stimmungslage'. Es wurden nicht die absoluten, sondern nur die Differenzwerte (nachher – vorher) über jeweils eine Aufgabenserie hinweg ausgewertet (siehe Tabelle 8.2.2.5.7). Tabelle 8.2.2.5.7 Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'psychomentale Belastung: Skala Spannungslage' pro Aufgabenserie. 'Spannungslage' dF Mean Square F1: Oberfläche F2: Reihenfolge Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Fehlerterm 1 1 1 12 20,25 0,25 4,00 6,29 F-Test 3,219 0,040 0,636 – P Signifikanz ,098 ,845 ,441 167 8 Validierung der Meßkriterien Es zeigt sich ein tendenziell bedeutsamer Unterschied bei der 'Spannungslage' zwischen den beiden Systemversionen: Version-A (+1,13 Differenzpunkte) und Version-B (–1,13 Differenzpunkte; F1: Oberfläche p ≤ ,098; Tabelle 8.2.2.5.7). D.h., die Testpersonen fühlten sich eher ausgeglichen, gelassen usw. nach der Aufgabenbearbeitung mit Version-A als mit Version-B. Zwischen den beiden Testgruppen ergibt sich kein bedeutsamer Unterschied: Gruppe-1 (–0,13 Differenzpunkte) und Gruppe-2 (+0,13 Differenzpunkte; F2: Reihenfolge p ≤ ,845; Tabelle 8.2.2.5.7). Diese Tendenz zeigt sich noch ausgeprägter bei der Skala 'Stimmungslage' (siehe Tabelle 8.2.2.5.8). Tabelle 8.2.2.5.8 Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'psychomentale Belastung: Skala Stimmungslage' pro Aufgabenserie. 'Stimmungslage' dF Mean Square F1: Oberfläche F2: Reihenfolge Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Fehlerterm 1 1 1 12 45,56 7,56 10,56 9,94 F-Test P Signifikanz 4,585 0,761 1,06 – ,054 ,400 ,323 Es besteht ein bedeutsamer Unterschied bei der Stimmungslage zwischen den beiden Systemversionen: Version-A (+1,75 Differenzpunkte) und Version-B (–1,63 Differenzpunkte; F1: Oberfläche p ≤ ,054; Tabelle 8.2.2.5.8). D.h., die Testpersonen fühlten sich eher fröhlich, gutgelaunt usw. nach der Arbeit mit Version-A als mit Version-B. Zwischen den beiden Gruppen ergibt sich kein Unterschied: Gruppe-1 (+0,75 Differenzpunkte) und Gruppe-2 (–0,63 Differenzpunkte; F2: Reihenfolge p ≤ ,400; Tabelle 8.2.2.5.8). Tabelle 8.2.2.5.9 Aufgabe Gruppe-1 Gruppe-2 Mean total Mittelwerte für die Messgrösse 'Anzahl richtige Wissensfragen' pro Aufgabenserie [Angaben in Prozent]. Version-A: Mean Version-B: Mean Mean total 80 % 86 % 83 % 35 % 42 % 38 % 57 % 64 % 61 % Das während der Aufgabenbearbeitung erworbene Wissen der Benutzer über die möglichen Dialogfortsetzungen (Maskenwechsel) wurde über einen Fragebogen mit vorgegebenen Antwortkategorien ('multiple choice') und über eine Grafik, welche die Interaktionsstruktur abbildete, erhoben. Da die Version-B einen höheren Grad der Vernetzung aufwies, konnten in dem Wissensfragebogen für Version-B auch mehr richtige Antworten gegeben werden. Um einen Bias im Vergleich zum Fragebogen für Version-A zu vermeiden, wurde eine Transformation der Variable 'Anzahl richtige Antworten' derart vor- 168 Validierung von Flexibilität 8.2 genommen, dass nur noch die vergleichbaren 'prozentual richtigen Anteile' einander gegenüber gestellt wurden (siehe Tabelle 8.2.2.5.9 und Tabelle 8.2.2.5.10). Tabelle 8.2.2.5.10 Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'Anzahl richtige Wissensfragen' pro Aufgabenserie. '% richtige Antworten' dF Mean Square F1: Oberfläche F2: Reihenfolge Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Fehlerterm 1 1 1 12 8011,6 151,6 3,2 110,5 F-Test 72,53 1,37 0,03 – P Signifikanz ,001 ,264 ,868 Es zeigt sich ein signifikanter Unterschied beim Wissen der Benutzer über die Interaktionsstruktur der beiden Systemversionen (F1: Oberfläche p ≤ ,001; Tabelle 8.2.2.5.10). Die Benutzer konnten die Fragen zu möglichen Dialogfortsetzungen bei Version-A signifikant besser beantworten (83 %), als bei Version-B (38 %; Tabelle 8.2.2.5.9). Es besteht kein Unterschied im durchschnittlich erworbenen Wissen zwischen den beiden Testgruppen über beide Versionen hinweg (F2: Reihenfolge p ≤ ,264; Tabelle 8.2.2.5.10). Mittels eines Fragebogens mit 11 bipolaren Ratingskalen1 wurde die subjektive Einschätzung über die jeweilige Systemversion als globales Mass der Handhabbarkeit erhoben. Es ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede im subjektiven Urteil der Benutzer zwischen beiden Systemversionen (siehe Tabelle 8.2.2.5.11). 1 Der Bereich z.B. der Skala "zeitsparend" ist: –2=("ziemlich zeitraubend"), –1=("eher zeitraubend"), 0=("teils/teils"), +1=("eher zeitsparend"), +2=("ziemlich zeitsparend"). 169 8 Validierung der Meßkriterien Tabelle 8.2.2.5.11 Mittelwertsdifferenzen für die Messgrösse 'Handhabbarkeit' pro Version [die vierte Spalte enthält das Signifikanzniveau eines zweiseitigen T-Testes]. Handhabung zeitsparend flexibel einfach durchschaubar eindeutig übersichtlich unkompliziert frei vorhersehbar beeinflussbar erfreulich Vers-A: Mean ± Std 0,25 0,00 0,13 –0,13 0,13 0,13 0,75 0,38 0,38 0,13 0,63 Vers-B: Mean ± Std 0,00 0,25 0,38 0,13 –0,38 0,38 0,38 –0,25 0,25 0,50 0,13 P (2-tail) ,663 ,668 ,709 ,751 ,306 ,709 ,538 ,324 ,854 ,554 ,128 Mean total 0,13 0,13 0,25 0,00 –0,13 0,25 0,56 0,06 0,31 0,31 0,38 Im Nachbefragungsbogen nach Bearbeitung der Aufgabenserien mit beiden Systemen wurde jede Testperson um ihre abschliessende Beurteilung gebeten (siehe Tabelle 8.2.2.5.12). Es zeigten sich, dass die Zuordnung vom 'Ort' (Wo-Struktur) zum 'Fachgebiet' (Was-Struktur) als 'nützlich' bis 'sehr nützlich' eingestuft wurde. Die gleichzeitige Zuordnung des 'Beraters' (Wer-Struktur) wurde ebenfalls als 'nützlich' bis 'sehr nützlich' angesehen. Die ringförmige Verkettung aller 'Berater' wurde dagegen als 'kaum nötig' bis 'unnötig' eingestuft. 170 Validierung von Flexibilität 8.2 Tabelle 8.2.2.5.12 Mittelwerte für die Messgrösse 'subjektiver Systemvergleich' pro Gruppe aus dem Nachbefragungsbogen [die vierte Spalte enthält das Signifikanzniveau eines zweiseitigen T-Testes]. Systemvergleich1 Gruppe-1 Gruppe-2 P (2-tail) Total Mean "Die Möglichkeit zu jedem Fachgebiet den entsprechenden Ort zu finden ist..." "Die Möglichkeit zu sehen, wo welche Abteilungen sind, finde ich..." "Die Möglichkeit zu jedem Fachgebiet die zuständigen Personen zu finden ist..." "Die Darstellung von Fachgebieten mit Bildern statt mit Text, finde ich..." "Die Möglichkeit fast beliebig im System herumzuschauen, finde ich..." "Die Veranstaltungen schon vom Hauptmenü aus zu sehen, finde ich..." "Die Möglichkeit alle Mitarbeiter anschauen zu können, finde ich..." 4,8 ± 0,5 4,8 ± 0,5 1,000 4,8 ± 0,5 4,3 ± 0,5 4,5 ± 1,0 ,670 4,4 ± 0,7 4,3 ± 0,5 4,0 ± 0,8 ,620 4,1 ± 0,6 3,8 ± 1,9 3,8 ± 1,5 1,000 3,8 ± 1,6 3,0 ± 0,8 3,8 ± 0,9 ,278 3,4 ± 0,9 2,8 ± 1,3 3,5 ± 1,3 ,437 3,1 ± 1,2 1,3 ± 0,5 2,8 ± 1,5 ,107 2,0 ± 1,3 Die folgenden qualitativen Aussagen wurden von einigen Testpersonen zusätzlich getroffen: "Ich habe in Version-B einen Button vermisst, mit dem ich von überall auf das Hauptmenü zurückkehren kann." "Es fehlt bei beiden Versionen teilweise die Möglichkeit, den vorhergehenden Bildschirm mit einer Operation zu erreichen." "Bei einigen Ikons ist die Bedeutung nicht von Anfang an klar; es muss zuerst ausprobiert werden." "Es bringt nichts wenn, ich den Immobilienfachmann suche, gleichzeitig aber alle anderen Mitarbeiter ansehen kann." "Version-B ist zu flexibel. Sie wird dadurch unübersichtlich." "Die Möglichkeit, von praktisch überall her überall hinzukommen ist zwar praktisch, aber macht das System zum Teil ziemlich unüberschaubar." "Die starke Vernetzung ist vor allem für Leute wichtig, die täglich damit arbeiten und so mit einer Zeitersparnis rechnen können. Da dies hier aber kaum der Fall sein wird, ist eine etwas starre Struktur zugunsten der Übersichtlichkeit wohl vorzuziehen." 1 Der Skalenbereich ist: 1=("unnötig"), 2=("kaum nötig"), 3=("weder/noch"), 4=("nützlich"), 5=("sehr nützlich"). 171 8 Validierung der Meßkriterien "Die Version-B war viel verwirrender für mich. Ich brauche scheinbar die klare Menüstruktur, jedenfalls am Anfang. Nach der Einarbeitung könnte mir die Version-B allerdings besser gefallen als die Version-A, weil sie viel flexibler ist und ein Herumspringen in den Masken ermöglicht." "Besonders praktisch fand ich die Möglichkeit, direkt nach dem Auffinden des Bancomaten eine Geschossübersicht der Hauptstelle zu erhalten." "Die Querverbindung von jedem Bildschirm zum Ort und zum Berater zu gelangen ist gut." 8.2.2.6. Fazit für die Flexibilität interaktiver Systeme Das Ziel, durch eine Vergrösserung der Flexibilität die Benutzung für Anfänger bzw. gelegentliche Benutzer zu verbessern, ist nicht erreicht worden. Die Testpersonen brauchten tendenziell länger, um die Testaufgaben mit der flexibleren Version zu lösen. Zum Teil bestanden die Probleme darin, dass die Ikons nicht richtig interpretiert werden konnten und/oder die Orientierung auf dem Bildschirm nicht ausreichend zustande gekommen ist. Ein Teil der Testpersonen brauchte mit der flexibleren Version länger, um zu überlegen, wie man von einem Ort zum anderen gelangen konnte. Es wurde zwar von den Testpersonen angemerkt, dass Version-B flexibler und freier ist, jedoch konnte die Flexibilität nicht in eine schnellere Bearbeitungszeit umgesetzt werden. Die Testpersonen fanden sich im Mittel mit dem höheren Ausmass an Flexibilität nicht zurecht und beurteilten die Version-B als undurchschaubarer, uneindeutiger und unübersichtlicher. D.h., sie konnten sich die Interaktionsstruktur nicht vorstellen oder gar behalten, was man bei den Ergebnissen des Wissenstests oder an Bemerkungen – wie "brauche Zurückbutton" oder "Button zum Hauptmenü fehlt" – sehen kann. Es gab einige Testpersonen, die die Freiheit im Prinzip gut fanden, sich aber kein ausreichendes Verständnis einzelner Ikons aneignen konnten. Dadurch nahm auch die Transparenz über die Interaktionsstruktur ab. Beim ersten Benutzungstest mit dem multimedialen Informationssystem ist aufgefallen, dass einige Testpersonen (insbesondere Studenten der Informatik) Mühe hatten, auf Ikons zu drücken, welche neben beschrifteten Buttons angebracht waren. Das lässt die Vermutung zu, dass sich EDV-Kenner bereits stark an gewisse Systemeigenschaften gewöhnt haben. Dasselbe kann auch auf die Interaktionsstruktur zutreffen. Da die meisten menügesteuerten Systeme eine sternförmige bzw. hierarchische Interaktionsstruktur haben, kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn auf eine flexiblere, netzartige Interaktionsstruktur umgestiegen wird. Welche Bedeutung hat dies für die Validität der von uns eingeführten Masse zur Quantifizierung der Flexibilität? Wie wir im Abschnitt 7.3.5 bis 7.3.7 gesehen haben, zeichnet sich die Version-B durch eine grössere Flexibilität hinsichtlich DFl und AFl in der Interaktionsstruktur aus. Dies wurde von den Testpersonen wahrgenommen und ent- 172 Validierung von Flexibilität 8.2 sprechend zum Ausdruck gebracht. Was haben wir aber zeigen können? Zuerst einmal haben wir nicht zeigen können, dass flexiblere Interaktionsstrukturen ohne eine gleichzeitige Unterstützung in der Orientierung bei Anfängern bzw. gelegentlichen Benutzern zu Performanzvorteilen führen. Dennoch sind wir jetzt in der Lage, quantitative Angaben über eine minimale Flexibilität zu machen. Im Abschnitt 7.3.2 bis 7.3.4 über die beiden Oberflächen des relationalen Datenbanksystems konnten wir sehen, dass eine Interaktionsstruktur mit Kennwerten für DFl und AFl mit einem Wert von über 15 (siehe Tabelle 7.3.4.1) sich auch durch Performanzvorteile empirisch bestätigen lässt (siehe Abschnitt 8.2.1). Die Kennwerte der beiden Oberflächen des multimedialen Informationssystems sind dagegen um eine Grössenordnung kleiner (Version-A: DFl=0,5 und AFl=3,6; Version-B: DFl=1,3 und AFl=4,2; siehe Tabelle 7.3.7.1). Performanzvorteile lassen sich offenbar erst dann für eine flexiblere Interaktionsstruktur empirisch nachweisen, wenn ein Mindestmass an interaktiver Flexibilität gegeben ist. Dieser Schwellwert liegt mindestens bei 15. Er kann zudem abhängig vom systemspezifischen Erfahrungswissen bzw. den Systemkenntnissen der Benutzer sein. Diese Hypothese haben wir in Abbildung 8.2.2.6.1 dargestellt. Performanz Experte Anfänger <1 5 – 15 > 15 Flexibilität Abbildung 8.2.2.6.1 Angenommener Zusammenhang zwischen Systemflexibilität und systemspezifischem Erfahrungswissen der Benutzer im Bezug zur Performanz (Performanz ist umgekehrt proportional zu Leistungsindikatoren wie Bearbeitungszeit, Anzahl Fehlern usw.) Um diesen vorhergesagten Zusammenhang empirisch testen zu können, benötigen wir ein inflexibles System (z.B. die CUI-Oberfläche), ein flexibles System (z.B. die GUI-Oberfläche), sowie Anfänger (geringe bis mittlere Systemkenntnisse) und Experten (grosse Systemkenntnisse). Wir haben daher unseren Benutzungstest mit dem relationalen Daten- 173 8 Validierung der Meßkriterien bankprogramm um zwei Anfängergruppen erweitert, welche die Aufgaben mit der jeweiligen Oberfläche zu bearbeiten hatten. Die Ergebnisse sind in Rauterberg (1992e, Tabelle 2 auf Seite 232) wiedergegeben. Es zeigte sich in den Ergebnissen der dreifaktoriellen Varianzanalyse tendenziell der in Abbildung 8.2.2.6.1 vorhergesagte Zusammenhang (Wechselwirkung 'Oberfläche' ⊗ 'Systemkenntnisse': df = 1; F = 3,61; p ≤ ,060). Die Anfänger benötigten für die Bearbeitung der ersten sechs Aufgaben (siehe Abschnitt 8.2.1.4) im Mittel 1120 s mit der CUI- und 770 s mit der GUI-Oberfläche. Dies entspricht einem Verbesserungsgrad von 31% (1 – 770/1120 = 0,31). Die Experten benötigten für die selben sechs Aufgaben im Mittel 368 s mit der CUI- und 170 s mit der GUIOberfläche. Dies entspricht einem Verbesserungsgrad von 54%. Die Experten bzw. Benutzer mit grossen Systemkenntnissen profitieren also stärker von einem flexiblen System – gemessen über DFl und AFl – als Anfänger bzw. Benutzer mit geringen Systemkenntnissen. Erst wenn die Flexibilität der Interaktionsstruktur des multimedialen Informationssystems deutlich vergrössert wird (mindestens fünf- bis sechsfach), können wir den dadurch bedingten Performanzvorteil auch empirisch messen. Wenn diese Interpretation richtig ist, dann dürften wir für alle Systeme, die ähnliche Kennwerte wie unsere multimedialen Versionen haben, ebenfalls keine empirischen Performanzunterschiede beobachten. Festzuhalten bleibt, dass die absolute Ausprägung der Kennwerte – und nicht ihr relatives Verhältnis zueinander – von Bedeutung ist. 8.2.3. Kreuzvalidierung an zwei CUI-Oberflächen eines Simulationsprogrammes Wenn die zuletzt getroffenen Aussagen über das notwendige Ausmass an Flexibilität allgemeingültig sein sollen, dann müssen sie auch auf andere interaktive Softwareprodukte anwendbar sein. Wir haben daher eine unabhängige empirische Studie gesucht, welche verschiedene Interaktionsstrukturen bei sonst gleicher Anwendungsfunktionalität experimentell verglichen hat. Diese Studie liegt z.B. mit der Arbeit von Grützmacher (1988) vor. Dieses Vorgehen zur Überprüfung der in unserer Arbeit entwickelten Masse kann als eine Art Kreuzvalidierung bezeichnet werden (Bortz 1989). Wir haben also unsere Masse auf die beiden Oberflächen des Simulationsprogrammes angewandt, um die Ergebnisse des empirischen Tests 'vorhersagen' zu können. Bevor wir jedoch die Resultate der empirischen Studie darstellen, werden wir die beiden Oberflächen mit unseren Massen beschreiben. Wir sollten dann das Ergebnis dieser empirischen Studie allein aufgrund unserer Oberflächenkennwerte vorhersagen können. 174 Validierung von Flexibilität 8.2 Moro-Simulation _HAUPTMENÜ: _________________ Allgemeines Bevölkerung Viehzucht Ackerbau Handel Finanzen Technische Geräte * * * * * * * PF 1: nächstes MENÜ / INSPEKTION PF 2: EINGABE oder weiteres MENÜ PF 3: HILFE zu den PF-Tasten PF 4: ENDE des Spieles ALLGEMEINES VORGEHEN: Bewegen des Cursors unter Begriff und PF-Taste wählen Der ´* ´ führt in Verbindung mit PF1 oder PF2 zu weiteren Menüs Abbildung 8.2.3.1 Das Hauptmenü der CUI-Oberfläche des Simulationsprogrammes von Grützmacher (1988, S. 29). Tabelle 8.2.3.1 Ergebnisse der Feedbackmasse (plus Standardabweichung) für die beiden Oberflächen des Simulationsprogramms [K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Interaktionsstruktur CUI-O: hierarchisch CUI-O: netzartig AFBF 372,8 347,9 RFBF K GRFBF F 86% (± 30%) 90% (± 27%) 435 388 85% (± 32%) 89% (± 29%) 1556 1538 Die Arbeit von Grützmacher (1988)1 hatte zwei Ziele: (1.) den Einfluss einer unterschiedlichen Interaktionsstruktur (hierarchisch versus netzartig) und (2.) den Einfluss der Darstellungsart (Graphik versus Tabelle) auf die kognitive Problemlösegüte der Benutzer zu untersuchen. Der Unterschied in der Darstellungsart wird im folgenden nicht weiter berücksichtigt. Da das Ausmass an Funktionsfeedback für die beiden Oberflächenvarianten (hierarchische versus netzartige Interaktionsstruktur) weitgehend gleich ist (siehe Tabelle 8.2.3.1), beschränken wir uns im folgenden nur auf die unterschiedliche Flexibilität beider Interaktionsstrukturen. 8.2.3.1. Der Hierarchisierungsgrad der hierarchischen Interaktionsstruktur Zur Messung des Hierarchisierungsgrades (HG) haben wir zunächst alle 363 Masken als Dialogkontexte identifiziert. Dann haben wir in einem zweiten Schritt insgesamt 693 1 Wir sind für die grosszügige Unterstützung von Herrn Andreas Grützmacher sehr dankbar, welcher uns für die Anwendung der verschiedenen Masse alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt hat. 175 8 Validierung der Meßkriterien VDFIPe und 720 VAFIP ausgezählt. Da der Zustand der Anwendungskomponente dieses Simulationsprogrammes über 49 verschiedene quantitative Parameter beeinflusst werden konnte, haben wir pro WAFIP jeweils nur die zehn verschiedenen Zahlen '0' bis '9' als VAFIPe gezählt (Verhältnis WAFIP zu VAFIP ist 1:10). Jeder VDFIP hatte genau einen eindeutig zugeordneten WDFIP (Verhältnis WDFIP zu VDFIP ist 1:1). Alle 363 Masken (= Dialogkontexte) sind über insgesamt 761 Kanten (= VDFIPe) verbunden. Wie bei unserem multimedialen Informationssystem ist auch bei dieser Oberfläche die Anzahl der Verbindungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten identisch mit der Anzahl an VDFIPen. Von den 363 Dialogkontexten haben 72 Masken genau einen WAFIP mit jeweils 10 zugehörigen VAFIPen (= 720 VAFIPe) sowie insgesamt 72 VDFIPe bzw. WDFIPe für die Rückkehr; weitere 220 Masken, welche nur für die Ausgabe von Systemparametern dienen, haben genau einen VDFIP bzw. WDFIP; die restlichen 71 Masken haben lediglich Verteilerfunktionen und sind untereinander mit 177 Kanten verbunden (siehe Abb. 8.2.3.1.1). 177 71 Dialogkontexte mit insgesamt 469 WDFIPe und 469 VDFIPe (reine Verteilerfunktion) 72 220 72 72 Dialogkontexte mit je 1 WDFIP und 1 VDFIP sowie 1 WAFIP und 10 VAFIPe 220 220 Dialogkontexte mit 1 WDFIP und 1 VDFIP 720 Abbildung 8.2.3.1.1 Summarische Übersicht über die hierarchische Interaktionsstruktur des Simulationsprogrammes. Um den Hierarchisierungsgrad HG berechnen zu können, benötigen wir die konkrete Interaktionsstruktur. Diese mussten wir erst aus der uns ausgehändigten Beschreibung aller 435 Dialogkontexte (in Form einer Liste) rekonstruieren. Anhand des rekonstruierten Interaktionsbaumes lässt sich dann die Anzahl an Interaktionsschritte vom Hauptmenü zu jedem VAFIP bzw. VDFIP einfach durch Auszählen feststellen. Da es nur 49 verschiedene Parameter (WAFIPe) gibt, sind 23 Dialogkontexte mit jeweils einem WAFIPe doppelt vorhanden; dies ergibt dann die 72 Dialogkontexte mit genau einem WAFIP. Diese Art 176 Validierung von Flexibilität 8.2 der Redundanz ist oft bei eher hierarchischen Interaktionsstrukturen zu beobachten, um dem Benutzer zum Teil weite Wege über die Menühierarchie zu ersparen. Tabelle 8.2.3.1.1 Hierarchische Oberfläche des Simulationsprogrammes: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 4,8 (± 0,9) 4,2 (± 1,1) K F (72) 720 (363) 693 Gesamtlänge 3450 2901 Aus Tabelle 8.2.3.1.1 können wir ablesen, dass für jeden VAFIP vom Hauptmenü aus im Mittel 4,8 Interaktionsschritte benötigt werden. Wie für eine hierarchische Menüstruktur zu erwarten, ist HG für alle VDFIPe im Mittel etwas kleiner (4,1 Interaktionsschritte). Dieser geringe Unterschied kommt dadurch zustande, dass 220 der insgesamt 292 'Blätter' des Interaktionsbaumes lediglich der Zustandsanzeige eines einzelnen Parameters dient und somit nur als ein VDFIP bzw. WDFIP gezählt wurde. 8.2.3.2. Der Hierarchisierungsgrad der netzartigen Interaktionsstruktur Die Rekonstruktion des Graphen der netzartigen Interaktionsstruktur aus den insgesamt 389 Dialogkontexten war recht aufwendig, zumal wenn man dies 'von Hand' und nicht automatisch durchführen muss. Dabei wächst der Aufwand überproportional mit der Anzahl Verbindungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten. Insgesamt besteht das Interaktionsnetz aus 389 Masken (= Dialogkontexte) mit 1053 Verbindungen (= VDFIPe). Von den 389 Dialogkontexten haben 49 genau einen WAFIP mit jeweils 10 zugehörigen VAFIPen; 149 Dialogkontexte dienen ausschliesslich der Parameterausgabe; die restlichen 191 Dialogkontexte haben reine Verteilerfunktionen und hängen untereinander über 657 Verbindungen zusammen. Insgesamt gibt es 1053 Kanten für den Wechsel zwischen den verschiedenen Dialogkontexten; zusätzlich gibt es 49 WAFIPe mit insgesamt 490 VAFIPen (siehe Abb. 8.2.3.2.1). 177 8 Validierung der Meßkriterien 657 191 Dialogkontexte mit insgesamt 855 WDFIPe und 855 VDFIPe (reine Verteilerfunktion) 49 149 49 149 49 Dialogkontexte mit 1 WDFIP und 1 VDFIP sowie 1 WAFIP und 10 VAFIPe 149 Dialogkontexte mit 1 WDFIP und 1 VDFIP 490 Abbildung 8.2.3.2.1 Summarische Übersicht über die netzartige Interaktionsstruktur des Simulationsprogrammes. Tabelle 8.2.3.2.1 Netzartige Oberfläche des Simulationsprogrammes: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Mass HG(A): Pfadlänge pro VAFIP HG(D): Pfadlänge pro VDFIP Kennwert (± Std) 6,4 (± 1,4) 4,6 (± 1,5) K F (49) 490 (389) 1053 Gesamtlänge 3110 4813 Da durch die netzartige Struktur verschiedene Wege vom Startkontext ('Hauptmenü') hin zu den verschiedenen VAFIPen möglich sind, haben wir definitionsgemäss für die Berechnung von HG nur den jeweils kürzesten Weg zugrunde gelegt. Wie wir aus Tabelle 8.2.3.2.1 ablesen können, werden für jeden VAFIP im Mittel 6,4 und für jeden VDFIP im Mittel 4,6 Interaktionsschritte benötigt. Dieser Unterschied kommt dadurch zustande, dass oftmals unmittelbar vor dem Dialogkontext mit den VAFIPen ein oder zwei Dialogkontexte zwischengeschoben waren, welche lediglich mit verschiedenen Verzweigungsmöglichkeiten ausgestattet waren und der semantischen Gruppierung der einzelnen anwendungsbezogenen Kontexte dienten. Es gibt mehr als doppelt so viele VDFIPe als VAFIPe. 8.2.3.3. Ein Vergleich der Flexibilität der hierarchischen mit der netzartigen Interaktionsstruktur des Simulationsprogrammes Um die Flexibilität der beiden verschiedenen Interaktionsstrukturen miteinander vergleichen zu können, haben wir unter anderem die Kennwerte für die Masse AFl und DFl berechnet. Die hierarchische Interaktionsstruktur hat im Durchschnitt pro Dialogkontext 1,9 178 Validierung von Flexibilität 8.2 dialogfunktionale Interaktionspunkte (VDFIPe) und ebenso viele anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (VAFIPe). Demgegenüber weist die netzartige Interaktionsstruktur eine Verdichtung auf durchschnittlich 2,7 VDFIPe pro Dialogkontext auf (siehe Tabelle 8.2.3.3.1). Bei der durchschnittlichen Anzahl der anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte ist bei der netzartigen Interaktionsstruktur eine leichte Abnahme auf 1,3 VAFIPe zu verzeichnen. Beide Interaktionsstrukturen weisen insgesamt fast gleich viele Interaktionspunkte auf (Ihierarchisch = 1413, Inetzartig = 1543). Die höhere interaktive Flexibilität der netzartigen Interaktionsstruktur ist durch den 1,4-fachen Wert von DFl gekennzeichnet. Für die anwendungsbezogene Flexibilität stellen wir sogar eine leichte Abnahme fest. Tabelle 8.2.3.3.1 Hierarchische und netzartige Interaktionsstrukur des Simulationsprogrammes: Übersicht über die Ergebnisse (Kennwert ± Standardabweichung) der Masse IA, DFl, AFl und IVG [F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte]. Interaktionsstruktur IA CUI-O: hierarchisch CUI-O: netzartig 2,4 ± 1,7 3,4 ± 2,2 Verhältnis: netz/hier 1,4 F 1413 1543 DFl AFl 1,9 ± 2,2 2,7 ± 2,4 2,0 ± 4,0 1,3 ± 3,3 1,4 0,7 K IVG 363 1,9 ± 2,2 389 2,7 ± 2,4 1,4 Wenn unsere Aussagen über die Flexibilität eines interaktiven Systems aus Abschnitt 8.2.2.6 stimmen, dann dürfte sich aufgrund der Unterschreitung des absoluten Schwellwertes für AFl bzw. DFl von 15 keine empirisch nachweisbaren Performanzvorteile für die netzartige Interaktionsstruktur finden lassen. Diese Vorhersage können wir nun mittels unserer quantitativen Masse für die Flexibilität im vorhinein treffen, ohne dazu einen empirischen Test durchzuführen. Schauen wir uns nun die tatsächlich gefundenen Ergebnisse im Detail an. 8.2.3.4. Ergebnisdarstellung der empirischen Vergleichsstudie Diese empirische Studie ist in Grützmacher (1988) hinreichend genau beschrieben, so dass wir uns bei der Darstellung dieses Testes nur auf die für unsere Analyse wichtigen Aspekte beschränken. Methodisches Vorgehen Das Simulationsprogramm wurde auf einem IBM 3081K Rechner des Rechenzentrum der Universität Zürich in IBM Pascal-VS unter dem Betriebssystem VM-CMS implementiert. Das Programm war auf verschiedenen ASCII-Bildschirmen mit 13 Zoll Bildschirmdiagonale öffentlich zugänglich. Benutzer wurde über Aushänge und Handzettel auf dieses Simulationsspiel aufmerksam gemacht. Das Simulationsprogramm hatte vier verschiedene 179 8 Validierung der Meßkriterien CUI-Oberflächen: (1) graphische Darstellung und hierarchische Interaktionsstruktur, (2) tabellarische Darstellung und hierarchische Interaktionsstruktur, (3) graphische Darstellung und netzartige Interaktionsstruktur, (4) tabellarische Darstellung und netzartige Interaktionsstruktur. Es ergab sich somit ein zweifaktorielles Testdesign mit vier Testgruppen. Das Programm stand beliebigen Benutzern im Zeitraum von Mai bis Dezember 1987 zur Verfügung. Aus allen protokollierten Spielen werden im folgenden nur noch diejenigen Spiele ausgewertet, welche die 'sichersten' Daten lieferten. Hierzu wurden alle Spiele gezählt, bei denen der Spieler zu Beginn angab, das erste mal gespielt zu haben. Es ergab sich eine Stichprobe von 35 Spielen aus einer Gesamtstichprobe von 65 gültig abgeschlossenen Spielen. Insgesamt wurde 83 Mal das Programm von 65 verschiedenen Benutzern gestartet. Für die folgenden Resultate wurde nur 35 eindeutig identifizierbare Erstkontakte ausgewertet. Die Zuordnung des einzelnen Benutzers zu einer der vier Testgruppen erfolgte zufällig, jedoch insgesamt gesehen so, dass alle Testgruppen möglichst gleich stark besetzt waren. Es gelangten 20 Benutzer in die Gruppe mit der hierarchischen Interaktionsstruktur und 15 Benutzer in die Gruppe mit der netzartigen Struktur. Darstellung der Ergebnisse Die Aufgabe der Benutzer des Simulationsprogrammes bestand darin, die folgenden acht Zielvariablen von einem Ausgangswert (A) auf einen vorgegebenen Zielwert (Z) zu verändern bzw. auf dem Ausgangswert zu halten: (1) Anzahl Rinder [A=1993; Z=4000], (2) Menge des Kapitals [A=3 Mill.; Z= 3 Mill.], (3) Grad der medizinischen Versorgung [A= 0%; Z= 50%], (4) Grösse der zur Verfügung stehenden Weidefläche [A=200 km2; Z=300 km2], (5) Menge der geernteten Hirse [A=0 kg; Z=200000 kg], (6) Grundwasserstand der Ackerflächen [A=100%; Z=100%], (7) Grundwasserstand der Weideflächen [A=100%; Z=100%], (8) Anzahl Gesamtbevölkerung [A=548; Z=800]. Diese Zielvariablen konnten in der Regel nur indirekt über die 49 anderen Parameter beeinflusst werden. Die zur Verfügung stehende Simulationsdauer betrug insgesamt 39 Spieljahre (entspricht vier Dekaden). Jede der acht Zielvariablen wurde pro Simulationsjahr in einen Zielabweichungswert Z umgerechnet: Z = 100 * (aktueller Zielvariablenwert – Zielwert) / Zielwert. Aus diesen acht Z-Werten wurden die beiden folgenden Messwerte für die Performanz ermittelt: (1) die absolute Zielabweichung (ZA) als Mittelwert der acht Absolutbeträge von Z; (2) die kompensierte Zielabweichung (ZK) als Mittelwert der acht aktuellen Werte von Z. Im Unterschied ZA zu, mit der nur die generelle Zielabweichung ZK festgestellt werden kann, lassen sich mit auch Zielüberschreitungen messen. Für die folgende Auswertung wurden beide Masse ZA und ZK nochmals für jeweils 10 Simulationsjahre (eine Dekade) zu einem Mittelwert zusammengefasst. 180 Validierung von Flexibilität 8.2 Insgesamt wurden zwei varianzanalytische Auswertungen mit einem dreifaktoriellen Testdesign (Messwiederholung auf dem Faktor 'Dekade') vorgenommen (siehe Tabelle 8.2.3.4.1): (1.) ohne irgendwelche Co-Variaten, sowie (2.) mit drei Co-Variaten. Die Auswahl dieser drei Co-Variaten ergab sich dadurch, dass sich hinsichtlich der folgenden drei Variablen (1) Simulationsjahre ohne Urlaub, (2) Spieldauer pro Simulationsjahr, sowie (3) Alter des Benutzers Unterschiede zwischen den Faktorstufen ergeben hatten (Grützmacher 1988). Tabelle 8.2.3.4.1 Ergebnisse der co-varianzanalytischen Auswertung für die absolute (ZA) und die kompensierte Zielabweichung (ZK); als Co-Variate wurden verwendet: Simulationsjahre ohne Urlaub (SPJ), Spieldauer pro Simulationsjahr (SDJ), sowie Alter des Benutzers (Alter) [nur Angabe von p Signif.] (Angaben aus Grützmacher 1988, S. 55) Co-Variate: keine keine SPJ & SDJ & Alter Abhängige Variable: ZA ZK ZA ZK F1: Dekade (1..4) F2: Hierarch. vs. Netzwerk F3: Graphik vs. Tabelle F1 ⊗ F2 F1 ⊗ F3 F2 ⊗ F3 F1 ⊗ F2 ⊗ F3 ,001 ,784 ,079 ,162 ,268 ,794 ,990 ,033 ,806 ,052 ,894 ,229 ,836 ,611 ,044 ,870 ,097 ,170 ,305 ,803 ,891 ,110 ,804 ,054 ,870 ,265 ,874 ,371 Wie wir in der Tabelle 8.2.3.4.1 an den Signifikanzwerten des – für unsere Analyse relevanten – Faktors F2 'Hierarchie vs. Netzwerk' erkennen können, zeigen sich – wie vorhergesagt – keine signifikanten Performanzunterschiede, weder als Haupteffekt noch in einer der drei Wechselwirkungen F1 ⊗ F2, F2 ⊗ F3, sowie F1 ⊗ F2 ⊗ F3. Auch die Berücksichtigung von den drei Co-Variaten ändert nichts an diesem Ergebnis. Einzig die Werte für die absolute (ZA) und die kompensierte Zielabweichung (ZK) zwischen den vier Dekaden ist signifikant unterschiedlich. 8.2.3.5. Fazit für das Simulationsprogramm Die von Grützmacher (1988) erwarteten Unterschiede hinsichtlich der beiden implementierten Interaktionsstrukturen haben sich weder in der quantitativen Beschreibung mit unseren Kennwerten für Flexibilität noch im experimentellen Test bestätigt. Wäre die Flexibilität für die netzartige Interaktionsstruktur jedoch deutlich grösser als der von uns postulierte absolute Schwellwert von 15 in den Massen DFl und AFl gewesen, hätte sich ein Vorteil messen lassen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass also nicht das Verhältnis zwischen den Kennwerten von primärer Bedeutung ist, sondern – wie schon vermutet – die 181 8 Validierung der Meßkriterien absoluten Ausprägungsgrade der einzelnen Kennwerte. Dies berechtigt uns daher auch, einen konkreten Schwellwert angeben zu können. Da jedoch die Kennwerte der GUIOberfläche (siehe Abschnitt 7.3.4) lediglich eine untere Abschätzung darstellen, kann zur Zeit nicht definitiv behauptet werden, dass der Schwellwert von 15 ein echtes Minimum darstellt. Vielmehr spricht die Tatsache, dass die meisten Testpersonen denjenigen Dialogzustand mit den höchsten DFl-Werten bevorzugt aufgesucht haben (DFl=117, siehe Abschnitt 7.3.3), für einen höheren Mindestwert. 8.3. W AHRNEHMUNGS - UND A KTIONSRAUM Die beobachteten Orientierungsschwierigkeiten bei der Benutzung des multimedialen Informationssystems lassen sich möglicherweise darauf zurückführen, dass die maussensitiven Bereiche nicht adäquat transparent gemacht wurden (siehe Rauterberg 1992c). Wir werden dieses Problem auf 'das Auseinanderfallen von Wahrnehmungs- und Aktionsraum' zurückführen. Diese Problem ist uns schon bei der Definition des Masses GRFBF im Abschnitt 6.3.1 begegnet. Immer dann, wenn die benötigten Informationen (Nachrichten, Funktionen usw.) ausserhalb des primären Wahrnehmungs- und Aktionsraumes angeboten werden, kann es zu Orientierungsschwierigkeiten kommen. Eine der wesentlichen Eigenschaften von Handlungen in der realen Welt ist dadurch gegeben, dass der Wahrnehmungsraum und der Aktionsraum raumzeitlich zusammenfallen. Die von Menschenhand bewirkten Effekte lassen sich meistens direkt auch an ihrem Wirkungsort selbst (fast) vollständig beobachten. Im Unterschied hierzu sind in der Welt der interaktiven EDV-Systeme diese beiden 'Räume' sehr oft getrennt: Die Eingabeschnittstelle (z.B. die Tastatur) und die Ausgabeschnittstelle (z.B. der Bildschirm) klaffen in der Regel 20 bis 30 cm auseinander. Dies ist auch einer der Aspekte, warum Norman (1986) vom 'gulf of evaluation' und vom 'gulf of execution' als einem zentralen Designproblem spricht. Woran erkennen wir den primären Wahrnehmungsraum? Wodurch zeichnet er sich aus? Aus der Wahrnehmungspsychologie (Egeth und Bevan 1973) wissen wir, dass menschliche Wahrnehmung gerichtet und selektiv ist. Bei der visuellen Wahrnehmung unterscheidet man zwischen dem Gesichtsfeld und dem Blickfeld (Saupe 1985, S. 11f): "Als Gesichtsfeld bezeichnet man die Gesamtheit aller derjenigen Gegenstände, die bei ruhendem Auge gleichzeitig in bestimmter räumlicher Anordnung wahrgenommen werden... Durch Augendrehungen, Kopf- und Körperbewegungen kann das Gesichtsfeld erweitert werden. Das sog. Blickfeld, auch Gebrauchsblickfeld genannt, entsteht allein durch Bewegungen der Augenmuskeln, wobei ±18˚ – 20˚ normalerweise das Höchstmass der Drehung sind" (Saupe 1985, S. 11 und S. 13). 182 Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3 Alle Gegenstände, welche um die Blicklinie zum fixierten Gegenstand herum scharf wahrgenommen werden können, bilden das Sehfeld. Dies hängt mit dem retinalen Aufbau des Auges zusammen. Nur Gegenstände, welche im fovealen Bereich – bis auf den blinden Fleck – abgebildet werden, können wir auch wirklich scharf wahrnehmen (siehe Abbildung 8.3.1). Abbildung 8.3.1 Zusammenhang zwischen Sehschärfe und Abstand vom fovealen Wahrnehmungsbereich (nach Birbaumer und Schmidt 1989, S. 364). Das Sehfeld entspricht somit dem fovealen Wahrnehmungsbereich des Auges. Der foveale Wahrnehmungsbereich (Rohr 1988, S. 29; Wandmacher 1993, S. 23) deckt bei einer normalen Distanz von 30 – 60 cm nur einen Bereich von ca. 4 – 5 cm im Durchmesser ab (Krueger und Felix 1993). Da nur in diesem kleinen Bereich scharf wahrgenommen werden kann, ist es leicht verständlich, dass für die Zusammenlegung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum sehr enge Grenzen gesetzt sind. Erst wenn es gelingt, den Wahrnehmungs- und Aktionsraum raumzeitlich sinnvoll zusammenzubringen, wird sich die Qualität von Benutzungsoberflächen weiter verbessern. Wir haben uns daher entschlossen, eine Untersuchung durchzuführen, welche uns Aufschluss darüber geben kann, ob z.B. die Aufteilung eines handelsüblichen Bildschirmes in die nach DIN 66 234 Teil 3 vorgesehenen vier Bereiche (siehe Abbildung 8.3.2) sinnvoll ist. Nach den Ergebnissen von Mackworth (1976) scheint dies eher zweifelhaft. Leider hat sich die in Abbildung 8.3.2 vorgesehene Bildschirmaufteilung bis in die neuere Literatur erhalten (z.B. Mayhew 1992, S. 467) 183 8 Validierung der Meßkriterien Kennzeichnungsbereich Arbeitsbereich Steuerungsbereich Meldebereich Abbildung 8.3.2 8.3.1. Maskenaufteilung nach DIN 66 234 Teil 3. Methodisches Vorgehen Um die Auswirkungen bei einem Auseinanderfallen von Wahrnehmungs- und Aktionsraum zu überprüfen, führten wir ein Signalentdeckungsexperiment durch (Rauterberg et al. 1992). Der Wahrnehmungs- und der Aktionsraum wird durch die Aufgabenstellung festgelegt. Bei einem handelsüblichen Bildschirm mit der entsprechenden Aufteilung (siehe Abbildung 8.3.2) besteht das Orientierungsproblem, die Rückmeldungen im Meldebereich rechtzeitig entdecken zu können, auch wenn der primäre Aufmerksamkeitsfokus nicht zufällig in der Nähe des Meldebereiches liegt. Der primäre Aufmerksamkeitsfokus des Benutzers ist immer dort, wo er gerade auf dem Bildschirm aktiv ist. Der Wahrnehmungsraum bezieht sich dann auf alle Stellen des Bildschirmes, an denen aufgabenrelevante Informationen zusätzlich dargeboten werden. Auftreten Kreise + Signal (X oder Quadrat) Kreise 0 500 1000 Zeit (ms) Abbildung 8.3.1.1 Das linke Bild zeigt eine mögliche Stimulusanordnung des Signalentdeckungsexperimentes. Das rechte Bild gibt den zeitlichen Verlauf der Darbietung der Signale wieder. Die primäre Aufgabe der Testpersonen laut schriftlicher Instruktion bestand darin, die zufällig in einem der vier Bildschirmquadranten (14 Zoll Bildschirmdiagonale) dargebotenen 184 Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3 Kreise zu zählen (Aktionsraum bzw. primärer Aufmerksamkeitsfokus). Für diese Aktion hatten sie 1000 ms Zeit. Nach 500 ms Darbietungsdauer erschien irgendwo auf dem Bildschirm entweder ein X (8 mm * 8 mm, im folgenden auch Target genannt) oder ein Rechteck (8 mm * 8 mm, im folgenden auch Non-Target genannt) oder es wurde kein Stimulus präsentiert (siehe Abbildung 8.3.1.1). Der Abstand des jeweiligen Stimulus im Wahrnehmungsraum wurde variiert: Innerhalb des Aktionsraumes (0 Zoll), direkt angrenzend ( 0 bis 3 Zoll), mittlere Entfernung (3 bis 6 Zoll), grosse Entfernung (6 bis 9 Zoll). Die Darbietungsbedingungen mit den beiden Stimuli wurde für alle vier Abstandsbedingungen und für alle vier Bildschirmquadranten durchgetestet. Die Darbietung ohne Stimulus wurde lediglich für die vier Bildschirmquadranten getestet. Es ergeben sich insgesamt 36 verschiedene Testbedingungen (Masken) pro Testperson. 8.3.2. Beschreibung der Testpersonen An dieser Untersuchung nahmen elf weibliche und acht männliche Personen teil (N=18). Davon waren 12 Personen SchülerInnen bzw. StudentenInnen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, sowie sechs berufstätige Testpersonen im Alter zwischen 31 und 60 Jahren. Die Sehschärfe aller Personen war normal bzw. durch entsprechende Sehhilfen korrigiert. Ca. 35% aller Personen hatten keine, die anderen mittlere bis viel EDV-Erfahrung. 8.3.3. Ablauf der Untersuchung Die folgenden drei Messgrössen wurden erhoben: (1.) KA steht für Kreisabweichung [die Differenz zwischen dargebotenen und gezählten Kreisen] als Gütemass der primären Aufgabe im Aktionsraum, (2.) TA steht für Targetabweichung [die Differenz zwischen dargebotenem und wahrgenommenem Target] als Gütemass der sekundären Aufgabe im Wahrnehmungsraum und (3.) FR steht für Fehlerrate als globales Gütemass für die Signalerkennung (siehe Tabelle 8.3.4.1). KA = |#KREISEgezählt – #KREISEdargeboten| * 100% / #KREISEdargeboten (1) TA = |#Xentdeckt – #Xdargeboten| FR = (b + c) / (a + d) * 100% 8.3.4. (2) (3) Beschreibung der Testaufgaben Die primäre Aufgabe jeder Testperson bestand darin, möglichst genau auszuzählen, wieviel Kreise auf dem Bildschirm zu sehen waren. Wenn sie zusätzlich ein X irgendwo auf dem Bildschirm entdecken sollte, so sollte sie mit 'Ja' antworten; jede Testperson sprach nach jeder Maskendarbietung die Anzahl gezählter Kreise laut aus und zusätzlich ein 'ja' oder ein 'Nein'. Diese Angaben wurden vom Testleiter protokolliert. 185 8 Validierung der Meßkriterien Tabelle 8.3.4.1 Die Signalentdeckungstabelle mit den vier verschiedenen Testbedingungen. Antwort der Test person NEIN JA NON-TARGET (nichts oder Rechteck) a TARGET X dargeboten c b d Es ergeben sich vier verschiedene Möglichkeiten (siehe Tabelle 8.3.4.1): (a) Es wurde kein X (nichts oder Non-Target) dargeboten und die Testperson antwortet korrekt mit 'nein'; (b) es wurde ein Target (X) dargeboten und sie antwortet fälschlicherweise mit 'nein'; (c) es wurde kein X (nichts oder Non-Target) dargeboten und sie antwortet fälschlicherweise mit 'ja'; (d) es wurde ein Target (X) dargeboten und sie antwortet korrekt mit 'ja'. Zu der Situation (c) kann es kommen, wenn die Testperson das Non-Target mit dem Target verwechselt oder aber ein Target frei erfindet, selbst wenn kein Rechteck gezeigt worden war. In der Situation (b) hat sie das Target vollständig übersehen. Nur in der Situation (d) hat sie es korrekt identifiziert. Für die Überprüfung unserer Annahme ist das Verhalten der Testpersonen in Situation (b) von besonderer Bedeutung. 8.3.5. Darstellung der Ergebnisse Da wir in der Testbedingung (c) (kein Stimulus, N=76) keinen einzigen 'falschen Alarm' beobachten können, werden wir für die weitere Auswertung diese Fälle ausschliessen und erhalten somit ein vollständig ausbalanciertes Testdesign. Alle anderen Testbedingungen (N=608, mit dem Target X oder dem Non-Target Rechteck) werden mit einer dreifaktoriellen Varianzanalyse ausgewertet. Tabelle 8.3.5.1 Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'Kreisabweichung KA' (Messwiederholung). Source 'Kreisabweichung KA' dF F1: Bildschirmquadrant F2: Targetbedingung F3: Abstandsbedingung Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Wechselwirkung F1 ⊗ F3 Wechselwirkung F2 ⊗ F3 Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3 Fehlerterm 3 1 3 3 9 3 9 576 186 Mean Square 203,67 0,75 83,73 39,72 99,80 24,82 29,70 78,80 F-Test 2,585 0,010 1,063 0,504 1,267 0,315 0,377 – P (2-tail) ,052 ,922 ,364 ,680 ,252 ,815 ,946 Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3 Für das Mass KA (Kreisabweichung) sind die beiden Haupteffekte Targetbedingung (F2) und Abstand (F3) nicht signifikant (siehe Tabelle 8.3.5.1). Der Haupteffekt Bildschirmquadrant (F1) ist jedoch tendenziell signifikant (p ≤ ,052; siehe Tabelle 8.3.5.1). I II KA=6.1% KA=6.9% III KA=6.8% KA = 4.4% IV Abbildung 8.3.5.1 Ergebnisse der durchschnittlichen Kreisabweichung KA für die vier Bildschirmquadranten (siehe dazu Tabelle 8.3.5.1). In der Abbildung 8.3.5.1 sehen wir, dass die wenigsten Fehler beim primären Aufgabenbearbeitungsprozess im Bildschirmquadrant IV (rechts unten) auftreten, wenn das 'Störsignal' (Target bzw. Non-Target) links oberhalb des Aktionsraumes erscheint. Aus diesem Ergebnis können wir schlussfolgern, dass zusätzliche aufgabenrelevante Rückmeldungen dann am wenigsten auf den primären Aufgabenprozess störend einwirken, wenn sie links oberhalb des primären Aufmerksamkeitsfokus erscheinen. Dies kann daran liegen, dass Blickbewegungen nach links oben am stärksten routinisiert sind und ohne zusätzliche Inanspruchnahme von höheren kognitiven Ressourcen blitzschnell realisiert werden können. Die varianzanalytischen Ergebnisse der Messgrösse TA für die sekundäre Aufgabe (Signalentdeckung) ergeben keine signifikanten Unterschiede für die Haupteffekte Bildschirmquadrant (F1) und Targetbedingung (F2). Es zeigt sich jedoch wie erwartet eine signifikante Abhängigkeit vom Abstand (Faktor F3: TA0= 6%, TA3= 11%, TA6= 27%, TA9= 43%; p ≤ ,001; siehe Tabelle 8.3.5.2). Dieser Befund bedeutet, dass mit zunehmender Entfernung vom primären Aufmerksamkeitsfokus die Erkennungsleistung für zusätzliche Rückmeldungen abnimmt. Die signifikante Wechselwirkung F2 ⊗ F3 (p ≤ ,032; siehe Tabelle 8.3.5.2) besagt, dass diese Entdeckungsfehler noch zusätzlich von der Targetbedingung (kein Stimulus oder Rechteck) abhängt. Die Benutzer haben bei der weitesten Entfernung von über 22 187 8 Validierung der Meßkriterien cm signifikant mehr Probleme das Target überhaupt zu entdecken (TA22,5cm;X-Stimulus = 51%) als das Non-Target fälschlicherweise als Target zu interpretieren (TA22,5cm;Rechteck = 34%). Tabelle 8.3.5.2 Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse 'Targetabweichung TA' (Messwiederholung). Source 'Targetabweichung TA' dF F1: Bildschirmquadrant F2: Targetbedingung F3: Abstandsbedingung Wechselwirkung F1 ⊗ F2 Wechselwirkung F1 ⊗ F3 Wechselwirkung F2 ⊗ F3 Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3 Fehlerterm 3 1 3 3 9 3 9 576 Mean Square 0,06 0,13 4,28 0,31 0,16 0,44 0,10 0,15 F-Test 0,40 0,90 29,00 2,09 1,06 2,95 0,69 – P (2-tail) ,755 ,343 ,001 ,100 ,390 ,032 ,714 Wie wir aus der Abbildung 8.3.5.2 entnehmen können, steigt die Fehlerrate FR ab einer Entfernung von 15 cm dann überproportional an, wenn eine irrelevante Rückmeldung (Rechteck) erfolgt. Dies Ergebnis bestätigt und veranschaulicht das Resultat der Messgrösse TA aus der signifikanten Wechselwirkung F2 ⊗ F3 (siehe Tabelle 8.3.5.2). Fehlerrate FR (in %) 40 [X] vs [kein Stimulus oder Rechteck] [X] vs [kein Stimulus] 30 20 10 0 0 7,5 15 22,5 Abstand (cm) Abbildung 8.3.5.2 Die Ergebnisse der Fehlerrate FR abgetragen gegen den Abstand zwischen primärem Aufmerksamkeitsfokus und Target. 188 Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3 8.3.6. Fazit für die Gestaltung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum Was können wir insgesamt aus dieser Untersuchung für die Plazierung von aufgabenrelevanten Rückmeldungen auf dem Bildschirm entnehmen? Es ergeben sich zwei wesentliche Resultate: (1.) Je näher die Rückmeldung im Wahrnehmungsraum beim primären Aufmerksamkeitsfokus im Aktionsraum plaziert wird, desto besser ist ihre Erkennbarkeit; (2.) wenn die Rückmeldungen links oberhalb des primären Aufmerksamkeitsfokus plaziert werden, dann haben sie einen minimal störenden Einfluss auf den primären Aufgabenbearbeitungsprozess. Zu genau den selben Ergebnissen gelangte auch – unabhängig von unserer Untersuchung – Haubner (1993), indem er zeigen konnte, dass variable Plazierung von Ausgabefenstern in der Nähe des primären Aufmerksamkeitsfokus die Erkennungsleistung um 40% verbesserte. Philipsen (1992) konnte ebenfalls ein Absinken der Suchleistung bzgl. CADMenüoptionen mit zunehmender Entfernung vom Fixationspunkt feststellen. Feste Positionen für Felder mit aufgabenrelevanten Rückmeldungen sollten daher vermieden werden. Diese Ergebnisse sprechen eindeutig gegen die Gestaltungsempfehlung in der DIN 66 234 Teil 3 und sind ein weiterer Beleg für die Forderung von Moll und Ulich (1988) nach einschlägigen experimentellen Untersuchungen. Bleibt noch die Frage offen, woran erkennt das interaktive System, wo sich der Aktionsraum des Benutzers aktuell gerade auf dem Bildschirm befindet? Wir sind daher in einer weiteren Untersuchung der Hypothese nachgegangen, ob der primäre Aufmerksamkeitsfokus (die aktuelle Blicklinie gemessen über eine Blickbewegungskamera) mit der Position des Mauszeigers auf dem Bildschirm überzufällig häufig zusammenfällt (Rauterberg und Cachin 1993). Dies konnten wir für all diejenigen Fälle bestätigen, bei denen Mausaktivitäten für die primäre Aufgabe notwendig sind. In diesen Fällen ist die Mausposition ein hinreichend guter Indikator für den primären Aufmerksamkeitsfokus auf dem Bildschirm! Wir werden auf die hier vorgestellten Ergebnisse im Abschnitt 10.1 nochmals eingehen und die Auswirkungen auf die Bildschirmgestaltung anhand von einem konkreten Beispiel diskutieren. 189 9 DER GESTALTUNGSBEREICH DER ANWENDUNGSKOMPONENTE In diesem Abschnitt geht es um die Gestaltung der Anwendungskomponente hinsichtlich der aufgabenbezogenen Funktionalität. Eine der wichtigsten Gestaltungsrichtlinien ist – als eine der notwendigen Voraussetzungen – die Vollständigkeit der Funktionalität. Diese Richtlinie hat daher auch seinen Niederschlag in den verschiedenen Bewertungs- und Gestaltungskonzepten gefunden: • Vollständigkeit der Funktionen (Zehnder 1986); • Funktionserfüllung (Becker, Haberfellner und Liebetrau 1990). Zusätzlich wird – für die Art und Weise des Umgangs mit dem technischen System – die handlungsgerechte Aufgabengestaltung gefordert. Wie die Arbeitsaufgabe im einzelnen zu gestalten ist, wird durch die Inhalte der folgenden Anforderungen festgelegt: • Ganzheitlichkeit der Handlung (Ulich 1991, 1992, 1994); • Aufgabenangemessenheit (VDI-Richtlinie 5005 1990). 9.1 9.1.1 Q UALITATIVE A SPEKTE DER A NWENDUNGSFUNKTIONALITÄT Funktionale Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen Um die Anwendungsfunktionalität qualitativ beschreiben zu können, gehen wir zunächst davon aus, dass die benötigte Funktionalität im Pflichtenheft bzw. in der Dokumentation vollständig beschrieben vorliegt. Der Benutzer ist im Rahmen seiner individuellen Aufgabenbearbeitungsweisen zunächst daran interessiert, in dem jeweiligen Dialogkontext alle für den aktuellen Bearbeitungszustand notwendigen Informationen (aktuelle und potentielle Transparenz; siehe Abschnitt 2.2.3) und alle anwendungsbezogenen Funktionen zur Verfügung zu haben. Sollte ihm eine benötigte Anwendungsfunktion fehlen, so hiesse es im Sinne der funktionalen Direktheit, dem Benutzer die Möglichkeit an die Hand zugeben, den aktuellen Dialogkontext mit dieser benötigten Funktion anzureichern (siehe Abbildung 9.1.1). Dieser Aspekt ist somit explizites Gestaltungsziel der Dialogkomponente hinsichtlich der Anbindung von Anwendungsfunktionalität bei individualisierbaren Benutzungsoberflächen (Ulich et al. 1991). Direktheit im Sinne der funktionalen Direktheit heisst, alle aufgabenbezogenen Funktionen dem Benutzer im aktuellen Dialogkontext adäquat repräsentational zur Verfügung zu stellen. Hutchins, Hollan und Norman (1986) sprechen auch in diesem Zusammenhang von der 'semantischen Direktheit'. 191 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente aktueller Dialogkontext (D) E/A-Schnittstelle Repräsentation des Zustandsraumes(Menge aller passiven Repräsentationsformen) A.Funktion-1 A.Funktion-2 repräsentationaler anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (WAFIP) A.Funktion-3 A.Funktion-4 repräsentationaler dialogfunktionaler Interaktionspunkt (WDFIP) A.Funktion-5 A.Funktion-6 dialogfunktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) AnwendungsKomponente D.F1 D.F2 D.F3 D.F4 Dialog-Komponente Abbildung 9.1.1 anwendungsfunktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) Verlagerung eines WAFIPe auf die oberste Dialogeben Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte. Die Vergrösserung dieser Direktheit führt dann zu einer Verringerung des Hierarchisierungsgrades HG. Für die Erreichung einer grossen Direktheit gibt es verschiedene Gestaltungsweisen: (1.) Es wird vom System bereits vorgegeben, (2.) der Benutzer kann aus vorgegebenen Möglichkeiten auswählen ('configuration sets'), (3.) der Benutzer konfiguriert sich den aktuellen Dialogkontext jeweils mit den gewünschten Funktionen selbst, oder (4) die Anpassung erfolgt automatisch durch das System (Debevc et al. 1994). Der Nachteil einer jeden Anpassung der Oberfläche durch den Benutzer ist durch den zusätzlichen Interaktionsaufwand gegeben. Wünschenswert wäre sicherlich, den Umfang der Dialogfunktionalität auf ein Minimum zu beschränken, um dem Benutzer den Zugang zu der benötigten Anwendungsfunktionalität so direkt als möglich zu gestatten. Bei einer Anpassung durch das System benötigt der Benutzer eine ausreichende Kontrolle über diesen Vorgang. Abbildung 9.1.2 Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ ohne direkt zugreifbare Funktionalität. 192 Qualitative Aspekte 9.1 Schauen wir uns die Möglichkeiten dieses Gestaltungsaspektes an dem konkreten Beispiel des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ an. Bei der Textbearbeitung kann sich der Benutzer die benötigte Funktionalität zunächst nur über die verschiedenen Menüoptionen der jeweiligen Pull-down-Menüs holen (Abbildung 9.1.2). Abbildung 9.1.3 Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit dem Lineal als direktem Zugriff auf Funktionen zur Absatzformatierung. Menübäume führen in der Regel zu dem Navigationsproblem: Wo ist die gesuchte Operation? Zur Minderung dieses Problems wurde diese Oberfläche in ihrer ersten Version mit einem Lineal ausgestattet, über das der Benutzer grundlegende Formatierungsoperationen für einen Absatz (z.B. Breite, Tabulatoren usw.) im aktuellen Dialogkontext durch anklicken direkt ausführen konnte (Abbildung 9.1.3). Abbildung 9.1.4 Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit Lineal und Formatierungsleiste, über die der Benutzer neben Absatz- und Zeichen- auch Tabellen- und Grafikfunktionalität direkt auslösen kann. Später kam dann die Formatierungs- (Abbildung 9.1.4) und die Funktionsleiste (Abbildung 9.1.5) hinzu, in der dem Benutzer eine ganze Reihe von oft benötigten Anwendungsfunktionen direkt im aktuellen Dialogkontext zur Verfügung gestellt werden. Diese 193 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente Verlagerung von Anwendungsfunktionen (AFIP) hinein in den aktuellen Dialogkontext (Abbildung 9.1.1) führt – wie bereits erwähnt – zwangsläufig zu einer Reduktion des Hierarchisierungsgrades HG, welchen wir mit dem in dieser Arbeit enwickelten Mass exakt messen können (siehe Abschnitt 7.3.1). Abbildung 9.1.5 Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit Lineal, Formatierungsleiste und Funktionsleiste, welche dem Benutzer häufig benutzte Funktionen im aktuellen Dialogkontext direkt zur Verfügung stellen. Um diese Art der Oberflächenanpassung zu ermöglichen, wurde eine Reihe verschiedener Menütechniken entwickelt: Abreissmenü (tear-off menu bzw. push-pin menu), Palette (toolbox), sowie allgemein "stehende Menüs" (Zeidler und Zellner 1992, S. 69ff.). Funktionsobjekte können als ein verallgemeinerter Ansatz dieses Gestaltungszieles gelten. Der 'Papierkorb' bei einer Desktopoberfläche ist wohl eines der bekanntesten Funktionsobjekte zum Löschen, welches der OF-Struktur entspricht (siehe Abschnitt 5.1). Der 'Radiergummi' bei pixelorientierten Zeichenprogrammen ist ein Funktionsobjekt, welches der FO-Struktur zugeordnet werden kann. Bannert (1991) konnte zeigen, dass beide Interaktionsarten gleichschnelle Aufgabenbearbeitungen ermöglichen, wenn auch über 90% der Benutzer eine subjektive Präferenz bezüglich der OF-Struktur angaben. 9.1.2 Funktionale Vollständigkeit Neben der interaktiven Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen hat sich die Vollständigkeit als bedeutsame Gestaltungsrichtlinie ergeben. Art und Umfang der automatisierten Funktionen wird im Rahmen der Mensch-Computer Funktionsteilung festgelegt. Wir werden diesen Aspekt hier nicht weiter ausarbeiten (siehe dazu mehr bei Diaper 1989, Beck und Ilg 1991, Beck 1993, Grote 1994). Anzumerken bleibt, dass eine Strategie für 194 Qualitative Aspekte 9.1 die Mensch-Computer Funktionsteilung, die von vornherein auf vollständige Automatisierung abzielt, früher oder später scheitern muss. aktueller Dialogkontext (D) E/A-Schnittstelle anwendungsbezogen funktionaler Interaktionspunkt (VAFIP) Funktionalität-1 Repräsentation des Zustandsraumes (ZR) Funktionalität-2 Funktionalität-3 Funktionalität-4 repräsentationaler Interaktionspunkt (WDFIP) Funktionalität-5 Funktionalität-6 dialogbezogen funktionaler Interaktionspunkt (VDFIP) AnwendungsKomponente F1 F2 F3 F4 F5 Dialog-Komponente Dialogkontext-immanente Zusammenfassung von AFIPs Dialogkontext-übergreifende Zusammenfassung von AFIPs Ergänzung fehlender AnwendungsFunktionalität Abbildung 9.1.6 Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte. Ein aufgabengerechter Granulationsgrad heisst, diese Funktionen dem Benutzer in dem aktuellen Dialogkontext aufgabenangemessen repräsentational zur Verfügung zu stellen. Ausschlaggebend für eine aufgabenorientierte Gestaltung ist neben der Vollständigkeit der Funktionen – diese wird als gegeben vorausgesetzt –, der Grad der Auflösung bzw. Granulation der implementierten Anwendungsfunktionen. So liesse sich z.B. bei einem Textverarbeitungssystem die Menge der Buchstaben mit verschiedenen Schrifttypen durch die Funktionalität eines Fonteditors 'vollständig' abdecken; bei dieser Lösung besteht also ein sehr hoher Auflösungs- bzw. Granulationsgrad für diesen Bereich der Anwendungsfunktionalität. Um mit einem derartigen Textverarbeitungssystem jedoch einen Text zu erstellen, hiesse, dem Benutzer einen enormen interaktiven Aufwand abzuverlangen, bis er auch nur einen einzigen Buchstaben 'zu Papier' gebracht hätte. Jeder Buchstabe müsste nämlich zuvor mit dem Fonteditor einzeln 'von Hand' erstellt werden. Dies ist zugegeben ein extremes Beispiel, aber generell lässt sich sagen, dass die Frage nach dem adäquaten Granulationsgrad der Basisfunktionalität ein ernst zunehmender Aspekt der Gestaltung der Anwendungsfunktionalität darstellt. 195 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente Die Wahl des geeigneten Granulationsgrades lässt sich am besten durch eine Analyse der Arbeitsaufgabe bestimmen. Dabei spielt die Zuordnung der Systemfunktionen zu der primären Regulationsebene der Aufgabe eine entscheidende Rolle (siehe Abbildung 2.1.2 und Tabelle 3.2.1). Je höher die primäre Regulationsebene ist, desto geringer sollte der Granulationsgrad sein. Ein 'Abstieg' auf Systemfunktionen mit höherem Granulationsgrad sollte nur dann notwendig sein, wenn die ursprüngliche Arbeitsaufgabe sich geändert (z.B. erweitert) hat, und diese Änderung eine Systemanpassung notwendig werden lässt. Danach sollte der Benutzer wieder auf seinen ursprünglichen Granulationsgrad zurückkehren können. Wichtig ist, dass der Benutzer ein integraler Bestandteil der interaktiven Dialogschleife bleibt. Dies verhindert, dass er zunehmend aus der Interaktion ausgegrenzt wird, und – als Folge davon – lediglich Überwachungstätigkeiten für ihn übrigbleiben. Auf der einen Seite scheint es im Sinne der anwendungsbezogenen Flexibilität sinnvoll, eine möglichst allgemeine Lösung der zu implementierenden Basisfunktionalität anzustreben (dies läuft auf einen hohen Granulationsgrad hinaus), auf der anderen Seite steht dies im Gegensatz zu der Produktivität des Benutzers in seinem konkreten Aufgabenkontext. Um hier Abhilfe schaffen zu können, wird oft die Möglichkeit der Bildung von Makros dem Benutzer zur Verfügung gestellt (Zusammenfassung von AFIPen; siehe Abbildung 9.1.6). Nun kann sich der Benutzer seine Basisfunktionen mit dem von ihm gewünschten Granulationsgrad selbst zusammenstellen (z.B. das Pipe-Konzept bei UNIX™, die Batchfiles bei MsDOS™ usw.). 9.1.3 Anwendungsbezogene Flexibilität Die Richtlinie 'Flexibilität' lässt sich auf die Gestaltung der Anwendungskomponente in soweit umsetzen, als es sich hierbei um den Aspekt der Permutation der einzelnen Anwendungsfunktionen handelt. Worum geht es dabei? Der Benutzer hat zur Erledigung seiner jeweiligen Aufgaben das Problem, für ein ausgewähltes Anwendungsobjekt – ausgehend von dessen Ausgangszustand im Bezug auf einen gesetzten Zielzustand – die adäquate Abfolge der zur Verfügung stehenden Anwendungsfunktionen auszuwählen. Wenn der Benutzer diese Abfolge der einzelnen Anwendungsfunktionen in einer permutierten Reihenfolge vornehmen und somit unterschiedliche Wege zur Zielerreichung beschreiten kann, dann zeichnet sich das interaktive System durch einen hohen Grad an anwendungsbezogener Flexibilität aus. Verdeutlichen wir diesen Aspekt der Permutation an einem einfachen Beispiel. In einem Textverarbeitungssystem sei dem Benutzer die Anwendungsfunktion 'Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses' gegeben. In den meisten Textverarbeitungssystemen 196 Qualitative Aspekte 9.1 (z.B. MacWORD) macht diese Anwendungsfunktion jedoch tatsächlich, also aufgabenbezogen erst am Ende der Erstellung eines längeren Textes einen Sinn. Dies liegt darin begründet, dass die relevanten Eigenschaften (Seitenzahlen, Art und Anzahl der Kapitelüberschriften) erst am Ende vollständig vorliegen, so dass das System nur noch diese Angaben aus dem Text heraussuchen und zu dem Inhaltsverzeichnis zusammentragen muss. Wird diese Anwendungsfunktion zu einem früheren Zeitpunkt ausgelöst, so läuft der Benutzer Gefahr, dass – durch seine weiteren Bearbeitungsschritte in dem Text – das Inhaltsverzeichnis rasch veraltet und er es vor dem Ausdruck erneut aktualisieren muss. Ein anderes Textverarbeitungssystem, welches jedoch die aktuellen Angaben (Seitenzahl, Kapitelnummer usw.) automatisch selbständig aktualisiert, nachdem irgend wann einmal der Benutzer seinen Wunsch nach einem Inhaltsverzeichnis dem System mitgeteilt hat, wäre somit flexibler. Die grobe Bearbeitungsstruktur 'Erstellen', 'Bearbeiten', 'Korrektur', 'Inhaltsverzeichnis erstellen' und 'Ausdrucken' könnte auch wie folgt aussehen: 'Erstellen', 'Bearbeiten', 'Inhaltsverzeichnis erstellen', 'Korrektur' und 'Ausdrucken'. Die beiden Bearbeitungsschritte 'Korrektur' und 'Inhaltsverzeichnis erstellen' wären permutabel. Eine derartige Vertauschung von 'Korrektur' und 'Inhaltsverzeichnis erstellen' soll Transposition heissen. Ein Textverarbeitungssystem dagegen, welches dem Benutzer gegenüber den Zeitpunkt für das Anlegen des Inhaltsverzeichnisses offen lässt, aber dann eine entsprechende automatische Aktualisierung nicht durchführt und auch vor dem 'Ausdrucken' nach einer weiteren Textkorrektur keinen Hinweis auf das möglicherweise veraltete Inhaltsverzeichnis ausgibt, wäre 'pseudo-flexibel' und damit eher verwirrend. Die meisten traditionellen interaktiven Systeme sind im Bezug auf die Anzahl und Art der Anwendungsfunktionen festgelegt. Es wird im Rahmen der Schnittstellengestaltung zwar ein grosses Augenmerk auf die Variabilität und Individualisierbarkeit der Interaktionsoperatoren gerichtet, aber die eigentlich wichtigen Anwendungsfunktionen werden häufig aus der Betrachtung ausgegrenzt. Hier gilt es, den Benutzer bei der Auswahl und individuellen Anpassung auch dieser Anwendungsfunktionen zu unterstützen. Wir nennen diesen Aspekt die 'Erweiterbarkeit' der Anwendungskomponente. Eine anwendungsbezogene 'Algorithmenlibrary', aus welcher der Benutzer sich für sein jeweiliges Problem den passenden Satz an Anwendungsfunktionen zusammenstellen kann, würde hier für adäquate Abhilfe sorgen (siehe z.B. Abbildung 7.2.3). Meistens wird dieser Aspekt indirekt erwähnt, wenn es um die Möglichkeit zur Makrobildung von Funktionen geht. Das System stellt dem Benutzer eine Sammlung von Basisfunktionen zur Verfügung, die der Benutzer seiner Aufgabenstellung entsprechend zu Makros zusammenfassen bzw. in einem Dialogkontext vereinen kann. 197 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente Ein interessantes Beispiel für das hier vorgeschlagene Konzept der Algorithmenlibrary ist in dem Softwarepaket LabView™ realisiert. Dort kann sich der Benutzer die für seine konkrete Aufgabenstellung – in diesem Fall Messwerterfassung und Auswertung – erforderlichen Anwendungsumgebungen selbst aus einer umfangreichen Menge von Anwendungsfunktionen auswählen und zusammenstellen. Moderne Softwaretechnologien wie objektorientierte Programmierung mit Konzepten für OLE (Object Linking und Embedding von Microsoft) weisen ebenfalls eindeutig in diese Richtung. Der Aspekt der 'Erweiterbarkeit' ist zunächst nur auf die individuelle Handhabungsebene mit dem interaktiven System beschränkt. Bei traditioneller Software hat jedoch der Benutzer keine Möglichkeit zur anwendungsfunktionalen Erweiterung. Hier setzt die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation' an. Erst in einer grösseren Rückkopplungsschleife kann der Benutzer über den Softwarehersteller selbst auf eine Erweiterung der von ihm benötigten Anwendungsfunktionalität Einfluss nehmen. Dieser Aspekt geht jedoch über den für diese Arbeit gesteckten Rahmen hinaus und wird an anderer Stelle diskutiert (Ackermann 1987, S. 226ff; Spinas, Waeber und Strohm 1989; Rauterberg et al. 1994b). 9.2 Q UANTITATIVE M ASSE FÜR DIE A NWENDUNGSFUNKTIONALITÄT Um ein Mass für die funktionale Vollständig quantitativ angeben zu können, muss zwischen der Funktionalität laut Pflichtenheft (als Ergebnis der Mensch-Computer Funktionsteilung) und der tatsächlich implementierten Funktionalität unterschieden werden. Diese Aufteilung ist jedoch nicht immer strikt gegeben, weil sie in dem Spannungsfeld des kommunikativen Problembereiches der Anwender-Entwickler Kommunikation liegt. Hier sollen die Verfahren zum direkten Benutzereinbezug in den Entwicklungsprozess selbst – unterstützt durch Prototyping usw. – Abhilfe schaffen (Rauterberg 1992a, Rauterberg et al. 1994b). Sei jedoch die Mensch-Computer Funktionsteilung adäquat vorgenommen, so lässt sich z.B. die funktionale Vollständigkeit als prozentuales Verhältnis zwischen vorgesehener und implementierter Funktionalität berechnen. Natürlich sollte dieses Mass FuVo stets zu 100% erfüllt sein; leider hat es sich in der Praxis gezeigt, dass dies nicht immer der Fall ist (Melzer 1989, S. 117). Inwieweit sich dieses Mass tatsächlich praktisch einsetzen lässt, bleibt vorerst unberücksichtigt. Vielmehr wollen wir daran aufzeigen, dass auch diese Aspekte durchaus quantifizierbar sind. Die Ergebnisse einer Function-point-Analyse (Symons 1988) bzw. Data-point-Analyse (Sneed 1991) können eventuell als Grundlage für die Berechnung von FuVo herangezogen werden. 198 Quantitative Aspekte 9.2 (Definition der FUNKTIONALEN VOLLSTÄNDIGKEIT) FuVo = #VAFIP / #FVAFIP 100% FuVo #VAFIP absolutes Mass für die funktionale Vollständigkeit; Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, wie sie insgesamt in der zu bewertenden Implementation vorliegen; #FVAFIP Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, wie sie in der Mensch-Computer Funktionsteilung im Pflichtenheft vor der Implementierung festgelegt worden sind. Kehren zu dem konkreten Softwareprodukt zurück. Ein interaktives Programm ist dann besonders funktional direkt, wenn das Verhältnis zwischen Anzahl Anwendungsfunktionen und Anzahl Dialogfunktionen pro Dialogkontext zugunsten der Anwendungsfunktionen ausfällt. Dieses Mass macht jedoch nur dann wirklich Sinn, wenn die Anwendungsfunktionalität auch tatsächlich für die gegebene Aufgabenbearbeitung vollständig vorhanden ist. So fordern denn auch Spinas, Troy und Ulich (1983, S. 61), dass "anhand des Bildinhaltes vollständige Arbeitsschritte möglich sein sollten." Um uns der Abschätzung der funktionalen Direktheit quantitativ zu nähern, beschränken wir uns zunächst einmal nur auf die Anzahl der vorhandenen Dialog- und Anwendungsfunktionen und gehen stillschweigend davon aus, dass die Angemessenheit der vorhandenen Anwendungsfunktionalität in der Phase der Mensch-Computer Funktionsteilung adäquat berücksichtigt worden ist. Das folgende Mass für die relative funktionale Direktheit (RFuDi) misst den prozentualen Anteil der Anwendungsfunktionen an allen aktuell zur Verfügung stehenden Funktionen. (Definition der relativen FUNKTIONALEN DIREKTHEIT) K RFuDi = 1/K Σ d=1 #VAFIPd / (#VDFIPd + #VAFIPd) 100% RFuDi relatives Mass für die funktionale Direktheit; #VAFIPk Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext k; #VDFIPk Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Dialogfunktionen pro Dialogkontext k; K Anzahl an Dialogkontexten der Oberfläche. 199 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente Wenn wir dieses Mass RFuDi auf die in dieser Arbeit weiter oben beschriebenen Oberflächen anwenden, erhalten wir die Ergebnisse in Tabelle 9.2.1. Wie man unschwer erkennen kann, diskriminiert RFuDi nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Oberflächen. Wenn sich Unterschiede in den Kennwerten zeigen (z.B. beim multimedialen Informationssystem), dann haben diese keinen Niederschlag in den empirischen Vergleichsstudien. Wir können daher weitgehend ausschliessen, dass die Kennwerte gemäss RFuDi für die empirisch beobachtbaren Unterschiede herangezogen werden können. Tabelle 9.2.1 Ergebnisse der Masse RFuDi (Kennwert ± Standardabweichung) für alle empirisch untersuchten Oberflächen dieser Arbeit [K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen]. Oberfläche CUI-Oberfläche des DBMS GUI-Oberfläche des DBMS multimediale Oberfläche: hierarchisch multimediale Oberfläche: netzartig CUI-Simulation: hierarchisch CUI-Simulation: netzartig RFuDi 33,6 ± 41,5 32,0 ± 36,6 86,1 ± 21,8 60,0 ± 32,5 18,0 ± 36,3 11,5 ± 30,2 K 36 28 68 65 363 389 F 796 1117 275 363 1413 1543 Über diesen Aspekt der funktionalen Direktheit hinaus sollte die aufgabenbezogene Anwendungsfunktionalität dem Benutzer in möglichst flexibler Weise zur Verfügung stehen. Wie lässt sich jedoch diese Art von aufgabenbezogener Flexibilität messen? Wir beginnen zunächst mit der Erstellung eines Kausalgraphen für eine konkrete Aufgabe. Um die kausalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anwendungsfunktionen veranschaulichen zu können, führen wir den kausalen Abhängigkeitsgraphen ein (siehe Abbildung 9.2.1). Die kausalen Abhängigkeiten zwischen den Anwendungsfunktionen setzen sich aus zwei Arten zusammen: die systemtechnischen Abhängigkeiten und die Abhängigkeiten aufgrund der objektiven Kausalstruktur der jeweiligen Aufgabe. Der kausale Abhängigkeitsgraph entspricht dem von Oesterreich (1990, S. 20) entwickelten "Netz erinnerbarer Handlungen" für Ablaufstrukturen mit "kombinierten Situationen". Im Unterschied zu Oesterreich (1990) erlaubt die Darstellung des kausalen Abhängigkeitsgraphen als Petri-Netz eine präzise Trennung zwischen Operationen ('Ereignissen') und erreichten Zwischenzuständen ('Bedingungen'). Die Abgrenzung der Operationen untereinander im Handlungsverlauf ergibt sich zwangsläufig durch den weitgehend 'digitalen' Charakter der Mensch-Computer Interaktion auf syntaktischer Ebene. 200 Quantitative Aspekte 9.2 Der Abhängigkeitsgraph für die objektive Kausalstruktur einer Aufgabe lässt sich z.B. durch eine arbeitspsychologische Aufgabenanalyse sinnvoll erstellen (Triebe 1981, S. 136f.). Über diese aufgabenimmanenten, kausalen Abhängigkeiten hinaus ergeben sich auch noch kausale Abhängigkeiten durch die konkrete Implementation der einzelnen Funktionen im realen Softwaresystem. Ein kausaler Abhängigkeitsgraph (system- oder aufgabenbezogen) kann als ein kreisfreies Petri-Netz mit unverzweigten S-Elementen ('Kreise') definiert und dargestellt werden (siehe z.B. Abbildung 9.2.1). Die Kreise bedeuten 'Bedingungen' und die Quadrate bedeuten 'Aktionen' bzw. 'Ereignisse'. Alle parallelen Aktionen bzw. Aktionsketten ([a,b,c] || [e] || [g]) sind permutabel. a a a DB ist vorhanden a DB laden b Datei-1 ist nicht aktiv b Datei-1 aktivieren c c Filter für Datei-1 laden Filter für Datei-1 ist nicht geladen d Filter für Datei-1 ist geladen und Datei-1 ist aktiv b b c e g c e g d f h e Verwenden-Schalter für Filter ist nicht gesetzt f Verwenden-Schalter ist gesetzt g Schalter für "Anzeigen als Liste" ist nicht gesetzt h Schalter für "Anzeigen als Liste" ist gesetzt Bedingung = e Verwenden-Schalter für Filter setzen g Schalter für "Anzeigen als Liste" setzen i Selektierte Datensätze aus Datei-1 als Liste ausgeben Ereignis = i Abbildung 9.2.1 Kausaler Abhängigkeitsgraph als Bedingungsereignisnetz für Teile der Anwendungsfunktionen unseres Datenbankprogrammes mit GUI-Oberfläche. Erläutern wir kurz an einem konkreten Beispiel die Brauchbarkeit der Bedingungsereignisnetze zur Darstellung des kausalen Abhängigkeitsgraphen für unser relationales Datenbankprogramm. Die konkrete Implementation dieses Systems gestattet es dem Benutzer drei verschiedene Handlungsstränge parallel und damit permutabel auszuführen (siehe Abbildung 9.2.1). Der Benutzer kann zwischen diesen drei Handlungssträngen beliebig 201 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente hin- und herspringen. Das konkrete Teilziel eines Benutzers in diesem Beispiel besteht darin, eine bestimmte Menge an Datensätzen in einer Liste auf dem Bildschirm auszugeben. Die Selektion der einzelnen Datensätze erfolgt über einen schon definierten 'Filter'. Erst wenn alle Vorbedingungen erfüllt sind, kann die Ausgabeaktion erfolgen. Da die Vorbedingung 'd' für die Aktion 'i' eine komplexe Bedingung ist, d.h. es sind mehrere vorbereitende Schritte zur Herstellung dieser Bedingung notwendig, müssen alle diese vorbereitenden Aktionen [a], [b], [c] zu der Gruppe [a, b, c] zusammengefasst werden. Erst diese Gruppe ist tatsächlich mit den anderen beiden Aktionen [e] und [g] parallel. Die Flexibilität, die in dieser Kausalstruktur steckt, lässt sich mathematisch am einfachsten durch die Permutationen dieser Gruppen berechnen. Zur quantitativen Messung des Aspektes der 'Permutation' gehen wir davon aus, das eine vollständige Liste aller benötigten Anwendungsfunktionen vorliegt. Greifen wir wieder unser Beispiel des Interaktionsnetzes (siehe Abbildung 7.3.1.1) auf. Die Menge der Buchstaben {a, b, ...,l} symbolisiert die vorhandenen Anwendungsfunktionen, im folgenden durch ihren AFIP gekennzeichnet. 'Permutation' im kombinatorischen Sinn heisst, gegeben seien n verschiedene Anwendungsfunktionen; wie viele Möglichkeiten gibt es dann, diese Anwendungsfunktionen in verschiedener Weise anzuordnen? Dieses Mass wird als 'Permutation von n Elementen' bezeichnet. Wären alle AFIPe vollständig permutabel, d.h. kausal unabhängig von einander, so liesse sich das Ausmass an Flexibilität einfach durch die Fakultät: (#AFIP)! angeben. Für unser einfaches Beispiel ergäbe sich: 12! = 12*11*10*...*2*1 = 479 001 600, eine zugegeben sehr hohe Zahl an Permutationen. Dieses Ausmass an Flexibilität wird jedoch durch die aufgabenbezogenen kausalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anwendungsfunktionen semantisch stark eingeschränkt. Es lassen sich somit nur einzelne Gruppen von semantisch eindeutig unabhängigen Funktionen ausmachen: z.B. unsere drei parallelen Gruppen aus Abbildung 9.2.1 mit 3! = 6 verschiedenen Möglichkeiten. Diese drei Gruppen muss der Benutzer in eine sequentielle Handlungsfolge umsetzen. Wie lassen sich jedoch diese Gruppen finden? Durch die systemlogischen Abhängigkeiten werden die aufgabenlogischen Abhängigkeiten des Benutzers möglicherweise zusätzlich eingeschränkt. Wie stark diese Einschränkung tatsächlich ist, lässt sich quantitativ mit dem folgenden Mass bestimmen. Dazu wird die Anzahl der Gruppen mit einer festgelegten Kausalstruktur einerseits anhand einer Aufgabenanalyse, andererseits anhand einer Systemanalyse der vorliegenden bzw. geplanten Software bestimmt. Wir definieren daher das Mass der anwendungsbezogenen funktionalen Flexibilität (AFFl) wie folgt. 202 Quantitative Aspekte 9.2 (Definition der anwendungsbezogenen FUNKTIONALEN FLEXIBILITÄT) AFFl AFFl #AFIPs #AFIPa = ((#AFIP)s! / (#AFIP)a!) * 100% relatives Mass für die anwendungsfunktionale Flexibilität; Anzahl an Gruppen von Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, welche sich in einer systemlogischen Abhängigkeit zueinander befinden. Diese Abhängigkeiten werden auf der Grundlage einer Systemanalyse festgelegt. Anzahl an Gruppen von Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, welche sich in einer aufgabenlogischen Abhängigkeit zueinander befinden. Diese Abhängigkeiten werden auf der Grundlage einer Aufgabenanalyse festgelegt. Ist die Anzahl der Gruppen mit einer entsprechenden Kausalstruktur gleich eins (#AFIPs = 1), so liegt eine genau durch das System festgelegte Abfolge aller Anwendungsfunktionen vor, von welcher der Benutzer nicht abweichen darf; dies ist bei einem sequentiellen bzw. geführten Dialog gegeben. Gehen wir zunächst davon aus, dass die arbeitspsychologische Aufgabenanalyse einen voll permutablen Aktionsraum ergäben hätte, das System aber nur genau eine festgelegte Abfolge vorschreibt, dann liefert AFFl für unser Interaktionsbeispiel (siehe Abbildung 7.3.1.1) mit seinen 12 Anwendungsfunktionen: AFFl = 1! / 12! *100% = 2 * 10-7%. Dieses Ausmass an Flexibilität ist verschwindend gering! Wäre jedoch die Anzahl der Gruppen mit Kausalstrukturen für eine gegebene Systemimplementation aller Anwendungsfunktionen gleich der Anzahl Gruppen mit Kausalstrukturen einer Aufgabenanalyse (#AFIPs = #AFIPa), dann ergibt AFFl = 100%. Wenn man das Mass AFFl gegen die Differenz (#AFIPa – #AFIPs) in Abhängigkeit von der absoluten Grösse von #AFIPa graphisch darstellt, dann erhalten wir die Kurvenschar in Abbildung 9.2.2. Wie man unschwer erkennen kann, wird die anwendungsbezogene Flexibilität bereits bei einer kleinen Gruppe von kausal unabhängigen Funktionen durch eine zusätzliche Einschränkung in der Interaktionsstruktur drastisch verringert. Bereits ab 10 unabhängigen Funktionsgruppen kollabiert die Flexibilität im Aktionsraum, wenn auch nur ein einziger Freiheitsgrad durch die Interaktionsstruktur verloren geht (#AFIPa – #AFIPs = 1). Je grösser die Anzahl unabhängiger Funktionsgruppen ist, desto dramatischer fällt diese Einschränkung aus. Vielleicht wird hierdurch deutlich, warum Menschen auf eine von aussen vorgegebene Beschränkung ihrer individuellen Freiheitsgrade äusserst empfindlich mit Abwehr reagieren. Ist AFFl grösser als 100%, so sprechen wir von einem pseudo-flexiblen System. Ein pseudoflexibles System ermöglicht mehr Permutationen, als durch die Aufgabense- 203 9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente mantik sinnvoll sind. Berechnen wir AFFl für den kausalen Abhängigkeitsgraphen aus unserem Datenbankbeispiel (siehe Abbildung 9.2.1) und gehen wir ebenfalls davon aus, dass eine Aufgabenanalyse lediglich zwei permutable Aktionen ergäben hätte, so ist AFFl = 3! / 2! * 100% = 300%. Graphische Oberflächen haben oftmals pseudoflexible Interaktionsstrukturen, weil sie eine Vielzahl von z.T. semantisch unsinnigen Kombinationen zulassen. Pseudo-Flexibilität ist immer dann zu vermeiden, wenn sich durch bestimmte, semantisch unsinnige Kombinationen schwerwiegende negative Konsequenzen ergeben können. AFFl 100% mit #AFIPa = 2 50% mit #AFIPa = 3 mit #AFIPa = 10 1% 0 1 2 3 4 5 6 [#AFIPa - #AFIPs] Abbildung 9.2.2 Zusammenhang zwischen dem Mass AFFl und dem Unterschied zwischen #AFIPs und #AFIPa in Abhängigkeit von verschiedenen #AFIPa. Anhand der im Abschnitt 8.1 beschriebenen Untersuchung ('CUI- vs. GUI-Oberfläche') konnten wir unter anderem zeigen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Aufgabenbearbeitungszeit und der Anzahl objektiv möglicher Lösungsstrategien besteht (Spearman R = –,566; p ≤ ,008; N = 20; Rauterberg 1992e). D.h., je mehr interaktive Möglichkeiten die Software dem Benutzer zur Lösung einer Aufgabe anbietet, desto geringer ist die Bearbeitungszeit für diese Aufgabe. Dieses Ergebnis interpretieren wir als eine empirische Bestätigung für die Überlegungen, welche zur Konstruktion des Masses AFFl geführt haben. Eine letzte Anmerkung zu der hier vorgestellten Operationalisierung der Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' und zu der weiteren Verwendbarkeit der einmal aufgestellten kausalen Abhängigkeitsgraphen lautet wie folgt: Kausale Abhängigkeitsgraphen lassen 204 Quantitative Aspekte 9.2 sich sehr hilfreich für die Gestaltung eines funktionsorientierten Hilfesystems heranziehen. Jeder Versuch eines Benutzers, eine Systemfunktion auslösen zu wollen – für die noch nicht alle notwendigen Bedingungen hergestellt worden sind –, muss nicht mehr wie bisher auf mühseliges Trail- und Error-Verhalten hinauslaufen, sondern kann jetzt durch entsprechende Hinweismeldungen zielgerichtet unterstützt werden (siehe auch Moll 1989, Sukaviriya, Foley und Griffith 1993). 205 1 0 DISKUSSION Zum Abschluss dieser Arbeit möchte ich die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassend darstellen und diskutieren. Wovon sind wir ausgegangen? Was waren unsere primären Zielsetzungen? Welche dieser Zielsetzungen haben wir erreicht? Ausgangspunkt unseres Vorhabens war der 'Trade-off' von Gestaltungsrichtlinien zwischen ihrer spezifischen Umsetzbarkeit und ihrer Allgemeingültigkeit. Je spezifischer eine Gestaltungsrichtlinie ist, desto eher kann der Softwareentwickler sie auf sein konkretes Gestaltungsproblem umsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gestaltungsprobleme des Entwicklers mit der ursprünglichen Problematik der Richtlinie weitgehend übereinstimmt. In einer sich sehr dynamisch entwickelnden Technologie ist die Halbwertszeit des spezifischen Gestaltungswissens eher klein. Dieser Tatsache kann man nur durch Allgemeingültigkeit begegnen, ohne – und das ist die Kunst – sich in der Beliebigkeit zu verlieren. Um auf Dauer überhaupt sinnvoll im Bereich der Gestaltung von Benutzungsoberflächen weiterforschen zu können, wird eine Gestaltungstheorie benötigt, welche sich auf allgemein gültigen Prinzipen aufbauen lässt. Der Ausweg über den Erstellungsprozess – wie ihn die ISO 9000 Norm vorschreibt – ist auf Dauer kein ausreichender Ersatz auf dem Weg zur softwareergonomischen Produktgütebestimmung, sondern nur eine – möglicherweise – hilfreiche Ergänzung. Wir werden also nicht umhin können, eine Gestaltungstheorie zu erarbeiten, aus der sich die softwareergonomische Produktgüte präzise ableiten lässt. Das notwendige Grundlagenwissen für die geforderte Gestaltungstheorie kommt sowohl aus der Softwaretechnik, als auch aus der Arbeitspsychologie. Zur Erarbeitung dieser allgemeinen Gestaltungstheorie wurde und wird in zunehmendem Masse verstärkt die konkrete Benutzerinteraktion in den Analyse-, Bewertungsund Gestaltungsprozess einbezogen. Dieses Vorgehen entspricht dem von uns so benannten interaktionszentrierten Messansatz ('usability testing'). Dieser Messansatz hat den konkreten Vorteil, alle gestaltungsrelevanten Informationen bzgl. eines konkreten Produktes zu liefern. Der oft als Nachteil empfundene Aufwand kann auf Dauer nur durch den produktzentrierten Messansatz vermieden werden. Ideal wäre somit eine Gestaltungstheorie, welche sich bei der konkreten Produktgestaltung derart umsetzen liesse, dass alle Benutzerbedürfnisse unmittelbar zufriedenstellend in das Produkt eingebaut werden könnten. Da Menschen jedoch sehr komplexe Wesen und zudem individuell recht unterschiedlich sind, wird diese ideale Gestaltungstheorie noch eine Weile auf sich warten lassen müssen; wenn es überhaupt möglich ist, sie zu erstellen. 207 10 Diskussion Einen ersten Schritt haben wir mit dem in dieser Arbeit vorgestellten Ansatz getan. Dieser Schritt besteht darin, bedeutsame und als gesichert anzusehende Gestaltungsanforderungen produktbezogen messen zu können. Dies haben wir für die beiden Gestaltungsrichtlinien Feedback und Flexibilität erreichen können. Wir können nun mit den entwickelten Massen wesentliche Systemeigenschaften für ein geplantes Produkt anhand der entsprechenden Spezifikationsunterlagen bzw. am realisierten Produkt selbst feststellen. Durch die Anwendung der entwickelten und mit empirischen Untersuchungsergebnissen validierten Masse sind wir in der Lage, wesentliche softwareergonomische Produkteigenschaften unabhängig von einer konkreten Benutzungssituation feststellen zu können. Da die Ergebnisse von Benutzungsstudien ('usability tests') scheinbar zu widersprüchlichen Ergebnisse führen können, werden Benutzungsstudien manchmal als unzureichende Verfahren angesehen. Dies ist jedoch eine nicht notwendige Schlussfolgerung. Es ist vielmehr so, dass wir bisher nur sehr bedingt in der Lage waren, die Vergleichbarkeit der Ausgangsbedingungen – insbesondere der getesteten Produkte – hinreichend genau angeben zu können. Meistens wird nur sehr global von einem 'flexiblen' System, einer 'graphischen' Oberfläche usw. gesprochen. Die Ergebnisse unserer Validierungsstudien zeigen sehr deutlich, dass erst eine präzise Produktbeschreibung bei der Interpretation der empirischen Messergebnisse wirklich weiterhilft. Dieser Grad an Differenzierung ist offenbar notwendig, um auch eine adäquate Theorieentwicklung bei der Gestaltung interaktiver Systeme dauerhaft zu ermöglichen. Von den drei dargestellten empirischen Benutzungsstudien führte lediglich der Vergleich zwischen der CUI- und der GUI-Oberfläche zu einem signifikanten Performanzunterschied zugunsten der GUI-Oberfläche. Sowohl der Vergleich der beiden multimedialen Oberflächen, als auch der Vergleich der beiden zeichenorientierten Oberflächen des Simulationsprogrammes ergab keinen empirisch nachweisbaren Unterschied in der Performanz. Wie lassen sich diese empirischen Befunde interpretieren? Was sind die relevanten Wirkdimensionen der besseren Oberfläche? Betrachten wir zunächst das unterschiedliche Ausmass an visuellem Feedback zwischen den verschiedenen Oberflächen (siehe Tabelle 10.0.1). Wir können feststellen, dass die quantifizierbaren Unterschiede zwischen den beiden jeweils zusammengehörenden Oberflächen keine deutlichen Differenzen erkennen lassen. Lediglich das Mass GRFBF lässt einen Vorteil zugunsten der GUI-Oberfläche erkennen, welcher mit den empirischen Befunden übereinstimmt. Dieses Mass hat uns dann auch zu einem allgemeinen Gestaltungsprinzip geführt, welches wir im folgenden Abschnitt genauer diskutieren werden. 208 Überblick 10.0 Tabelle 10.0.1 Übersicht über die Feedbackmasse für die sechs verschiedenen, empirisch untersuchten Oberflächen [K = Anzahl analysierter Dialogkontexte]. Struktur CUI-Oberfläche DBMS GUI-Oberfläche DBMS AFBO RFBO AFBF RFBF KRFBF GRFBF K des – – 26,2 73% – 42% 36 des – – 18,4 66% – 61% 28 Multimedia-O: hierarchisch 404 100% 275,0 100% 100% – 68 Multimedia-O: netzartig 458 100% 373,0 103% 100% – 65 CUI-Simulat.: hierarchisch – – 327,8 86% – 85% 435 CUI-Simulat.: netzartig – – 347,9 90% – 89% 388 Das Mass AFBF ist nicht zum Vergleich zwischen verschiedenen Softwareprodukten geeignet, weil es von der absoluten Anzahl Dialogkontexte, sowie Anzahl Interaktionspunkte abhängt. Die Quantifizierung der Oberflächenobjekte mit dem Mass AFBO bzw. RFBO beschränkt sich auf das Vorhandensein einer wahrnehmbaren Repräsentationsform. Bei einer multimedialen Oberfläche können alle visuellen Gruppen (siehe Abschnitt 6.2), sowie die 'hot spots' (siehe Rauterberg 1993c) als mögliche Interaktionsobjekte gezählt werden. Tullis (1983, 1988) hat eine Methode entwickelt, mit der sich visuelle Gruppen automatisch erkennen lassen. Leider ist das von Tullis (1986) entwickelte Analyseprogramm nur auf zeichenorientierte Masken anwendbar. Ein vergleichbares Analyseprogramm, welches auch auf graphische Oberflächen anwendbar ist, könnte hier von grossem heuristischen Wert sein. Wenden wir uns der Gestaltungsrichtlinie Flexibilität zu. Das Mass IA steht für Interaktionsalternativen und misst die Anzahl Interaktionspfade von einem Startdialogkontext hin zu einer Anwendungsfunktion VAFIP (siehe Abschnitt 7.3.1). Dabei dürfen die alternativen Interaktionspfade keine Zyklen enthalten und um nicht mehr als maximal zwei Interaktionsschritte vom kürzesten Interaktionspfad abweichen. Mit diesem Mass IA kann der Grad der Vernetzung der Interaktionsstruktur berechnet werden. Je vernetzter die Interaktionsstruktur ist, desto mehr alternative Interaktionspfade gibt es. IA misst also das Ausmass an Flexibilität zwischen den verschiedenen Interaktionsfunktionen über das gesamte System hinweg. Zur Berechnung der mittleren Flexibilität pro Dialogkontext bzgl. der Auswahl einer Interaktionsfunktion haben wir die beiden Masse DFl und AFl entwickelt. Beide Masse geben die durchschnittliche Anzahl an Dialog- bzw. Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext an. 209 10 Diskussion Wenn wir jeden Dialogkontext als ein lokales Aktionsfeld betrachten, so misst DFl bzw. AFl das durchschnittliche Ausmass an lokalen Operatoralternativen. Da Handlungen aus einzelnen Operationen zusammengesetzt sind, kann DFl bzw. AFl als indirektes Mass für Handlungsalternativen interpretiert werden. Oesterreich (1982, S.121) leitet aus handlungstheoretischen Überlegungen ab, dass ein Handelnder seine Zielkonsequenzen stets so bestimmt, "dass er möglichst grosse Freiheit hat, beliebig weitere Zielkonsequenzen anzustreben. ... Der Nutzen ist um so höher, je mehr ein Ereignis erlaubt, im folgenden Wahlfreiheit zwischen mehreren Wegen der Fortsetzung des Handelns zu haben, vorausgesetzt, diese Wege sind auch effektiv." Benutzer suchen also bevorzugt Dialogkontexte mit einer grossen DFl bzw. AFl auf, um so ihre prospektiven Freiheiten bzgl. möglicher Handlungsalternativen zu optimieren. Effektiv ist ein Dialogkontext allerdings erst dann, wenn er auch alle aufgabenrelevanten Anwendungsfunktionen enthält. Ein interaktives System sollte also dann besonders benutzungsgerecht sein, wenn es ein hinreichend hohes Mass an AFl aufweist. Und genau dies können wir mit unseren empirischen Studien bestätigen. Tabelle 10.0.2 gibt einen Überblick über alle definierten und teilweise validierten Flexibilitätmasse. Tabelle 10.0.2 Zuordnung der verschiedenen Flexibilitätsmasse zu unterschiedlichen Aspekten der Handlungsregulation. Handlungsasp ekte Benutzerseitig Systembezogen Flexibilitätma ss Strategieauswahl Bearbeitungsstrategie AFFl Kontextauswahl Operatorauswahl Aktionsfeld, -kontext kontextbezogene Operationen logische Abhängigkeiten Dialogstruktur Dialogkontext IA, IVG, HG DFl, AFl, RFuDi Wie wir aus der folgenden Tabelle 10.0.3 erkennen können, lässt sich ein empirischer Performanzvorteil nur dann in den Kennwerten für die Flexibilität wiederfinden, wenn man DFl und AFl heranzieht. Dabei sollten die Kennwerte dieser beiden Masse mindestens grösser als 15 sein (siehe z.B. die GUI-Oberfläche). Offenbar ist ein Unterschied der Kennwerte bei dem interaktiven Verzweigungsgrad (IVG) oder den alternativen Interaktionspfaden (IA) als Mass für globale Freiheitsgrade nicht so bedeutsam wie der Unterschied in den Kennwerten bei dem lokalen Ausmass an Freiheitsgraden (DFl und AFl). Wenden wir den Schwellwert von DFl = 15 als Kriterium auf die Interaktionsstrukturen der Vergleichsstudie von Kühn und Streitz (1989) an, so hätten wir das Ergebnis dieser empirischen Vergleichsstudie 'vorhersagen' können. Nehmen wir an, dass die Darstellung der abgebildeten Interaktionsstrukturen in der Veröffentlichung vollständig 210 Überblick 10.0 ist, so ist DFl für die abgebildete 'lowfan'-Struktur 4,7 und für die 'highfan'-Struktur 7,0. Die durchschnittliche Aufgabenbearbeitungszeit der 145 Aufgaben für die 'lowfan'Oberfläche beträgt 118,4 Sekunden und für die 'highfan'-Oberfläche 115,4 Sekunden. Dieser Performanzunterschied ist – wie aufgrund unserer Kennwerte 'vorhergesagt' – nicht signifikant. Tabelle 10.0.3 Übersicht über die Flexibilitätsmasse IA, DFl, AFl, IVG und HG für die Kennwerte der sechs verschiedenen, empirisch untersuchten Oberflächen [F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte]. Interaktionsstruktur IA CUI-Oberfläche des DBMS GUI-Oberfläche des DBMS F DFl AFl IVG HGA HGD 4,1 4,3 4,5 3,9 2,0 796 1,4 1117 10,1 20,4 12,1 19,5 1,8 2,4 Multimedia-O: hierarchisch 6,1 275 0,5 3,6 4,1 4,0 3,6 67 Multimedia-O: netzartig 8,6 363 1,3 4,2 5,7 2,5 2,2 58 CUI-Simulat.: hierarchisch 2,4 1413 1,9 2,0 1,9 4,8 4,2 363 CUI-Simulat.: netzartig 3,4 1543 2,7 1,3 2,7 6,4 4,6 389 K 33 28 Eine Reihe von Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Menüstrukturen haben gezeigt (Paap und Roske-Hofstrand 1988), dass die Benutzbarkeit der Menübäume von ihrer 'Breite' (= Anzahl alternativer Menüoptionen pro Menü) und ihrer 'Tiefe' (= Anzahl Hierarchiestufen) abhängt. Nehmen wir an, dass die Anzahl Menüoptionen ein – wenn auch eingeschränkt gültiges – Mass für die interaktive Flexibilität der gesamten Menüstruktur ist. Paap und Roske-Hofstrand (1988, S. 222, Tabelle 1) können anhand verschiedener empirischer Vergleichsstudien aufzeigen, dass für eine optimale Benutzung die minimale Anzahl 16 Menüoptionen umfasst, sofern diese Optionen sinnvoll gruppiert auf der Maske dargeboten werden. Diese Resultate sehen wir als eine Bestätigung unseres Grenzwertes an. Das globale Flexibilitätsmass an alternativen Interaktionspfaden (IA) scheint weniger bedeutsam zu sein, als das lokale Ausmass an Operator- bzw. Handlungsalternativen (DFl, AFl). Wenn IA bedeutsam wäre, so hätte der empirische Vergleich der beiden multimedialen Oberflächen eventuell zu einem Performanzvorteil für die netzartige Interaktionsstruktur führen können. Das Ausbleiben dieses Ergebnisses kann jedoch auch an dem möglicherweise zu geringen Unterschied zwischen IAhier und IAnetz liegen. Ebenso kann für die netzartige Menüoberfläche des Simulationsprogrammes aufgrund der zu geringen Werte für IA kein Performanzvorteil empirisch gefunden werden. Inwieweit die Vorteile von aufgabenbezogenen Dialogstrukturen (Greutmann 1993, Janssen 1993, Janssen, Weisbecker und Ziegler 1993, Ziegler und Janssen 1995) sich auch in empiri- 211 10 Diskussion schen Validierungsstudien wiederfinden lassen, bleibt vorerst weiterer Forschung anheim gestellt. Es ist uns für die beiden Flexibilitätsmasse DFl und AFl gelungen, Mindestwerte bzw. Schwellwerte quantitativ angeben zu können. Die Angabe von Mindestwerten erlaubt es nun, statt von einer Richtlinie von einem Kriterium zu sprechen, dessen Erfüllungs- bzw. Einhaltungsgrad eindeutig festgestellt werden kann. Erst, wenn ein interaktives System diesen Mindestwert erfüllt, kann von einem empirisch nachweisbaren Vorteil aufgrund interaktiver Flexibilität ausgegangen werden. Zusätzlich sind wir jetzt auch in der Lage, Oberflächen eindeutig klassifizieren zu können. Mit unserem einfachen Klassifikationskonzept (siehe Abbildung 5.1.3) können wir – ohne diese Oberfläche selbst gesehen zu haben – allein anhand der Kennwerte KRFBF und HG eine Benutzungsoberfläche in der Regel einer der vier Oberflächenarten zuordnen. So ist eine Oberfläche mit den Kennwerten [KRFBF « 1%] und [1,0 < HG < 2,0] eine Kommandooberfläche in unserem erweiterten Sinne. Die Quantifizierung wesentlicher Oberflächeneigenschaften erlaubt es, eine Zuordnung hinreichend genau treffen zu können. Die Gestaltungsdimension der interaktiven Direktheit lässt sich einfach und präzise mit dem Mass HG angeben. Tabelle 10.0.4 Skalentyp nominal Übersicht über die verschiedenen Bewertungsansätze der MCI. Bewertungsansatz intervall Oberflächentypen (z.B. Kommando, Menü, Desktop usw.) Benutzungstests, experimentelle Vergleichsstudien (z.B. GUI besser als CUI) Checklisten (z.B. EVADIS) rational quantitative Messvorschriften ordinal Referenz Shneiderman (1987) [siehe die verschiedenen Vergleichsstudien in Abschnitt 8.1] Spinas, Troy und Ulich (1983), Oppermann et al. (1988), Reiterer und Oppermann (1993) Rauterberg (1993b) Was haben wir durch unser Konzept zur Quantifizierung softwareergonomischer Richtlinien erreicht? Erstens, wir können Richtlinien durch die Angabe von Mindestwerten in Kriterien überführen. Zweitens, wir können Oberflächen mindestens auf einem Intervallskalenniveau und zum Teil auf einem Rationalskalenniveau beschreiben (siehe Tabelle 10.0.4; zum Skalenniveau siehe Rauterberg 1992d). Zunächst war man lediglich in der Lage, Oberflächen qualitativ zu unterscheiden (Shneiderman 1987); dieses Vorgehen entspricht der Beschreibung mittels einer Nominalskala in Form von unterscheidbaren Typen. Erst aufgrund der verschiedenen empirischen Vergleichsstudien zwischen einzelnen 212 Überblick 10.0 Oberflächentypen war man bisher in der Lage, Oberflächen teilweise auf einem ordinalen Skalenniveau zueinander in Beziehung zu setzen (siehe Abschnitt 8.1). Mit den in dieser Arbeit entwickelten Massen können wir jedoch nun einzelne Oberflächen mindestens mittels einer Intervallskala, wenn nicht gar mittels einer Rationalskala eindeutig typisieren. Falls sich zusätzlich die Möglichkeit zur Ableitung allgemeiner Gestaltungsprinzipien ergibt, so haben wir einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung getan. Genau dies werden wir jetzt anhand eines ausgewählten Beispieles tun. 10.1 E IN ALLGEMEINES G ESTALTUNGSPRINZIP Als wir unser Beschreibungskonzept für die verschiedenen Oberflächentypen entwickelten, entdeckten wir eine Schwierigkeit, welche sich bei der Trennung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum herausstellte (siehe Abschnitt 2.1). Wir haben zunächst beim Wahrnehmungsraum in passive und aktive Repräsentationsformen unterschieden (siehe Abschnitt 5.1). Ausgehend von dieser Unterscheidung entdeckten wir ein ähnliches Problem im Aktionsraum. Einerseits lassen sich bei zeichenorientierten Menüoberflächen die einzelnen repräsentationalen Interaktionspunkte auf dem Bildschirm – z.B. der Menüname – dem Aktionsraum zuordnen, gleichzeitig gehören aber auch die semantiktragenden Interaktionspunkte des Eingabegerätes – z.B. die Funktionstasten der Tastatur – zum Aktionsraum (siehe Abschnitt 5.3). Wir mussten daher die räumliche Trennung der Eingabeschnittstelle von der Ausgabeschnittstelle adäquat berücksichtigen. Wir haben dies mit der Unterscheidung zwischen der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte des aktiven Wahrnehmungsraumes (WFIP) und der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte des Aktionsraumes (WFIPA) getan. Den Niederschlag fand diese Unterscheidung in der Berücksichtigung der physikalischen Distanz zwischen einem WFIP und einem WFIPA bei der Konstruktion des Masses GRFBF (siehe Abschnitt 6.3.1). Warum ist dies so wichtig? Wenn wir direktmanipulierbare Oberflächen mit analogen Eingabegeräten (z.B. Maus, Lichtgriffel usw.) quantitativ beschreiben wollen, so verlagert sich die Eingabeschnittstelle weg vom externen Gerät hin zum wahrnehmbaren Repräsentanten auf der Ausgabeschnittstelle (z.B. dem Mauszeiger auf dem Bildschirm). Wenn wir die Ausgabeschnittstelle als 'externes' Gedächtnis auffassen, so kann der Benutzer mittels analoger Eingabegeräte direkt auf den 'Gedächtnis'-Strukturen der Ausgabeschnittstelle operieren. Die Vorteile der direkten Manipulation mittels Finger auf berührungssensitiven Oberflächen konnte Milner (1988) aufzeigen. Dies ist ein bedeutsamer Unterschied zu den Funktionstasten bei zeichenorientierten Menüoberflächen. Da zeichenorientierte Menü- 213 10 Diskussion oberflächen auf der Ausgabeschnittstelle gleich viele WFIPen haben können wie direktmanipulierbare Oberflächen, müsste diese unterschiedliche Art der Aktivierung der zugehörigen Funktionen einen Einfluss auf die Benutzbarkeit haben. Wir haben dies mit der zusätzlichen Gedächtnisbelastung für die Zuordnung des WFIP auf der Ausgabeschnittstelle zu seinem WFIPA auf der Eingabeschnittstelle begründet. Bei hochgeübten Benutzern, welche mit einer Oberfläche mit konsistenter Tastenbelegung arbeiten, sollte diese zusätzliche Gedächtnisbelastung aufgrund des intern aufgebauten mentalen Modells verschwinden. Bei Anfängern und bei heterogenen Oberflächen wird sich jedoch dieser Unterschied in der Benutzung niederschlagen. Bei der manuellen Manipulation von Gegenständen in der Realität fallen Aktionsraum (Hände und Finger) mit dem Wahrnehmungsraum (Stellung des manipulierten Gegenstandes im Raum) raumzeitlich zusammen. So konnte Hacker und Clauss bereits (1976) empirisch aufzeigen, dass die Verfügbarkeit der notwendigen, handlungsleitenden Informationen direkt am Ort der Handlung eindeutige Performanzvorteile bewirkte. Bei der Manipulation von Objekten mit einer traditionellen Oberfläche fallen diese beiden Bereiche – bedingt durch die Trennung zwischen Eingabeschnittstelle und Ausgabeschnittstelle – auseinander. Man kann diesen Unterschied zwischen einem WFIP und einem WFIPA auch auf das folgende Gestaltungsproblem übertragen. Immer dann, wenn die aktuellen Rückmeldungssignale auf der Ausgabeschnittstelle ausserhalb vom primären Aufmerksamkeitsfokus erscheinen, wird von dem Benutzer eine Zuwendungsreaktion zu dem Bereich mit den aktuellen Rückmeldungssignale erzwungen. Um diesen Effekt zu messen, haben wir ein Signalentdeckungsexperiment durchgeführt (siehe Abschnitt 8.4). Die Ergebnisse dieses Experimentes deuten eindeutig auf die Bedeutsamkeit des folgenden allgemeinen Gestaltungsprinzips hin: Wahrnehmungsraum und Aktionsraum müssen raumzeitlich zusammenfallen! Wir wollen dieses Gestaltungsprinzip an einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Ein Benutzer möge mit dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD ein grösseres Textdokument bearbeiten (z.B. ein Buch von über 100 Seiten). Um von einer Seite zu einer anderen, entfernten Seite zu gelangen, hat der Benutzer verschiedene Möglichkeiten: (1.) Er aktiviert die Dialogbox 'Gehe zu...' und gibt die Seitennummer ein, oder (2.) er benutzt den Rollbalken am Fensterrand (siehe Abbildung 10.1.1). Viele Benutzer bevorzugen die Rollbalkenvariante, weil sie nicht immer genau die Seite angeben können, zu der sie hingelangen wollen; meistens kennen sie nur so ungefähr den Seitenbereich. Für die sensumotorische Regulation des Mauszeigers im Rollbalkenfeld ist der primäre Aufmerksamkeitsfokus des Benutzers auf diesen Bereich festgelegt (siehe Kreis am rechten 214 Ein allgemeines Gestaltungsprinzip 10.1 Bildschirmrand in Abbildung 10.1.1). Das wesentliche Rückmeldungssignal über die erreichte Seitenzahl wird jedoch eindeutig ausserhalb vom primären Aufmerksamkeitsfokus in der linken unteren Fensterecke angezeigt (siehe Kreis in der Ecke links unten in Abbildung 10.1.1). Der Benutzer wird durch dieses Design gezwungen, seinen Blick ständig zwischen dem Rollbalkenfeld und dem Anzeigefeld zu wechseln. Abbildung 10.1.1 Seitenzahlanzeige und Rollbalkenbedienung beim Textverarbeitungsprogramm MsWORD. Warum muss der Benutzer überhaupt für die Mausbedienung auf das Rollbalkenfeld blicken, wenn ihn doch nur die Seitenzahl links unten interessiert? Ganz einfach, weil der Mauszeiger während des 'Blätterns' in einem physikalischen Aktivierungsbereich von einem Zentimeter links und rechts vom Rollbalkenfeld positioniert bleiben muss. Sobald der Mauszeiger diesen aktiven Bereich verlässt, kann er zwar die Maus mit gedrückter Maustaste noch beliebig nach oben oder unten bewegen, die beabsichtigte 'Blätter'-Operation ist jedoch nicht mehr aktiv. Für dieses Interaktionsproblem gibt es zwei Lösungen: (1.) Der Aktivierungsbereich um das Rollbalkenfeld ist nicht nach links und rechts begrenzt, oder (2.) die Seitenzahlanzeige erfolgt im Bereich vom primären Aufmerksamkeitsfokus. Diese zweite Lösung ist beim Textverarbeitungsprogramm MacWRITE realisiert (siehe Abbildung 10.1.2). 215 10 Diskussion Abbildung 10.1.2 Rollbalkenbedienung und Seitenzahlanzeige beim Textverarbeitungsprogramm MacWRITE. Wir können allein auf der Grundlage unseres Gestaltungsprinzips vorhersagen, dass ein Benutzer mit dem Textverarbeitungsprogramm MacWRITE bei der Rollbalkenbedienung zum Blättern und zielgerichteten Suchen weniger Interaktionsprobleme haben wird als bei dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD. Took (1991) hat dieses Gestaltungsprinzip zur Grundlage seiner Definition von 'Direktheit' bei der Gestaltung direktmanipulativer Benutzungsoberflächen gemacht: "We use, however, a simple but powerful criterion for directness: that the same object is the target of both input and output" Took (1991, S. 252). Smith et al. (1982) hat diesen Aspekt auch "inter-referential I/O" genannt; dieser Aspekt ist von Draper (1986) wieder aufgegriffen und weiter ausdifferenziert worden. In Vanderdonckt, Ouedraogo und Ygueitengar (1994) wird der aktuelle Stand über die automatische Plazierung von interaktiven Oberflächenobjekten dargestellt. Das hier vorgestellte globale Gestaltungsprinzip wäre nicht nur eine Verallgemeinerung des 'inter-referential I/O'-Aspektes, sondern auch eine empirisch abgesicherte Ergänzung zu den anderen Plazierungsstrategien. 10.2 A USBLICK AUF ZUKÜNFTIGE F ORSCHUNG Wir betrachten diese Arbeit als den Anfang einer Forschungsrichtung, welche sich mit der weiteren Quantifizierung softwareergonomischer Richtlinien befassen kann. Im Laufe der weiteren Forschung auf diesem Gebiet könnten folgende Ergebnisse erzielt werden: 1. Weitere Richtlinien wie 'individuelle Auswahlmöglichkeiten' und 'individuelle Anpassung' werden über eine entsprechende Quantifizierung in Kriterien überführt. 216 Ausblick 10.2 2. Die Planung von empirischen Vergleichsstudien kann durch die präzise Beschreibung der zu vergleichenden Oberflächen zielgerichteter als bisher erfolgen. 3. Scheinbar widersprüchliche Ergebnisse von empirischen Vergleichsstudien lassen sich möglicherweise durch die präzise Beschreibung der verglichenen Oberflächen aufklären und entsprechend einordnen. 4. Produktbezogene Kennwerte ermöglichen die Aufdeckung von weiteren Gestaltungsprinzipien. 5. Quantifizierte Richtlinien lassen sich als Kriterien zur Messung der softwareergonomischen Produktqualität heranziehen. 6. Diese produktbezogenen Kennwerte erleichtern Massnahmen zur Qualitätssicherung. 217 1 1 ZUSAMMENFASSUNG Ausgehend von einer Analyse und Bewertung der bisher entwickelten Richtlinien- und Regelsätze wird die Notwendigkeit zur Ableitung möglichst quantitativer Masse aufgezeigt (Kapitel 1). Es wird ein Betrachtungsmodell für die verschiedenen systemtechnischen Komponenten von Benutzungsoberflächen vorgestellt und mit anderen, schon vorhandenen Modellen verglichen (Kapitel 2). Ein benutzungsorientiertes Gestaltungskonzept für Benutzungsoberflächen wird vorgestellt und zu anderen Konzepten – insbesondere aus dem Softwareengineeringbereich – in Beziehung gesetzt. Es werden die Richtlinien zur benutzungszentrierten Gestaltung mit den drei systemtechnischen Komponenten einer Benutzungsoberfläche in einer Gestaltungsmatrix verschränkt, um so zu detaillierten und spezifischen Gestaltungsbereichen von Oberflächen gelangen zu können (Kapitel 3). Zur Messung der Gebrauchstauglichkeit von interaktiven Systemen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die Vor- und Nachteile dieser Methoden werden diskutiert. Der interaktionszentrierte Messansatz dient zur Validierung des in dieser Arbeit speziell entwickelten produktzentrierten Messansatzes (Kapitel 4). Für die Quantifizierung von softwareergonomischen Richtlinien wird zunächst ein allgemein anwendbares Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen vorgestellt. Mittels dieses Beschreibungskonzeptes werden Definitionen wichtiger Eigenschaften von Benutzungsoberflächen erstellt und an einem einfachen Beispiel erläutert (Kapitel 5). Für die Richtlinie 'Feedback' des Gestaltungsbereiches 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' werden verschiedene quantitative Masse hergeleitet und zur Beschreibung von drei verschiedenen interaktiven Systemen mit je zwei unterschiedlichen Oberflächen herangezogen. Bei der Anwendung der Feedbackmasse auf eine zeichenorientierte Menüoberfläche mussten wir einen zusätzlichen Beschreibungsparameter einführen. Wir haben diese Lösung verallgemeinert und ein allgemeines Gestaltungsprinzip daraus abgeleitet (Kapitel 6). Für die Richtlinie 'Flexibilität' des Gestaltungsbereiches 'Kontrolle' werden unterschiedliche quantitative Masse hergeleitet und ebenfalls zur Beschreibung der sechs verschiedenen Oberflächen herangezogen (Kapitel 7). Die Validierung der entwickelten Masse für Feedback erfolgt zunächst mittels einer Meta-Analyse veröffentlichter Vergleichsstudien. Die Validierung der Masse für Flexibili- 219 11 Zusammenfassung tät wurde durch zwei eigene Vergleichsstudien ermöglicht. Dabei können wir für zwei Masse interaktiver Flexibilität einen Schwell- bzw. Grenzwert aufzeigen. Erst wenn dieser Schwellwert überschritten wird, lässt sich auch ein Benutzungsvorteil aufgrund entsprechender Flexibilität empirisch nachweisen. Mittels einer zusätzlichen, externen Vergleichsstudie können wir – als eine Art Kreuzvalidierung – diesen Grenzwert bestätigen. Zur Validierung des aufgestellten Gestaltungsprinzips ist ein zusätzliches Experiment durchgeführt und im Bezug auf das Gestaltungsprinzip ausgewertet worden (Kapitel 8). Für den Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente zeigen wir verschiedene quantifizierbare Aspekte auf und diskutieren die möglichen Auswirkungen vor dem Hintergrund handlungspsychologischer Forschungsergebnisse (Kapitel 9). Abschliessend diskutieren wir die gewonnenen Erkenntnisse im Kontext der bereits bekannten Ergebnisse softwareergonomischer Forschung und zeigen Wege für zukünftige Forschungsgebiete auf (Kapitel 10). 220 1 2 LITERATURVERZEICHNIS ACKERMANN D. (1987) Handlungsspielraum, mentale Repräsentation und Handlungsregulation am Beispiel der Mensch-Computer-Interaktion. Dissertation Universität Bern. Zürich: ADAG-Druck. ACKERMANN D. & GREUTMANN T. (1987) Interaktionsgrammatik und kognitiver Aufwand. In: W. Schönpflug & M. Wittstock (Hrsg.) Software-Ergonomie '87. (Berichte des German Chapter of the ACM,, Band 29, S. 262-270), Stuttgart: Teubner. AKAMATSU M., SATO S. & HASBROUCQ T. 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VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 14 14 51 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 3 3 1 1 Datensätze-Löschen VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 14 13 51 1 Datensätze-Ändern VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 16 16 51 1 Rechnen: Sichern VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 17 17 1 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 16 16 51 1 Wahl: Sichern VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 17 17 1 1 Wahl: Laden VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 12 12 59 9 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 12 12 59 9 Rechnen: Laden Wahl: Definition Rechnen: Definition VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 3 3 1 1 Datensätze-Löschen VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 14 13 51 1 Datensätze-Ändern VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 12 12 50 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 117 89 8 8 Datensätze-Eingeben VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 12 12 50 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 17 17 1 1 Desktop mit 1 Fenster Suchmodus VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 81 65 8 8 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 14 14 51 1 Datenbank laden Suchmodus Desktop ohne Fenster Datensätze-Eingeben VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 2 2 0 0 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 15 15 0 0 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 1 1 0 0 Daten Anzeige unmöglich Start-Desktop VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 14 14 0 0 Merkmale auswählen Daten Anzeigen (Maske) VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 17 17 1 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 6 6 1 1 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 59 9 0 0 Mischen-Einstellungen VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 1 1 0 0 VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 62 13 0 0 Im/Export-Einstellungen neuer Schlüssel VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 1 1 0 0 Drucker-Einstellungen Hilfe VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP 1 1 0 0 Datei-Info Datenbank-Info Interaktionstrukturschema Abbildung A.2 Interaktionsstrukturschema für alle 28 analysierten Dialogkontexte und die in ihnen enthaltenen dialog- [DFIP] und anwendungsfunktionalen [AFIP] Interaktionspunkte der GUI-Oberfläche des relationalen Datenbankprogrammes. 245 246 Mehrfamilienhaus 3 1 1 2 2 WO 5 2 WO 5 3 1 1 7 WO 1 7 WO 8 3 Haushaltsberatung 1 WDFIP WAFIP 0 1 Kundenberatung 0 WDFIP WAFIP WO 7 7 WO WO 7 0 4 4 WO 0 1 WO 9 Wegweiser Infocenter 1 WDFIP WAFIP WO 7 0 Wegweiser Übersicht WDFIP WAFIP WO WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 0 1 Wegweiser Finanzierung 0 WDFIP WAFIP Wegweiser Cashservice 0 WDFIP WAFIP Wegweiser Geldservice 0 WO 7 2 1 WO 5 5 WO 5 WO 1 1 7 WO 0 1 WDFIP WAFIP 9 WO Wegweiser Wertpapiere 0 WDFIP WAFIP 10 10 1 10 3 WO WDFIP WAFIP 0 2 4 WO Immobilie des Monats 1 WDFIP WAFIP 1 5 2 4 0 3 WDFIP WAFIP 5 WO WDFIP WAFIP 0 3 Veranstaltung Cup 1 3 WO 4 Veranstaltung Austellung WDFIP WAFIP WO 2 WDFIP WAFIP 4 3 4 WO 2 0 3 WDFIP WAFIP 3 WO 4 WO Veranstaltung Aktion WDFIP WAFIP 0 2 Veranstaltung Konzert 0 5 8 WDFIP WAFIP 0 3 3 WO 20 WO 2 WO Veranstaltung Cebit 0 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP WO 4 WO Veranstaltung Vortrag 2 WDFIP WAFIP 0 3 Immobilie des Monats 3 0 Veranstaltungen WO Immobilie des Monats 4 0 2 WDFIP WAFIP 0 8 WO WDFIP WAFIP 1 10 Immobilie des Monats 2 WO 10 9 WO 0 Cashservice "Hauptstelle" 11 PS Gewinnliste 0 WDFIP WAFIP Diesen Monat neu 8 WO 1 Cashservice Übersicht 9 WDFIP WAFIP 1 10 WO Cashservice "Dillweissen" WDFIP WAFIP Immobilie des Monats 5 2 WO 0 WDFIP WAFIP Cashservice "Hinweis" 11 WO 1 WO Cashservice "Wilfending" WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 4 10 WDFIP WAFIP Veranstaltung Vortag 1 0 11 WO Cashservice "Rathaus" 1 System-Optionen 0 9 Cashservice "Zweigstelle" WDFIP WAFIP WO 1 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 1 10 WO Cashservice "Marktplatz" 1 WDFIP WAFIP Cashservice "Eutingerstr." WO 3 "Start" WDFIP WAFIP 1 4 Hauptmenu 5 WO Wegweiser Immobilien 7 WO 0 WDFIP WAFIP Grundstück Hinweis WDFIP WAFIP 1 1 Gewerbehaus 1 1 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 5 1 Gewerbehaus 2 WDFIP WAFIP 1 Immobilien-Angebot WDFIP WAFIP WO 5 1 WDFIP WAFIP Gewerbehaus 3 Wegweiser "Bild" WO 5 5 WO 1 WO Wegweiser Direktfinanz WDFIP WAFIP 1 1 Einfamilienhaus 1 WDFIP WAFIP 1 2 WO 5 1 WDFIP WAFIP Mehrfamilienhaus 1 Wegweiser Beratungsdienst 5 1 Einfamilienhaus 2 1 WDFIP WAFIP Einfamilienhaus 3 WO 5 Erben + Vererben 1 WO Mehrfamilienhaus 2 WDFIP WAFIP 1 2 WDFIP WAFIP 0 1 1 WDFIP WAFIP Eigentumswohnung 1 1 WDFIP WAFIP Eigentumswohnung 2 1 WDFIP WAFIP 5 WO Eigentumswohnung 3 1 WDFIP WAFIP 5 WO Eigentumswohnung 4 1 WDFIP WAFIP 5 WO Eigentumswohnung 5 1 WDFIP WAFIP 10 10 10 10 WO 10 10 WO 10 2 2 WO 9 WO 1 2 4 WO 18 WO 3 0 2 WDFIP WAFIP Der aktuelle Tip 7 0 WDFIP WAFIP Der aktuelle Tip 6 WDFIP WAFIP 0 3 Der aktuelle Tip 5 WDFIP WAFIP 0 3 Der aktuelle Tip 4 4 WO 4 WO WO 3 WO 4 Der aktuelle Tip 3 WDFIP WAFIP WO 0 3 4 Der aktuelle Tip 2 WDFIP WAFIP WO 0 3 4 0 WDFIP WAFIP Der aktuelle Tip 1 0 WDFIP WAFIP Geschäftsentwicklung 0 WDFIP WAFIP PS Gewinnsparen 1 WDFIP WAFIP Cashservice "Büchenbron" 1 WDFIP WAFIP Cashservice "Messplatz" 1 WDFIP WAFIP Cashservice "Brötzingen" 1 WO Cashservice "Hohenzollern" WDFIP WAFIP Anhang Abbildung A.3 Interaktionsstrukturschema für alle 68 Dialogkontexte des multimedialen Informationssystems Version-A [WDFIP = Anzahl wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte, WAFIP = Anzahl wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte, WO = Anzahl sonstige wahrnehmbare Objekte]. WO 5 1 1 WO 5 5 WO 5 WO WO 5 7 WO 5 WO 2 WO 2 1 10 WO 1 WDFIP WAFIP 1 0 0 WDFIP WAFIP 1 Theater 7 Sport 0 7 WO WDFIP WAFIP 1 0 WDFIP WAFIP 1 Verschiedenes 7 WO 0 Gewerbehaus 2 Gewerbehaus 1 WO 7 7 WO 1 WO 5 3 WO 5 Veranstaltungen WDFIP WAFIP Berater 3 WDFIP WAFIP 1 15 Immobilien 0 6 WO Simulation Geldautomat 1 WO 5 5 WO WO 5 WDFIP WAFIP Berater 1 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 6 WO Weltspartag WDFIP WAFIP 1 3 Konzert 0 9 WO Gewerbehaus 3 WDFIP WAFIP 1 1 WDFIP WAFIP 1 2 Erdgeschoss Veranstaltung 2 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 3 14 + 1Ü WO 7 11 WO Wegweiser Immobilien 7 + 8Ü Veranstaltungen 3 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 1 0 WO 7 WO 5 Immobilien-Angebot 1 WDFIP WAFIP 1 WO 5 5 WO 5 WO 1 WDFIP WAFIP Vortrag 6 WO 1 WDFIP WAFIP Einfamilienhaus 1 1 WDFIP WAFIP Einfamilienhaus 2 WDFIP WAFIP 1 1 Einfamilienhaus 3 2 Mehrfamilienhaus 1 Immo-Tag WDFIP WAFIP 1 + 1Ü 0 Ausstellung WDFIP WAFIP 1 0 Aktion 1 WDFIP WAFIP Grundstück 3 WDFIP WAFIP 1 2 Grundstück 2 WDFIP WAFIP 1 1 Grundstück 1 WDFIP WAFIP 1 1 5 WO 5 Eigentumswohnung 1 WDFIP WAFIP 1 2 Eigentumswohnung 2 1 WO Eigentumswohnung 3 WDFIP WAFIP 1 WDFIP WAFIP 1 WDFIP WAFIP 1 Mehrfamilienhaus 2 Mehrfamilienhaus 3 1 4 WO 5 5 5 WO WO 5 Wertpapiere WDFIP WAFIP 0 4 Berater 5 WO Geldservice 4 WDFIP WAFIP 0 4 Berater 0 WDFIP WAFIP Berater Vermögensberatung 4 WO Direktfinanz 5 WO Kreditservice 2 WO WDFIP WAFIP 0 11 Geldautomat 1 WDFIP WAFIP 0 4 Berater 11 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 4 0 Berater 11 WO 10 WO 11 WO Cashservice "Rathaus" 1 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP Startmenü 11 WDFIP WAFIP Cashservice "Zweigstelle" "Berater" 1 11 WO 9 Cashservice "Marktplatz" 1 WDFIP WAFIP Cashservice "Eutingerstr." 11 6 WO 2 5 WO 7 WO WO 7 Wertpapiere 2 WDFIP WAFIP 4 2 Geld 4 7 WO Geldservice 2 WDFIP WAFIP Geld 4 WDFIP WAFIP Geld Vermögensberatung 4 2 WO Direktfinanz WDFIP WAFIP Geld 0 5 1 5 2 WDFIP WAFIP 1 11 3 WDFIP WAFIP 1 3 9 WO 2 11 WO WO 9 14 WO WO 5 11 WO 13 WO 3 WDFIP WAFIP Wegweiser Wertpapiere 1 WDFIP WAFIP WO 10 14 WO Wegweiser 1.Obergeschoss 1 WDFIP WAFIP Wegweiser Geldservice 3 WDFIP WAFIP 1 11 Wegweiser Erdgeschoss 2 10 WO Cashservice "Büchenbron" 1 Wegweiser Direktfinanz 1 11 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP 2 2 WDFIP WAFIP 10 Cashservice "Messplatz" 1 WDFIP WAFIP Wegweiser Kreditservice 10 11 Cashservice "Brötzingen" 1 WO Cashservice "Hohenzollern" WDFIP WAFIP Wegweiser Vermögensberatg WO 5 11 WO Cashservice "Hauptstelle" 13 WO WDFIP WAFIP Kreditservice 16 WDFIP WAFIP 4 2 Geld 3 8 WO 1 WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP WDFIP WAFIP Geld 11 Cashservice Lageplan 1 WO 9 Cashservice "Dillweissen" WDFIP WAFIP Wegweiser Aufzug WDFIP WAFIP 3 2 Cashservice 1 WO 9 Cashservice "Wilfending" WDFIP WAFIP Interaktionstrukturschema Abbildung A.4 Interaktionsstrukturschema für alle 65 Dialogkontexte des multimedialen Informationssystems Version-B [WDFIP = Anzahl wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte, WAFIP = Anzahl wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte, WO = Anzahl sonstige wahrnehmbare Objekte]. 247 PERSONENVERZEICHNIS A Abowd 13 Ackermann V, 48, 49, 63, 91, 119, 190 Akamatsu 19, 67, 92 Akscyn 17 Alexander 43, 59, 65 Altmann 144, 145 Alty 84, 106 Andre 18 Anft 62 Antes 97 Antin 144 Apenburg 57, 61, 154, 160 Apple 18, 70 Arend 35, 48 Armstrong 10 Arnold 48, 57, 63 Atkinson 43 Aucella 9, 10, 11 B Baitsch 1, 9, 36, 62, 91 Balzert 1, 13, 37, 38, 42, 48, 82 Bannert 72, 73, 186 Bartsch 2 Basili 42 Bauknecht V, 1, 38, 41, 50, 53, 56 Beale 13 Beck 99, 186 Becker 40, 183 Beimel 10 Bell 97 Bennett 58 Benyon 1 Berli 49 Bevan 56, 174 Biggs 63 Birbaumer 175 Blattner 72 Blayney 2 Blischke 98 Bodart 2, 70 Boehm 37, 38, 42 Booth 1 Bortz 5, 61, 64, 143, 153, 156, 166 Bösser 60 Boucsein 43, 57 Bowden 2 Brickenkamp 61 Brown 1, 37 Bruce 43 Bruggemann 118 Brunner 115, 153, 155 Buxton 19 Dowell 56, 58, 60 Dowrick 63 Draper 1, 208 Draxler 53 Dreyfus 55 Dryman 2 Duden 3 Dumais 83 Dumas 54, 62, 64 Dutke 60, 61, 94, 95, 96, 157 Dzida 5, 8, 13, 54, 68 C Cachin 6, 43, 93, 181 Cakir 3 Card 1, 59, 60, 100 Carey 1 Carroll 55, 99 Chang 97 Chin 61, 144 Claus 53 Clauss 206 Cockton 14, 66 Corbett 64 Cordes 18, 66, 86, 87 Coutaz 14, 17, 54 Coy 53 Crellin 63 Cunningham 1 E Ebert 42 Edmonds 14 Egeth 174 Endestad 59 Engel 9 Englisch 56 Ericsson 63 Essig 14, 16, 18, 36, 87, 88, 119 Evans 48 D Dählmann-Heinecke 101 Dannenberg 72 Daugs 98 Daum 89, 112, 135 Debevc 120, 184 Dehning 14, 16, 18, 36, 87, 88, 119 Deichsel 118 Denert 65 Dewar 64 Diaper 186 Diehl 61 Dijkstra 41 Dillon 2 Dix 13, 91 Dörner 26, 27, 29, 32, 94 F Fabian 22, 82 Fach 73 Fähnrich 1, 23 Farago 61 Farber 77 Felix 175 Finlay 13 Fitzgibbon 100 Flammer 117, 118 Fleischer 63 Flores 54, 55 Foley 83, 106, 197 Frei 49 Frese 14, 43 Frühauf 54 Fujita 73 G Galanter 59, 117 Galitz 1, 70 Galotti 55 Galperin 59, 94, 95 249 Anhang Gaver 92 Gediga 58, 60, 99 Gibson 42 Gieskens 106 Gilmore 74 Good 11 Görner 9, 12 Granda 9 Green 13, 43, 59, 144 Greenberg 46, 77 Greif 43, 58, 60, 99 Greutmann V, 14, 48, 49, 63, 65, 91, 119, 122, 203 Griffith 197 Groskurth 118 Grote 7, 186 Grützmacher V, 89, 166, 167, 171, 173 Gugerty 60 Gunsthövel 60 Gutknecht 124, 131 Gysler 37 H Haaks 14, 99, 119, 120, 122 Haarslev 100 Haberfellner 40, 183 Hächler 81 Hacker 22, 23, 25, 47, 59, 61, 92, 93, 206 Hacker, S. 2 Hagiwara 14 Halstaed 42 Hamborg 99 Hampe-Neteler 12 Hanson 77 Härtner 93, 99 Hasbroucq 19, 67, 92 Haubner 84, 181 Hauptmann 144 Hauri 2 Häuslein 101 Heemsoth 97 Heinicke 101 Helander 1, 2, 18 Henderson 100 Henrion 100 Herda 5, 8 250 Herzig 55 Hewett 55, 62 Hilgard 43 Hilty 101 Hodges 64 Hof 70, 98 Holladay 146 Hollan 147, 183 Holland 1 Holm 61 Hopcroft 65 Hoppe 1 Horn 63 Houwing 57, 63 Hsia 13 Hübner 13, 110 Hultzsch 50 Hunter 143 Hutchins 147, 183 Hüttner 10, 11 I IBM 18, 70 Ilg 1, 8, 9, 12, 78, 81, 82, 99, 186 Itzfeldt 5, 8 J Jackson 143 Janke 101 Janssen 84, 99, 106, 126, 203 Jones 83 K Karat 58, 62, 145 Karger 119 Kaster 100 Katz 1 Keil-Slawik 1, 100 Kieras 59 Kimm 37, 39 Kindborg 101 Kinoe 57, 58 Kirakowski 56, 64 Kishi 57, 58 Klix 42 Klotz V Koch 1, 39 Koenemann-Belliveau 55 Kohnert 101 Kokoschka 6 Koller 72, 81 Kollerbaur 101 König 72, 104 Krampen 97 Krause 147 Kraut 77 Krönert 100 Krueger 175 Kuhmann 43 Kühn 202 Kung 13 Kunkel 73 Kupka 65 Kurtenbach 19 L Landauer 55 Langer 61 Larkin 19, 97 Laurel 74 Lauter 1, 18, 71, 99 Laverson 74 Lenzen 97 Leontjew 22, 44 Liebetrau 40, 183 Lienert 57, 61, 64 Lieser 24, 97, 106 Lin 13 Lindermeier 54 Lingemann 48 Linnertz 6 Lipow 37 Loftus 97 Ludewig 54 Lüdtke 100 M Maass 1, 4, 14, 16, 18, 36, 87, 88, 99, 100, 119 Macguire 58 Mackworth 175 MacLeod 2 Maguire 2 Maier 2 Maissel 56 Marais 70, 146 Personenverzeichnis Marciniak 48 Margono 145 Martin 12 Masson 145 Mauerhofer 2 Mayhew 1, 18, 175 McCabe 42 McCracken 17 McKendree 99 Meessen 6 Mel 83 Melzer 190 Meseke 63 Meyer 59, 119 Microsoft 18, 70 Miller 59, 117 Milner 205 Mittenecker 63 Möckel 98 Moll 6, 36, 55, 62, 63, 91, 181, 197 Mollenhauer V, 148 Möller 100 Monecke 99 Moran 1, 32, 33, 59, 60, 144, 145 Morgan 145 Mosier 3, 9, 10, 11, 12, 147 Müller-Holz 2, 63 Mullin 84, 106 Mummendey 61 Münch 6 Murchner 2 Myers 101 N Nachreiner 56 Nackunstz 100 Neal 62, 63 Newell 1, 59, 60 Nielsen 62, 64, 71 Nielson 62, 63 Nievergelt 94, 96, 113 Nitsch 160 Nixdorf 9 Norman 1, 9, 22, 36, 61, 74, 79, 91, 147, 174, 183 O Oberquelle 1, 4, 59, 65, 66, 71 Oesterreich 23, 25, 48, 118, 192, 202 Oliver 98 Olsen 146 Oppermann 1, 2, 60, 120, 121, 204 OSF/Motif 2, 9, 18, 70, 72 Österle 50 Ouedraogo 208 P Paap 98, 203 Paetau 2 Parnas 59 Parrington 54 Patrick 100 Payne 59 PC-Professionell 146 Pegden 10 Peschke 1 Peters 144, 145 Pfeiffer 6 Philipsen 181 Phillips 83 Pieper 2 Polson 59 Preece 1, 63, 91 Pribram 59, 117 Prümper 62 Q R Rall 50 Rasmussen 47 Rathke 82 Rauterberg 2, 4, 6, 7, 12, 14, 15, 24, 35, 43, 46, 54, 56, 57, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 66, 67, 70, 77, 89, 93, 96, 98, 101, 110, 111, 112, 113, 115, 117, 119, 120, 129, 132, 133, 134, 135, 153, 155, 158, 166, 174, 176, 181, 190, 196, 201, 204 Redish 54, 62, 64 Reisner 59 Reiterer 1, 8, 60, 204 Rengger 2, 57, 63 Rist 18 Roberts 144, 145 Roe 48 Rogers 1, 10 Rohr 1, 175 Roper 54 Rosenberg 32, 33 Rosenthal 143 Roske-Hofstrand 203 Roy 144 Rudolph 61 S Sandmayr 54 Sarris 54, 55, 57, 62 Sato 19, 67, 92 Saupe 174 Schaefer 43 Schindler 10 Schlagenhauf V, 89, 112, 113, 135 Schlesinger 2, 10, 11 Schmid 63, 64 Schmidt 143, 175 Schmidtke 64 Schmitt 35, 65 Schneidewind 143 Schönfelder 61 Schönpflug 17, 19 Schröder 101 Schulz von Thun 61 Schwartz 11 Schwill 53 Sellen 19 Sengupta 145 Senn 42 Shackel 58 Sharp 1 Shepard 42 Sherwood-Smith 48, 50 Shneiderman 1, 59, 61, 62, 70, 71, 72, 74, 100, 147, 204 Siemens-Nixdorf 9 Simm 2 Simon 19, 63, 97 Simons 62, 63 Simonsmeier 39 251 Anhang Singer 59 Smith 3, 9, 10, 11, 12, 72, 147, 208 Sneed 190 Sommerville 16, 37, 39, 41, 42, 78, 82 Spencer 62 Spinas V, 1, 9, 12, 13, 36, 61, 62, 86, 91, 123, 124, 126, 190, 191, 204 Staufer 18, 70, 72, 96, 97, 99 Stellmacher 2 Strauss 41 Streitz 1, 13, 24, 83, 97, 106, 144, 145, 202 Strohm V, 7, 12, 190 Styger 67 Sukaviriya 197 Sweeney 2, 58 Symons 190 T Tanenbaum 5 Tauber 59 Te'eni 145 Tetzlaff 11 Thalmann 119 Theerkorn 48 Tillert 9, 10, 12 Tjoa 1, 53 Tombaugh 145 Tontsch 39 Took 208 252 Torres-Chazaro 145 Triebe 193 Troy 6, 9, 62, 91, 96, 191, 204 Tullis 60, 201 U Ulich V, 1, 4, 6, 7, 8, 9, 12, 36, 44, 45, 47, 50, 55, 56, 62, 77, 86, 91, 93, 96, 111, 117, 118, 119, 120, 152, 181, 183, 191, 204 Ullman 65 V van der Schaaf 70 Vanderdonckt 2, 70, 208 Verhagen 6 Viereck 14, 16, 36, 65 Vögele 61 Vogt 2 Volpert 23, 25, 47 Vossen 63, 73 W Waeber V, 12, 190 Wallmüller 41 Wandke 10, 11, 49 Wandmacher 1, 18, 60, 74, 91, 175 Ward 83 Warnecke 12 Weidenmann 55, 58 Weisbecker 203 Weizenbaum 55 Wellner 73 Whitefield 56, 58, 60 Whiteside 144, 147 Widdel 100 Wiecha 100 Wieland-Eckelmann 63 Wiethoff 57, 63 Wilhelmer 94, 96 Wilsing 65 Wilson 56, 58, 60 Winograd 54, 55 Wirth 124, 131 Wittekamp 43 Witten 46, 77 Wolters 24, 97, 106 Woods 59 X Y Ygueitengar 208 Yoder 17 Z Zachmann 65, 86 Zehnder 37, 38, 40, 183 Zeidler 1, 73, 96, 98, 186 Zellner 1, 73, 96, 98, 186 Zemanek 65 Ziegler 1, 22, 23, 58, 60, 72, 73, 78, 81, 82, 99, 203 Zue 73 Zülch 56 STICHWORTVERZEICHNIS A Ablauffeedback 36, 47 AFBF 103, 104, 111, 116 -Definition 102 AFBO 103, 104, 116, 201 -Definition 102 AFFl -Definition 195 AFl 131, 134, 141, 152, 165, 170, 171, 173, 201, 202, 203 -Definition 131 Aktion 26 Aktionsraum 22, 23, 104, 174, 175, 176, 177, 181, 195, 205, 206 AKZ 18, 19, 70, 87, 130 Angemessenheit 39 Anpassbarkeit 38, 41 Anpaßbarkeit 40 Anwendungsflexibilität 131 Anwendungsfunktion 15, 16, 22, 25, 61, 67, 75, 83, 85, 87, 102, 108, 126, 128, 129, 131, 135, 166, 185, 186, 187, 188, 195, 201, 202 Algorithmenlibrary 189 aufgabenbezogen 192 Definition 183 Erweiterbarkeit 189, 190 HG 125 interaktive Direktheit 184 Permutation 194 und AFFl 195 und funktionale Direktheit 189, 191 und kausale Abhängigkeit 192 und Partizipation 190 und Permutation 188 und Transposition 189 Anwendungsobjekt 16, 17, 22, 36, 66, 68, 72, 73, 77, 81, 85, 100, 102, 106, 108, 132, 133, 188 AOp 22 Apple 9 Arbeitsoberfläche 119 Arbeitsökonomie 49 Aufgabenorientierung 131 Aufmerksamkeitsfokus 16, 93, 176, 177, 179, 181, 206, 207 B Benutzbarkeit 56 Benutzer -sicht 26 Benutzertyp 38 Benutzungsfreundlichkeit 56 Benutzungstest deduktiv 62 induktiv 62 und Auswertung 63 und Evaluation 62 und Protokollierung 63 und Validierung 64 und Video 63 C CASE 50 Checkliste 203, 204 Chunking 94 Clustering 94 Codierung 94 critical incidents 55 CUI 74, 77, 78, 79, 80, 89, 105, 110, 111, 133, 134, 135, 142, 147, 150, 151, 152, 166, 200, 204 Beispiel 107, 167 DFl 135 Feedback 107, 144, 201 Flexibilität 134, 135, 141, 146, 203 Hierarchisierungsgrad 132 Performanz 150, 166 RFuDi 192 D Datenaufzeichnungsmethode 58, 62, 63 Datenauswertungsmethode 62, 63 Datenerhebungsmethode 58, 62 lautes Denken 63 Datenintegrität 40 Datenkonsistenz 40 Deadlock interaktiver 36 Desktopoberfläche V, 25, 30, 72, 75, 81, 82, 97, 145, 146, 186 Vorteile 147 DFl 134, 141, 152, 203 -Definition 130 Dialogabschnitt 88 Dialogfunktion 15, 16, 61, 68, 108, 125, 126, 184, 191 Dialogkontext 66 -Definition 86, 130 Dialogobjekt 16, 21, 22, 68, 81 Dimension 3, 4, 28, 39, 44, 57, 74, 98, 120 DIN-66234 2, 5, 6, 8, 9, 60, 93, 175, 181 Direktheit 74, 208 -interaktive 74, 84 DKZ 18, 19, 70, 87, 130 DOp 22 E Effizienz 40, 41, 49 EG-Richtlinie 5, 8, 9 Eigenprogrammierung 120 Einstiegspunkt 65 Entscheidungsspielraum 45 Evadis 204 externes Gedächtnis 17 F fan degree 129 Feedback 8, 36, 61, 77, 86, 95, 99, 100, 101, 102, 103, 104, 105, 106, 111, 115, 134, 137, 143, 151, 152, 167, 200 -dynamisches 100, 101 -statisches 100 RFBF 105 Flexibilität 8, 14, 39, 40, 44, 45, 49, 50, 119, 121, 123, 131, 137, 141, 164, 165, 167, 200, 201 anwendungsbezogen 188, 195 aufgabenbezogen 192, 194 der Anwendung Definition 131 der Interaktion 126 253 Anhang der Interaktionsstruktur 152 des Dialoges 130 Definition 130 funktionale Definition 195 Schwellwert 171 und DFl 171 und kausale Abhängigkeiten 194 und Kausalstruktur 194 und Kennwerte 173 und Menüoptionen 203 und Mindestwerte 203 und Übersichtlichkeit 124 Validierung 166 FO-Struktur 72, 186 formale Modelle 60 Formalisierbarkeit 58 -grenzen 55 formative evaluation 55, 62 Formulardialog 71 Funktion 26 Funktionsaufruf 21 Funktionserfüllung 40, 41 Funktionsobjekt 96, 186 Funktionsraum 66, 70 Funktionsrepräsentationen 70 FuVo -Definition 191 G Ganzheitlichkeit 8, 34, 183 Gebrauchstauglichkeit 56 Genauigkeit 41 Gestaltungsspielraum 45 Granulationsgrad 14, 32, 119, 187 Grenzwert 109 für AFl und DFl 203 GRFBF 112 -Definition 105 GUI 74, 81, 89, 98, 109, 110, 111, 112, 133, 134, 135, 142, 146, 147, 150, 151, 152, 166, 174, 200, 204 Beispiel 109 DFl 134, 135 Feedback 109, 145, 201 Flexibilität 134, 135, 141, 146, 203 HG 135 Hierarchisierungsgrad 133 IVG 135 254 Performanz 150, 166 RFuDi 192 Vorteile 151 Guidelines 9, 18, 70 H Handlung 17, 22, 23, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 59 Handlungsdirektheit 74 Handlungsmodell 34 Handlungsregulation 59 Handlungsspielraum 45 Handlungszyklus 47 HG 125, 126, 134, 135, 136, 140, 170, 202 -Definition 124 Anwendung 168 Anwendungsfunktion 125 Berechnung 125 für VAFIP 169 interaktive Direktheit 204 Reduktion 184, 186 und KRFBF 204 und Startkontext 124 Hilfesystem 36 I IA 134, 141 -Definition 128 IBM 9 IDS 22, 25 IFIP 14, 17, 25 IN -Definition 126 Individualisierbarkeit 8, 45, 118, 119, 120, 189 Individualisierungsoberfläche 119, 122 individuelle Anpassbarkeit 91 individuelle Anpassung 119, 120, 122 individuelle Auswahl 91, 119, 120 inter-referential I/O 72, 208 interaction point 65 interaktioneller Raum 66 Interaktionsbaum 85 Interaktionsfunktion 15, 16, 126 Interaktionsnetz 126 Interaktionsoperator 15, 86 Interaktionspfad 88 Länge 88 Interaktionsproblem 14, 207, 208 Interaktionsschlinge 87, 89 Interaktionsschritt 87 interaktive Dialogschleife 22, 25 interaktiver Verzweigungsgrad 129 Interface Guidelines Apple 18, 70 Microsoft 18, 70 SAA/CUA 18, 70 ISO-9000 199 ISO-9241 5, 6, 8, 9, 61, 62 ISO-OSI 5 IVG 129, 134, 135, 142, 202 -Definition 129 J K Kalkulierbarkeit 4, 6, 9, 91 Kausalgraph 192 als Petri-Netz 193 Beispiel 193, 196 und Aufgabenanalyse 193 und Hilfesystem 196 Klassenbildung 94 Kommandooberfläche 71, 73, 75, 76, 77, 88, 133, 144, 145, 146, 204 Kompatibilität 8, 40, 50, 99, 100 Komplexbildung 94 Konsistenz 8, 14, 39, 59, 99, 100, 157 Problematik 143 Kontingenz-Wissen 117 Kontroll-Meinung 117 Kontrollbereiche 117 Kontrolle 4, 6, 9, 25, 39, 47, 51, 91, 95, 117, 118, 124, 137, 184 Kontrolle-Ausüben 117 Kontrolle-Haben 117 Kontrollkompetenz 118 Kontrollverlust 118 Kopplungsfähigkeit 40 Korrektheit 40, 41 Korrekturfaktor 111 KRFBF 204 -Definition 104 Kriterium 3, 14, 57, 152, 203 Stichwortverzeichnis und Schwellwert 202 Wartungskosten 42 L LabView 190 lautes Denken 63 Lichtgriffel 205 logfile recording 63 M Mass 3, 4, 29, 63, 102, 103, 104, 105, 106, 108, 111, 112, 116, 124, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 134, 151, 162, 165, 166, 167, 172, 174, 179, 191, 196, 201, 202, 203, 205 AFBF 201 AFBF und RFBF 103 AFBO und AFBF 102, 103, 104, 116 AFBO und RFBO 201 AFFl 194, 195 AFl 131, 132, 142, 202 AFl und DFl 170, 173, 201 anwendungsbezogene Flexibilität 131 DFl 130, 141 Feedback 102 Flexibilität 126 FuVo 190 GRFBF 105, 106, 111, 200 HG 125, 126, 132, 133, 136, 137, 140, 141, 169, 170, 186, 204 Hierarchisierungsgrad 124 IA 129 IA, DFl, AFl 141 IVG 129, 142 RFBF 105 RFBO und RFBF 103 und Flexibilität 171 und Produkteigenschaft 200 und Produktgüte 200 Validierung 143 Masse 51, 57, 60, 204 Maus 205 Mensch-Computer-Funktionsteilung 191 mentales Modell 46 Menüoberfläche V, 71, 89, 144, 203, 205 Messansatz benutzerzentriert 56, 61 formalanalytisch 56, 58 interaktionszentriert 56, 62, 64 produktzentriert 56, 60 Messung Form 56 Inhalt 56 Meta-Analyse 143 Metadialog 16, 36, 120, 121, 122, 123 Methodendiskussion 56 Modell Seeheim 13, 14 multimediale Oberfläche 112, 116 AFIP 113 Beispiel 113 DFIP 113 DFl 141 Feedback 114, 115, 116 Flexibilität 135, 137, 141, 157, 166 HG 137, 140 IVG 142 Performanz 157, 159 N Norm 3, 4, 199 O Oberfläche 65, 71, 72, 73, 92, 152, 201, 204, 206 AFIP und DFIP 108, 110 anpassen 119, 121, 184, 186 Anwendungsflexibilität 131 Art 74, 75 aufgabenangemessen 149, 151 berührungssensitiv 112, 205 CUI 80, 81, 105, 108, 110, 111, 132, 133, 134, 135, 151, 166, 172 Desktop 143, 145, 146, 147 DFl und AFl 165 direkte Manipulation 145 direktmanipulierbare 72, 74, 77, 80, 81, 82, 147, 150, 205 eines DBMS 148, 151 embedded virtuality 73 Erfahrung 148 Feedback 116, 200 FO-Struktur 72 Formulardialog 77 graphische 60, 72, 74, 96, 110, 196, 201 GUI 89, 98, 109, 110, 111, 112, 133, 134, 135, 151, 152, 166, 196, 200, 202 hierarchische Interaktionsstruktur 152 highfan 202 IA 203 Interaktionsflexibilität 126 Interaktionsnetz 126 Interaktionsstruktur 135 interaktive Direktheit 75 Kennwert 167 Klasse 74 Klassifikation 204 Kommando 143, 144, 145, 146 Komplexität 98 Lerneffekt 158 lowfan 202 mausgesteuerte 106 Menü 144, 205 menüorientierte 147, 150, 152 multimediale 72, 112, 114, 116, 200, 201 natürlichsprachliche 73 netzartige Interaktionsstruktur 152 objektorientierte 65, 73, 74 Performanz 165 Produktbeschreibung 200 Quantifizierung 204 Simulationsprogramm 167 Startkontext 133 Testreihenfolge 153 Typ 60, 65, 89, 204, 205 und Anfänger 206 und Experten 206 und Flexibilität 166 und Interaktionspunkt 60, 65 Validierung 143 Vergleich 111, 112, 116, 147, 152, 153, 154, 166, 167, 200, 204 von MacWord 185 von MS-DOS 36 Wirkdimension 200 zeichenorientierte 71, 77, 200 Oberflächeneffekt 158 Oberflächentyp 204 255 Anhang Objektbereichsdimensionen 27 objektorientierte Programmierung 190 Objektraum 21, 66, 70 Objektrepräsentationen 70 OF-Struktur 72, 186 Operation 21, 26, 66 Operationalisierung 57 Operator 26 Operatorbereichsdimensionen 27 Operatordummy 86 P Partizipation 119, 120 Portabilität 40, 41 Portierbarkeit 50 Präsentationsproblem 14, 16 Prinzip 4, 11, 39, 54, 95 -Autorität 54 -Erfahrung 54 -Intuition 54 -Vernunft 54 WYSIWYG 74 Produktbeschreibung 200 Produktgüte VI, 2, 51, 57, 199 Produktionsmethode 96 Pseudo-Flexibilität 189, 195, 196 Q Qualitätsmerkmal 40 R Regel 3, 4, 9, 51, 59, 101 Regulation psychische 94 sensumotorische 48, 81, 206 Regulationsebene 48, 81, 188 Regulationsprozess 91 Regulationsprozeß 23 relative funktionale Direktheit 191 Repräsentationsform 21, 22, 67, 68, 74, 77, 81, 97, 100, 205 aktive 67 passive 67 Resultatfeedback 36, 47 RFBF 103, 104, 111, 112, 116 -Definition 103 RFBO 103, 104, 116, 201 256 -Definition 103 RFuDi -Definition 191 Richtlinie 1, 2, 3, 4, 8, 9, 10, 11, 14, 15, 39, 49, 50, 51, 55, 60, 91, 117, 199, 204, 208 Flexibilität 188 und Kriterium 203 Vollständigkeit 183 Robustheit 37, 49 S Sachproblem 14, 15 SAP 9 Schwellwert 165, 171, 173, 202 für AFl und DFl 203 screen recording 63 Seeheim Modell 13, 14, 101, 123 Sicherheit 40, 41 Signalentdeckung 178, 180 Software -architektur 14 -designer 11, 54 -engineering 3, 12, 37, 41 -engineeringkonzept 37, 39, 40 -engineeringprozeß 41 -entwickler 9, 10, 11, 12, 40, 41, 119, 199 -entwicklersicht 26 -entwicklung 1, 3, 37, 40 -entwicklungsprozess 12, 119 -ergonom 60 -ergonomie 2, 3, 19, 53, 54 -erstellungsprozeß 38, 39 -evaluation 54 -gestaltung 7, 44, 64 -hersteller 10, 190 -produkt 2, 37, 38, 47, 48, 50, 54, 60, 100, 166 -produktgüte 37 -qualitätseigenschaften 38 -qualitätsmerkmal 40 -system 37, 40, 120, 193 -technik 3, 199 -technologie 190 -test 54 Checker 62 Standard 2, 3, 4, 9 Startdialogkontext 85 Startkontext 124 Stolperstein 55 Stress 57 Styleguide 9, 18, 70 SUMI 62 summative evaluation 55, 62 Systemantwortzeit 42, 43 Systemrationalität 100 T Tastaturschablone 80 Tätigkeitsspielraum 44, 45 TCO 62 Testaufgabe 56 Testbarkeit 40 Touchscreen 112 transparente Datenumgebung 35 Transparenz 8, 57, 86, 96, 98, 99, 100, 111, 152 -aktuell 27 -emergente Eigenschaft 100 -operator 16, 28, 35, 100 -potentiell 27, 28 -potentiell vs aktuell 35, 183 -statisch 100 Definition 96 eines Objektes 27, 29 über Interaktionsstruktur 164 und Zielkonflikt 50 Tutorial 36 U Usability-Test 54, 64 V Validierung 64 VDI-5005 5, 8, 9, 11, 34, 183 Verständlichkeit 39, 40 Verwertbarkeit 38 Videokonfrontation 62, 63 Vielfältigkeit 121 Visualisierungsgrad 74, 75, 146 vollgraphische Oberfläche 146 vollständige Handlung 47 Vorhersehbarkeit 42 W Wahrnehmungsraum 22, 23, 51, 98, 104, 174, 177, 181, 205, 206 Stichwortverzeichnis aktiver 67 passiver 67 walk-through 62 Wartbarkeit 50 Wartungsfreundlichkeit 40, 41, 42 WFIP 142, 205 WFIPA 79, 205 Wirkdimension 200 Wurzelknoten 85 X Z Zielkonflikt 48, 49 Zustandsraum 35, 66 Zuverlässigkeit 39 Y 257 LEBENSLAUF 26.09.54 geboren in Berlin-Lichtenberg als Sohn des Arztes Dr.med. Wolfgang Rauterberg und seiner Ehefrau Ingeburg Rauterberg, geb. Lenz. 58 - 61 Übersiedlung nach Diekholzen bei Hildesheim. 61 - 61 Einschulung in die Grundschule von Diekholzen. 62 - 65 wohnhaft in Heessen bei Hamm (Westfahlen). 65 - 65 Schulwechsel auf das altsprachliche Gymnasium Hammonense in Hamm. 66 - 66 Umzug nach Hofgeismar bei Kassel; Besuch des dortigen neusprachlichen Gymnasiums. 67 - 69 wohnhaft in Sande bei Wilhelmshaven; Umschulung auf das mathematisch-naturwissenschaftliche Max-Planck-Gymnasium in Wilhelmshaven. 70 - 74 Übersiedlung nach Aurich in Ostfriesland; Besuch des Gymnasium Ulricianum in Aurich. Mai 74 Ablegung der Reifeprüfung. 74 - 75 Ableistung des Militärdienstes. Hochschulbildung WS 75 - SS 76 Studium der Chemie an der Westfählischen Wilhelms-Universität in Münster. WS 76 - WS 78 Studium der Psychologie an der Philipps-Universität in Marburg; Ablegung der Diplom-Vorprüfung für Psychologie. SS 79 - WS 81 Fortsetzung des Studiums der Psychologie an der Universität Hamburg; Ablegung der Diplom-Hauptprüfung für Psychologie. SS 80 - WS 80 Aufnahme des Doppelstudiums der Philosophie an der Universität Hamburg; Ablegung der Zwischenprüfung für Philosophie. SS 81 - SS 83 Aufnahme des Zweitstudiums der Informatik an der Universität Hamburg; Ablegung der Diplom-Vorprüfung für Informatik. WS 83 - WS 85/86 Hauptstudium der Informatik an der Universität Hamburg; Ablegung der Diplom-Hauptprüfung für Informatik. Beruflicher Werdegang Mai 83 - April 86 wissenschaftlicher Mitarbeiter (50% Stelle) im Rahmen eines Forschungsprojektes "Aufbau und Implementation einer epidemiologischen Datenbank" am Allgemeinen Krankenhaus Ochsenzoll in Hamburg (D). Mai 86 - Juni 87 Assistent (100% Stelle) im Bereich Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (D). Juli 87 - August 87 Forschungsaufenthalt am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH). Sept. 87 - Juni 89 Assistent (100% Stelle) im Bereich Angewandte Informatik an der Universität Oldenburg (D). Juli 89 - April 92 wissenschaftlicher Mitarbeiter (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH) in dem Forschungsprojekt "Benutzer-orientierte Softwareentwicklung und Schnittstellengestaltung (BoSS)". Mai 92 - Dezember 94 Assistent (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH). ab Januar 95 Oberassistent (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH). 259