Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer

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Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer
Ein Konzept zur Quantifizierung
software-ergonomischer Richtlinien
INAUGURAL-DISSERTATION IN INFORMATIK
zur
ERLANGUNG DER PHILOSOPHISCHEN DOKTORWÜRDE
vorgelegt der
PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT II
– MATHEMATISCHES INSTITUT –
der
UNIVERSITÄT ZÜRICH
von
Matthias Rauterberg
aus Deutschland
BEGUTACHTET VON DEN HERREN
Prof. Dr. Kurt Bauknecht
Direktor des Instituts für Informatik
der Universität Zürich
Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Ulich
Direktor des Instituts für Arbeitspsychologie
der ETH Zürich
Zürich 1995
Anschrift des Autors:
Dr. Matthias Rauterberg
Institut für Arbeitspsychologie (IfAP)
Eidgenössische Technische Hochschule (ETH)
Nelkenstrasse 11, CH-8092 Zürich
Schweiz
CIP-Titelaufnahme der Schweizerischen Bibliothek
Ein Konzept zur Quantifizierung software-ergonomischer Richtlinien.
Matthias Rauterberg
Zürich: Institut für Arbeitspsychologie der ETH
ISBN 3-906509-11-7
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Arbeitspsychologie der ETH Zürich unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
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Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 1995 Institut für Arbeitspsychologie der ETH Zürich
Für
Anja
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V
Leseanleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI
1
1.1
1.1.1
1.2
Einführung........................................................... 1
Nutzen und Grenzen richtlinienorientierter Softwaregestaltung ................. 3
Beschreibungs- und Bewertungsmodelle der Mensch-Computer
Interaktion.............................................................................. 4
Normen zur Gestaltung interaktiver Software ..................................... 9
Richtlinien ('design guidelines, style guides') zur Gestaltung
interaktiver Software.................................................................. 9
Allgemeine Forschungsfragestellung ............................................. 12
2
2.1
2.2
2.2.1
2.2.2
2.2.3
Die Benutzungsoberfläche interaktiver EDV-Systeme........... 1 3
Der interaktionelle Raum zwischen Benutzer und System .... ................. 19
Operatoren im Handlungsraum des Benutzers................................... 25
Allgemeine Klassifikation von Operatoren....................................... 26
Generische Operatoren ............................................................. 33
Transparenz- und Feedbackoperatoren ........................................... 35
3
Anforderungen an die software-ergonomische
Produktgüte.........................................................37
Softwaretechnische Anforderungen............................................... 37
Arbeitspsychologische Anforderungen........................................... 44
Zielkonflikte zwischen verschiedenen Anforderungen ......................... 48
Die Gestaltungsmatrix als Orientierungsrahmen................................. 50
1.1.2
1.1.3
3.1
3.2
3.3
3.4
4
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
5
5.1
Die Messung der Gebrauchstauglichkeit interaktiver
Software . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3
Ansätze zur Messung von Benutzungsfreundlichkeit........................... 56
Der formalanalytische Messansatz (FM) ......................................... 58
Der produktzentrierte Messansatz (PM) .......................................... 60
Der benutzerzentrierte Messansatz (BM) ......................................... 61
Der interaktionszentrierte Messansatz (IM) ...................................... 62
Über die Validierung von Messwertskalen....................................... 64
Das quantitative Beschreibungskonzept für
Benutzungsoberflächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6 5
Allgemeine Definition von Interaktionspunkten ................................. 66
I
Inhaltsverzeichnis
5.2
5.3
5.4
5.5
5.6
6
6.1
6.2
6.3
6.3.1
6.3.2
6.3.3
6.3.4
6.3.5
6.3.6
6.3.7
7
7.1
7.2
7.3
7.3.1
7.3.2
7.3.3
7.3.4
7.3.5
7.3.6
7.3.7
8
8.1
8.1.1.
8.1.2.
8.1.3.
8.2.
8.2.1.
II
Interaktionspunkte von Kommandooberflächen................................. 75
Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen
(CUI) ................................................................................. 77
Interaktionspunkte von direktmanipulierbaren Oberflächen (GUI) ........... 81
Definition von Dialogkontext und Interaktionspfad............................. 84
Anwendungsmöglichkeiten des Beschreibungskonzeptes ..................... 89
Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit als
Voraussetzung für Kontrolle' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1
Theoretische Grundlagen........................................................... 91
Die Forderung nach 'Transparenz'................................................ 96
Produktbezogene Messung von Feedback ...................................... 101
Quantitative Masse für Feedback................................................. 102
Ausmass an Feedback einer CUI-Oberfläche................................... 107
Ausmass an Feedback einer GUI-Oberfläche................................... 109
Ein Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche............................... 111
Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems
mit hierarchischer Interaktionsstruktur .......................................... 112
Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems
mit vernetzter Interaktionsstruktur ............................................... 115
Vergleich der beiden multimedialen Informationssysteme .................... 116
Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 1 7
'Kontrolle' als Bestandteil menschlicher Handlungen......................... 117
Die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' .................................... 118
Produktbezogene Messung von Flexibilität..................................... 123
Quantitative Masse für Flexibilität................................................ 124
Der Hierarchisierungsgrad der CUI-Oberfläche................................ 132
Der Hierarchisierungsgrad der GUI-Oberfläche................................ 133
Ein Vergleich der Flexibilität der CUI- mit der GUI-Oberfläche ............. 134
Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen
Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur................. 135
Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen
Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur...................... 137
Vergleich der Flexibilität der beiden multimedialen
Informationssysteme............................................................... 141
Validierung der Messkriterien....................................1 4 3
Validierung von Feedback ........................................................ 143
Kommando- versus Menüoberfläche ............................................ 144
Kommando- versus Desktopoberfläche ......................................... 145
Zusammenfassende Beurteilung von Kommandooberflächen................ 146
Validierung von Flexibilität ....................................................... 146
CUI- versus GUI-Oberfläche..................................................... 146
Inhaltsverzeichnis
8.2.2. Baum- versus netzartige Interaktionsstruktur................................... 152
8.2.3. Kreuzvalidierung an zwei CUI-Oberflächen eines
Simulationsprogrammes........................................................... 166
8.3.
Wahrnehmungs- und Aktionsraum .............................................. 174
8.3.1. Methodisches Vorgehen........................................................... 176
8.3.2. Beschreibung der Testpersonen .................................................. 177
8.3.3. Ablauf der Untersuchung ......................................................... 177
8.3.4. Beschreibung der Testaufgaben .................................................. 177
8.3.5. Darstellung der Ergebnisse........................................................ 178
8.3.6. Fazit für die Gestaltung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum............. 181
9
9.1
9.1.1
9.1.2
9.1.3
9.2
Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente..........1 8 3
Qualitative Aspekte der Anwendungsfunktionalität ............................ 183
Funktionale Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen..................... 183
Funktionale Vollständigkeit....................................................... 186
Anwendungsbezogene Flexibilität ............................................... 188
Quantitative Masse für die Anwendungsfunktionalität......................... 190
10
10.1
10.2
Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .1 9 9
Ein allgemeines Gestaltungsprinzip.............................................. 205
Ausblick auf zukünftige Forschung.............................................. 208
11
Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 0 9
12
Literaturverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 1 1
Anhang mit Interaktionsstrukturschemata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 2 9
Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 3 5
Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .2 3 9
III
VORWORT
"Das Denken für sich allein bewegt nichts, sondern nur das auf einen Zweck
gerichtete und praktische Denken" (Aristoteles ca. 350 v.Chr.).
Der Ausgangspunkt dieser Arbeit begann vor ca. acht Jahren mit einem Telefonat von
meinem Freund Ulrich Klotz, in dem er mich um die Übersendung von empirischen Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Arten von Benutzungsoberflächen bat. Sehr bald
musste ich zu meiner grossen Verwunderung feststellen, dass zum damaligen Zeitpunkt
allgemein sehr wenige – und insbesondere zu dem Vergleich von zeichenorientierten Menüoberflächen mit graphischen Desktopoberflächen keine – Studien vorlagen. In Zusammenarbeit mit der ADI GmbH – vertreten durch Herrn Dr. habil. Karl Schlagenhauf und
Herrn Raimund Mollenhauer – konnte ich dann eine empirische Vergleichsstudie an der
ETH-Zürich durchführen. In dieser Vergleichsstudie zeigte sich eine generelle Überlegenheit zugunsten der graphischen Desktopoberfläche. Seit dieser Zeit versuchte ich herauszufinden, wie sich dieses empirische Ergebnis erklären lässt. Ich stellte mir die Frage,
welche spezifischen Eigenschaften einer graphischen Oberfläche für diese empirisch beobachtbare Überlegenheit verantwortlich sein könnten.
Erst im Laufe dieser Dissertation, welche ohne die grosszügige Akzeptanz und Unterstützung meiner beiden Doktorväter Herrn Prof. Dr. Kurt Bauknecht an der Universität
Zürich und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Ulich an der ETH-Zürich undenkbar wäre,
ist es mir gelungen, in den letzten fünf Jahren der gestellten Frage nachgehen zu können.
Dazu musste ich zunächst eine Methode entwickeln, welche es mir gestattet, ansatzweise
die wesentlichen Elemente von graphischen Oberflächen beschreiben zu können. Durch
einen interdisziplinären Forschungsansatz zwischen Informatik einerseits und Psychologie andererseits konnte ich die Vorteile des formalen Ansatzes mit den Möglichkeiten der
empirischen Forschung sinnvoll verbinden. Ohne die vielfältige Unterstützung meiner
Projektkollegen Herrn Dr. Philipp Spinas, Herrn Dr. Oliver Strohm und Herrn Daniel
Waeber, meiner Arbeitskollegen Herrn Dr. David Ackermann, Herrn Dr. Thomas Greutmann und Herrn Andreas Grützmacher, sowie einer Vielzahl von InformatikstudentInnen
der ETH wäre der erfolgreiche Abschluss dieser Arbeit sehr unwahrscheinlich gewesen.
Allen erwähnten Personen gilt mein tiefster Dank für die verschiedensten Arten der
Unterstützung und Zusammenarbeit. Zum Schluss möchte ich meiner Freundin Anja
Neukom für ihre Geduld und ihre unermüdliche Ermunterung in all den Jahren der Erstellung dieser Arbeit aufs herzlichste danken.
Matthias Rauterberg
Zürich, den 1. Mai 1995
V
LESEANLEITUNG
Da diese Arbeit auf einem interdisziplinären Forschungsansatz aufbaut, sind die Schwerpunkte seitens der Informatik und seitens der Arbeitspsychologie entsprechend miteinander in Beziehung gesetzt. Der interdisziplinäre Forschungsansatz besteht darin, dass Gestaltungsfragen der Informatik zum Teil mit empirischen Methoden der Arbeitspsychologie untersucht und beantwortet wurden.
Den Inhalt dieser Arbeit kann man sich auf verschiedene Weisen 'er'-lesen.
•
Die schnellste Variante ist das Lesen der Zusammenfassung (Kapitel 11).
•
Die zweitschnellste Variante besteht aus dem Lesen der Zusammenfassung (Kapitel 11) und dem Lesen der Diskussion (Kapitel 10).
•
Bei den beiden vorherigen Varianten wird man wahrscheinlich feststellen, dass
wesentliche Begriffe und Konzepte nicht vollständig verstanden werden können.
Es empfiehlt sich daher, als nächstes 'das quantitative Beschreibungskonzept für
Benutzungsoberflächen' (Kapitel 5) und dann Kapitel 7 (der Gestaltungsbereich
'Kontrolle') zu lesen. Die wesentlichen Konzepte für das allgemeine Gestaltungsprinzip kann man in dem Kapitel 6 (der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle') nachlesen.
•
Für denjenigen Leser, welcher bei den bisher vorgestellten Lesevarianten mit einigen auftauchenden Fachbegriffen weiterhin seine Schwierigkeiten haben sollte, empfiehlt es sich, mindestens die 'Einführung' (Kapitel 1) zu lesen. Im Kapitel 2 – 'die Benutzungsoberfläche interaktiver EDV-Systeme' – wird darüber
hinaus eine der wichtigsten Unterscheidungen dieser Arbeit eingeführt und erläutert: der Unterschied zwischen Dialog- und Anwendungsfunktionen.
•
Für den eher an arbeitspsychologischen Fragestellungen interessierten Leser sei
das Kapitel 3 – 'Anforderungen an die softwareergonomische Produktgüte' –,
sowie das Kapitel 9 – 'der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente' –
empfohlen.
•
Wer den empirisch geführten Nachweis zur Überprüfung und Validierung der
verschiedenen Masse im einzelnen nachvollziehen möchte, muss das Kapitel 8 –
'Validierung der Messkriterien' – lesen.
VI
1
EINFÜHRUNG
"Die Entwicklung von Informatikanwendungen hat in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu interessanten aber auch heftigen Diskussionen gegeben.
Anfänglich wurde die Anwendungsentwicklung als eine künstlerische Aufgabe verstanden, bei welcher der persönliche Stil des Entwicklers dominant
war und zu Unikaten führte. Die Schwierigkeiten im Betrieb und beim Weiterausbau solcher Lösungen wie auch die praktische Unmöglichkeit, diese zu
integrieren, führten schliesslich zur Überzeugung, dass Softwareentwicklung
formalisiert und analog zur industriellen Einzelproduktefertigung betrieben
werden sollte" (Bauknecht 1992, S. I).
Zunächst schien es innerhalb der Softwareergonomie wichtig und ausreichend, dass die
Forschung sich primär auf die Gestaltung der Benutzungsoberfläche konzentriert hat.
Diese Tradition setzt sich auch in der Entwicklung von User-Interface-Management-Systemen (UIMS) fort. In letzter Zeit ist jedoch die Verkopplung der Gestaltung der Benutzungsoberfläche mit der Analyse und Gestaltung der Anwendungskomponente zunehmend als Problem erkannt und aufgegriffen worden (Maass und Oberquelle 1989). Bei
der Gestaltung eines interaktiven EDV-Werkzeuges ist speziell bei der Gestaltung der Benutzungsoberfläche die Abhängigkeit von der Anwendungsfunktionalität zu beachten.
Dabei hat es sich gezeigt, dass der Benutzereinbezug in den Entwicklungsprozess zunehmend in das Zentrum gängiger und zukünftiger Softwareentwicklungspraxis rückt.
Das bisher erarbeitete Wissen zur Analyse, Bewertung und Gestaltung von interaktiven Systemen – insbesondere ihrer Benutzungsoberflächen – liegt oftmals in Form von
Richtlinien-, Kriterien- bzw. Prinzipiensammlungen vor. Die zur Zeit umfassendsten Darstellungen im deutschsprachigen Bereich kommen von Fähnrich (1987, Hrsg.), Lauter
(1987), Balzert, Hoppe, Oppermann, Peschke, Rohr und Streitz (1988, Hrsg.), Baitsch,
Katz, Spinas und Ulich (1989), Koch, Reiterer und Tjoa (1991), Zeidler und Zellner
(1992), Wandmacher (1993), sowie Ziegler und Ilg (1993, Hrsg.); im englischsprachigen Bereich sind die Werke von Shneiderman (1987), Brown (1989), Brown und Cunningham (1989), Galitz (1989), Booth (1990), Helander (1991, Hrsg.), Mayhew (1992),
sowie Preece, Rogers, Sharp, Benyon, Holland und Carey (1994) zu nennen. Diese Bücher setzen alle voraus, dass sich die dort angegebenen Richtlinien in ihrer vollumfänglichen Bedeutung anwenden lassen. Da dies oftmals nicht erreichbar scheint, versuchen
einzelne Autoren diese Lücke durch möglichst repräsentative Beispiele zu schliessen (z.B.
Lauter 1987, Mayhew 1992, Preece et al 1994). Eine umfassende Gestaltungstheorie
fehlt jedoch. Ansätze in diese Richtung sind bei Card, Moran und Newell (1983),
Norman und Draper (1986), Booth (1990), sowie Keil-Slawik (1990) zu erkennen. Die
meisten Werke mit softwareergonomischem Wissen enthalten Hinweise und Richtlinien
1
1 Einführung
zu folgenden Bereichen (nach Bodart und Vanderdonckt 1993): (1.) Dateneingabe, (2.)
Darstellung von Daten auf dem Bildschirm, (3.) Gestaltung des Dialoges, (4.) Darstellung von Graphiken, (5.) Interaktionselemente und -geräte, (6.) Interaktionsweisen, (7.)
Benutzerführung, (8.) Gestaltungen von (Rück-)Meldungen, (9.) Gestaltung von OnlineHilfen, (10.) Aufbereitung der Dokumentation, (11.) Vorgehensweisen bei der Evaluation, (12.) Vorgehensweisen bei der Implementation. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass Entwickler oftmals Softwareergonomie mit dem Einsatz von Herstellerstandards (SAA, OSF/Motif™, MS-Windows™, Apple™ usw.) verwechseln (Schlesinger,
Maier, Vogt, Hauri, Rauterberg und Mauerhofer 1992).
Softwareergonomisches Wissen und entsprechende Richtlinien dienen nach einer
Umfrage in 84 europäischen Softwarehäusern, Beratungsunternehmen usw. den folgenden Zwecken (Dillon, Sweeney und Maguire 1993): (1.) Richtlinien zur Gestaltung der
Benutzungsfreundlichkeit (54 %), (2.) Standards für den Test auf Benutzbarkeit (46 %),
sowie (3.) Ausbildungskurse für eine softwareergonomische Qualifizierung (29 %). Der
erste und dritte Zweck lässt sich durch das bisher erarbeitete Wissen weitgehend erreichen
(Helander 1991). Für die Einschätzung betreffend des zweiten Zweckes möge das bis
heute weitgehend akzeptierte Zitat aus der DIN 66 234 (Teil 8, 1988) dienen:
"Es ist derzeit noch nicht möglich, die Erfüllung einzelner ... Leitsätze objektiv zu überprüfen, da geeignete Überprüfungsverfahren noch nicht bekannt
sind. Wenn Prüfverfahren bekannt sind, bedarf es noch einer Weiterentwicklung dieser oder weiterer Normen, z.B. hinsichtlich quantifizierbarer Grössen
und anwendungsspezifischer Anforderungen."
Seither gab es mindestens drei europäische Ansätze zur Lösung der aufgezeigten Problematik: (1.) das EVADIS-Projekt bei der Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (Oppermann, Murchner, Paetau, Pieper, Simm & Stellmacher 1988), (2.) das PROTOS-Projekt an der Technischen Universität in München (Müller-Holz auf der Heide,
Hacker und Bartsch 1990), (3.) das Esprit-Projekt MUSiC (Rengger, MacLeod, Bowden, Dryman und Blayney 1992). Keinem dieser drei Projekte ist es gelungen, unabhängig von der konkreten Interaktion eines Benutzers mit der zu analysierenden Software
eine vollständig objektive Quantifizierung relevanter Richtlinien zu ermöglichen, welche
die softwareergonomische Güte direkt an dem Produkt selbst feststellen liesse. Diese Art
der Produktgütebestimmung werden wir den produkt-zentrierten Messansatz mittels objektiver Messmethoden nennen (siehe ausführlicher in Kapitel 4). Bei Englisch (1993)
finden wir einen ersten Ansatz, die softwareergonomische Produktgüte von CAD-Systemen mittels eines Masses für die Menükomplexität zu bestimmen. Leider muss sich Englisch (1993, S. 167) wegen der enormen Komplexität der analysierten Softwareprodukte
bei der Validierung seiner Masse mit "hypothetischen" Kennwerten begnügen.
2
Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1
In der hier vorliegenden Arbeit wird ein Beitrag für die detaillierte Ausformulierung
eines Konzeptes zur Quantifizierung wesentlicher softwareergonomischer Richtlinien geleistet. Dieses Konzept soll – um seinem interdisziplinären Einsatzzweck Rechnung zu
tragen – ein Minimum an formalem Aufwand erfordern, dennoch ein Maximum an Präzisierung ermöglichen und sich in empirischen Überprüfungen bewähren.
1.1
N UTZEN UND G RENZEN RICHTLINIENORIENTIERTER
S OFTWAREGESTALTUNG
"For a designer whose professional life is spent in solving immediate problems, the imperative argument is that today's design must be made today.
As human factors practitioners, our influence with designers may be diminished if we come to them without hard data; but our influence will disappear
altogether if we come to them too late. When no directly relevant data are
available, which is usually the case, then we must rely on judgements. If we
must rely on judgement, then by all means let us seek first the considered
judgement offered by guidelines rather than the more casual opinions of individual designers" (Smith 1986, S.55).
Da bei der Softwareentwicklung mindestens 30 bis 35% des erstellten Programmcodes
auf die Unterstützung der Benutzungsoberflächenfunktionalität entfällt (Smith und Mosier
1984a), wird ein entsprechender Teil der Forschung auf die sinnvolle Gestaltung interaktiver Software ausgerichtet. Auf dem Forschungsgebiet der Gestaltung von interaktiver
Software ist es sinnvoll, dass die folgenden wissenschaftlichen (Teil)-Disziplinen inhaltlich zusammenarbeiten: Softwaretechnik und Softwareengineering, Arbeitspsychologie,
sowie kognitive Psychologie. Jeder dieser Forschungsbereiche trägt seinen Teil dazu bei,
benutzungsgerechte interaktive Software als eine spezielle Klasse von modernen Werkzeugen der Arbeitswelt zur Verfügung zu stellen. Es hat sich daher auch in den letzten
Jahren der interdisziplinär besetzte Forschungsbereich der Softwareergonomie1 herausgebildet. Zunächst muss das Verhältnis der verschiedenen Begrifflichkeiten (Kriterium,
Standard, Norm, Richtlinie, Regel, Mass, Dimension) geklärt werden. Hierzu werden die
Definitionen im Duden (1963) herangezogen.
Eine Richtlinie weist auf in ihr enthaltene Aspekte hin und dient der Hinlenkung der Aufmerksamkeit auf diese Inhalte.
Ein Kriterium ist ein unterscheidendes Merkmal und dient zur Kennzeichnung bestimmter
inhaltlicher Aspekte; ein Kriterium kann aufgrund seiner Quantifizierbarkeit als
Prüfstein für eine anspruchsvolle Beurteilung verwendet werden.
1
"Software ergonomics is defined as fitting the properties of a dialogue-based working system to the
cognitive and intellectual attributes of man working in an organizational environment" (Cakir 1986,
p. 63).
3
1 Einführung
Ein Standard dient primär der Vereinheitlichung und kann als Normalmass bzw. als
Richtlinie zur Erstellung einer Normalausführung bzw. eines Standardmodelles
verwendet werden.
Eine Norm ist eine Richtlinie, eine Regel bzw. ein Massstab, welche primär der einheitlichen Gestaltung eines Produktes auf dem Hintergrund einer sozialen Übereinkunft ('Normung') dient. Während ein Standard einen lediglich empfehlenden
Charakter hat, so gilt eine Norm als verbindlich.
Eine Regel ist eine sprachlich gegebene Vorschrift und dient als inhaltliche Konkretisierung einer Norm bzw. eines Standards. Eine Regel kann als qualitativer 'Massstab' angesehen werden.
Ein Mass ist eine formal gegebene Vorschrift und bildet die quantitative Entsprechung zur
Regel.
Eine Dimension ist Ausdehnung bzw. Ausmass und dient der Abmessung eines bestimmten Bereiches. Im folgenden wird unter Dimension die Zusammenfassung von
verschiedenen Regeln und Massen zu vorgegebenen Gestaltungsrichtlinien verstanden.
Ein Prinzip ist ein Grundsatz, den man der Gestaltung zugrunde legt; Prinzipien umfassen
generelle Aspekte, welche man soweit als möglich berücksichtigen sollte.
Das Gestaltungsmodell von Ulich (1991, 1992, 1994) beruht auf dem Werkzeugparadigma (Maass 1984, Rauterberg 1988b, Oberquelle 1991) und besteht aus drei Gestaltungsbereichen: 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle', 'Kontrolle' und 'Aufgabenorientierung'. Jedem dieser drei Gestaltungsbereiche sind Gestaltungsrichtlinien zugeordnet. Die in dieser Arbeit erwähnten 'Richtlinien' werden als inhaltliche Operationalisierungen dieser Gestaltungsrichtlinien verstanden. Die Begriffe 'Richtlinie', 'Standard' und
'Norm' zielen auf die Form und die soziale Verbindlichkeit dieser Gestaltungsrichtlinien
ab.
1.1.1
Beschreibungs- und Bewertungsmodelle der Mensch-Computer
Interaktion
"Fragen der sogenannten 'Benutzungsfreundlichkeit' spielen seit einer Reihe
von Jahren eine zunehmende Rolle für die Bewertung und die Akzeptanz rechnergestützter Arbeitsmittel" (Ulich 1991, S. 256).
Das Bewertungs- und Gestaltungsmodell von Ulich (1988, 1991, 1992, 1994) wird vorgestellt und mit den bisher bekannten Richtlinienkatalogen verglichen. Bevor wir jedoch
4
Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1
dies tun, werden wir die wesentlichen Kennzeichen der bestehenden Beschreibungs- und
Bewertungsmodelle (ISO-OSI, DIN 66 234, VDI 5005, ISO 9241, EG-Richtlinie 90/
270/ EWG) kurz erwähnen.
In dem ISO-OSI-Schichtenmodell ist ein umfassender Beschreibungs- und Festlegungsversuch aus primär technischer Perspektive erstellt worden. Während die unteren,
rein technischen Ebenen in dem ISO-OSI-Schichtenmodell schon recht früh standardisierungsfähige Festlegung erhalten haben, so wurden die anwendungsnahen Schichten erst
später festgelegt (z.B. Computer Science and Technology Board 1988, Tanenbaum
1988). Dennoch reichen diese Festlegungen nicht aus, um für primär interaktive Software
ein aufgabenangemessenes und benutzungsgerechtes Design zu gewährleisten.
Die DIN 66 234 Teil 3, 5 und 81 legen Anforderungen an die softwaremässige Gestaltung der Ein/Ausgabeschnittstelle und der Dialogkomponente, sowie zum Teil implizit
auch an die Gestaltung der Anwendungskomponente fest. Die Anforderungen an die Ein/Ausgabeschnittstelle beziehen sich auf die Gruppierung und Formatierung der alphanumerischen Ein- und Ausgabefelder, sowie auf die feste Aufteilung des Bildschirmes in die
drei Bereiche:
1. Arbeitsdaten,
2. Befehlsdaten und
3. Ausgabe von Systemmeldungen bzw. Statusinformationen (DIN 66 234 Teil 3).
Dzida, Herda und Itzfeldt (1978) haben durch eine Umfrage unter 233 Computerbenutzern mittels einer Faktorenanalyse (Bortz 1989, S.615-675) aus 57 Systemeigenschaften
7 Eigenschaftsgruppen ('Faktoren') erhalten. Die Gestaltung der Ausgabeschnittstelle
(AS) mit graphischen Elementen bzw. allgemein mit optischen (einschliesslich Farbgebung) und akustischen Ausgabeinformationen wird in DIN 66 234 Teil 5 beschrieben.
Der Teil 8 dagegen bezieht sich allgemein auf die Gestaltung der Dialogkomponente und
Anwendungskomponente. Die Repräsentation des Zustandsraumes der Anwendungskomponente soll
'aufgabenangemessen'
erfolgen; wie dies gemeint ist, wird an elf Beispielen erläutert. Die restlichen vier Gestaltungsrichtlinien
'Selbstbeschreibungsfähigkeit',
1
Die einzelnen Teile der DIN 66 234 stammen aus folgenden Jahren: Teil 3 - März 1981; Teil 5 - März
1981 und Teil 8- Februar 1988.
5
1 Einführung
'Steuerbarkeit',
'Erwartungskonformität' und
'Fehlerrobustheit'
zielen im wesentlichen auf die Gestaltung der Dialogkomponente ab, wobei es jedoch
auch noch zu bedeutsamen Überschneidungen mit dem Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente kommt. So wird bei den erläuternden Beispielen zur Gestaltungsrichtlinie 'Selbsterklärungsfähigkeit' sowohl die Darstellung bestimmter Aspekte des Zustandsraumes der Dialogkomponente, als auch des Zustandsraumes der Anwendungskomponente angesprochen. Wesentliche Teile der DIN 66 234 sind in die ISO 9241 übernommen worden.
Während sich die beiden Beiblätter zum Teil 5 aus dem Jahre 1988 auf die experimentellen Untersuchungen von Verhagen (1981), Kokoschka (1981) und Linnertz,
Meessen, Münch und Pfeiffer (1981) berufen, so stützt sich die empirische Basis der
DIN 66 234 Teil 8 lediglich auf Befragungsdaten. Dieses Fehlen entsprechender empirischer Untersuchungen anhand hypothesengeleiteter Experimente wird daher von Moll
und Ulich (1988) zu recht kritisiert. So konnten wir (Rauterberg und Cachin 1993) z.B.
zeigen, dass die Bildschirmaufteilung gemäss DIN 66 234 Teil 3 grundlegend an den Bedürfnissen der menschlichen Informationsaufnahme und -verarbeitung vorbeigeht.
Das aus theoretischen Konzepten abgeleitete, benutzungsorientierte Bewertungsund Gestaltungsmodell von Ulich (1988, 1989, 1991, et al. 1991) lässt sich daher nur
zum Teil mit den Gestaltungsrichtlinien der DIN 66 234 in Übereinstimmung bringen.
Dies ist im wesentlichen dadurch bedingt, dass die übergeordnete Dreiteilung der einzelnen Gestaltungsrichtlinien 'Aufgabenorientierung', 'Kalkulierbarkeit' und 'Kontrolle'
(siehe Abbildung 1.1.1.1) – aufbauend auf handlungstheoretischem Grundlagenwissen –
durch das Kontrollkonzept mentaler Informationsverarbeitung beeinflusst worden ist
(siehe auch Troy 1981). Bevor dieses Bewertungs- und Gestaltungsmodell im Einzelnen
erläutert wird, soll ein kurzer Überblick über drei verschiedene Bereiche bei der Gestaltung interaktiver Software gegeben werden, um dann auch die Grenzen und damit den
Bereich der Forschungsfragestellungen dieser Arbeit erläutern zu können. Der benutzerorientierte Gestaltungsansatz interaktiver Software umfasst die folgenden drei Gestaltungsbereiche:
I
Der soziotechnische Bereich,
II
die Mensch-Computer Funktionsteilung,
III
die Gestaltung des interaktiven Systems selbst.
6
Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1
Diese drei Bereiche sind unterschiedlich umfassend und schliessen einander in der folgenden Art ein: I ⊃ II ⊃ III.
Benutzer-orientierte Softwaregestaltung
AufgabenOrientierung
Kalkulierbarkeit
als eine Voraussetzung für Kontrolle
• Ganzheitlichkeit
• Anforderungsvielfalt
Kontrolle
• Transparenz
• Flexibilität
• Feedback
• individuelle
Auswahlmöglich
keiten
• soziale Interaktionsmöglichkeiten
• Konsistenz
• Autonomie
• Kompatibilität
• Lern- und Entwicklungs• Unterstützung
möglichkeiten
• individuelle
Anpassbarkeit
• Zeitelastizität und stressfreie Regulierbarkeit
• Sinnhaftigkeit
• Partizipation
Abbildung 1.1.1.1 Das arbeitspsychologische Bewertungs- und Gestaltungsmodell für
eine benutzungsorientierte Softwaregestaltung nach Ulich (1994, S. 161 und 323).
Während der soziotechnische Gestaltungsbereich den Gestaltungsrahmen absteckt und
hierbei die Frage nach dem Einsatz von Maschinen (z.B. Computer in unserem Falle) allgemein abgeklärt wird (hier ist insbesondere die organisationale Schnittstelle angesprochen), so wird in der anschliessenden Mensch-Computer Funktionsteilung (MCF) im
Detail festgelegt, welche Arbeitsanteile auf den Computer übertragen werden, um eine optimale Unterstützung des Benutzers zu gewährleisten (das Ergebnis der MCF ist die
Werkzeugschnittstelle; siehe Rauterberg, Strohm und Ulich 1993, Grote 1994). Bei der
Gestaltung der interaktiven Software selbst geht es um die konkrete Beantwortung der
Frage nach der Form der Umsetzung der Vorgaben aus der MCF (die Ein/Ausgabe- und
die Interaktionsschnittstelle).
7
1 Einführung
Tabelle 1.1.1.2 Übersicht über verschiedene Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion (siehe auch Reiterer 1990 und Ilg 1993).
Dzida, et
al.
(1977)
Dzida,
Herda &
Itzfeldt
(1978)
Aufgabenangemessenhei
t
Selbsterklä- Selbsterklärungsfähigke rungsfähigke
it
it
Rückkopplungsfähigke
it
Erwartungskonformität
Dialogflexibilität
einfache Anwendbarkeit
DIN 66
234
Teil 8
(1988)
VDI
Richtlinie 5005
(1990)
EG
Richtlinie
90/270/EWG
(1990)
Aufgabenan- Aufgabenan- Tätigkeitsangegemessenhe gemessenhe passtheit
it
it
ISO
9241
Entwurf
(1991)
(1994)
Aufgabenangemessenheit
• Ganzheitlichkeit,
•
Anforderungsvi
elfalt,
• Autonomie,
• soziale
Interaktionsmöglichkei
ten
Selbsterklä • Transparenz,
rungsfähig- • Unterstützung
keit
• Feedback
Selbsterklärungsfähigk
eit
Angaben über
die jeweiligen
Systemabläufe
Erwartungskonformität
Format- und tem- Erwartungs- • Konsistenz
pogerechte
konformitä • Kompatibilität
Informat
tionsdarstellung
• Flexibilität
Handlungsflexibilität
Erlernbarkeit
Handlungsflexibilität
Erlernbarke
it
Kompetenzförderlichke
it
Unterrichtung
und
Unterweisung
Anpassbarkeit
Individualian Kenntnis- und sierbarkeit
Erfahrungsstand
Anhörung und
Beteiligung
Zuverlässigk
eit
Ulich
Steuerbarkeit Steuerbarkei
t
Fehlertoleran Fehlerz
robustheit
Steuerbarke
it
Fehlertoleranz
• Lernpotential
• Entwicklungsmöglichkeiten
• individuelle
Wahlmöglichkeiten,
• individuelle
Anpassbarkeit
• Partizipation
• Flexibilität
[wird vorausgesetzt]
Die verschiedenen Bewertungsmodelle der Mensch-Computer Interaktion (Dzida et al.
1977; Dzida, Herda und Itzfeldt 1978; DIN 66 234 1988; VDI 5005; ISO 9241 1991;
Ulich 1991) zeigen unterschiedliche Schwerpunkte und Differenzierungsgrade (siehe Tabelle 1.1.1.2). Das Modell von Ulich (1991) ist nicht nur handlungspsychologisch begründbar, sondern auch am weitesten differenziert. Lediglich die Forderung nach Zuverlässigkeit bzw. Fehlerrobustheit wird nicht expliziert. Da die Gestaltung benutzungsge-
8
Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1
rechter Systeme ohne die zuverlässige Funktionsweise des technischen Teilsystems keinen Sinn machen würde, wird diese Anforderung als unabdingbar vorausgesetzt.
Im Rahmen dieser Arbeit geht es weitgehend um die Gestaltung der interaktiven
Software selbst. Es wird davon ausgegangen, dass die soziotechnische Systemanalyse
und die inhaltlichen Vorgaben aus der MCF vorliegen. Der Themenschwerpunkt dieser
Arbeit stellt somit nur einen spezifischen Ausschnitt aus dem benutzungsorientierten Bewertungs- und Gestaltungsmodell von Ulich (1991) dar. Da die Analyse-, Bewertungsund Gestaltungsdimensionen für ganzheitliche Aufgaben an anderer Stelle ausreichend
dargestellt worden sind (Ulich 1978, 1988, 1989a, 1989b, 1991; Baitsch et al. 1989),
werden wir im Rahmen dieser Arbeit stärker auf die Bereiche 'Kalkulierbarkeit...' und
'Kontrolle' eingehen.
1.1.2
Normen zur Gestaltung interaktiver Software
Es wurden eine Reihe von verschiedenen Richtlinien, Gestaltungskonzepten usw. erwähnt, welche dazu gedacht sind, dem Softwareentwickler eine brauchbare und umsetzbare Handlungsanweisung zur benutzungsgerechten Systemgestaltung an die Hand zu
geben. Es wurden nur die einflussreichsten Normen des internationalen und deutschsprachigen Raumes für die Gestaltung der Mensch-Computer-Schnittstelle angesprochen:
DIN 66 234 Teil 3, 5 (1981) und 8 (1988), VDI-Richtlinie 5005 (1988), ISO 9241 (im
Entwurf), sowie die EG-Richtlinie 90/270/EWG (1990) zur Gestaltung des Bildschirmarbeitsplatzes. Für eine ausführlichere Diskussion der einzelnen Normen siehe bei Ilg
(1993). Darüber hinaus haben sich als Quasinormen etablieren können: Apple Human
Interface Guideline (Apple Computer 1986), IBM-Guideline (Engel und Granda 1975),
sowie OSF/ Motif Styleguide (1990, 1991). Eine kritische Bestandsaufnahme leisten Ilg
und Görner (1993).
1.1.3
Richtlinien ('design guidelines, style guides') zur Gestaltung
interaktiver Software
"We need more precise principles" (Norman 1983a, S.1).
Zusätzlich zu den Richtlinien wurden verschiedene Leitfäden zur Gestaltung menschengerechter interaktiver Software entwickelt: Leitfaden zur Einführung und Gestaltung von
Arbeit mit Bildschirmsystemen (Spinas, Troy und Ulich 1983); Guidelines for Designing
User Interface Software (Smith und Mosier 1986); Computerunterstützte Büroarbeit: ein
Leitfaden für Organisation und Gestaltung (Baitsch et al. 1989); HIF-Regelwerk: Regeln
zur Gestaltung von Benutzungsoberflächen (Nixdorf 1989, Siemens-Nixdorf 1990, bzgl.
SAP-Styleguides siehe Tillert 1993).
9
1 Einführung
Es stellt sich somit die Frage, inwieweit es sich bei dem scheinbar hohen Grad der
Normung lohnt, weitere Forschung in die Entwicklung und Validierung von Gestaltungsrichtlinien zu investieren. Inwieweit sich Standards, Gestaltungsrichtlinien bzw. Regeln
in dem Bereich der Gestaltung von Benutzungsoberflächen sinnvoll umsetzen lassen,
wurde am gründlichsten bisher wohl nur von Smith und Mosier (1984a), Mosier und
Smith (1986), sowie Smith (1986) untersucht und diskutiert. Es soll daher das allgemeine
Problem des Einsatzes von Gestaltungsrichtlinien im Softwareerstellungsprozess anhand
der Sammlung von Smith und Aucella (1983) eingehender dargestellt werden. Wir gehen
davon aus, dass sich die von Smith und Mosier vorgestellten Ergebnisse auch auf andere
Normen und Richtliniensammlungen sinnvoll übertragen lassen (Smith 1993). Neuere
Untersuchungen (Beimel, Schindler und Wandke 1993, Hüttner und Wandke 1993) bestätigen weitgehend die folgenden Ausführungen. Eine Sammlung von 580 Richtlinien,
Kriterien, Gestaltungshinweisen wurde von Mosier und Smith vor ca. 10 Jahren an 400
Empfänger verschickt. Von diesen 400 Angeschriebenen antworteten 130 Personen
(Rücklaufquote von 32%). Bei der Auswertung dieser Befragung zeigte sich die geringste
Akzeptanz bei der Gruppe der Softwareentwickler (Mosier und Smith 1986). Dieser deutliche Unterschied in der Einschätzung der Gebrauchstauglichkeit von Richtliniensammlungen kann verschiedene Gründe haben.
Weniger als ein Drittel (28%) der Befragten war vor ca. 10 Jahren direkt in der
Softwareentwicklung tätig. Wichtig für das weitere Vorgehen in unserer Arbeit bleibt
festzuhalten, dass softwareergonomisches Wissen von sehr unterschiedlich ausgebildeten
Personen angewendet wird. Eine neuere Umfrage unter schweizer Softwareherstellern ergab, dass 48% der 73 befragten Unternehmen mindestens einen Mitarbeiter mit Ergonomiekenntnissen festangestellt haben (Schlesinger et al. 1992). Rogers und Armstrong
(1977) sehen die Gebrauchstauglichkeit damaliger Gestaltungsrichtlinien als kritisch an,
weil sie nicht in jedem Fall eine benutzungsfreundliche Oberfläche garantieren. Zu dem
gleichen Ergebnis kommt auch Tillert (1993). Darüber hinaus erwies sich die Anwendbarkeit für Systemdesigner als schwierig (Rogers und Pegden 1977; Good 1989; Beimel,
Schindler und Wandke 1993). Welche Gründe werden im einzelnen für die eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit von Gestaltungsrichtlinien angegeben ?
Der grösste Teil (40%) derjenigen, welche die Richtliniensammlung von Smith und
Aucella (1983) einsetzten, konnte keine konkreten Gestaltungshinweise für seine aktuelle
Arbeit finden. Lediglich ein gutes Drittel (40%) konnte mit den Kriterien direkt bzw. nach
Überarbeitung etwas anfangen. Eines der Hauptprobleme hierfür scheint darin zu liegen,
dass neuere technische Entwicklungen nicht schnell und adäquat genug berücksichtigt
10
Nutzen und Grenzen von Richtlinien 1.1
werden können. Ein anderes Problem stellt die fehlende Anwendbarkeit im konkreten
Einzelfall dar:
"The most frequent problem cited is that guidelines are too general to be applied" (Mosier und Smith 1986, S.43).
Als Lösung für dieses Problem geben Mosier und Smith an, zu jeder Gestaltungsrichtlinie
eine Gestaltungsregel mit beizuordnen, welche eine Transformation aus dem Allgemeinen
auf das Spezielle leistet (z.B. Angabe eines konkreten Beispiels usw.).
"Effective application of guidelines will require a process of translation into
systemspecific design rules,..." (Smith 1986, S.47).
Nach einer Umfrage unter – softwareergonomischen Gestaltungsansprüchen interessiert
gegenüberstehenden – Softwareentwicklern im deutschsprachigen Bereich werden das
benötigte Gestaltungswissen zu 80% von Kollegen erfragt und zu 57% aus Gestaltungsrichtlinien entnommen (Hüttner und Wandke 1993). In einer vergleichbaren Umfrage in
der Schweiz (Schlesinger et al. 1992) zeigte sich, dass softwareergonomisches Wissen zu
41% durch 'training on the job', zu 37% durch Selbststudium, sowie zu 17% durch externe Ausbildung erworben wird.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Softwareentwickler selbst mit den
Gestaltungsrichtlinien aufgrund ihrer zu grossen Allgemeinheit in der konkreten Arbeit
wenig anzufangen wissen (siehe hierzu auch Good 1989, S.84). Von Softwareentwicklern werden am meisten konkrete Beispiele, wenn möglich interaktive Beispiele bevorzugt
(Tetzlaff und Schwartz 1991). Zu welchem Zweck werden aber die Richtlinien eingesetzt? Der Haupteinsatzbereich der Sammlung von Smith und Aucella (1983) ist im Bereich der Evaluation von Systemen (84%) und nicht im Bereich der Systementwicklung
zu sehen (46%); dies mag sicherlich auch damit zusammenhängen, dass die Hauptanwender die 'human factor specialists' sind. Dass jedoch ein deutlicher Bedarf nach brauchbaren Gestaltungsrichtlinien – insbesondere von Softwareentwicklern – besteht, konnten
Hüttner und Wandke (1993) zeigen.
Der Verein Deutscher Ingenieure hat im November 1988 einen Richtlinienentwurf
für die Gestaltung von EDV-gestützten Bürosystemen vorgelegt. Dieser Entwurf hat als
Kern ein Vier-Ebenen-Konzept, welches sich auf handlungstheoretische Grundlagen
abstützt.
"Die Richtlinie ist auf die Vermittlung konzeptioneller Prinzipien und Vorgehensweisen ausgerichtet. Einzelne Gestaltungsziele können am jeweiligen
System auf unterschiedliche Weise realisiert werden. Aus diesem Grunde werden keine Detailgestaltungsvorschriften gegeben" (VDI-Entwurf 5005 1988,
S. 4).
11
1 Einführung
Dieser allgemeine Anspruch mit dem bewussten Verzicht auf konkrete Detailgestaltungsvorschriften birgt jedoch gerade die Gefahr in sich, dass die Zielgruppe der Softwaredesigner wiederum auch diese Richtlinien nicht handlungsleitend umsetzen kann. Um Gestaltungskriterien auch für den Entwicklungsprozess selbst nutzbar zu machen, müssen
im wesentlichen zwei Aspekte stärker berücksichtigt werden: (1) Die Entwicklung eines
allgemeinen, in sich geschlossenen Konzeptes und (2) die Möglichkeit, diese Allgemeinheit auf den konkreten Einzelfall transformieren zu können. Dass ein derartiges generelles
Gestaltungskonzept notwendig ist, wird bereits von Smith und Mosier (1986) gefordert:
"Such a conceptual structure is urgently needed to help clarify discourse in
this field" (Smith und Mosier 1986, S.6).
1.2
A LLGEMEINE F ORSCHUNGSFRAGESTELLUNG
"Technik nicht als Sachzwang, sondern als Gestaltungsaufgabe zu begreifen,
eröffnet die Chance, qualifizierte lebendige Arbeit und automatisierte Arbeit
nicht als unversöhnliche Gegensätze, sondern als einander ergänzende Produktivkräfte zu sehen" (Martin, Ulich und Warnecke 1988, S.121).
Für die eingeschränkte Anwendbarkeit von Gestaltungsrichtlinien lassen sich die folgenden drei Gründe ausmachen (für eine ausführlichere Diskussion siehe Smith 1986, Ilg
und Görner 1993, Tillert 1993, Hampe-Neteler 1994):
12
1
Es hat sich bisher kein allgemein verbindlicher standardisierungsfähiger Ansatz
für die Gestaltung der anwendungsbezogenen Aspekte interaktiver Software herausgebildet.
2
Es hat sich in der Anwendungspraxis von Gestaltungsrichtlinien gezeigt, dass für
die Gestaltung einer Vielzahl interaktiver Systeme der Softwareentwickler um das
anwendungsspezifische Wissen des Endanwenders bzw. Endbenutzers nicht umhinkommt. Die Anwendbarkeit der Gestaltungsrichtlinien wird daher ergänzt und
zum Teil überlagert von den Ansätzen im Bereich des partizipativen Softwareengineerings, bei denen Methoden zum Benutzereinbezug in den Erstellungsprozess
interaktiver EDV-Werkzeuge entwickelt und untersucht werden (Spinas, Waeber
und Strohm 1989; Rauterberg, Spinas, Strohm, Ulich und Waeber 1994b).
3
Die Klasse der Gestaltungsrichtlinien ist hinsichtlich seiner konkreten Umsetzbarkeit scheinbar in dem folgenden Dilemma: Wenn die jeweilige Gestaltungsrichtlinie allgemeingültigen Charakter aufweist, so ist sie nicht spezifisch genug, um
von dem Softwareentwickler auf sein konkretes Gestaltungsproblem runtergebrochen werden zu können; ist die Gestaltungsrichtlinie jedoch andererseits konkret
Fragestellung 1.2
umsetzbar, so ist der Anwendungskontext dieser Gestaltungsrichtlinie oft nicht
passend oder unbekannt.
"However, the more specific a guideline is, the less generally applicable it
will be" (Mosier und Smith 1986, S.43).
Im Rahmen dieser Arbeit wird der dritte Grund zum Forschungsgegenstand erhoben: Es
geht darum, ein möglichst umfassendes, benutzungsorientiertes Gestaltungskonzept weiter zu entwickeln, welches sich durch die Ergänzung entsprechend operationalisierter
Transformationsregeln auf das jeweilige konkrete Gestaltungsproblem im Softwareentwicklungsprozess handlungsleitend anwenden lässt unter besonderer Berücksichtigung
der Messbarkeit des erreichten Ausmasses an Gebrauchstauglichkeit.
13
2
DIE BENUTZUNGSOBERFLÄCHE INTERAKTIVER
EDV-SYSTEME
"Make it as simple as possible, but not simpler" (Albert Einstein).
Die Benutzungsoberfläche lässt sich durch die differenzierte Beschreibung der MenschComputer-Schnittstelle des Seeheim-Modells in die folgenden Komponenten und Schnittstellen aufgliedern: der Benutzer, die Ein/Ausgabeschnittstelle, die Dialogkomponente
und die Anwendungs- bzw. Werkzeugkomponente (Green 1985a, 1985b; Dzida 1983,
1987; siehe Abbildung 2.0.1). Für eine weitergehende Diskussion der zur Zeit gängigen
Interaktionsmodelle siehe Hübner (1990), Dix, Finlay, Abowd und Beale (1993), Kung,
Lin und Hsia (1994), sowie Balzert (1994).
Benutzer
Präsentationskomponente
DialogKontrolle
Anwendungsschnittstelle
Anwendung
komponente
Abbildung 2.0.1
Das Seeheim-Modell nach Green (1985a, 1985b)1 mit den verschiedenen Schnittstellen (entnommen aus Dix, Finlay, Abowd und Beale 1993, S.356).
Der Benutzer interagiert mit dem System im interaktionellen Raum (IR)2, indem er sich an
bestimmten Merkmalen auf der Ein/Ausgabeschnittstelle orientierend über die Dialogkomponente mit der Anwendungskomponente (AK)3 seine Aufgaben bzw. Probleme löst.
Der Benutzer wählt den benötigten Operator aus, führt die entsprechende Operation durch
und aktiviert somit die zugehörige Systemfunktion. Betrachtet man die Anwendungskomponente als das 'traditionelle' Werkzeug zur Erledigung der gestellten Aufgaben, so
schiebt sich mit dieser neuen Technologie zwischen den Benutzer und das eigentliche
Werkzeug ein neues Werkzeug, das 'interaktive' Werkzeug in Form der Dialogkomponente (DK)4 (Spinas 1987; Streitz 1990).
1
In einer erweiterten Version auch im deutschen Sprachraum als IFIP-Modell bekannt (Dzida 1983,
1987).
2
IR = interaktioneller Raum zwischen Benutzer und System.
3
AK = Anwendungskomponente.
4
DK = Dialogkomponente.
15
2 Die Benutzungsoberfläche
Wenn zur Bearbeitung einer Aufgabe ein interaktives Computersystem eingesetzt
wird, gibt es drei Gestaltungsprobleme zu lösen: das Sachproblem, das Interaktionsproblem und das Präsentationsproblem (Streitz 1990). Da das Seeheim-Modell aus den drei
Schichten ('Schnittstellen') (1.) Ein/Ausgabe-, bzw. Präsentations-, (2.) Interaktions-,
bzw. Dialog- und (3.) Werkzeug-, bzw. Anwendungsschnittstelle aufgebaut ist, lässt sich
die Unterscheidung zwischen Sach- und Interaktionsproblem nur im Rahmen einer logischen Hierarchie beschreiben. Dieser Umstand hat dazu geführt, dass fälschlicherweise
oft die Forderung nach einer einfachen Interaktionsschnittstelle auch gleichzeitig als Forderung nach einer einfachen Werkzeugschnittstelle missverstanden wird1.
Es ist richtig, zu fordern, dass die Dialogschnittstelle so einfach wie möglich sein
soll; die Werkzeugschnittstelle dagegen sollte an die zu bearbeitenden Aufgaben angepasst
sein und, wenn die Aufgaben komplex sind, dieser Aufgabenkomplexität gerecht werden.
Erst wenn man die Dialog- und Werkzeugschnittstelle als logisch unabhängig von einander und gleichberechtigt nebeneinander betrachtet, kann man diese beiden unterschiedlichen Anforderungen sinnvoll miteinander vereinen (siehe zur einschlägigen Kritik am
Seeheim-Modell bei Coutaz 1989, Edmonds und Hagiwara 1990, Cockton 1991). So
konnte z.B. Cockton (1991) aufzeigen, dass die Umsetzung wichtiger softwareergonomischer Richtlinien (wie Flexibilität, Konsistenz und Aufgabenangemessenheit) wesentlich
auch durch die gewählte Softwarearchitektur bedingt ist. Eine beispielhafte Umsetzung
des Kriteriums der Änderbar- und Anpassbarkeit ist bei Greutmann (1992) und Haaks
(1992) erreicht worden. Diese Überlegungen sind in die Entwicklung eines veränderten
Seeheim-Modells2 eingeflossen und als konzeptionelle Sicht in Abbildung 2.0.2 dargestellt.
Das Sachproblem besteht darin, dem Benutzer im Rahmen seiner inhaltlichen, primären Aufgabenbearbeitung alle notwendigen Funktionen auf einem geeigneten 'Granulationsgrad' anzubieten. Der anzustrebende Granulationsgrad hängt ausschliesslich von der
Aufgabenstruktur ab und kann erst durch eine sorgfältige Aufgabenanalyse herausgefunden werden. Wir sprechen daher auch vom Nutzen bzw. der Benutzbarkeit des Systems
(Rauterberg 1992d). Die aufgabenbezogenen Funktionen müssen für die Bearbeitung der
Aufgaben in ausreichendem Masse zur Verfügung stehen und dürfen den Benutzer in
1
Siehe auch die Diskussion zu 'Komplexität' (bzgl. Werkzeugschnittstelle) und 'Kompliziertheit' (bzgl.
Dialogschnittstelle) von Frese (1987b).
2
Die Unterscheidung zwischen Anwendungs- und Dialogoperationen wurde schon von Dehning, Essig
und Maass (1978, S. 126) eingeführt, wenn auch mit der irritierenden Unterscheidung zwischen 'anwendungsspezifischem Dialog' und 'Metadialog'. Wir werden den Begriff Metadialog ausschliesslich
im Kontext von Individualisierungsoperationen benutzen, bei Viereck (1987, S. 27) auch 'Gestaltungsdialog' genannt.
16
Schnittstellenkonzepte 2.0
seinem individuellen Problembearbeitungsprozess nicht unnötig einschränken. Wir nennen diese aufgabenbezogenen Funktionen die Anwendungsfunktionen. Die Lösung des
Sachproblems bedeutet die aufgabenangepasste Gestaltung der Werkzeugschnittstelle mit
allen notwendigen Anwendungsfunktionen unter Berücksichtigung arbeitspsychologischer Richtlinien.
AnwendungsSchnittstelle
Benutzer
Ein/
Ausgabe
Schnittstelle
Prsentationsproblem
Ausgabekomponente
InteraktionsSchnittstelle
Sachproblem
Anwendungskomponente
Dialogproblem
Dialogkomponente
Abbildung 2.0.2
Konzeptionelle Sicht der verschiedenen Schnittstellen eines interaktiven Computersystems und der zugeordneten Problembereiche (ohne Berücksichtigung
der Organisationsschnittstelle, siehe Rauterberg et al. 1994, S.12).
Das Dialogproblem kommt im wesentlichen durch die Begrenzungen der Ein/Ausgabeund Interaktionsschnittstelle zustande. Damit der Benutzer seine aufgabenbezogenen Informationen erhalten und die notwendigen Problemlöseschritte dem Computer mitteilen
kann, muss er dies durch die Eingabe spezieller Interaktionsoperatoren tun. Für diese
Operationen stehen zur Zeit unterschiedliche interaktive Techniken zur Verfügung (Kommandos, Makros, Menüs, maussensitive Bereiche usw.). Jede heutzutage existierende
Benutzungsoberfläche verlangt vom Benutzer einige Interaktionsoperationen, welche lediglich zur Gestaltung der Ausgabeschnittstelle und der Interaktionsschnittstelle dienen
und nichts zur unmittelbaren, primären Aufgabenbearbeitung beitragen. Es ist ein unglücklicher Umstand, dass der Begriff 'Dialog' sich traditioneller Weise auf alle Arten der
Interaktion bezieht. Da wir jedoch die Bezeichnung 'Dialogkomponente' beibehalten
wollen, müssen wir die 'Dialog'-Funktionen dieser Komponente semantisch neu bestimmen. Wir fassen die Anwendungsfunktionen und die 'reinen' Dialogfunktionen zu
der Klasse der Interaktionsfunktionen (IF) zusammen.
Der Unterschied zwischen den 'reinen' Dialogfunktionen und den Anwendungsfunktionen kann man sich am besten wie folgt merken: Alle Operationen, welche den Zu-
17
2 Die Benutzungsoberfläche
stand des jeweiligen Anwendungsobjektes (AO)1 (z.B. Textdokument, Datenbank usw.)
verändern, aktivieren die Anwendungsfunktionen (AF)2; alle anderen Operationen aktivieren 'Gestaltungs'-Funktionen (jedoch umfassender definiert als bei Viereck 1987),
welche nur den Zustand von Dialogobjekten (DO)3 bzw. der Dialogkomponente verändern (z.B. die Veränderungen von Fenstern, wie Öffnen, Schliessen, Verschieben usw.).
Wir werden diese 'Gestaltungs'-Funktionen im weiteren die 'eigentlichen' Dialogfunktionen (DF)4 nennen. Die Klasse IF ist somit die Vereinigung von AF und DF.
Die Handhabung dieser 'reinen' Dialogfunktionen sollte so einfach wie möglich
sein und dem Benutzer keinerlei zusätzlichen kognitiven Aufwand abfordern. Dialogfunktionen sind 'eigentlich' überflüssig und dienen meistens 'nur' dazu, die beschränkten
Ressourcen im interaktionellen Raum (z.B. Bildschirmfläche) zu verwalten.
"Viele Systeme leiden darunter, dass die möglichen Auswahlpunkte in ihrer
Anzahl limitiert werden müssen, damit sie alle auf einmal auf dem Bildschirm des Benutzers angezeigt werden können. In vielen Fällen ist dies kein
Problem, aber in anderen kann es Hunderte oder Tausende von Möglichkeiten
geben. Dann müssen Techniken entwickelt werden, um diese Möglichkeiten
zu klassifizieren und es dem Benutzer zu ermöglichen, dem System seine
Wünsche mit möglichst wenigen Eingaben zu verdeutlichen" (Sommerville
1987, S. 269).
Dehning, Essig und Maass (1978, S. 130ff.) haben die Interaktionsfunktionen folgendermassen klassifiziert: (1.) Dialogablauffunktionen, (2.) Kontrollfunktionen und
Ein/Ausgabefunktionen (sofern sie sich nur auf Dialogobjekte beziehen), (3.) Helpfunktionen (bei Viereck 1987, S. 27 auch Metadialogfunktionen genannt, heissen bei uns weiterhin Transparenzoperatoren), (4.) Erweiterungsfunktionen (bei uns die Metaoperatoren), sowie (5.) die Kommunikationsfunktionen. Die Handhabung und die Gestaltung
der Dialogfunktionen darf daher nicht mit der Komplexität der Werkzeugschnittstelle verwechselt werden, welche sich ausschliesslich nach der Komplexität der zu bearbeitenden
Aufgaben zu richten hat!
Das Präsentationsproblem besteht darin, die vom Benutzer wahrnehmbaren Ausgaben des Computers so zu gestalten, dass der Benutzer bei seiner Aufgabenbearbeitung mit
allen notwendigen Informationen in seinem aktuellen Aufmerksamkeitsfokus auf der Ausgabeschnittstelle versorgt wird und hierzu möglichst wenig 'reine' Dialogfunktionen be-
1
AO = Menge der Anwendungsobjekte.
2
AF = Menge der Anwendungsfunktionen (af∈AF verändert den Zustand eines ao∈AO, bzw. der AK).
3
DO = Menge der Dialogobjekte.
4
DF = Menge der Dialogfunktionen (df∈DF verändert den Zustand eines do∈DO, bzw. der DK).
18
Schnittstellenkonzepte 2.0
nötigt. Die Ausgabe von aufgabenenbezogenen Informationen auf der Ausgabeschnittstelle ist für den Benutzer eine Art 'externes' Gedächtnis (Schönpflug 1986). Dieses externe Gedächtnis ist eine Art Erweiterung des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses und
lässt sich grob in drei Bereiche unterteilen: (1) das visuelle Gedächtnis, (2) das akustische
Gedächtnis, und (3) das taktile Gedächtnis. Nach jeder motorisch ausgeführten Handlung
kann sich der Benutzer zusätzlich noch eine gewisse Zeitspanne an diese Ausführung erinnern (internes motorisches Gedächtnis). Es ist sinnvoll, wenn der Benutzer die Möglichkeit hat, verschiedene Wahrnehmungskanäle (visuell, akustisch, taktil) benutzen zu
können.
Um die Unterscheidung zwischen der Dialog- bzw. Anwendungskomponente und
den jeweils zugehörigen Zustandsräumen auf der einen Seite und den weiteren Bestandteilen der Benutzungsoberfläche auf der anderen Seite detaillierter darstellen und erläutern
zu können, wird unsere konzeptionelle Sicht (Abbildung 2.0.2) in einer etwas anderen
Darstellungsart nochmals aufgeführt (siehe Abbildung 2.0.3). Als Kritik an dem IFIPModell ist anzumerken (Coutaz 1989), dass das Anwendungsobjekt keinerlei strukturelle
Berücksichtigung findet1 (Akscyn, Yoder und McCracken 1988). Das Anwendungsobjekt ist wahrscheinlich im IFIP-Modell in der Anwendungskomponente implizit eingeschlossen. Abbildung 2.0.3 wird eingeführt, um das Anwendungsobjekt explizit darstellen und die damit einhergehenden Auswirkungen auf den Schnittstellenentwurf diskutieren zu können(siehe auch Akscyn, Yoder und McCracken 1988).
Zunächst werden die organisationalen Schnittstellen zur Arbeitsumgebung aussen
vor gelassen2. Der Benutzer befindet sich in einer interaktiven Dialogschleife (IDS)3. Die
Aktionen des Benutzers lassen sich zunächst allgemein in die reine Steuerung der Dialogkomponente einerseits und den Anwendungsdialog andererseits aufteilen. Es lassen sich
jeweils unterschiedliche Zustandsräume sowohl der Dialogkomponente (DK), als auch
der Anwendungskomponente (AK) mit dem Anwendungsobjekt (AO) zuordnen. Einzelne, ausgewählte Eigenschaften dieser beiden Zustandsräume werden auf der Ein/ Ausgabeschnittstelle (EAS)4 repräsentiert, wobei nur die relevanten Zustände des Zustandsraumes der AK auf den oberflächeninternen Zustandsraum der AK übernommen werden
1
Dieser Aspekt kann als generelle Kritik an dem Anspruch der anwendungs-unabhängigen Entwicklung
von User-Interface-Management-Systemen angesehen werden.
2
Diese Beschränkung impliziert jedoch nicht, dass die Arbeitsumgebung generell bei der Gestaltung interaktiver Systeme unberücksichtigt bleiben darf.
3
IDS = interaktive Dialog-Schleife.
4
EAS = Ein/Ausgabe-Schnittstelle.
19
2 Die Benutzungsoberfläche
können. Die Benutzungsoberfläche besteht somit aus der EAS, der DK sowie dem Zustandsraum der Dialogkomponente (DKZ) und dem Zustandsraum der Anwendungskomponente (AKZ)1. Der Systemzustand (Dehning, Essig und Maass 1978, S. 135) setzt
sich hier – im Unterschied zu Dehning, Essig und Maass – aus dem Dialogzustandsraum
und dem Anwendungszustandsraum zusammen.
Benutzer
Handlung
Wahrnehmung
Repräsentation
Dialog-Komponente (DK)
Dialog-Funktionen (DF)
DialogObjekte
(DO)
DialogZustand
(DKZ)
Anwendungs-Komponente (AK)
AnwendungsFunktionen (AF)
Anwendungs- Transformation
Objekte (AO)
AnwendungsZustand (AKZ)
Benutzungsoberfläche
Ein / Ausgabe-Schnittstelle (EAS)
Abbildung 2.0.3
Interaktive Software lässt sich in die Ein/Ausgabeschnittstelle, die
Dialogkomponente, die Anwendungskomponente, sowie die zugehörigen Zustandsräume
unterscheiden. Die Handhabung der Dialogkomponente ermöglicht es dem Benutzer, die
gewünschte Anwendungsfunktionalität auf das aktuellen Anwendungsobjekt anwenden
zu können.
Das Besondere an dieser Konzeption einer Benutzungsoberfläche besteht darin, dass hier
der Zustandsraum der Anwendungskomponente und des Anwendungsobjektes mit in die
Architektur der Benutzungsoberfläche einbezogen wird. Dies lässt sich insbesondere dadurch rechtfertigen, dass die Repräsentationen der beiden Zustandsräume auf der EAS benutzer-adäquate Abbildungen systeminterner Eigenschaften erfordern (für eine rein formale Beschreibung dieser repräsentationalen Abbildungen siehe Cordes 1988). Für eine
mehr inhaltliche Beschreibung der Abbildungs- bzw. Visualisierungsfunktionen siehe bei
Lauter (1987), Staufer (1987), Helander (1991), Mayhew (1992), Wandmacher (1993),
sowie Rist und Andre (1993). Die reinen Dialogobjekte werden auf der syntaktischen
Ebene durch die firmenspezifischen Styleguides festgelegt (Apple 1986, IBM 1989,
1991, OSF/Motif 1990, 1991, Microsoft 1992).
1
20
AKZ = Zustandsraum der Anwendungskomponente und
DKZ = Zustandsraum der Dialogkomponente.
Der interaktionelle Raum 2.1
2.1
D ER INTERAKTIONELLE R AUM ZWISCHEN B ENUTZER UND S YSTEM
Bei der eben vorgestellten Konzeption der Benutzungsoberfläche muss die Schnittstelle
der DK zur AK und die Schnittstelle der AK zum oberflächeninternen AKZ definiert
werden. Wie werden die anwendungsbezogenen Operationen des Benutzers über die DK
an die AK weitergereicht? Welche Eigenschaften der AK und des AOes werden auf den
auf der EAS repräsentierbaren oberflächeninternen Zustandsraum abgebildet? Welche Eigenschaften des DKZes bzw. AKZes und AOes werden auf der EAS repräsentierbar implementiert, und wenn ja, in welcher Form, um eine optimale Interpretierbarkeit durch
den Benutzer zu gewährleisten? Welche Möglichkeiten werden dem Benutzer zur Verfügung gestellt, auf diese repräsentationale Abbildung Einfluss zu nehmen? In welcher Art
und Weise lässt sich die Transformation der AK auf den AKZ in Abhängigkeit von der
Funktionalität der AK, und damit von dem Aufgabenbereich des Benutzers sinnvoll definieren? Dies sind wesentliche Fragen, die in der Softwareergonomie bearbeitet werden.
Wir werden im Rahmen dieser Arbeit nur einige ausgewählte Aspekte behandeln können.
Um dies tun zu können, werden wir zunächst den interaktionellen Raum zwischen Benutzer und EDV-System detailliert beschreiben.
Um die einzelnen Komponenten einer Benutzungsoberfläche etwas detaillierter darstellen zu können, soll die in einer Petri-Netz ähnlichen Notation dargestellte Abbildung
2.0.3 in eine vollständige Petri-Netz Notation überführt werden. Bei der Untersuchung
von interaktiven Verarbeitungsprozessen, bei denen sich der Problemraum (die Ein/Ausgabeschnittstelle) aus wahrnehmbaren Darstellungen zusammensetzt, ist es angebracht,
zwischen den internen Gedächtniskomponenten und den externen Gedächtniskomponenten zu unterscheiden (Schönpflug 1986; Larkin und Simon 1987, S.97). Das interne Gedächtnis hat das verinnerlichte prozedurale Wissen und nur zum Teil das deklarative Wissen zum Inhalt, während das externe 'Gedächtnis' den restlichen Teil des deklarativen
Wissens und das darüber hinaus vorgegebene prozedurale Wissen umfasst. Zwischen
diesen beiden Gedächtnisformen finden Verarbeitungsprozesse statt: Efferent über die visuelle, auditive und haptische1 Wahrnehmung der externen Repräsentationen (siehe auch
Sellen, Kurtenbach und Buxton 1990, sowie Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993) und
afferent über die Motorik der Hände (Bedienung der Maus und der Tastatur) zur Manipulation der externen Wissensbasis (insbesondere hinsichtlich des deklarativen Wissens).
1
Als Beispiel für das externe haptische 'Gedächnis' kann der Druckpunkt der einzelnen Tasten angeführt
werden; der Druckpunkt dient dazu, dem Benutzer bei der Betätigung die Tatsache haptisch rückzumelden, dass der Rechner den Tastenanschlag registriert hat.
21
2 Die Benutzungsoberfläche
Der Benutzer lässt sich grob durch die folgenden Komponenten beschreiben: Die
Wahrnehmungskomponente, die Speicherungskomponente, die Problemlösungskomponente und die Handlungskomponente, sowie die entsprechenden Schnittstellen zwischen
diesen Komponenten (siehe Abbildung 2.1.1).
Problemlösungskomponente
Plan
Handlungskomponente
Operation
Eingabe
motorisches
Gedächtnis
Kurzzeitgedächtnis
Erwartungshaltung
Wahrnehmungskomponente
visuelles
auditives
haptisches
"Gedächtnis"
"Gedächtnis"
"Gedächtnis"
visuelleAusgabe akustische Ausgabe haptische Ausgabe
Input-Handler
Output-Handler (DK)
Output-Handler (AK)
Repräsentation
Dialog-Funktionen (DF)
DialogObjekte (DO)
DialogZustand
(DKZ)
Dialog-Komponente (DK)
Benutzungsoberfläche
Ziele
Benutzer
Speicherungskomponente
Langzeitgedächtnis
AnwendungsZustand (AKZ)
AnwendungsFunktionen (AF)
AnwendungsObjekte (AO)
Transformation
Anwendungs-Komponente (AK)
Abbildung 2.1.1
Die einzelnen Komponenten eines interaktiven Systems in einer
Petri-Netz Darstellung. Die runden bzw. ellipsoiden Elemente stellen die passiven Elemente (die 'Stellen') dar: z.B. Speicher und Übertragungskanäle; die eckigen Elemente
sind die aktiven Bestandteile (die 'Transitionen'): z.B. Handlungen, Scannen, Parsen
usw. Die eckigen Elemente mit abgerundeten Ecken sind komplexe 'Transitionen'.
Die Problemlösungskomponente generiert das nächste anzustrebende Ziel und den dazu
gehörigen Zielerreichungsplan; die Ziele bzw. Subziele werden in einem Speicher verwaltet, der wahrscheinlich nach dem Stackprinzip aufgebaut ist. Die Handlungskomponente
setzt das jeweils aktuelle Ziel mit dem zugehörigen Plan in Handlungen um. Die Rückwirkung der Problemlösungskomponente auf die Wahrnehmung erfolgt über die Erwartungshaltung und dient der selektiven Aufmerksamkeitssteuerung. Unter der Annahme,
22
Der interaktionelle Raum 2.1
dass die physikalische Übertragung der ausgegebenen Signale seitens des Systems hin
zum Benutzer identitätsbewahrend ist, kann man erkennen, dass diese Kanäle vom Benutzer und vom System ge-'teilt' ('shared') werden bzw. werden müssen. Wir fassen
diesen Aspekt unter dem Begriff des 'interaktionellen Raumes' zusammen. Die Inputund Outputhandler setzen die jeweiligen 'Nachrichten' um ('En-' bzw. 'De-codierung'):
Von einer externen Darstellung in eine interne Darstellung ('parsen') und vice versa.
Die Operationen eines Benutzer setzen sich aus einzelnen Aktionen zusammen, z.B.
die einzelnen Tastendrucke bzw. Mausklicks, Joystickoperationen usw. So setzt sich die
Eingabe des Operators 'dir' aus der Tastenfolge 'd', 'i', 'r' und 'CR'('carriage return')
zusammen und aktiviert die systemintern zugehörige Funktion (hier 'Auflisten der 'directory'-Einträge'). Die Eingabe eines Operators aus Sicht des Benutzer heisst Operation,
aus Sicht des Systementwicklers Funktionsaufruf. Die Beschreibungsebene der einzelnen
Operationen bestehend aus einzelnen Aktionen ('Tastendrucke') stellt den höchsten Auflösungsgrad der Beobachtung eines Interaktionsprozesses dar und lässt sich softwaretechnisch durch die sogenannte 'logfile'-Aufzeichnung realisieren.
Werfen wir noch einen Blick auf den Objektraum (OR)1 mit seinen internen 'Objekten'. Als Dialogobjekte (DO) kommen z.B. 'Fenster', 'Dialogboxen', 'Menüs', 'Funktionstasten', 'Dialogknöpfe' usw. in Frage. Während sich die Menge der Dialogobjekte bei
einem gegebenen System weitgehend vollständig angeben läßt, so kann die Menge der
Anwendungsobjekte (AO) nur über den jeweiligen Applikationskontext bestimmt werden:
Z.B. im Bürobereich kommen 'Adressdateien', 'Notizzettel', 'Dokumente', 'Graphiken',
'Listen', 'Berechnungsformulare' usw. vor; im Bereich von Betriebssystemen für Computer gibt es 'Dateien', 'Speichermedien', 'Schnittstellen', 'Peripheriegeräte', 'Prozesse'
usw. Dialogobjekte und Anwendungsobjekte können wahrnehmbar auf der EAS repräsentiert sein oder sich gegenüber dem Benutzer verborgen im System befinden. Die
Menge der wahrnehmbaren Objekte werden wir mit WO2 und die Menge der verborgenen
Objekte mit VO3 abkürzen.
Die Menge der Dialog-, bzw. Anwendungsobjekte setzt sich zusätzlich noch aus zwei unterschiedlichen Mengen zusammen:
• Die Menge aller aktiven Repräsentationsformen.
• Die Menge aller passiven Repräsentationsformen.
1
OR = Menge aller Objekte eines interaktiven Systems.
2
WO = Menge aller wahrnehmbaren Objekte.
3
VO = Menge aller verborgenen Objekte.
23
2 Die Benutzungsoberfläche
Der Wahrnehmungsraum des Benutzers umfasst zusätzlich zu der Menge aller passiven
Repräsentationsformen auch noch – sofern vorhanden – die Menge aller Signalmuster,
welche die Interaktionspunkte selbst repräsentieren. Hierzu zählen in der Regel alle
Tasten der Tastatur (also die hardwaremässig installierten Eingabegeräte), sowie die auf
dem Bildschirm zusätzlich repräsentierten Symbole der maussensitiven Bereiche. Im einfachsten Falle kann der Wahrnehmungsraum eines voll funktionsfähigen interaktiven
Systems nur aus einem leeren Bildschirm und einer einzigen Maustaste bestehen; alle weiteren aktiven und passiven Repräsentationsformen werden dann inkrementell während der
Interaktion nach dem Drücken der Maustaste erzeugt (siehe z.B. Ziegler 1986). Warum
jedoch dieser scheinbar einfachste Fall in der Regel nicht realisiert ist (abgesehen vom
Fall des 'Screen-Saver'-Modus), wird weiter unten durch die Dimension der 'interaktiven
Direktheit' beschrieben.
Die Repräsentationsformen der aktiven Interaktionsobjekte sind die seitens des Benutzers wahrnehmbaren Signale bzw. Symbole der Dialog- und Anwendungsfunktionen.
Die Menge der aktiven Repräsentationsformen lässt sich zusätzlich noch in zwei Bereiche
unterteilen: Die Menge an Operatoren, welche sich auf die Handhabung von Dialogobjekten (DOp)1 beziehen und diejenige Menge an Operatoren, welche sich auf die Menge der
Anwendungsobjekte (AOp)2 beziehen. Das folgende Zitat verdeutlicht am Beispiel des
Dialogobjektes 'Fenster' die Menge der passiven und aktiven Repräsentationsformen.
"Ein einzelnes Fenster benötigt eine Menge von Zustandsvariablen (passive
Komponente), die seine verschiedenen Parameter beschreiben (z.B. Position
und Grösse auf dem Bildschirm, Verweis auf den Fensterinhalt). Zusätzlich
gibt es noch eine Menge von Operationen (aktive Komponente), die auf ein
Fenster angewendet werden können" (Fabian 1986, S. 113).
Wenden wir uns dem interaktionellen Raum als der Zusammensetzung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum zu. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Gestaltung interaktiver Software unter dem Blickwinkel der interaktiven Dialogschleife (IDS; siehe Abbildung 2.1.2), welche sich aus einer handlungstheoretische Rahmenkonzeption herleiten
lässt (siehe auch Norman 1984). Um die IDS mit Inhalt zu füllen, werden einige Forschungsergebnisse zum Bereich 'Wahrnehmung', 'Handlung' und 'Interpretation' aufgearbeitet.
Nach Hacker (1978, 1986) – aufbauend auf Leontjew (1979) – bestehen Tätigkeiten
aus einzelnen Handlungen und diese wiederum aus der Anwendung einzelner Operationen. Tätigkeiten werden über Motive, Handlungen über einzelne Ziele und die Anwen1
DOp = Dialogobjekt-spezifischer Operator.
2
AOp = Anwendungsobjekt-spezifischer Operator.
24
Der interaktionelle Raum 2.1
dung von Operatoren über Teilziele bzw. gegenständliche Bedingungen gesteuert (siehe
ausführlicher im Abschnitt 3.2). Eine Handlung ist also die kleinste psychologische Einheit einer willensmässig gesteuerten Tätigkeit. Handlungen – insbesondere auch kognitive
Problemlösungshandlungen – verlaufen nach einem fünfstufigen, psychischen Regulationsprozess (Hacker 1986).
BENUTZER
extern
vorgegebene
Aufgabe
(entstammt
aus der
ursprüngl.
Arbeitsumgebung)
Interaktioneller
RaumSYSTEM
(11) Abbildung der
(13) Wahrnehmung der AUSGABE
internen Objekte
Repräsentationen(12) Wahrnehmungsin ihre externe
raum
Repräsentationen
(14) Interpretation Ider
NTERW a h r n e h m uPRETATIVE
ngsInhalte
EBENE
(10) Test auf eventue
Inkonsistenzen in
der Struktur der
(15) Bewertung hin- E V A L U A T I V E
sichtlich der EBENE
internen Objekte
Zielvorgaben
(1) Zielsetzung:
"Repräsentation
der Aufgabe"
KONZEPTUELLE
EBENE
(2) Ziel-Spezifikation:
"Repräsentation
der SystemFunktionalität"
(3) Umsetzung in die
Operatoren der
Dialogkomponente
SEMANTISCHE
EBENE
(8) Umsetzung der
Tastenanschlagssequenzen in inter
System-Funktione
SYNTAKTISCHE
EBENE
(7) Parsen der eingege
nen Tastenschläge
Test auf syntaktis
Korrektheit
EINGABE
(4) Eingabe der
Operatoren in die
E/A-Schnittstelle
(9) Ausführung der
jeweiligen System
Funktion
(5) Aktionsraum
(6) Einlesen und Ausgab
eines Echos, sowie
Speichern der
Eingaben
Abbildung 2.1.2
Die interaktive Dialogschleife (IDS) dargestellt am Fünf-Ebenen
Modell der Mensch-Computer Interaktion aus handlungstheoretischer Perspektive (in
Anlehnung an Fähnrich und Ziegler 1985).
Nach Oesterreich und Volpert (1987, S. 49–50) können folgende fünf Ebenen der Handlungsregulation unterschieden werden:
Ebene 5:
Schaffung neuer Handlungsbereiche
"Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht festgelegt und nur durch Schaffung neuer
Möglichkeiten der Produktion zu erreichen. Es geht also um die Erschliessung eines
neuen Produktionsbereiches."
Ebene 4:
Koordination mehrerer Handlungsbereiche
"Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht in allen Einzelheiten festgelegt. Es be-
25
2 Die Benutzungsoberfläche
steht in der Aufrechterhaltung oder Initiierung eines mehrere Bereiche umfassenden
Arbeitsprozesses."
Ebene 3:
Teilzielplanung
"Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht in allen Einzelheiten festgelegt. Das Arbeitsresultat kann erst über eine Abfolge von ebenfalls nicht in allen Einzelheiten
festgelegten Teilzielen, die auf dem Weg zum Arbeitsresultat liegen, erreicht
werden."
Ebene 2:
Handlungsplanung
"Das Resultat der Arbeitsaufgabe ist nicht durch ein Bewegungsprogramm allein herzustellen, verschiedene Bewegungsprogramme müssen in neuartiger Weise miteinander verknüpft werden."
Ebene 1:
Sensumotorische Regulation
"Das Aktionsprogramm besteht aus einem Handlungsprogramm. Das Handlungsprogramm wird vom Arbeitenden selbst geplant. Es hat unterschiedliche Möglichkeiten
der Verknüpfung verschiedener Bewegungsprogramme vorher antizipatorisch durchgespielt und dann ein bis zum Arbeitsergebnis reichendes Handlungsprogramm festgelegt."
Auf der Grundlage der verschiedenen Handlungsregulationsebenen lassen sich die folgenden fünf Ebenen im interaktionellen Raum zwischen Benutzer und System ausmachen
(siehe Abbildung 2.1.2):
1. Interpretative Ebene: Hier sind die Interpretationen der direkt wahrnehmbaren Eigenschaften der repräsentierten Zeichen, Signale und Symbole auf der EAS angesiedelt;
inwieweit die wahrgenommenen Symbole bezüglich ihres Informationsgehaltes bezüglich des aktuellen Problemlösezustandes vom Benutzer adäquat interpretiert werden
können, hängt sicherlich sehr stark vom individuellen Wissensstand des jeweiligen
Benutzers und von der Gestaltung der wahrnehmbaren Struktur der Symbole ab (Rauterberg 1985). Dieser Aspekt ist dann auch bei der Gestaltung der EAS entsprechend
zu berücksichtigen (siehe auch Streitz, Lieser und Wolters 1989).
2. Evaluative Ebene: Hier steht die Einschätzung des Wirkungsaspektes der Operation
auf das zu bearbeitende Objekt im Vordergrund. Dabei sind die Bedingungen für die
Anwendbarkeit dieser Operation zu berücksichtigen (z.B. setzt DELETE <file_name>
voraus, dass das Objekt <file_name> existiert). So können in der Regel nur bestimmte
Operatoren auf bestimmte Objekte sinnvoll angewendet werden, um die angestrebten
spezifischen Effekte zu erzielen. Es ist z.B. das Löschen einer Datei – im pragmatischen Sinne gesehen – grösser von seinem Wirkungsgrad her, als das Löschen eines
einzelnen alphanumerischen Zeichens in einer Textdatei. Es ist also der durch die Eingabe unmittelbar bewirkte Veränderungsgrad (pragmatische Komplexität) des Arbeitsobjektes gemeint.
3. Konzeptuelle Ebene: Der Benutzer muss die Ziele und Teilziele zur Bewältigung einer
Aufgabe in aufgabenbezogene Handlungssequenzen umsetzen, um diese dann auf die
26
Der interaktionelle Raum 2.1
im System vorhandene Anwendungsfunktionalität abbilden zu können. Eine aufgabenangemessene Systemgestaltung erlaubt dem Benutzer eine möglichst direkte Abbildung seiner aufgabeninternen Ziele und Handlungssequenzen auf die im System vorhandene Funktionalität zur Erreichung dieser Ziele.
4. Semantische Ebene: Hier ist die Wechselwirkung zwischen Anwendungssystem und
Dialogsystem angesprochen. Wie muss eine inhaltlich angemessene Interaktionssequenz aussehen, um ein gesetztes (Arbeits-) Ziel zu erreichen? Dabei spielt das mentale
Modell des Benutzers von den elementaren Bedeutungskomponenten der verwendeten
Operatoren (Kommandos, direktmanipulierbare Aktionen usw.) eine herausragende
Rolle. Welche interaktive Problemlösungsstrategie muss der Benutzer entwickeln, um
seine Intentions-Aktions-Diskrepanz zu bewältigen?
5. Syntaktische Ebene: Hier ist die korrekte Handhabung des Interaktionssystems in rein
syntaktischem Sinne gemeint; d.h., dass der Benutzer eine syntaktisch korrekte Alternative aus allen syntaktisch möglichen Eingaben auswählen soll. Bei der Verwendung
eines kommandogesteuerten Interaktionssystems sollte bei der Namensvergabe für die
einzelnen Kommandos auf den syntaktischen Kontext aus der ursprünglichen Sprachumgebung geachtet werden (z.B. SUBSTITUTE <new item> (for) <old item>, aber
im Deutschen ERSETZE <alt> (durch) <neu> !); bei einer direktmanipulierbaren Benutzungsoberfläche (z.B. eine Desktopoberfläche) ist die Syntax der meisten Operatoren über die Maussteuerung extrem einfach (z.B. 'Positionierung des Maus-Cursors'
und 'Mausklick').
Die interaktiven Dialogschleife (IDS) aus handlungstheoretischer Perspektive ist jedoch in
dem hier vorgestellten Sinne lediglich auf die direkte Interaktion mit dem System beschränkt. Will man auch den Arbeitskontext, wie dies in dem oben erwähnten IFIP-Modell durch die organisationale Schnittstelle vorgesehen ist (siehe Abbildung 2.0.1), mit in
die benutzungsorientierte Evaluation und Gestaltung interaktiver EDV-Systeme einbeziehen, so muss das handlungstheoretische Konzept der '(Selbst)-Kontrolle' auch diesen
Bereich mit umfassen. Wenn man dies tut, so ergeben sich neue Gestaltungsdimensionen
(z.B. 'Partizipation', 'Autonomie'), deren Gestaltungsbereiche dem konkreten Design der
Benutzungsoberfläche vor- bzw. nachgelagert sind.
2.2
O PERATOREN IM H ANDLUNGSRAUM DES B ENUTZERS
Nachdem der psychoregulatorische Handlungsprozess nach Hacker (1978, 1986) sowie
Oesterreich und Volpert (1987) vorgestellt wurde, gilt es nun den Problemlöseprozess auf
operativer Ebene zu beschreiben. Wir werden die systeminternen Algorithmen, welche
27
2 Die Benutzungsoberfläche
während der Interaktion aktivierbar sind, Funktionen nennen. Die Aktivierung einer
Funktion erfolgt aus Sicht der Benutzer durch eine Operation, welche die Eingabe eines
Operators bedeutet. Die Eingabe eines Operators kann aus der Ausführung einer oder
mehrerer Aktionen bestehen.
AufgabenStruktur
Benutzungsoberflche
Sicht der
SoftwareentwicklerIn
('von innen')
Sicht der BenutzerIn
('von aussen')
Operator
SystemStruktur
Operation
Funktion
Abbildung 2.2.0.1 Die beiden unterschiedlichen Sichten auf die Ein/Ausgabe-Schnittstelle: (1.) die Benutzersicht und (2.) die Softwareentwicklersicht.
Die Sicht des Softwareentwicklers und die Sicht des Benutzers sind oftmals sehr unterschiedlich und zum Teil genau entgegengesetzt (siehe Abbildung 2.2.0.1). Diese entgegengesetzte Sichtweise liegt in den unterschiedlichen Funktionswelten begründet. Weil
der Softwareentwickler primär in Algorithmen und Datenstrukturen denkt und handelt, erfolgt die Abbildung der systeminternen Zustandsräume auf die Benutzungsoberfläche sozusagen 'von innen' heraus. Der Benutzer dagegen nimmt ein interaktives System weitgehend nur 'von aussen' wahr. Der Benutzer wählt einen interaktiven Operator aus, führt
die entsprechende Operation aus und aktiviert die zugehörige systeminterne Funktion.
2.2.1
Allgemeine Klassifikation von Operatoren
Zunächst müssen die allgemeinen Grundlagen von der Verwendung von Operatoren in
einem Problemlösungsprozess vorgestellt werden. Aufbauend auf diesen Aspekten lassen
sich die einzelnen Benutzeraktionen sinnvoll klassifizieren und entsprechend gestalterisch
umsetzen. Wenden wir uns zunächst dem Problemlösungsprozess zu. Dörner (1974) dimensioniert den Problemlösungsprozess in vier allgemeine Prozeduren: 1. Startpunktauswahl, 2. Zielpunktsetzung, 3. Operatorauswahl und 4. Interpolation. Den Problemlö-
28
Operatoren im Handlungsraum 2.2
sungsbereich teilt Dörner (1974) in die beiden folgenden Bereichsmerkmale auf (siehe Tabelle 2.2.1.1): (1.) Objektbereichsdimensionen und (2.) Operatorbereichsdimensionen.
Tabelle 2.2.1.1 Übersicht über die verschiedenen Objekt- und Operatorbereichsdimensionen (nach Dörner 1974).
Bereichsdimensionen
für Objekte
• Komplexität der Objekte
• Transparenz der Objekte
• 'freie' Komponenten
• Bekanntheit der Objektdimensionen
• Ähnlichkeit der aktuell bearbeiteten Objekte mit
den Objekten anderer Problemräume
für Operatoren
• Wirkungsbreite der Operatoren
• direkte Reversibilität der Operatoren und des
Operatorsystems
• indirekte Reversibilität im Operatorsystem
• Eingangsbestimmbarkeit der Operatoren
• Ausgangsbestimmbarkeit der Operatoren
• Anwendungsbreite der Operatoren
• elementare Operatoren vs. Makrooperatoren
• elementare bzw. Makrooperatoren vs. Metaoperatoren
• zeitliche und/oder materielle 'Kosten' der Operatoranwendung
Im folgenden seien kurz die einzelnen Bereichsdimensionen – zuerst die Objektbereichsdimensionen und dann die Operatorbereichsdimensionen – erläutert.
Komplexität der Objekte:
Die Komplexität der Objekte setzt sich zusammen aus der Anzahl der Komponenten
und der Anzahl der Beziehungen zwischen diesen Komponenten. Dabei hat sich die
Anzahl von sieben (z.B. 'chunks') als besonders günstig bezüglich der Eigenschaften
des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses herausgestellt.
Bei sehr komplexen Objekten wird entweder sehr viel Zeit für den Aufbau eines adäquaten mentalen Modells über das komplexe Objekt benötigt (wegen der Überführung der Objektstruktur in das Langzeitgedächtnis), oder aber das Objekt wird in einer
komprimierten Form betrachtet – entweder durch Verringerung des Auflösungsgrades
der Betrachtung oder durch Aufdeckung und Auswahl der 'wesentlichen' Eigenschaften des Objektes.
Transparenz der Objekte:
Ein Objekt gilt als transparent, wenn alle (bzw. möglichst viele) seiner einzelnen
Merkmale bzw. Eigenschaften wahrnehmbar sind. Von aktueller Transparenz soll gesprochen werden, wenn die 'wesentlichen' Eigenschaften direkt wahrnehmbar und
damit erkennbar sind. Als potentielle Transparenz gilt, wenn erst nach Durchführung
29
2 Die Benutzungsoberfläche
bestimmter Operationen (mittels der 'Transparenz'-Operatoren) die Objekteigenschaften erkennbar werden. Die Intransparenz – im Sinne von potentieller Transparenz –
macht also die Anwendung von Operatoren vor oder parallel zur eigentlichen Aufgabenbearbeitung zur Aufdeckung der verborgenen Objektmerkmale erforderlich. Falls
dies nicht möglich ist, kann die eigentliche Aufgabenbearbeitung im Sinne eines Problemlösungsprozesses nur unter zusätzlicher Unsicherheit bewältigt werden und ergibt
somit eine zum Teil nicht unerhebliche Quelle psychomentaler Belastung.
'Freie' Komponenten:
Diese Dimension lässt sich am besten durch die Beschreibung ihrer beiden Enden verdeutlichen. Das eine Ende handelt von der Umwandlung von 'Ganzheiten', denen man
nichts 'abschneiden' oder 'hinzufügen' kann, wobei man also immer die unzerlegbare
Gesamtsituation vor sich hat. Bei dieser Art von Problemlösungsbereichen gibt es
keine freien Komponenten.
Das andere Ende handelt von Problemräumen, bei denen die zu bearbeitenden Objektkomponenten in Form eines 'Baukasten' vorliegen. Die gesuchten bzw. angezielten
Objekte können über die einzelnen Komponenten aufgebaut bzw. konstruiert werden.
Bei dieser Art von Problemräumen hat man also zunächst nur 'freie' Komponenten.
In einem Problemraum mit 'freien' Komponenten spielen die Operatoren mit Vermehrungs- und Verminderungswirkung (gegenüber den Tausch- und Wandlungsoperatoren) eine herausragende Rolle.
Als Beispiel für einen Problemraum mit zunächst überwiegend 'freien' Komponenten
(der ASCII-Zeichensatz) kann die Klasse der verschiedenen Textverarbeitungsprogramme dienen, wobei das Texteinfügen als Operator mit Vermehrungswirkung und
das Textlöschen als Operator mit Verminderungswirkung angesehen werden kann.
Bekanntheit der Objektdimensionen:
Zunächst lassen sich drei Objektdimensionen unterscheiden:
– Komposition ist die Aufzählung der im Objekt vorhandenen Komponenten;
– Hierarchieform ist die Aufzählung der Über- oder Unterordnungen der verschiedenen
Verknüpfungen;
– Verknüpfungsform ist die Aufzählung der zwischen den Komponenten und Objektteilen bestehenden Verknüpfungen.
Einzelne Problemräume zeichnen sich dadurch aus, dass die Art der Komponenten relativ klar erkennbar ist. Bei anderen Problemräumen hingegen besteht ein zum Teil
30
Operatoren im Handlungsraum 2.2
nicht unerheblicher Interpretationsspielraum (z.B. hinsichtlich des 'Auflösungsgrades') und dann damit auch hinsichtlich der als relevant zu betrachtenden Art der Komponenten. Je nachdem, welche Art der Komponenten den Objekten zugrunde gelegt
wird, ist auch die Unterscheidbarkeit und Bearbeitbarkeit dieser Objekte festgelegt
(d.h. Auswahl der Operatoren).
Ähnlichkeit der Objekte eines Problemraumes mit denjenigen Objekten anderer Problemräume:
Falls bei einem Problemlösungsprozess in einem Problemraum das gegebene Operatorinventar als (vermeintlich) unzureichend angesehen wird, kommt es häufig aufgrund der Ähnlichkeiten der zu bearbeitenden Objekte mit Objekten aus anderen Problemräumen (hier im Sinne von Interaktionskontexten) zu einem Transfer der Operatoren (hier im Sinne von Interaktionsoperationen) aus dem anderen Problemraum. Daher
ist diese Objektdimension eng mit dem Operatorsuchprozess verbunden.
Man kann die Übertragung von Operatoren aus einem Bereich in den anderen als eine
Übertragung von Relationen aus einem Realitätsbereich in den anderen – aktuell gültigen – ansehen. Dieses Vorgehen wird als 'Analogie'-Schluss bezeichnet. Die Anwendbarkeit dieses bei kreativen Problemlösungsprozessen oft sehr entscheidende
Schlussverfahren darf jedoch nicht darüber hinwegsehen lassen, dass die Angemessenheit der diesem Schlussverfahren zugrundeliegenden Objektähnlichkeiten genau geprüft werden muss bzw. dass bei zu grosszügiger Auslegung der Ähnlichkeiten es
sehr leicht zu Fehlschlüssen im Sinne von inadäquater Operatorauswahl kommen
kann. Eine wesentliche Voraussetzung für einen adäquaten Analogieschluss ist die
Transparenz der Objekte in den verschiedenen Problemräumen.
Nachdem die Objektbereichsdimensionen vorgestellt worden sind, sollen jetzt die wesentlichen Eigenschaften der Operatorbereichsdimensionen zur Sprache kommen.
Wirkungsbreite der Operatoren:
Eine Absichtenmatrix (bzw. Zielmatrix) stellt in systematischer Form alle die bei einem
Problemlösungsprozess relevanten Absichten dar. Die Absichten sind im einzelnen abhängig voneinander, weil z.B. die Objektdimensionen nicht orthogonal sind.
"Als Mass für die Wirkungsbreite eines Operators kann man nun die Anzahl
von Absichten nehmen, die man durch seine Anwendung erfüllen kann"
(Dörner 1974, S.60).
31
2 Die Benutzungsoberfläche
Die Wirkung eines Operators lässt sich in notwendige Wirkungen – diese treten immer
bei Operatoranwendung ein – und in akzidentelle Wirkungen – diese treten nur manchmal ein (die sogenannten 'Seiteneffekte') – unterscheiden.
'Breitband'-Operatoren zeichnen sich durch eine grosse Wirkungsbreite aus, wohingegen
'Schmalband'-Operatoren eine kleine Wirkungsbreite besitzen.
Die Schwierigkeiten bei der Handhabung von 'Breitband'-Operatoren ergeben sich
durch eben diese grosse Wirkungsbreite – insbesondere, wenn das Ausmass der Seiteneffekte gross ist –, so dass man Gefahr laufen kann, bei der Beseitigung der unbeabsichtigten Nebeneffekte auch gleichzeitig die angestrebte Hauptwirkung mit aufzuheben.
Zur Vermeidung von Seiteneffekten empfehlen sich daher möglichst spezifische
'Schmalband'-Operatoren. Falls man jedoch um die Verwendung von 'Breitband'Operatoren nicht umhinkommt, wird eine Nebenwirkungsanalyse im vorhinein erforderlich.
Direkte Reversibilität der Operatoren und des Operatorinventars:
Ein Operator heisst dann direkt reversibel, wenn die zweimalige Anwendung dieses
Operators den Ausgangszustand des bearbeiteten Objektes vollständig wieder herstellt.
Darüber hinaus gelten Operatoren ebenfalls als direkt reversibel, wenn ihre Auswirkungen durch die Anwendung genau eines anderen Operators rückgängig gemacht
werden können.
Ein Beispiel eines einfachen direktreversiblen Operators einer Desktopoberfläche ist
die Tastenkombination von SHIFT- und Maustaste zur Aktivierung bzw. Deaktivierung eines Desktopobjektes im Rahmen einer Mehrfachauswahl. Ebenfalls ein einfaches direktreversibles Operatorpaar ist das Öffnen eines Desktopobjektes durch den
doppelten Mausklick, wobei der Inhalt dann in einem Fenster erscheint, und das
Schliessen dieses Fensters durch den einfachen Mausklick im Schliessfeld des Fensters erfolgt.
Ein anderes reversibles Operatorpaar wäre das Kommando für das Starten eines Programmes und innerhalb des gestarteten Programmes das Kommando für seine ordnungsgemässe Terminierung (z.B. Aufruf eines Editors – z.B. durch WORD™ – und
das Verlassen dieses Editors – z.B. durch CRTL⊗Q –).
32
Operatoren im Handlungsraum 2.2
Es ist allgemein äusserst wünschenswert, dass die sich reversibel gegenüberstehenden
Operatoren auch als solche in der Dokumentation (z.B. Handbuch, Manual, Tutorial)
kenntlich gemacht werden!
Indirekte Reversibilität der Operatoren und des Operatorsystems:
Ein Operator heisst dann indirekt reversibel, wenn die Auswirkung dieses Operators
durch die Anwendung mehrerer anderer Operatoren wieder rückgängig gemacht werden kann. Je mehr Operatoren zur Wiederherstellung des Ausgangszustandes benötigt
werden, desto indirekter ist die Reversibilität.
Allgemein ist die Reversibilität eines Operators als notwendige Voraussetzung anzusehen,
wenn es um exploratives Verhalten auf Seiten des Benutzers geht. Hierunter würde auch
der oft beschriebene UNDO-Befehl fallen, wobei es oft an der gewünschten Ausgangsbestimmbarkeit und Anwendungsbreite dieses Operators mangelt. Was es damit auf sich
hat, soll kurz dargestellt werden.
Eingangsbestimmbarkeit der Operatoren:
Operatoren haben dann eine maximale Eingangsbestimmbarkeit, wenn die Abbildungen der Eingangszustände auf die Ausgangs- bzw. Folgezustände nach Anwendung dieser Art von Operatoren eineindeutige Relationen bilden. Man kann
anhand der Folgezustände also mit Sicherheit auf die Eingangszustände zurückschliessen. Bei hoher Eingangsbestimmbarkeit lassen sich Probleme häufig
durch Rückwärtsverkettung ('backward chaining') lösen, wobei man sich vom
Zielzustand rückwärts zum Eingangszustand 'vor'-arbeitet.
Ausgangsbestimmbarkeit der Operatoren:
Operatoren haben dann eine hohe Ausgangsbestimmbarkeit, wenn sich die vollständige Auswirkung vor der Anwendung dieses Operators vorhersagen lässt.
Je weniger Seiteneffekte auftreten und je weniger komplex ein Operator ist,
desto grösser ist die Ausgangsbestimmbarkeit; es nimmt oft mit zunehmender
Wirkungsbreite die Ausgangsbestimmbarkeit ab, so dass tiefer gehende Planungen mit zunehmender Anzahl von Operatoranwendungen mit einem entsprechend grösser werdenden Risiko behaftet sind. Das Ausmass an Ausgangsbestimmbarkeit begrenzt somit die Planungstiefe eines gegebenen Operatorsystems. Dies ist oft eine Quelle von psychischen Belastungen bei der Benutzung
interaktiver Systeme, wenn nämlich die Anzahl der Interaktionsschritte zur Erreichung eines Zielzustandes hoch und die dabei verwendeten Interaktionsoperatoren voll von Seiteneffekten sind.
33
2 Die Benutzungsoberfläche
Anwendungsbreite der Operatoren:
Die Anwendungsbreite eines Operators ist dann gross, wenn die Anzahl der einschränkenden Anwendungsbedingungen für diesen Operator gering ist. So hätte
ein allgemeines 'UNDO'-, 'Show'-, 'Move'- oder 'Delete'-Kommando dann
eine grosse Anwendungsbreite, wenn es auf die verschiedensten Datenobjekte
(ASCII-Dateien, HEX-Dateien, Datenbankdateien, Dateien mit ausführbaren
Maschinencode usw.) sinnvoll anwendbar ist. Dieser Aspekt wird häufig auch
unter dem Begriff der 'generic commands' diskutiert (Rosenberg und Moran
1985).
Anwendungschmale Operatoren setzen dagegen einen spezifischen Ausgangszustand voraus, bevor sie überhaupt angewandt werden können. Diese spezifischen Ausgangszustände müssen – zum Teil recht mühsam – hergestellt werden.
Wenn der Benutzer kein ausreichendes Wissen über die notwendigen Ausgangszustände hat und dies von dem interaktiven System nicht adäquat, d.h. kontextspezifisch dem Benutzer mitgeteilt werden kann, so sprechen wir von einer interaktiven Deadlock-Situation. Der Benutzer stellt fest, dass eine von ihm gewünschte Operation nicht ausführbar ist, ohne die Möglichkeit zu haben, die
notwendigen Aktionen zur Herstellung des benötigten Ausgangszustandes vornehmen zu können.
Elementare Operatoren vs. Makrooperatoren:
Ein Elementaroperator stellt die einfachste Aktionseinheit eines Operatorsystems dar.
Elementaroperatoren lassen sich in ihrer Wirkung nicht durch Kombinationen aus anderen Operatoren ersetzen. Elementaroperatoren können jedoch zu grösseren Aktionseinheiten zusammengefasst werden und bilden dann die Makrooperatoren. Je einfacher
die Elementaroperatoren in ihrer Wirkungsbreite sind ('Granulationsgrad'), desto notwendiger wird die Möglichkeit zur Konstruktion und zum Gebrauch von Makrooperatoren. Beim Erlernen der Handhabung eines Operatorsystems wird mit zunehmendem
Wissen über die Wirkungs- und Anwendungsbreite der Elementaroperatoren der Einsatz von Makrooperatoren wichtig, um insbesondere wiederkehrende Anwendungsketten von Elementaroperatoren zusammengefasst (in gleichsam automatisierter Form)
verwenden zu können. Dieser Aspekt wird insbesondere unter dem Thema 'Möglichkeiten des Aufbaus und Gebrauchs von Makrodialogbefehlen' diskutiert. Die Zusammenfassung von Makrooperatoren zu Makro-Makrooperatoren werden nach Dörner
(1974) als Organisationsschemata von Operatoren bezeichnet.
34
Operatoren im Handlungsraum 2.2
Elementare bzw. Makrooperatoren vs. Metaoperatoren:
Dienen die elementaren Operatoren der Bearbeitung der Objekte, so sind die Metaoperatoren dazu vorgesehen, die Syntax und/oder die Semantik der Elementaroperatoren
zu verändern. Diejenigen Operatoren, mit denen sich z.B. Makrooperatoren aufbauen
lassen, sind Metaoperatoren. Allgemein sind alle Operatoren, die die Komplexität des
Operatorinventars sowie ihre wahrnehmbaren Repräsentationen verändern, Metaoperatoren.
Komplexität des Operatorinventars:
Die Komplexität eines Operatorinventars setzt sich zusammen aus der Anzahl an Operatoren und aus den verschiedenen Anwendungsformen der einzelnen Operatoren. Je
nachdem ob ein Operator in mehrerlei Weise oder nur auf eine spezielle Weise auf ein
Objekt anwendbar ist, muss seine Anwendungsform unterschiedlich eingestuft werden. Ein Operator hat dann mehrere Anwendungsformen, wenn mit ihm ein Objekt in
mehrfacher Hinsicht bearbeitet werden kann (z.B. das 'mv'-Kommando unter
UNIX™ dient zum Verschieben, aber auch zum Umbenennen von Dateiobjekten).
Je geringer die Operatoranzahl und je eingeschränkter die Anwendungsform dieser
Operatoren ist, desto geringer ist die Komplexität des Operatorinventars.
Zeitliche und/oder materielle Kosten:
Hier ist der zeitliche und/oder materielle Aufwand angesprochen, der bei der Anwendung eines Operators notwendigerweise aufgebracht werden muss. Oftmals geht man
bei der Auswahl und Anwendung eines Operators lieber ein höheres Risiko ein
und/oder nimmt grössere materielle Kosten in Kauf, um den Effekt eines Operators in
kürzerer Zeit erreichen zu können.
Materielle Kosten würden im Kontext dieser Arbeit z.B. den Ausbau des Hauptspeichers, Anschaffung eines PCs mit lokalem Drucker und die Installation einer Harddisk
zur Geschwindigkeitssteigerung gegenüber Diskettenlaufwerken bedeuten.
2.2.2
Generische Operatoren
Eine besondere Gruppe von Operatoren sind die Grundoperatoren, auch 'generische'
Operatoren genannt (Rosenberg und Moran 1985). Diese Operatoren zeichnen sich dadurch aus, dass sie in vielen unterschiedlichen Dialogkontexten dem Benutzer zur Verfügung stehen. Je nach Beschaffenheit des zu bearbeitenden Objektes weisen diese Operatoren von sich aus bereits eine dem jeweiligen Objekt angemessene Semantik auf.
35
2 Die Benutzungsoberfläche
In dem Handlungsmodell der VDI-Richtlinie 5005 (1990) für den Bereich der Bürokommunikation wird als globaler Gestaltungsrahmen von der 'Ganzheitlichkeit der Büroarbeit' ausgegangen. Zunächst werden die notwendigen Basishandlungen der ganzheitlichen Vorgangsbearbeitung aufgelistet, dann werden die Gestaltungsaspekte dieser Basishandlungen im Rahmen der grundlegenden Strukturelemente einer jeden Handlungssteuerung (Zielsetzung-Aktionsdurchführung-Rückkopplung) unter besonderer Berücksichtigung des Wissensbedarfes bei der Handlungssteuerung beschrieben. Im Anwendungsmodell werden parallel zum Handlungsmodell die Basisanwendungen der Bürokommunikation für die vier konzeptuellen Ebenen (Aufgabenebene, funktionale Ebene,
operative Ebene und Ein/Ausgabeebene) beschrieben. Die Basisanwendungen auf der
Aufgabenebene sind: Dokumentbearbeitung, Dokumentverwaltung, Dokumenttransport,
Direktkommunikation und Organisationshilfen. Es gibt vier verschiedene Dokumenttypen: Text, Sprache, Bild und Daten. Auf der funktionalen Ebene lassen sich die Objekte
und Funktionen der Büroanwendungen beschreiben. Als allgemeingültige Funktionen auf
Dokumenten lassen sich ausmachen: Einrichten und Löschen, Öffnen und Schliessen,
Kopieren und Übertragen. Diese allgemeingültigen Funktionen gilt es auf der operativen
Ebene in generische Operatoren abzubilden. Die folgenden Gestaltungshinweise für die
Repräsentation der allgemeingültigen Funktionen auf der funktionalen Ebene werden angegeben:
• Gleichartige Funktionen wirken auf unterschiedliche Objekttypen jeweils typangepasst;
• es werden automatisch nur die jeweils geeigneten Funktionen für den zu bearbeitenden
Objekttyp dem Benutzer angeboten;
• Objekte mit übereinstimmenden Eigenschaften lassen sich zu Typen (Klassen) zusammenfassen.
Auf der operativen Ebene werden die vorhandenen Objekte, ihre Eigenschaften und
Funktionen grundsätzlich über 'Fenster' dem Benutzer zugänglich gemacht. Objekte und
die auf ihnen im aktuellen Dialogkontext verfügbaren Funktionen werden direkt über entsprechende Repräsentationen (z.B. maussensitive Bereiche) aktiviert. Nur über sichtbare
Repräsentationen (z.B. Inhaltsverzeichnisse) hat der Benutzer auch Zugang zu 'versteckten' Objekten. Auf der Ein/Ausgabeebene werden die geeigneten Formen der Repräsentationen spezifiziert, z.B. durch textuelle Hinweise, geeignete Markierungen von Objekten,
sichtbare Fensterinhalte oder zustandsabhängige Symboldarstellungen (Objekt ist vorhanden, ausgewählt, geöffnet, defekt usw.).
36
Operatoren im Handlungsraum 2.2
2.2.3
Transparenz- und Feedbackoperatoren
Da in der Regel der Zustandsraum (ZR) der DK bzw. AK sowie der zugehörigen Objekte
sehr gross ist, können nur kontextspezifisch ausgewählte Eigenschaften aufgrund der
physikalischen Begrenztheit einer jeden EAS automatisch, d.h. aktuell auf der EAS repräsentiert werden. Will der Benutzer Auskunft über weitere Zustandseigenschaften erhalten,
so muss er sich diese Informationen durch die Eingabe entsprechender DOpen beschaffen
(siehe Abbildung 2.2.3.1). Diese Menge an DOpen wird Transparenzoperatoren
(TOpen)1 genannt (Rauterberg 1987).
Benutzer
Handlung
Wahrnehmung
Ein/Ausgabe-Schnittstelle (EAS)
DialogKomponente
Repräsentation
Transparenz-Operatoren
Transformation
potentiell
aktuell
Dialog-Zustand
AnwendungsKomponente
Transparenz-Operatoren
Transformation
potentiell
aktuell
Anwendungs-Zustand
Abbildung 2.2.3.1 Die Unterscheidung von potentieller und aktueller Transparenz führt
zur Klasse der dialog- und anwendungsbezogenen Transparenzoperatoren (TOpen).
Alle diejenigen Zustandseigenschaften, welche sich der Benutzer durch einen TOp auf der
EAS repräsentieren lassen kann, ist der potentiell transparente Zustandsraum. Schmitt
(1983, S. 121) spricht in diesem Falle auch von einer transparenten Daten- bzw. Systemumgebung. Arend (1990) konnte zeigen, dass diese 'Prüfoperationen' zur Evaluation des
erreichten Systemzustandes die Performanz nachweislich erhöhen können.
Diejenigen Zustandseigenschaften, welche weder aktuell noch potentiell wahrnehmbar sind, sind für den Benutzer in-transparent. Diese Menge der unmittelbar intransparen-
1
TOp = Transparenz-Operator.
37
2 Die Benutzungsoberfläche
ten Zustandseigenschaften lässt sich jedoch manchmal von dem Benutzer aufgrund des
Systemverhaltens mittelbar erschliessen. Die Menge der TOpen lässt sich für die DK und
die AK getrennt definieren (siehe Abbildung 2.2.3.1). Dieser Aspekt der Transparenz
wird unter der Gestaltungsrichtlinie Feedback diskutiert und schon seit längerem gefordert (Norman 1983b, S.257; Spinas 1987, S. 51; Baitsch et al. 1989, S.79). Feedbackoperatoren (FOpen)1 sind eine Teilmenge der TOPen, welche sich auf das handlungsbezogene Feedback beziehen, wie Rückmeldung über die jeweils durchgeführte Operation
(Ablauffeedback) und den erreichten Objektzustand (Resultatfeedback; Ulich 1994, S.
168), sowie die im aktuellen Dialogkontext zugreifbaren Funktionen. Darüber hinaus gehören zur Menge der TOpen noch alle Funktionen, die zum Gestaltungsbereich der Unterstützung (wie Hilfesysteme, Tutorials usw.; siehe Moll 1989) gehören (bei Dehnig, Essig
und Maass 1978, sowie Viereck 1987 'Metadialog' genannt).
An dem einfachen Beispiel aus der Benutzungsumgebung des Betriebssystems
MsDOS™ lässt sich das Konzept der TOpen verdeutlichen: Objekte der Anwendungskomponente von MsDOS™ sind z.B. die auf der Festplatte bzw. Diskette verwalteten Dateien; diese Anwendungsobjekte lassen sich über die folgenden Eigenschaften wie
'Name.Extension', 'Grösse in Byte', 'Datum der Erstellung', 'Datum der letzten Änderung', 'Ort der Speicherung' beschreiben und auf der EAS entsprechend repräsentieren;
alle diese Eigenschaften sind jedoch nur potentiell transparent. Erst durch den TOp 'dirCR' lassen sich diese Eigenschaften sichtbar machen. Andere Oberflächen für MsDOS™
(wie z.B. PCTOOLS™, QDOS™, GEM™ oder MS-WINDOWS™) haben aus diesen
potentiell transparenten Eigenschaften aktuell transparente Eigenschaften werden lassen,
indem z.B. jeweils automatisch der aktuelle 'directory'-Inhalt auf der EAS repräsentiert
wird.
Ein sehr häufiges interaktives Problem kommt immer dadurch zustande, dass ein
bestimmter TOp nicht vorhanden bzw. dem Benutzer nicht bekannt ist, oder dass die aktuelle Erreichbarkeit des vom Benutzer benötigten TOp im aktuellen Dialogkontext nicht
gegeben ist. Diese Art von Problemen stellen ebenfalls eine Art von interaktiven 'deadlock'-Situationen dar.
1
38
FOp = Feedback-Operator.
3
ANFORDERUNGEN AN DIE SOFTWAREERGONOMISCHE PRODUKTGÜTE
"Vorteilhaft wirkt sich [bei einer anthropozentrischen Vorgehensweise] aus,
dass nicht nur informatische, sondern auch arbeitswissenschaftliche Kriterien
wie Ergonomie oder Arbeitspsychologie einbezogen werden, und der technische Einfluss der Informatiker erst in der Schlussphase der Projekte spürbar
wird" (Gysler 1991, S. 91).
In diesem Abschnitt werden zunächst die beiden unterschiedlichen Anforderungssichten –
die softwaretechnische Sicht und die arbeitspsychologische Sicht – an eine adäquate, benutzungsorientierte Systemgestaltung vorgestellt, um diese beiden Sichten dann in einer
Gestaltungsmatrix – hinsichtlich ihrer Verschränkungen – beschreiben zu können.
3.1
S OFTWARETECHNISCHE A NFORDERUNGEN
Es werden in der Literatur zur Softwareentwicklung aus der Informatikperspektive eine
Reihe von softwaretechnischen Qualitätsmerkmalen aufgelistet. Wenn in der Literatur
über Qualitätsmerkmale berichtet wird, so geschieht dies in der Regel in dem Kontext von
Softwareengineeringkonzepten (Kimm et al. 1979; Balzert 1982; Zehnder 1986; Sommerville 1987). Insgesamt gehen diese Autoren davon aus, dass die Güte eines Softwareproduktes von der Art und Weise des Softwareengineeringkonzeptes abhängt. Für die Fragestellungen im Rahmen dieser Arbeit gilt es zu nächst abzuklären, inwieweit die Gestaltung
der Benutzungsoberfläche ihren Niederschlag in den verschiedenen Softwareengineeringkonzepten bis heute gefunden hat.
Mit der zunehmenden Bedeutung interaktiver Softwaresysteme rückte das Konzept
der 'Benutzungsfreundlichkeit' in das Rampenlicht softwaretechnischer Anforderungen.
Neben der Fülle der rein auf das technische Produkt bezogenen Anforderungen wurden
auch einzelne Aspekte, welche den Endbenutzer (häufig auch als Anwender bezeichnet)
betreffen, hinzugenommen. Es geht im Rahmen dieser Arbeit nicht darum, einen repräsentativen Überblick über bisherige Ansätze zum Einbezug von Anforderungen an die Benutzungsfreundlichkeit in einschlägigen Softwareengineeringkonzepte zu liefern, sondern
vielmehr darum, herauszufinden, welche Aspekte bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben sind. Im folgenden werden die drei Aspekte des Konzeptes der 'Benutzungsfreundlichkeit' von Boehm, Brown und Lipow (1976) kurz vorgestellt (zitiert nach
Balzert 1982):
Robustheit:
"Grad, in dem ein Softwareprodukt eine wohlverständliche Reaktion bei nicht
vorgesehener Verwendung erbringt und seine Funktionsfähigkeit bewahrt."
39
3 Software-ergonomische Produktgüte
Verwertbarkeit:
"Grad, in dem ein Softwareprodukt den selektiven Gebrauch von Produktteilen
auch für andere Zwecke erleichtert."
Anpassbarkeit:
"Grad, in dem Form und Inhalt von Ein- und Ausgaben leicht geändert und angepasst werden können."
Geräteunabhängigkeit
Portabilität
Autarkie
Genauigkeit
Zuverlässigkeit
Vollständigkeit
Robustheit
Konsistenz
Zählbarkeit
Brauchbarkeit
Effizienz
Benutzerfreundlichkeit
SoftwareQualität
Geräteeffizienz
Verwertbarkeit
Anpassbarkeit
Testbarkeit
Wartbarkeit
Verständlichkeit
Selbsterklärung
Strukturierung
Kompaktheit
Änderbarkeit
Lesbarkeit
Erweiterbarkeit
Abbildung 3.1.1
Baum von Softwarequalitätseigenschaften, welche im Rahmen eines
Softwareerstellungsprozesses Berücksichtigung finden sollten (Boehm et al. 1976, zitiert
nach Balzert 1982).
Einen allgemein gültigen Satz von Gestaltungsrichtlinien für die Benutzungsfreundlichkeit
anzugeben, wird z.B. deshalb als schwierig erachtet, weil "es den Benutzer an sich nicht
gibt – und damit auch nicht die Benutzungsfreundlichkeit" (, S. 37). Eine entsprechende
Konsequenz aus Informatiksicht besteht darin, die Vielfalt der unterschiedlichen Benutzer
zu klassifizieren. So werden von Bauknecht und Zehnder (1989, S. 142) die folgenden
vier Typen von Benutzern aufgelistet:
40
Softwaretechnische Anforderungen 3.1
• Computerspezialisten (Experten)
• ständige Benutzer (Fortgeschrittene)
• gelegentliche Benutzer (Anfänger)
• Organisationsfremde.
Die grundlegende Dimension für diese und auch an anderer Stelle ähnlich vorzufindende
Klassifikationen ist völlig zu recht, der unterschiedliche Kenntnisstand und die entsprechende Fertigkeit im Umgang mit einem interaktiven Computersystem. Dies ist rückführbar auf eine wesentliche Eigenschaft des Menschen bzw. des Benutzers: Nämlich seine
Fähigkeit zu Lernen. Welche Konsequenzen dies für die Gestaltung von Benutzungsoberflächen hat, gilt es im Rahmen dieser Arbeit herauszufinden.
Schauen wir uns zunächst jedoch weiter im Bereich von Softwareengineeringkonzepten nach den Aspekten von 'Benutzungsfreundlichkeit' um. Bei Kimm, Koch,
Simonsmeier und Tontsch (1979) werden 'Anhaltspunkte' für ein vages Konzept von Benutzungsfreundlichkeit angegeben: Verständlichkeit, Angemessenheit und vernünftiges
Fehlerverhalten. Für den Softwareerstellungsprozess insgesamt werden die folgenden
Richtlinien für die Güte des Softwareproduktes als wichtig erachtet: Zuverlässigkeit des
Programms, Benutzungsfreundlichkeit, Flexibilität (im Sinne von Adaptabilität und Portabilität), Lesbarkeit des Programmcodes und Effizienz der Algorithmen.
In einem Einführungslehrbuch zum Softwareengineering wird im neunten Kapitel
"ein Gebiet behandelt, das normalerweise in Texten zum Softwareengineering nicht erwähnt wird: die Schnittstelle des Benutzers zum System" (Sommerville 1987, S. 255ff).
Aus diesem Zitat können wir erkennen, dass offenbar das Interesse an der Gestaltung der
Benutzungsoberfläche erst in den letzten Jahren Eingang in den Softwareerstellungsprozess gefunden hat. Es werden von Sommerville (1987) drei grundlegende Prinzipien des
Benutzerschnittstellenentwurfes vorgeschlagen:
• Die Schnittstelle muss den Bedürfnissen und Fähigkeiten jedes einzelnen Benutzers
entsprechen;
• die Schnittstelle muss konsistent sein;
• die Schnittstelle sollte über eingebaute Hilfseinrichtungen ('help-facilities') verfügen.
Mit diesen drei Sommerville'schen Prinzipien lassen sich im Vergleich zu den Ulich'schen Gestaltungsrichtlinien lediglich der Teil des Gestaltungskonzeptes abdecken, welcher sich mit der 'Berechenbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' befasst.
41
3 Software-ergonomische Produktgüte
Tabelle 3.1.1
Übersicht über Softwarequalitätsmerkmale und ihre unterschiedliche
Wichtigkeit für die drei beteiligten Personenkreise (Benutzer, Softwareentwickler und
Management) (in Anlehnung an Becker, Haberfellner und Liebetrau 1990, S. 269-270).
Softwarequalitätsmerkmale
Kopplungsfähigkeit
Verständlichkeit, Testbarkeit
Portabilität
Sicherheit
Effizienz
Benutzungsfreundlichkeit
Funktionserfüllung
Genauigkeit, Korrektheit
Wartungsfreundlichkeit, Anpassbarkeit
weitere Merkmale
Entwickler
x
x
x
Management
x
x
x
x
x
x
Benutzer
x
x
x
(x)
x
x
x
(x)
x
Wenn in Softwareengineeringkonzepten über die 'Benutzungsfreundlichkeit' berichtet
wird, dann sehr oft im Zusammenhang mit der Qualitätssicherung und Überprüfung eines
erstellten Softwaresystems. Im zwölften Kapitel seines Buches zählt Zehnder (1986) die
folgenden 15 Softwarequalitätsmerkmale auf, welche ein gutes Softwaresystem zu erfüllen hat:
"Vollständigkeit der Funktionen; Genauigkeit der Lösungen; Zuverlässigkeit
des Systems; Fehlertoleranz für aussergewöhnliche Situationen; Benutzerfreundlichkeit; Flexibilität in der Verwendung; Modularität im Sinne einer
strukturierten Form; Einfachheit im Sinne von Vermeidung unnötiger Komplexität; Ausbaufähigkeit; Verträglichkeit und Kompatibilität; Übertragbarkeit; Unterhaltsfreundlichkeit; Entwicklungseffizienz; Betriebseffizienz und
-leistung; Datenintegrität und -konsistenz bei permanenten Daten." (Zehnder
1986, S. 169ff.)
Leider ist bei Zehnder keine weitere Erläuterung des Qualitätsmerkmals der 'Benutzerfreundlichkeit' zu finden. Die Tabelle 3.1.1 gibt eine gute Übersicht über die unterschiedliche Bedeutung der verschiedenen Merkmale für jede der drei an einem Softwareerstellungsprozess beteiligten Personengruppen (Benutzer, Entwickler und Management).
Die einzelnen Softwarequalitätsmerkmale aus Tabelle 3.1.1 nach Becker, Haberfellner und Liebetrau (1990, S. 269-270) haben folgende Bedeutung:
Kopplungsfähigkeit:
"Möglichkeiten der Verbindung verschiedener Softwaresysteme (Programmiersprachen, Betriebssysteme, Benutzerschnittstellen, Protokolle, etc.)."
Verständlichkeit, Testbarkeit:
"Aufwand für das Verständnis der Funktionsweise und der strukturellen Zusammenhänge (klare Abgrenzung von Modulen und Programmen)."
42
Softwaretechnische Anforderungen 3.1
Portabilität:
"Übertragbarkeit eines Programmes und/oder von Datenbeständen auf andere
Hardwaresysteme (Programmiersprachen, Betriebssysteme). Lauffähigkeit bei
Release-Änderungen, etc."
Sicherheit:
"Vorgesehene Schutzmassnahmen der Software, die einen unerlaubten Zugriff,
unabsichtliche oder absichtliche Aneignung oder Zerstörung von Daten verhindern" (siehe auch Bauknecht und Strauss 1989; Strauss 1990).
Effizienz:
"Optimale Ausnutzung von Hardwareressourcen, kurze Verarbeitungs- und
Laufzeiten."
Benutzerfreundlichkeit:
"Robustheit soll verhindern, dass Bedienungsfehler die Funktionsweise beeinträchtigen."
"Benutzerdokumentation soll vollständig, richtig und übersichtlich sein."
"Ergonomie soll die Anpassung an den natürlichen Arbeitsablauf, benützergerechte Dialogkonzeption, etc. ermöglichen."
Funktionserfüllung:
"Übereinstimmung der Funktionen mit den applikatorischen Anforderungen."
Genauigkeit, Korrektheit:
"Programm soll die angegebenen Funktionen zuverlässig für alle zugelassenen
Daten erbringen, ausreichende numerische Genauigkeit."
Wartungsfreundlichkeit, Anpassbarkeit:
"Erleichterung späterer potentieller Änderungen (Fehlerbehebung, Anpassung,
Erweiterung)."
weitere Merkmale wie:
"Gewährleistung, Weiterentwicklung, Bereitschaft der Lieferanten zu benutzerindividuellen Anpassungen, Einführungsunterstützung (Implementierung, Schulung, etc.), Preise, Lieferkonditionen."
Die Verwendung dieser Qualitätsmerkmale erfolgt erst in der vorletzten Phase – der Testphase – eines normalen, phasenförmigen Softwareengineeringprozesses. Hierdurch ist
auch zu erklären, warum die Gruppe der Softwareentwickler nur bei den Merkmalen
'Testbarkeit', 'Anpassbarkeit', 'Portabilität' und 'Kopplungsfähigkeit' laut Tabelle 3.1.1
in Erscheinung treten. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass man allgemein davon
ausgeht, dass die folgenden Massnahmen die Qualität der Software insgesamt erhöhen:
• Beachtung der Prinzipien des Softwareengineering (Sommerville 1987),
• Beachtung der Regeln der strukturierten Programmierung (Dijkstra 1976),
• gute Testorganisation (Wallmüller 1990, 1995).
Eine brauchbare Verwendung von diesen Qualitätsmerkmalen kann erst dann erfolgen,
wenn "die Merkmale operationalisiert sind, d.h. wenn Kriterien festgelegt sind, die es ermöglichen festzustellen, ob die jeweilige Eigenschaft vorhanden ist oder nicht. Bei vielen
Merkmalen ist auch unklar, ob sie unabhängig voneinander sind oder nicht. Softwarepro-
43
3 Software-ergonomische Produktgüte
dukte werden erst dann vergleichbar, wenn die Merkmale quantifizierbar und messbar
sind" (Balzert 1982, S.14). Wartungskosten – als ein softwaretechnisches Kriterium –
lassen sich gemäss der folgenden Formel abschätzen (Sommerville 1987, S. 247):
Wartungskosten:
WK = JÄR * EZ
Es haben in der angegebenen Formel die einzelnen Abkürzungen folgende Bedeutung:
WK: Wartungskosten (engl: AME 'Annual Maintenance Effort'), JÄR: Jährliche Änderungsrate (engl: ACT 'Annual Change Traffic') und EZ: Entwicklungszeit (engl: SDT
'Software Development Time'). Weitere Metriken wurden von Boehm et al. (1978) entwickelt und leider nur zum Teil empirisch validiert. Daher konnten sich die Versuche, die
Wartungsfreundlichkeit von Software über die in der Software enthaltene Komplexität zu
quantifizieren (McCabe 1976; Halstaed 1977), nur bedingt durchsetzen (Shepard et al.
1979). Eine empirische Validierung der Masse erfolgt erst in neuerer Zeit (Ebert 1992)
und wird von Basili (1993) ausdrücklich gefordert.
Zum Schluss dieses Abschnittes möchte ich noch auf den Aspekt der Systemantwortzeit zu sprechen kommen. Die Systemantwortzeit hängt sehr stark von den eher technischen Systemressourcen (Hardware, Betriebssystem, effiziente Algorithmen usw.) ab
(Gibson und Senn 1989). Warum eine angemessene Systemantwortzeit wichtig ist, soll
kurz aus einer allgemeinpsychologischen Perspektive des Lernens betrachtet und begründet werden. Damit ein vom Benutzer auf der EAS wahrgenommenes Zeichen zu
einem handlungsleitenden Signal wird, müssen die zum Gestaltungsbereich 'Vorhersehbarkeit' aufgezählten Bedingungen erfüllt sein. Die in diesem Zusammenhang wichtigen
lerntheoretischen Erkenntnisse beziehen sich auf die lernpsychologischen Befunde zum
'instrumentalen Bedingen' oder zur 'bedingten Aktion' (Klix 1976, S. 375-384). Beim
Lernen gemäss dem 'instrumentalen Bedingen' müssen zwei Phasen unterschieden
werden: "Einen Suchprozess bei vollständig unbekannter Umgebung und als Folge der
ersten Bekräftigung einen Suchprozess mit Gedächtnis für die relevanten Situationsmerkmale und die letzte notwendige motorische Aktion" (Klix 1976, S.377).
Es wird ein Ausgangszustand – charakterisiert durch eine bestimmte Menge an relevanten Merkmalen ('Signalen') – durch die Eingabe von Interaktionsoperatoren in einen
Folgezustand überführt. Für den Aufbau eines adäquaten mentalen Modells muss der Benutzer einen Zusammenhang zwischen den relevanten Situationsmerkmalen des Ausgangszustandes einerseits mit den entsprechend eingegebenen Interaktionsoperatoren andererseits. Es hat sich als besonders günstig erwiesen, wenn die Rückmeldung über den
Erfolg bzw. Misserfolg der Operation bestimmte, zeitkritische Werte nicht überschreitet
(siehe Abbildung 3.1.2).
44
Softwaretechnische Anforderungen 3.1
Erinnerungsleistung
100%
80%
60%
40%
20%
0
9
12
15
18
3
6
Zeitintervall bis zur Erinnerung (in Sekunden)
Abbildung 3.1.2
Behaltenskurve des Kurzzeitgedächtnisses: Die Erinnerungs- bzw.
Behaltensleistung bezüglich der Gedächtnisinhalte im Kurzzeitgedächtnis nimmt mit der
Dauer des zeitlichen Intervalls bis zum Abruf dieser Gedächtnisinhalte monoton ab (aus:
Hilgard, Atkinson und Atkinson 1975, S.236).
Die Erinnerungsleistung des Kurzzeitgedächtnisses sinkt innerhalb der ersten fünf bis
neun Sekunden rapide ab. Es ist daher unumgänglich, dass zum Aufbau stabiler Zusammenhangsstrukturen eine möglichst schnelle, d.h. 'direkt' wahrnehmbare (z.B. visuelle)
Rückmeldung erfolgen sollte. Diese Rückmeldung muss darüber hinaus im primären Aufmerksamkeitsfokus (z.B. dem fovealen Gesichtsfeld) des Benutzers liegen (Bruce und
Green 1992, Rauterberg und Cachin 1993). Nur wenn man bei sehr grossen EASen
(z.B. Bildschirme mit einer Bildschirmdiagonalen von über 12 Zoll) diese beiden Bedingungen einhält, kann erreicht werden, dass die Zeit für das Absuchen der gesamten Bildschirmoberfläche zum 'Updaten' der intern gespeicherten relevanten Signale sich nicht
hinderlich auf den Aufgabenbearbeitungsprozess auswirkt.
Der Kern des instrumentalen Bedingens besteht also darin, dass die zu einer bestimmten Zielerreichung notwendigen Handlungsschritte mit den entsprechenden Merkmalen eines Ausgangszustandes nur innerhalb eines begrenzten Zeitintervalls (null bis
drei Sekunden) in unmittelbare Verbindung gebracht werden können. Die entstehende
kognitive Belastung des Benutzers durch zu lange Systemantwortzeiten ohne jegliche
Rückmeldung an den Benutzer kann und muss vermieden werden (Boucsein, Greif und
Wittekamp 1984; Schaefer, Kuhmann, Boucsein und Alexander 1986; Boucsein 1987;
Frese 1987a). Das ist eine Seite der Beanspruchung. Die andere Seite ist, dass – vor
allem nicht kalkulierbare – arbeitsablaufbedingte Wartezeiten eine erhebliche Belastung
bzw. Beanspruchung bewirken.
45
3 Software-ergonomische Produktgüte
Hier kommt die softwaretechnische Gestaltungsrichtlinie 'Effizienz' voll zum Tragen. Die Entwicklung preiswerter Hardware und ihr Einsatz im Bereich der Arbeitsplatzrechner (PCs und Workstation) lassen eine positive Entwicklung erkennen, bei der dem
Benutzer eine möglichst umfassende technische 'Power' zur Verfügung gestellt wird.
Erst wenn diese grundlegenden Aspekte des technischen Systems gewährleistet sind, lassen sich sinnvolle Gestaltungsmassnahmen aus arbeitspsychologischer Sicht für die interaktive Software umsetzen. Wir gehen daher im weiteren davon aus, dass das technische
System keine unnötige Beschränkung hinsichtlich Antwortzeit und Speicherplatz aufweist
und zuverlässig arbeitet.
3.2
A RBEITSPSYCHOLOGISCHE ANFORDERUNGEN
Schauen wir uns die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' des Konzeptes zur benutzungsorientierten Softwaregestaltung von Ulich etwas genauer an, so stellen wir fest, dass 'Flexibilität' in das umfassendere Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' eingebunden ist (Ulich
1988, S. 52-54). Der 'Tätigkeitsspielraum' setzt sich aus den drei Dimensionen Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum zusammen.
Motiv
Tätigkeit
Ziel
Handlung ...
gegenständliche
Bedingungen
Operation ...
Abbildung 3.2.1
Die hierarchische Tätigkeitskonzeption nach Leontjew (1979).
Die Tätigkeit im Sinne von Leontjew (1979) ist eine recht komplexe Strukturierung von
einzelnen Teiltätigkeiten und Handlungen. Tätigkeiten werden über Motive initiiert,
Handlungen über Ziele gesteuert und Operationen über die gegebenen gegenständlichen
Bedingungen festgelegt (siehe Abbildung 3.2.1). Zu diesen 'gegenständlichen Bedingungen' im Rahmen der Mensch-Computer-Interaktion gehört unter anderem die konkrete
Ausgestaltung der Benutzungsoberfläche.
Die drei Dimensionen 'Entscheidungs-', 'Gestaltungs-' und 'Handlungsspielraum'
stecken jeweils den Rahmen für die ihnen entsprechenden Aspekte menschlichen Handelns ab (Ulich 1988, S. 54-55; siehe Abbildung 3.2.2):
46
Arbeitspsychologische Anforderungen 3.2
Die Grösse des Entscheidungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Autonomie, das mit einer Tätigkeit verbunden ist;
die Grösse des Gestaltungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Variabilität einer Handlung bzw. Teiltätigkeit;
die Grösse des Handlungsspielraumes bestimmt das Ausmass an Flexibilität bei
der Ausführung einer Operation bzw. Teilhandlung.
Die einzelnen Operationen setzen sich selbst wiederum aus verschiedenen Aktionen zusammen. Aus dem hier kurz vorgestellten Konzept des Tätigkeitsspielraumes wird somit
der Stellenwert der Gestaltungsrichtlinie der 'Flexibilität' für die Ausgestaltung des Handlungsspielraumes auf operationeller Ebene ersichtlich.
Entscheidungsspielraum
Gestaltungsspielraum
Handlungsspielraum
Abbildung 3.2.2
Autonomie
Tätigkeit
Variabilität
Handlung ...
Flexibilität
Operation ...
Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' nach Ulich (1988).
Das Ausmass an Autonomie in der Tätigkeit (der Entscheidungsspielraum) wird durch die
Mensch-Mensch-Funktionsteilung an der Organisationsschnittstelle festgelegt. Das Ausmass an Variabilität der auszuführenden Handlungen bzw. Teiltätigkeiten im Umgang mit
dem Computer (der Gestaltungsspielraum) wird durch die Mensch-Maschine-Funktionsteilung an der Werkzeugschnittstelle definiert. Die Interaktionsschnittstelle legt das Ausmass an Flexibilität (der Handlungsspielraum) der einzelnen Anwendungs- und Dialogoperationen fest.
Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' (siehe Abbildung 3.2.2) ist ein strikt hierarchisch, top-down strukturiertes Konzept. Um die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' in diesem Konzept berücksichtigen zu können, werden entsprechende Rückwirkungsmöglichkeiten von 'unten nach oben' – vom Handlungsspielraum zum Entscheidungsspielraum – vorgesehen (Abbildung 3.2.3).
Wichtig hierbei ist zu erkennen, dass jede Aktivität (Operation oder Handlung) im
Sinne der Individualisierbarkeit eine Metaaktivität ist; eine Metaaktivität deshalb, weil bei
dieser Art von Aktivität ausschliesslich die Rahmenbedingungen (der Gestaltungs- und
47
3 Software-ergonomische Produktgüte
Entscheidungsspielraum) beeinflusst werden, unter denen dann die Tätigkeiten,
Handlungen und Operationen ausgeführt werden können. Nur wenn im Handlungs- bzw.
Gestaltungsspielraum dem Benutzer Metaoperatoren zur Verfügung stehen, die den Gestaltungs- bzw. Entscheidungsraum beeinflussen können, kann das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' den Selbstverwirklichungspotentialen und -bedürfnissen des Benutzers
voll umfänglich gerecht werden.
Entscheidungsspielraum
Gestaltungsspielraum
Handlungsspielraum
Autonomie
Tätigkeit
Variabilität
Handlung ...
Flexibilität
Operation ...
Abbildung 3.2.3
Das Konzept des 'Tätigkeitsspielraumes' erweitert um die Dimension der Individualisierbarkeit. Die Rückwirkung vom Handlungsspielraum auf den Gestaltungsspielraum und von diesem wiederum auf den Entscheidungsspielraum entspricht
der Forderung nach Individualisierbarkeit.
Der Benutzer erwirbt im Laufe der Bewältigung interaktiver Probleme ein zunehmend adäquateres Wissen ('mentales Modell') über die Software (Rauterberg 1992b). Leider hat
sich jedoch in der Praxis gezeigt, dass die Aneignung der Funktionalität bei einem Prozentsatz von 20 bis 40 Prozent stagniert (Greenberg und Witten 1988). Wieso ist das so?
Offenbar kommt der Benutzer nach einer Kostennutzenabwägung zu dem Schluss, dass
die erlernte Funktionalität für die Bewältigung der meisten alltäglichen Aufgabenstellungen ausreicht. Eine weitere Aneignung von Systemeigenschaften wäre mit einem unverhältnismässig hohen Aufwand verbunden. Dies deutet darauf hin, dass die bisherige
Lernpraxis sich für den Benutzer durch übermässig hohe mentale Anstrengung, Desorientierung und/oder andere unangenehme Erfahrungen auszeichnet. Ein Grund für diese negative Einstellung kann darin gesehen werden, dass die meisten interaktiven Softwareprodukte der menschlichen Lern- und Handlungssituation nicht angepasst sind.
Bei dem Entwurf und vor der Ausführung eines Handlungsplanes in Form von
Operationsfolgen kommt es zunächst einmal darauf an, dass der Benutzer den aktuellen
Systemzustand (Dialog- und Anwendungszustand) zutreffend erkennen kann. Der Benutzer muss wissen, wo er sich gerade befindet; dies setzt voraus, dass er sich adäquat
orientieren kann.
48
Arbeitspsychologische Anforderungen 3.2
1
AUFGABE(N)
Ziel-, Teilziel-Setzung
4
2
Kontrolle der
Ausführung
Planung der Ausführung
Auswahl der Mittel
3a
mentale Ausführung
3b
physikalische Ausführung
Abbildung 3.2.4
Der vollständige Handlungszyklus (siehe auch Ulich 1994, S. 168).
Wie sieht ein interaktives Softwareprodukt aus, welches der menschlichen Lern- und
Handlungssituation angepasst ist? Dazu ist es zunächst einmal notwendig zu verstehen,
wie ein Mensch Handlungen aufbaut. Dabei lassen sich die folgenden vier Phasen1 einer
vollständigen Handlung unterscheiden (siehe Abbildung 3.2.4):
(1.)
Das selbständige Setzen von Zielen, die in übergeordnete Zielkomplexe eingebettet sind, sowie die Orientierung auf das aktuelle (Teil)-Ziel;
(2.)
Handlungsvorbereitung, Planung, sowie die Auswahl der Mittel zur adäquaten
Zielerreichung;
(3.)
Ausführung mit Ablauffeedback zur gegebenenfalls notwendigen Handlungskorrektur;
(4.)
Kontrolle mit Resultatfeedback, um die Ergebnisse der Handlung auf Übereinstimmung mit den gesetzten Zielen überprüfen zu können.
Wenn wir das Konzept des vollständigen Handlungszyklus unter Berücksichtigung des
Fünf-Ebenen-Modells der interaktiven Dialogschleife auf die verschiedenen Tätigkeits-,
Handlungs- und Operatorstrukturen anwenden, so erhalten wir eine Auflistung der sich
ergebenden Problem- bzw. Gestaltungsbereiche (siehe Tabelle 3.2.1; in Anlehnung an
Rasmussen 1986 und Volpert 1987). Eine unzureichende Gestaltung der Tätigkeit lässt
sich durch eine noch so gute Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle nicht ausgleichen (Ulich 1993b). So kann Ulich (1993a) zeigen, dass arbeitsorientierte Gestaltungs-
1
Im Unterschied zur 'vollständigen Handlung' in Kapitel 2.1 nach Hacker (1986) fassen wir 'Vorsatzbildung', 'Zielsetzung' und 'Orientierung' zusammen.
49
3 Software-ergonomische Produktgüte
konzepte oftmals mit grundlegenden Veränderungen vorherrschender Organisationsstrukturen verbunden sind. Erst die konsequente Anwendung des Konzeptes der vollständigen
Aufgabe ermöglicht nicht nur eine humangerechte Aufgabengestaltung, sondern bewirkt
zudem oftmals eine wirtschaftliche Effizienzsteigerung (Theerkorn und Lingemann
1987).
Tabelle 3.2.1
Übersicht über die vollständigen Handlungszyklen bezüglich jeder
Ebene des Fünf-Ebenen Modells der MCI (siehe auch Abbildung 2.1.2).
Regulationsebene
Handlungstyp
(5) interpretative Ebene strategische Planung
(4) evaluative Ebene
Kosten–Wirkungsabschätzung
(3) konzeptuelle Ebene a u f g a b e n b e z o g e n e
ZielTeilzielbildung
(2) semantische Ebene systembezogene Ziel-Teilzielbildung
(1) syntaktische Ebene sensumotorische Regulation
Gestaltungsbereich
Orientierungsstruktur
Ressourcenbewertung
Handlungsstruktur
Operatorstruktur
Interaktionstechnik
Die fünf Regulationsebenen in Abbildung 2.1.2 und Tabelle 3.2.1 (siehe auch Abschnitt
2.1) entsprechen weitgehend den ersten drei Regulationsebenen nach Oesterreich (1986):
(1) die Handlungsausführung erfolgt in der MCI auf der syntaktischen Ebene (sensumotorische Regulation); (2) Handlungsplanung erfolgt auf der semantischen und konzeptuellen Ebene durch Entscheidung für einen möglichen Handlungsweg; (3) Zielplanung wird
durch die systembezogene und aufgabenbezogene Ziel-Teilzielbildung erreicht. So konnte
Arend (1990) zeigen, dass "die bewussten, expliziten Reflektionsprozesse über Ziele,
Zwischenziele und erreichte Zustände der Unterstützung durch das Programmsystem
durch eigens dafür vorgesehene Operationen bedürfen" (Arend 1990, S. 215).
Erst wenn dem Benutzer in seiner Rolle als Arbeitnehmer ausreichende Einflussmöglichkeiten auf seinen Handlungs-, Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum gegeben
sind, hat er die Chance, individuell optimales Verhalten zu entwickeln und die oftmals als
'Fehler' (Arnold und Roe 1987) zu beobachtenden Handlungen zu vermeiden.
3.3
Z IELKONFLIKTE ZWISCHEN VERSCHIEDENEN A NFORDERUNGEN
Zum Abschluss dieses Abschnitts muss noch darauf hingewiesen werden, dass die
gleichzeitige Anforderung aller dieser Gestaltungsrichtlinien und Merkmale an das Softwareprodukt zu Konflikten und Widersprüchen, den sogenannten 'Trade-Offs' führen
kann (Balzert 1982; Greutmann und Ackermann 1989). Mögliche Zielkonflikte zwischen
verschiedenen Kriterien lassen sich konstruktiv durch die Abhängigkeitsmatrix (Evans
50
Zielkonflikte 3.3
und Marciniak 1987, S.180) und die Paarvergleichsmethode (Sherwood-Smith 1989,
S.87) lösen. Ein Teil dieser Konflikte lässt sich ebenso durch eine entsprechende Hierarchisierung (qualitative Gewichtung) beseitigen; der restliche Teil kann jedoch nur durch
eine entsprechende quantitative Gewichtung gehandhabt werden. Wandke (1990) konnte
zeigen, dass auch mit Benutzungstests Zielkonflikte gelöst werden können.
Schauen wir uns zunächst einmal an, welche Konflikte auftreten können, wenn arbeitspsychologische Anforderungen mit softwaretechnischen Anforderungen zusammengebracht werden (Berli und Frei 1989; Greutmann und Ackermann 1989). Es wird zunächst eine Liste aller bedeutsamen Richtlinien aufgestellt. Dann werden die Trade-Offs
zwischen einzelnen Richtlinien ermittelt und in eine Zielkonfliktmatrix eingetragen (siehe
Berli und Frei 1989). Diskutieren wir an zwei Beispielen dieses Vorgehen einmal durch.
Der Trade-Off zwischen der arbeitspsychologischen Richtlinie 'Flexibilität' und der softwaretechnischen Richtlinie 'Robustheit', sowie zwischen der Richtlinie 'Effizienz' und
der Richtlinie 'Arbeitsökonomie' (nach Berli und Frei 1989).
'Flexibilität' heisst: Der Arbeitsweg kann vom Benutzer frei gewählt und beeinflusst werden; das System ist an unterschiedliche Benutzer anpassbar; das Arbeitstempo ist vom Benutzer steuerbar; Unterbrechungen und Umschaltungen der Interaktion ist möglich, wobei eine spätere Wiederaufnahme
der früheren Tätigkeit möglich ist.
'Robustheit' heisst: Das Systemverhalten ist bei Fehlern und Fehleinflüssen stabil.
Die Richtlinie der 'Flexibilität' wirkt deswegen auf die Richtlinie der 'Robustheit' negativ, weil eine hohe Flexibilität des Systemverhaltens es dem Entwickler erschwert, mögliche Fehlerquellen auszutesten.
'Effizienz' heisst: Mit möglichst geringem Aufwand grosser Erfolg; optimale Gestaltung
der Abfragen führt zu akzeptablem zeitlichem Verhalten des Systems;
Überlappung von Funktionen beinhaltet, dass man neue Abfragen beginnen kann, bevor die Resultate der alten geliefert sind.
'Arbeitsökonomie' heisst: Lohnt sich in wirtschaftlicher Hinsicht; für den Benutzer ist rationelles Arbeiten interessanter; der Benutzer hat mehr Zeit für andere
Arbeiten.
Die Richtlinie der 'Effizienz' wirkt deswegen auf die Richtlinie der 'Arbeitsökonomie'
positiv, weil eine hohe Effizienz seitens des Systems eine arbeitsökonomische Benutzung
des Systems durch den Benutzer möglich macht.
51
3 Software-ergonomische Produktgüte
Die im folgenden dargestellte Paarvergleichsmethode kann dazu herangezogen
werden, die einzelnen als relevant erachteten Gestaltungsrichtlinien nach ihrer Bedeutung
zu ordnen (Sherwood-Smith 1989, S.87). Jede Gestaltungsrichtlinie wird mit jeder anderen Gestaltungsrichtlinie verglichen: Diejenige Richtlinie, welche als eher wichtig eingestuft wird, erhält den Punktwert 2, die andere den Wert 0; werden beide Richtlinien als
gleichwertig angesehen, erhalten beiden den Wert 1. Anschliessend werden diese Gewichtungen in die Vergleichsmatrix eingetragen und die Zeilensummen der einzelnen Gewichtungen errechnet (siehe Tabelle 3.3.1).
Tabelle 3.3.1
Die Paarvergleichsmatrix eines fiktiven Beispiels nach Sherwood-Smith
(1989, S.87).
Richtlinie
Kompatibilität
Erlernbarkeit
Flexibilität
Transparenz
Portierbarkeit
Wartbarkeit
1
2
3
4
5
6
1
2
3
4
5
6
total
%
–
1
0
0
1
2
1
–
1
0
1
0
2
1
–
1
2
2
2
2
1
–
2
2
1
1
0
0
–
0
0
2
0
0
2
–
6
7
2
1
8
6
20
23
7
3
27
20
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es eine Vielzahl verschiedener Anforderungen
gibt, denen bei der Entwicklung von Softwareprodukten eine unterschiedlich grosse Rolle
zugeschrieben wird. Meistens versucht man den Trade-Offs zwischen diesen unterschiedlichen Anforderungen durch eine Gewichtung beizukommen. Welche Rolle in diesem Zusammenhang Programmiertechniken und CASE-Tools haben, bleibt vorerst weiteren Untersuchungen vorbehalten. Siehe hierzu auch Bauknecht, Hultzsch, Österle und Rall
(1992).
3.4
D IE G ESTALTUNGSMATRIX ALS ORIENTIERUNGSRAHMEN
Um das benutzungsorientierte Gestaltungskonzept von Ulich auf die einzelnen Bestandteile einer Benutzungsoberfläche abbilden zu können, werden entsprechend den drei Gestaltungsbereichen EAS, DK und AK entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten abgeleitet.
Dazu müssen die einzelnen Richtlinien des Gestaltungskonzeptes den einzelnen Komponenten der Benutzungsoberfläche eines interaktiven Softwaresystems zugeordnet werden.
Den Zeilen dieser Gestaltungsmatrix entsprechen die einzelnen Gestaltungsbereiche und
den Spalten entsprechen die drei Komponenten der Benutzungsoberfläche (siehe Abbildung 3.4.1).
52
Die Gestaltungsmatrix 3.4
Durch eine vorläufige Gewichtung lassen sich drei unterschiedliche Gestaltungsschwerpunkte ausmachen. So lässt sich der Bereich 'Berechenbarkeit als Voraussetzung
für Kontrolle' am ehesten der Gestaltung des Wahrnehmungsraumes der Ein-/Ausgabeschnittstelle zuordnen. Der Bereich der 'Kontrolle' hat seinen Gestaltungsschwerpunkt
bei dem Entwurf der Dialogkomponente und der Bereich der 'Aufgabenorientierung' bei
der Gestaltung der Anwendungskomponente.
Kalkulierbarkeit
als Voraussetzung
für Kontrolle
AFBF, AFBO
RFBF, RFBO
GRFBF
HG
Kontrolle
IA, IVG
DFl, AFl
RFuDi
Aufgabenorientierung
FuVo
AFFl
Ein/Ausgabe- DialogSchnittstelle Schnittstelle
WerkzeugSchnittstelle
Legende:
sehr wichtig
relevant
wichtig
nicht relevant
Abbildung 3.4.1
Übersicht über die drei Gestaltungsbereiche aufgeteilt auf die einzelnen Komponenten der Benutzungsoberfläche; je nach Anwendungsschwerpunkt sind die
einzelnen Felder der Matrix unterschiedlich schraffiert; die einzelnen Messvorschriften
sind in die entsprechenden Felder eingetragen.
Für jeden dieser drei Gestaltungsschwerpunkte gilt es, möglichst qualitative Regeln und
quantitative Messverfahren zur Operationalisierung der einzelnen Richtlinien zu finden.
Wie man in Abbildung 3.4.1 erkennen kann, ist dies mit dem in dieser Arbeit entwickelten Beschreibungskonzept für einige Richtlinien möglich. Die detaillierte Erläuterung
dieser einzelnen Masse erfolgt in Kapitel 6, 7 und 9.
Nachdem wir nun drei Gestaltungsschwerpunkte gemäss den drei Komponenten
einer Benutzungsoberfläche und die zugehörigen Richtlinien herausgestellt haben, sind
wir in der Lage, die den einzelnen Schwerpunkten entsprechenden Gestaltungsrichtlinien
53
3 Software-ergonomische Produktgüte
und Masse für die Produktgüte zuordnen zu können (siehe Abbildung 3.4.1). Die einzelnen Messvorschriften (z.B. AFBF, etc.) werden im Kapitel 6 und 7 definiert.
54
4
DIE MESSUNG DER GEBRAUCHSTAUGLICHKEIT
INTERAKTIVER SOFTWARE
"Der strategische Wert von Informationssystemen wird gegenwärtig noch
häufig unterschiedlich beurteilt, da für eine Kosten/Nutzen-Analyse bestenfalls erste Ansätze vorliegen, und es mit den derzeit vorhandenen Methoden
nicht möglich ist, den Nutzen von Informationssystemen exakt zu quantifizieren" (Bauknecht, Tjoa und Draxler 1991, S. I).
Wenn man die Forschungsmethoden der Psychologie und der Informatik miteinander vergleicht, so stellt man fest, dass diese beiden Disziplinen z.T. grundlegend unterschiedliche Methoden zur Lösung der fachimmanenten Fragestellungen einsetzen. Begreift sich
die Psychologie als Sozialwissenschaft mit einem breiten Kanon an Methoden zur Erhebung und Auswertung von empirischem Datenmaterial, so versteht sich die Informatik
überwiegend als Ingenieurswissenschaft (Claus und Schwill 1988). In der Informatik
werden im wesentlichen die beiden folgenden methodischen Ansätze als adäquat angesehen: (1) das Erstellen eines Programmes und/oder (2) die (semi-)formale Beschreibung.
AufgabenStruktur
ArbeitsPsychologie
AufgabenWissen
Wahrnehmen,
Speichern,
Handeln,
Lernen
Allgemeine
Psychologie
SystemWissen
SystemStruktur
Informatik
Abbildung 4.0.1
Übersicht über die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen,
welche bei der Gestaltung einer benutzungsorientierten Oberfläche zusammenarbeiten.
Es gibt jedoch Forschungsfragestellungen sowohl in der Informatik als auch in der Psychologie, welche sich am besten zusätzlich mit Methoden der jeweils anderen Disziplin
bearbeiten und lösen lassen (siehe hierzu auch die Diskussion bei Coy 1989). Betrachten
wir im folgenden den Bereich des 'Human-Factors-Engineering', insbesondere den Bereich der 'Softwareergonomie' etwas genauer (siehe Abbildung 4.0.1).
55
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
Im Bereich der 'Softwareergonomie' geht es auf der Informatikseite um die konkrete Gestaltung der Benutzungsoberfläche eines interaktiven Programmes. Da dieser
Forschungsgegenstand aus den beiden Komponenten 'Mensch' und 'Maschine' besteht,
sich aber bisher das menschliche Verhalten aufgrund seiner Komplexität nicht ausreichend detailliert formal beschreiben lässt, muss also die gestaltende Ingenieursmethode
des 'Erstellens eines Programmes' um weitere Methoden ergänzt werden. Solange dies
nur innerhalb der Informatikmethoden geschieht, ist der Versuch der 'formalen Beschreibbarkeit' der beiden Komponenten des Forschungsgegenstandes an der Stelle begrenzt, wo der Softwaredesigner innerhalb seines formalen Beschreibungsmodelles Entscheidungen über die Einbettung praktisch verwertbaren Gestaltungswissens im Bezug
auf die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der 'menschlichen Komponente' zu treffen hat
(Coutaz 1992). Wird hierbei kein Wissen aus der (Arbeits-)Psychologie herangezogen,
so wird der Softwaredesigner auf seine persönliche Erfahrung zurückgeworfen, d.h. er
muss sich der introspektiven Methode zur Gewinnung empirischen Erfahrungswissens
bedienen (siehe auch Winograd und Flores 1989) bzw. sich die 'gesammelte' Erfahrung
über das in der Literatur vorhandene Gestaltungswissen aneignen.
Nach Sarris (1990, S. 20) lassen sich die folgenden vier Prinzipien der Erkenntnisgewinnung unterscheiden: das Prinzip der Autorität (der Bereich der Religionen), das
Prinzip der Intuition (der künstlerische Bereich), das Prinzip der Vernunft (z.B. Mathematik) und das Prinzip der Erfahrung (z.B. Physik, Biologie, Psychologie usw.). Unterstellen wir, dass diese vier Prinzipien den Bereich der möglichen Erkenntnisgewinnung
vollständig abdecken, so lässt sich die Informatik am besten dem Prinzip der Vernunft
und als nichtempirische Wissenschaft dem Prinzip der Intuition zuordnen. Ähnlich wie
bei dem Verhältnis von Mathematik und Physik kann sich die Informatik erst durch die
Methoden der Psychologie dem empirischen Gegenstandsbereich 'Mensch' hin öffnen.
Warum lässt sich menschliches Verhalten nur sehr schwer formal beschreiben? Ein
sehr gewichtiger Grund ist die enorme Komplexität des zu beschreibenden Verhaltens.
Diese Komplexität verhindert zum grossen Teil eine adäquate Formalisierung. Wie kann
man dennoch damit sinnvoll umgehen? Eine weitverbreitete Methode zur Analyse komplexer Systeme ist die empirische Beobachtung am 'lebendigen' System. Dies ist auch
das Vorgehen, welches bei der Überprüfung komplexer Softwareprodukte im Rahmen
der meisten Softwareengineeringkonzepte angewendet wird: Man testet das System nach
seiner Fertigstellung (Parrington und Roper 1991, Rauterberg 1991a, 1991b, 1991d,
Dumas und Redish 1993). Es zeichnet sich daher auch ein Trend ab, die Gebrauchstauglichkeit interaktiver Software mittels empirischer Tests zu evaluieren und zu überprüfen
(z.B. Frühauf, Ludewig und Sandmayr 1991, Dzida 1993, sowie Lindermeier 1993).
56
Einführung 4.0
Die empirischen Untersuchungsmethoden lassen sich in induktive und deduktive
Verfahren unterscheiden (Sarris 1990, S. 21f). Je nach der konkreten Fragestellung innerhalb des Designprozesses interaktiver Software haben diese beiden Verfahren ihre
Vor- und Nachteile. Im grossen und ganzen betrachtet, dienen die induktiven Verfahren
('formative evaluation', Hewett 1986) dazu, durch den Einbezug von Endanwendern
Hinweise auf die Schwachstellen eines vorliegenden Entwurfes zu bekommen (die sogenannten 'Stolpersteine' bzw. 'critical incidents' bei Carroll et al. 1993; Koenemann-Belliveau et al. 1994); die deduktiven Verfahren ('summative evaluation', Hewett 1986) liefern dann eine Möglichkeit zur Überprüfung der getroffenen Designentscheidungen auf
ihre Tragfähigkeit, d.h. empirische Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit hin.
Die Forschungsergebnisse in der kognitiven Psychologie und der entsprechenden
Forschung im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) haben sich gemeinsam zum Ziel
gesetzt, das menschliche Verhalten soweit als irgendmöglich zu formalisieren. Bedingt jedoch durch den Komplexitätsgrad des Untersuchungsgegenstandes 'Mensch' mussten
diese beiden Disziplinen ihre Begrenztheit zugestehen. Diese Grenzen der Formalisierbarkeit wurden von den Kritikern insbesondere der KI aufgezeigt (Weizenbaum 1976; Dreyfus 1979; Dreyfus und Dreyfus 1986; Winograd und Flores 1989).
Inwieweit sich die Grenze der Formalisierbarkeit menschlichen Verhaltens grundsätzlich in den Bereich formaler Modelle hinein verschieben lässt, bleibt vorerst ungeklärt. Die Grenzen der Formalisierbarkeit menschlicher Wahrnehmungsleistungen sind
bei Weidenmann (1988) ausführlich dargestellt. Nichts desto trotz ist es wichtig, dies soweit als irgendmöglich zu versuchen, um die Möglichkeit zu erlangen, wissenschaftlich
relevante Erklärungsmodelle menschlichen Verhaltens aufstellen und überprüfen zu können. Um gemäss der Forderung von Moll und Ulich (1988) die bestehenden Gestaltungsrichtlinien auf eine theoretisch und möglichst empirisch abgesicherte Basis zu stellen,
lassen sich zwei unterschiedliche abgestufte Vorgehensweisen nach Landauer und Galotti
(1984, S. 428) heranziehen:
1.
Die Richtlinien auf der Grundlage eines ausreichend tiefen theoretischen Fachverständnisses des Gegenstandsbereiches ableiten;
2a.
alle Richtlinien in allen möglichen Kontexten testen; dieses Vorgehen ist wegen
des erheblichen Aufwandes nicht praktikabel, wenn nicht gar unmöglich;
2b.
eine Reihe von möglichst unterschiedlichen und validen Experimenten durchführen, um die Tragweite der einzelnen Richtlinien hinsichtlich ihrer Generalisierbarkeit und ihrer Beschränkungen abschätzen zu können.
57
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
Wir werden die Vorgehensweise nach 2b verfolgen. Das wohl wichtigste Problem, welches bei dieser Vorgehensweise auftaucht und gelöst werden muss, ist die repräsentative
und valide Konstruktion von Testaufgaben, die der Benutzer in dem Benutzungstest zu
bearbeiten hat (siehe zur weiteren Methodendiskussion bei Nachreiner 1994). In der
Praxis lassen sich jedoch brauchbare Verfahren zur Gewinnung von repräsentativen Testaufgaben einsetzen (siehe Rauterberg et al. 1994b).
4.1
A NSÄTZE ZUR M ESSUNG VON B ENUTZUNGSFREUNDLICHKEIT
"Die Erfahrung zeigt … , dass dort wo unbesehen und ungeprüft eingekauft
wird, böse Überraschungen eintreten können." (Bauknecht 1985, S. 5)
Softwareprodukte müssen zuallererst einmal ihre Gebrauchstauglichkeit unter Beweis
stellen. Gebrauchstauglichkeit setzt sich zusammen aus Benutzbarkeit ('utility') und Benutzungsfreundlichkeit ('usability'). Benutzbar ist interaktive Software dann, wenn sie
mit der notwendigen aufgabenangemessenen Funktionalität ausgestattet ist. Unter Benutzungsfreundlichkeit verstehen wir die Kriterien der beiden Gestaltungsbereiche 'Kalkulierbarkeit als eine Voraussetzung für Kontrolle' und 'Kontrolle' (Ulich 1994, S. 323).
Wenn die Benutzbarkeit gewährleistet ist, bleibt noch offen, wie gut die aufgabenbezogene Funktionalität von dem jeweiligen Benutzer im Rahmen seiner Tätigkeit tatsächlich genutzt werden kann (die Benutzungsfreundlichkeit). Zur Messung dieser Benutzungsfreundlichkeit lassen sich vier Messansätze unterscheiden (Whitefield, Wilson und
Dowell 1991; Bevan, Kirakowski und Maissel 1991, S.651; eine ausführliche Übersicht
gibt Rauterberg 1992d):
• Der formalanalytische Messansatz (FM); die Benutzungsfreundlichkeit des Systems
wird in ergonomischen Eigenschaften eines formalen Modelles bestimmt.
• Der produktzentrierte Messansatz (PM); die Benutzungsfreundlichkeit des Systems
wird in ergonomischen Eigenschaften des Produktes selbst bestimmt (Maskenaufbau,
Interaktionstechnik usw.).
• Der benutzerzentrierte Messansatz (BM); es werden die subjektiven Beurteilungen des
Benutzers erhoben (subjektive Ratings, psychomentale Beanspruchungen usw.).
• Der interaktionszentrierte Messansatz (IM); Benutzungsfreundlichkeit lässt sich über
Eigenschaften der Interaktion zwischen Benutzer und System selbst messen (Performanz, Anzahl Tastendrucke usw.).
Jede Messung setzt sich aus dem Inhalt der Messung und der Form, unter der die Messung verläuft, zusammen (Zülch und Englisch 1991). Die Inhalte der Messung von Be-
58
Messansätze 4.1
nutzungsfreundlichkeit sind Kriterien zur benutzerorientierten Interaktionsgestaltung. Inwieweit das jeweilige Kriterium erfüllt sein sollte, wird im Rahmen der Messung normativ vorgegeben. Um den Ausprägungsgrad eines Kriteriums bestimmen zu können, muss
eine Messvorschrift erstellt werden; dieser Vorgang wird 'Operationalisierung' genannt
(Sarris 1990, S.142). Es müssen also Zuordnungen zwischen theoretisch begründeten
Konstrukten (z.B. Flexibilität) und messbaren Phänomenen (z.B. Bearbeitungszeit) getroffen werden (Rauterberg 1990a, S.26). Folgende Operationalisierungen lassen sich in
der Literatur finden (Rengger 1991, S.658):
• Benutzbarkeitsindikatoren: Messung der Entfernung des erreichten Bearbeitungszustandes in Bezug auf den angestrebten Zielzustand (Messskalen: Produktgüte, Mängelrate, Verhältnis von Produktgüte zu Mängel, Genauigkeit, Effektivität).
• Leistungsindikatoren: Messung der Güte des Bearbeitungsprozesses in zeitlichen Dimensionen (Messskalen: Bearbeitungsgeschwindigkeit, Lösungsgrad, Effizienz, Produktivität, Produktivitätszuwachs).
• Handhabungsindikatoren: Messung der Fähigkeiten der Benutzer die zu testenden Eigenschaften des Systems benutzen zu können (Messskalen: Anzahl Fehler, Anzahl interaktive Probleme, Handhabungsschwierigkeiten, Funktionsnutzung).
• Qualifizierungsindikatoren: Messung der Fähigkeiten und Anstrengungen der Benutzer
zum Erlernen, Verstehen und Erinnern der Systemnutzung (Messskalen: Lernfähigkeit, Lernzeitraum, Lernrate).
Der folgende Bereich ist bei Rengger (1991) ausser Acht gelassen worden und muss unbedingt noch hinzugenommen werden (Boucsein 1987; Kishi und Kinoe 1991):
• Belastungsindikatoren: Messung der vom Benutzer vor, während und nach der Systemnutzung erlebte emotionale und mentale Stress. Stress lässt sich über psychophysiologische Masse (Boucsein 1987; Wiethoff, Arnold und Houwing 1991), über Videoaufnahmen (Rauterberg 1988a), und über Fragebögen (Apenburg 1986) messen.
Ein gutes Messverfahren sollte sich nicht nur durch die Eigenschaften der 'Objektivität',
der 'Reliabilität' und der 'Validität' (Lienert 1989), sondern sich auch durch einen minimalen Messaufwand auszeichnen. Dies ist einer der Gründe, warum ein grosses Interesse
daran besteht, den aufwendigen interaktions- und benutzerzentrierten Messansatz durch
den weniger aufwendigen produktzentrierten Messansatz zu ergänzen, bzw. zu ersetzen.
Es gibt jedoch Kriterien wie z.B. 'Transparenz', welche sich wahrscheinlich nur im Bezug auf die Wahrnehmungs- und Interpretationsleistung des Benutzers messen lassen
59
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
(Weidenmann 1988, S.95), so dass der interaktions- bzw. benutzerzentrierten Messansatz sich vorerst nicht vollständig durch den produktzentrierte Messansatz ersetzen lässt.
Durch die Modellierung bzw. Simulierung des Benutzers oder des interaktiven Systems versucht man, den Messaufwand beim Einsatz empirischer Tests zu reduzieren.
Wenn sowohl die Software, als auch der Benutzer nur als Modell gegeben ist, handelt es
sich um einen formalanalytischen Ansatz (siehe Tabelle 4.2.1). Da die Modellannahmen
dieser formalanalytischen Methoden noch nicht ausgereift sind, werden wir auf diesen
Ansatz nicht weiter eingehen (zur einschlägigen Kritik siehe Greif und Gediga 1987;
Ziegler 1988, S. 250; Karat und Bennett 1991).
Tabelle 4.1.1
Übersicht über die vier verschiedenen Messansätze (in Anlehnung an
Whitefield, Wilson und Dowell 1991, S.74, Kishi und Kinoe 1991, S.600, Sweeney,
Macguire und Shackel 1993).
Benutzermodell
realer Benutzer
Com-
Modell
formalanalytische
Methode (FM)
benutzerzentrierter
Messansatz (BM)
puter
Real
produktzentrierter
Messansatz (PM)
interaktionszentrierter
Messansatz (IM)
Wir werden zuerst die bisher möglichen Messkriterien im Rahmen des PM, dann den BM
und zum Schluss den am häufigsten eingesetzten IM vorstellen. Die Zuordnung zu einem
dieser Messansätze bestimmt die Quelle, für welche die jeweilige Messskala definiert ist.
Oft werden BM und IM im Rahmen von empirischen Tests gemeinsam eingesetzt. Eine
empirische Messung setzt sich aus einer Datenerhebungs- und einer Datenaufzeichnungsmethode, sowie einer Auswertungs- bzw. Messvorschrift zusammen.
4.2
D ER FORMALANALYTISCHE MESSANSATZ (FM)
Die hier getroffene Auswahl der verschiedenen formalanalytischen Messansätze ist nach
dem Kriterium erfolgt, eine möglichst repräsentative, jedoch nicht unbedingt vollständige
Auswahl der verschiedenen Formalismen zu treffen. Um die Einordnung der verschiedenen Ansätze etwas zu erleichtern, soll zunächst ein Überblick über die historisch bedeutsamsten Ansätze gegeben werden (siehe Tabelle 4.2.1). Die Ansätze zur Beschreibung
mentaler Modelle in der Mensch-Computer-Interaktion können in die beiden folgenden
Richtungen unterschieden werden:
60
Der formalanalytische Messansatz 4.2
Interaktionsorientierte Ansätze: Die Eingabeaktionen zur Steuerung der interaktiven Software werden als Sprache aufgefasst und lassen sich daher elegant mit Grammatiken oder Graphen in ihrer statischen Struktur beschreiben.
Handlungsorientierte Ansätze: Aufbauend auf dem Handlungs-Regulations-Modell werden einzelne Aufgaben in ihrer logischen Struktur durch Fakten und Regeln beschrieben; wenn diese Fakten und Regeln in einem ablauffähigen Modell dargestellt werden können, lässt sich so der Bearbeitungsprozess der einzelnen Aufgaben in seiner dynamischen Prozessualität simulieren.
Tabelle 4.2.1
Historische Übersicht über einige formale Beschreibungsansätze.
Interaktionsorientierte Ansätze
Handlungsorientierte Ansätze
1960
1962
1970
Zustands/Transitions-Graph
(Woods; Parnas; Singer)
1972
1981
BNF-Grammatik
(Reisner, Shneiderman)
1980
1980
1981
1983
1984
1986
1987
Modell der Orientierungsgrundlagen von Handlungen
(Galperin)
Modell der TOTE-Einheit
(Miller, Galanter &Pribram)
SET-Grammatik
(Payne, Green)
Petri-Netze
(Oberquelle)
Task-Action-Grammar
(Green, Payne)
Objektorientierte Spezifikation
(Alexander)
1985
1986
Handlungsregulationsmodell
(Hacker)
GOMS-Modell
(Card, Moran, Newell)
'Keystroke-level'-Modell
(Card, Moran, Newell)
Command-Language-Grammar
(Moran)
Regelbasierte Modelle
(Polson, Kieras)
'User-Virtual-Machine'
(Tauber)
Insgesamt betrachtet lassen sich die verschiedenen Formalismen oftmals gegenseitig in
einander überführen, so dass bei der Auswahl für den einen oder anderen Formalismus
die Frage nach dem zu analysierenden Aspekt stärker in den Vordergrund tritt. Die handlungsorientierten Prozessmodelle versuchen die Menge aller möglichen Interaktionen
zwischen Benutzer und System so zu beschreiben, dass man aus der Analyse bestimmter
Eigenschaften dieser Mengen (z.B. Konsistenz; siehe Rauterberg 1990b) Vorhersagen
über Schwachstellen in dem Entwurf der Benutzungsoberfläche abzuleiten versucht (z.B.
Endestad und Meyer 1993).
61
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
In Rauterberg (1990b) werden verschiedene formale Modelle ('keystroke-level' von
Card, Moran und Newell 1983; Grammatiken wie BNF, EBNF usw.; TAG: 'task action
grammer'; regelbasierte Ansätze wie GOMS, CCT usw.; objektorientierte Ansätze wie
SPI) im einzelnen vorgestellt und ihre Brauchbarkeit für die Gestaltung von interaktiven
Systemen diskutiert. Die verschiedenen Formalismen werden zum Teil an einem relativ
einfachen Beispiel dargestellt und miteinander verglichen. Eine sehr ausführliche Darstellung des GOMS-Ansatzes findet man z.B. bei Wandmacher (1993). Für eine weitergehende Diskussion zu diesen formalanalytischen Messansätzen siehe bei Ziegler (1988,
S.231ff), Greif und Gediga (1987), Rauterberg (1992b), sowie Gugerty (1993) und
Dutke (1994).
4.3
D ER PRODUKTZENTRIERTE MESSANSATZ (PM)
Bei dem produktzentrierten Messansatz (PM) werden Eigenschaften des Softwareproduktes in der Regel durch einen Softwareergonomieexperten direkt am Produkt selbst gemessen. Daher wird dieser Messansatz auch manchmal 'specialist reports' genannt (Whitefield, Wilson und Dowell 1991). Das Benutzermodell ist eingebettet in die Operationalisierungen der verwendeten Messwertskalen. Es gibt drei mögliche Zugangsweisen:
Richtlinien (z.B. DIN 66 234), Checklisten (z.B. Evadis, Software Checker) und quantitative Masse (Gunsthövel und Bösser 1991; Rauterberg 1993a, 1993b). Tullis (1983,
1986, 1988) hat z.B. ein Verfahren entwickelt, mit dem die Güte von alphanumerischen
Masken automatisch analysiert und bewertet werden kann. Leider lässt sich dieses Verfahren nicht unmittelbar auch auf graphische Oberflächen anwenden.
Grundsätzlich ist für diesen produktzentrierten Messansatz eine Beschreibungssprache für Eigenschaften von Benutzungsoberflächen notwendig, welche nicht zu allgemein
ist, aber auch nicht zu spezifisch am technischen Detail hängen bleibt. Der 'Granulationsgrad' dieser Beschreibungssprache sollte so gewählt sein, dass die verwendeten Beschreibungskonstrukte die spezifischen Eigenschaften der verschiedenen Oberflächentypen hinreichend genau differenzieren können, aber dennoch auf möglichst viele Oberflächentypen einheitlich anwendbar sind. Die DIN 66 234 Teil 8 verzichtet von vornherein auf ihre Überprüfbarkeit und begnügt sich mit beispielhaften Beschreibungen. Das
EVADIS-Verfahren stellt den Prüffragen eine Erläuterung der technischen Komponenten
der Benutzungsschnittstelle voran (Oppermann et al. 1988, S.21-23; Reiterer und Oppermann 1993).
Das von uns entwickelte Beschreibungskonzept der Interaktionspunkte erlaubt es
nun, nicht nur verschiedenste Arten von Benutzungsoberflächen einheitlich zu beschreiben, sondern auch wesentliche Unterschiede zwischen diesen Oberflächen einfach darzu-
62
Der produktzentrierte Messansatz 4.3
stellen. Es lassen sich in Abhängigkeit von der jeweiligen interaktiven Bedeutung verschiedene Mengen von Interaktionspunkten unterscheiden: Interaktionspunkte der wahrnehmbaren Funktionen (WFIPe) und Interaktionspunkte der verborgenen Funktionen
(VFIPe). Unterscheidet man zusätzlich die Menge aller interaktiven Funktionen in Dialogfunktionen und Anwendungsfunktionen, so erhält man verborgene dialogfunktionale Interaktionspunkte (VDFIPe) und verborgene anwendungsfunktionale Interaktionspunkte
(VAFIPe); sind diesen beiden Arten von FIPen jeweils wahrnehmbare Repräsentationen
auf der Ein/Ausgabeschnittstelle zugeordnet, so ergeben sich wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte (WDFIPe) und wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (WAFIPe). Aufbauend auf diesen Beschreibungskonstrukten lassen sich
Gestaltungsrichtlinien wie Feedback und Flexibilität, aber auch individuelle Auswahl und
individuelle Anpassung in quantifizierbare Formeln überführen. Wir werden dies zum
Teil weiter unten im einzelnen genauer ausführen.
4.4
D ER BENUTZERZENTRIERTE M ESSANSATZ (BM)
Als Messmethoden bei einer benutzerzentrierten bzw. personenbezogenen Messung
lassen sich schriftliche Befragungen (Fragebogen, siehe Mummendey 1987) und mündliche Befragungen (Interview, siehe Holm 1975) einsetzen (siehe auch Bortz 1984, S.
163- 189). Die Messung erfolgt mittels Skalen, für deren korrekten Aufbau gesorgt
werden muss (Langer und Schulz von Thun 1974, Lienert 1989). Bei schriftlichen Befragungen sollte man stets eine möglichst hohe Rücklaufquote anstreben, da sonst die Gefahr von nicht abschätzbar verzerrten Ergebnissen besteht. Wie man eine gute Rücklaufquote erreichen kann, beschreibt Vögele (1992). Im allgemeinen können Rücklaufquoten
zwischen 30% und 50% als akzeptabel gelten; über 50% gilt als sehr gut, bei unter 30%
wird es kritisch (Farago 1991).
Tabelle 4.4.1
Zuordnung benutzerbezogener Messskalen zu den fünf Messbereichen
Benutzbarkeit
Aufgabeneigenschaften (Rudolph, Schönfelder und Hacker 1987), Beurteilungsskalen (Shneiderman 1987, S.402-407; Spinas 1987; ISO 9241/10
1993)
Leistung
Fragebögen zur Messung der Intelligenz, der Leistungsmotivation, der Aufmerksamkeitsspanne usw. (Brickenkamp 1975, 1983)
Handhabung
Handhabungsbogen (Spinas 1987, Rauterberg 1991b), 'Questionnaire for
User Interface Satisfaction (QUIS)' (Chin, Diehl und Norman 1988)
Qualifizierung
Zeit zur Bewältigung eines Trainingprogramms, 'Questionnaire for User Interface Satisfaction (QUIS)', Wissensfragebogen (Dutke 1988), Vorerfahrungsfragebogen (Rauterberg 1991b)
Belastung
Fragebogen zur Messung psychomentaler Belastungen (Apenburg 1986)
63
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
Es sind im Laufe der letzten Jahre verschiedene Fragebogen entwickelt worden, welche
sich z.T. als standardisierte Messinstrumente einsetzen lassen: (1) diverse Checklisten
(Spinas, Troy und Ulich 1983, Baitsch et al. 1989); (2) subjektiver Bewertungsfragebogen (Shneiderman 1987); (3) Software Checker (TCO 1992); (4) Software Usability
Measurement Inventory (SUMI 1993); (5) Evaluation von Software auf der Grundlage
der ISO 9241 Teil 10 (Prümper und Anft 1993). Alle empirisch gewonnenen Messwerte,
die also ausschliesslich über Eigenschaften oder Einschätzungen des Benutzers erhoben
werden, gehören zum benutzerzentrierte Messansatz (BM). Es lassen sich zwei Messwertbereiche ausmachen: Eigenschaften des Benutzers selbst oder Eigenschaften des virtuellen Systems gemessen über die Einschätzungen seitens des Benutzers (siehe Tabelle
4.4.1). Als Datenerhebungsmethoden kommen zum Einsatz: 'walk-through', Inspektion
der Simulation (z.B. Datenmodell, Spezifikation, Prototyp usw.), Interviews und Fragebögen. Im Zusammenhang mit dem interaktionszentrierten Messansatz bietet sich die
Videokonfrontation als wichtige Datenerhebungsmethode an (Nielson 1962, Neal und
Simons 1984, Moll 1987).
4.5
D ER INTERAKTIONSZENTRIERTE M ESSANSATZ (IM)
Wenn die Messskala einzelne Eigenschaften des Interaktionsprozesses zwischen Benutzer
und System erfasst, handelt es sich um den interaktionszentrierten Messansatz (IM). Es
lassen sich verschiedene Aspekte des Interaktionsprozesses messen (siehe Tabelle 4.5.1).
Beim IM werden eine Datenerhebungs-, eine Datenaufzeichnungs- und eine Datenauswertungsmethode benötigt. Benutzungstests lassen sich in zwei Typen unterteilen: Induktive
und deduktive Benutzungstests (Sarris 1990). Hewett (1986) unterscheidet in formative
und summative Evaluationsverfahren, wobei der induktive Benutzungstest dem 'formativen' und der deduktive Benutzungstest dem 'summativen' Verfahren weitgehend
entspricht (siehe auch Nielsen 1993, sowie Dumas und Redish 1993). Die induktiven Benutzungstests sind bei der Evaluation eines (z.B. vertikalen) Prototypen, oder einer
(Vor)-Version zur Gewinnung von Gestaltungs- und Verbesserungsvorschlägen bzw. zur
Analyse von Schwachstellen in der Benutzbarkeit einsetzbar. Induktive Benutzungstests
können immer dann zum Einsatz kommen, wenn nur ein Prototyp bzw. eine Version der
zu testenden Software vorliegt. Demgegenüber verfolgen deduktive Benutzungstests
primär den Zweck, zwischen mehreren Alternativen (mindestens zwei Prototypen bzw.
Versionen) zu entscheiden (Spencer 1985; Karat 1988, S. 894). Zusätzlich lassen sich
jedoch auch mit deduktiven Benutzungstests Gestaltungs- und Verbesserungsvorschläge
gewinnen (Rauterberg 1990a).
64
Der interaktionszentrierte Messansatz 4.5
Leistungsfähige Datenaufzeichnungsmethoden sind: Testleiterprotokollierung, Videoaufzeichnung des Bildschirminhaltes ('screen-recording'; Mittenecker 1987), des Benutzers, sowie der Eingabeschnittstelle, automatische Aufzeichnung der benutzten Interaktionsoperatoren ('logfile-recording') (Crellin, Horn und Preece 1990). Als brauchbarer
Kompromiss hat sich eine Kombination zwischen 'logfile-recording' und unmittelbarer
Testleiterprotokollierung ergeben (Müller-Holz et al. 1991, S.418). Die Datenaufzeichnung auf Video oder Tonband ist zwar sehr praktisch (Dowrick und Biggs 1983, Mittenecker 1987), benötigt aber bei der Auswertung mindestens einen doppelten bis dreifachen
zeitlichen Auswertungsaufwand. Um diesen Auswertungsaufwand zu minimieren, empfiehlt es sich möglichst viele Daten während der Testung mitzuerheben bzw. mitzuprotokollieren (Vossen 1991). Die wichtigsten Daten (z.B. Aufgabenbearbeitungszeit, Anzahl
Hilfestellungen usw.) lassen sich oftmals problemlos und schnell auf dem Testleiterprotokollbogen vermerken.
Tabelle 4.5.1
Zuordnung interaktionsbezogener Messskalen zu den fünf
Messbereichen
Benutzbarkeit
Güte des Arbeitsergebnisses, Mängelrate, Verhältnis von Güte zu Mängel,
Genauigkeit, Effektivität (Rengger 1991), Art und Anzahl benutzter Funktionen (Moll 1987)
Leistung
Aufgabenbearbeitungsgeschwindigkeit, Anzahl Interaktionsoperatoren,
durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Interaktionsoperator, durchschnittliche Dauer der Pausen zwischen zwei Interaktionsoperatoren (Ackermann und
Greutmann 1987), Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen
Interaktionsoperatoren (Schmid und Meseke 1991)
Handhabung
Art und Anzahl benutzter Interaktionsoperatoren, Art und Anzahl Fehler,
Art und Anzahl interaktiver Probleme ('interaktive Deadlocks'), Art der Problemlösestrategie, angestrebte Bearbeitungsziele ('lautes Denken'), Blickbewegungen (Fleischer et al. 1984)
Qualifizierung
Art und Anzahl von Problemlösestrategiewechsel, Zeit für die Benutzung
des Hilfesystems- bzw. der Dokumentation (Moll 1989)
Belastung
Psychophysiologische Masse: Herzrate, Atmung, Hautleitfähigkeit, EEG
usw. (Wiethoff, Arnold und Houwing 1991), Fehler (Wieland-Eckelmann
1992), bipolare Videoratingskalen (Rauterberg 1988a)
Um die vom Benutzer jeweils angestrebten Bearbeitungsziele messen zu können, wird er
gebeten, seine kognitiven Ziele während der Aufgabenbearbeitung laut auszusprechen
('lautes Denken', Ericsson und Simon 1984). Problematisch ist diese Datenerhebungsmethode, wenn der Benutzer ungeübt im Verbalisieren oder sehr intensiv mit der zu bearbeitenden Aufgabenstellung beschäftigt ist. Der Benutzer neigt dann dazu, mit dem lauten
Denken aufzuhören. Die Videokonfrontationsmethode (Nielson 1962, Neal und Simons
1984, Moll 1987) kann die Schwächen der Datenerhebungsmethode des lauten Denkens
zum Teil ausgleichen. Die Gruppe der Datenauswertungsmethoden für den interaktions-
65
4 Messung der Gebrauchstauglichkeit
zentrierten Messansatz ist sehr umfangreich und kann am besten in einschlägigen Lehrbüchern der angewandten Statistik nachgelesen werden (z.B. Bortz 1984, 1989; Lienert
1989, Schmid 1992). Kirakowski und Corbett (1990), Rauterberg (1991b), Dumas und
Redish (1993), sowie Nielsen (1993) beschreiben allgemein das Vorgehen bei Benutzertests im Rahmen interaktiver Softwaregestaltung.
4.6
Ü BER DIE V ALIDIERUNG VON M ESSWERTSKALEN
Im folgenden sollen verschiedene Systemeigenschaften in quantifizierbare Messwertskalen überführt werden, um mittels dieser Messwertskalen ein Analyse- und Bewertungsmodell aufbauen bzw. bestehende Modelle überprüfen zu können. Nach Schmidtke
(1976) müssen quantitative Analyse- und Bewertungsverfahren den folgenden Bedingungen genügen:
"a) die Zuverlässigkeit oder Reliabilität, d.h. der Grad an Übereinstimmung des Bewertungsergebnisses bei wiederholter Anwendung ...
b) die Gültigkeit oder Validität, d.h. die Angemessenheit oder diagnostische Relevanz
für die Erfassung derjenigen Sachverhalte, für die das Instrument konstruiert wurde,
c) die Objektivität, d.h. der Grad an Übereinstimmung des Bewertungsergebnisses bei
der Anwendung des Instrumentes auf das gleiche ... Arbeitsmittel durch verschiedene
Bewerter,
d) die Ökonomie, d.h. die Einfachheit und Schnelligkeit der Datenerfassung und -verarbeitung sowie die Standardisierbarkeit der Erfassungsmethode und
e) die Nützlichkeit, d.h. die Erfassung von Sachverhalten, deren Analyse und Bewertung einem praktischen Bedürfnis entspricht, wobei die Erfassung durch kein anderes
Instrumentarium gleich gut möglich erscheint" (Schmidtke 1976, S.3-4).
Für die Überprüfung der Validität sind nach Hodges und Dewar (1992) vier verschiedene
Voraussetzungen für die zu validierenden Systemeigenschaften zu erfüllen:
1.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen beobachtbar und messbar sein.
2.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen eine zeitlich beständige Struktur
aufweisen.
3.) Die zu modellierenden Systemeigenschaften müssen stabil gegenüber Bedingungsvariationen sein, welche ursprünglich bei der Modellierung nicht berücksichtigt wurden.
4.) Es müssen ausreichend Daten gesammelt werden können, mit denen die Vorhersage
des Modells geprüft werden kann.
Wir werden daher den interaktionszentrierten Messansatz (Bortz 1984, Rauterberg
1991b, Dumas und Redish 1993, Nielsen 1993) zur Validierung der im Rahmen des produktzentrierten Messansatzes von uns entwickelten Masse heranziehen.
66
5
DAS QUANTITATIVE BESCHREIBUNGSKONZEPT FÜR
BENUTZUNGSOBERFLÄCHEN
Um die verschiedenen Typen von Benutzungsoberflächen beschreiben und klassifizieren
zu können, bedarf es Beschreibungskonzepte, welche sich auf die verschiedenen Oberflächen gleichermassen sinnvoll anwenden lassen und möglichst einfach zu handhaben sind.
Diese Beschreibungskonzepte müssen von den spezifischen Aspekten der einzelnen Oberflächentypen abstrahieren, um generell anwendbar zu sein. Grafische, insbesondere objektorientierte Oberflächen lassen sich jedoch nur bedingt vollständig mit einer kontextfreien Sprache beschreiben. Obwohl bei modernen – insbesondere objektorientierten –
Oberflächen die Mächtigkeit von kontextsensitiven Beschreibungssprachen (siehe Tabelle
5.0.1) notwendig scheint, fehlt es zur Zeit an ausreichenden Methoden und Mitteln,
diesem Ziel gerecht zu werden.
"Da mit den rein formalen kontextsensitiven Methoden eine dialogadäquate
Spezifikation und Implementation nicht möglich ist, muss auf eine Spezifikationsmethode vom Typ 2 oder 3 zurückgegriffen werden, wobei die erforderliche Kontextsensitivität dann, … , durch entsprechende programmiersprachen-ähnliche Erweiterungen erreicht werden muss" (Zachmann 1989, S. 60).
Tabelle 5.0.1
Typ der erzeugenden
Grammatik
Übersicht über die Mächtigkeit der verschiedenen formalen Beschreibungssprachen (nach Hopcroft und Ullman 1993).
Bezeichnung
äquivalentes
der zugehörigen Automatenmodell
Sprachen
äquivalentes
Beschreibungsmittel
Mächtigkeit
Typ-0
aufzählbar
Turingmaschine
Semi-Thue System
maximal
Typ-1
kontextsensitiv
linear beschränkter
Automat
[partiell: Petri-Netz]
ziemlich
Typ-2
kontextfrei
nicht deterministischer
Kellerautomat
BNF, EBNF,
Syntaxdiagramme
einigermassen
Typ-3
regulär
endlicher Automat
reguläre Ausdrücke,
Zustandsdiagramme,
Flow-Expressions
Events
minimal
Im folgenden werden exemplarisch drei verschiedene Oberflächen vorgestellt und das
kontextfreie Beschreibungskonzept des 'Interaktionspunktes' an ihnen verdeutlicht (siehe
zur Einführung des Begriffes 'interaction point (IAP)' bei Denert 1977). Greutmann
(1993, S. 102) spricht in diesem Zusammenhang auch von "Einstiegspunkten".
Es gibt bereits eine Reihe von Beschreibungskonzepten für Interaktionssysteme
(Kupka und Wilsing 1975, Schmitt 1983, Alexander 1987, Oberquelle 1987, Viereck
67
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
1987, Zemanek 1987, Zachmann 1989). Eine Übersicht über die formalen Modellierungsansätze (GOMS, CCT, TAG usw.) und ihre Verwendbarkeit gibt Rauterberg
(1990b). Der Ansatz von Oberquelle (1987) ist primär für die Spezifikation von interaktiven Systemen im Rahmen von Softwareengineeringkonzepten entwickelt worden und für
die Gestaltung der Benutzungsoberfläche selbst am ehesten dort verwendbar, wo es um
die Analyse der relevanten Anwendungsobjekte und ihre Funktionalität geht. Die Anwendbarkeit der zitierten Ansätze setzt in der Regel ein Wissen über die programminternen Kontrollstrukturen voraus, auf das man bei der Analyse von marktgängigen Produkten nur sehr bedingt zugreifen kann. Ein Beschreibungskonzept sollte daher so einfach wie möglich und primär von einem aussenstehenden Betrachter anwendbar sein.
Um z.B. dem Aspekt der Wahrnehmbarkeit teilweise gerecht werden zu können,
brauchen wir Beschreibungskonstrukte, welche diesen Aspekt adäquat berücksichtigen.
Wir unterscheiden daher – aus Sicht des Benutzers – zwischen wahrnehmbaren und verborgenen Strukturen. Zu den wahrnehmbaren Strukturen zählen wir alle diejenigen,
welche im jeweiligen Dialogkontext wahrnehmbar sind oder sich gegebenenfalls durch
die oben eingeführten Transparenzoperatoren wahrnehmbar machen lassen. Die verborgenen und grundsätzlich nicht in wahrnehmbare Strukturen überführbare Funktionen und
Objekte eines Systems müssen z.B. über die Dokumentation, Schulung, systematisches
Probieren usw. erst herausgefunden und gelernt werden.
Der algebraische Ansatz von Cordes (1988) liefert eine Reihe von wichtigen Definitionen, welche aber zum Teil für unsere Zwecke zu differenziert sind. So definiert Cordes
(1988, S. 67) das Zweitupel der Visualisierungstechnik bestehend aus einem 'Namen'
und einer Menge an 'Darstellungstechniken'. Wir haben diese Idee aufgegriffen und entsprechende Abbildungsvorschriften in unser Beschreibungskonzept eingeführt.
5.1
A LLGEMEINE D EFINITION VON I NTERAKTIONSPUNKTEN
Wir unterscheiden den Dialogkontext (D) in den Zustandsraum (ZR) und den interaktionellen Raum (IR). Weiterhin folgen wir Cockton (1987) in seiner Unterscheidung zwischen Objekten und Funktionen ("control sequences"), indem wir ihnen den Objektraum
(OR) und den Funktionsraum (FR) zuordnen. Im aktuellen Dialogkontext stehen dem Benutzer verschiedene Operatoren zur Verfügung, wobei die konkrete Operatorauswahl von
der Wahrnehmung des Zustandsraumes abhängen kann. Die Eingabe eines Operators bewirkt die Aktivierung der semantisch zugehörigen Funktion und heisst Operation. Ein
Dialogkontext ist durch die aktuell verfügbaren Objekte und Funktionen definiert.
68
Definition von Interaktionspunkten 5.1
Operatoren sind all diejenigen interaktiven Teilhandlungen eines Benutzers, welche
von dem jeweiligen System akzeptiert und in die intern entsprechenden Funktionen umgesetzt werden. Diese internen Funktionen bilden den Funktionsraum (FR)1; die Elemente
von FR werden funktionale Interaktionspunkte (FIPe)2 genannt. Die FIPe sind dem Benutzer nur indirekt über die jeweilige Interaktionssyntax zugänglich. Die Menge der FIPe
umspannt die Semantik des Operatorsystems. Wenn diesen einzelnen FIPen eine wahrnehmbare Struktur auf der Ausgabeschnittstelle zugeordnet ist (visuell, auditiv, haptisch),
so nennen wir diese Strukturen wahrnehmbare funktionale Interaktionspunkte. Somit
lässt sich der Funktionsraum (FR) in die wahrnehmbaren Funktionen (WFIP)3 und die
verborgenen Funktionen (VFIP)4 aufteilen. Jeder VFIP besitzt mindestens einen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkt (WFIP). Ein WFIP kann mehreren VFIPen
zugeordnet sein. Die Menge der funktionalen Repräsentationsformen (RF)5 für WFIPe
setzt sich dabei aus den folgenden zwei unterschiedlichen Mengen zusammen:
• Die Menge aller aktiven Repräsentationsformen:
Diese Menge umfasst alle diejenigen Interaktionspunkte (IPe), welche es dem Benutzer ermöglichen, eine Funktion auszulösen. Hierzu zählen alle Tasten der Tastatur und
gegebenenfalls alle maussensitiven Bereiche auf dem Bildschirm bzw. alle zusätzlichen Eingabegeräte wie Digitizer, spezielle Funktionstastentabletts, bei speziellen Tastaturen auch die LCD-Anzeigen auf den Funktionstasten usw. Alle diese Interaktionspunkte umspannen den Aktionsraum des Benutzers. Dem Aktionsraum ist perzeptiv
der aktive Wahrnehmungsraum zugeordnet.
• Die Menge aller passiven Repräsentationsformen:
Diese Menge enthält alle darüber hinaus auf dem Ausgabemedium (meistens ein oder
zwei Bildschirme) seitens des Benutzers wahrnehmbaren Signalmuster. Diese Signalmuster können aus auditiven (Rauterberg und Styger 1994) und haptischen bzw. taktilen Signalen bestehen (Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993). Diese Repräsentationsformen heissen passiv, weil sie ausschliesslich der Rückmeldung über systeminterne
Zustandsparameter dienen und nicht unmittelbar zum Aktionsraum des Benutzers gehören. Alle diese Repräsentationsformen bilden den passiven Wahrnehmungsraum.
1
FR = Menge aller Funktionen eines interaktiven Systems. FR ist mit der Klasse IF identisch.
2
FIP = funktionaler Interaktionspunkt.
3
WFIP = wahrnehmbarer funktionaler Interaktionspunkt; es gilt: WFIP = WDFIP ∪ WAFIP.
4
VFIP = verborgener funktionaler Interaktionspunkt; es gilt: VFIP = VDFIP ∪ VAFIP.
5
RF = Menge aller Repräsentationsformen für Funktionen (z.B. Menüoptionen, Ikonen usw.).
69
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
Die Menge der FIPe des FR lässt sich weiterhin in zwei Funktionsbereiche (die Dialogund die Anwendungsfunktionen) unterteilen (siehe auch Abbildung 5.1.1):
1.) Die Menge der Funktionen, welche sich auf die Handhabung von Dialogobjekten beziehen (z.B. Fenster; Menüs, sofern sie nur zur reinen Dialogsteuerung dienen; im folgenden mit DFIP abgekürzt). Wenn eine Dialogfunktion vorliegt, so nennen wir diese
funktionalen Interaktionspunkte: Dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe1). Im
Unterschied zu dem in der Literatur sonst üblichen Sprachgebrauch wird hier die Bedeutung von 'Dialogoperatoren' auf die Zuordnung zu reinen Dialogobjekten ('Fenster', 'Menüs' usw.; im Gegensatz zu den Anwendungsobjekten) beschränkt.
2.) Diejenige Menge der Funktionen, welche sich auf die Menge der Anwendungsobjekte
beziehen (z.B. Dateien, Textdokumente, Absätze, Zeilen, Zeichen usw.; im folgenden
mit AFIP abgekürzt). Wir nennen alle funktionalen Interaktionspunkte, welche sich
auf die Veränderung von Eigenschaften der Anwendungsobjekte beziehen: Anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (AFIPe2).
Diese Unterscheidung hilft uns zu vermeiden, dass
"die Beherrschung des Werkzeuges, hier des Dialogsystems, zu einer eigenständigen Aufgabe wird, obwohl das System ein Instrument zur Unterstützung der originären Aufgaben des Benutzers sein sollte" (Dzida 1982, S. 5).
Wir formulieren daher als Gestaltungsprinzip die maximale Einfachheit der Dialogfunktionen. Diese Forderung nach Einfachheit der Dialogfunktionen ist jedoch nicht damit zu
verwechseln, dass die Anwendungsfunktionen ebenfalls einfach sein sollen. Die Anwendungsfunktionen müssen vielmehr der Aufgabe angemessen sein! Als Faustregel kann
man sich merken:
Alle Funktionen, die nicht den Zustand eines Anwendungsobjektes verändern,
sind "reine" Dialogfunktionen!
Die Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) lässt sich hinsichtlich der vorhandenen Repräsentationsformen in die den dialogfunktionalen Interaktionspunkten (DFIPen) und den anwendungsfunktionalen Interaktionspunkten (AFIPen) zugeordneten, wahrnehmbaren Interaktionspunkten unterscheiden (WDFIP bzw. WAFIP; siehe Abbildung 5.1.2). Direktmanipulierbare Benutzungsoberflächen haben zum Ziel, möglichst viele der AFIPe bei möglichst wenigen dialogfunktionalen Interaktionspunkten (DFIPen) dem Benutzer in dem
1
DFIP = dialog-funktionaler Interaktionspunkt.
2
AFIP = anwendungs-funktionaler Interaktionspunkt.
70
Definition von Interaktionspunkten 5.1
aktuellen, d.h. in dem anwendungsobjektbezogenen Dialogkontext direkt zur Verfügung
zu stellen.
aktueller
Dialogkontext (D)E/A-Schnittstelle
Repräsentation des
Zustandsraumes(Menge
aller passiven Repräsentationsformen)
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt (VAFIP)
A.Funktion-1
A.Funktion-2
repräsentationaler
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(WAFIP)
A.Funktion-3
A.Funktion-4
repräsentationaler
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(WDFIP)
A.Funktion-5
A.Funktion-6
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(VDFIP)
AnwendungsKomponente
D.F1
D.F2
D.F3
D.F4
Dialog-Komponente
Abbildung 5.1.1
Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte. Entsprechend der Aufteilung in Dialog- und Anwendungskomponente werden auch die funktionalen Interaktionspunkte
(FIPe) in dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe bzw. AFIPe)
unterschieden.
71
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
Interaktioneller Raum
IR
Objekt-Raum
OR
wahrnehmbare Objekte
WO
wahrnehmbare
Dialog-Objekte
WDO
verborgene Objekte
VO
verborgene
Dialog-Objekte
VDO
wahrnehmbare
Anwendungs-Objekte
WAO
µ
Funktions-Raum
FR
ν
Menge aller
Objekt-Repräsentationen
RO
wahrnehmbare Funktionen
WFIP
wahrnehmbare
Dialog-Funktionen
WDFIP
verborgene
Anwendungs-Objekte
VAO
verborgene
Dialog-Funktionen
VDFIP
wahrnehmbare
Anwendungs-Funktionen
WAFIP
δ
verborgene Funktionen
VFIP
verborgene
Anwendungs-Funktio
VAFIP
α
Menge aller
Funktions-Repräsentationen
RF
Abbildung 5.1.2
Der interaktionelle Raum (IR) besteht aus dem Objektraum (OR) und
dem Funktionsraum (FR). OR und FR lassen sich weiter in wahrnehmbare und verborgene Bereiche bezüglich der Dialog- und der Anwendungskomponente aufteilen.
Tabelle 5.1.1
Formale Beschreibung des Dialogkontextes, des Zustands- und interaktionellen Raumes, sowie die Aufteilung in Objekt- und Funktionsraum usw.
D
ZR
DKZ
AKZ
IR
OR
FR
WO
VO
WFIP
VFIP
WDFIP
WAFIP
δ
α
WDO
WAO
µ
ν
RF
RO
72
:= ZR x IR
'Dialogkontext'
:= DKZ ∪ AKZ
'Zustandsraum'
:= Menge aller Zustände der Dialogkomponente.
(siehe Kapitel 2)
:= Menge aller Zustände der Anwendungskomponente.
(siehe Kapitel 2)
:= OR x FR
'interaktioneller Raum'
:= WO ∪ VO
'Objektraum'
:= WFIP ∪ VFIP
'Funktionsraum'
:= WDO ∪ WAO
'wahrnehmbare Objektrepräsentationen'
:= VDO ∪ VAO
'verborgene Objekte'
:= WDFIP ∪ WAFIP
'wahrnehmbare Funktionsrepräsentationen'
:= VDFIP ∪ VAFIP
'verborgene Funktionen'
:= {(df,rf) ∈ VDFIP x RF: rf = δ(df)}
'wahrnehmbare DFIPe'
:= {(af,rf) ∈ VAFIP x RF: rf = α(af)}
'wahrnehmbare AFIPe'
:= Abbildungsvorschrift einer df ∈ VDFIP auf eine geeignete rf ∈ RF.
:= Abbildungsvorschrift einer af ∈ VAFIP auf eine geeignete rf ∈ RF.
:= {(do,ro) ∈ VDO x RO: ro = µ(do)}
:= {(ao,ro) ∈ VAO x RO: ro = ν(ao)}
:= Abbildungsvorschrift eines do ∈ VDO auf eine geeignete ro ∈ RO.
:= Abbildungsvorschrift eines ao ∈ VAO auf eine geeignete ro ∈ RO.
:= Menge aller möglichen Funktionsrepräsentationen.
:= Menge aller möglichen Objektrepräsentationen.
Definition von Interaktionspunkten 5.1
Formal werden die verschiedenen Mengen des Dialogkontextes (D), bestehend aus dem
Zustandsraum (ZR, siehe Abbildung 2.0.3) und dem interaktionellen Raum (IR, siehe
Abbildung 5.1.2) in Tabelle 5.1.1 beschrieben. Die Abbildungsvorschriften δ und µ
werden auf der syntaktischen Ebene durch die firmenspezifischen Styleguides festgelegt
(Apple 1986, IBM 1989, 1991, 1992, OSF/Motif 1990, 1991, Microsoft 1992). Ein
noch weitgehend ungelöstes Problem ist jedoch die semantische Festlegung (Galitz 1989,
Marais 1990, S. 13). Die syntaktische und semantische Ausfüllung der Abbildungsvorschriften α und ν hängt hochgradig von der jeweiligen Anwendung ab (siehe z.B. van der
Schaaf 1989, Bodart und Vanderdonckt 1994). Es lassen sich jedoch im einzelnen konstruktive Methoden zu Überwindung dieser Probleme angeben (Staufer 1987, Rauterberg
et al. 1991, Rauterberg und Hof 1995).
Nachdem wir ein Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen definiert haben, möchte ich die verschiedenen Kategorien von Benutzungsoberflächen in einem historischen Rekurs beschreiben. Danach werden wir dann unser Beschreibungskonzept
auf die zur Zeit gängigsten Interaktionsarten anwenden, um diese zunächst qualitativ einordnen zu können. Shneiderman (1987, S. 57) unterscheidet zwischen folgenden fünf Interaktionsarten: (1.) Kommandoeingabe, (2.) Menüauswahl, (3.) Formulardialog, (4.) direkte Manipulation und (5.) natürlichsprachliche Ein/Ausgabe. Gehen wir noch weiter zurück in die Vergangenheit, so sind noch der Lochstreifen und die Stapelverarbeitung mit
Lochkarten zu erwähnen (siehe Nielsen 1993, S. 50). Interaktive Arbeit am Rechner – im
eigentlichen Sinne von kurzzyklischen Ein-Ausgabesequenzen – wurde erst mit der Kommandoeingabe über Tastatur und Bildschirmgerät ab Mitte dieses Jahrhunderts möglich.
Kommandooberflächen (KOn) zeichnen sich dadurch aus, dass der Benutzer über die Tastatur Interaktionsoperatoren als Zeichenketten eingibt. In diesem allgemeinen
Sinne haben alle interaktiven Systeme mit einer Tastatur eine KO. Im engeren
Sinne werden Oberflächen dann zu den KOn gezählt, wenn die eingegebenen
Zeichenketten mit einer bestimmten Taste (z.B. CR, ENTER usw.) abgeschlossen werden. KO werden aufgrund ihrer rein sequentiellen Ein- und Ausgabestruktur auch als zeilen- und zeichenorientierte Oberflächen bezeichnet. Der Benutzer muss die Syntax und Semantik der Kommando-'Sprache' beherrschen
und bei der Eingabe fehlerfrei reproduzieren können, um ein interaktives System
mit einer KO adäquat benutzen zu können (Oberquelle 1994, S. 119).
Als eine vereinfachte Variante von Kommandooberflächen wurden Frage-Antwortdialoge
realisiert. Meistens bieten Frage-Antwortdialoge dem Benutzer die aktuellen Antwortmöglichkeiten zum Auswählen an. In diesem Fall gehören sie zu den Oberflächen mit Menü-
73
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
auswahl. Wenn auf einer Bildschirmmaske nicht nur eine, sondern parallel eine Reihe
von Eingabestellen bzw. Interaktionspunkten vorgesehen sind, an denen der Benutzer
verschiedene Operatoren eingeben kann, handelt es sich in der Regel um Formulardialoge
(Shneiderman 1987). Oftmals wird dem Benutzer an diesen Eingabestellen eine Menüauswahl der verschiedenen Eingaben angeboten. Sind alle Eingaben im aktuellen Dialogkontext getätigt, so kann der Benutzer alle auf einmal mittels einer speziellen Operation (z.B.
die Taste 'DatFrg') als 'komplexes Kommando' an den Rechner 'abschicken'. Wir betrachten daher Formulardialoge als eine Mischung aus Kommando- und Menüoberfläche.
Menüoberflächen (MOn) sind dadurch erkennbar, dass der Benutzer in einer Menüstruktur die einzugebenden Operatoren auswählen kann. Verschiedene MOn unterscheiden sich darin, wie diese Auswahl im Einzelnen erfolgt (ganze Menümasken, Pop-Up-, Pull-down-, Drop-down-Menüs, siehe Lauter 1987, S. 9-12).
Für eine Menüauswahl ist zwingend notwendig, dass dem Benutzer eine wahrnehmbare Repräsentation der einzelnen Operatoren auf der Benutzungsoberfläche angeboten wird. Wegen der Vielzahl an Operatoren sind hierbei Strukturierungshilfen notwendig. So gibt es baum- und netzartige Menüstrukturen mit
verschiedenen Menüoptionen auf der aktuellen Menüebene. Die z.B. am häufigsten benötigten Operatoren werden oftmals direkt auf einzelne Funktionstasten
der Tastatur abgebildet und stehen dem Benutzer dadurch zusätzlich parallel zur
Verfügung.
Wenn die Darstellung aller Ausgaben einer MO (1.) auf einem graphikfähigen Bildschirm
erfolgt, (2.) einzelne Objekte als verschiebbare Piktogramme dargestellt sind (Staufer
1987), und (3.) die Menüstruktur in Form einer Pull-down-Menüleiste gegeben ist, so
spricht man auch von Desktopoberflächen (König 1989). Der wohl wesentlichste Unterschied zu den traditionellen MOn besteht im Wechsel von der Funktions-Objekt-Struktur
(FO-Struktur) zur Objekt-Funktions-Struktur (OF-Struktur, siehe König 1989, S. 21f).
Die FO-Struktur einer Oberfläche bedeutet, dass zuerst die gewünschte Funktion über den
entsprechenden Operator und erst dann das zugehörige Objekt eingegeben werden. Bei
der OF-Struktur ist es genau umgekehrt. In der Studie von Bannert (1991, S. 52) gaben
60 von insgesamt 64 Testpersonen an, eine 'objektorientierte' Vorgehensweise gemäss
der OF-Struktur zu bevorzugen. Sind auch Pop-up-Menüs und/oder Piktogramme mit
Operatorfunktionalität vorhanden, so erweitern sich Desktopoberflächen zu der umfassenderen Klasse der direktmanipulierbaren Oberflächen.
Direktmanipulierbare Oberflächen (DO) sind nach Shneiderman (1983) alle Oberflächen,
"bei denen eine permanente Sichtbarkeit aller relevanten Objekte, Ersetzung
74
Definition von Interaktionspunkten 5.1
komplexer Kommandos durch physische Aktionen, wie Mausbewegungen, Selektionsaktionen und Funktionstastenbetätigung, schnelle, umkehrbare, einstufige Benutzeraktionen mit unmittelbarer Rückmeldung" (Ziegler 1993, S. 146)
gegeben ist. Eine wesentliche Eigenschaft von DOn besteht darin, dass die Ausgaben auf dem Bildschirm in der Regel auch wieder direkt als Eingaben verwendet werden können ("inter-referential input-output", Smith et al. 1982).
Wenn bei einer DO keine standardisierten Vorgaben für die Ausgabe gegeben sind (wie
z.B. bei SAA/CUA, OSF/Motif, Windows usw.) und akustische und/oder haptische Sinneskanäle des Benutzers in die Interaktion einbezogen werden, so spricht man im allgemeinen von multimedialen Oberflächen.
Multimediale Oberflächen (MMO) bieten dem Benutzer zusätzlich zur visuellen Darstellung (Text, Graphik, Bild) auch akustische Ausgaben (Musik, Geräusche, Sprache; siehe Dannenberg und Blattner 1992). Weitere Interaktionskanäle können
auch haptischer bzw. taktiler Natur sein. Allgemein ist der Gestaltungs- und Interaktionsbereich wesentlich offener als bei den traditionellen graphischen Oberflächen. Bei der Gestaltung einer MMO steht die realitätsgerechte, anschauliche
Umsetzung der Anwendungsobjekte im Vordergrund (Koller 1992). Zur besonderen Veranschaulichung dynamischer Vorgänge können z.B. auch Film- bzw.
Videosequenzen eingesetzt werden. Wenn der Benutzer auf das multimediale
System neben den direktmanipulativen Interaktionsarten auch über die Sprache
einwirken kann, dann spricht man eher von natürlichsprachlichen Oberflächen.
Natürlichsprachliche Oberflächen (NO) zeichnen sich in der Regel allein durch die Tatsache aus, dass der Benutzer mit dem System über das natürliche geschriebene
oder gesprochene Wort interagieren kann. Wenn nur das geschriebene Wort zugelassen ist, dann ist dies Oberfläche einer Kommandooberfläche recht ähnlich,
wobei die Syntax und Semantik der Interaktion an die natürliche Sprache angelehnt ist (Vossen et al. 1991). Bei dem gesprochenen Wort ist die automatische
Spracherkennung zur Zeit noch recht begrenzt. Die zur Zeit besten Spracherkennungssysteme haben bei unbeschränkter Eingabe noch eine Fehlerrate von ca.
50% (Zue et al. 1991).
Als objektorientierte Oberflächen (OO) sollen alle Arten von Benutzungsoberflächen zusammengefasst werden, bei denen der Benutzer direkt, möglichst mittels analoger Operationen auf hoch animierten, 21/2 oder 3D Darstellungen der Anwendungsobjekte nach der OF-Struktur interagiert. Hierunter fallen dann auch Oberflächen aus dem Bereich 'virtual reality', bei der der Benutzer sich in der Welt
75
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
der Objekte selbst bewegt und mit diesen Objekten in einem virtuellen Raum interagiert. Es gehören zusätzlich zu der Klasse der OO auch die Oberflächen aus
dem Bereich 'embedded virtuality' (Wellner 1993). Für ausgewählte Funktionen
können manchmal natürlichsprachliche Eingaben zur Verfügung stehen (siehe
als Beispiel Fujita et al. 1993). Diese Definition ist umfassender als bei Zeidler
und Zellner (1992, S. 108ff).
Die verschiedenen Kategorien von Benutzungsoberflächen lassen sich nach unterschiedlichen Aspekten klassifizieren:
(1)
(2)
(3)
(4)
(5)
(6)
(7)
(8)
Zeilen- vs. Vollschirmeingabe,
system- vs. benutzerkontrolliert,
zeichen- vs. graphikorientiert,
diskrete vs. analoge Eingabe- und/oder Ausgabe,
Erinnern und Reproduzieren vs. Wiedererkennen und Auswählen,
FO-Struktur vs. OF-Struktur (siehe Kunkel, Bannert und Fach 1995),
freier vs. modaler Dialog (Zeidler und Zellner 1992, S. 96ff), sowie
deiktische vs. symbolische Referenzierung (Ziegler 1987 und Ziegler 1993).
Da sich oftmals keine der oben beschrieben sechs Oberflächenklassen eindeutig nur einem
dieser acht Klassifikationskriterien zuordnen lässt, wurden Oberklassen eingeführt: Zeichenorientierte (CUI1) vs graphische Oberflächen (GUI2 nach dem WYSIWYG3-Prinzip), direktmanipulierbare Oberflächen (DM bzw. DO), hybride Dialogformen (WIMP:
'windows', 'icons', 'mouse' mit OF-Struktur), objektorientierte Oberflächen.
Allein jedoch mit den beiden Dimensionen Visualisierungsgrad (Gilmore 1991) und
interaktive Direktheit (Laverson, Norman und Shneiderman 1987), können wir bereits
eine brauchbare Zuordnung von einigen typischen Oberflächenarten vornehmen (siehe
Abbildung 5.1.3). Interaktive Direktheit ist nicht identisch mit der Handlungsdirektheit
von Laurel (1988); Handlungsdirektheit im Sinne von Laurel (1988) und Wandmacher
(1993, S. 206f.) wird im Rahmen dieser Arbeit unter Aufgabenangemessenheit diskutiert.
1
CUI = 'character oriented user interface'
2
GUI = 'graphical user interface'
3
WYSIWYG = What you see is what you get.
76
Definition von Interaktionspunkten 5.1
Visualisierungsgrad
niedrig
niedrig
interaktive
Direktheit
hoch
Stapelverarbeitung
hoch
MenüOberfläche
(z.B. MsWORD für PCs)
Kommando
Oberfläche
(z.B. MS-DOS, UNIX)
direkte
Manipulation
(z.B. Desktop-Oberfläche)
Abbildung 5.1.3
Klassifikationsschema für die verschieden Oberflächen mit den beiden Dimensionen Visualisierungsgrad und interaktive Direktheit. Wie man sehen kann, ist
die Kommandooberfläche ähnlich interaktiv direkt wie eine direktmanipulierbare Oberfläche, hat jedoch einen ausserordentlich geringen Visualisierungsgrad.
Den Visualisierungsgrad kann man gemäss unserem Beschreibungskonzept einfach über
das Verhältnis der repräsentationalen zu den funktionalen Interaktionspunkten bestimmen.
Wenn für alle vom interaktiven System angebotenen Funktionen mindestens eine spezifische Repräsentationsform existiert, so ist der Visualisierungsgrad ≥100%. Je weniger Interaktionsschritte notwendig sind, um aus dem aktuellen Dialogkontext heraus an eine benötigte Anwendungsfunktion heranzukommen, desto interaktiv direkter ist die Oberfläche. Wenden wir diese beiden Beschreibungsdimensionen auf die vier bekanntesten
Oberflächenarten an, so zeigt sich, dass die Kommandooberfläche zwar genauso interaktiv direkt ist wie z.B. eine Desktopoberfläche (wenn nicht oftmals sogar direkter). Im Unterschied zu einer DO hat die KO aber nur einen sehr niedrigen Visualisierungsgrad.
5.2
I NTERAKTIONSPUNKTE VON K OMMANDOOBERFLÄCHEN
Als erstes Beispiel soll die Kommandooberfläche von MsDOS™ dazu dienen, das Beschreibungskonzept der Interaktionspunkte zu verdeutlichen. Bei einer Kommandooberfläche werden die verborgenen Funktionen über die Eingabe von Interaktionsoperatoren
('Kommandos') angesprochen, welche sich aus Zeichenketten zusammensetzen (daher
auch die durchbrochenen Kreise über den einzelnen Tasten in Abbildung 5.2.1).
77
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
MS-DOS Vers. 3.01
C:>_
Abbildung 5.2.1
Jede Kommandooberfläche (hier z.B. MsDOS™) zeichnet sich dadurch aus, dass auf dem Bildschirm nur ein wahrnehmbarer Interaktionspunkt (WFIP)
dem Benutzer zur Verfügung steht (der Eingabebereich hinter dem 'Systemprompt').
Der Aktionsraum des Benutzers ist die Tastatur. Der grösste Teil des Bildschirmes dient
lediglich als Ausgabemedium. Zunächst wählen wir verschiedene dialog- und anwendungsbezogene Funktionen aus: Die Kommandos 'dirCR' und 'cd <path>CR' sind stellvertretend für alle dialogfunktionalen Interaktionspunkte (VDFIPe), und die beiden Kommandos 'delete <file name>CR' und 'rename <old name> <new name>CR' sind stellvertretend für alle anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (VAFIPe).
Dem Benutzer steht in der Regel bei einer Kommandooberfläche nur ein wahrnehmbarer funktionaler Interaktionspunkt (WFIP) zur Verfügung (Abbildung 5.2.1; der Eingabebereich hinter dem 'Systemprompt' auf dem Bildschirm). Wenn bestimmte Funktionen zusätzlich über spezielle Funktionstasten oder Tastenkombinationen ausgelöst werden
können, so sind ihre Repräsentationen auf der Tastatur ebenfalls wahrnehmbare Funktionsrepräsentationen (WFIPe) (Abbildung 5.2.1; die 'vollen' Kreise über den Tasten der
Tastatur). Diese wahrnehmbaren Funktionsrepräsentationen (WFIP) sind z.B. über spezielle Funktionstasten (z.B. 'PRT', 'DEL') gegeben. Es besteht zwischen dem WFIP auf
78
Interaktionspunkte von Kommandooberflächen 5.2
dem Bildschirm und den VFIPen eine (1 zu n)-Beziehung. Dies lässt sich abstrakt durch
die schematische Darstellung in Abbildung 5.2.2 veranschaulichen.
E/A-Schnittstelle
aktueller
Dialogkontext (D)
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(VAFIP)
A.Funktion-1
wahrnehmbarer
funktionaler
Interaktionspunkt
(WFIP)
A.Funktion-2
A.Funktion-3
A.Funktion-4
A.Funktion-5
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(VDFIP)
A.Funktion-6
A.Funktion-7
D.F1
D.F2
...
AnwendungsKomponente
Dialog-Komponente
Abbildung 5.2.2
Die schematische Darstellung einer kommandoorientierten Benutzungsoberfläche und der (1 zu n)-Beziehung zwischen dem WFIP und den n verborgenen
dialog- bzw. anwendungsfunktionalen Interaktionspunkten (VDFIPen bzw. VAFIPen).
An einem einfachen Beispiel lässt sich die Menge der verborgenen dialogfunktionalen Interaktionspunkte (VDFIPe) verdeutlichen: Ein Teil der Anwendungsobjekte
(VAO) von MsDOS™ sind die auf der Festplatte bzw. Diskette verwalteten Dateien; diese
Anwendungsobjekte lassen sich über Eigenschaften wie 'Name.Extension', 'Grösse in
Byte', 'Datum der Erstellung', 'Datum der letzten Änderung', 'Ort der Speicherung'
usw. beschreiben bzw. auf der Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) repräsentieren und gegebenenfalls verändern. Alle diese Eigenschaften sind jedoch nur potentiell wahrnehmbar.
Erst durch den Dialogoperator 'dirCR' mit dem entsprechenden dialogfunktionalen Interaktionspunkt (VDFIP) lassen sich diese Eigenschaften in eine passiv wahrnehmbare Repräsentationsform überführen. Wie ausserordentlich hilfreich dies ist, belegen empirische
Untersuchungen (Greenberg und Witten 1988; Rauterberg 1991b). Das mit Abstand am
häufigsten benutzte Kommando bei der Benutzung von UNIX™ ist das 'ls' Kommando,
welches wie das 'dir' Kommando bei MsDOS™ lediglich den aktuellen 'Directory'-Inhalt
auf den Bildschirm ausgibt und somit eindeutig der Orientierung dient (Kraut, Hanson
und Farber 1983). Es zeigte sich, dass eine der Hauptschwächen von Kommandoober-
79
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
flächen in der mangelnden automatischen Rückmeldung zu sehen ist. Diese Schwäche erweist sich oftmals nicht nur für Anfänger, sondern auch für erfahrene Benutzer als nachteilig (Kraut, Hanson und Farber 1983; Greenberg und Witten 1988).
Der Oberflächentyp 'Formulardialog' ('form fill in') ist im wesentlichen eine spezielle Art einer Kommandooberfläche mit multiplen Eingabepunkten (WFIPen) im aktuellen
Dialogkontext, wobei der weitere Interaktionsverlauf von den jeweils eingegebenen Werten abhängt. Das hier vorgestellte Beschreibungskonzept und die ableitbaren Gestaltungshinweise sind gleichermassen auch auf den Oberflächentyp 'Formulardialog' anwendbar.
5.3
I NTERAKTIONSPUNKTE VON ZEICHENORIENTIERTEN
M ENÜOBERFLÄCHEN (CUI)
Sehen wir uns als zweites Beispiel die historisch nächste Entwicklungsstufe von Benutzungsoberflächen an. Eine zeichenorientierte Oberfläche ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass möglichst für jede verborgene Funktion (VFIP) auch eine wahrnehmbare Funktionsrepräsentation (WFIP) vorhanden ist und somit dem Benutzer Feedback
über die im aktuellen Dialogkontext gültigen Funktionen gibt (Ulich et al. 1991).
Ein besonderes Problem – insbesondere im Vergleich zu direktmanipulierbaren
Oberflächen – taucht auf: Welchen repräsentationalen Stellenwert haben die Hinweise auf
die aktuelle Semantik der Menüitems (siehe in Abbildung 5.3.1 hinter 'BEFEHL:')? Zur
Beantwortung dieser Frage ist die oben eingeführte Unterscheidung in den aktiven Wahrnehmungsraum und den Aktionsraum hilfreich. Wir nennen alle semantischen Bezeichner
der Menüleiste auf dem Bildschirm 'wahrnehmbare Interaktionspunkte des aktiven Wahrnehmungsraumes' und die wahrnehmbaren Interaktionspunkte der zugehörigen (Funktions)-Tasten auf der Tastatur 'repräsentationale Interaktionspunkte des Aktionsraumes'.
Da jedoch die Ein/Ausgabeschnittstelle (EAS) meistens einen physikalisch begrenzten Darstellungsraum hat, können auf der Bildschirmoberfläche nur ausgewählte funktionale Interaktionspunkte repräsentiert werden (Ilg und Ziegler 1987, Sommerville 1987).
Dies hat zur Konsequenz, dass die repräsentationalen Interaktionspunkte (WFIPen) auf
verschiedene Dialogkontexte aufgeteilt werden müssen. Übertragen wir diese Sicht auf
ein schematisches Diagramm, so ergibt sich Abbildung 5.3.2.
80
Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen 5.3
1
[.........1.........2.........3.........4.........5.........6..].....7
Dies ist die normale Sicht auf den Text eines Dokumentes mit
MsWORD 4.0
DOKUMENT.TXT
BEFEHL: Ausschnitt Bibliothek Druck Einfügen Format Gehezu Hilfe Kopie
Löschen Muster Quitt Rückgängig Suchen Übertragen Wechseln Zusätze
Öffnen, schließen, verändern der Größe von Fenstern
Se1 Ze1 Sp1
()
?
Microsoft Word
Abbildung 5.3.1
Die CUI-Oberfläche des Textverarbeitungsprogrammes MSWORD™ 4.0.
Das System MS-WORD in Abbildung 5.3.1 befindet sich gerade in dem Interaktionsmodus 'Befehlseingabe'. Der Benutzer hat die Möglichkeit, bei dem 'Eingabe'-WDFIP (z.B.
das Menüitem 'Ausschnitt') weitere Untermenüs aufzuklappen. Die Verlagerung dieses
repräsentationalen Interaktionspunktes erfolgt über die Cursortasten bzw. die TAB-Taste.
Alle Zeicheneingaben des Benutzers werden in diesem Zustand ausschliesslich zur Dialogsteuerung verwendet. Das aktuell ausgewählte Menüitem (z.B. 'Ausschnitt') ist in der
zweit untersten Bildschirmzeile jeweils ausführlicher erläutert.
Die Unterscheidung zwischen dem aktiven Wahrnehmungsraum und dem Aktionsraum ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn der für einen funktionalen Interaktionspunkt die Semantik tragende Interaktionspunkt räumlich nicht mit dem aktionalen
Interaktionspunkt zusammenfällt. Dies ist dann der Fall, wenn auf dem Bildschirm die
Bedeutung (in irgendeiner Form) für einzelne Tasten (insbesondere Menüeinträge oder
Funktionstasten) oder sonstige Interaktionselemente als repräsentationaler Interaktionspunkt gegeben ist. Wir müssen also zwischen der Menge der repräsentationalen Interak-
81
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
tionspunkte des aktiven Wahrnehmungsraumes (WFIP) und der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte des Aktionsraumes (WFIPA) unterscheiden.
aktueller
Dialogkontext (D)
E/A-Schnittstelle
wahrnehmbarer
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(WAFIP)
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(VAFIP)
A.Funktion-1
A.Funktion-2
A.Funktion-3
A.Funktion-4
wahrnehmbarer dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(WDFIP)
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(VDFIP)
A.Funktion-5
A.Funktion-6
A.Funktion-7
D.F1
D.F2
D.F3
...
AnwendungsKomponente
Dialog-Komponente
Abbildung 5.3.2
Die schematische Darstellung einer CUI-Oberfläche.
Die konzeptionelle Trennung in den aktiven Wahrnehmungsraum und den Aktionsraum
ist zwar sehr wichtig (siehe die entsprechende Unterscheidung von 'execution' – 'perception' bei Norman 1986), führte bisher jedoch leider auch zu der physikalischen Trennung
dieser beiden Bereiche ('Bildschirm' – 'Tastatur'). Die physikalische Distanz zwischen
diesen beiden Bereichen ist z.B. durch die räumliche Entfernung ∆ zwischen WFIP und
WFIPA messbar (Abbildung 5.3.3). Um dieses Problem in der Praxis teilweise zu entschärfen, werden – bei überwiegend durch Funktionstasten gesteuerten Systemen – z.B.
Tastaturschablonen mit ausgeliefert bzw. von den Benutzern oftmals selbst angefertigt.
Die Zuordnung zwischen dem repräsentationalen Interaktionspunkt des aktiven
Wahrnehmungsraumes (WFIP) und dem repräsentationalen Interaktionspunkt des Aktionsbereiches (WFIPA) muss vom Benutzer entweder im (internen) Kurzzeit- oder bei
längerer Übung im Umgang mit der jeweiligen Software auch im Langzeitgedächtnis für
die handlungsleitende Entscheidung verfügbar sein. Eine andere Möglichkeit besteht
darin, dass der Benutzer diese Zuordnung im externen visuellen 'Gedächtnis' (die Ein/
Ausgabeschnittstelle) belässt und die jeweilige Funktionstaste ohne Blickwendung hin zur
Tastatur findet und betätigt. Je grösser die physikalische Distanz zwischen WFIP und
82
Interaktionspunkte von zeichenorientierten Menüoberflächen 5.3
WFIPA ist, desto stärker ist – zumindest für den ungeübten Benutzer mit Blickwendung
zur Tastatur – die kurzzeitige Gedächtnisbelastung.
aktueller Dialogkontext (D)
funktionaler Interaktionspunkt
(VFIP)
repräsentationaler
Interaktionspunkt
des Wahrnehmungsbereiches
(WFIP)
Funktion-1
Funktion-2
physikalische
Distanz ∆
Funktion-3
(WFIPA)
repräsentationaler
Interaktionspunkt des
Aktionsbereiches
Funktion-5
Funktion-4
Funktion-6
Funktion-7
Ein/AusgabeSchnittstelle
FunktionsKomponente
Abbildung 5.3.3
Die Unterscheidung der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte (WFIPen) in die Menge der Elemente des Wahrnehmungsraumes (WFIPen) und
die Menge der Elemente des Aktionsraumes (WFIPAen). Dieser Unterschied ist immer
dann wichtig, wenn der aktive Wahrnehmungsraum und der Aktionsraum auf der Ein/Ausgabeschnittstelle auseinanderfallen (z.B. 'Bildschirm' und 'Tastatur').
Bei direktmanipulierbaren Oberflächen wird gegenüber den CUI-Oberflächen für die
maussensitiven Bereiche (bzw. die entsprechenden WFIPen) die Distanz ∆ Null sein.
Dies kommt dadurch zustande, dass bei einem direktmanipulativen Interaktionselement
(z.B. die 'Maus') der entsprechende WFIPA nicht die Maustaste selbst, sondern der
Maus-Cursor auf dem Bildschirm ist. Dies gilt dann auch ebenso für die Cursortasten der
herkömmlichen Tastatur bzw. für alle Arten der Interaktionssteuerung, bei der ein
WFIPA des jeweiligen Aktionsraumes auf dem Bildschirm vorhanden ist. Hierbei wird
angenommen, dass die jeweilige Positionierung bzw. Steuerung des WFIPAs auf dem
Bildschirm auf der sensumotorischen Regulationsebene ausgeführt werden kann, ohne
dabei mit höheren mentalen Regulationsebenen zu interagieren. Der Nachteil der Cursorsteuertasten gegenüber der Maussteuerung liegt darin begründet, dass sie – bedingt durch
den 'digitalen' Charakter ihrer Steuerung – einen erhöhten zusätzlichen interaktiven Aufwand benötigen (Ilg und Ziegler 1987; Hächler et al. 1990).
83
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
5.4
I NTERAKTIONSPUNKTE VON DIREKTMANIPULIERBAREN
O BERFLÄCHEN (GUI)
Wenn wir sowohl einen hohen Grad an Visualisierung anstreben und gleichzeitig die interaktionale Distanz zu den funktionalen Interaktionspunkten (FIPen) minimieren wollen,
kommen wir zu der Klasse der graphischen Oberflächen. Die verschiedenen Anwendungsobjekte können z.B. als Ikonen graphisch auf dem Bildschirm repräsentiert sein;
die zugehörigen anwendungsbezogenen Funktionen lassen sich direkt über entsprechend
zugeordnete Menüs aktivieren. Als besonders 'direkt', und damit von Benutzern bevorzugt, haben sich 'Pop-up'-Menüs in unmittelbarem raumzeitlichen Zusammenhang mit
den zugehörigen Objekten erwiesen (Koller und Ziegler 1989). Wie z.B. bei der SmallTalk-Umgebung sollten für die Interaktion mehr als nur eine Maustaste zur Verfügung
stehen: Eine Taste um die Objekte zu aktivieren, bewegen usw. und eine zweite Maustaste
für die anwendungsbezogenen Funktionen auf diesen Objekten. Eine dritte Maustaste
z.B. ermöglicht die Aktivierung der Eigenschaftsliste des aktivierten Objektes.
Eine historische Übergangsform zwischen den traditionellen CUI-Oberflächen und
den direktmanipulierbaren Oberflächen bilden die Desktopoberflächen. Eine Desktopoberfläche zeichnet sich neben der graphikfähigen Bildschirmausgabe durch 'Pull-down'-Menüs und durch Ikonen, Piktogramme, Fenster, Dialogboxen, Dialogknöpfe usw. aus. Da
bei grossen Bildschirmflächen die Distanz zwischen den Pull-down-Menüitems am oberen Bildschirmrand und den aktuell bearbeiteten Dialog- bzw. Anwendungsobjekten irgendwo auf dem Schirm recht gross werden kann, wurden verschiedene Interaktionstechniken (z.B. die 'Abreiss'-Menüs) entwickelt. Durch diese weiteren Dialogobjekte ergeben
sich auch neue Interaktionsoperatoren.
Bei einer direktmanipulierbaren Oberfläche werden die meisten funktionalen Interaktionspunkte (FIPe) dem Benutzer direkt im aktuellen Dialogkontext in den verschiedensten Repräsentationsformen angeboten. Da bei einem einigermassen komplexen System
dennoch nicht alle funktionalen Interaktionspunkte (VFIPe) gleichzeitig als repräsentationale Interaktionspunkte (WFIPe) auf dem Bildschirm Platz haben (Ilg und Ziegler 1987,
Sommerville 1987), werden sie als Menüitems z.B. bei Desktopoberflächen in den Pulldown Menüs der Menüleiste versteckt (Fabian und Rathke 1983) bzw. bei direktmanipulierbaren Oberflächen in den Pop-up-Menüs. Wie man in Abbildung 5.4.1 sehen kann,
nimmt die Bedeutung der Tastatur für die konkrete Interaktionssteuerung bei einer direktmanipulierbaren Oberfläche stark ab und beschränkt sich meistens auf die reine Texteingabe.
84
Interaktionspunkte von direktmanipulierbaren Oberflächen 5.4
Eingeben...
Löschen...
Ändern...
Bearbeiten...
Anzeigen...
GRUPPE
ADDRESSE
VERBUNDDATE
Primärsch
CH..8092
CH..8092
CH..8092
CH..8092
CH..8092
GDR.8024
USA.20742
GRUPPE.Primärschlüssel
Nachname
Vorname
Ackermann
David
Greutmann
Thomas
Rauterberg Matthias
Spinas
Philipp
Ulich
Eberhard
Hacker
Winfried
Shneiderman Ben
KLEMMBRET
IM/EXPORT
SORTIERBRET
PAPIERKORB
Wahl
Rechnen
Klemmbr
Anzahl
Maske
Merkmal
Sortierun
MISCHEN
DISKETTE
DRUCKER
Abbildung 5.4.1
Die direktmanipulierbare Oberfläche eines relationalen Datenbankprogrammes. Alle die eingekreisten Repräsentationsformen (WFIPe) gehören zum Aktionsraum des Benutzers. Der Maus-Cursor als repräsentationaler Interaktionspunkt des
Aktionsraumes (WFIPA) befindet sich im maussensitiven Bereich des Pop-up-Menüs zu
der Datei 'Adressen'.
Die Interaktionssteuerung bei direktmanipulierbaren Oberflächen erfolgt fast ausschliesslich über ein 'analoges' Interaktionselement (z.B. Maus, Rollkugel, Finger bei berührungssensitiven Bildschirmen usw.; Balzert 1988), bis hin zu dem Datenhandschuh
(Foley 1988). Der Vorteil dieser neuen Interaktionstechniken besteht darin, dass Aktionsraum und aktiver Wahrnehmungsraum raum-zeitlich zusammenfallen (Dumais und Jones
1985). Ebenso weisen neuere Entwicklungen im Schnittstellenbereich in diese Richtung
(Ward und Phillips 1987; Mel et al. 1988). Eine Reihe von speziellen Interaktionselementen werden ausschliesslich dazu entwickelt, dem Benutzer möglichst direkt die benötigte
Anwendungsfunktion darzubieten. Dies kann man z.B. bei CAD-Arbeitsplätzen beobachten, wo oftmals zusätzlich spezielle Interaktionselemente wie Drehknöpfe, Grafiktabletts
usw. den Benutzern zur Verfügung gestellt werden.
85
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
aktueller
DialogKontext (D)
E/A-Schnittstelle
wahrnehmbarer
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(WAFIP)
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(VAFIP)
A.Funktion-1
A.Funktion-2
A.Funktion-3
A.Funktion-4
wahrnehmbarer dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(WDFIP)
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(VDFIP)
A.Funktion-5
A.Funktion-6
AnwendungsKomponente
D.F1
D.F2
...
Dialog-Komponente
Abbildung 5.4.2
Die schematische Darstellung einer direktmanipulierbaren Oberfläche. In dem aktuellen Dialogkontext sind überwiegend anwendungsfunktionale Interaktionspunkte repräsentiert (WAFIPe). Der Benutzer hat aus dem aktuellen Dialogkontext
heraus direkten Zugriff über die vorhandenen Repräsentationen auf alle Funktionen der
Dialog- und Anwendungskomponente.
Das bisher vorgestellte Beschreibungskonstrukt des Interaktionspunktes gibt zunächst nur
den rein formalen Charakter der repräsentierten Formen wieder und lässt die Problematik
der Semantik der einzelnen repräsentationalen Interaktionspunkte zunächst ausser acht
(siehe in diesem Zusammenhang die Ergebnisse von Streitz et al. 1989). Ein wesentlicher
Vorteil unseres Konzeptes der Interaktionspunkte (FIPe) liegt jedoch darin, dass man
neben dem 'Visualisierungsgrad' zusätzlich den 'interaktiven Aufwand' beschreiben und
quantifizieren kann. Wieviel verschiedene dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe)
müssen z.B. benutzt werden, um an einen bestimmten anwendungsfunktionalen Interaktionspunkt (AFIP) heranzukommen? D.h., je weniger dialogfunktionale Interaktionspunkte notwendig sind, um einen benötigten AFIP zu erreichen, desto direkter ist die Interaktionsstruktur. Dieser Aspekt wird im Folgenden interaktive Direktheit genannt.
5.5
D EFINITION VON D IALOGKONTEXT UND I NTERAKTIONSPFAD
Um die interaktive Direktheit operational messbar zu machen, werden weitere Beschreibungskonstrukte eingeführt. Ziel dieses Vorgehens ist es, die Länge des interaktionalen
Zugriffes auf die einzelnen Funktionen (DFIPen bzw. AFIPen) quantitativ angeben zu
können. Für das hier gewählte Vorgehen ist es ausreichend, "Dialogabläufe auf Fenster-
86
Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5
ebene (grobe Dialogabläufe)" (Janssen 1993, S.69) zu beschreiben (siehe auch Alty und
Mullin 1989; Haubner 1992).
Dialog-Kontexte mit
den einzelnen WFen
1
(die zugehörigen VDFIPe
sind nicht extra eingezeichnet)
3
2
4
8
WDFIP
5
12 WAFIP
9
10
6
11
13
7
14
VAFIPEbene
a
b c
d e
f g
h
i j
k l
3
44
44
3 3
3
3 3
5 5 Pfad-
längen
Abbildung 5.5.1
Schematische Darstellung eines beispielhaft gegebenen, strikt hierarchischen Menü- bzw. Interaktionsbaumes (z.B. MS-WORD™ für DOS™). Der Benutzer
navigiert sich durch die 14 verschiedenen Dialogkontexte hindurch zu der jeweils gewünschten Anwendungsfunktion (VAFIP a, b, ..., l).
Um sich z.B. in einem Interaktionsbaum 'bewegen' zu können, stehen dem Benutzer im
aktuellen Dialogkontext – direkt – entsprechende dialogfunktionale Interaktionspunkte
(DFIPe) zur Verfügung (um z.B. von Dialogkontext zu Dialogkontext zu gelangen). Zunächst muss die Basisaktion – der einzelne Interaktionsschritt (IS) – definiert werden.
Um diese Definition plausibel machen zu können, wird ein einfacher Interaktionsbaum
beispielhaft eingeführt (siehe Abbildung 5.5.1). Desweiteren werden wir einen Interaktionsoperator (IOp) und einen Dialogkontext (D) definieren. Die Länge der einzelnen Interaktionspfade von dem obersten Dialogkontext (D) bis hin zu der Ebene der Anwendungsfunktionen ist für alle anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (AFIPe) als
Pfadlängen angegeben (siehe Abbildung 5.5.1). Sehen wir uns als erstes die Definition
eines strikt hierarchischen Interaktionsbaumes an.
Mit der Beschränkung auf einen strikt hierarchischen Interaktionsbaum gehen wir
von der Annahme aus, dass der Benutzer zunächst nach dem Aufstarten eines bestimmten
interaktiven Programmes sich in einem Startdialogkontext ('Wurzelknoten') befindet und
an der Auslösung bzw. Aktivierung einer bestimmten Anwendungsfunktion (AFIP) interessiert ist (z.B. Erzeugung eines neuen Anwendungsobjektes wie etwa eines Textdoku-
87
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
mentes). Wir gehen also bei der folgenden Betrachtung vereinfachend davon aus, dass
der Benutzer immer von dem Start- bzw. Wurzeldialogkontext (SD) ausgeht. Wie der Benutzer jedesmal zu diesem ausgezeichneten Startdialogkontext gelangt, bleibt vorerst unberücksichtigt. Um sich überhaupt in einem Interaktionsbaum durch die Hierarchie der
Dialogkontexte navigieren zu können, stehen dem Benutzer jeweils entsprechende, dialogfunktionale Interaktionspunkte (DFIPe) zur Verfügung.
(Definition von einem INTERAKTIONSBAUM)
(1)
(2)
der Knoten O ist ein Baum.
Wenn B1, B2, ... Bn für (n ≥ 1) Bäume sind, dann ist auch
ein Baum.
Ein Interaktionsbaum ist ein gerichteter Graph ohne geschlossene Wege, in
dem zwischen je zwei Knoten genau ein Pfad existiert. Es handelt sich um
einen zyklenfreien, zusammenhängenden gerichteten Graphen, welcher aus
endlich vielen Knoten und Kanten besteht.
Ein Knoten in einem Interaktionsbaum heisst Dialogkontext (D);
eine gerichtete Kante steht für einen entsprechenden Interaktionsoperator
(IOp).
Der Wechsel zwischen den Dialogkontexten (z.B. in einem Interaktionsbaum) soll Interaktionsschritt heissen und lässt sich aufbauend auf den Definitionen eines Interaktionsoperators und eines Dialogkontextes definieren. Durch die Ausführung eines Interaktionsschrittes kann, muss aber nicht der aktuelle Dialogkontext wechseln. Darüber hinaus kann
eine Wechsel des Dialogkontextes auch durch das System selbst vorgenommen werden.
(Definition von einem INTERAKTIONSOPERATOR)
ein Interaktionsoperator (IOp) ist die Auslösung einer Dialog- oder Anwendungsfunktion über den entsprechenden funktionalen Interaktionspunkt des
Funktionsraumes FR:
IOpn
=
A(FRm → Fm)
mit ((n = m + i) oder (n = nil)) und (m ≥ 1) und (i ≥ 0)
A
88
ist eine systeminterne Abbildung des FRm auf die zugeordnete Funktion bzw. den Algorithmus Fm.
Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5
n=nil
bedeutet, dass die Funktionalität Fm nicht durch den Benutzer, sondern selbsttätig durch das System ausgelöst wird; dieser Interaktionsoperator heisst Operatordummy.
Als nächstes müssen wir noch eine bessere Definition für den Dialogkontext finden, als
sie in der Definition für den Interaktionsbaum gegeben wurde. Ein Dialogkontext setzt
sich aus sehr verschiedenen Elementen zusammen. Zum einen gehören sicherlich die verschiedenen Interaktionspunkte dazu; dies sind dann insbesondere die repräsentationalen
und ihre funktional zugehörigen Interaktionspunkte. Dann gehören noch die repräsentationalen Zustandseigenschaften der Dialog- und der Anwendungskomponente dazu. Das
wichtigste sind jedoch sicherlich die jeweils zu diesen einzelnen Bereichen gehörenden
Abbildungsvorschriften bzw. Abbildungsfunktionen (siehe auch Cordes 1988). Hinter
diesen Abbildungsfunktionen (φ, ζδ, ζα) verbergen sich im Detail noch ausstehende Forschungsergebnisse. Diese Abbildungsfunktionen werden leider in den meisten formalen
Betrachtungen einer Interaktionssprache ausgegrenzt (z.B. Zachmann 1989, S. 57). Hierdurch können jedoch Gestaltungsrichtlinien wie 'Transparenz' und 'Feedback' nicht adäquat berücksichtigt werden (zu den Gestaltungsrichtlinien siehe Ulich 1985, Spinas
1987, Ulich et al. 1991). Definieren wir uns zunächst einmal den Dialogkontext:
(Definition von einem DIALOGKONTEXT)
ein Dialogkontext (D) ist ein Sieben-Tupel der folgenden Form:
D
=
(FRm, WFn, DKZd, WDKZe, AKZa, WAKZb, ORo)
wenn gilt:
FRm
ist die Menge mit m-Elementen aus der Menge aller funktionalen Interaktionspunkte des Funktionsraumes.
WFn
ist die Menge aller n wahrnehmbaren Elemente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion φ der m Funktionen des FR auf
die Menge aller Funktionsrepräsentationen RF.
DKZd
ist die Menge aller Zustände der Dialogkomponente (d an der Zahl).
WDKZe ist die Menge aller e wahrnehmbaren Zustände der Dialogkomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζδ der d
Elemente von DKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände
RZ.
AKZa
ist die Menge aller Zustände der Anwendungskomponente (a an der
Zahl).
WAKZb ist die Menge aller b wahrnehmbaren Zustände der Anwendungskomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion
ζα der a Elemente von AKZ auf die Menge aller repräsentierbaren
Zustände RZ.
89
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
ORo
ist die Menge aller interaktiven Objekte im Objektraum (o an der
Zahl).
Der Wechsel zwischen Dialogkontexten soll Interaktionsschritt (IS) heissen und lässt sich
wie folgt definieren (siehe auch Dehning, Essig und Maass 1978, S. 105, sowie Cordes
1988, S. 23). Zunächst listen wir alle IOpen auf und weisen ihnen einen eindeutigen
Index n ∈ ℵ zu (ℵ := Menge der natürlichen Zahlen ohne die Null). Das gleiche tun wir
mit allen Dialogkontexten D. Wenn ein IOpn im aktuellen Dm zu einem anderen Do führt,
addieren wir jeweils einen Wert i derart zu m, so dass wir o erhalten (mit i ∈ ℑ, mit ℑ :=
Menge der ganzen Zahlen).
(Definition von einem INTERAKTIONSSCHRITT)
ein Interaktionsschritt (IS) ist die Folge von einem Interaktionsoperator (IOp)
und einem Dialogkontext (D):
ISn,m
=
(IOpn, Dm+i)
mit (n ≥ 1) und (m ≥ 1) und (i ∈ ℑ) und (n ≠ nil)
Ein Interaktionsschritt ISn,m ist somit der Übergang von einem gegebenen
Dm durch Auslösung einer Funktion F zu einem folgenden Dm+i. Wenn i=0
ist, handelt es sich um einen zustands- bzw. kontextbewahrenden IS. In diesem Fall reden wir auch von einer elementaren Interaktionsschlinge.
Ein Interaktionsschritt (IS) ist also der Wechsel eines Dialogkontextes durch Eingabe
bzw. durch Auslösung einer Dialog- oder Anwendungsfunktion zu einem nächsten Dialogkontext. Hiermit ist der Zustandsübergang im Zustandsraum der Dialog- und Anwendungskomponente gemeint. Es gibt zustandsbewahrende und zustandsverändernde Interaktionsschritte. Ein zustandsbewahrender Interaktionsschritt wird als elementare Interaktionsschlinge bezeichnet. Syntaktische Fehleingaben eines Benutzer sind häufig zustandsbewahrende Interaktionsschritte, sofern das interaktive System nicht extra mit einem
neuen Dialogkontext zur Fehlerbehandlung oder gar Stillstand reagiert. Definieren wir die
Abfolge von Interaktionsschritten als ein zusammenhängendes Ganzes, so kommen wir
zu der Definition des Interaktionspfades (der Dialogabschnitt bei Dehning, Essig und
Maass 1978, S. 129).
(Definition von einem INTERAKTIONSPFAD)
ein Interaktionspfad (Pfd) ist die Folge von aufeinanderfolgenden Interaktionsschritten:
90
Dialogkontext und Interaktionspfad 5.5
Pfd [ISn,m…ISn+i,m+j] = [(IOpn,Dm),...,(IOpn+i,Dm+j)]
mit (n ≥ 1) und (m ≥ 1) und (i,j ∈ ℑ)
Zur Verbesserung der Übersicht wird die folgende, abkürzende Schreibweise
für Interaktionspfade eingeführt:
Pfd [ISn…ISn+i] = [IOpn,...,IOpn+i]
mit (n ≥ 1) und (i ∈ ℑ)
Mit dieser hier vorgelegten Definition des Interaktionspfades in abgekürzter Schreibweise
wird die Struktur eines Logfiles abstrakt beschrieben. Man kann also direkt aus den
meisten Logfileaufzeichnungen die Länge einzelner Interaktionspfade angeben. Offen
bleibt dabei zunächst noch das Problem, wie und nach welchen Kriterien man den Anfangs- und den Endpunkt eines Interaktionspfades bestimmt. Sehen wir uns nun die
Länge eines Interaktionspfades etwas näher an und definieren sie wie folgt:
(Definition der LÄNGE eines INTERAKTIONSPFADes)
Die Länge eines Interaktionspfades ist die Anzahl der Interaktionsschritte
zwischen dem Start- und dem Enddialogkontext des Pfades und wird wie
folgt geschrieben:
lng (Pfd[ISn…ISn+i])
Mit den hier vorgestellten Definitionen sind wir bereits in der Lage, eine Reihe von
brauchbaren Operationalisierungen für benutzungsorientierte Gestaltungsrichtlinien angeben zu können.
5.6
A NWENDUNGSMÖGLICHKEITEN DES B ESCHREIBUNGSKONZEPTES
Das hier vorgestellte Beschreibungskonzept kann auf die meisten gängigen Oberflächentypen angewendet werden. Die Anwendung auf eine Kommandooberfläche ist relativ einfach (siehe Abschnitt 5.2) und bedarf daher keiner gesonderten Behandlung. Wenn wir
unsere erweiterte Definition einer Kommandooberfläche heranziehen, dann kann der
Oberflächentyp Formulardialog als eine Mischung zwischen Kommando- und Menüoberfläche angesehen werden.
Um jedoch Aussagen über die zur Zeit gängigsten Oberflächentypen machen zu
können, werden wir uns auf die Behandlung einer Menü- bzw. CUI- und einer GUIOberfläche konzentrieren (Rauterberg 1988b, 1989a, 1989b, 1990a, 1991c, 1992e). Zusätzlich werden wir unser Beschreibungskonzept auf ein multimediales Informations-
91
5 Das quantitative Beschreibungskonzept
system (siehe Daum und Schlagenhauf 1993), sowie auf zwei unterschiedliche CUIOberflächen eines Simulationsprogrammes (Grützmacher 1988) anwenden.
Zur Veranschaulichung unserer bisher eingeführten Definitionen werden wir die
Dialogkontexte, die Interaktionsoperatoren, sowie die Interaktionsschritte für unser Beispiel aus Abbildung 5.5.1 auflisten:
Menge aller Di :=
Menge aller IOpi :=
{D1, D2, D3, D4, D5, D6, D7, D8, D9, D10, D11, D12, D13, D14}
{IOp1, IOp2, IOp3, IOp4, IOp5, IOp6, IOp7, IOp8, IOp9, IOp10,
IOp11, IOp12, IOp13, IOp14, IOp15, IOp16, IOp17, IOp18, IOp19,
IOp20, IOp21, IOp22, IOp23, IOp24, IOp25, IOp26, IOp27, IOp28,
IOp29, IOp30, IOp31, IOp32}
Menge aller ISi :=
{(IOp1,D2), (IOp2,D3), (IOp3,D4), (IOp4,D9), (IOp5,D5),
(IOp6,D6), (IOp7,D7), (IOp8,D13), (IOp9,D8), (IOp10,D12),
(IOp11,D10), (IOp12,D11), (IOp13,D14), ((IOp14,D9)),
(IOp15,D1), (IOp16,D1), ((IOp17,D10)), ((IOp18,D10)),
((IOp19,D11)), ((IOp20,D11)), (IOp21,D1), (IOp22,D1),
((IOp23,D6)), ((IOp24,D6)), ((IOp25,D7)), (IOp26,D1),
((IOp27,D13)), ((IOp28,D13)), (IOp29,D1), (IOp30,D1),
((IOp31,D14)), ((IOp32,D14))}
(( )) bedeutet elementare Interaktionsschlinge.
Interaktionspfade für Pfd ['a'] := [(IOp1,D2), (IOp4,D9), ((IOp14,D9))]
Pfd ['b'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp11,D10), ((IOp17,D10))]
Pfd ['c'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp11,D10), ((IOp18,D10))]
Pfd ['d'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp12,D11), ((IOp19,D11))]
Pfd ['e'] := [(IOp1,D2), (IOp5,D5), (IOp12,D11), ((IOp20,D11))]
usw.
Länge des Interaktionspfades für die VAFIPe 'a', 'b' usw.:
lng(Pfd ['a']) = 3
lng(Pfd ['b']) = 4
usw.
92
6
DER GESTALTUNGSBEREICH 'KALKULIERBARKEIT
ALS VORAUSSETZUNG FÜR KONTROLLE'
Im folgenden werden nur diejenigen Richtlinien des benutzungsorientierten Gestaltungskonzeptes von Ulich (siehe Abbildung 1.1.1.1) im einzelnen vorgestellt, welche im Rahmen dieser Arbeit eine besondere Rolle spielen werden. Es sind hierbei im wesentlichen
die beiden Bereiche 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung von Kontrolle' und 'Kontrolle'
angesprochen. Die Beschreibung der einzelnen Richtlinien ist aus Spinas, Troy und Ulich
(1983), Spinas (1987), Ulich (1986, 1988) bzw. Baitsch et al. (1989) entnommen.
Die Gestaltungsrichtlinien 'Unterstützung' (Moll 1989), 'individuelle Auswahl' und
'individuelle Anpassbarkeit' (Ackermann 1987; Greutmann und Ackermann 1987; Greutmann 1992; Ulich 1986; Ulich et al. 1991) sind bereits ausführlich untersucht worden.
Das Kriterium 'Kompatibilität' wird bzgl. "Darstellungsform" und "Sprache" bei Ulich
(1985) beschrieben; in einem erweiterten Sinne setzt sich Norman (1989) unter dem Aspekt der Erwartungskonformität damit auseinander. Der aktuelle Diskussionsstand zum
Kriterium 'Konsistenz' kann bei Wandmacher (1993), Dix et al. (1993) und Preece et al.
(1994) nachgelesen werden. Daher werden diese Gestaltungsrichtlinien im Rahmen dieser
Arbeit nicht im Vordergrund der Analyse stehen.
6.1
T HEORETISCHE G RUNDLAGEN
Bei der handlungstheoretischen Sichtweise des Ablaufes psychischer Regulationsprozesse nimmt die Wahrnehmung der Interaktionspunkte (IPe) in einen Ausführungsprozess (sprich 'interaktiven Problemlösungsprozess') eine zentrale Rolle ein. Erst die Adäquatheit dieser Wahrnehmung gewährleistet eine angemessene Umsetzung der vom Benutzer angestrebten Ziele. Zunächst lassen sich die Eingriffspunkte nach den folgenden
Richtlinien charakterisieren:
– Häufigkeit ihres Vorkommens;
– zeitliche Verteilung im Interaktionsprozess;
– Erkennbarkeit der Merkmale des Dialog- und Anwendungszustandes;
– Art der erforderlichen mentalen Verarbeitungsschritte zum Ableiten von Interaktionsoperatoren;
– Umfang des Suchbereiches relevanter bzw. überhaupt möglicher Interaktionsoperatoren (–> objektiver Handlungsspielraum);
– Art und psychische Struktur des Operatorsystems;
93
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
– Bewertung der Interaktionsoperatoren, z.B. hinsichtlich der erforderlichen Bearbeitungszeiten (zu lange vs. zu kurze Antwortzeiten des Interaktionssystems) und/oder
der materiellökonomischen Kosten.
Damit diejenigen Merkmale der Eingriffspunkte im Interaktionsprozess, die zur Vorbereitung und Ableitung der weiteren Interaktionsoperatoren notwendig sind, wahrgenommen
werden können, müssen diese Merkmale aktuell (und wenn dies nicht möglich ist, zumindest potentiell) transparent sein.
Zunächst ist jedoch die wahrnehmbare Oberfläche des Interaktionssystems als eine
Gesamtheit von unterscheidbaren Reizen (hier besser: Zeichen, Symbolen, Cursoranzeigen, Piktogrammen usw.) gegeben. Diese Zeichen werden jedoch erst dann zu handlungsleitenden Signalen, wenn sie bestimmte Verhaltens- und Handlungsnotwendigkeiten
anzeigen (hier ist also der pragmatische Informationsgehalt der Zeichen angesprochen).
Diese handlungsleitenden Signale sind die relevanten Merkmale der Eingriffspunkte.
Damit ein Zeichen zu einem Signal wird, sind mindestens die folgenden Bedingungen zu
erfüllen (Hacker 1978):
1. Das Zeichen muss wahrnehmbar sein; dabei kann über den visuellen Wahrnehmungskanal hinaus auch die auditive (z.B. 'hearcons' bei Gaver 1986) und haptische Sinneswahrnehmung (z.B. Akamatsu, Sato und Hasbroucq 1993) angesprochen sein.
2. Unterschiedliche Erscheinungsweisen von Zeichen (z.B. Piktogramm oder alphanumerische Benennung) müssen als ein und dasselbe Signal wiedererkannt werden können.
3. Es muss der Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines Signals und den unterschiedlichen Konsequenzen aufgrund der jeweiligen Interaktionsoperatoren erfasst
werden können. Auswirkungen eines Interaktionsoperators, die sich erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt in einem anderen Interaktionszustand beobachten lassen,
können nur sehr schwer mit der sie ursprünglich auslösenden Aktion in Zusammenhang gebracht werden (man kann hier auch von 'interaktiven Seiteneffekten' sprechen).
4. Es müssen die unterschiedlichen Ausprägungsgrade eines Zeichens (z.B. Füllungsgrad eines Textpuffers usw.) hinsichtlich ihrer Konsequenzen in ein Bezugssystem
eingeordnet werden, um die bedeutsamen Ausprägungsgrade eines Zeichens von den
unbedeutsamen trennen zu können.
94
Theoretische Grundlagen 6.1
Ein angemessenens Signalinventar und seine Verwendung zeichnen sich hinsichtlich ihrer
leistungsbestimmenden qualitativen Eigenheiten wie folgt aus (Hacker 1986):
a. Es gibt Signale, die eine Störung im vorhinein anzeigen und somit ein vorbeugendes
Eingreifen ermöglichen (z.B. eine unerwartet hohe Antwortzeit).
b. Die Benutzungsoberfläche wird systematisch nach effektiven Signalen abgesucht.
c. Kontroll- und Rückmeldesignale (auf der Grundlage von Statusinformationen über
Dialog- und Anwendungszustand) sind für interaktive Problemlösungsstrategien und
Ergebnisse der Interaktionsoperatoren hinreichend vorhanden.
d. Signale und Abbildungseigenschaften als bildliche Kopien oder analoge Nachbildungen von Zuständen sind weniger mental belastend als Signale mit solchen Symboleigenschaften, welche eine Recodierung im Sinne einer Übersetzungstransformation erforderlich machen (siehe zum Kriterium 'Kompatibilität' bei Ulich 1985).
e. Das Auftreten von Signalen muss zeitlich vorhersehbar und sollte möglichst nicht
stochastisch sein (siehe zum Kriterium 'Konsistenz' bei Ulich 1986).
f. Das Signal sollte von einer Erscheinungsdauer sein, welche eine Wahrnehmung (einschliesslich der kognitiven Interpretationsprozesse) ermöglicht.
g. Entscheidende Signale sollten nicht einer absichtlichen Zuwendungsreaktion bedürfen,
sondern sollten aufgrund ihrer physikalischen Beschaffenheit eine Orientierungsreaktion reflektorisch auszulösen vermögen (z.B. akustische Signale eignen sich generell;
wichtige visuelle Signale sollten im Bereich des aktuellen Aufmerksamkeitsfokus und
nicht am Rande in einer Statuszeile erscheinen; siehe hierzu die anderslautende Gestaltungsrichtlinie bei der DIN 66 234, Teil 3, Absatz 5 und unsere Kritik daran; Rauterberg und Cachin 1993).
In dem hier vorgestellten Sinne ist der Aufbau eines angemessenen Signalinventars die
Voraussetzung für das Erkennen objektiver Freiheitsgrade im Interaktionsprozess.
Signale informieren also nicht nur über Merkmale des Dialog- und Anwendungszustandes, sondern auch über die Auswirkungen von Interaktionsoperatoren im vorhinein
(Härtner 1988). Darüber hinaus führen Lernvorgänge unter stabilen Interaktionsbedingungen zum Zusammenfassen der bewusst verarbeiteten Signale mehrerer Interaktionsabschnitte zu einem Gesamtsignal im Sinne einer Superzeichenbildung. Diese Superzeichen
spielen dann insbesondere bei der Verwendung von Interaktionsmakrobefehlen eine besonders wichtige Rolle.
95
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
Der Signalerwerb wird auch unter dem Stichwort Codierung bzw. Transformation
diskutiert. Hierbei handelt es sich allgemein um die Umwandlung von Reizen in entsprechende kognitive Abbildungen (hier speziell hinsichtlich des 'Signalinventars'), wobei die
aktive Verarbeitung im Sinne einer Extraktion relevanter Reizmerkmale als Codierung
bzw. Transformation verstanden wird (Dutke 1994). Es können dabei folgende kognitive
Prozesse unterschieden werden (Dörner 1979):
'Chunking'
als einfache Zusammengruppierung wegen ihrer raumzeitlichen Kontingenzen;
'Clustering'
als einfache Zusammengruppierung von Reizen wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeiten;
'Klassenbildung'
als hierarchisch-kategoriale Gruppierung aufgrund von Abstraktion
und/oder Generalisierungen von Reizen zu Oberbegriffen, Konzepten,
Schemata usw.;
'Komplexbildung' als im wesentlichen hierarchische Kombination von
Einzelmerkmalen zu neuen Ganzheiten aufgrund abstraktiv-integrativer
Prozesse.
Gemäss der Handlungsregulationstheorie ist das Kontrollieren der Ausführung über die
wahrgenommenen Zustandsbeschreibungsparameter der eigenen Aktionen im Kontext
eines Problemlösungs- bzw. Aufgabenbearbeitungsprozesses von ausschlaggebender Bedeutung. Bei dieser Sichtweise des Ablaufes psychischer Regulationsprozesse nimmt also
die Wahrnehmung der Eingriffspunkte im Ausführungsprozess eine zentrale Rolle ein.
Bei dem Entwurf und vor der Ausführung eines Handlungsplanes kommt es also
zunächst einmal darauf an, dass der Benutzer den aktuellen Systemzustand (Dialog- und
Anwendungszustand, siehe Abbildung 2.0.3) zutreffend erkennen kann. Der Benutzer
muss wissen, wo er sich gerade befindet; dies setzt voraus, dass er sich adäquat orientieren kann (siehe auch Nievergelt 1982).
"Galperin nennt drei Bedingungen der Handlung, auf die sich der Lernende,
bewusst oder unbewusst, bei der Ausführung der Handlung orientieren muss:
1. das Objekt der Handlung selbst und seine Eigenschaften,
2. das Handlungsziel und
3. die zur Zielrealisierung erforderlichen Mittel bzw. deren Eigenschaften in
bezug auf den konkreten Handlungsablauf" (Wilhelmer 1979, S.199-200).
Galperin (1973) unterscheidet drei Orientierungstypen, die zu qualitativ unterschiedlichen
Lernprozessen und Lernergebnissen führen.
96
Theoretische Grundlagen 6.1
Orientierungstyp-I: Aufgrund einer unvollständigen Orientierungsgrundlage der Handlung wird die Problemlösung nach dem trial-and-error Verfahren durchgeführt.
"Handlungen, Vorstellungen und Begriffe werden unter diesen Bedingungen
im wesentlichen mit Hilfe der Kontrolle des Ergebnisses gebildet, und das gewährleistet weder das Herausgliedern nur der notwendigen Elemente noch das
Herausgliedern der wirksamen Bedingungen und ihrer Beziehung zu den Operationen" (Galperin 1973, S.112).
Der Lernende fängt an, die angezeigten Fehler zu vermeiden, ohne sich darüber
klar werden zu können, welche Teilschritte in seiner fehlervermeidenden Problemlösestrategie ('Handlung') wichtig und welche unwichtig sind. Eine Übertragung auf neue Aufgaben ist in der Regel nicht möglich und zeichnet sich
durch Zufälligkeiten aus.
Orientierungstyp-II: Hier ist eine Orientierungsgrundlage vollkommen ausgebildet. Der
Lernende kann immer anhand spezifischer Wahrnehmungsinhalte angeben, wo
er sich gerade befindet und welche Operationen ihn dem Ziel näher bringen.
"Jede Operation wird in enger Beziehung zu ihren Bedingungen durchgeführt,
und die Handlung führt sicher zum notwendigen Erfolg" (Galperin 1973,
S.112).
Der Lernende hat jedoch noch kein Wissen über die Bedeutung, die Gründe für
das Auftreten der spezifischen Wahrnehmungsinhalte an bestimmten Stellen im
Handlungsverlauf. Er weiss, was er zu machen hat und was daran wichtig und
was unwichtig ist, ohne zu wissen, warum dies im einzelnen so ist. Eine Übertragung auf neue Aufgaben verläuft nach dem 'Prinzip der identischen Elemente': Gleiche Aufgabentypen werden als solche erkannt und in vergleichbarer
Weise angegangen.
Orientierungstyp-III: Hier geht es darum dass der Lernende die Möglichkeit hat, seine
schon vorhandene Orientierungsgrundlage zu vervollkommnen. Er hat ein Wissen über die Grundlegenden Eigenschaften und Zusammenhänge des zu bearbeitenden Gegenstandsbereiches und kann sich die noch unbekannten Zusammenhänge selbst erarbeiten. Jetzt weiss er, warum sich der Gegenstandsbereich an
bestimmten Stellen im Handlungsverlauf so und nicht anders verhält bzw. sich
repräsentiert. Der Lernende hat ein weitgehend vollständiges mentales Modell
über den Gegenstandsbereich und kann aus diesem Wissen heraus seine Handlungen den gestellten Aufgaben gemäss aufbauen (siehe auch Dutke 1994).
Während beim Orientierungstyp-II noch das permanente Feedback über den aktuellen Zustand ausschlaggebend war, ist hier eine weitgehend 'verinnerlichte',
mentale Orientierung gegeben.
97
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
"Der Lernende wird in die Lage versetzt, die Struktur neuer Lerngegenstände
und ihrer wesentlichen Merkmale zu erkennen, und lernt Methoden zu entwickeln, um sie selbständig zu analysieren und anzueignen" (Wilhelmer
1979, S.203).
Eine lernförderliche Gestaltung der Benutzungsoberfläche sollte sich darin auszeichnen,
dass der Benutzer in die Lage versetzt wird, ein operatives Abbildsystem gemäss dem
Orientierungstyp-III ausbilden zu können. Dieser Aspekt wird in der Literatur unter dem
Thema der Transparenz und Lernförderlichkeit diskutiert (Dutke 1994).
6.2
D IE F ORDERUNG NACH 'T RANSPARENZ '
"BenutzerInnen sollten erkennen können, ob ein eingegebener Befehl behandelt wird oder ob das System auf weitere Eingaben wartet. Bei längeren
Vorgängen sollte das System Zwischenzustandsmeldungen abgeben können."
(Ulich 1991, S.258-259)
Transparenz:
Unter der Transparenz ist im Sinne des Kontrollkonzeptes die 'Durchschaubarkeit' zu verstehen (Troy 1981); sie ist eine grundlegende Voraussetzung dafür,
dass der Benutzer sich eine adäquate mentale Vorstellung von der Funktionsweise des Systems aufbauen kann, welche ihm die zur erfolgreichen Aufgabenbewältigung notwendigen Orientierungsgrundlagen liefert; damit verbunden ist
die Möglichkeit zur 'Vorhersehbarkeit' bzw. 'Antizipation' der Folgen von Eingaben in das System (siehe auch Nievergelt 1982).
Bei der Untersuchung der Transparenz geht es unter anderem um die Gestaltung von visuellen Bildern für Objekte, Objekteigenschaften und Aktionen auf und mit diesen Objekten, sowie des gesamten Operatorsystems der Interaktionsstruktur und ihre Erschliessbarkeit.
Bei graphischen Oberflächen stehen Ikonen (oft auch Piktogramme genannt) und
Menünamen im Zentrum der Maskengestaltung. Wir werden im folgenden den Begriff
'Ikon' für die visuellen Bilder von Objekten und den Begriff 'Piktogramm' für die visuellen Bilder von Aktionen (auch Funktionsobjekte genannt, Zeidler und Zellner 1992, S.
115) verwenden. Bisher ist noch keine klare Trennung bei der Gestaltung von Benutzungsoberflächen zwischen der Darstellung von Objekten und der Darstellung der Operationen bzw. Aktionen auf diesen Objekten zu erkennen. Für beide Bereiche werden in der
Praxis sowohl Einträge in Form von Menüoptionen, als auch Ikonen bzw. Piktogramme
verwendet. Die Lösung dieser Gestaltungsfrage hängt im wesentlichen davon ab, wie die
Objekte im Rahmen einer Aufgabe und die jeweils zugeordneten Funktionen identifiziert
werden (siehe Rauterberg et al. 1994b).
98
Die Forderung nach Transparenz 6.2
Zu den generativen Verfahren von Piktogrammen gehören nach Staufer (1987, S.
95ff) die 'Produktions'-Methode: Personen aus dem jeweiligen Arbeitsbereich (z.B. Büroanwendungen) werden gebeten, Zeichnungen von Gegenständen oder Sachverhalten
aus ihrer Arbeitsumgebung anzufertigen (Krampen 1969). Die verschiedenen semantischen Eigenschaften dieser Objekte lassen sich dann mit der 'Kärtchen'-Methode erfassen: Die Personen werden gebeten, alle relevanten Eigenschaften der verschiedenen Objekte auf Kärtchen aufzuschreiben und anschliessend hinsichtlich ihrer semantischen
Nähe verschiedenen Haufen zuzuordnen. Dieses schriftliche Material ist die Gestaltungsgrundlage für die semantischen Beschriftungen der Ikonen bzw. Piktogramme
Sind durch die eben beschriebenen Methoden erst einmal wichtige Objektklassen
identifiziert, so kann über ein semantisches Differential dieser Visualisierungen die
Grundlage für eine Validierung mit dem semantischen Differential der verbalen Beschreibungen gelegt werden (Staufer 1987, S. 97ff.). Die semantischen Beschreibungskategorien lassen sich über das generative Verfahren des 'Brainstormings' gewinnen. Anschliessend wird das semantische Umfeld der relevanten Kategorien mit Hilfe des semantischen Differentials erschlossen. Larkin und Simon (1987, S.98) stellen folgende drei
Aspekte als besonders vorteilhaft von bildhaften Repräsentationsformen heraus:
• "Diagrams can group together all information that is used together, thus avoiding large
amounts of search for the elements needed to make a problem-solving inference.
• Diagrams typically use location to group information about a single element, avoiding
the need to match symbolic labels.
• Diagrams automatically support a large number of perceptual inferences, which are
extremely easy for humans."
In einer empirischen Untersuchung konnte gezeigt werden (Streitz, Lieser und Wolters
1989), dass die Vorteile in der Bearbeitungsgeschwindigkeit von Testaufgaben für eine
Desktopoberfläche im wesentlichen auf die Art der visuellen Beschaffenheit der repräsentierten Interaktionsobjekte zurückzuführen ist.
Die topologische Struktur des externen 'Gedächtnisses' mit bildhafter Repräsentationsform kann unterschiedlich komplex sein (Loftus 1972; Loftus und Bell 1975; Antes,
Chang und Lenzen 1985). Die Bewältigung dieser Komplexität durch den Benutzer hängt
im wesentlichen von seinem Wissensstand über den Problembereich ab:
"Because the representation is useful only if one has the productions that can
use it, we can readily understand the common complaint of physics professors that students 'refuse to draw diagrams' or 'don't appreciate their value.' If
the students lack productions for making physics inferences from diagrams,
they may not only fail to 'appriciate' the value, but will find them largely
useless" (Larkin und Simon 1987, S.71).
99
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
Die Ausnutzung des visuellen Informationsangebotes ist darüber hinaus auch noch von
der konkreten per Instruktion vorgegebenen Aufgabenstellung abhängig. Dies konnten
Heemsoth und Möckel (1986) bei der Untersuchung des Blickverhaltens unter Variation
der Instruktionen aufzeigen (siehe auch Paap et al. 1987).
Wie lassen sich unter den zuvor skizzierten Bedingungen allgemeine Vorgaben für
die Gestaltung des Wahrnehmungsraumes ableiten? Zunächst einmal gilt es, den semantischen Rahmen für die konkrete Ausgestaltung der zu visualisierenden Strukturen abzustecken. Da dieser semantische Rahmen nicht allgemein angebbar1 ist, sondern stets für
die betreffende Benutzergruppe neu erstellt werden muss, können also nur Verfahren und
Methoden zur Gewinnung der benutzerspezifischen Interpretationsvorschriften eingesetzt
bzw. entwickelt werden. Diese Verfahren und Methoden gilt es dann in einem zweiten
Schritt auf ihre Tragfähigkeit hin zu überprüfen. Folgende Visualisationsprobleme sind
insgesamt bei Abbildung der Zustandsräume des interaktiven Systems auf die Benutzungsoberfläche zu berücksichtigen (Daugs, Blischke und Oliver 1984, siehe Tabelle
6.2.1).
Tabelle 6.2.1
Übersicht über die verschiedenen Visualisierungsbereiche (aus Daugs,
Blischke und Oliver 1984)
Visualisierungsbereich
Bereichsdimensionen
Gegenstandsbezogener Visualisationsbereich
Visualisation aufgabenrelevanter Teilaspekte;
Visualisation veränderter aufgabenrelevanter Teilaspekte;
Visualisation von Ist-Soll-Diskrepanzen.
('Was soll visualisiert werden?')
Quantitativer Visualisationsbereich
('Wieviel soll visualisiert werden?'
Topologischer Visualisationsbereich
('Wie soll visualisiert werden')
1
Oberflächenkomplexität = Dialogkomplexität + Anwendungskomplexität;
Dichte des Informationsangebotes;
Umfang der textuellen und bildhaften Rückmeldungen;
Menge der Hervorhebungen;
Menge von Hinweis- und Leitzeichen.
Abstraktionsgrad;
Anordnungsstruktur;
Hervorhebungen und Hinweiszeichen (Farbe, Schattierung, Zoom);
Präsentationswiederholungen.
Siehe z.B. die 'Desktop'-Metapher als Gestaltungsrahmen für den Einsatz von Software im Bürobereich oder die 'Karteikasten'-Metapher bei dem Einsatz von Datenbanksystemen. In wie weit jedoch
diese Art von Metaphern auch bei völlig neuartigen Strukturen (z.B. HyperText-Systemem) einsetzbar
ist, bleibt fragwürdig (Rauterberg und Hof 1995).
100
Die Forderung nach Transparenz 6.2
Diese einzelnen Dimensionen dienen der Gestaltungsgrundlage für die Visualisierungen
im Sinne der Transparenz. Die konkreten Objekte, um die es sich z.B. bei einer GUIOberfläche handelt, sind Fenster, Pull-down-Menüs und Ikonen (Zeidler und Zellner
1992). Zur Ikon- und Menügestaltung liegt schon eine umfangreiche Forschungstätigkeit
vor (Staufer 1987; Lauter 1987). Im Rahmen der Prozesssteuerung ist die Gestaltung der
Bildschirmdarstellungen für die von den Benutzern benötigten Informationsquellen von
Härtner (1988) beispielhaft untersucht worden.
Bisher gibt es noch keine umfassende Theorie, aus der sich unabhängig von der jeweiligen Aufgabe ableiten liesse, welche Eigenschaften des Zustandsraumes eines interaktiven Systems in welchen interaktiven Situationen von welchem Benutzer benötigt
werden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist dabei eine entsprechende Aufgabenanalyse, welche auf diese Fragen ein besonderes Augenmerk richtet (Gediga, Greif, Monecke und Hamborg 1989; Beck und Ilg 1991; Greif und Hamborg 1991; Ziegler und
Janssen 1995). Ein erstes heuristisches Vorgehen besteht darin, dass der Systemdesigner
sich in denjenigen interaktiven Situationen, in denen vom Benutzer Entscheidungen verlangt werden, Rechenschaft darüber ablegt, welche Informationen für eine sinnvolle Entscheidung vom Benutzer benötigt werden könnten (McKendree und Carroll 1987; Monecke und Hamborg 1989). Da die Interessen der Benutzer und ihre individuellen Unterschiede sehr verschieden sein können, ist es allgemein ratsam, dem Benutzer soviel wie
möglich an Zustandseigenschaften mit Hilfe von TOpen zugänglich zu machen. Um den
Benutzer jedoch nicht zu überfordern, sollte Anzahl und Umfang der TOpen anpassbar
sein (Haaks 1992).
Transparenz
Feedback
Kompatibilität
Konsistenz
Unterstützung
Abbildung 6.2.1
Die Forderung nach 'Transparenz' setzt sich inhaltlich aus den vier
Richtlinien 'Feedback', 'Kompatibilität', 'Konsistenz' und 'Unterstützung' zusammen.
Es scheint sinnvoll zu sein, Transparenz als eine globale Systemeigenschaft und nicht als
eine einzelne Gestaltungsrichtlinie aufzufassen. Allerdings ebenfalls soweit zu gehen wie
101
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
Maass (1994), nämlich "Transparenz als Idealzustand der Mensch-Computer Interaktion"
zu definieren, würde eine zu starke Betonung allein dieses einen Aspektes bedeuten.
Wenn man Transparenz jedoch nur etwas weiter fasst, entgeht man zumindest dem Problem, unter Transparenz all diejenigen Aspekte zusammenfassen zu müssen, welche sich
besser einzeln unter Feedback, Kompatibilität, Konsistenz und Unterstützung diskutieren
lassen (siehe Maass 1983). Ein System kann dann als transparent gelten, wenn es ausreichend Feedback gibt, kompatible Wahrnehmungs- und Interaktionsstrukturen anbietet,
welche hinreichend konsistent sind, sowie dem Benutzer verschiedene Arten von Unterstützung anbietet. Durch diese Verlagerung von Transparenz auf die Ebene der emergenten Systemeigenschaften müssen wir auch das Konzept der Transparenzoperatoren auf
die Gestaltungsrichtlinien Feedback, Kompatibilität, Konsistenz und Unterstützung ausdehnen (siehe Abbildung 6.2.1). Transparenz lässt sich durch zwei unterschiedliche
Arten von Feedback erhöhen: statisches und dynamisches Feedback.
Ein interaktives System gibt dann statisches Feedback, wenn der Benutzer die statische Struktur des interaktiven Systems bzw. wesentliche Eigenschaften dieser Struktur
(z.B. das Operatorsystem) während des Umganges mit dem System wahrnehmen, erlernen und adäquat handhaben kann. Unter den Aspekt des statischen Feedbacks fällt also
die Visualisierung hinsichtlich der von der DK und AK angebotenen Funktionalität (Card
und Henderson 1987, Fitzgibbon und Patrick 1987, Krönert 1987) und des Aufbaus der
Menüstruktur (Widdel und Kaster 1986, Lüdtke und Nackunstz 1987).
Bei der Entwicklung von Programmierumgebungen werden verstärkt die bearbeiteten Programmstrukturen visuell umgesetzt und auf der E/A-Schnittstelle in einer statischen Form dem Benutzer zugänglich gemacht (Shneiderman et al. 1986, Wiecha und
Henrion 1987, Haarslev und Möller 1989). Auf die Bedeutung der Vermittlung der Design-'Philosophie' – von Keil-Slawik (1987) auch Systemrationalität genannt – soll hier
hingewiesen werden. Damit ist gemeint, dass bei den gängigen Softwareprodukten aus
dem Bereich der Standardsoftware (wie Textverarbeitung, Datenbanken, Tabellenkalkulation) die Entwickler von einem bestimmten Ablauf bei der Bearbeitung der jeweiligen
Anwendungsobjekte ausgehen. Diese Sicht der Entwickler wird jedoch meistens weder in
der Dokumentation noch in der Software selbst explizit vermittelt. Der Benutzer erkennt
diese Systemrationalität meistens nur implizit daran, dass ein Bearbeitungsweg gemäss
der Designphilosophie von dem jeweiligen Softwareprodukt optimal bewältigt wird.
Wenn der Benutzer jedoch einen davon abweichenden Bearbeitungsweg wählt, was viele
Softwareprodukte oftmals zulassen, hat er mit Seiteneffekten, bzw. unbeabsichtigten
Auswirkungen, zu rechnen.
102
Die Forderung nach Transparenz 6.2
Unter dynamischem Feedback soll sowohl die statische Rückmeldung über dynamische Prozesse, als auch die dynamische Rückmeldung über Prozessverläufe selbst verstanden werden. Hinweise auf die Gestaltung von statischen Repräsentationsformen dynamischer Prozesse finden sich bei Kindborg und Kollerbaur (1987) und Rauterberg
(1994). Kindborg und Kollerbaur unterscheiden dabei die Darstellung von Handlungsträgern und Handlungsabläufen und berufen sich auf Darstellungsmittel, wie sie in den
Bereichen des Comics und des Zeichentrickfilms verwendet werden. Im Bereich der Simulation von dynamischen Systemen werden z.B. 'system-dynamic'-artige Modelldiagramme eingesetzt (Häuslein und Hilty 1988). Das dynamische Feedback dient der Visualisierung von dynamischen Prozessen in Form dynamischer Abläufe. So wurde in einer
Programmierumgebung für eine visuelle Programmiersprache der Ablauf der Wertzuweisungen an die einzelnen Parameter visuell nach ikonischen Regeln umgesetzt (Janke und
Kohnert 1989, Schröder et al. 1990). Dynamisches Feedback wird sehr gut im einfachsten Fall über 'analoge' Zustandsanzeigen realisiert (z.B. 'percent-done progress indicator' Myers 1985, Dählmann-Heinecke und Heinecke 1989).
6.3
P RODUKTBEZOGENE M ESSUNG VON F EEDBACK
Feedback:
Feedback beinhaltet die Art und Weise der Rückmeldungen seitens des Systems
an den Benutzer, welche dem Benutzer gegenüber Auskunft über den aktuellen
Systemzustand, als auch über Erfolg oder Misserfolg seiner Handlungen geben.
Diese Rückmeldungen können somit zur Korrektur der Handlungsplanung und
-ausführung herangezogen werden. Rückmeldungen über statische und dynamische Systemeigenschaften dienen dem Erlernen, bzw. der Ausdifferenzierung
der mentalen Vorstellungen des Benutzers.
Feeback
Anzahl (und Art) an
Repräsentationsformen
der interaktiven
Funktionen
Wirkungsbreite und
Reversibilität der
Interaktionsoperatoren
Anzahl (und Art) an
Repräsentationsformen
der interaktiven
Objekte
Eingangs- und Ausgangsbestimmbarkeit
der Interaktionsoperatoren
Ein/AusgabeSchnittstelle
InteraktionsSchnittstelle
Aktivierbarkeit und
Anwendungsbreite
der Anwendungsfunktionen
WerkzeugSchnittstelle
Abbildung 6.3.0.1 Die produktbezogenen Aspekte der Gestaltungsrichtlinie Feedback
bezogen auf die drei Seeheim-Schnittstellen.
103
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
Um die Gestaltungsrichtlinie 'Feedback' quantitativ bestimmen zu können, lassen sich in
einem ersten Schritt als grobe Annäherung die Summe über alle Quotienten zwischen
wahrnehmbaren und verborgenen Objekten und Funktionen berechnen (Definition des
Ausmasses an absolutem Feedback). Um dieses Mass unabhängig von der aktuellen Anzahl an Dialogkontexten zu definieren, kann das Verhältnis der Anzahl an WFIPen zu der
Anzahl an VFIPen als Mittelwert über alle Dialogkontexte hinweg errechnet werden (Definition des Ausmasses an relativem Feedback; zur Erläuterung von WFIP und VFIP siehe
oben). Wir gehen dabei von der folgenden Überlegung aus: Je mehr WFIPe vorhanden
sind, desto grösser ist auch das Ausmass an statischem Feedback über das Operatorsystem. In diesem Sinne wird die Messung von Feedback ausschliesslich auf die Anzahl
wahrnehmbarer Repräsentationen der Dialog- und Anwendungsoperatoren und -objekte
beschränkt! Der gesamte Bereich der Dialog- und Anwendungszustände bleibt vorerst unberücksichtigt.
6.3.1
Quantitative Masse für Feedback
Wir definieren verschiedene Masse, welche das Ausmass an Feedback getrennt für die interaktiven Objekte und die interaktiven Funktionen (dargeboten als interaktive Operatoren)
messen. Es wird hier zunächst nicht zwischen der Dialog- und der Anwendungsfunktionalität unterschieden, obwohl sich die Masse (AFBO und AFBF bzw. AFBF RFBF)
auch jeweils getrennt für diese beiden Funktionsbereiche angeben liessen.
(Definition des ABSOLUTEN FEEDBACKs der interaktiven Objekte)
K
AFBO
=
Σ
d=1
AFBO
#WOd
#VOd
K
104
(#WOd / #VOd)
absolutes Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Objekte;
Anzahl an allen wahrnehmbaren nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an allen verborgenen nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einem VO.
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
(Definition des ABSOLUTEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen)
K
AFBF
Σ
=
d=1
AFBF
#WFIPd
(#WFIPd / #VFIPd)
absolutes Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Funktionen;
Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten
bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten
bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF.
#VFIPd
K
Die beiden so definierten Masse AFBO und AFBF sind jedoch in ihrer Grösse noch abhängig von der absoluten Anzahl an analysierten Dialogkontexten im interaktiven System
und können daher nur bedingt zum Vergleich zwischen verschiedenen Systemen herangezogen werden. Um diesen Nachteil auszugleichen, werden die beiden folgenden, relativen Masse RFBO und RFBF entwickelt. Wie man unschwer erkennen kann, lässt sich
das Mass AFBO bzw. AFBF aus dem zugehörigen Mass RFBO bzw. RFBF einfach herleiten: AFBO = K * RFBO / 100% bzw. ABFF = K * RFBF / 100%.
(Definition des RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Objekte)
K
RFBO
=
1/K
Σ
d=1
RFBO
#WOd
#VOd
K
#WOd / #VOd * 100%
relatives Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Objekte;
Anzahl an allen wahrnehmbaren nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an allen verborgenen nicht-funktionalen Objekten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einem VO.
105
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
(Definition des RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen)
K
RFBF
=
1/K
Σ
d=1
RFBF
#WFIPd
#VFIPd
K
#WFIPd / #VFIPd * 100%
relatives Mass für Feedback bzgl. der interaktiven Funktionen;
Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten
bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten
bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF.
Wenn AFBF bzw. RFBF auch zunächst einmal als globale Masse des funktionalen Feedbacks gelten können, so ergibt sich bei ihrer Anwendung folgendes Problem: Für mehrere WFIPe für genau einen VFIP liefert AFBF und RFBF nur ein verzerrtes Abbild des
absoluten bzw. mittleren funktionalen Feedbacks (z.B. die Verwendung von Alias-Konstrukten: andere Kommandonamen, andere Ikonen usw.). Aus diesem Grund ist es ratsam, eine Korrektur vorzunehmen. Eine Korrekturmöglichkeit für diesen Fall besteht
darin, bei der Quantifizierung der überzähligen WFIPen pro VFIP diese nur einmal zu
zählen.
(Definition des korrigierten RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen)
K
KRFBF =
1/K
Σ
d=1
(#WFIPd – #ÜWFIPd ) / #VFIPd * 100%
KRFBF
#WFIPd
korrigiertes relatives Mass für funktionales Feedback;
Anzahl an allen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten
im Dialogkontext d;
#ÜWFIPd Anzahl an überzähligen wahrnehmbaren funktionalen Interaktionspunkten bezüglich eines VFIP im Dialogkontext d;
#VFIPd
Anzahl an allen verborgenen funktionalen Interaktionspunkten
bezüglich Dialogkontext d;
K
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF.
Es bleibt bisher der Aspekt vollständig unberücksichtigt, dass der für einen VFIP die Semantik tragende, perzeptuelle WFIP räumlich nicht mit dem aktionalen WFIP zusammenfällt. Bei den Massen AFBO, AFBF und RFBO, RFBF ist daher auch nicht die Trennung
zwischen Bildschirm und Tastatur berücksichtigt; so ist z.B. ein maussensitiver Bereich
repräsentational direkter als die Erklärung der Bedeutung einer Funktionstastenbelegung
106
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
auf dem Bildschirm Für diesen letzteren Fall muss der Benutzer immer noch die Semantik
der jeweiligen Taste kognitiv kurzfristig zwischenspeichern, um während der Zuwendungsreaktion hin zur Tastatur behalten zu bleiben. Erst bei einem hochgeübten Benutzer,
der mit seinen 10 Fingern 'blind' schreiben kann und keine Orientierungsreaktion bezüglich der Tastatur benötigt, fällt dieser Unterschied weg. Dies ist z.B. immer dann der Fall,
wenn auf dem Bildschirm die Bedeutung (in irgendeiner Form) für einzelne Tasten (insbesondere Funktionstasten) als WFIP gegeben ist (siehe König 1989, S. 73).
Wir müssen also zwischen der Menge der Elemente des Wahrnehmungsraumes
(WFIPen) und der Menge der Elemente des wahrnehmbaren Aktionsraumes (WFIPAen)
unterscheiden (siehe Abbildung 5.3.3). Diese Unterscheidung ist deshalb besonders
wichtig, weil hier die eigentlich zusammengehörenden Elemente des Wahrnehmungsraumes und des Aktionsraumes auseinanderfallen. Diese Distanz ist durch die physikalische
Entfernung ∆ zwischen WFIP und WFIPA messbar.
Gegeben sei das folgende Beispiel: Auf dem Bildschirm wird zu jedem aktuellen
Dialogkontext auf der untersten Bildschirmzeile die Belegung der Funktionstasten angezeigt. Die Menge der WAFIPe ist die Menge der Funktionstasten auf der Tastatur selbst,
zumeist mit Benennungen wie F1.. bzw. PF1.. beschriftet. Die Menge der WFIPen ist
die Menge der Bezeichnungen auf der untersten Bildschirmzeile: PF1=HELP oder ähnlich. Diese Zuordnung muss vom Benutzer entweder im Kurzzeit- oder bei längerer
Übung im Umgang mit der jeweiligen Software auch im Langzeitgedächtnis für die handlungsleitende Entscheidung vorhanden sein. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass
der Benutzer diese Zuordnung im externen visuellen 'Gedächtnis' belässt und die jeweilige Funktionstaste ohne Blickwendung hin zur Tastatur findet und betätigt.
Erweitern wir nun das Mass für RFBF um diese physikalische Distanz, so kommen
wir zur Definition des gewichteten relativen Feedbacks. Die Distanz zwischen einem gegebenen WFIP und seinem WFIPA wird in physikalischen Masseinheiten gemessen
(z.B. in cm). Um dieser Distanz ∆ ein angemessenen Gewicht innerhalb des Gesamtmasses zu geben, wird der Korrekturfaktor C eingeführt. Dieser Korrekturfaktor C dient
zusätzlich noch dazu, die physikalische Masseinheit herauszukürzen und hat daher selbst
die jeweilige Masseinheit der Distanz ∆.
(Definition des gewichteten RELATIVEN FEEDBACKs der interaktiven Funktionen)
GRFBF = 100% * 1 / K
Id
K
∑ 1/ I ∑
d
d =1
i=1
 ∆ i = 0; # WFIPi,d / # VFIPi,d
 ∆ > 0; # WFIP / (# VFIP * ∆ / C)
i,d
i,d
i,d
 i
107
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
GRFBF
#WFIPd
#VFIPd
K
∆i
WFIPi
WFIPAi
C
Id
gewichtetes, relatives Mass für das Ausmass an funktionalem
Feedback;
Anzahl an repräsentationalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an funktionalen Interaktionspunkten bezüglich Dialogkontext d;
Anzahl an Dialogkontexten D mit mindestens einer VF;
= |WFIPi – WFIPAi|d der Absolutbetrag der physikalisch messbaren Distanz des i-ten WFIP zu seinem WFIPA im Aktionsraum
bezüglich Dialogkontext d (Angabe z.B. in cm);
der i-te wahrnehmbare Interaktionspunkt des Wahrnehmungsraumes;
der i-te wahrnehmbare Interaktionspunkt des Aktionsraumes;
Korrekturfaktor für die Distanz; z.B. C=10 cm;
Anzahl der vorhandenen Interaktionsdistanzen bezüglich des Dialogkontextes d.
Bei der Anwendung des Masses GRFBF wird der Unterschied einer traditionellen CUIOberfläche mit den üblichen Auswahlmenüs (Zahlen oder Buchstabenkodierungen für die
entsprechenden Menüoptionen) zu einer mausgesteuerten Oberfläche deutlich. Bei der
mausgesteuerten Oberfläche werden die Distanzen ∆ = |WFIP–WFIPA| überwiegend Null
ergeben. Ebenso lassen sich Benutzungsprobleme bei Grafiktabletts vorhersagen, wenn
die Aufteilung der Funktionen auf den Wahrnehmungsraum (z.B. Bildschirm) und den
wahrnehmbaren Aktionsraum (z.B. wechselnde Bedeutung der [Funktions-]Tasten der
Messlupe) ein ständiges hin- und herpendeln für den Benutzer erzwingen. Besonders kritisch wird es dann, wenn die Messlupe auch noch gleichzeitig selbst als 'Maus' eingesetzt
werden muss!
Die bisher vorgestellten Masse geben natürlich nur einen rein quantitativen Aspekt
des Ausmasses an Feedback wieder und lassen die Problematik der semantischen Bedeutung der einzelnen WFIPen völlig ausser acht (siehe die beachtenswerten Ergebnisse von
Streitz, Lieser und Wolters 1989). Es ist jedoch oftmals – wie hier auch – ein trade-off:
Verlust an Semantik, Gewinn an quantitativer Exaktheit.
Wie werden nun die Kennwerte für eine gegebene Benutzungsoberfläche ermittelt?
Die folgende Verfahrensvorschrift beschreibt, wie man im einzelnen vorzugehen hat:
1. Es werden alle zu analysierenden Dialogkontexte festgelegt und in Form eines Interaktionsstrukturschemas graphisch aufbereitet (siehe Abbildungen A.1 bis A.4 im Anhang). Jeder mögliche Wechsel zwischen einzelnen Dialogkontexten wird durch eine
gerichtete Kante in dieses Schema eingetragen (siehe auch Alty und Mullin 1989,
sowie Gieskens und Foley 1992, Janssen 1993).
108
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
2. Für jeden Dialogkontext wird die Anzahl aller wahrnehmbaren und verborgenen interaktiven Objekte bzw. Funktionen ausgezählt und in das zugehörige Schema des Dialogkontextes eingetragen. Es lassen sich auch – für eine vorläufige, globale Charakterisierung – Summen- und Mittelwerte mit zugehöriger Standardabweichung berechnen. Es ist jeweils festzustellen, ob es sich um ein Dialog- oder Anwendungsobjekt
bzw. -funktion handelt.
3. Für jeden Dialogkontext wird das Verhältnis #WO/#VO bzw. #WFIP/#VFIP berechnet und dem entsprechenden Dialogkontext zugeordnet.
4. Die Anwendung der einzelnen Masse auf dieses Schema erlaubt die einfache Berechnung der definierten Kennwerte pro Mass. Da es sich bei den Massen RFBO und
RFBF um arithmetische Mittelwerte handelt, kann man mit einem entsprechenden
Taschenrechner bzw. Statistikprogramm auch gleichzeitig die zugehörige Streuung
bzw. Standardabweichung als zusätzliches Mass für die Variation des jeweiligen
Kennwertes über alle Dialogkontexte hinweg berechnen.
6.3.2
Ausmass an Feedback einer CUI-Oberfläche
Zunächst werden alle zu analysierenden CUI-Dialogkontexte festgelegt. Dann werden
anhand der Dokumentation oder durch systematisches Ausprobieren, alle verborgenen
und wahrnehmbaren Interaktionspunkte ermittelt. Dies bedeutet in der Regel eine vertiefte
Einarbeitung in die zu analysierende Software und kann sich ohne automatische
Unterstützung – je nach Vorkenntnissen – über Stunden und Tage erstrecken. So bietet
z.B. das Programm MsWORD dem Benutzer unter der Menüoption "Extras:Befehle…"
die Möglichkeit, sich automatisch eine vollständige Liste aller WORD-Funktionen
(VFIPe) erstellen zu lassen.
109
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
DB.Addressen (CON,CON) ( - - - )
Datei.Eingabe
Verbindung:>CH..Neukom, Anja_____
Anrede: Frau_
Vorname: Anja____________
Nachname: Neukom____
Strasse: Irchelstr. 10_____
Stadt: 8057 Zuerich__________
Land: Switzerland_________
Telephon: +49-1-3622951__
Bemerkung:
_______________________________________________
1Feld
2Richtg 3
4Merk 5
6
7Rechn
8Druck
9Fertig 10Stop
Abbildung 6.3.2.1 Die CUI-Oberfläche eines Datenbankprogrammes mit allen WFIPen
und WOen.
Bei dem dargestellten Dialogkontext in Abbildung 6.3.2.1 befindet man sich in der Routine 'Eingabe' des Moduls 'Daten' des Datenbankprogrammes ADIMENS. Der Benutzer
hat die Möglichkeit, bei dem 'Eingabe'-WAFIP (senkrechter Strich) weitere ASCIIZeichen einzugeben bzw. zu löschen. Die Verlagerung dieses WAFIP erfolgt über die
Cursortasten. Die weitere Dialogsteuerung kann in diesem Dialogkontext nur noch über
die Funktionstasten erfolgen. Die Semantik der Funktionstasten ist in der untersten Bildschirmzeile gegeben.
Bei jedem Interaktionspunkt, der gefunden wird, muss entschieden werden, ob es
sich um eine Anwendungs- oder eine Dialogfunktion handelt. Hierbei hilft die oben bereits beschriebene Faustregel: Alle Operatoren, welche Änderungen des Anwendungsobjektes hervorrufen, beruhen auf Anwendungsfunktionen; alle anderen Operatoren beruhen
auf Dialogfunktionen! Das Ergebnis dieses ersten und zweiten Schrittes ist ein Interaktionsstrukturschema und ist in Abbildung A.1 im Anhang zu sehen.
110
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
Tabelle 6.3.2.1 CUI-Oberfläche mit den Kennwerten für wahrnehmbare bzw. verborgene dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl analysierter Dialogkontexte D].
nur für betroffene D
Art der FIPe
VAFIP
WAFIP
VDFIP
WDFIP
Kennwert (± Std)
27,1 (± 25,3)
2,5 (± 3,2)
11,0 (± 18,1)
4,9 (± 3,9)
K
16
16
33
33
über alle D
Kennwert (± Std)
12,1 (± 21,2)
1,1 (± 2,5)
10,1 (± 17,6)
4,5 (± 3,9)
K
36
36
36
36
Gesamtzahl
434
40
362
162
Im zweiten Schritt wird zur globalen Charakterisierung der Oberfläche die Summe und
der Kennwert mit Standardabweichung (Streuung) für jeden der vier Interaktionspunkttypen (VAFIP, WAFIP, VDFIP, WDFIP) ausgezählt bzw. errechnet. Das Ergebnis ist in
Tabelle 6.3.2.1 gegeben. Die relativ hohen Werte für die verborgenen anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (VAFIP) kommen dadurch zustande, dass bei Interaktionspunkten mit reiner Texteingabe, alle in Frage kommenden ASCII-Tasten der separaten
Tastatur genau einmal als ein VAFIP gezählt werden. Wenn diese Eingaben dagegen
ebenfalls über eine auf dem Bildschirm sichtbaren ASCII-Tabelle mittels Mausklick erfolgen können (wie z.B. bei MsWORD), so sind entsprechende WAFIPe mitzuzählen.
Zur vorläufigen Beurteilung dieser CUI-Oberfläche anhand der gewonnenen Kennwerte berechnen wir das Verhältnis von WAFIP zu VAFIP. Es ergibt sich der Wert von
2.5/27.1 = 0,08; d.h. nur ca. 8 % aller VAFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung
(WAFIPe) auf dem Bildschirm. Etwas besser sieht es bei den DFIPen aus: Ca. 44% aller
VDFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung. Aufgrund der stark unterschiedlichen
und teilweise hohen Streuungen (±2,5 bis ±25,3; Tabelle 6.3.2.1) zwischen den verschiedenen Dialogkontexten erhalten wir jedoch erst dann validere Angaben, wenn wir
das Mass AFBF bzw. RFBF berechnen (siehe weiter unten).
6.3.3
Ausmass an Feedback einer GUI-Oberfläche
Da die GUI-Oberfläche fast beliebig viele Fenster – und damit entsprechende Dialogkontexte – zulässt, besteht die Schwierigkeit, nicht genau angeben zu können, wieviel Fenster bzw. verschiedene Dialogkontexte für die Aufgabenbearbeitung aktuell benutzt werden könnten. Wir behelfen uns zur Lösung dieses Problems damit, dass wir für die
Quantifizierung einer GUI-Oberfläche nur untere Abschätzungen angeben.
111
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
DeskDatei Edit VerbundWahl RechnenSchalterOption Programm
VERBUND.Lieferant-Nr
VERBUND.Lieferant-Nr ( )
Lieferant-Nr Artikel-Nr Menge
LIEFERANT
ARTIKEL
500010
500010
604650
604650
604650
1001
1002
1001
1002
2004
Diskette
250
10
500
100
50
Drucker
LIEFERUNG
VERBUND KlemmbrettMischen Sortierbrett
F1
F2
F3
Eingabe Löschen Ändern
F4
Suchen
F5
F6
Anzeigen Datei
Im/Export
F7
F8
Schlüssel Sortier.
Papierkorb
F10
Ende
Abbildung 6.3.3.1 Die GUI-Oberfläche des Datenbankprogrammes mit allen WFIPen
und WOen.
Die im folgenden bezüglich der GUI-Oberfläche aufgeführten Werte stellen somit untere
Grenzwerte dar, welche oftmals überschritten werden. Dieser Ansatz ist daher als konservativ anzusehen, weil die GUI-Oberflächen im Einzelfall noch deutlich höhere Kennwerte
erhalten können, als wir in unserer Quantifizierung berücksichtigen. Um z.B. die Interaktionsstruktur graphischer Oberflächen vollständig zu beschreiben, reichen kontextfreie
Sprachen bzw. Zustandsübergangsdiagramme (ZÜD) nicht aus.
"Für realistische graphische Anwendungen ist eine Spezifikation mit ZÜD
nicht durchführbar. Allerdings ist die Komplexitätsbeherrschung graphischer
Interaktionen auch mit anderen existierenden Spezifikationsmittel nicht gelöst, weil nicht die Spezifikationsmittel selbst, sondern der Umfang graphischer Benutzerschnittstellen und die Feinregulierung der Beschreibung die
Problemursachen darstellen " (Hübner 1990, S. 284).
Es ist dennoch oftmals ausreichend, durch eine entsprechende Abstraktion und damit einhergehende Vereinfachung die jeweils relevanten Aspekte hinreichend genau abschätzen
112
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
zu können (siehe z.B. Rauterberg 1988b, bzw. Abbildung A.2 im Anhang). Weiterhin
haben wir vereinfachend bei der Menüauswahl in Pull-down-, bzw. Pop-up-Menüs von
Desktop- bzw. direktmanipulierbaren Oberflächen folgendes Vorgehen gewählt: Obwohl
die einzelnen Menüoptionen nicht permanent sichtbar sind, zählen wir dennoch alle aktivierbaren Menüoptionen als vollwertige WFIPe zum jeweiligen Dialogkontext hinzu. Die
Operation 'Auswahl einer Menüoption' lässt sich aus der folgenden 'analogen' Aktionssequenz zusammengesetzt betrachten: 'Mausklick auf Menünamen' + 'Auswahl der
Menüoption' + 'Aktivierungsaktion'. Diese vereinfachende Annahme verhindert, dass
jede Menüoperation als ein neuer Dialogkontext gezählt werden muss. Dies lässt sich dadurch rechtfertigen, dass durch den 'Mausklick auf Menünamen' in der Regel keine Einschränkung im aktuellen Umfang der ansonsten ebenfalls aktivierbaren Operatoren hervorgerufen wird.
Tabelle 6.3.3.1 GUI-Oberfläche mit den Kennwerten für wahrnehmbare bzw. verborgene dialog- und anwendungsfunktionale Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl analysierter Dialogkontexte D].
nur für betroffene D
Art der FIPe
VAFIP
WAFIP
VDFIP
WDFIP
Kennwert (± Std)
28,8 (± 25,8)
2,6 (± 3,2)
20,4 (± 26,9)
15,2 (± 18,7)
K
19
19
28
28
über alle D
Kennwert (± Std)
19,5 (± 25,1)
1,8 (± 2,9)
20,4 (± 26,9)
15,2 (± 18,7)
K
28
28
28
28
Gesamtzahl
547
49
570
425
Zur vorläufigen Beurteilung dieser GUI-Oberfläche berechnen wir das Verhältnis von
WAFIP zu VAFIP. Es ergibt sich der Wert von 2,6/28,8 = 0,09; d.h. nur ca. 9 % aller
VAFIPe haben – ähnlich wie bei der CUI-Oberfläche – eine wahrnehmbare Entsprechung
(WAFIPe) auf dem Bildschirm. Deutlich besser sieht es bei den DFIPen aus: 75 % aller
VDFIPe haben eine wahrnehmbare Entsprechung. Auch bei dieser Oberfläche messen wir
stark unterschiedliche und teilweise hohe Streuungen zwischen den verschiedenen Dialogkontexten (±2,9 bis ±26,9; Tabelle 6.3.3.1), so dass wir die genauere Analyse mittels
AFBF und RFBF abwarten wollen.
6.3.4
Ein Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche
Bei der CUI- und der GUI-Oberfläche – insbesondere in den Dialogkontexten mit Texteingabe – kommen auch nicht wahrnehmbare Interaktionspunkte vor. Wir erhalten daher
Feedbackwerte deutlich unter 100% (siehe Tabelle 6.3.4.1). Bei der Berechnung von
AFBF und RFBF haben wir jedoch zunächst nicht zwischen WDFIPen und WAFIPen
113
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
unterschieden, sondern einen allgemeinen Kennwert über alle Interaktionspunkte hinweg
berechnet. Um GRFBF zu bestimmen, haben wir eine mittlere Distanz zwischen Bildschirm und Tastatur von 20 cm angenommen, so dass sich für jeden Interaktionspunkt
der Tastatur (WFIPA) eine Korrektur mit C=10 cm um den Faktor 2 ergab. Durch diese
Korrektur wird das Ausmass an Feedback des jeweiligen WFIPA und seines zugehörigen
VFIP um die Hälfte reduziert. Da bei der CUI-Oberfläche keine maussensitiven Bereiche
existieren, sondern zu jedem WFIP auf dem Bildschirm ein entprechender WFIPA auf
der Tastatur gehört, macht sich diese Korrektur deutlich bemerkbar. Bei der GUI-Oberfläche kommt diese Korrektur nur dann zum Tragen, wenn es im entsprechenden Dialogkontext primär um Texteingabe über die separate Tastatur geht. Zur speziellen Bedeutung
und Wirkung der Interaktion mit einem direktmanipulativen Gerät (z.B. Maus) siehe die
Diskussion im Abschnitt 5.3.
Tabelle 6.3.4.1 Ergebnisse der Masse AFBF, RFBF und GRFBF (plus Standardabweichung) für die beiden Oberflächen des relationalen Datenbankprogramms [K = Anzahl
analysierter Dialogkontexte, F = Anzahl verborgener Funktionen].
Interaktionsstruktur
CUI-Oberfläche
GUI-Oberfläche
AFBF
26,3
18,4
RFBF
73% ± 40%
66% ± 38%
K
36
28
GRFBF
42% ± 22%
61% ± 39%
F
796
1117
Um die Ergebnisse unserer empirischen Vergleichsstudie zwischen diesen beiden Oberflächen zu erklären (Rauterberg 1989a, 1992e), haben wir zunächst angenommen, dass
die GUI-Oberfläche deutlich mehr visuelles Feedback im Sinne von Transparenz besitzt
(siehe Ulich et al. 1991). Diese Interpretation lässt sich anhand der quantitativen Unterschiede bzgl. der Kennwerte von AFBF und RFBF nicht aufrechterhalten (siehe Tabelle
6.3.4.1). Erst wenn man das Mass GRFBF zum Vergleich heranzieht, kann der angenommene Unterschied zu Gunsten der GUI-Oberfläche aufgezeigt werden. Weiteren Forschungsarbeiten bleibt zunächst vorbehalten, herauszufinden, ob unsere Wahl des Korrekturfaktors C = 10 cm valide ist. Auch scheint – statt der räumlichen – die zeitliche Dimension zur Korrektur sinnvoll einsetzbar zu sein (siehe oben die Diskussion über die
Behaltenskurve für das Kurzzeitgedächtnis zu Abbildung 3.1.2). Ebenso wäre die Anzahl
an Transparenzoperatoren (TOpen) als Dimension für den Korrekturfaktor denkbar: Wieviel TOpen werden benötigt, um an die Beschreibung über die Benutzung eines Interaktionspunktes z.B. in einem Online-Hilfesystem heranzukommen?
Wir haben hier zunächst nur deshalb die interaktiven Funktionen ausgewertet, weil
die Handlungsplanung des Benutzers primär auf der wahrgenommenen Verfügbarkeit
und Verwendbarkeit des Operatorsystems beruhen. Insbesondere bei graphischen Ober-
114
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
flächen zeichnen sich die einzelnen Dialogkontexte überwiegend durch die WDFIPe und
WAFIPe aus (siehe Abbildung 6.3.3.1). Wir werden weiter unten bei der Analyse einer
multimedialen Oberfläche sehen, dass dort auch die wahrnehmbaren Objekte aus der
Menge aller passiven Repräsentationsformen eine wesentliche Rolle spielen. Der Vergleich dieser beiden Oberflächen mittels RFBF bzw. GRFBF gilt daher zunächst nur eingeschränkt für das Funktionsfeedback und nicht für das Objektfeedback. Da unsere
Masse nur den rein quantitativen Aspekt wiedergeben, ist auch nicht auszuschliessen,
dass der deutlich nachweisbare Vorteil der GUI-Oberfläche noch zusätzlich in der Art der
Objektrepräsentation selbst begründet ist (Art der Ikonen für die Dateien, Klemmbrett,
Papierkorb usw., sowie die Dateiinhalte in einem Fenster mit den enthaltenen Datensätzen
usw.). Nichts desto trotz ist Art und Umfang des Operatorsystems von ausschlaggebender Bedeutung.
6.3.5
Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems
mit hierarchischer Interaktionsstruktur
Der Ausgangspunkt dieser Analyse ist das multimediale Bankeninformationssystem
'Kiosk' (Version-A, Daum und Schlagenhauf 1993)1 . 'Kiosk' ist für eine deutsche
Bankorganisation entwickelt worden und wurde erstmals in einer Schalterhalle des CashService dem Publikum öffentlich zugänglich. Benutzt wird es über einen berührungssensitiven Bildschirm ('Touchscreen'). Das System basiert auf einer sternförmigen bzw. hierarchischen Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.3 im Anhang). Wenn der Benutzer
von einem Sachgebiet in ein anderes wechseln will, muss er innerhalb der stern- bzw.
baumartigen Hierarchie immer über den Hauptknoten gehen. Alle maussensitiven Bereiche, welche eine Aufsteigen in der Hierarchie bewirken, sind in explizitem Design
(Rauterberg 1993c) gestaltet ('ikonisierte Buttons' in der Schaltleiste; siehe Abbildung
6.3.5.1; Rauterberg und Schlagenhauf 1993). Alle absteigenden Interaktionsfelder sind
dagegen meistens implizit gestaltet und in der Regel im Darstellungsbereich plaziert. Der
Darstellungsbereich befindet sich zwischen der oberen Infozeile ("Wo bin ich?", Nievergelt 1982) und der unteren Schaltleiste ("Wohin kann ich gehen?").
1
An dieser Stelle möchte ich mich sehr herzlich bei der ADI GmbH in Karlsruhe, insbesondere Herrn
Dr. habil. K. Schlagenhauf bedanken, ohne dessen grosszügige Unterstützung diese Untersuchung undenkbar gewesen wäre.
115
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
Abbildung 6.3.5.1 Bildschirmmaske des multimedialen Informationssystems mit sechs
WFIPen (kreisförmiger Button unten Mitte, Bild links, 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit') und zwei nicht-funktionalen WOen ('Logo', 'Wegweiser').
Auf der Bildschirmmaske (Abbildung 6.3.5.1) sind sechs verschiedene funktionale Objekte zu sehen, welche im Darstellungsbereich angeordnet sind: Das Bild links, sowie die
Begriffe 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit'. Ein Mausklick auf das
Bild führt zu einem Maskenwechsel hin zu einer grundrissartigen Übersicht des betreffenden Stockwerkes mit einer Übersicht der dort angebotenen Dienstleistungen. Durch einen
Mausklick auf einen der Begriffe gelangt der Benutzer zu dem entsprechenden Sachgebiet. Durch 'Drücken' des kreisförmigen Buttons kommt man genau eine Hierarchiestufe
nach oben. Die Infozeile am oberen Maskenrand enthält keine interaktiven Objekte.
Gemäss unserem quantitativen Beschreibungskonzept unterscheiden wir zwischen
anwendungs- (AFIP) und dialogfunktionalen (DFIP) Interaktionspunkten. Was ist jedoch
ein AFIP bei einem Informationssystem bzw. was ist die Anwendungskomponente? Da
ein Informationssystem primär dazu da ist, zu informieren, haben wir alle berührungssensitiven Bereiche einer Masken dann als ein AFIP gezählt, wenn die zugehörige Folgemaske Sachinformationen enthält. Alle anderen aktivierbaren Objekte sind demzufolge
reine DFIPe. Diese DFIPe dienen ausschliesslich dazu, die Navigation zwischen den verschiedenen Sachgebieten zu ermöglichen. Als erstes haben wir festgelegt, welche Masken
Sachinformationen enthalten. Alle Vorgängermasken erhalten für den entsprechenden be-
116
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
rührungssensitiven Bereich, welcher zu der Maske mit Sachinformation führt, einen
AFIP.
Tabelle 6.3.5.1 Kennwerte, Standardabweichung und Gesamtzahl der wahrnehmbaren
bzw. verborgenen dialog- und anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte des multimedialen Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte].
Art der FIPe
verborgene AFIPe
VAFIP
wahrnehmbare AFIPe
WAFIP
verborgene DFIPe
VDFIP
wahrnehmbare DFIPe
WDFIP
nicht-funktionale Objektrepräsentationen WO
WAFIP + WDFIP + WO
WOtot
Kennwert (± Std)
3,5 (± 3,4)
3,5 (± 3,4)
0,5 (± 0,7)
0,5 (± 0,7)
5,9 (± 3,4)
10,0 (± 5,7)
K
68
68
68
68
68
68
Gesamtzahl
241
241
34
34
404
679
In der Abbildung 6.3.5.1 zählen wir z.B. einen WDFIP (kreisförmiger Button) und fünf
WAFIPe (Bild links, 'Bargeld', 'Geldanlage', 'Kontoauszüge' und 'Kredit'), sowie zwei
zusätzliche, nicht-funktionale WOe ('Logo' und 'Wegweiser' in der Infozeile). Da ein
multimediales Informationssystem in der Regel ohne separate Tastatur benutzt wird, kann
es nur dann VFIPe geben, wenn (1.) ein berührungssensitiver Bereich keine wahrnehmbare Repräsentationsform hat, (2.) weiteren Maustasten entsprechende Operatoren zugeordnet oder (3.) Mehrfachklicks mit unterschiedlicher Bedeutung zugelassen sind. Keine
dieser drei Bedingungen liegt in unserem Fall vor.
Um das Ausmass an Feedback zu berechnen, stellt sich bei dieser Art von multimedialen Oberflächen ein besonderes Problem: Obwohl alle verborgenen Funktionen auch
mit einem wahrnehmbaren Interaktionspunkt ausgestattet sind, kann es durch die Eigenschaften des Maskenkontextes zu Interpretationsschwierigkeiten kommen. Nicht alle
wahrnehmbaren Objekte sind auch tatsächlich aktivierbar! Die Anzahl wahrnehmbarer
Objekte pro Dialogkontext (Bildschirmmaske) lässt sich daher in zwei Teile aufteilen: (1.)
die Menge aller funktionalen und damit aktivierbaren Objekte [WAFIP + WDFIP], und
(2.) die Menge aller nicht-funktionalen Objekte [WO]. Der Benutzer hat also mindestens
drei spezifische Orientierungsprobleme zu bewältigen: (1.) welches wahrnehmbare Objekt
ist maussensitiv, (2.) welche Maske erscheint als nächstes, wenn ein maussensitiver Bereich aktiviert wurde, sowie (3.) wie komme ich wieder zu der vorherigen Maske zurück.
Die Menge aller wahrnehmbaren Objekte eines Dialogkontextes [WOtot] ist die Summe
aus (WAFIP + WDFIP + WO). Je näher der Quotient aus (WAFIP + WDFIP)/WOtot bei
Eins liegt, desto seltener kommt es vor, dass nicht-funktionale Objekte fälschlicherweise
117
6 Der Gestaltungsbereich 'Kalkulierbarkeit'
für aktivierbar gehalten werden. Wir erhalten für die Version-A des multimedialen Informationssystems den Quotienten (0,5 + 3,5)/10,0 = 0,40. Bei der Version-A sind im
Mittel 40% aller wahrnehmbaren Objekte berührungssensitiv und daher aktivierbar.
6.3.6
Ausmass an Feedback des multimedialen Informationssystems
mit vernetzter Interaktionsstruktur
Um den Zugang zu den angebotenen Informationen der verschiedenen Sachgebiete des
multimedialen Informationsystems (Version-A, siehe vorherigen Abschnitt) zu erleichtern, wurde eine neue Oberflächenversion entwickelt (Version-B): Wir verknüpften die
einander zugehörigen Informationen miteinander (Brunner und Rauterberg 1993). D.h.,
zu jeder gefundenen Information sollte man die dazu relevanten anderen Informationen
einfach und direkt aufrufen können (ausführlichere Beschreibung im Kapitel 7). Die dadurch erreichte Flexibilisierung bewirkt zugleich eine Zunahme der Komplexität der Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.4 im Anhang). Um diesem Gestaltungsziel gerecht
werden zu können, musste teilweise der Übergang von explizitem zu implizitem Design
vorgenommen werden (Rauterberg 1993c).
Tabelle 6.3.6.1 Multimediales Informationssystem mit netzartiger Interaktionsstruktur:
Kennwerte, Standardabweichung und Gesamtzahl der wahrnehmbaren bzw. verborgenen
dialog- und anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K
= Anzahl Dialogkontexte].
Art der FIPe
verborgene AFIPe
VAFIP
wahrnehmbare AFIPe
WAFIP
verborgene DFIPe
VDFIP
wahrnehmbare DFIPe
WDFIP
nicht-funktionale Objektrepräsentationen WO
WAFIP + WDFIP + WO
WOtot
Kennwert (± Std)
4,2 (± 4,5)
4,4 (± 4,7)
1,3 (± 1,1)
1,4 (± 1,1)
7,0 (± 2,7)
12,8 (± 6,3)
K
65
65
65
65
65
65
Gesamtzahl
276
285
87
88
458
831
Die Veränderungen des multimedialen Informationssystems bei der Version-B beziehen
sich im wesentlichen auf die Interaktionsstruktur (siehe Abbildung A.4 im Anhang). Das
Ausmass an visuellem Feedback sollte sich daher von dem der Version-A nicht unterscheiden. Eine Besonderheit muss jedoch erwähnt werden: Bei der detaillierten Analyse
der einzelnen Dialogkontexte haben wir überzählige WFIPen gefunden (siehe Dialogkontext 'Immobilien Angebot', 'Veranstaltungen' und 'Ausstellung' in Abbildung A.4 im
Anhang). Schauen wir uns das im einzelnen an (siehe Tabelle 6.3.6.1).
Es zeigen sich keine gravierenden Unterschiede hinsichtlich des Ausmasses an
funktionalem Feedback zwischen den beiden multimedialen Oberflächen (siehe Tabelle
118
Produktbezogene Messung von Feedback 6.3
6.3.5.1 und Tabelle 6.3.6.1): Alle VFIPe haben auch mindestens einen WFIP. Der geringfügige Unterschied zwischen WAFIP und VAFIP bzw. WDFIP und VDFIP in
Tabelle 6.3.6.1 ist bedingt durch die überzähligen WAFIPe bzw. WDFIPe. Das Verhältnis von (WAFIP + WDFIP)/WOtot beträgt (4,4 + 1,4)/12,8 = 0,45. D.h., dass im Mittel
45% aller wahrnehmbaren Objekte der Version-B berührungssensitiv sind. Das Problem
der überzähligen WAFIPe bzw. WDFIPe wird im folgenden Abschnitt durch die Anwendung des Masses KRFBF adäquat berücksichtigt.
6.3.7
Vergleich der beiden multimedialen Informationssysteme
Um die Kennwerte für die Masse AFBO und RFBO bzw. AFBF und RFBF berechnen
zu können, müssen wir zuerst festlegen, welche Objekte des interaktionellen Raumes IR
als WO und VO bzw. WFIP und VFIP anzusehen sind. Dies ist jedoch im allgemeinen
bei multimedialen Informationssystemen recht einfach (siehe die Beschreibung zur Abbildung 6.3.5.1); die Darstellung dieser Ergebnisse für jeden Dialogkontext – einschliesslich
der Interaktionsstruktur – ist in einem Interaktionsstrukturschema in der Abbildung A.3
bzw. A.4 im Anhang zu sehen.
Tabelle 6.3.7.1 Multimediales Informationssystem mit baum- und netzartiger Interaktionsstruktur: Ergebnisse der Masse AFBO und RFBO bzw. AFBF und RFBF (plus
Standardabweichung) [K = Anzahl analysierter Dialogkontexte].
Vers.: Struktur
A: baumartig
B: netzartig
AFBO
404
458
RFBO
100% ± 0%
100% ± 0%
AFBF
275
373
RFBF
100% ± 0%
103% ±16%
KRFBF
100% ±0%
100% ±0%
K
68
65
Da es bei den beiden Oberflächen unseres multimedialen Informationssystems weder verborgene Objekte, noch verborgene Funktionen gibt, sind alle entsprechenden Kennwerte
für RFBO und RFBF mindestens 100% (siehe Tabelle 6.3.7.1). Die etwas höheren
Werte für RFBF bei der Version-B mit der netzartigen Interaktionsstruktur sind durch
insgesamt 10 überzählige funktionale Repräsentationen bedingt. Dieser Unterschied wird
durch das Mass KRFBF vollständig ausgeglichen (siehe Tabelle 6.3.7.1). Wie wir sehen, unterscheiden sich beide Oberflächenversionen nicht hinsichtlich ihres relativen Ausmasses an Objekt- bzw. Funktionsfeedback.
119
7
DER GESTALTUNGSBEREICH 'KONTROLLE'
Der Bereich der 'Kontrolle' ist in verschiedene Richtlinien untergliedert. Eine im Rahmen
dieser Arbeit wesentliche Gestaltungsrichtlinie ist die 'Flexibilität' und ihr Verhältnis zu
den Gestaltungsrichtlinien 'individuelle Anpassbarkeit (benutzerseitige Definierbarkeit)'
und 'individuelle Auswahl-(möglichkeiten)'. Die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation'
wird in Rauterberg et al. (1994b) behandelt.
7.1
'K ONTROLLE ' ALS B ESTANDTEIL MENSCHLICHER H ANDLUNGEN
Kontrolle ist eine menschliche Aktivität, bei der Zustände bzw. Vorgänge 'kontrolliert'
werden oder ein Wissen über diese Möglichkeiten vorhanden ist. Der Mensch hat dann
das Gefühl von Kontrolle (über sich und/oder seine Umwelt), wenn die Wirkungen
seiner Handlungen die von ihm beabsichtigten Ansprüche bzw. Ziele erfüllen. Je nach
Anspruch kann eine Wirkung befriedigend oder unbefriedigend sein. Nicht alles lässt sich
wirksam beeinflussen, dennoch ist das subjektive Gefühl der eigenen Wirksamkeit von
existentieller Bedeutung (Flammer 1990, Ulich 1991).
Menschliches Verhalten hat immer irgendwelche Wirkungen, unabhängig ob das
Verhalten bewusst oder nicht bewusst, geplant oder nicht geplant ist. Handlungen sind
geplantes und bewusst ausgeführtes Verhalten. Wenn das Ziel einer Handlung ausserhalb
dieser Handlung selbst liegt, ist es oft möglich, das gleiche Ziel auf mehrere Arten erreichen zu können. Wenn die Arten der alternativen Zielerreichung komplex sind und sich
die handelnde Person dessen mehr oder weniger bewusst ist, dann heissen die mental repräsentierten möglichen Wege zur Erreichung eines Handlungszieles Pläne (Miller, Galanter und Pribram 1960).
Es lassen sich vier Kontrollbereiche unterscheiden (siehe Tabelle 7.1.1): (1.) Kontingenz-Wissen (K-W), (2.) Kontroll-Meinung (K-M), (3.) Kontrolle-Haben (K-H) und
(4.) Kontrolle-Ausüben (K-A). Menschen, die Kontrolle ausüben, haben ein Wissen um
das aktuell gesetzte Ziel (a) und es für sich selbst als handlungsleitend akzeptiert (e); sie
kennen mindestens einen Weg, dieses Ziel zu erreichen (b), wissen von sich selbst, dass
sie diesen Weg auch gehen können (c bzw. d) und gehen diesen Weg dann auch tatsächlich (f). Im Unterschied dazu bedeutet Kontrolle-Haben, dass Menschen nur von sich
selbst überzeugt sind, dass sie den Zielerreichungsweg auch tatsächlich gehen könnten,
tun es jedoch aktuell nicht. Um eine Kontroll-Meinung handelt es sich dann, wenn man
zwar das Ziel kennt (a), auch einen Weg zur Zielerreichung (b), und sich selbst die Fähig-
120
Theoretische Grundlagen 7.1
keit zuschreibt, diesen Weg auch gehen zu können (c), aber diese Fähigkeit tatsächlich
nicht besitzt (d). Kontingenz-Wissen umfasst alle gewussten Ziel-Mittel-Relationen (b).
"Kontrolle ist im menschlichen Leben mindestens in zwei Formen existentiell, nämlich als aktives Kontrollieren und als Wissen, dass man über bestimmte Zielbereiche Kontrolle hat. Das erste dient dem aktiven Zielerreichen, das zweite ist Bestandteil des Selbstbildes und dient dem eigenen
Selbstwert. ...
Kontrolle ermöglicht eine gewisse Vorhersagbarkeit. Auch wenn Vorhersagbarkeit allein Stress reduzieren und das Wohlbefinden steigern kann, so sind
diese Wirkungen der Vorhersagbarkeit doch weniger ausgeprägt als im Fall
von Kontrolle..." (Flammer 1990, S. 112-113).
Tabelle 7.1.1
Übersicht über die verschiedenen Arten der Kontrolle: KontingenzWissen (K-W), Kontroll-Meinung (K-M), Kontrolle-Haben (K-H) und Kontrolle-Ausüben (K-A) (in Anlehnung an Flammer 1990).
Bestandteile von Handlungskontrolle
a
b
c
d
e
f
das (bestimmte) Ziel Z kennen
(mindestens) einen Zielerreichungsweg kennen
zu glauben, diesen Weg selber gehen zu können
diesen Weg auch tatsächlich selber gehen können
das Ziel Z als aktuell gesetztes Ziel akzeptieren
den gewählten Zielerreichungsweg selber gehen
K-W
K-M
K-H
K-A
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
Die verschiedenen Arten der subjektiven und/oder objektiven Kontrollmöglichkeiten sind
in das Modell der verschiedenen Arbeitszufriedenheitsformen von Bruggemann (Bruggemann, Groskurth und Ulich 1975) eingeflossen. Oesterreich (1981, S.243) konnte zeigen, dass positive Gefühle aus der Erfahrung von Kontrollkompetenz bzw. KontrolleHaben resultieren ('zu wissen, diesen Weg selber gehen zu können' (d) siehe Tabelle
7.1.1). Stress ist nach Ulich (1981) insbesondere mit – tatsächlichem oder vermeintlichem – Kontrollverlust verbunden. Kontrollverlust geht einher mit Gefühlen der Bedrohung, des Ausgeliefertseins, der Hilflosigkeit und der Abhängigkeit. Um Anwendern von
EDV möglichst frühzeitig und umfassend die Kontrolle über das EDV-System zu geben,
dient die Gestaltungsrichtlinie der 'Partizipation' und der 'Individualisierbarkeit'.
7.2
D IE F ORDERUNG NACH 'I NDIVIDUALISIERBARKEIT '
"Wenn wir tatsächlich alle miteinander verwandt sein sollten, der Mensch des
uns gegenwärtig vertrauten Typs also tatsächlich an einer Stelle (auf dieser
Erde, Anm.d.V.) entstanden ist, dann ist das Geschehen auf der Welt als ein
gigantischer Individualisierungsprozess zu deuten, personell und kulturell"
(Deichsel 1988, S. 21).
121
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
An dieser Stelle möchte ich kurz auf die Sonderstellung der Gestaltungsrichtlinie 'Individualisierbarkeit' eingehen und seine Rolle im Bezug auf die anderen Gestaltungsrichtlinien herausarbeiten. Es muss davon ausgegangen werden (Ulich 1978), dass (1.) Benutzer individuell recht unterschiedlich sind, und (2.) die Berücksichtigung dieser Unterschiede bei der Werkzeuggestaltung einen positiven Effekt auf die Benutzer ausübt (Ulich
1978, Ackermann 1987, Ulich 1987 und 1989). Da der Softwareentwickler nicht im vorhinein jede jemals von irgendeinem Benutzer gewünschte Oberflächeneigenschaft vorwegnehmen kann, ist Individualisierbarkeit nur dadurch möglich zu erreichen, dass der
Benutzer selbst später 'vor Ort' die Möglichkeit hat, die zunächst vorgegebene Oberfläche
in seinem Sinne durch entsprechende Veränderungen anzupassen (Greutmann 1992,
Haaks 1992). Mit dieser Möglichkeit der Individualisierbarkeit kann damit bei entsprechender Metafunktionalität die einmal vorgegebene Oberfläche (in einem gewissen Rahmen)
umgestaltet werden.
Die Gestaltungsrichtlinie Individualisierbarkeit (sowie auf der Ebene des Softwareentwicklungsprozesses die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation') nimmt eine Metarolle ein.
Wir werden daher auch die zur individuellen Anpassung benötigten Operatoren Metaoperatoren nennen (im Unterschied zu Dehning, Essig und Maass 1978). Es wird dadurch –
zusätzlich zu der im Zentrum der Gestaltung stehenden Benutzungsoberfläche – eine
weitere Benutzungsoberfläche etabliert: Die Individualisierungsoberfläche zur Anpassung
der Arbeitsoberfläche. Inwieweit die Bedienung dieser Individualisierungsoberfläche
auch im Arbeitsalltag durch die Endbenutzer selbst durchgeführt werden kann, oder vom
System durchgeführt werden sollte, wird an anderer Stelle diskutiert (Greutmann und
Ackermann 1987, Karger 1990, Rauterberg und Thalmann 1992, Meyer 1994).
Die Ziele der Individualisierbarkeit können auf verschiedenen Wegen erreicht werden. Zum einen steht die Flexibilität zur Verfügung, die dem Benutzer jederzeit erlaubt,
aus dem Angebot von mehreren vorhandenen Möglichkeiten irgendeine auszuwählen. Im
Unterschied dazu bietet die individuelle Auswahl alternative Nutzungsvarianten an (z.B.
'configuration sets'), zwischen denen sich der Benutzer im Sinne von Wahlmöglichkeiten
zunächst entscheiden muss. Diese Auswahlentscheidung wird durch Metaoperationen
dem System mitgeteilt. Sobald der Benutzer jedoch seine Entscheidung getroffen hat, ist
der weitere Bearbeitungsweg festgelegt und kann – im Gegensatz zur Flexibilität – nicht
mehr sofort und unmittelbar neu gewählt werden, sondern bedarf stets mindestens einer
zusätzlich Metaoperation.
Eine weitere Möglichkeit der Individualisierbarkeit wird als individuelle Anpassung
bezeichnet. In diesem Fall erlaubt das System dem Benutzer Änderungen an dem Granu-
122
Die Forderung nach Individualisierbarkeit 7.2
lationsgrad und/oder dem aktuell verfügbaren Funktionsumfang selber vornehmen zu
können (Adaptierbarkeit durch Eigenprogrammierung), oder das System verändert sich
selbst aufgrund der Nutzungsart des Benutzers (Autoadaptierbarkeit, siehe Haaks 1992
bzw. Debevc et al. 1994). Abbildung 7.2.1 zeigt eine Übersicht über die drei Grundsäulen der Individualisierbarkeit, sowie das zugehörige Ausmass an aktuellen bzw. potentiellen Freiheitsgraden.
Individualisierbarkeit
Flexibilität
Individuelle
Auswahl
Individuelle
Anpassung
(Eigenprogrammierung)
potentielle Freiheitsgrade
(Meta-Dialog Aufwand)
aktuelle Freiheitsgrade
Abbildung 7.2.1
Die Forderung nach 'Individualisierbarkeit' setzt sich inhaltlich aus
den drei Richtlinien 'Flexibilität', 'individuelle Auswahl' und 'individuelle Anpassung'
zusammen. Die Umsetzung der potentiellen Freiheitsgrade in aktuelle Freiheitsgrade erfordert einen Metadialog (siehe Ulich et al. 1991, S. 135-138).
Um jedoch einen Benutzer zunächst überhaupt in die Lage zu versetzen, mit einem interaktiven Softwaresystem zu arbeiten, müssen Gestaltungsvorgaben gemacht werden.
Diese Vorgaben sind sozusagen als Voreinstellungen ('default-values') anzusehen. Diejenigen Kriterien, welche unmittelbar auf die konkrete Gestaltung der Benutzungsoberfläche abzielen, dienen somit dazu, diese Voreinstellungen aus arbeitspsychologischer Sicht
sinnvoll vornehmen zu können. Die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation' setzt an der Stelle
an, an der der möglichst repräsentative Einbezug der BenutzerInnen in den Gestaltungsprozess diese Voreinstellungen herauszuarbeiten hilft (Rauterberg et al. 1994b).
Im Unterschied zu dem Konzept von Oppermann (1989) gehen wir davon aus, dass
die wesentliche Dimension primär aus Sicht des Benutzers darin besteht, Möglichkeiten
zur individuellen Nutzung des Systems zur Verfügung zu haben. Für die softwaretechnische Umsetzung lassen sich die drei Gestaltungskonzepte für Individualisierbarkeit ausmachen: Flexibilität, individuelle Auswahl und individuelle Anpassung.
123
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Das Gestaltungskonzept Flexibilität ist im wesentlichen eine Systemeigenschaft (bei
Oppermann 1989 auch 'Vielfältigkeit' genannt). Der Benutzer wählt zwischen den gleichzeitig angebotenen Alternativen die ihm angemessene aus (Merksatz: 'mehrere Möglichkeiten gleichzeitig'): z.B. Steuerung der Interaktion (1.) mit der Maus, (2.) über Funktionstasten oder (3.) durch die Eingabe von Kommandos. Alle Freiheitsgrade, welche das
flexible System dem Benutzer permanent anbietet, stehen jeweils im aktuellen Dialogkontext parallel zur Verfügung. Im Unterschied dazu muss der Benutzer sowohl bei der individuellen Auswahl, als auch bei der individuellen Anpassung zunächst einen zusätzlichen
Metadialog mit dem System führen. Durch diesen Metadialog wird die jeweilige Auswahl
bzw. Anpassung dem System mitgeteilt: Umwandlung von potentiellen Freiheitsgraden in
aktuelle Freiheitsgrade! Da nicht für alle Gestaltungsaspekte einer Oberfläche eine flexible
Lösung möglich ist (z.B. die Verwendung von Farbe: ein Objekt kann entweder die eine
oder die andere Farbe haben), müssen die beiden anderen Individualisierungsmöglichkeiten zusätzlich vorhanden sein.
Abbildung 7.2.2
Individualisierungsoberfläche für die 'individuelle Auswahl' beim
Textverarbeitungsprogramm MsWORD.
Der Gestaltungsbereich individuelle Auswahl ermöglicht dem Benutzer, aus einer Menge
von vorgegebenen Einstellungen eine ihm zusagende Einstellung auszuwählen (Merksatz:
'Eins zur Zeit, nach Auswahl aus dem Angebot'): Z.B. die Belegung der Tastatur; Farbe,
Form oder Inhalt der Bildschirmelemente; Auswahl und damit Einschränkung auf die bevorzugte Interaktionsart usw. (siehe Abbildung 7.2.2). Hat sich der Benutzer einmal entschieden und das System per Metadialog gemäss seinen Vorstellungen konfiguriert, so
124
Die Forderung nach Individualisierbarkeit 7.2
kann er die anderen Alternativen erst nach einem weiteren Auswahldialog benutzen. Um
den Metadialog für die Auswahl mit dem System führen zu können, ist eine spezielle
Schnittstelle notwendig (z.B. das 'Schreibtischzubehör' beim Apple-MacIntosh oder die
Option 'Befehle...' bei MsWORD). Diese Auswahl kann z.B. in einem separaten Fenster
wie bei dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD erfolgen (siehe Abbildung 7.2.2).
Der Gestaltungsbereich individuelle Anpassung erlaubt dem Benutzer mittels der
vom System angebotenen Metafunktionalität die Eigenschaften und das Systemverhalten
zu verändern. So kann z.B. der Benutzer die Bildschirmelemente und Interaktionsobjekte
nach eigenen Vorstellungen frei benennen. Eventuell kann er den Bildschirmaufbau selbst
neu definieren oder den Granulationsgrad des Operatorsystems dadurch verringern, dass
er die einzelnen Basisfunktionen zu Makros zusammenfügt. Für alle diese Anpassungen
benötigt der Benutzer eine spezielle Schnittstelle: die Individualisierungsoberfläche. Diese
ist zumeist eine visuelle oder textuelle Programmierumgebung, mittels derer das System
mit den neuen (zusätzlichen oder alternativen) Eigenschaften ausgestattet werden kann
(z.B. die Batchdateien [*.bat] bei dem Betriebssystem MsDOS™). Einen guten Überblick
über weitere softwaretechnische Möglichkeiten gibt Greutmann (1992, S. 48f) und Haaks
(1992, S. 28ff).
Abbildung 7.2.3
Individualisierungsoberfläche für die 'individuelle Anpassung' beim
Textverarbeitungsprogramm MsWORD.
Bei dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD™ (Vers. 5.0) besteht die Anpassungsschnittstelle aus einer Dialogbox, in der der Benutzer über eine Liste aller Funktionen
(Menüoption 'Befehl...') die von ihm gewünschten Funktionen durch Anklicken mit der
Maus auswählen und bestimmen kann, in welches Menü diese Funktion eingebaut wer-
125
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
den soll (siehe Abbildung 7.2.3). Zusätzlich lässt sich eine individuell definierbare Tastenkombination diesem Menüeintrag zuordnen. Lediglich die Benutzung dieser Dialogbox ist der notwendige Metadialog zur individuellen Anpassung dieses Programms.
7.3
P RODUKTBEZOGENE M ESSUNG VON F LEXIBILITÄT
Flexibilität:
Flexibilität meint die im System vorhandenen interaktiven Freiheitsgrade und damit die dem Benutzer prinzipiell zugestandene Autonomie zur Vorgehensweise
bei seiner Aufgabenbearbeitung (z.B. alternative Wege durch die Interaktionsstruktur, unterschiedliche Reihenfolge der einzelnen Bearbeitungsschritte zur
Aufgabenbearbeitung). Jede Art von aktuell gegebenen Freiheitsgraden, welche
das System dem Benutzer ohne zusätzlichen Metadialog zur Verfügung stellt,
fällt unter die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität'. Flexibilität ist die "Summe objektiv vorhandener Freiheitsgrade zur selbständigen Setzung und Erreichung von
Teil-Zielen durch variable Abfolge von Teil-Schritten" (Spinas 1987, S.146).
Die Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' ist im wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass
dem Benutzer gleichzeitig parallel nebeneinander verschiedene Nutzungsmöglichkeiten
angeboten werden. Der Benutzer kann sich die ihm angemessene Art der Nutzung aussuchen und durchführen; dabei muss er sich nicht unbedingt aller aktuell vorhandenen Alternativen bewusst sein; es ist lediglich notwendig, dass er mindestens einen möglichen
Zielerreichungsweg (siehe Abschnitt 7.1) kennt.
Flexibilität
("mehrere Möglichkeiten
gleichzeitig")
Anzahl der gleichzeitig angebotenen
Namen, bzw.
Icons (z.B. Aliase)
Art und Anzahl der
gleichzeitig angebotenen Interaktionspfade
Art und Anzahl der
parallel angebotenen
Bildschirmlayouts,
bzw. mehrere
Bildschirme
Art und Anzahl der
gleichzeitig
vorhandener
Interaktionsarten
Anzahl der parallel
vorhandenen
Tastaturen, bzw.
Eingabegeräte
Art und Anzahl der
vorhandenen Makros
Art und Anzahl der
angebotenen
Funktionen, bzw.
Funktionsbereiche
InteraktionsSchnittstelle
WerkzeugSchnittstelle
Ein/AusgabeSchnittstelle
Abbildung 7.3.0.1 Die produktbezogenen Aspekte der Gestaltungsrichtlinie Flexibilität
bezogen auf die drei Seeheim-Schnittstellen.
Um einem System Flexibilität zu verleihen, werden oft vielfältig zugängliche Funktionen
angeboten. Da diese Funktionen permanent zur Verfügung stehen, kann der Benutzer je-
126
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
derzeit im aktuellen Dialogkontext entscheiden, welchen weiteren Bearbeitungsweg er
einschlagen will (z.B. Menüaufruf mittels Maus oder Tastenkombination). Dadurch bedient der Benutzer nicht nur das System, sondern er behält die Kontrolle über die Systemnutzung (z.B. das Oberon-System; Wirth und Gutknecht 1992). Bei der Bedienung des
Systems genügt es zunächst, wenn der Benutzer einen beliebigen Bearbeitungsweg
kennt. Dies setzt jedoch eine absolute Äquivalenz der einzelnen angebotenen Funktionen,
die die gleiche Zielerreichung ermöglichen, voraus (kein Auftreten von Seiteneffekten!).
Die Tatsache, dass der Benutzer das System zufriedenstellend bedienen kann, ohne
dabei alle Bearbeitungswege benutzen oder kennen zu müssen, erweist sich als ein anzustrebendes Ziel bei der Gestaltung flexibler Systeme. Ein sehr flexibles System kann unter Umständen sehr komplex werden. Zu grosse Flexibilität führt zu Unübersichtlichkeit
und die Vorteile, die durch Flexibilität einem System zugefügt werden, können verloren
gehen. In diesem Fall schafft die Einführung einer teilweisen Standardisierung (optimale
Voreinstellung / 'weiche' Sollregelung) Abhilfe. Will man die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität produktbezogen messbar machen, so sind zunächst die verschiedenen Gestaltungsaspekte bzgl. der Ein/Ausgabe-, der Interaktions- und der Werkzeugschnittstelle zu bestimmen (siehe Abbildung 7.3.0.1).
7.3.1
Quantitative Masse für Flexibilität
Da sich Flexibilität primär auf die Interaktionsstruktur bezieht, werden wir verschiedene
Masse zu ihrer Quantifizierung definieren. Mit der Länge eines Interaktionspfades besteht
nun die Möglichkeit eines vorläufigen, allgemeinen Masses zur Beschreibung einer Interaktionsstruktur: der Hierarchisierungsgrad (Spinas 1987, S. 117). Berechnen wir die
mittlere Länge aller kürzesten Interaktionspfade einer Oberfläche von einem Startkontext
hin zu einem VFIP, so erhalten wir die Kenngrösse HG. Die Einschränkung auf den kürzesten Interaktionspfad (min[lng(Pfdn)]) ist zunächst deshalb von Bedeutung, weil es bei
netzartigen Interaktionsstrukturen meistens mehrere Interaktionsalternativen gibt. Wir
werden diesen Aspekt weiter unten mit einem eigenen Mass quantifizieren.
(Definition des HIERARCHISIERUNGSGRADES)
N
HG
=
1/N
Σ
n=1
HG
lng(Pfdn)
N
min[lng(Pfdn)]
der Hierarchisierungsgrad;
Länge des Interaktionspfades n;
Anzahl aller VFIPe.
127
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Wenden wir dieses Mass HG auf den strikt hierarchischen Interaktionsbaum an (siehe
Abbildung 5.5.1), so ergibt sich eine mittlere Pfadlänge von 3,7 (±0,8) für die 12 Interaktionspfade vom Startkontext bis hin zu den einzelnen Anwendungsfunktionen. Hierbei
ist die Länge der möglichen Interaktionspfade hin zu einer Anwendungsfunktion (VAFIP)
zu unterscheiden von der Länge hin zu einer Dialogfunktion (VDFIP). Zur Berechnung
des Kennwertes HG für die VAFIPe geht man wie folgt vor:
1. Man markiert alle Dialogkontexte mit mindestes einem VAFIP.
2. Für jeden dieser Dialogkontexte zählt man die Anzahl der Interaktionsschritte, um vom
'Startmenü' zu diesem Dialogkontext zu gelangen. Dann muss noch genau ein extra
Interaktionsschritt für die Aktivierung des jeweiligen VAFIP hinzugezählt werden.
Dieser Kennwert wird dem jeweiligen Dialogkontext zugeordnet.
3. Man summiert diese Kennwerte über alle VAFIPe und alle markierten Dialogkontexte
auf und teilt durch die Anzahl aller VAFIPe.
Für alle vorhandenen VDFIPe kann man entsprechend vorgehen.
Dialog-Kontexte mit
den einzelnen DFIPen
1
3
2
4
8
5
12
9
a
3
11
10
7
6
13
14
VAFIPEbene
b c
d e
f
g
h
i
j
k
l
4 4
4 4
3 3
4 4
3
4
3
4
3
3
4
4
3
3
5
5 Pfad-
längen
=
Anzahl
Interaktionsschritte
Abbildung 7.3.1.1 Schematische Darstellung einer beispielhaft gegebenen, netzartigen
Interaktionsstruktur. Der Benutzer navigiert sich durch die 14 unterschiedlichen Dialogkontexte hindurch zu der jeweils gewünschten Anwendungsfunktionalität (VAFIP), wobei ihm jeweils unterschiedlich viele alternative Interaktionspfade zur Verfügung stehen.
Die alternativen Interaktionspfade sind z.T. unterschiedlich lang.
128
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
Wenn wir die eingeschränkte Gültigkeit des Interaktionsbaumes verlassen wollen, so
müssen wir zu der Beschreibung eines entsprechenden Interaktionsnetzes übergehen.
Hierzu haben wir das Beispiel des Interaktionsbaumes um einige Kanten erweitert und
kommen zu unserem einfachen Interaktionsnetz (siehe Abbildung 7.3.1.1). In der Abbildung 7.3.1.1 sind zu jedem VAFIP (a–l) die entsprechenden Pfadlängen für die interaktive Distanz vom Startkontext bis hin zur VAFIP-Ebene für die verschiedenen Interaktionspfade angegeben. Wenden wir unser Mass HG auf dieses beispielhaft eingeführtes Interaktionsnetz an, so ergibt sich eine mittlere Pfadlänge von 3,5 (±0,8) für die insgesamt 12
kürzesten Interaktionspfade. Das Interaktionsnetz weist somit einen fast gleichen Hierarchisierungsgrad auf wie der des Interaktionsbaumes aus Abbildung 5.5.1.
Um jedoch den offensichtlichen Unterschied zwischen der 'Baum'- und der 'Netz'Struktur quantitativ bestimmen zu können, muss ein weiteres Mass für die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität eingeführt werden. Dieser Aspekt von Flexibilität einer Interaktionsstruktur lässt sich als die Anzahl der alternativen Interaktionspfade hin zur selben Anwendungsfunktion operationalisieren (Spinas 1987, S. 121). Interaktionsflexibilität drückt
sich in der Vielfalt der dem Benutzer angebotenen Interaktionsfunktionalität aus. Diese
Vielfalt in der Interaktionsfunktionalität – insbesondere in der Interaktionsstruktur (z.B.
Maussteuerung und Funktionstasten) – führt zu netzartigen Interaktionsstrukturen. Da die
meisten modernen Oberflächen immer stärker in die Richtung auf netzartige Interaktionsstrukturen hin entwickelt werden (z.B. der Bereich 'Hypertext' usw.), müssen wir uns
zunächst eine Definition für ein Interaktionsnetz verschaffen (siehe auch Janssen 1993).
(Definition eines INTERAKTIONSNETZes)
ein Interaktionsnetz IN ist ein gerichteter Graph
IN = (D,IS)
wenn gilt:
D
ist eine endliche Menge an Dialogkontexten.
IS
ist eine endliche Menge aller möglichen Interaktionsschritte.
Wir betrachten hier zunächst die Unterschiedlichkeit im Rahmen der Dialogfunktionalität,
über die der Benutzer an eine Anwendungsfunktion gelangt. Je mehr Wege dem Benutzer
hin zu einer Anwendungsfunktion zur Verfügung stehen, desto individuell unterschiedlicher kann er auf die Anwendungsfunktionen zugreifen. Sehen wir uns beispielhaft für
die beiden Anwendungsfunktionen 'd' und 'h' des Interaktionsnetzes aus Abbildung
7.3.1.1 die alternativen Interaktionspfade im einzelnen an (siehe Abbildung 7.3.1.2).
129
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
1
1
2
2
1
{2}
1
{3} {3}
{4}
1
1
4
4
13
8
5
9
{5} {9}
11
6
10
{8}{13}
7
12
14
a
b
c
d
e
f
g h
i
j
k l
Abbildung 7.3.1.2 Übersicht über die 21 Interaktionspfade vom Startdialogkontext (Nr.
1) bis hin zu jeder Anwendungsfunktion (a–l) des Interaktionsnetzes aus Abbildung
7.3.1.1; die alternativen Pfade sind durch geschweifte Klammern gekennzeichnet.
Menge aller alternativen Interaktionspfade für die Anwendungsfunktion 'd':
MaPfdd
=
{[1,2,5,11], [1,3,11]}
Die Kardinalität K von MaPfd ergibt die Anzahl der Alternativen für die
Anwendungsfunktion 'd':
K MaPfd(d) =
2
Menge aller alternativen Interaktionspfade für die Anwendungsfunktion 'h':
MaPfdh
=
{[1,3,7], [1,4,7], [1,4,8,7], [1,4,13,7]}
Die Kardinalität K von MaPfd ergibt die Anzahl der Alternativen für die
Anwendungsfunktion 'h';
K MaPfd(h) =
4
Das Mass für die Interaktionsalternativen (IA) lässt sich als Mittelwert über alle diejenigen
Dialogkontexte berechnen, welche mindestens einen VAFIP enthalten. Es werden dabei
pro Dialogkontext mit mindestens einem VAFIP alle möglichen Interaktionspfade vom
Startkontext analysiert und als Kennwert jedem dieser Dialogkontexte zugeordnet. Um
sinnlose Kreispfade zu vermeiden, sollten die alternativen Interaktionspfade um nicht
mehr als maximal zwei Interaktionsschritte vom kürzesten Weg abweichen. Sind alle Interaktionspfade bestimmt, kann man sehr einfach über alle VAFIPe hinweg IA als Mittelwert gewichtet mit der Kardinalität der Menge alternativer Interaktionspfade berechnen.
130
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
Das Mass IA gibt somit an, wieviel Interaktionsalternativen im Mittel pro VAFIP zur Verfügung stehen.
(Definition der INTERAKTIONSALTERNATIVEN)
IA
=
1/K VAFIP
Σ
K MaPfd(f)
f∈VAFIP
IA
relatives Mass für die Interaktionsalternativen;
K MaPfd(f)
Kardinalität der Menge alternativer Interaktionspfade für die jeweilige Interaktionsfunktion f;
VAFIP
Menge mit allen VAFIPen.
Sehen wir uns in der folgenden Tabelle 7.3.1.1 die jeweiligen Kardinalitäten der 12
VAFIPe unseres Netzbeispiels aus Abbildung 7.3.1.1 an. Die alternativen Pfade sind in
der Abbildung 7.3.1.2 veranschaulicht. Berechnen wir IA für unser Netzbeispiel anhand
der folgenden Tabelle 7.3.1.1, so ergibt sich IA = 1,75 (±0,87) als durchschnittliche Anzahl an Interaktionsalternativen pro Anwendungsfunktion. Im Unterschied dazu ergibt
sich IA des strikt hierarchischen Interaktionsbaumes zu IA = 1,00 (±0,00); mit anderen
Worten gibt es bei dem Beispiel mit der Baumstruktur keine Interaktionsalternativen.
Tabelle 7.3.1.1 Anzahl der alternativen Interaktionspfade für die verborgenen Funktionen (VAFIP) des Netzbeispiels aus Abbildung 7.3.1.1.
VAFIP
a
b
c
d
e
f
g
h
i
j
k
l
MaPfd = Menge der alternativen Pfade
[1,2,9]
[1,2,5,10], [1,2,9,10]
[1,2,5,10], [1,2,9,10]
[1,2,5,11], [1,3,11]
[1,2,5,11], [1,3,11]
[1,2,5,6], [1,3,6]
[1,2,5,6], [1,3,6]
[1,3,7], [1,4,7], [1,4,8,7], [1,4,13,7]
[1,4,13]
[1,4,13]
[1,4,8,12,14]
[1,4,8,12,14]
K MaPfd
1
2
2
2
2
2
2
4
1
1
1
1
Alle möglichen Interaktionspfade, bei denen der Benutzer irgendwo in der Hierarchie hinab und dann irgendwo wieder hinauf steigt, schliessen wir bei unserer Berechnung von
IA selbstverständlich aus. Wir berücksichtigen daher nur alle diejenigen alternativen Inter-
131
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
aktionspfade, die nicht länger als maximal zwei Interaktionsschritte – relativ zum kürzesten Interaktionspfad – sind. Zudem setzen wir Zyklenfreiheit für die Berechnung der alternativen Interaktionspfade voraus.
Ein wesentlicher Aspekt des Vernetzungsgrades der gesamten Interaktionsstruktur
lässt sich somit durch das Mass IA beschreiben. Darüber hinaus werden wir durch ein
weiteres Mass den Verzweigungsgrad pro Dialogkontext definieren. Alle möglichen Verzweigungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten sind durch Pfeile zwischen ihnen
symbolisiert (siehe Abbildung A.1 bis A.4 im Anhang). Das Mass für den interaktiven
Verzweigungsgrad (IVG) misst somit das durchschnittliche Ausmass an Dialogfortsetzungsmöglichkeiten pro Dialogkontext auf der globalen Betrachtungsebene aller Dialogkontexte ('fan degree').
(Definition des INTERAKTIVEN VERZWEIGUNGSGRADES)
K
IVG
=
1/K
Σ
d=1
Σ
Post(Dd,f)
f∈VFIP
IVG
Mass für den interaktiven Verzweigungsgrad;
Post(Dd,f)
Erreichbarkeitsfunktion aller unmittelbar zu Dd,f folgenden,
unterschiedlichen Dialogkontexte mit lng(Pfd[ISf])=1 für alle
f ∈ VFIP; Post ist 1 für alle erreichbaren Dialogkontexte, 0
sonst.
K
Anzahl aller Dialogkontexte D.
Mit den Massen HG, IA und IVG können wir handlungspsychologisch relevante Eigenschaften von Interaktionsstrukturen auf der globalen Ebene der Dialogkontexte quantifizieren. Für die Definition von weiteren Flexibilitätsmassen auf der lokalen Ebene eines
jeden Dialogkontextes, müssen wir unsere Definition des Dialogkontextes um die Unterscheidung in Dialog- und Anwendungsfunktionen erweitern. Entsprechend muss die Abbildungsfunktion der VFIPe auf die entsprechenden WFIPe aufgeteilt werden. Wir führen
daher die Menge aller dialogfunktionalen Interaktionspunkte (DFIPe) und die Menge aller
anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte (AFIPe) ein (siehe auch Abbildung 2.2).
Diesen beiden Mengen werden über Abbildungsvorschriften entsprechende Repräsentationen auf der EAS zugeordnet: die Menge der WDFIPe und der WAFIPe. Welchen Inhalt diese Abbildungsvorschriften haben, kann am besten über entsprechende Methoden
unter Einbezug der Benutzer herausgefunden werden (Rauterberg et al. 1991).
132
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
(erweiterte Definition des DIALOGKONTEXTes)
ein Dialogkontext (D) ist ein Neun-Tupel der folgenden Form:
D = (VDFIPm, WDFIPn, VAFIPt, WAFIPs, DKZd, WDKZe, AKZa, WAKZb,
ORo)
wenn gilt:
VDFIPm ist die Menge mit m-Elementen aus der Menge aller verborgenen dialogfunktionalen Interaktionspunkte.
WDFIPn ist die Menge mit n-Elementen aus der Menge aller wahrnehmbaren dialogfunktionalen Interaktionspunkte gemäss der kontextspezifischen Abbildungsvorschrift δ der m VDFIPe auf RF.
VAFIPt ist die Menge mit t-Elementen aus der Menge aller anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte.
WAFIPs ist die Menge mit s-Elementen aus der Menge aller wahrnehmbaren anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte gemäss der kontextspezifischen Abbildungsvorschrift α der t VDFIPe auf RF.
DKZd
ist die Menge aller Zustände der Dialogkomponente (d an der Zahl).
WDKZe ist die Menge aller e wahrnehmbaren Zustände der Dialogkomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζδ der d Elemente von
DKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ.
AKZa
ist die Menge aller Zustände der Anwendungskomponente (a an der
Zahl).
WAKZb ist die Menge aller b wahrnehmbaren Zustände der Anwendungskomponente gemäss der kontextspezifischen Abbildungsfunktion ζα der a Elemente von AKZ auf die Menge aller repräsentierbaren Zustände RZ.
ORo
ist die Menge aller interaktiven Objekte im Objektraum (o an der Zahl).
Die Kardinalität K der Menge aller VDFIPe pro Dialogkontext bildet die Grundlage für
ein weiteres Mass der Flexibilität: die Dialogflexibilität, abgekürzt DFl. Errechnen wir den
Mittelwert der Kardinalitäten K aller VDFIPe pro Dialogkontext über alle Dialogkontexte
hinweg, so erhalten wir den Kennwert für DFl des interaktiven Systems.
(Definition der DIALOGFLEXIBILITÄT)
K
DFl
=
1/K
Σ
d=1
DFl
K VDFIPd
K VDFIPd
relatives Mass für die dialogbezogene Flexibilität;
Kardinalität der Menge aller verborgenen dialogbezogenen
funktionalen Interaktionspunkte im Dialogkontext d;
133
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
K
Anzahl der analysierten Dialogkontexte D.
Wenden wir uns der eigentlichen, aufgabenbezogenen Flexibilität zu. Das hierzu entwickelte Mass für die Gestaltungsrichtlinie Flexibilität bezieht sich auf die Handhabung
der Anwendungsfunktionen: die Anwendungsflexibilität, abgekürzt AFl. Der Benutzer
sollte in jedem Dialogkontext die Möglichkeit haben, auf die gesamte Vielfalt der Anwendungsfunktionen zugreifen zu können ('modeless state'). Dies erlaubt dem Benutzer,
nicht nur sehr unterschiedliche Aufgabenstellungen zu bearbeiten, sondern auch ein und
dieselbe Aufgabe auf unterschiedlichen Lösungswegen abzuarbeiten. Dieser Problembereich wird uns unter der Gestaltungsdimension der Aufgabenorientierung weiter unten
noch ausführlicher beschäftigen (Abfolge der Anwendungsoperatoren, siehe Abschnitt
9.2). Ein konkretes Beispiel für die konsequente Umsetzung eines 'modeless'-State
Systems ist Oberon (Wirth und Gutknecht 1992).
Um zu einem quantitativen Mass für die Anwendungsflexibilität AFl zu gelangen,
betrachten wir die Anzahl an direkt zugänglichen Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext. Es ist mit diesem Mass jedoch noch keine Aussage über die aufgabenbezogene Zusammenführung von Anwendungsfunktionen im aktuellen Dialogkontext getroffen
worden. Diese Einschränkung kann bei Dialogkontexten mit relativ wenigen Anwendungsfunktionen schwerwiegende Beeinträchtigungen des Benutzers zur Folge haben. Je
grösser das Ausmass an Anwendungsflexibilität für die Oberfläche in dem hier vorgestellten Sinne ist, desto kleiner ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine vom Benutzer gerade benötigte Anwendungsfunktion nicht erreichbar ist. Im Extremfall ist zu jedem Zeitpunkt
jeder VAFIP vom aktuellen Dialogkontext aus aktivierbar: ein 'modeless-state' wäre
erreicht. Das quantitative Mass für die anwendungsbezogene Flexibilität AFl lässt sich
wie folgt definieren.
(Definition der ANWENDUNGSFLEXIBILITÄT)
K
AFl
=
1/K
Σ
d=1
AFl
K VAFIPd
K
K VAFIPd
relatives Mass für die anwendungsbezogene Flexibilität;
Kardinalität der Menge aller verborgenen anwendungsbezogenen funktionalen Interaktionspunkte im Dialogkontext d;
Anzahl aller Dialogkontexte D.
Zur konkreten Berechnung von AFl wird zunächst pro Dialogkontext die Menge aller verborgenen Anwendungsfunktionen bestimmt. Dann wird die Kardinalität dieser Menge
134
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
festgestellt, über alle Dialogkontexte hinweg aufsummiert und durch die Anzahl aller analysierten Dialogkontexte geteilt. Wenden wir dieses Mass auf unsere beiden Beispiele (Interaktionsbaum und -netz) an, so ergibt sich in beiden Fällen AFl = 0,86 (± 0,91; mit K =
14). Dieses Mass kann also nicht zwischen der baum- und der netzartigen Interaktionsstruktur bei unseren beiden Beispielen differenzieren. Dies liegt daran, dass AFl speziell
auf die lokale Gestaltung der einzelnen Dialogkontexte zugeschnitten ist und beide Beispiele sich zufällig nur in ihrer Interaktionsstruktur auf der globalen Betrachtungsebene
der Dialogkontexte unterscheiden.
7.3.2
Der Hierarchisierungsgrad der CUI-Oberfläche
Die CUI-Oberfläche unseres relationalen Datenbankprogrammes ist durch eine weitgehend hierarchische Interaktionsstruktur gekennzeichnet (Rauterberg 1990a, S. 62-63).
Der Benutzer gelangt vom Startmenü durch die Eingabe des gewünschten Datenbanknamens hinter dem Eingabeprompt (= WAFIP) in das Hauptmenü. In unserem Fall gibt es
z.B. drei Anwendungsobjekte. Für den Vergleich von mehreren Programmen des
gleichen Typs (hier z.B. Datenbankprogamme) müssen die Anwendungsobjekte von ihrer
internen Struktur her vergleichbar sein (z.B. gleiche Anzahl Dateien, gleiche Anzahl Datensätze pro Datei, gleiche Anzahl Merkmale pro Datensatz).
Vom Hauptmenü aus kann man durch Eingabe eines Buchstabens hinter dem Eingabeprompt (= WDFIP) des zugehörigen Menüs das benötigte Modul aufrufen. Von den
insgesamt neun Modulen werden wir hier nur die fünf analysieren, welche für die Validierung der quantitativen Masse im Rahmen einer empirischen Untersuchung tatsächlich
auch benutzt wurden. Im einzelnen Modul (= Dialogkontext) kann der Benutzer wiederum durch die Eingabe hinter dem Eingabeprompt (= WDFIP) des zugehörigen Menüs
die gewünschte Routine (= Dialogkontext) aufrufen. Auf Hauptmenü- und Modulebene
hat der Benutzer zusätzlich die Möglichkeit, einzelne Systemschaltermenüs (= Dialogkontexte) per Funktionstaste aufzurufen. Auf der Ebene der Routinen dienen ausschliesslich
die Funktionstasten der weiteren Interaktionssteuerung. Wir können unmittelbar aus dem
Interaktionsstrukturschema (Abbildung A.1 im Anhang) z.B. die Länge der Interaktionspfade als Grundlage zur Berechnung von HG ablesen. Das Ergebnis für die CUI-Oberfläche steht in Tabelle 7.3.2.1.
135
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Tabelle 7.3.2.1 CUI-Oberfläche: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle
anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
7.3.3
Kennwert (± Std)
4,05 (± 1,15)
4,32 (± 0,93)
K
(16)
(33)
F
434
362
Gesamtlänge
1756
1564
Der Hierarchisierungsgrad der GUI-Oberfläche
Die GUI-Oberfläche unseres relationalen Datenbankprogrammes ist durch eine weitgehend flache Interaktionsstruktur gekennzeichnet (Rauterberg 1988b, S. 112-125). Der
Benutzer gelangt über den Startkontext nach dem 'Laden einer Datenbank' auf den Desktop (= Dialogkontext) und kann dort alle datenbankbezogenen Funktionen aktivieren. In
unserem Fall gibt es wiederum genau die drei selben Anwendungsobjekte. Zu beachten
ist, dass der Einfachklick und Doppelklick der Maus bzw. weitere Modifikatoren des
Mausklicks (z.B. SHIFT-, CONTROL-Taste usw.) die Struktur einer Kommandooberfläche (1 zu n-Beziehung zwischen WFIPe und VFIPe) hat. Ebenso ist der WAFIP der
Texteingabe in der Regel ebenfalls eine Kommandooberfläche und wird durch alle sinnvoll verwendbaren ASCII-Tasten als VAFIPe beschrieben.
Tabelle 7.3.3.1 GUI-Oberfläche: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle
anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
4,45 (± 0,69)
3,92 (± 0,70)
K
(19)
(28)
F
547
570
Gesamtlänge
2435
2237
Anhand der Abbildung A.2 (im Anhang) berechnen wir die mittleren Pfadlängen der
GUI-Oberfläche. Wenn wir die mittlere Pfadlänge der GUI-Oberfläche (Tabelle 7.3.3.1)
derjenigen der CUI-Oberfläche (Tabelle 7.3.2.1) gegenüberstellen, so ist die mittlere
Pfadlänge für alle VAFIPe der CUI-Oberfläche kürzer. Dieses Resultat ist dadurch bedingt, dass der Benutzer bei der GUI-Oberfläche erst das Programm insgesamt aufstarten
muss, um dann im zweiten Schritt eine gewünschte Datenbank zu laden, während beim
Aufstarten der CUI-Oberflächenversion gleich nach der gewünschten Datenbank gefragt
wird ('Startkontext'). Dieser Umstand hat dazu geführt, dass eine der nächsten Oberflächenversionen der GUI-Oberfläche (siehe Abschnitt 6.3.3) beim Aufstarten mit dieser
136
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
Möglichkeit des sofortigen Ladens einer Datenbank ausgestattet wurde, wodurch sich die
Länge der Interaktionspfade genau um einen Schritt verkürzte (siehe Tabelle 7.3.3.2).
Tabelle 7.3.3.2 GUI-Oberfläche ohne den ursprünglichen Startdialogkontext: Pfadlängen bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F =
Anzahl Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
3,45 (± 0,69)
2,93 (± 0,67)
K
(19)
(27)
F
547
568
Gesamtlänge
1888
1667
Wenn wir für diese veränderte Oberfläche die Pfadlängen berechnen, so erhalten wir die
Werte in Tabelle 7.3.3.2. Diese Werte zeigen deutlich, dass durch diese einfache Massnahme eine Verbesserung im Sinne der interaktiven Direktheit gegenüber der CUI-Oberfläche um 15% (= 1– 3,45 / 4,05) für HG(A) bzw. um 32% (= 1 – 2,93 / 4,32) für
HG(D) erreicht werden kann. HG ist direkt umgekehrt proportional zur interaktiven
Direktheit.
Wenn man sich zusätzlich das Benutzerverhalten per Videoanalyse genau anschaut,
so kann gezeigt werden (Rauterberg 1992e, S. 235), dass die meisten Benutzer zunächst
einmal den Dialogkontext mit mindestens einem geöffneten Fenster aufsuchen. Wählen
wir diesen Dialogkontext als Startkontext, dann erreicht der Hierarchisierungsgrad
(HG(A) = 2,11 ± 0,34 [F=383]; HG(D) = 1,76 ± 0,52 [F=412]) ein Minimum. Dieser
Dialogkontext zeichnet sich gleichzeitig dadurch aus, dass die lokale Dialogflexibilität
(DFl = 117) ein Maximum erreicht. Durch dieses optimierende Verhalten seitens der Benutzer kann eine Verbesserung gegenüber den Werten der CUI-Oberfläche aus Tabelle
7.3.2.1 um 48% (= 1 – 2,1/4,1) für HG(A) bzw. um 59% (= 1 – 1,8/4,3) für HG(D) erreicht werden. Wie wir sehen, ist die Wahl des 'Startkontextes' für unsere Masse von
entscheidender Bedeutung. Hier sind die Ergebnisse einer Aufgabenanalyse, in der z.B.
die häufigsten Aufgabenzustände herausgefunden werden, von grossem Nutzen.
7.3.4
Ein Vergleich der Flexibilität der CUI- mit der GUI-Oberfläche
Wenn wir die Masse IA, IVG, DFl und AFl auf das relationale Datenbankprogramm mit
der CUI-Oberfläche anwenden wollen, so lesen wir einfach die der jeweiligen Berechnung zugrunde liegenden Werte aus der Interaktionsstruktur ab (Abbildung A.1 im Anhang). Zu beachten ist bei der Berechnung von IVG, dass bei der Beschreibung der GUIOberfläche (Abbildung A.2) die Doppelpfeile der beiden Dialogkontexte 'Desktop ohne
Fenster' und 'Desktop mit Fenster' kontextsensitiv zu interpretieren sind. Die Rückkehr
137
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
von den jeweils erreichten Dialogkontexten kann immer nur zu demjenigen Dialogkontext
erfolgen, von dem ursprünglich ausgegangen wurde. Dieser Umstand ist bei der Berechnung von IA und IVG der GUI-Oberfläche zu berücksichtigen.
Wie wir aus Tabelle 7.3.4.1 erkennen können, ist die Dialogflexibilität der GUIOberfläche (DFl=20,4) doppelt so gross wie die der CUI-Oberfläche (DFl=10,1). Bemerkenswert ist ebenso die deutlich grössere Streuung. Dies kommt durch die enorme Dialogflexibilität der GUI-Oberfläche für die beiden Dialogkontexte DFl['Desktop ohne
Fenster']=81 und DFl['Desktop mit Fenster']=117 zustande, wobei das Ausmass an
Feedback des Dialogkontextes 'Desktop mit Fenster' mit WFIP/VFIP = 97/125 = 0,78
etwas geringer ausfällt als das Ausmass an Feedback des Dialogkontextes 'Desktop ohne
Fenster' mit WFIP/VFIP = 73/89 = 0,82 (siehe Abbildung A.2 im Anhang). Aus der Tatsache, dass in dem deduktiven Benutzungstest die BenutzerInnen bei 50% der ersten acht
Aufgaben mindestens einmal den Dialogkontext 'Desktop mit Fenster' aufgesucht haben
(Rauterberg 1992e), können wir die hohe Attraktivität von Dialogkontexten mit grossen
Kennwerten für DFl und AFl erkennen.
Tabelle 7.3.4.1 CUI- und GUI-Oberfläche: Übersicht über die Ergebnisse (Kennwert ±
Standardabweichung) der Masse IA, IVG, DFl und AFl [F = Anzahl Funktionen, K =
Anzahl Dialogkontexte].
Interaktionsstruktur
IA
CUI-Oberfläche
2,0 ± 1,0
GUI-Oberfläche
1,4 ± 0,5
Verhältnis:
GUI/CUI
0,7
F
DFl
796 10,1 ± 17,6
1117 20,4 ± 26,9
2,0
AFl
12,1 ± 21,5
19,5 ± 25,1
1,6
K
36
28
IVG
1,5 ± 1,4
2,4 ± 4,7
1,6
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der CUI-Oberfläche und der GUI-Oberfläche besteht sicherlich in der doppelt so hohen Dialogflexibilität (DFl) der GUI-Oberfläche,
sowie der deutlich grösseren Anwendungsflexibilität (AFl). Die Dialogkontexte der GUIOberfläche enthalten eben durchschnittlich 1,6 mal mehr Anwendungsfunktionen als die
der CUI-Oberfläche. Erstaunlich ist das Ergebnis von IA; hiernach bietet die CUI-Oberfläche (IA=2,0) etwas mehr Interaktionsalternativen an als die GUI-Oberfläche (IA=1,4).
Die Interaktionsstrukturen beider Oberflächen sind weitgehend hierarchisch, wobei die
GUI-Oberfläche aufgrund des geringeren HGs einen etwas grösseren IVG aufweist. Zusammenfassend können wir feststellen, dass die deutlichsten Unterschiede zwischen der
CUI- und der GUI-Oberfläche durch die Masse DFl und AFl ausgedrückt werden.
Darüber hinaus ist in Erinnerung zu rufen, dass die hier angegebenen Werte für die
GUI-Oberfläche nur untere Abschätzungen darstellen. Die tatsächlichen Werte liegen in
138
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
der Regel deutlich über den hier angegeben Werten: Z.B. immer dann, wenn die Benutzer
nicht nur ein, sondern mehrere Fenster gleichzeitig geöffnet haben.
7.3.5
Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen
Informationssystems mit hierarchischer Interaktionsstruktur
Um herauszufinden, ob die absoluten Ausprägungsgrade der einzelnen Kennwerte oder
aber nur ihr Verhältnis zueinander von Bedeutung sind, haben wir ein interaktives System
ausgewählt, welches deutlich geringere Kennwerte für Flexibilität aufweist. Der Ausgangspunkt dieser Analyse ist unser oben schon eingeführtes multimediales Informationssystem 'Kiosk' (Daum und Schlagenhauf 1993). Die Interaktionsstruktur der Originalversion-A ist strikt hierarchisch aufgebaut (siehe Abbildung 7.3.5.1 und 7.3.5.2). Vom
'Hauptmenü' ausgehend verzweigt man in vier verschiedene Sachgebiete 'Immobilienangebot', 'Wegweiser', 'Cashservice' und 'Diesen Monat neu…'. Von jedem dieser Hauptsachgebiete aus können weitere Untersachgebiete aufgesucht werden. Über einen generellen 'Zurück'-Button auf jeder Maske kann der Benutzer in der Hierarchie wieder nach
oben steigen. Eine vollständige Übersicht über die gesamte Interaktionsstruktur gibt Abbildung A.3 im Anhang.
Hauptmenu
Immobilienangebot
...
Wegweiser
...
Cashservice
...
Diesen Monat neu
...
Abbildung 7.3.5.1 Version-A des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die beiden obersten Ebenen der vollständig hierarchischen Interaktionsstruktur.
139
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Immobilienangebot
Einfamilienhäuser
Gewerbehäuser
...
...
Grundstücke
Mehrfamilienhäuser
...
...
Abbildung 7.3.5.2 Version-A des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
das Sachgebiet 'Immobilienangebot' der vollständig hierarchischen Interaktionsstruktur.
Um den Hierarchisierungsgrad dieser Interaktionsstruktur zu berechnen, identifizieren
wir zunächst das 'Hauptmenü' als den Startdialogkontext. Ausgehend von diesem Startdialogkontext zählen wir die Interaktionsschritte hin zu jedem Dialogkontext und tragen
diesen Wert in das zugehörige Dialogkontextschema ein. Wenn wir das Mass HG auf
diese Interaktionsstruktur anwenden, erhalten wir die Kennwerte in Tabelle 7.3.5.1.
Da bei diesem System die Anzahl der VFIPe identisch ist mit der Anzahl der
WFIPe, können wir für unser Mass HG die WFIPe zugrunde legen. Insgesamt zählen
wir 241 WAFIPe und 34 WDFIPe (siehe zur Kontrolle auch Tabelle 6.3.5.1). Wir können erkennen, dass HG(A) etwas grösser ausfällt als HG(D). Dieser Umstand ist in der
Regel dadurch bedingt, dass die meisten WAFIPe in den 'Blättern' des Interaktions'Baumes' untergebracht sind. Die Blätter sind immer am weitesten vom Startdialogkontext (der 'Wurzel' des 'Baumes') entfernt.
Tabelle 7.3.5.1 Version-A des multimedialen Informationssystems: Pfadlängen bzw.
Hierarchisierungsgrad (HG) der hierarchischen Interaktionsstruktur für alle anwendungs(A) und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K =
Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
3,98 (± 1,14)
3,56 (± 1,38)
K
(67)
(31)
F
241
34
Gesamtlänge
959
121
Im Mittel benötigt der Benutzer ca. vier Interaktionsschritte (exakt 3,98; siehe Tabelle
7.3.5.1), um vom 'Hauptmenü' in den Dialogkontext mit der gesuchten Sachinformation
zu gelangen. Für die Rückkehr zum Hauptmenü benötigt er im Mittel 3,56 Interaktionsschritte; dieser Wert ist kleiner als (3,98 – 1) = 3,88; wir können daraus schliessen, dass
der Aufstieg zum Hauptmenü im Mittel kürzer ist (z.B. siehe Abbildung 7.3.6.2).
140
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
7.3.6
Der Hierarchisierungsgrad des multimedialen
Informationssystems mit vernetzter Interaktionsstruktur
Für die Veränderung der Flexibilität der Interaktionsstruktur der Version-B gegenüber der
Version-A wählten wir eine 'Was-Wer-Wo'-Basisstruktur. Mit dem 'Was'-Aspekt wird
das jeweilige Sachgebiet bezeichnet. Dazugehörig ist ein Berater ('Wer'-Aspekt) und ein
Standort ('Wo'-Aspekt), unter dem das Büro oder die Abteilung des zugehörigen Beraters zu finden ist. Zwischen diesen Knoten soll jederzeit beliebig gewechselt werden
können. Wir konnten oben zeigen, dass sich das Ausmass an funktionalem Feedback bei
der Veränderung der Interaktionsstruktur nicht mit verändert hat (siehe Tabelle 6.3.7.1).
Die 'Was', 'Wer' und 'Wo'-Struktur weist daher in sich keine komplexe Unterstruktur
auf, sondern gewährt dem Benutzer stets direkten Zugang zu den jeweils anderen beiden
Themenkomplexen (siehe Abbildung A.4 im Anhang).
7.3.6.1
Der 'Was'-Aspekt
Es liessen sich vier verschiedene Fachbereiche bzw. Sachgebiete identifizieren (siehe Abbildung 7.3.6.1). Das sind die Sachgebiete 'Immobilien', 'Cashservice (EC)', 'Veranstaltungen' und 'Geld'. Diese Sachgebiete wurden netzwerkartig miteinander verbunden.
Jedes der vier Sachgebiete ist mit einer eigenen, komplexen Substruktur ausgestattet
(siehe z.B. Abbildung 7.3.6.2).
...
Immobilien
Caschservice
...
...
Veranstaltungen
Geld
...
Abbildung 7.3.6.1 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die vollständig vernetzte Interaktionsstruktur der Sachgebiete des multimedialen
Informationssystems Version-B.
Das Sachgebiet 'Immobilien' wurde wie bei der Originalversion-A belassen. Dieses Sachgebiet unterteilt sich in die Darstellung von 'Einfamilienhäusern', 'Mehrfamilienhäusern',
'Eigentumswohnungen', 'Grundstücken' und 'gewerblich nutzbaren Häusern'. Jedes
dieser fünf Untersachgebiete ist als linear verkettete Liste implementiert, wobei von jeder
Maske direkt zum übergeordneten Sachgebiet 'Immobilien' zurückgekehrt werden kann.
141
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Immobilien
...
Einfamilienhaus A
Mehrfamilienhaus A
Einfamilienhaus B
...
Mehrfamilienhaus B
...
Abbildung 7.3.6.2 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die teilweise netzartige Unterstruktur des Sachgebietes 'Immobilien'.
Das Sachgebiet 'Cashservice' ist nur eine Maske mit Verzweigungen zum 'Wo'-Aspekt.
Wie in der Version-A sind dies die Standorte aller EC-Automaten in der Stadt. Hinzu
kommt jeweils eine Verzweigung zum 'Wer'-Aspekt, wobei man auf diesem Pfad jedoch
nicht wie sonst zu einem menschlichen Berater, sondern zur Simulation eines EC-Geldautomaten gelangt.
Das Sachgebiet 'Veranstaltungen' wurde ebenfalls wie in Version-A belassen, nur
dass dieser Komplex in der gesamten Interaktionsstruktur eine Stufe höher gerückt ist. Er
nimmt den Platz der Maske 'Diesen Monat neu' bei Version-A ein (siehe Abbildung
7.3.6.3).
Veranstaltungen
Bankencup
Theater
Konzert
...
Abbildung 7.3.6.3 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die strikt hierarchische Unterstruktur des Sachgebietes 'Veranstaltungen'.
Das Sachgebiet 'Geld' wurde neu geschaffen. Es wird unterteilt in 'Geldservice', 'Wertpapiere', 'Vermögensberatung', 'Kreditservice' und 'Direktfinanz' (siehe Abbildung
7.3.6.4).
142
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
Geld
Geldservice
Vermögensberatung
Wertpapiere
Kreditservice
Direktfinanz
Abbildung 7.3.6.4 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die strikt hierarchische Unterstruktur des Sachgebietes 'Geld'.
7.3.6.2
Der 'Wer'-Aspekt
Alle Beraterknoten ('Wer') sind in einer zyklischen Liste angeordnet, so dass der Benutzer auch über diese Struktur zwischen den Sachgebieten wechseln kann (siehe Abbildung
7.3.6.5).
Berater für
Immobilien
Berater für
Wertpapiere
EC-Automat
...
...
Berater für
Veranstaltungen
...
...
Sachgebiete
...
Berater für
Kredite
...
...
Abbildung 7.3.6.5 Version-B des multimedialen Informationssystems: Übersicht über
die ringförmige Struktur der den einzelnen Sachgebieten zugeordneten 'Berater'.
Aus jedem entsprechenden Sachgebiet ist der zugehörige 'Berater' über ein Ikon mit der
stilisierten Form eines Gesichtes direkt zugänglich. Der Benutzer kann über diese Beraterliste quer durch das gesamte Informationssystem navigieren. Ein ähnlich flexible Navigationsart ist ihm zusätzlich auch über die Ortsknoten möglich (der 'Wo'-Aspekt).
7.3.6.3
Der 'Wo'-Aspekt
Die Ortsknoten ('Wo'-Aspekt) sind intern in einer sternförmigen Struktur angeordnet. Es
gibt ein Hauptmenü als 'Aufzug' symbolisiert, welches fünf verschiedene Räume bzw.
Etagen unterscheidet. Das sind Erdgeschoss, erstes und zweites Obergeschoss, Nebengebäude und ein Ausgang zur Stadtübersicht ('Cashservice Lageplan'). Erdgeschoss und
erstes Obergeschoss spalten sich weiter in die konkreten Orte der jeweiligen Abteilungen
auf. Um in den 'Aufzug' zu gelangen, benutzt man das 'Lift'- oder das 'Ausgang'-Ikon
143
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
auf der jeweiligen Bildschirmmaske. Die Ortsknoten ('Wo') sind vom entsprechenden
Sachgebietsknoten über ein Ikon in Form eines stilisierten 'Wegweisers' zugänglich.
Hauptmenu "Aufzug"
Erdgeschoss
erstes
Obergeschoss
Wegweiser
Geldservice
Wegweiser
Wertpapiere
...
...
Wegweiser
Immobilien
Wegweiser
Vermögensb.
...
...
...
Abbildung 7.3.6.6 Übersicht über die hierarchische Interaktionsstruktur der Ortsknoten.
Wenn wir unser Mass HG auf diese veränderte Interaktionsstruktur anwenden, so erkennen wir, dass im Mittel nur noch 2,46 Interaktionsschritte von einem der 'Hauptsachgebiete' (der Startdialogkontext, siehe Abbildung 7.3.6.1) notwendig sind, um zu einem
Knoten mit Sachinformation zu gelangen. Dies ist mehr als ein ganzer Interaktionsschritt
weniger als in der Originalversion-A (siehe Tabelle 7.3.5.1 und Tabelle 7.3.6.1). Beachtenswert ist ebenfalls die Tatsache, dass die Standardabweichungen um 30% bis 40%
kleiner geworden sind; d.h., dass das Interaktionsnetz der Version-B mit seinen z.T.
hierarchischen Unterstrukturen weitgehend ausgeglichen ist.
Tabelle 7.3.6.1 Version-B des multimedialen Informationssystems: Pfadlängen bzw.
Hierarchisierungsgrad (HG) der netzartigen Interaktionsstruktur für alle anwendungs- (A)
und dialogfunktionalen (D) Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl
Dialogkontexte, F = Anzahl Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
2,46 (± 0,75)
2,16 (± 0,79)
K
(55)
(58)
F
276
87
Gesamtlänge
679
188
Wie bei der Version-A ist auch bei dieser Version-B der Kennwert von HG(D) etwas
kleiner als der von HG(A). Dieser Effekt sollte bei allen Interaktionsstrukturen mit hierar-
144
Produktbezogene Messung von Flexibilität 7.3
chischen Anteilen zu beobachten sein, bei denen im wesentlichen die VAFIPe in den
'Blättern' implementiert sind.
7.3.7
Vergleich der Flexibilität der beiden multimedialen
Informationssysteme
Die Interaktionsstruktur der Version-B wurde von uns so abgeändert und implementiert,
dass die Verhältnisse von DFlVersion-B/DFlVersion-A bzw. AFlVersion-B/AFlVersion-A in etwa
den Verhältnissen der CUI- und GUI-Oberfläche entsprechen (DFlGUI/DFlCUI = 2,0;
AFlGUI/AFlCUI = 1,6; siehe Tabelle 7.3.4.1). Der wesentliche Unterschied zu der CUIund GUI-Oberfläche besteht darin, dass die absoluten Werte von DFl und AFl bei den
beiden multimedialen Informationssystemen deutlich geringer ausfallen. Wenn es nur auf
das Verhältnis ankommt, dann sollte diese Version-B mit ihrer vernetzten Interaktionsstruktur im Vergleich zu der Version-A – aufgrund ihrer grösseren Flexibilität – ebenso
zu einer höheren Benutzungsperformanz führen, wie wir dies für die GUI-Oberfläche annehmen. Die Ergebnisse der Vergleichstests sind im nächsten Kapitel beschrieben.
Wenn wir die beiden Versionen unseres multimedialen Informationssystems mit den
Kennwerten für die Masse IA, DFl, AFl und IVG quantifizieren, so sehen wir, dass die
Version-B mehr alternative Interaktionspfade ermöglicht (IA=8,6; siehe Tabelle 7.3.7.1)
als die Version-A (IA=6,1; siehe Tabelle 7.3.7.1). Der relativ grosse Kennwert IA für die
eigentlich hierarchische Version-A ist im wesentlichen bedingt durch die vollständig vernetzte Interaktionsstruktur des Sachgebietes 'Cash Service' (rechts oben in Abbildung
A.3 im Anhang). Dies drückt sich in der grösseren Standardabweichung (±4,7; in Tabelle
7.3.7.1) aus.
Um unsere beiden multimedialen Informationssysteme bezüglich ihrer interaktiven
Flexibilität unterscheiden zu können, hat sich das Mass DFl für die dialogbezogene Flexibilität bisher am besten bewährt. Die Version-B hat eine 2,6-mal grössere DFl (= 1,3) als
die Version-A (= 0,5; siehe Tabelle 7.3.7.1); dieser Unterschied entspricht im wesentlichen den Vorgaben für das Verhältnis DFlVersion-B/DFlVersion-A. Ebenso ist AFl von
Version-B grösser als von Version-A. Diese beiden Masse DFl und AFl quantifizieren
daher den Unterschied, welcher zwischen beiden Interaktionsstrukturen am deutlichsten
zur Geltung kommt! Der grössere Kennwert von IVG für Version-B spiegelt die eher
netzartige Interaktionsstruktur gegenüber der Version-A wider.
145
7 Der Gestaltungsbereich 'Kontrolle'
Tabelle 7.3.7.1 Version-A und -B des multimedialen Informationssystems: Übersicht
über die Ergebnisse (Kennwert ± Standardabweichung) der Masse IA, DFl, AFl und IVG
[F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte].
Interaktionsstruktur
Version-A: hierarchisch
Version-B: netzartig
IA
6,1 ± 4,7
8,6 ± 3,4
Verhältnis: Vers-B/Vers- 1,4
A
F
275
363
DFl
AFl
0,5 ± 0,7 3,6 ± 3,4
1,3 ± 1,1 4,2 ± 4,5
2,6
1,2
K
68
65
IVG
4,0 ± 3,6
5,7 ± 4,8
1,4
Obwohl die Version-B nur noch 65 Dialogkontexte umfasst – gegenüber der Version-A
mit 68 Dialogkontexten, lassen sich dennoch deutlich mehr WFIPen (F = 363 plus 10
überzählige WFIPe) gegenüber der Version-A (F = 275) zählen. Dies wurde durch eine
Verdichtung der WFIPen pro Dialogkontext erreicht. Die Kennwerten von DFl und AFl
zeigen, dass diese Verdichtung gleichmässig erfolgt ist. Als Mass für den interaktiven
Verzweigungsgrad IVG über die Menge {WDFIP ∪ WAFIP} hinweg ergibt sich für die
Version-A 4,0 und für die Version-B 5,7. Insgesamt besitzt die Version-B 1,4 mal mehr
Verzweigungsmöglichkeiten auf der globalen Ebene der Dialogkontexte als die VersionA. Bei multimedialen Informationssystemen ist in der Regel das Ausmass an Flexibilität
gemessen über IVG praktisch identisch mit dem Ausmass gemessen über alle WFIPe (=
DFl + AFl).
Zur Validierung der bisher vorgestellten Flexibilitätskennwerte werden wir im folgenden Kapitel die Ergebnisse von empirischen Vergleichsstudien darstellen. Es ergeben
sich in unserem Fall die folgenden beiden Interpretationsmöglichkeiten:
(1.)
Die Verhältnisse der Kennwerte zueinander sind bedeutsam. Wenn diese Interpretation richtig ist, müssten sowohl die GUI- besser als die CUI-Oberfläche,
als auch die netzartige besser als die hierarchische multimediale Oberfläche abschneiden.
(2.)
Die absoluten Ausprägungen der Kennwerte sind bedeutsam. Wenn diese Interpretation richtig ist, müsste zwar die GUI- besser als die CUI-Oberfläche abschneiden, aber die netzartige sich als genauso gut wie die hierarchische multimediale Oberfläche herausstellen.
146
8
VALIDIERUNG DER MESSKRITERIEN
Es werden anhand von vier Vergleichsexperimenten mit den drei beschriebenen interaktiven Systemen, für die jeweils zwei verschiedene Oberflächen zur Verfügung stehen, exemplarisch die Validierung der eingeführten quantitativen Masse diskutiert (siehe Schneidewind 1993). Drei der vier Experimente wurden im Rahmen dieser Arbeit durchgeführt.
Das vierte Experimente – mit einem gänzlich anderen interaktiven System – wurde durch
jemanden Externen durchgeführt, so dass wir anhand der Ergebnisse dieses Experimentes
eine Kreuzvalidierung (siehe Bortz 1984) vornehmen können. Wie sich im letzten Kapitel
gezeigt hatte, unterscheiden sich die zwei jeweils unterschiedlichen Oberflächen nicht hinsichtlich ihres Ausmasses an Funktionsfeedback. Um dennoch eine Validierung auch
dieses Kriteriums ansatzweise zu ermöglichen, werden wir uns auf veröffentlichte Vergleichsstudien abstützen. Zum Schluss dieses Kapitels führen wir zusätzliche empirische
Belege für das von uns aufgestellte allgemeine Gestaltungsprinzip auf, welches sich auf
die Unterscheidung in Wahrnehmungs- und Aktionsraum bezieht.
8.1
V ALIDIERUNG VON F EEDBACK
Zur Validierung der Gestaltungsrichtlinie 'Feedback' bzgl. der Funktionen führen wir
eine Meta-Analyse über bisher veröffentlichte empirische Vergleichsstudien durch (zum
Thema Meta-Analyse siehe Hunter, Schmidt und Jackson 1982, sowie Rosenthal 1984).
Wir haben alle Vergleichsstudien ausgewählt, in denen eine Kommandooberfläche gegen
eine Menü- oder eine Desktopoberfläche getestet wurde. Dabei gehen wir davon aus, dass
bei einer Menü- und einer Desktopoberfläche eindeutig mehr visuelles Funktionsfeedback
vorhanden ist als bei einer Kommandooberfläche.
Kommandooberflächen arbeiten auf der Basis von Befehlen, deren Bedeutungen
dem Benutzer bekannt sein müssen. Der Vorteil hier besteht darin, dass die aktuelle Dialogumgebung minimalen Platz auf der E/A-Schnittstelle beansprucht und der Benutzer
über das Kommando direkt auf die gewünschte Anwendungs- bzw. Dialogfunktionalität
zugreifen kann. Der Dialogkontext bei kommandoorientierten Oberflächen setzt sich somit
aus genau einem WFIP (die Eingabestelle hinter dem System-Prompt) zusammen.
Der grosse Nachteil dieser Interaktionsart – insbesondere für den gelegentlichen Benutzer – liegt in seiner kognitiven Begrenzung der Behaltens- und Erinnerungsleistung.
Um das Merken und Erinnern der Befehlsnamen zu erleichtern, wendet man häufig mnemotechnische Verfahren zur Kodierung der Kommandos an und bemüht sich um maximale Konsistenz bei der Kommandosprachen-Syntax (das Konsistenz-Problem).
147
8 Validierung der Meßkriterien
8.1.1.
Kommando- versus Menüoberfläche
Es lassen sich in der Literatur insgesamt acht Studien finden, in denen mindestens eine
Kommando- mit einer Menüoberfläche verglichen wurde (siehe Tabelle 8.1.1.1).
148
Validierung von Feedback 8.1
Tabelle 8.1.1.1 Übersicht über acht verschiedene Vergleichsstudien: KO vs. MO (KO =
Kommandooberfläche, MO = Menüoberfläche, DO = Desktopoberfläche, IO = 'ikonenorientierte' Oberfläche, NO = natürlichsprachliche Oberfläche; 'Ox < Oy' = Ox ist
schlechter als Oy, 'Ox > Oy' = Ox ist besser als Oy).
Literaturstelle
Oberfläche
n
Testpersone Mess-Skala
n
Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger
(1983)
Whiteside et al. (1985) KO, MO, IO Anfänger
Streitz et al. (1987)
KO, MO
Anfänger
Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger
(1983)
Hauptmann & Green KO, MO, NO Anfänger
(1983)
Chin et al. (1988)
KO, MO
Anfänger
Streitz et al. (1987)
Antin (1988)
Roy (1992)
Antin (1988)
Roy (1992)
KO, MO
Fortgeschritte
ne
KO,
M O , Fortgeschritte
KMO
ne
KO, MO
Fortgeschritte
ne
KO,
M O , Fortgeschritte
KMO
ne
KO, MO
Fortgeschritte
ne
Moran KO, MO, DO Experten
Roberts &
(1983)
Whiteside et al. (1985)
KO, MO, IO
Experten
Chin et al. (1988)
KO, MO
Experten
Roberts & Moran KO, MO, DO Experten
(1983)
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Bearbeitungszeit
Ergebni
s
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
Anzahl Fehler
KO
MO
subjektive
KO
Bewertung
MO
subjektive
KO
Bewertung
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
subjektive
KO
Bewertung
MO
Fehlerrate
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
Bearbeitungszeit
KO
MO
subjektive
KO
Bewertung
MO
Fehlerbehebungsze K O
it
MO
Vergessensfehler
KO
MO
Erkennensfehler
KO
MO
effiziente Nutzung K O
MO
=
=
<
=
=
<
>
>
=
=
<
<
>
<
=
<
<
<
149
8 Validierung der Meßkriterien
Die genaue Analyse der Ergebnisse aller acht Vergleichsstudien zeigt insgesamt ein eher
uneinheitliches Bild bzgl. der Überlegenheit von Menüoberflächen über Kommandooberflächen (siehe Tabelle 8.1.1.1). Bei 18 unterschiedlichen Messergebnissen schneidet die
Menüoberfläche in acht Fällen besser ab (44%); in sieben Fällen ergeben sich keine Unterschiede (39%), und dreimal zeigt sich sogar die Kommandooberfläche der Menüoberfläche überlegen (17%). Diese Vorteile einer Kommandooberfläche zeigen sich tendenziell erst bei Fortgeschrittenen und Experten.
8.1.2.
Kommando- versus Desktopoberfläche
Es lassen sich in der Literatur insgesamt 12 Studien finden, in denen mindestens eine
Kommando- mit einer Desktop- oder direktmanipulierbaren Oberfläche verglichen wurde
(siehe Tabelle 8.1.2.1).
150
Validierung von Feedback 8.1
Tabelle 8.1.2.1 Übersicht über 12 verschiedene Vergleichsstudien: KO vs. DO (KO =
Kommandooberfläche, MO = Menüoberfläche, DO = Desktopoberfläche; 'Ox < Oy' = Ox
ist schlechter als Oy, 'Ox > Oy' = Ox ist besser als Oy).
Literaturstelle
Oberfläche
n
Testpersone Mess-Skala
n
Karat et al. (1987)
KO, DO
Anfänger
Margono et al. (1987)
KO, DO
Altmann (1987)
KO, DO
Streitz et al. (1989)
KO, DO
Morgan et al. (1991)
KO, DO
Sengupta & Te'eni KO, DO
(1991)
Margono et al. (1987)
KO, DO
Morgan et al. (1991)
KO, DO
Morgan et al. (1991)
KO, DO
Karat et al. (1987)
KO, DO
Altmann (1987)
KO, DO
Margono et al. (1987)
KO, DO
Morgan et al. (1991)
KO, DO
Torres-Chazaro et KO, DO
al.(1992)
Sengupta & Te'eni KO, DO
(1991)
Masson et al. (1988)
KO, DO
Tombaugh et al. (1989) KO, DO
Tombaugh et al. (1989) KO, DO
Torres-Chazaro
al.(1992)
et KO, DO
Bearbeitungszeit
Ergebni
s
KO
DO
Anfänger
Bearbeitungszeit
KO
DO
Anfänger
Bearbeitungszeit
KO
DO
Anfänger
Bearbeitungszeit
KO
DO
Anfänger
Bearbeitungszeit
KO
DO
Anfänger
Bearbeitungszeit
KO
DO
Anfänger
Fehleranzahl
KO
DO
Anfänger
Fehleranzahl
KO
DO
Anfänger
Zeit zwischen K O
Fehlern
DO
Anfänger
Fehlerbehebungsze K O
it
DO
Anfänger
subjektive
KO
Bewertung
DO
Anfänger
subjektive
KO
Bewertung
DO
Anfänger
subjektive
KO
Bewertung
DO
Anfänger
subjektive
KO
Bewertung
DO
Anfänger
effiziente Nutzung K O
DO
Fortgeschritte Bearbeitungszeit
KO
ne
DO
Fortgeschritte Bearbeitungszeit
KO
ne
DO
Fortgeschritte subjektive
KO
ne
Bewertung
DO
Fortgeschritte subjektive
KO
ne
Bewertung
DO
<
=
<
<
=
<
<
<
<
<
=
<
<
<
<
>
=
<
<
151
8 Validierung der Meßkriterien
Roberts & Moran KO, MO, DO Experten
(1983)
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Roberts & Moran KO, MO, DO Experten
(1983)
Peters et al. (1990)
KO, MO, DO Experten
Bearbeitungszeit
KO
DO
Vergessensfehler
KO
DO
Erkennensfehler
KO
DO
Fehlerbehebungsze K O
it
DO
effiziente Nutzung K O
DO
<
<
<
=
<
Bei der Analyse der Ergebnisse aller 12 Vergleichsstudien zeigt sich insgesamt eine deutliche Überlegenheit der Desktopoberflächen über den Kommandooberflächen (siehe Tabelle 8.1.2.1). Bei 24 unterschiedlichen Messergebnissen schneidet die Desktopoberfläche in 18 Fällen besser ab (75%); in fünf Fällen ergeben sich keine Unterschiede
(21%), und nur einmal zeigt sich die Kommandooberfläche der Desktopoberfläche überlegen (4%). Das jedoch der Umstieg auf eine vollgraphische Desktopoberfläche alleine –
ohne weitere Gestaltungsüberlegungen (siehe z.B. Marais 1990, S. 13, bzw. Olsen und
Holladay 1994) – nicht ausreicht, konnte mit der Vergleichsstudie von PC-Professionell
(PC-Professionell, 1995) gezeigt werden.
8.1.3.
Zusammenfassende Beurteilung von Kommandooberflächen
Ausgangspunkt unserer Meta-Analyse war die Annahme, dass Feedback über die im jeweiligen Dialogkontext aktuell gültigen Funktionen von Vorteil ist. Während wir beim
Vergleich von Menüoberflächen mit Kommandooberflächen ein eher uneinheitliches Bild
bekommen (siehe Tabelle 8.1.1.1), so zeigt sich die Überlegenheit von Desktopoberflächen deutlich (siehe Tabelle 8.1.2.1). Die uneinheitlichen Ergebnisse bei den Menüoberflächen können zum Teil durch den Trade-off zwischen 'Visualisierungsgrad' und
'interaktiver Direktheit' erklärt werden (siehe auch Abbildung 5.1.3). Die wahrscheinlich
zu geringe interaktive Direktheit der Menüoberflächen verhindert dann einen entsprechend
beobachtbaren Vorteil. Die Richtigkeit dieser Erklärung kann durch die eindeutigen Vergleichsergebnisse zugunsten der direktmanipulierbaren Desktopoberflächen belegt
werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass – bei vergleichbarer 'interaktiver
Direktheit' – das Ausmass an Feedback über das aktuell gültige Operatorsystem von entscheidender Bedeutung ist. Ob und inwieweit das Ausmass an visuellem Feedback jedoch
allein für einen empirisch beobachtbaren Vorteil verantwortlich ist, wollen wir mit den
folgenden Vergleichsstudien zur Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' beantworten.
152
Validierung von Flexibilität 8.2
8.2.
8.2.1.
V ALIDIERUNG VON F LEXIBILITÄT
CUI- versus GUI-Oberfläche
In diesem ersten Experiment geht es darum, herauszufinden, welcher Typ von Benutzungsoberfläche – 'desktop (GUI)' oder 'menüorientiert (CUI)' – für die Benutzung eines relationalen Datenbank-Management-System (DBMS) eher geeignet ist. Wie wir im
letzten Kapitel gesehen haben, scheint die GUI-Oberfläche in einzelnen Flexibilitätskennwerten der CUI-Oberfläche überlegen zu sein. Ob und inwieweit sich dieser quantifizierbare Unterschied auch empirisch beobachten lässt, soll uns die folgende Untersuchung
zeigen.
Die Vorteile von Desktopoberflächen schienen bis vor sieben Jahren so offensichtlich zu sein, dass es damals kaum experimentelle Untersuchungen zu finden gab, die die
Überlegenheit der Desktopoberflächen gegenüber insbesondere Menüoberflächen aufzeigten (Shneiderman 1987, Smith und Mosier 1986, Krause 1986). So forderten dann auch
Hutchins, Hollan und Norman (1986, S. 123) eine eingehendere empirische Evaluation
der direktmanipulierbaren (GUI) Oberflächen. Bei Whiteside et al. (1985) zeigte sich z.B.
eine menüorientierte Oberfläche einer Desktopoberfläche überlegen. Beachtenswerterweise sprechen Whiteside et al. (1985) jedoch von ikonenorientierten statt von direktmanipulierbaren Oberflächen, so dass nur schwer abzuschätzen ist, inwieweit dieser Unterschied für das Ergebnis entscheidend ist. Zurecht betonen Whiteside et al. (1985), dass
die aufgabenangemessene Gestaltung der Benutzungsoberfläche sehr wichtig ist, zum
Teil sogar wichtiger als die Art der Benutzungsoberfläche selbst.
Da bisher nur unzureichende und widersprüchliche Ergebnisse zum Vergleich von
direktmanipulierbaren (GUI-) mit konventionellen Menü-(CUI-)Oberflächen hinsichtlich
der Flexibilität vorliegen, werden diese beiden Interaktionsarten im Rahmen dieser Arbeit
verglichen werden:
Menüorientierten Benutzungsoberfläche (CUI): Die konventionelle, CUI-orientierte Benutzungsoberfläche, bei der die Dialogführung mit Funktionstasten (inklusive Cursor-Steuertasten) und Auswahlmenüs abgewickelt wird
(siehe Abschnitt 6.3.2).
Desktoporientierte Benutzungsoberfläche (GUI): Die graphikorientierte, direktmanipulierbare Benutzungsoberfläche, bei der die Dialogführung mit der Maus
durch Anklicken von maussensitiven Bereichen vollzogen wird (siehe
Abschnitt 6.3.3).
153
8 Validierung der Meßkriterien
Folgende zwei Fragen sollen mit diesem Test beantwortet werden:
1.) Gibt es einen arbeitswissenschaftlich relevanten Unterschied in der Performanz (gemessen über die Bearbeitungszeit)?
2.) Gibt es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen der Art der Aufgabe und dem
Typ der Benutzungsoberfläche?
8.2.1.1
Methodisches Vorgehen
Es ergibt sich ein zweifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung
auf dem zweiten Faktor: Der erste Faktor ist der 'Typ der Benutzungsoberfläche' ('CUI'
auf IBM™ unter MsDOS™ vs. 'GUI' auf IBM™ unter GEM™), den zweiten Faktor bilden die 10 'Testaufgaben'. Diese zwei Faktoren sind die beiden unabhängigen Variablen.
Eine ausführliche Beschreibung dieser Untersuchung ist in Rauterberg (1988b, 1989a,
1990a, 1992e) nachzulesen.
Als abhängige Variablen wurden gemessen: die reinen 'Bearbeitungszeiten' gemäss
Logfileprotokoll (bereinigt von den Systemantwortzeiten); als Co-Variaten: die genaue
'Anzahl der Stunden an allgemeiner EDV-Vorerfahrung' und die genaue 'Anzahl der
Stunden an spezifischer Vorerfahrung' mit der jeweiligen Benutzungsoberfläche.
Für die Bearbeitung der 10 Testaufgaben stand ein relationales Datenbankprogramm
mit den zwei oben beschriebenen Benutzungsoberflächen zur Verfügung, wobei als Anwendungskomponente exakt die gleiche Datenbankmaschine diente; jeder Tastendruck
wurde automatisch protokolliert.
8.2.1.2
Beschreibung der Testpersonen
Es nahmen 12 Experten1 aufgeteilt in zwei Gruppen als Testpersonen an dieser Studie
teil. Diese 12 Experten zeichneten sich dadurch aus, dass sie in ihrer täglichen Arbeit mit
dem jeweiligen DBMS schon seit mehreren Jahren gearbeitet haben. Die Experten
erhielten für ihre Testteilnahme keine Bezahlung.
Gruppe-1 (Experte-CUI, N=6): durchschnittlich 38 Jahre; 6 Männer; 7.500 Stunden allgemeine EDV-Vorerfahrung; 1.736 Std. spezifische Oberflächenerfahrung.
Gruppe-2 (Experte-GUI, N=6): durchschnittlich 38 Jahre; 6 Männer; 3.700 Stunden allgemeine EDV-Vorerfahrung; 1.496 Std. spezifische Oberflächenerfahrung.
1
An dieser Stelle möchte ich mich besonders bei der ADI GmbH in Karlsruhe, insbesondere Herrn R.
Mollenhauer bedanken, ohne dessen hervorragende Zusammenarbeit diese Untersuchung undenkbar gewesen wäre. Über die Kundenliste der Firma war es möglich, 12 'echte' Experten ausfindig zu machen.
154
Validierung von Flexibilität 8.2
8.2.1.3
Ablauf der Untersuchung
Die Untersuchung wurde 1988 als Feldexperiment im süddeutschen Raum mit einem
Toshiba-Laptop T2100 durchgeführt. Die Testpersonen begannen nach der Erhebung
ihrer Vorerfahrung über einen Vorerfahrungsfragebogen (16 Skalen) mit der Aufgabenbearbeitung. Am Ende füllten alle Testpersonen einen Nachbefragungsbogen aus. Die Untersuchung dauerte insgesamt pro Testperson ca. 180 bis 240 Minuten (Einzelsitzungen).
Die Testpersonen haben alle (bis auf einen) die 10 Aufgaben bearbeiten können. Die Reihenfolge der gestellten Aufgaben war für alle gleich. Erst wenn die jeweilige Aufgabe
vollständig gelöst worden war, durften die Testpersonen weiterarbeiten.
8.2.1.4
Beschreibung der Testaufgaben
Die zehn Testaufgaben wurden so ausgewählt, dass exakt die gleiche Funktionalität der
Anwendungskomponente des DBMS unter den beiden Oberflächen angesprochen werden
konnte und die in der alltäglichen Arbeit am häufigsten vorkommenden Handlungsschritte
durchgeführt wurden. Aufgabe neun und zehn wurden ausgewählt, um die aufgabenangemessene Oberflächengestaltung zu testen. Die GUI-Tester mussten für Aufgabe neun
und zehn ein Mischdokument mit einem externen Texteditor nach der Syntax einer vorgegebenen, einfachen Kommandosprache erstellen, während die CUI-Tester die Listen interaktiv in einem extra für diese Zwecke vorgesehenen Listenmodul definieren und erstellen konnten.
Als Testdatenbank diente eine Datenbank bestehend aus drei Dateien (PLATZ; 17
Datensätze, ADRESSEN; 280 Datensätze, GRUPPE; 27 Datensätze) zur Verwaltung eines fiktiven Campingplatzes.
Aufgabe 1:
Aktivieren einer bestimmten Menüoption und Ablesen der drei Dateigrössen.
Aufgabe 2:
Öffnen (sortiert nach einen vorgegebenen Schlüsselmerkmal), Selektieren und Löschen des letzten Datensatzes (für Datei: PLATZ, ADRESSEN, GRUPPE).
Aufgabe 3:
Selektion eines bestimmten Datensatzes (Datei: PLATZ), Korrektur des
Datensatzes bei vier Merkmalen.
Aufgabe 4:
Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: ADRESSEN), Korrektur jedes Datensatzes in einem Merkmal.
Aufgabe 5:
Definition eines Filters für ein Merkmal (Datei: PLATZ), Anwenden
des Filters auf die Datei; Ausgabe der gefundenen Datensätze auf dem
Bildschirm.
155
8 Validierung der Meßkriterien
Aufgabe 6:
Laden eines Rechnenprogramms (Datei: PLATZ), Anwenden der Rechnung auf alle Datensätze, Ausgabe auf Bildschirm und Abspeichern der
Ergebnisse auf die Festplatte.
Aufgabe 7:
Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: GRUPPE), Erstellen
und Drucken einer Liste für die gefundenen Datensätze mit drei Merkmalen.
Aufgabe 8:
Suchen eines (nicht vorhandenen) Datensatzes (Datei: ADRESSEN),
Selektion eines vorhandenen Datensatzes (Datei: PLATZ), Laden des
Rechnenprogramms, Mischen mit dem Datensatz, Ausdrucken der erstellten Rechnung.
Aufgabe 9:
Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: GRUPPE), Erstellen
und Drucken einer Liste mit fünf Merkmalen aus Datei PLATZ und
GRUPPE (2-stellige Relation).
Aufgabe 10:
Selektion einer Menge von Datensätzen (Datei: PLATZ und ADRESSEN), Erstellen und Drucken einer Liste mit drei Merkmalen aus Datei
PLATZ, ADRESSEN und GRUPPE (dreistellige Relation).
8.2.1.5
Darstellung der Ergebnisse
Es wurde ein zwei-faktorielles Testdesign über alle zehn Aufgaben hinweg gerechnet
(Faktor F1 'Oberfläche' und Faktor F2 'Aufgabe (1–10)'). Da die Testpersonen jeweils
alle Aufgaben bearbeiteten, muss der Faktor F2 als Messwiederholungsfaktor ausgewertet werden.
156
Validierung von Flexibilität 8.2
Bearbeitungszeit (s)
GUI
CUI
1591
1600
1400
1568
1261
1200
929
1000
800
698
600
445
321
400
197
200
125
416
346
156
154
53
200
114
693
409 412
180
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Aufgabennummer
Abbildung 8.2.1.5.1 Darstellung der gemessenen, reinen Bearbeitungszeiten für die einzelnen Aufgaben, getrennt nach Oberfläche: 'GUI' = desktop- bzw. 'CUI' = menüorientierte Benutzungsoberfläche.
Im Mittel erreichten die Experten mit der direktmanipulierbaren Oberfläche ('GUI') nur
55 % derjenigen Bearbeitungszeit, die die Benutzer mit der menüorientierten Oberfläche
('CUI') benötigten (F1: Oberfläche p ≤ ,001; Tabelle 8.2.1.5.1); lässt man die Aufgaben
neun und zehn aussen vor, so verbessert sich das Verhältnis sogar auf durchschnittlich
46 %. Bei Aufgabe neun kehrt sich das Verhältnis zugunsten der menüorientierten Oberfläche kurzfristig um (126 %, Abbildung 8.2.1.5.1; F1 ⊗ F2: p ≤ ,003, p ≤ ,004 und p
≤ ,079; Tabelle 8.2.1.5.1). D.h., der Aufwand für eine bestimmte Aufgabe hängt noch
zusätzlich von der jeweiligen Oberflächenversion ab.
157
8 Validierung der Meßkriterien
Tabelle 8.2.1.5.1
Ergebnisse der varianzanalytischen Auswertung für die Variable
Bearbeitungszeit mit zusätzlich zwei verschiedenen Co-Variaten 'allgemeine EDV-Erfahrung' und 'Anzahl Tastendrucke' [nur Angabe des Signifikanzniveaus p].
Co-Variate:
keine
allgemeine
EDV-Erfahrung
Anzahl Tastendrucke und ggf.
Mausklicks
Abhängige Variable: Bearbeitungszeit Bearbeitungszeit Bearbeitungszeit
Faktor F1: Oberfläche
Faktor F2: Aufgabe
F1:Oberfläche ⊗ F2:Aufgabe
,001
,001
,003
,001
,001
,004
,001
,001
,079
Die Experten mit der direktmanipulierbaren GUI-Oberfläche (Gruppe 1) benötigten als
mittlere Bearbeitungszeit über alle Aufgaben hinweg 374 s, die Experten mit der menüorientierten CUI-Oberfläche (Gruppe 2) jedoch eine mittlere Bearbeitungszeit von 581 s.
Die Gruppe 1 mit der GUI-Oberfläche zeigt eindeutig im Vergleich zur Gruppe 2 mit der
CUI-Oberfläche die geringeren Bearbeitungszeiten und damit die höhere Performanz bei
der Arbeit mit einem relationalen DBMS.
8.2.1.6
Fazit für das relationale Datenbanksystem
Obwohl die Experten der menüorientierten CUI-Oberfläche mehr als doppelt soviel an
Vorerfahrung im Umgang mit EDV und deutlich mehr an spezifischer Vorerfahrung im
Umgang mit ihrer CUI-Oberfläche haben (siehe Abschnitt 8.1.2), lässt sich eine deutliche
Überlegenheit der GUI-Oberfläche gegenüber der konventionellen, menüorientierten
CUI-Oberfläche aufzeigen. Frage 1 lässt sich daher eindeutig mit Ja beantworten. Mit der
GUI-Oberfläche kann mehr als die Hälfte der Bearbeitungszeit eingespart werden. Dieser
deutliche Unterschied in der Bearbeitungszeit kann nicht über die unterschiedliche Anzahl
an Tastendrucken erklärt werden.
Die Umstellung von einer CUI- auf eine GUI-Oberfläche alleine reicht jedoch nicht
aus (Aufgabe neun!): Es muss für jeden Aufgabentyp eine sorgfältige, aufgabenangemessene Dialoggestaltung durchgeführt werden (Frage 2: Ja). Hatten die Experten der GUIOberfläche jedoch erst einmal das Lösungsschema für die Aufgabe neun (Definition einer
Relation) herausgefunden, so konnten sie dies auch gleich gewinnbringend bei der Aufgabe zehn umsetzen. Dies spricht für die Lernförderlichkeit der GUI-Oberflächen.
Was können wir jedoch aus diesen empirischen Ergebnissen für die Validierung der
eingeführten Masse zur Quantifizierung des Feedbacks ableiten? Ursprünglich hatten wir
angenommen, dass dieser empirische Vergleich der CUI- mit der GUI-Oberfläche geeignet ist, das unterschiedliche Ausmass an Feedback bzw. Transparenz zu validieren (siehe
dazu Ulich et al. 1991). Anhand der Kennwerte zur Beschreibung dieser beiden Oberflä-
158
Validierung von Flexibilität 8.2
chen lässt sich jedoch unschwer ersehen (Abschnitt 6.3.2 bis Abschnitt 6.3.4), dass der
deutliche Unterschied zwischen diesen beiden Oberflächen nicht primär im Bereich des
Funktionsfeedbacks liegt, sondern vielmehr in der unterschiedlichen Flexibilität der Interaktionsstruktur zum Tragen kommt (siehe Tabelle 7.3.4.1). Wir können daher annehmen, dass das Kriterium Flexibilität von ausschlaggebender Bedeutung ist.
Nachdem wir zeigen konnten, dass der absolute Unterschied im Ausmass an interaktiver Flexibilität – gemessen über DFl und AFl (siehe Abschnitt 7.3.4) – auch durch ein
empirisch messbaren Performanzunterschied validiert werden kann, bleibt noch abzuklären, ob die absolute Unterschiedsdifferenz – oder aber das unterschiedliche Verhältnis
dieser einzelnen Kennwerte – die wesentlichen Oberflächeneigenschaften charakterisieren. Wir haben daher ein vergleichbares Experiment mit den bereits oben beschriebenen
multimedialen Oberflächen durchgeführt.
8.2.2.
Baum- versus netzartige Interaktionsstruktur
Wir gehen davon aus, dass (1) die netzartige Interaktionsstruktur eine grössere interaktive
Flexibilität aufweist als die hierarchische Interaktionsstruktur (siehe Abschnitt 7.3.7), und
dass (2) das Ausmass an Feedback zwischen beiden Oberflächen gleich ist (siehe Abschnitt 6.3.5).
Benutzungsoberfläche mit einer hierarchischen Interaktionsstruktur (System-A): Benutzungsoberflächen mit einer strikt hierarchische Interaktionsstruktur
zeichnen sich dadurch aus, dass der Benutzer gezwungen ist, in der
Hierarchie auf und ab zu steigen (siehe Abschnitt 7.3.5).
Benutzungsoberfläche mit einer netzartigen Interaktionsstruktur (System-B): Benutzungsoberflächen mit einer netzwerkartigen Interaktionsstruktur zeichnen
sich dadurch aus, dass der Benutzer einerseits auf einem direkteren
Weg zum Ziel gelangen kann und andererseits ihm mehrere Alternativen zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 7.3.6).
Folgende zwei Fragen sollen beantwortet werden:
1.) Gibt es einen arbeitswissenschaftlich relevanten Unterschied in der Bearbeitungszeit
zwischen diesen beiden Benutzungsoberflächen?
2.) Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Art der Aufgabe und dem Typ der Benutzungsoberfläche?
159
8 Validierung der Meßkriterien
8.2.2.1.
Methodisches Vorgehen
Wir werden die Ergebnisse aus zwei, weitgehend identischen Benutzungstests vorstellen.
Die überraschenden Resultate im ersten Test (Brunner und Rauterberg 1993) haben wir
durch einen zweiten Test (Rauterberg et al. 1994b) überprüft und bestätigt gefunden.
Dabei haben wir einfach dasselbe multimediale Informationssystem mit anderen Benutzern ein zweites Mal getestet. Die beiden Benutzungstests unterscheiden sich lediglich in
drei Punkten: (1.) beim zweiten Benutzungstest gibt es eine zusätzlich, elfte Testaufgabe;
die Bearbeitungszeit wurde beim Wiederholungstest für jede einzelne Testaufgabe getrennt gemessen; (2.) beim zweiten Benutzungstest haben wir zusätzlich die Blickbewegungen der Testpersonen während der Aufgabenbearbeitung miterhoben; sowie (3.) die
Anzahl der Testpersonen im Wiederholungstest ist aufgrund des grösseren apparativen
Aufwandes kleiner als im ersten Test.
Es ergibt sich für den ersten Benutzungstest ein zweifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung auf dem ersten Faktor: Der erste Faktor ist der
'Typ der Benutzungsoberfläche' ('hierarchische Menüstruktur' versus 'netzartige Menüstruktur'); den zweite Faktor bildet die 'Reihenfolge der zu testenden Oberfläche'. Diese
zwei Faktoren sind die beiden unabhängigen Variablen. Es ergeben sich zwei eigenständige Benutzergruppen, welche die Testaufgaben in ausbalancierter Reihenfolge bearbeiten ('lateinisches Quadrat', Bortz 1989).
Es ergibt sich für den zweiten Benutzungstest ein dreifaktorielles, varianzanalytisches Testdesign mit Messwiederholung auf dem ersten und zweiten Faktor: Der erste
Faktor ist der 'Typ der Benutzungsoberfläche' ('hierarchische Menüstruktur' versus
'netzartige Menüstruktur'), den zweiten Faktor bilden die 'Testaufgaben' (10 plus 1) und
den dritten Faktor bildet die 'Reihenfolge der zu testenden Oberfläche'.
Als abhängige Variablen wurden gemessen: die Bearbeitungszeiten über alle Testaufgaben hinweg, sowie die Anzahl der Maskenwechsel; als Co-Variate: die Anzahl der
Stunden an allgemeiner EDV-Vorerfahrung.
8.2.2.2.
Beschreibung der Testpersonen
Benutzungstest-I
Um die zwei Oberflächenversionen gegeneinander auszutesten, wurden 12 Testpersonen
in zwei Gruppen eingeteilt. Es waren vier Informatikstudierende und zwei Nicht-Informatikstudierende in jeder Gruppe (drei Frauen und neun Männer).
160
Validierung von Flexibilität 8.2
Gruppe 1 (N=6) testete zuerst Version-A, dann Version-B; durchschnittliches Alter von
24,2 ± 0,4 Jahren; allgemeine EDV-Vorerfahrung mit interaktiven Computersystemen ca. 933 ± 797 Stunden.
Gruppe 2 (N=6) testete zuerst Version-B, dann Version-A; durchschnittliches Alter von
22,5 ± 0,8 Jahren; allgemeine EDV-Vorerfahrung mit interaktiven Computersystemen ca. 1000 ± 858 Stunden.
Der Altersunterschied zwischen beiden Gruppen ist signifikant (zweiseitiger T-Test, p ≤
,001). Die beiden Gruppen unterscheiden sich jedoch nicht in ihrer EDV-Vorerfahrung
mit Computern (zweiseitiger T-Test, p ≤ ,892).
Benutzungstest-II
Um die zwei Oberflächenversionen nochmals gegeneinander auszutesten, wurden acht
Testpersonen in zwei Gruppen eingeteilt. Alle acht Testpersonen waren männliche Praktikanten einer Elektrotechnikfirma im süddeutschen Raum.
Gruppe 1 (N=4) testete zuerst Version-A, dann Version-B; durchschnittliches Alter von
25,0 ± 1,1 Jahren.
Gruppe 2 (N=4) testete zuerst Version-B, dann Version-A; durchschnittliches Alter von
26,3 ± 3,1 Jahren.
Der Altersunterschied zwischen beiden Gruppen ist nicht signifikant (zweiseitiger T-Test,
p ≤ ,149). Die beiden Gruppen unterscheiden sich auch nicht in ihrer Vorerfahrung mit
Computern.
8.2.2.3.
Ablauf der Untersuchung
Es mussten für beide Oberflächenversionen jeweils 10 Testaufgaben (plus eine zusätzliche Aufgabe beim zweiten Benutzungstest) bearbeitet werden. Beim ersten Benutzungstest wurde die Gesamtbearbeitungszeit aller Aufgaben gemessen, sowie die Anzahl Maskenwechsel gezählt, die mit Mausklicks ausgeführt worden sind. Vor und nach jeder Aufgabenserie wurde beim zweiten Benutzungstest der subjektive Eigenzustand der Testpersonen erhoben (Fragebogen nach Apenburg 1986). Das subjektive Urteil der Testperson
zur Handhabbarkeit des Systems wurde nach jeder Aufgabenserie erhoben (Handhabungsfragebogen).
Da die Benutzer die Interaktionsstruktur kennen sollten, um sich erfolgreich in ihr
bewegen zu können, wurden zwei spezielle Wissensfragebögen entwickelt. Im ersten
Fragebogen wurde gemessen, ob die Testpersonen die Nachfolgeknoten (Bildschirmmasken bzw. Dialogkontexte) eines vorgegebenen Knotens erkennen. Der zweite Fragebogen
161
8 Validierung der Meßkriterien
zeigt den Teil der Interaktionsstruktur in der Form eines gerichteten Graphen, der in
beiden Systemen gleichgeblieben ist. Die Richtung der Kanten stellt den jeweils gangbaren Weg dar. Es wurden fünf richtige Kanten gelöscht und fünf falsche Kanten eingefügt. Diese Fehler mussten von den Testpersonen möglichst vollständig erkannt und korrigiert werden. Zum Schluss hatten die Testpersonen die Änderung von System-A nach
System-B zu beurteilen und zu kommentieren (zur genaueren Beschreibung siehe Brunner und Rauterberg 1993 bzw. Rauterberg et al. 1994a).
8.2.2.4.
Beschreibung der Testaufgaben
Die generelle Instruktion für die Aufgabenbearbeitungsphase lautete: "Bearbeiten Sie die
Aufgaben bitte zügig und ohne unnötige Zeitverluste", die spezifische Instruktion lautete:
"Bitte bearbeiten Sie die Aufgaben in der gegebenen Reihenfolge. Bitte fangen Sie jetzt
an....". Es sollten die folgenden 10 (bzw. 11) Testaufgaben bearbeitet werden:
1.
Suchen sie ein Einfamilienhaus für 450 000 DM.
2.
Wer ist zuständig, wenn Sie es anschauen oder kaufen wollen?
3.
Wo können Sie diese Person finden?
4.
Sie brauchen eine Hypothek für das Haus; wo können Sie diese bekommen?
5.
Wo können Sie sich über Kauf und Verkauf von Wertpapieren erkundigen?
6.
Die Bank bietet Ihnen verschiedene Veranstaltungen an. Sie haben am 7.2.93
frei. Welchen Anlass können Sie besuchen?
7.
Sie haben kein Bargeld mehr und sind am Hauptbahnhof. Wo finden Sie den
nächsten EC-Bancomat?
8.
In welchem Raum finden Sie den Bancomat in der Hauptstelle?
9.
Welche Dienstleistungen können Sie am Schalter 'Geldservice' erwarten?
10.
Suchen Sie ein Grundstück (das erste, welches Sie finden können).
[11.
Sehen Sie sich noch in den nächsten ca. zwei Minuten das in diesem Informationssystem an, was Sie am meisten interessiert.]
Die Anzahl minimal notwendiger Maskenwechsel für die vollständige Aufgabenlösung ist
für beide Systeme je nach Aufgabe unterschiedlich (siehe Tabelle 8.2.2.4.1). Wenn man
alle 10 Aufgaben unmittelbar nacheinander (d.h., ohne Rückkehr zu einer Startmaske
usw.) bearbeitet, so benötigt man bei Version-A insgesamt 33 und bei Version-B insgesamt 26 Maskenwechsel. Wir werden diesen Aspekt die 'objektive Aufgabenanforde-
162
Validierung von Flexibilität 8.2
rung' auf der Handlungsebene nennen. Durch die grössere Dialogflexibilität von VersionB ist die objektive Aufgabenanforderung um 21% gesenkt worden.
Tabelle 8.2.2.4.1
Anzahl minimal benötigter Maskenwechsel ('objektive Aufgabenanforderung') für die 10 verschiedenen Aufgaben getrennt nach den beiden Systemen.
[Die Angaben beruhen auf einer fortlaufenden Aufgabenbearbeitung.]
Aufgabe
Version-A
Version-B
% Verbesserung A->B
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3
Aufgabe 4
Aufgabe 5
Aufgabe 6
Aufgabe 7
Aufgabe 8
Aufgabe 9
Aufgabe 10
3
0
5
2
2
5
6
4
2
4
3
2
1
2
3
4
4
1
3
3
(1 – 3/3)*100% =
(1 – 2/0)*100% =
(1 – 3/3)*100% =
(1 – 3/3)*100% =
(1 – 3/2)*100% =
(1 – 4/5)*100% =
(1 – 4/6)*100% =
(1 – 1/4)*100% =
(1 – 3/2)*100% =
(1 – 3/4)*100% =
0%
n.b.
80 %
0%
–50 %
20 %
33 %
75 %
–50 %
25 %
Total
33
26
(1 – 26/33)*100% = 21 %
8.2.2.5.
Darstellung der Ergebnisse
Mittels inferenzstatistischer Auswertungsverfahren (Bortz 1989) können die Ergebnisse
der beiden Messgrössen (abhängigen Variablen) 'Aufgabenbearbeitungszeit' und 'Anzahl
Maskenwechsel' verglichen und ggfs. vorhandene Unterschiede zwischen den beiden
Oberflächenversionen generalisiert werden.
Benutzungstest-I
Die beiden Systemversionen unterscheiden sich hinsichtlich der Aufgabenbearbeitungszeiten über die insgesamt 10 Aufgaben hinweg nicht signifikant (MEANVersion-A = 10 ±
4 min, MEANVersion-B = 11 ± 4 min; F1: Oberfläche p ≤ ,085; Tabelle 8.2.2.5.1). D.h.,
für die flexiblere Version-B ist zwar – objektiv gesehen – eine geringere Anzahl an Maskenwechseln zur Lösung der Aufgaben notwendig als für die strikt hierarchische VersionA, dennoch schlägt sich dieser Vorteil nicht in der gemessenen Bearbeitungszeit nieder;
im Gegenteil scheint die weniger flexible Version-A sogar eine tendenziell geringere Bearbeitungszeit aufzuweisen.
Der Unterschied in der Bearbeitungszeit lässt sich nicht durch eine unterschiedliche
Anzahl der tatsächlich getätigten Maskenwechsel erklären. Die beiden Systemversionen
163
8 Validierung der Meßkriterien
unterscheiden sich nämlich ebenfalls nicht hinsichtlich der von den Benutzern getätigten
Maskenwechsel über alle 10 Aufgaben hinweg (MEANVersion-A = 54 ± 15 Maskenwechsel, MEANVersion-B = 56 ± 19 Maskenwechsel; F1: Oberfläche p ≤ ,625; Tabelle
8.2.2.5.2).
Tabelle 8.2.2.5.1
Ergebnisse der Varianzanalyse aus dem Benutzungstest-I für die
Messgrösse 'Aufgabenbearbeitungszeit' über alle 10 Aufgaben hinweg.
'Aufgabenbearbeitungszeit'
dF
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge der Bearbeitung
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
innerhalb der Testpersonen
1
1
1
10
Mean Square
6,531
3,542
1,288
34,056
F-Test
3,657
0,104
0,721
–
p Signifikanz
,085
,754
,416
Tabelle 8.2.2.5.2
Ergebnisse der Varianzanalyse aus dem Benutzungstest-I für die
Messgrösse 'Anzahl Maskenwechsel' global über alle 10 Aufgaben hinweg.
'Anzahl Maskenwechsel'
dF
Mean Square
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge der Bearbeitung
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
innerhalb der Testpersonen
1
1
1
10
22,042
15,042
12,042
564,042
F-Test
0,255
0,027
0,139
–
p Signifikanz
,625
,874
,717
Dieses Ergebnis hat uns zunächst überrascht: Obwohl ein objektiver Flexibilitätsvorteil
für Version-B vorzuliegen scheint (siehe Tabelle 7.3.7.1 und Tabelle 8.2.2.4.1), ist kein
nachweisbarer Vorteil für die flexiblere Interaktionsstruktur zu messen. Im Gegenteil
scheint sogar die hierarchische Interaktionsstruktur tendenziell im leichten Vorteil zu sein.
Eine mögliche Erklärung kann im Grad der Geübtheit der Benutzer gesehen werden. Alle
Testpersonen hatten keinerlei Vorerfahrung mit den beiden untersuchten multimedialen
Informationssystemen. Der Vorteil einer flexibleren Interaktionsstruktur zeigt sich erst bei
– im Umgang mit dem System – erfahreneren Benutzern (siehe Abschnitt 8.2.1). Dies
deutet auf ein anfängliches Orientierungsproblem bei der flexibleren Interaktionsstruktur
des multimedialen Informationssystems B hin – dem noch unzureichend ausgebildeten
operativen Abbildsystems (siehe Abschnitt 6.1). Dieses Orientierungsproblem kann einerseits durch unzureichende Konsistenz und/oder andererseits durch eine als zu gross wahrgenommene Komplexität bedingt sein (siehe Dutke 1994, S. 108ff.). Um diese Interpretationsmöglichkeiten näher auszuloten, wurde der zweite Benutzungstest durchgeführt,
bei dem wir zusätzlich noch das Blickverhalten der Benutzer mit gemessen haben.
164
Validierung von Flexibilität 8.2
Benutzungstest-II
Die durchschnittliche Bearbeitungszeit pro Aufgabe zwischen den beiden Versionen-A
und -B ist auch bei dieser Replikationsstudie ebenfalls nicht signifikant (MEANSystem-A
= 73 ± 14 s, MEANSystem-B = 81 ± 28 s; Tabelle 8.2.2.5.3; F1: Oberfläche p ≤ ,273;
Tabelle 8.2.5.4). Wie schon im Benutzungstest-I ist auch diesmal ein leichter Vorteil für
Version-A erkennbar (siehe Tabelle 8.2.2.5.3). In der folgenden Tabelle werden die Mittelwerte der Variablen 'Aufgabenbearbeitungszeit' für die 10 verschiedenen Aufgaben
dargestellt. Zusätzlich ist in der vierten Spalte das Signifikanzniveau des direkten Versionsvergleichs mittels zweiseitigem T-Test für die jeweilige Aufgabe angegeben.
Tabelle 8.2.2.5.3
Mittelwerte des zweiten Benutzungstest für die Messgrösse
'Aufgabenbearbeitungszeit' für alle 10 Aufgaben.
Aufgabe
Aufgabe 1
Aufgabe 2
Aufgabe 3
Aufgabe 4
Aufgabe 5
Aufgabe 6
Aufgabe 7
Aufgabe 8
Aufgabe 9
Aufgabe 10
Mean total
Vers-A: Mean ± Std
99 ± 118 s
29 ± 23 s
99 ± 26 s
56 ± 33 s
33 ± 22 s
144 ± 73 s
89 ± 48 s
84 ± 37 s
40 ± 22 s
56 ± 27 s
73 ± 14 s
Vers-B: Mean ± Std
53 ± 32 s
86 ± 56 s
34 ± 51 s
161 ± 127 s
79 ± 70 s
70 ± 32 s
78 ± 48 s
114 ± 84 s
87 ± 55 s
50 ± 33 s
81 ± 28 s
P (2-tail)
,295
,026
,008
,023
,091
,014
,648
,406
,054
,616
,273
Mean total
76 ± 87 s
57 ± 51 s
67 ± 52 s
109 ± 105 s
56 ± 56 s
107 ± 67 s
83 ± 46 s
99 ± 65 s
63 ± 47 s
53 ± 29 s
77 ± 22 s
Zwischen den beiden Testgruppen ist – im Unterschied zum Faktor F1: Oberfläche – ein
signifikanter Unterschied bei der Reihenfolge der Bearbeitung beobachtbar: Gruppe-1 benötigte nur 68 s gegenüber Gruppe-2 mit 86 s (F2: Reihenfolge p ≤ ,029; Tabelle
8.2.2.5.4). Dieser Unterschied kommt im wesentlichen durch die überdurchschnittlich
lange Bearbeitungszeit der zuerst getesteten Version zustande: bei Gruppe-2 die VersionB (104 s), bei Gruppe-1 die Version-A (78 s). Dieser Effekt verstärkt sich noch zusätzlich beim Wechsel auf die jeweils andere Systemversion (signifikante Wechselwirkung
F1 ⊗ F2: p ≤ ,002; Tabelle 8.2.2.5.4): Bei Gruppe-2 die Version-A (68 s), bei Gruppe-1
die Version-B (59 s). Diese Wechselwirkung 'Oberfläche (F1)' mit 'Reihenfolge (F2)'
ist auf den zu erwartenden Lerneffekt bei der wiederholten Aufgabenbearbeitung zurückzuführen. Zur Unterscheidung und genaueren Berechnung des Oberflächen- und Lerneffektes haben wir ein entsprechendes Berechnungsverfahren entwickelt (siehe hierzu Rauterberg 1991b), auf das wir hier jedoch nicht weiter eingehen wollen.
165
8 Validierung der Meßkriterien
Die Bearbeitungszeiten zwischen den 10 verschiedenen Aufgaben unterscheiden
sich signifikant (F3: Aufgaben p ≤ ,023; in Tabelle 8.2.2.5.4). Die Aufgabe 10 hatte die
kürzeste (53 ± 29 s; Tabelle 8.2.2.5.3), die Aufgabe 4 die längste Bearbeitungszeit (109
± 105 s; Tabelle 8.2.2.5.3 letzte Spalte).
Tabelle 8.2.2.5.4
Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'Aufgabenbearbeitungszeit' für alle 10 Aufgaben getrennt (Messwiederholung).
'Aufgabenbearbeitungszeit'
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge der Bearbeitung
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
innerhalb der Testpersonen
F3: Aufgaben (Messwiederholung)
Wechselwirkung F1 ⊗ F3
Wechselwirkung F2 ⊗ F3
Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3
dF
1
1
1
12
9
9
9
9
Mean Square
2640,6
12250,0
30802,5
2000,5
7337,9
13687,5
3909,4
3591,7
F-Test
1,32
6,123
15,397
–
2,263
4,221
1,206
1,108
p Signifikanz
,273
,029
,002
,023
,001
,299
,364
Die signifikante Wechselwirkung (F1 ⊗ F3: p ≤ ,001; in Tabelle 8.2.2.5.4) besagt, dass
die Bearbeitungszeit einer Aufgabe wesentlich von der Systemversion abhängt, mit der
die Aufgabe bearbeitet wurde. So wird z.B. die Aufgabe 2 signifikant schneller mit Version-A als mit Version-B gelöst (p ≤ ,026; in Tabelle 8.2.2.5.3). Dagegen wird Aufgabe
drei schneller mit Version-B als mit Version-A bearbeitet (p ≤ ,008; in Tabelle 8.2.2.5.3).
Obwohl im Mittel die Version-B tendenziell die längeren Bearbeitungszeiten erforderte,
ergab sich für die fünf Aufgaben eins, drei, sechs, sieben und zehn zum Teil beträchtliche
Vorteile zugunsten der Version-B. Die Unterschiede bei Aufgabe drei und sechs zugunsten der Version-B sind signifikant. Umgekehrt schneidet die Version-A gegenüber
der Version-B bei den drei Aufgaben zwei, vier und neun signifikant besser ab.
Wenn man die objektive Aufgabenanforderung ('Anzahl Maskenwechsel', siehe Tabelle 8.2.2.4.1) mit der tatsächlich gebrauchten Bearbeitungszeit (siehe Tabelle
8.2.2.5.3) korreliert, so zeigt sich, dass nur die Bearbeitungszeiten bei Version-A mit
dem Ausmass an objektiven Anforderungen positiv korrelieren (Spearman R = ,800; p ≤
,005; N=10). D.h., je grösser die objektiven Anforderungen sind, desto grösser ist auch
die benötigte Bearbeitungszeit! Beachtenswert ist, dass dieser Zusammenhang für die
flexiblere Version-B nicht gilt (Spearman R = –,205; p ≤ ,571). In der Tabelle 8.2.2.5.5
werden die Ergebnisse der Variablen 'Anzahl Maskenwechsel' für die zweifaktorielle Varianzanalyse dargestellt.
166
Validierung von Flexibilität 8.2
Tabelle 8.2.2.5.5
Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'Anzahl Maskenwechsel' global über alle 10 Aufgaben hinweg.
'Anzahl Maskenwechsel'
dF
F1: Systemvergleich A versus B
F2: Gruppe 1 versus 2
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Fehlerterm
1
1
1
11
Mean Square
29,64
148,10
35,10
312,29
F-Test
P Signifikanz
0,095
0,474
0,112
–
,764
,505
,744
Wie aus der Tabelle 8.2.2.5.5 hervorgeht, zeigt sich auch hier kein bedeutsamer Unterschied hinsichtlich der getätigten Interaktionsoperationen ('Anzahl Maskenwechsel'). Im
Mittel wurden für beide Systeme ungefähr gleich viele Interaktionsoperationen getätigt
(siehe Tabelle 8.2.2.5.6).
Tabelle 8.2.2.5.6
Aufgabe
Gruppe-1
Gruppe-2
Mean total
Mittelwerte für die Messgrösse 'Anzahl Maskenwechsel' global
über alle 10 Aufgaben hinweg.
A: Mean ± Std.
B: Mean ± Std.
89 ± 20
99 ± 10
95 ± 14
95 ± 22
99 ± 18
97 ± 18
Mean total
93 ± 19
99 ± 13
96 ± 16
Die psychomentale Belastung wurde über den Eigenzustandsbogen erfasst, welcher aus
acht Skalen mit jeweils drei bis sechs Einzelfragen besteht (zur genaueren Beschreibung
siehe Apenburg 1986 nach Nitsch 1976). Die Skalen lauten wie folgt: Anstrengungsbereitschaft, Erholtheit, Kontaktbereitschaft, Schläfrigkeit, Selbstsicherheit, sozial Anerkennung, Spannungslage und Stimmungslage. Insgesamt zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede zwischen den beiden Systemversionen hinsichtlich der verschiedenen Skalen
mit Ausnahme der Skala 'Spannungslage' und 'Stimmungslage'. Es wurden nicht die absoluten, sondern nur die Differenzwerte (nachher – vorher) über jeweils eine Aufgabenserie hinweg ausgewertet (siehe Tabelle 8.2.2.5.7).
Tabelle 8.2.2.5.7
Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'psychomentale Belastung: Skala Spannungslage' pro Aufgabenserie.
'Spannungslage'
dF
Mean Square
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Fehlerterm
1
1
1
12
20,25
0,25
4,00
6,29
F-Test
3,219
0,040
0,636
–
P Signifikanz
,098
,845
,441
167
8 Validierung der Meßkriterien
Es zeigt sich ein tendenziell bedeutsamer Unterschied bei der 'Spannungslage' zwischen
den beiden Systemversionen: Version-A (+1,13 Differenzpunkte) und Version-B (–1,13
Differenzpunkte; F1: Oberfläche p ≤ ,098; Tabelle 8.2.2.5.7). D.h., die Testpersonen
fühlten sich eher ausgeglichen, gelassen usw. nach der Aufgabenbearbeitung mit Version-A als mit Version-B. Zwischen den beiden Testgruppen ergibt sich kein bedeutsamer
Unterschied: Gruppe-1 (–0,13 Differenzpunkte) und Gruppe-2 (+0,13 Differenzpunkte;
F2: Reihenfolge p ≤ ,845; Tabelle 8.2.2.5.7). Diese Tendenz zeigt sich noch ausgeprägter bei der Skala 'Stimmungslage' (siehe Tabelle 8.2.2.5.8).
Tabelle 8.2.2.5.8
Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'psychomentale Belastung: Skala Stimmungslage' pro Aufgabenserie.
'Stimmungslage'
dF
Mean Square
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Fehlerterm
1
1
1
12
45,56
7,56
10,56
9,94
F-Test
P Signifikanz
4,585
0,761
1,06
–
,054
,400
,323
Es besteht ein bedeutsamer Unterschied bei der Stimmungslage zwischen den beiden Systemversionen: Version-A (+1,75 Differenzpunkte) und Version-B (–1,63 Differenzpunkte; F1: Oberfläche p ≤ ,054; Tabelle 8.2.2.5.8). D.h., die Testpersonen fühlten sich
eher fröhlich, gutgelaunt usw. nach der Arbeit mit Version-A als mit Version-B. Zwischen den beiden Gruppen ergibt sich kein Unterschied: Gruppe-1 (+0,75 Differenzpunkte) und Gruppe-2 (–0,63 Differenzpunkte; F2: Reihenfolge p ≤ ,400; Tabelle 8.2.2.5.8).
Tabelle 8.2.2.5.9
Aufgabe
Gruppe-1
Gruppe-2
Mean total
Mittelwerte für die Messgrösse 'Anzahl richtige Wissensfragen'
pro Aufgabenserie [Angaben in Prozent].
Version-A: Mean
Version-B: Mean
Mean total
80 %
86 %
83 %
35 %
42 %
38 %
57 %
64 %
61 %
Das während der Aufgabenbearbeitung erworbene Wissen der Benutzer über die möglichen Dialogfortsetzungen (Maskenwechsel) wurde über einen Fragebogen mit vorgegebenen Antwortkategorien ('multiple choice') und über eine Grafik, welche die Interaktionsstruktur abbildete, erhoben. Da die Version-B einen höheren Grad der Vernetzung
aufwies, konnten in dem Wissensfragebogen für Version-B auch mehr richtige Antworten gegeben werden. Um einen Bias im Vergleich zum Fragebogen für Version-A zu vermeiden, wurde eine Transformation der Variable 'Anzahl richtige Antworten' derart vor-
168
Validierung von Flexibilität 8.2
genommen, dass nur noch die vergleichbaren 'prozentual richtigen Anteile' einander gegenüber gestellt wurden (siehe Tabelle 8.2.2.5.9 und Tabelle 8.2.2.5.10).
Tabelle 8.2.2.5.10
Ergebnisse der zwei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'Anzahl richtige Wissensfragen' pro Aufgabenserie.
'% richtige Antworten'
dF
Mean Square
F1: Oberfläche
F2: Reihenfolge
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Fehlerterm
1
1
1
12
8011,6
151,6
3,2
110,5
F-Test
72,53
1,37
0,03
–
P Signifikanz
,001
,264
,868
Es zeigt sich ein signifikanter Unterschied beim Wissen der Benutzer über die Interaktionsstruktur der beiden Systemversionen (F1: Oberfläche p ≤ ,001; Tabelle 8.2.2.5.10).
Die Benutzer konnten die Fragen zu möglichen Dialogfortsetzungen bei Version-A signifikant besser beantworten (83 %), als bei Version-B (38 %; Tabelle 8.2.2.5.9). Es besteht kein Unterschied im durchschnittlich erworbenen Wissen zwischen den beiden Testgruppen über beide Versionen hinweg (F2: Reihenfolge p ≤ ,264; Tabelle 8.2.2.5.10).
Mittels eines Fragebogens mit 11 bipolaren Ratingskalen1 wurde die subjektive Einschätzung über die jeweilige Systemversion als globales Mass der Handhabbarkeit erhoben. Es ergeben sich keine bedeutsamen Unterschiede im subjektiven Urteil der Benutzer
zwischen beiden Systemversionen (siehe Tabelle 8.2.2.5.11).
1
Der Bereich z.B. der Skala "zeitsparend" ist: –2=("ziemlich zeitraubend"), –1=("eher zeitraubend"),
0=("teils/teils"), +1=("eher zeitsparend"), +2=("ziemlich zeitsparend").
169
8 Validierung der Meßkriterien
Tabelle 8.2.2.5.11 Mittelwertsdifferenzen für die Messgrösse 'Handhabbarkeit' pro
Version [die vierte Spalte enthält das Signifikanzniveau eines zweiseitigen T-Testes].
Handhabung
zeitsparend
flexibel
einfach
durchschaubar
eindeutig
übersichtlich
unkompliziert
frei
vorhersehbar
beeinflussbar
erfreulich
Vers-A: Mean ±
Std
0,25
0,00
0,13
–0,13
0,13
0,13
0,75
0,38
0,38
0,13
0,63
Vers-B: Mean ±
Std
0,00
0,25
0,38
0,13
–0,38
0,38
0,38
–0,25
0,25
0,50
0,13
P (2-tail)
,663
,668
,709
,751
,306
,709
,538
,324
,854
,554
,128
Mean total
0,13
0,13
0,25
0,00
–0,13
0,25
0,56
0,06
0,31
0,31
0,38
Im Nachbefragungsbogen nach Bearbeitung der Aufgabenserien mit beiden Systemen
wurde jede Testperson um ihre abschliessende Beurteilung gebeten (siehe Tabelle
8.2.2.5.12). Es zeigten sich, dass die Zuordnung vom 'Ort' (Wo-Struktur) zum 'Fachgebiet' (Was-Struktur) als 'nützlich' bis 'sehr nützlich' eingestuft wurde. Die gleichzeitige
Zuordnung des 'Beraters' (Wer-Struktur) wurde ebenfalls als 'nützlich' bis 'sehr nützlich' angesehen. Die ringförmige Verkettung aller 'Berater' wurde dagegen als 'kaum nötig' bis 'unnötig' eingestuft.
170
Validierung von Flexibilität 8.2
Tabelle 8.2.2.5.12 Mittelwerte für die Messgrösse 'subjektiver Systemvergleich' pro
Gruppe aus dem Nachbefragungsbogen [die vierte Spalte enthält das Signifikanzniveau
eines zweiseitigen T-Testes].
Systemvergleich1
Gruppe-1
Gruppe-2
P (2-tail) Total Mean
"Die Möglichkeit zu jedem
Fachgebiet den entsprechenden Ort
zu finden ist..."
"Die Möglichkeit zu sehen, wo
welche Abteilungen sind, finde
ich..."
"Die Möglichkeit zu jedem
Fachgebiet die zuständigen Personen
zu finden ist..."
"Die Darstellung von Fachgebieten
mit Bildern statt mit Text, finde
ich..."
"Die Möglichkeit fast beliebig im
System herumzuschauen, finde
ich..."
"Die Veranstaltungen schon vom
Hauptmenü aus zu sehen, finde
ich..."
"Die Möglichkeit alle Mitarbeiter anschauen zu können, finde ich..."
4,8 ± 0,5
4,8 ± 0,5
1,000
4,8 ± 0,5
4,3 ± 0,5
4,5 ± 1,0
,670
4,4 ± 0,7
4,3 ± 0,5
4,0 ± 0,8
,620
4,1 ± 0,6
3,8 ± 1,9
3,8 ± 1,5
1,000
3,8 ± 1,6
3,0 ± 0,8
3,8 ± 0,9
,278
3,4 ± 0,9
2,8 ± 1,3
3,5 ± 1,3
,437
3,1 ± 1,2
1,3 ± 0,5
2,8 ± 1,5
,107
2,0 ± 1,3
Die folgenden qualitativen Aussagen wurden von einigen Testpersonen zusätzlich getroffen:
"Ich habe in Version-B einen Button vermisst, mit dem ich von überall auf das Hauptmenü zurückkehren kann."
"Es fehlt bei beiden Versionen teilweise die Möglichkeit, den vorhergehenden Bildschirm mit einer Operation zu erreichen."
"Bei einigen Ikons ist die Bedeutung nicht von Anfang an klar; es muss zuerst ausprobiert werden."
"Es bringt nichts wenn, ich den Immobilienfachmann suche, gleichzeitig aber alle anderen Mitarbeiter ansehen kann."
"Version-B ist zu flexibel. Sie wird dadurch unübersichtlich."
"Die Möglichkeit, von praktisch überall her überall hinzukommen ist zwar praktisch,
aber macht das System zum Teil ziemlich unüberschaubar."
"Die starke Vernetzung ist vor allem für Leute wichtig, die täglich damit arbeiten und
so mit einer Zeitersparnis rechnen können. Da dies hier aber kaum der Fall sein wird,
ist eine etwas starre Struktur zugunsten der Übersichtlichkeit wohl vorzuziehen."
1
Der Skalenbereich ist: 1=("unnötig"), 2=("kaum nötig"), 3=("weder/noch"), 4=("nützlich"), 5=("sehr
nützlich").
171
8 Validierung der Meßkriterien
"Die Version-B war viel verwirrender für mich. Ich brauche scheinbar die klare Menüstruktur, jedenfalls am Anfang. Nach der Einarbeitung könnte mir die Version-B allerdings besser gefallen als die Version-A, weil sie viel flexibler ist und ein Herumspringen in den Masken ermöglicht."
"Besonders praktisch fand ich die Möglichkeit, direkt nach dem Auffinden des Bancomaten eine Geschossübersicht der Hauptstelle zu erhalten."
"Die Querverbindung von jedem Bildschirm zum Ort und zum Berater zu gelangen ist
gut."
8.2.2.6.
Fazit für die Flexibilität interaktiver Systeme
Das Ziel, durch eine Vergrösserung der Flexibilität die Benutzung für Anfänger bzw. gelegentliche Benutzer zu verbessern, ist nicht erreicht worden. Die Testpersonen brauchten
tendenziell länger, um die Testaufgaben mit der flexibleren Version zu lösen. Zum Teil
bestanden die Probleme darin, dass die Ikons nicht richtig interpretiert werden konnten
und/oder die Orientierung auf dem Bildschirm nicht ausreichend zustande gekommen ist.
Ein Teil der Testpersonen brauchte mit der flexibleren Version länger, um zu überlegen,
wie man von einem Ort zum anderen gelangen konnte. Es wurde zwar von den Testpersonen angemerkt, dass Version-B flexibler und freier ist, jedoch konnte die Flexibilität
nicht in eine schnellere Bearbeitungszeit umgesetzt werden. Die Testpersonen fanden sich
im Mittel mit dem höheren Ausmass an Flexibilität nicht zurecht und beurteilten die Version-B als undurchschaubarer, uneindeutiger und unübersichtlicher. D.h., sie konnten
sich die Interaktionsstruktur nicht vorstellen oder gar behalten, was man bei den Ergebnissen des Wissenstests oder an Bemerkungen – wie "brauche Zurückbutton" oder
"Button zum Hauptmenü fehlt" – sehen kann. Es gab einige Testpersonen, die die Freiheit im Prinzip gut fanden, sich aber kein ausreichendes Verständnis einzelner Ikons aneignen konnten. Dadurch nahm auch die Transparenz über die Interaktionsstruktur ab.
Beim ersten Benutzungstest mit dem multimedialen Informationssystem ist aufgefallen, dass einige Testpersonen (insbesondere Studenten der Informatik) Mühe hatten, auf
Ikons zu drücken, welche neben beschrifteten Buttons angebracht waren. Das lässt die
Vermutung zu, dass sich EDV-Kenner bereits stark an gewisse Systemeigenschaften gewöhnt haben. Dasselbe kann auch auf die Interaktionsstruktur zutreffen. Da die meisten
menügesteuerten Systeme eine sternförmige bzw. hierarchische Interaktionsstruktur
haben, kann es zu Schwierigkeiten kommen, wenn auf eine flexiblere, netzartige Interaktionsstruktur umgestiegen wird.
Welche Bedeutung hat dies für die Validität der von uns eingeführten Masse zur
Quantifizierung der Flexibilität? Wie wir im Abschnitt 7.3.5 bis 7.3.7 gesehen haben,
zeichnet sich die Version-B durch eine grössere Flexibilität hinsichtlich DFl und AFl in
der Interaktionsstruktur aus. Dies wurde von den Testpersonen wahrgenommen und ent-
172
Validierung von Flexibilität 8.2
sprechend zum Ausdruck gebracht. Was haben wir aber zeigen können? Zuerst einmal
haben wir nicht zeigen können, dass flexiblere Interaktionsstrukturen ohne eine gleichzeitige Unterstützung in der Orientierung bei Anfängern bzw. gelegentlichen Benutzern zu
Performanzvorteilen führen. Dennoch sind wir jetzt in der Lage, quantitative Angaben
über eine minimale Flexibilität zu machen.
Im Abschnitt 7.3.2 bis 7.3.4 über die beiden Oberflächen des relationalen Datenbanksystems konnten wir sehen, dass eine Interaktionsstruktur mit Kennwerten für DFl
und AFl mit einem Wert von über 15 (siehe Tabelle 7.3.4.1) sich auch durch Performanzvorteile empirisch bestätigen lässt (siehe Abschnitt 8.2.1). Die Kennwerte der beiden
Oberflächen des multimedialen Informationssystems sind dagegen um eine Grössenordnung kleiner (Version-A: DFl=0,5 und AFl=3,6; Version-B: DFl=1,3 und AFl=4,2; siehe
Tabelle 7.3.7.1). Performanzvorteile lassen sich offenbar erst dann für eine flexiblere Interaktionsstruktur empirisch nachweisen, wenn ein Mindestmass an interaktiver Flexibilität gegeben ist. Dieser Schwellwert liegt mindestens bei 15. Er kann zudem abhängig
vom systemspezifischen Erfahrungswissen bzw. den Systemkenntnissen der Benutzer
sein. Diese Hypothese haben wir in Abbildung 8.2.2.6.1 dargestellt.
Performanz
Experte
Anfänger
<1
5 – 15
> 15
Flexibilität
Abbildung 8.2.2.6.1 Angenommener Zusammenhang zwischen Systemflexibilität und
systemspezifischem Erfahrungswissen der Benutzer im Bezug zur Performanz (Performanz ist umgekehrt proportional zu Leistungsindikatoren wie Bearbeitungszeit, Anzahl
Fehlern usw.)
Um diesen vorhergesagten Zusammenhang empirisch testen zu können, benötigen wir ein
inflexibles System (z.B. die CUI-Oberfläche), ein flexibles System (z.B. die GUI-Oberfläche), sowie Anfänger (geringe bis mittlere Systemkenntnisse) und Experten (grosse
Systemkenntnisse). Wir haben daher unseren Benutzungstest mit dem relationalen Daten-
173
8 Validierung der Meßkriterien
bankprogramm um zwei Anfängergruppen erweitert, welche die Aufgaben mit der jeweiligen Oberfläche zu bearbeiten hatten. Die Ergebnisse sind in Rauterberg (1992e, Tabelle
2 auf Seite 232) wiedergegeben. Es zeigte sich in den Ergebnissen der dreifaktoriellen
Varianzanalyse tendenziell der in Abbildung 8.2.2.6.1 vorhergesagte Zusammenhang
(Wechselwirkung 'Oberfläche' ⊗ 'Systemkenntnisse': df = 1; F = 3,61; p ≤ ,060). Die
Anfänger benötigten für die Bearbeitung der ersten sechs Aufgaben (siehe Abschnitt
8.2.1.4) im Mittel 1120 s mit der CUI- und 770 s mit der GUI-Oberfläche. Dies entspricht einem Verbesserungsgrad von 31% (1 – 770/1120 = 0,31). Die Experten benötigten für die selben sechs Aufgaben im Mittel 368 s mit der CUI- und 170 s mit der GUIOberfläche. Dies entspricht einem Verbesserungsgrad von 54%. Die Experten bzw. Benutzer mit grossen Systemkenntnissen profitieren also stärker von einem flexiblen System
– gemessen über DFl und AFl – als Anfänger bzw. Benutzer mit geringen Systemkenntnissen.
Erst wenn die Flexibilität der Interaktionsstruktur des multimedialen Informationssystems deutlich vergrössert wird (mindestens fünf- bis sechsfach), können wir den dadurch bedingten Performanzvorteil auch empirisch messen. Wenn diese Interpretation
richtig ist, dann dürften wir für alle Systeme, die ähnliche Kennwerte wie unsere multimedialen Versionen haben, ebenfalls keine empirischen Performanzunterschiede beobachten. Festzuhalten bleibt, dass die absolute Ausprägung der Kennwerte – und nicht ihr
relatives Verhältnis zueinander – von Bedeutung ist.
8.2.3.
Kreuzvalidierung an zwei CUI-Oberflächen eines
Simulationsprogrammes
Wenn die zuletzt getroffenen Aussagen über das notwendige Ausmass an Flexibilität allgemeingültig sein sollen, dann müssen sie auch auf andere interaktive Softwareprodukte
anwendbar sein. Wir haben daher eine unabhängige empirische Studie gesucht, welche
verschiedene Interaktionsstrukturen bei sonst gleicher Anwendungsfunktionalität experimentell verglichen hat. Diese Studie liegt z.B. mit der Arbeit von Grützmacher (1988)
vor. Dieses Vorgehen zur Überprüfung der in unserer Arbeit entwickelten Masse kann als
eine Art Kreuzvalidierung bezeichnet werden (Bortz 1989). Wir haben also unsere Masse
auf die beiden Oberflächen des Simulationsprogrammes angewandt, um die Ergebnisse
des empirischen Tests 'vorhersagen' zu können. Bevor wir jedoch die Resultate der empirischen Studie darstellen, werden wir die beiden Oberflächen mit unseren Massen beschreiben. Wir sollten dann das Ergebnis dieser empirischen Studie allein aufgrund unserer Oberflächenkennwerte vorhersagen können.
174
Validierung von Flexibilität 8.2
Moro-Simulation
_HAUPTMENÜ: _________________
Allgemeines
Bevölkerung
Viehzucht
Ackerbau
Handel
Finanzen
Technische Geräte
*
*
*
*
*
*
*
PF 1: nächstes MENÜ / INSPEKTION
PF 2: EINGABE oder weiteres MENÜ
PF 3: HILFE zu den PF-Tasten
PF 4: ENDE des Spieles
ALLGEMEINES VORGEHEN: Bewegen des Cursors unter Begriff und PF-Taste wählen
Der ´* ´ führt in Verbindung mit PF1 oder PF2 zu weiteren Menüs
Abbildung 8.2.3.1 Das Hauptmenü der CUI-Oberfläche des Simulationsprogrammes
von Grützmacher (1988, S. 29).
Tabelle 8.2.3.1 Ergebnisse der Feedbackmasse (plus Standardabweichung) für die beiden Oberflächen des Simulationsprogramms [K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl
Funktionen].
Interaktionsstruktur
CUI-O: hierarchisch
CUI-O: netzartig
AFBF
372,8
347,9
RFBF
K
GRFBF
F
86% (± 30%)
90% (± 27%)
435
388
85% (± 32%)
89% (± 29%)
1556
1538
Die Arbeit von Grützmacher (1988)1 hatte zwei Ziele: (1.) den Einfluss einer unterschiedlichen Interaktionsstruktur (hierarchisch versus netzartig) und (2.) den Einfluss der Darstellungsart (Graphik versus Tabelle) auf die kognitive Problemlösegüte der Benutzer zu
untersuchen. Der Unterschied in der Darstellungsart wird im folgenden nicht weiter berücksichtigt. Da das Ausmass an Funktionsfeedback für die beiden Oberflächenvarianten
(hierarchische versus netzartige Interaktionsstruktur) weitgehend gleich ist (siehe Tabelle
8.2.3.1), beschränken wir uns im folgenden nur auf die unterschiedliche Flexibilität
beider Interaktionsstrukturen.
8.2.3.1.
Der Hierarchisierungsgrad der hierarchischen
Interaktionsstruktur
Zur Messung des Hierarchisierungsgrades (HG) haben wir zunächst alle 363 Masken als
Dialogkontexte identifiziert. Dann haben wir in einem zweiten Schritt insgesamt 693
1
Wir sind für die grosszügige Unterstützung von Herrn Andreas Grützmacher sehr dankbar, welcher uns
für die Anwendung der verschiedenen Masse alle notwendigen Unterlagen zur Verfügung gestellt hat.
175
8 Validierung der Meßkriterien
VDFIPe und 720 VAFIP ausgezählt. Da der Zustand der Anwendungskomponente dieses
Simulationsprogrammes über 49 verschiedene quantitative Parameter beeinflusst werden
konnte, haben wir pro WAFIP jeweils nur die zehn verschiedenen Zahlen '0' bis '9' als
VAFIPe gezählt (Verhältnis WAFIP zu VAFIP ist 1:10). Jeder VDFIP hatte genau einen
eindeutig zugeordneten WDFIP (Verhältnis WDFIP zu VDFIP ist 1:1).
Alle 363 Masken (= Dialogkontexte) sind über insgesamt 761 Kanten (= VDFIPe)
verbunden. Wie bei unserem multimedialen Informationssystem ist auch bei dieser Oberfläche die Anzahl der Verbindungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten identisch
mit der Anzahl an VDFIPen. Von den 363 Dialogkontexten haben 72 Masken genau einen
WAFIP mit jeweils 10 zugehörigen VAFIPen (= 720 VAFIPe) sowie insgesamt 72
VDFIPe bzw. WDFIPe für die Rückkehr; weitere 220 Masken, welche nur für die Ausgabe von Systemparametern dienen, haben genau einen VDFIP bzw. WDFIP; die restlichen 71 Masken haben lediglich Verteilerfunktionen und sind untereinander mit 177 Kanten verbunden (siehe Abb. 8.2.3.1.1).
177
71 Dialogkontexte mit
insgesamt 469 WDFIPe
und 469 VDFIPe
(reine Verteilerfunktion)
72
220
72
72 Dialogkontexte mit je
1 WDFIP und 1 VDFIP
sowie
1 WAFIP und 10 VAFIPe
220
220 Dialogkontexte mit
1 WDFIP und 1 VDFIP
720
Abbildung 8.2.3.1.1 Summarische Übersicht über die hierarchische Interaktionsstruktur
des Simulationsprogrammes.
Um den Hierarchisierungsgrad HG berechnen zu können, benötigen wir die konkrete Interaktionsstruktur. Diese mussten wir erst aus der uns ausgehändigten Beschreibung aller
435 Dialogkontexte (in Form einer Liste) rekonstruieren. Anhand des rekonstruierten Interaktionsbaumes lässt sich dann die Anzahl an Interaktionsschritte vom Hauptmenü zu
jedem VAFIP bzw. VDFIP einfach durch Auszählen feststellen. Da es nur 49 verschiedene Parameter (WAFIPe) gibt, sind 23 Dialogkontexte mit jeweils einem WAFIPe doppelt
vorhanden; dies ergibt dann die 72 Dialogkontexte mit genau einem WAFIP. Diese Art
176
Validierung von Flexibilität 8.2
der Redundanz ist oft bei eher hierarchischen Interaktionsstrukturen zu beobachten, um
dem Benutzer zum Teil weite Wege über die Menühierarchie zu ersparen.
Tabelle 8.2.3.1.1
Hierarchische Oberfläche des Simulationsprogrammes: Pfadlängen
bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D)
Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl
Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
4,8 (± 0,9)
4,2 (± 1,1)
K
F
(72) 720
(363) 693
Gesamtlänge
3450
2901
Aus Tabelle 8.2.3.1.1 können wir ablesen, dass für jeden VAFIP vom Hauptmenü aus
im Mittel 4,8 Interaktionsschritte benötigt werden. Wie für eine hierarchische Menüstruktur zu erwarten, ist HG für alle VDFIPe im Mittel etwas kleiner (4,1 Interaktionsschritte).
Dieser geringe Unterschied kommt dadurch zustande, dass 220 der insgesamt 292
'Blätter' des Interaktionsbaumes lediglich der Zustandsanzeige eines einzelnen Parameters
dient und somit nur als ein VDFIP bzw. WDFIP gezählt wurde.
8.2.3.2.
Der Hierarchisierungsgrad der netzartigen
Interaktionsstruktur
Die Rekonstruktion des Graphen der netzartigen Interaktionsstruktur aus den insgesamt
389 Dialogkontexten war recht aufwendig, zumal wenn man dies 'von Hand' und nicht
automatisch durchführen muss. Dabei wächst der Aufwand überproportional mit der Anzahl Verbindungen zwischen den einzelnen Dialogkontexten. Insgesamt besteht das Interaktionsnetz aus 389 Masken (= Dialogkontexte) mit 1053 Verbindungen (= VDFIPe).
Von den 389 Dialogkontexten haben 49 genau einen WAFIP mit jeweils 10 zugehörigen VAFIPen; 149 Dialogkontexte dienen ausschliesslich der Parameterausgabe; die
restlichen 191 Dialogkontexte haben reine Verteilerfunktionen und hängen untereinander
über 657 Verbindungen zusammen. Insgesamt gibt es 1053 Kanten für den Wechsel zwischen den verschiedenen Dialogkontexten; zusätzlich gibt es 49 WAFIPe mit insgesamt
490 VAFIPen (siehe Abb. 8.2.3.2.1).
177
8 Validierung der Meßkriterien
657
191 Dialogkontexte mit
insgesamt 855 WDFIPe
und 855 VDFIPe
(reine Verteilerfunktion)
49
149
49
149
49 Dialogkontexte mit
1 WDFIP und 1 VDFIP
sowie
1 WAFIP und 10 VAFIPe
149 Dialogkontexte mit
1 WDFIP und 1 VDFIP
490
Abbildung 8.2.3.2.1 Summarische Übersicht über die netzartige Interaktionsstruktur des
Simulationsprogrammes.
Tabelle 8.2.3.2.1
Netzartige Oberfläche des Simulationsprogrammes: Pfadlängen
bzw. Hierarchisierungsgrad (HG) für alle anwendungs- (A) und dialogfunktionalen (D)
Interaktionspunkte [Std = Standardabweichung, K = Anzahl Dialogkontexte, F = Anzahl
Funktionen].
Mass
HG(A): Pfadlänge pro VAFIP
HG(D): Pfadlänge pro VDFIP
Kennwert (± Std)
6,4 (± 1,4)
4,6 (± 1,5)
K
F
(49) 490
(389) 1053
Gesamtlänge
3110
4813
Da durch die netzartige Struktur verschiedene Wege vom Startkontext ('Hauptmenü') hin
zu den verschiedenen VAFIPen möglich sind, haben wir definitionsgemäss für die Berechnung von HG nur den jeweils kürzesten Weg zugrunde gelegt. Wie wir aus Tabelle
8.2.3.2.1 ablesen können, werden für jeden VAFIP im Mittel 6,4 und für jeden VDFIP
im Mittel 4,6 Interaktionsschritte benötigt. Dieser Unterschied kommt dadurch zustande,
dass oftmals unmittelbar vor dem Dialogkontext mit den VAFIPen ein oder zwei Dialogkontexte zwischengeschoben waren, welche lediglich mit verschiedenen Verzweigungsmöglichkeiten ausgestattet waren und der semantischen Gruppierung der einzelnen anwendungsbezogenen Kontexte dienten. Es gibt mehr als doppelt so viele VDFIPe als
VAFIPe.
8.2.3.3.
Ein Vergleich der Flexibilität der hierarchischen mit der
netzartigen Interaktionsstruktur des Simulationsprogrammes
Um die Flexibilität der beiden verschiedenen Interaktionsstrukturen miteinander vergleichen zu können, haben wir unter anderem die Kennwerte für die Masse AFl und DFl berechnet. Die hierarchische Interaktionsstruktur hat im Durchschnitt pro Dialogkontext 1,9
178
Validierung von Flexibilität 8.2
dialogfunktionale Interaktionspunkte (VDFIPe) und ebenso viele anwendungsfunktionale
Interaktionspunkte (VAFIPe). Demgegenüber weist die netzartige Interaktionsstruktur
eine Verdichtung auf durchschnittlich 2,7 VDFIPe pro Dialogkontext auf (siehe Tabelle
8.2.3.3.1).
Bei der durchschnittlichen Anzahl der anwendungsfunktionalen Interaktionspunkte
ist bei der netzartigen Interaktionsstruktur eine leichte Abnahme auf 1,3 VAFIPe zu verzeichnen. Beide Interaktionsstrukturen weisen insgesamt fast gleich viele Interaktionspunkte auf (Ihierarchisch = 1413, Inetzartig = 1543). Die höhere interaktive Flexibilität der netzartigen Interaktionsstruktur ist durch den 1,4-fachen Wert von DFl gekennzeichnet. Für
die anwendungsbezogene Flexibilität stellen wir sogar eine leichte Abnahme fest.
Tabelle 8.2.3.3.1
Hierarchische und netzartige Interaktionsstrukur des Simulationsprogrammes: Übersicht über die Ergebnisse (Kennwert ± Standardabweichung) der
Masse IA, DFl, AFl und IVG [F = Anzahl Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte].
Interaktionsstruktur
IA
CUI-O: hierarchisch
CUI-O: netzartig
2,4 ± 1,7
3,4 ± 2,2
Verhältnis: netz/hier
1,4
F
1413
1543
DFl
AFl
1,9 ± 2,2
2,7 ± 2,4
2,0 ± 4,0
1,3 ± 3,3
1,4
0,7
K
IVG
363 1,9 ± 2,2
389 2,7 ± 2,4
1,4
Wenn unsere Aussagen über die Flexibilität eines interaktiven Systems aus Abschnitt
8.2.2.6 stimmen, dann dürfte sich aufgrund der Unterschreitung des absoluten Schwellwertes für AFl bzw. DFl von 15 keine empirisch nachweisbaren Performanzvorteile für
die netzartige Interaktionsstruktur finden lassen. Diese Vorhersage können wir nun mittels unserer quantitativen Masse für die Flexibilität im vorhinein treffen, ohne dazu einen
empirischen Test durchzuführen. Schauen wir uns nun die tatsächlich gefundenen Ergebnisse im Detail an.
8.2.3.4.
Ergebnisdarstellung der empirischen Vergleichsstudie
Diese empirische Studie ist in Grützmacher (1988) hinreichend genau beschrieben, so
dass wir uns bei der Darstellung dieses Testes nur auf die für unsere Analyse wichtigen
Aspekte beschränken.
Methodisches Vorgehen
Das Simulationsprogramm wurde auf einem IBM 3081K Rechner des Rechenzentrum der
Universität Zürich in IBM Pascal-VS unter dem Betriebssystem VM-CMS implementiert.
Das Programm war auf verschiedenen ASCII-Bildschirmen mit 13 Zoll Bildschirmdiagonale öffentlich zugänglich. Benutzer wurde über Aushänge und Handzettel auf dieses Simulationsspiel aufmerksam gemacht. Das Simulationsprogramm hatte vier verschiedene
179
8 Validierung der Meßkriterien
CUI-Oberflächen: (1) graphische Darstellung und hierarchische Interaktionsstruktur, (2)
tabellarische Darstellung und hierarchische Interaktionsstruktur, (3) graphische Darstellung und netzartige Interaktionsstruktur, (4) tabellarische Darstellung und netzartige Interaktionsstruktur. Es ergab sich somit ein zweifaktorielles Testdesign mit vier Testgruppen.
Das Programm stand beliebigen Benutzern im Zeitraum von Mai bis Dezember 1987
zur Verfügung. Aus allen protokollierten Spielen werden im folgenden nur noch diejenigen Spiele ausgewertet, welche die 'sichersten' Daten lieferten. Hierzu wurden alle Spiele
gezählt, bei denen der Spieler zu Beginn angab, das erste mal gespielt zu haben. Es ergab
sich eine Stichprobe von 35 Spielen aus einer Gesamtstichprobe von 65 gültig abgeschlossenen Spielen. Insgesamt wurde 83 Mal das Programm von 65 verschiedenen Benutzern gestartet. Für die folgenden Resultate wurde nur 35 eindeutig identifizierbare
Erstkontakte ausgewertet. Die Zuordnung des einzelnen Benutzers zu einer der vier Testgruppen erfolgte zufällig, jedoch insgesamt gesehen so, dass alle Testgruppen möglichst
gleich stark besetzt waren. Es gelangten 20 Benutzer in die Gruppe mit der hierarchischen
Interaktionsstruktur und 15 Benutzer in die Gruppe mit der netzartigen Struktur.
Darstellung der Ergebnisse
Die Aufgabe der Benutzer des Simulationsprogrammes bestand darin, die folgenden acht
Zielvariablen von einem Ausgangswert (A) auf einen vorgegebenen Zielwert (Z) zu verändern bzw. auf dem Ausgangswert zu halten: (1) Anzahl Rinder [A=1993; Z=4000], (2)
Menge des Kapitals [A=3 Mill.; Z= 3 Mill.], (3) Grad der medizinischen Versorgung [A=
0%; Z= 50%], (4) Grösse der zur Verfügung stehenden Weidefläche [A=200 km2; Z=300
km2], (5) Menge der geernteten Hirse [A=0 kg; Z=200000 kg], (6) Grundwasserstand
der Ackerflächen [A=100%; Z=100%], (7) Grundwasserstand der Weideflächen
[A=100%; Z=100%], (8) Anzahl Gesamtbevölkerung [A=548; Z=800]. Diese Zielvariablen konnten in der Regel nur indirekt über die 49 anderen Parameter beeinflusst werden.
Die zur Verfügung stehende Simulationsdauer betrug insgesamt 39 Spieljahre (entspricht vier Dekaden). Jede der acht Zielvariablen wurde pro Simulationsjahr in einen
Zielabweichungswert Z umgerechnet: Z = 100 * (aktueller Zielvariablenwert – Zielwert) /
Zielwert. Aus diesen acht Z-Werten wurden die beiden folgenden Messwerte für die Performanz ermittelt: (1) die absolute Zielabweichung (ZA) als Mittelwert der acht Absolutbeträge von Z; (2) die kompensierte Zielabweichung (ZK) als Mittelwert der acht aktuellen Werte von Z. Im Unterschied ZA zu, mit der nur die generelle Zielabweichung ZK
festgestellt werden kann, lassen sich mit auch Zielüberschreitungen messen. Für die folgende Auswertung wurden beide Masse ZA und ZK nochmals für jeweils 10 Simulationsjahre (eine Dekade) zu einem Mittelwert zusammengefasst.
180
Validierung von Flexibilität 8.2
Insgesamt wurden zwei varianzanalytische Auswertungen mit einem dreifaktoriellen
Testdesign (Messwiederholung auf dem Faktor 'Dekade') vorgenommen (siehe Tabelle
8.2.3.4.1): (1.) ohne irgendwelche Co-Variaten, sowie (2.) mit drei Co-Variaten. Die
Auswahl dieser drei Co-Variaten ergab sich dadurch, dass sich hinsichtlich der folgenden
drei Variablen (1) Simulationsjahre ohne Urlaub, (2) Spieldauer pro Simulationsjahr,
sowie (3) Alter des Benutzers Unterschiede zwischen den Faktorstufen ergeben hatten
(Grützmacher 1988).
Tabelle 8.2.3.4.1
Ergebnisse der co-varianzanalytischen Auswertung für die absolute
(ZA) und die kompensierte Zielabweichung (ZK); als Co-Variate wurden verwendet: Simulationsjahre ohne Urlaub (SPJ), Spieldauer pro Simulationsjahr (SDJ), sowie Alter
des Benutzers (Alter) [nur Angabe von p Signif.] (Angaben aus Grützmacher 1988, S.
55)
Co-Variate:
keine
keine
SPJ & SDJ & Alter
Abhängige Variable:
ZA
ZK
ZA
ZK
F1: Dekade (1..4)
F2: Hierarch. vs. Netzwerk
F3: Graphik vs. Tabelle
F1 ⊗ F2
F1 ⊗ F3
F2 ⊗ F3
F1 ⊗ F2 ⊗ F3
,001
,784
,079
,162
,268
,794
,990
,033
,806
,052
,894
,229
,836
,611
,044
,870
,097
,170
,305
,803
,891
,110
,804
,054
,870
,265
,874
,371
Wie wir in der Tabelle 8.2.3.4.1 an den Signifikanzwerten des – für unsere Analyse relevanten – Faktors F2 'Hierarchie vs. Netzwerk' erkennen können, zeigen sich – wie vorhergesagt – keine signifikanten Performanzunterschiede, weder als Haupteffekt noch in
einer der drei Wechselwirkungen F1 ⊗ F2, F2 ⊗ F3, sowie F1 ⊗ F2 ⊗ F3. Auch die Berücksichtigung von den drei Co-Variaten ändert nichts an diesem Ergebnis. Einzig die
Werte für die absolute (ZA) und die kompensierte Zielabweichung (ZK) zwischen den
vier Dekaden ist signifikant unterschiedlich.
8.2.3.5.
Fazit für das Simulationsprogramm
Die von Grützmacher (1988) erwarteten Unterschiede hinsichtlich der beiden implementierten Interaktionsstrukturen haben sich weder in der quantitativen Beschreibung mit unseren Kennwerten für Flexibilität noch im experimentellen Test bestätigt. Wäre die Flexibilität für die netzartige Interaktionsstruktur jedoch deutlich grösser als der von uns postulierte absolute Schwellwert von 15 in den Massen DFl und AFl gewesen, hätte sich ein
Vorteil messen lassen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass also nicht das Verhältnis zwischen den Kennwerten von primärer Bedeutung ist, sondern – wie schon vermutet – die
181
8 Validierung der Meßkriterien
absoluten Ausprägungsgrade der einzelnen Kennwerte. Dies berechtigt uns daher auch,
einen konkreten Schwellwert angeben zu können. Da jedoch die Kennwerte der GUIOberfläche (siehe Abschnitt 7.3.4) lediglich eine untere Abschätzung darstellen, kann zur
Zeit nicht definitiv behauptet werden, dass der Schwellwert von 15 ein echtes Minimum
darstellt. Vielmehr spricht die Tatsache, dass die meisten Testpersonen denjenigen Dialogzustand mit den höchsten DFl-Werten bevorzugt aufgesucht haben (DFl=117, siehe
Abschnitt 7.3.3), für einen höheren Mindestwert.
8.3.
W AHRNEHMUNGS - UND A KTIONSRAUM
Die beobachteten Orientierungsschwierigkeiten bei der Benutzung des multimedialen Informationssystems lassen sich möglicherweise darauf zurückführen, dass die maussensitiven Bereiche nicht adäquat transparent gemacht wurden (siehe Rauterberg 1992c). Wir
werden dieses Problem auf 'das Auseinanderfallen von Wahrnehmungs- und Aktionsraum' zurückführen. Diese Problem ist uns schon bei der Definition des Masses GRFBF
im Abschnitt 6.3.1 begegnet. Immer dann, wenn die benötigten Informationen (Nachrichten, Funktionen usw.) ausserhalb des primären Wahrnehmungs- und Aktionsraumes angeboten werden, kann es zu Orientierungsschwierigkeiten kommen.
Eine der wesentlichen Eigenschaften von Handlungen in der realen Welt ist dadurch
gegeben, dass der Wahrnehmungsraum und der Aktionsraum raumzeitlich zusammenfallen. Die von Menschenhand bewirkten Effekte lassen sich meistens direkt auch an ihrem
Wirkungsort selbst (fast) vollständig beobachten. Im Unterschied hierzu sind in der Welt
der interaktiven EDV-Systeme diese beiden 'Räume' sehr oft getrennt: Die Eingabeschnittstelle (z.B. die Tastatur) und die Ausgabeschnittstelle (z.B. der Bildschirm) klaffen
in der Regel 20 bis 30 cm auseinander. Dies ist auch einer der Aspekte, warum Norman
(1986) vom 'gulf of evaluation' und vom 'gulf of execution' als einem zentralen Designproblem spricht. Woran erkennen wir den primären Wahrnehmungsraum? Wodurch
zeichnet er sich aus? Aus der Wahrnehmungspsychologie (Egeth und Bevan 1973)
wissen wir, dass menschliche Wahrnehmung gerichtet und selektiv ist. Bei der visuellen
Wahrnehmung unterscheidet man zwischen dem Gesichtsfeld und dem Blickfeld (Saupe
1985, S. 11f):
"Als Gesichtsfeld bezeichnet man die Gesamtheit aller derjenigen Gegenstände, die bei ruhendem Auge gleichzeitig in bestimmter räumlicher Anordnung wahrgenommen werden... Durch Augendrehungen, Kopf- und Körperbewegungen kann das Gesichtsfeld erweitert werden. Das sog. Blickfeld, auch
Gebrauchsblickfeld genannt, entsteht allein durch Bewegungen der Augenmuskeln, wobei ±18˚ – 20˚ normalerweise das Höchstmass der Drehung
sind" (Saupe 1985, S. 11 und S. 13).
182
Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3
Alle Gegenstände, welche um die Blicklinie zum fixierten Gegenstand herum scharf
wahrgenommen werden können, bilden das Sehfeld. Dies hängt mit dem retinalen Aufbau des Auges zusammen. Nur Gegenstände, welche im fovealen Bereich – bis auf den
blinden Fleck – abgebildet werden, können wir auch wirklich scharf wahrnehmen (siehe
Abbildung 8.3.1).
Abbildung 8.3.1
Zusammenhang zwischen Sehschärfe und Abstand vom fovealen
Wahrnehmungsbereich (nach Birbaumer und Schmidt 1989, S. 364).
Das Sehfeld entspricht somit dem fovealen Wahrnehmungsbereich des Auges. Der foveale Wahrnehmungsbereich (Rohr 1988, S. 29; Wandmacher 1993, S. 23) deckt bei einer
normalen Distanz von 30 – 60 cm nur einen Bereich von ca. 4 – 5 cm im Durchmesser ab
(Krueger und Felix 1993). Da nur in diesem kleinen Bereich scharf wahrgenommen
werden kann, ist es leicht verständlich, dass für die Zusammenlegung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum sehr enge Grenzen gesetzt sind.
Erst wenn es gelingt, den Wahrnehmungs- und Aktionsraum raumzeitlich sinnvoll
zusammenzubringen, wird sich die Qualität von Benutzungsoberflächen weiter verbessern. Wir haben uns daher entschlossen, eine Untersuchung durchzuführen, welche
uns Aufschluss darüber geben kann, ob z.B. die Aufteilung eines handelsüblichen Bildschirmes in die nach DIN 66 234 Teil 3 vorgesehenen vier Bereiche (siehe Abbildung
8.3.2) sinnvoll ist. Nach den Ergebnissen von Mackworth (1976) scheint dies eher zweifelhaft. Leider hat sich die in Abbildung 8.3.2 vorgesehene Bildschirmaufteilung bis in
die neuere Literatur erhalten (z.B. Mayhew 1992, S. 467)
183
8 Validierung der Meßkriterien
Kennzeichnungsbereich
Arbeitsbereich
Steuerungsbereich
Meldebereich
Abbildung 8.3.2
8.3.1.
Maskenaufteilung nach DIN 66 234 Teil 3.
Methodisches Vorgehen
Um die Auswirkungen bei einem Auseinanderfallen von Wahrnehmungs- und Aktionsraum zu überprüfen, führten wir ein Signalentdeckungsexperiment durch (Rauterberg et
al. 1992). Der Wahrnehmungs- und der Aktionsraum wird durch die Aufgabenstellung
festgelegt. Bei einem handelsüblichen Bildschirm mit der entsprechenden Aufteilung
(siehe Abbildung 8.3.2) besteht das Orientierungsproblem, die Rückmeldungen im Meldebereich rechtzeitig entdecken zu können, auch wenn der primäre Aufmerksamkeitsfokus nicht zufällig in der Nähe des Meldebereiches liegt. Der primäre Aufmerksamkeitsfokus des Benutzers ist immer dort, wo er gerade auf dem Bildschirm aktiv ist. Der Wahrnehmungsraum bezieht sich dann auf alle Stellen des Bildschirmes, an denen aufgabenrelevante Informationen zusätzlich dargeboten werden.
Auftreten
Kreise + Signal
(X oder Quadrat)
Kreise
0
500
1000
Zeit (ms)
Abbildung 8.3.1.1 Das linke Bild zeigt eine mögliche Stimulusanordnung des Signalentdeckungsexperimentes. Das rechte Bild gibt den zeitlichen Verlauf der Darbietung der
Signale wieder.
Die primäre Aufgabe der Testpersonen laut schriftlicher Instruktion bestand darin, die zufällig in einem der vier Bildschirmquadranten (14 Zoll Bildschirmdiagonale) dargebotenen
184
Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3
Kreise zu zählen (Aktionsraum bzw. primärer Aufmerksamkeitsfokus). Für diese Aktion
hatten sie 1000 ms Zeit. Nach 500 ms Darbietungsdauer erschien irgendwo auf dem Bildschirm entweder ein X (8 mm * 8 mm, im folgenden auch Target genannt) oder ein
Rechteck (8 mm * 8 mm, im folgenden auch Non-Target genannt) oder es wurde kein
Stimulus präsentiert (siehe Abbildung 8.3.1.1). Der Abstand des jeweiligen Stimulus im
Wahrnehmungsraum wurde variiert: Innerhalb des Aktionsraumes (0 Zoll), direkt angrenzend ( 0 bis 3 Zoll), mittlere Entfernung (3 bis 6 Zoll), grosse Entfernung (6 bis 9 Zoll).
Die Darbietungsbedingungen mit den beiden Stimuli wurde für alle vier Abstandsbedingungen und für alle vier Bildschirmquadranten durchgetestet. Die Darbietung ohne Stimulus wurde lediglich für die vier Bildschirmquadranten getestet. Es ergeben sich insgesamt
36 verschiedene Testbedingungen (Masken) pro Testperson.
8.3.2.
Beschreibung der Testpersonen
An dieser Untersuchung nahmen elf weibliche und acht männliche Personen teil (N=18).
Davon waren 12 Personen SchülerInnen bzw. StudentenInnen im Alter zwischen 15 und
30 Jahren, sowie sechs berufstätige Testpersonen im Alter zwischen 31 und 60 Jahren.
Die Sehschärfe aller Personen war normal bzw. durch entsprechende Sehhilfen korrigiert.
Ca. 35% aller Personen hatten keine, die anderen mittlere bis viel EDV-Erfahrung.
8.3.3.
Ablauf der Untersuchung
Die folgenden drei Messgrössen wurden erhoben: (1.) KA steht für Kreisabweichung
[die Differenz zwischen dargebotenen und gezählten Kreisen] als Gütemass der primären
Aufgabe im Aktionsraum, (2.) TA steht für Targetabweichung [die Differenz zwischen
dargebotenem und wahrgenommenem Target] als Gütemass der sekundären Aufgabe im
Wahrnehmungsraum und (3.) FR steht für Fehlerrate als globales Gütemass für die Signalerkennung (siehe Tabelle 8.3.4.1).
KA = |#KREISEgezählt – #KREISEdargeboten| * 100% / #KREISEdargeboten
(1)
TA = |#Xentdeckt – #Xdargeboten|
FR = (b + c) / (a + d) * 100%
8.3.4.
(2)
(3)
Beschreibung der Testaufgaben
Die primäre Aufgabe jeder Testperson bestand darin, möglichst genau auszuzählen, wieviel Kreise auf dem Bildschirm zu sehen waren. Wenn sie zusätzlich ein X irgendwo auf
dem Bildschirm entdecken sollte, so sollte sie mit 'Ja' antworten; jede Testperson sprach
nach jeder Maskendarbietung die Anzahl gezählter Kreise laut aus und zusätzlich ein 'ja'
oder ein 'Nein'. Diese Angaben wurden vom Testleiter protokolliert.
185
8 Validierung der Meßkriterien
Tabelle 8.3.4.1 Die Signalentdeckungstabelle mit den vier verschiedenen Testbedingungen.
Antwort
der Test
person
NEIN
JA
NON-TARGET
(nichts oder
Rechteck)
a
TARGET X
dargeboten
c
b
d
Es ergeben sich vier verschiedene Möglichkeiten (siehe Tabelle 8.3.4.1): (a) Es wurde
kein X (nichts oder Non-Target) dargeboten und die Testperson antwortet korrekt mit
'nein'; (b) es wurde ein Target (X) dargeboten und sie antwortet fälschlicherweise mit
'nein'; (c) es wurde kein X (nichts oder Non-Target) dargeboten und sie antwortet fälschlicherweise mit 'ja'; (d) es wurde ein Target (X) dargeboten und sie antwortet korrekt mit
'ja'. Zu der Situation (c) kann es kommen, wenn die Testperson das Non-Target mit dem
Target verwechselt oder aber ein Target frei erfindet, selbst wenn kein Rechteck gezeigt
worden war. In der Situation (b) hat sie das Target vollständig übersehen. Nur in der
Situation (d) hat sie es korrekt identifiziert. Für die Überprüfung unserer Annahme ist das
Verhalten der Testpersonen in Situation (b) von besonderer Bedeutung.
8.3.5.
Darstellung der Ergebnisse
Da wir in der Testbedingung (c) (kein Stimulus, N=76) keinen einzigen 'falschen Alarm'
beobachten können, werden wir für die weitere Auswertung diese Fälle ausschliessen
und erhalten somit ein vollständig ausbalanciertes Testdesign. Alle anderen Testbedingungen (N=608, mit dem Target X oder dem Non-Target Rechteck) werden mit einer dreifaktoriellen Varianzanalyse ausgewertet.
Tabelle 8.3.5.1 Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'Kreisabweichung KA' (Messwiederholung).
Source 'Kreisabweichung KA'
dF
F1: Bildschirmquadrant
F2: Targetbedingung
F3: Abstandsbedingung
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Wechselwirkung F1 ⊗ F3
Wechselwirkung F2 ⊗ F3
Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3
Fehlerterm
3
1
3
3
9
3
9
576
186
Mean Square
203,67
0,75
83,73
39,72
99,80
24,82
29,70
78,80
F-Test
2,585
0,010
1,063
0,504
1,267
0,315
0,377
–
P (2-tail)
,052
,922
,364
,680
,252
,815
,946
Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3
Für das Mass KA (Kreisabweichung) sind die beiden Haupteffekte Targetbedingung (F2)
und Abstand (F3) nicht signifikant (siehe Tabelle 8.3.5.1). Der Haupteffekt Bildschirmquadrant (F1) ist jedoch tendenziell signifikant (p ≤ ,052; siehe Tabelle 8.3.5.1).
I
II
KA=6.1%
KA=6.9%
III
KA=6.8%
KA = 4.4%
IV
Abbildung 8.3.5.1 Ergebnisse der durchschnittlichen Kreisabweichung KA für die vier
Bildschirmquadranten (siehe dazu Tabelle 8.3.5.1).
In der Abbildung 8.3.5.1 sehen wir, dass die wenigsten Fehler beim primären Aufgabenbearbeitungsprozess im Bildschirmquadrant IV (rechts unten) auftreten, wenn das 'Störsignal' (Target bzw. Non-Target) links oberhalb des Aktionsraumes erscheint. Aus
diesem Ergebnis können wir schlussfolgern, dass zusätzliche aufgabenrelevante Rückmeldungen dann am wenigsten auf den primären Aufgabenprozess störend einwirken,
wenn sie links oberhalb des primären Aufmerksamkeitsfokus erscheinen. Dies kann
daran liegen, dass Blickbewegungen nach links oben am stärksten routinisiert sind und
ohne zusätzliche Inanspruchnahme von höheren kognitiven Ressourcen blitzschnell realisiert werden können.
Die varianzanalytischen Ergebnisse der Messgrösse TA für die sekundäre Aufgabe
(Signalentdeckung) ergeben keine signifikanten Unterschiede für die Haupteffekte Bildschirmquadrant (F1) und Targetbedingung (F2). Es zeigt sich jedoch wie erwartet eine
signifikante Abhängigkeit vom Abstand (Faktor F3: TA0= 6%, TA3= 11%, TA6= 27%,
TA9= 43%; p ≤ ,001; siehe Tabelle 8.3.5.2). Dieser Befund bedeutet, dass mit zunehmender Entfernung vom primären Aufmerksamkeitsfokus die Erkennungsleistung für zusätzliche Rückmeldungen abnimmt.
Die signifikante Wechselwirkung F2 ⊗ F3 (p ≤ ,032; siehe Tabelle 8.3.5.2) besagt,
dass diese Entdeckungsfehler noch zusätzlich von der Targetbedingung (kein Stimulus
oder Rechteck) abhängt. Die Benutzer haben bei der weitesten Entfernung von über 22
187
8 Validierung der Meßkriterien
cm signifikant mehr Probleme das Target überhaupt zu entdecken (TA22,5cm;X-Stimulus =
51%) als das Non-Target fälschlicherweise als Target zu interpretieren (TA22,5cm;Rechteck
= 34%).
Tabelle 8.3.5.2 Ergebnisse der drei-faktoriellen Varianzanalyse für die Messgrösse
'Targetabweichung TA' (Messwiederholung).
Source 'Targetabweichung TA'
dF
F1: Bildschirmquadrant
F2: Targetbedingung
F3: Abstandsbedingung
Wechselwirkung F1 ⊗ F2
Wechselwirkung F1 ⊗ F3
Wechselwirkung F2 ⊗ F3
Wechselwirkung F1 ⊗ F2 ⊗ F3
Fehlerterm
3
1
3
3
9
3
9
576
Mean Square
0,06
0,13
4,28
0,31
0,16
0,44
0,10
0,15
F-Test
0,40
0,90
29,00
2,09
1,06
2,95
0,69
–
P (2-tail)
,755
,343
,001
,100
,390
,032
,714
Wie wir aus der Abbildung 8.3.5.2 entnehmen können, steigt die Fehlerrate FR ab einer
Entfernung von 15 cm dann überproportional an, wenn eine irrelevante Rückmeldung
(Rechteck) erfolgt. Dies Ergebnis bestätigt und veranschaulicht das Resultat der Messgrösse TA aus der signifikanten Wechselwirkung F2 ⊗ F3 (siehe Tabelle 8.3.5.2).
Fehlerrate FR (in %)
40
[X] vs [kein Stimulus oder Rechteck]
[X] vs [kein Stimulus]
30
20
10
0
0
7,5
15
22,5
Abstand (cm)
Abbildung 8.3.5.2 Die Ergebnisse der Fehlerrate FR abgetragen gegen den Abstand
zwischen primärem Aufmerksamkeitsfokus und Target.
188
Wahrnehmungs- und Aktionsraum 8.3
8.3.6.
Fazit für die Gestaltung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum
Was können wir insgesamt aus dieser Untersuchung für die Plazierung von aufgabenrelevanten Rückmeldungen auf dem Bildschirm entnehmen? Es ergeben sich zwei wesentliche Resultate:
(1.)
Je näher die Rückmeldung im Wahrnehmungsraum beim primären Aufmerksamkeitsfokus im Aktionsraum plaziert wird, desto besser ist ihre Erkennbarkeit;
(2.)
wenn die Rückmeldungen links oberhalb des primären Aufmerksamkeitsfokus
plaziert werden, dann haben sie einen minimal störenden Einfluss auf den primären Aufgabenbearbeitungsprozess.
Zu genau den selben Ergebnissen gelangte auch – unabhängig von unserer Untersuchung
– Haubner (1993), indem er zeigen konnte, dass variable Plazierung von Ausgabefenstern in der Nähe des primären Aufmerksamkeitsfokus die Erkennungsleistung um 40%
verbesserte. Philipsen (1992) konnte ebenfalls ein Absinken der Suchleistung bzgl. CADMenüoptionen mit zunehmender Entfernung vom Fixationspunkt feststellen. Feste Positionen für Felder mit aufgabenrelevanten Rückmeldungen sollten daher vermieden werden. Diese Ergebnisse sprechen eindeutig gegen die Gestaltungsempfehlung in der DIN
66 234 Teil 3 und sind ein weiterer Beleg für die Forderung von Moll und Ulich (1988)
nach einschlägigen experimentellen Untersuchungen.
Bleibt noch die Frage offen, woran erkennt das interaktive System, wo sich der Aktionsraum des Benutzers aktuell gerade auf dem Bildschirm befindet? Wir sind daher in
einer weiteren Untersuchung der Hypothese nachgegangen, ob der primäre Aufmerksamkeitsfokus (die aktuelle Blicklinie gemessen über eine Blickbewegungskamera) mit der
Position des Mauszeigers auf dem Bildschirm überzufällig häufig zusammenfällt (Rauterberg und Cachin 1993). Dies konnten wir für all diejenigen Fälle bestätigen, bei denen
Mausaktivitäten für die primäre Aufgabe notwendig sind. In diesen Fällen ist die Mausposition ein hinreichend guter Indikator für den primären Aufmerksamkeitsfokus auf dem
Bildschirm!
Wir werden auf die hier vorgestellten Ergebnisse im Abschnitt 10.1 nochmals eingehen und die Auswirkungen auf die Bildschirmgestaltung anhand von einem konkreten
Beispiel diskutieren.
189
9
DER GESTALTUNGSBEREICH DER
ANWENDUNGSKOMPONENTE
In diesem Abschnitt geht es um die Gestaltung der Anwendungskomponente hinsichtlich
der aufgabenbezogenen Funktionalität. Eine der wichtigsten Gestaltungsrichtlinien ist –
als eine der notwendigen Voraussetzungen – die Vollständigkeit der Funktionalität. Diese
Richtlinie hat daher auch seinen Niederschlag in den verschiedenen Bewertungs- und Gestaltungskonzepten gefunden:
• Vollständigkeit der Funktionen (Zehnder 1986);
• Funktionserfüllung (Becker, Haberfellner und Liebetrau 1990).
Zusätzlich wird – für die Art und Weise des Umgangs mit dem technischen System – die
handlungsgerechte Aufgabengestaltung gefordert. Wie die Arbeitsaufgabe im einzelnen zu
gestalten ist, wird durch die Inhalte der folgenden Anforderungen festgelegt:
• Ganzheitlichkeit der Handlung (Ulich 1991, 1992, 1994);
• Aufgabenangemessenheit (VDI-Richtlinie 5005 1990).
9.1
9.1.1
Q UALITATIVE A SPEKTE DER A NWENDUNGSFUNKTIONALITÄT
Funktionale Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen
Um die Anwendungsfunktionalität qualitativ beschreiben zu können, gehen wir zunächst
davon aus, dass die benötigte Funktionalität im Pflichtenheft bzw. in der Dokumentation
vollständig beschrieben vorliegt. Der Benutzer ist im Rahmen seiner individuellen Aufgabenbearbeitungsweisen zunächst daran interessiert, in dem jeweiligen Dialogkontext alle
für den aktuellen Bearbeitungszustand notwendigen Informationen (aktuelle und potentielle Transparenz; siehe Abschnitt 2.2.3) und alle anwendungsbezogenen Funktionen zur
Verfügung zu haben. Sollte ihm eine benötigte Anwendungsfunktion fehlen, so hiesse es
im Sinne der funktionalen Direktheit, dem Benutzer die Möglichkeit an die Hand zugeben, den aktuellen Dialogkontext mit dieser benötigten Funktion anzureichern (siehe Abbildung 9.1.1). Dieser Aspekt ist somit explizites Gestaltungsziel der Dialogkomponente
hinsichtlich der Anbindung von Anwendungsfunktionalität bei individualisierbaren Benutzungsoberflächen (Ulich et al. 1991).
Direktheit im Sinne der funktionalen Direktheit heisst, alle aufgabenbezogenen
Funktionen dem Benutzer im aktuellen Dialogkontext adäquat repräsentational zur Verfügung zu stellen. Hutchins, Hollan und Norman (1986) sprechen auch in diesem Zusammenhang von der 'semantischen Direktheit'.
191
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
aktueller
Dialogkontext (D)
E/A-Schnittstelle
Repräsentation des
Zustandsraumes(Menge
aller passiven Repräsentationsformen)
A.Funktion-1
A.Funktion-2
repräsentationaler
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt
(WAFIP)
A.Funktion-3
A.Funktion-4
repräsentationaler
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(WDFIP)
A.Funktion-5
A.Funktion-6
dialogfunktionaler
Interaktionspunkt
(VDFIP)
AnwendungsKomponente
D.F1
D.F2
D.F3
D.F4
Dialog-Komponente
Abbildung 9.1.1
anwendungsfunktionaler
Interaktionspunkt (VAFIP)
Verlagerung eines WAFIPe
auf die oberste Dialogeben
Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte.
Die Vergrösserung dieser Direktheit führt dann zu einer Verringerung des Hierarchisierungsgrades HG. Für die Erreichung einer grossen Direktheit gibt es verschiedene Gestaltungsweisen: (1.) Es wird vom System bereits vorgegeben, (2.) der Benutzer kann
aus vorgegebenen Möglichkeiten auswählen ('configuration sets'), (3.) der Benutzer
konfiguriert sich den aktuellen Dialogkontext jeweils mit den gewünschten Funktionen
selbst, oder (4) die Anpassung erfolgt automatisch durch das System (Debevc et al.
1994).
Der Nachteil einer jeden Anpassung der Oberfläche durch den Benutzer ist durch
den zusätzlichen Interaktionsaufwand gegeben. Wünschenswert wäre sicherlich, den
Umfang der Dialogfunktionalität auf ein Minimum zu beschränken, um dem Benutzer den
Zugang zu der benötigten Anwendungsfunktionalität so direkt als möglich zu gestatten.
Bei einer Anpassung durch das System benötigt der Benutzer eine ausreichende Kontrolle
über diesen Vorgang.
Abbildung 9.1.2
Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes
MacWORD™ ohne direkt zugreifbare Funktionalität.
192
Qualitative Aspekte 9.1
Schauen wir uns die Möglichkeiten dieses Gestaltungsaspektes an dem konkreten Beispiel des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ an. Bei der Textbearbeitung kann
sich der Benutzer die benötigte Funktionalität zunächst nur über die verschiedenen Menüoptionen der jeweiligen Pull-down-Menüs holen (Abbildung 9.1.2).
Abbildung 9.1.3
Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit dem Lineal als direktem Zugriff auf Funktionen zur Absatzformatierung.
Menübäume führen in der Regel zu dem Navigationsproblem: Wo ist die gesuchte Operation? Zur Minderung dieses Problems wurde diese Oberfläche in ihrer ersten Version mit
einem Lineal ausgestattet, über das der Benutzer grundlegende Formatierungsoperationen
für einen Absatz (z.B. Breite, Tabulatoren usw.) im aktuellen Dialogkontext durch anklicken direkt ausführen konnte (Abbildung 9.1.3).
Abbildung 9.1.4
Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit Lineal und Formatierungsleiste, über die der Benutzer neben Absatz- und
Zeichen- auch Tabellen- und Grafikfunktionalität direkt auslösen kann.
Später kam dann die Formatierungs- (Abbildung 9.1.4) und die Funktionsleiste (Abbildung 9.1.5) hinzu, in der dem Benutzer eine ganze Reihe von oft benötigten Anwendungsfunktionen direkt im aktuellen Dialogkontext zur Verfügung gestellt werden. Diese
193
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
Verlagerung von Anwendungsfunktionen (AFIP) hinein in den aktuellen Dialogkontext
(Abbildung 9.1.1) führt – wie bereits erwähnt – zwangsläufig zu einer Reduktion des
Hierarchisierungsgrades HG, welchen wir mit dem in dieser Arbeit enwickelten Mass exakt messen können (siehe Abschnitt 7.3.1).
Abbildung 9.1.5
Bildschirmausschnitt des Textverarbeitungsprogrammes MacWORD™ mit Lineal, Formatierungsleiste und Funktionsleiste, welche dem Benutzer
häufig benutzte Funktionen im aktuellen Dialogkontext direkt zur Verfügung stellen.
Um diese Art der Oberflächenanpassung zu ermöglichen, wurde eine Reihe verschiedener
Menütechniken entwickelt: Abreissmenü (tear-off menu bzw. push-pin menu), Palette
(toolbox), sowie allgemein "stehende Menüs" (Zeidler und Zellner 1992, S. 69ff.).
Funktionsobjekte können als ein verallgemeinerter Ansatz dieses Gestaltungszieles gelten.
Der 'Papierkorb' bei einer Desktopoberfläche ist wohl eines der bekanntesten Funktionsobjekte zum Löschen, welches der OF-Struktur entspricht (siehe Abschnitt 5.1). Der 'Radiergummi' bei pixelorientierten Zeichenprogrammen ist ein Funktionsobjekt, welches
der FO-Struktur zugeordnet werden kann. Bannert (1991) konnte zeigen, dass beide Interaktionsarten gleichschnelle Aufgabenbearbeitungen ermöglichen, wenn auch über 90%
der Benutzer eine subjektive Präferenz bezüglich der OF-Struktur angaben.
9.1.2
Funktionale Vollständigkeit
Neben der interaktiven Direktheit bzgl. der Anwendungsfunktionen hat sich die Vollständigkeit als bedeutsame Gestaltungsrichtlinie ergeben. Art und Umfang der automatisierten
Funktionen wird im Rahmen der Mensch-Computer Funktionsteilung festgelegt. Wir
werden diesen Aspekt hier nicht weiter ausarbeiten (siehe dazu mehr bei Diaper 1989,
Beck und Ilg 1991, Beck 1993, Grote 1994). Anzumerken bleibt, dass eine Strategie für
194
Qualitative Aspekte 9.1
die Mensch-Computer Funktionsteilung, die von vornherein auf vollständige Automatisierung abzielt, früher oder später scheitern muss.
aktueller
Dialogkontext (D)
E/A-Schnittstelle
anwendungsbezogen funktionaler
Interaktionspunkt (VAFIP)
Funktionalität-1
Repräsentation des
Zustandsraumes
(ZR)
Funktionalität-2
Funktionalität-3
Funktionalität-4
repräsentationaler
Interaktionspunkt (WDFIP)
Funktionalität-5
Funktionalität-6
dialogbezogen
funktionaler
Interaktionspunkt (VDFIP)
AnwendungsKomponente
F1 F2
F3
F4
F5
Dialog-Komponente
Dialogkontext-immanente
Zusammenfassung von AFIPs
Dialogkontext-übergreifende
Zusammenfassung von AFIPs
Ergänzung fehlender AnwendungsFunktionalität
Abbildung 9.1.6
Schematische Aufteilung der Benutzungsoberfläche in die dialogund die anwendungsbezogenen Interaktionspunkte. Ein aufgabengerechter Granulationsgrad heisst, diese Funktionen dem Benutzer in dem aktuellen Dialogkontext aufgabenangemessen repräsentational zur Verfügung zu stellen.
Ausschlaggebend für eine aufgabenorientierte Gestaltung ist neben der Vollständigkeit der
Funktionen – diese wird als gegeben vorausgesetzt –, der Grad der Auflösung bzw. Granulation der implementierten Anwendungsfunktionen. So liesse sich z.B. bei einem Textverarbeitungssystem die Menge der Buchstaben mit verschiedenen Schrifttypen durch die
Funktionalität eines Fonteditors 'vollständig' abdecken; bei dieser Lösung besteht also ein
sehr hoher Auflösungs- bzw. Granulationsgrad für diesen Bereich der Anwendungsfunktionalität. Um mit einem derartigen Textverarbeitungssystem jedoch einen Text zu erstellen, hiesse, dem Benutzer einen enormen interaktiven Aufwand abzuverlangen, bis er
auch nur einen einzigen Buchstaben 'zu Papier' gebracht hätte. Jeder Buchstabe müsste
nämlich zuvor mit dem Fonteditor einzeln 'von Hand' erstellt werden. Dies ist zugegeben
ein extremes Beispiel, aber generell lässt sich sagen, dass die Frage nach dem adäquaten
Granulationsgrad der Basisfunktionalität ein ernst zunehmender Aspekt der Gestaltung
der Anwendungsfunktionalität darstellt.
195
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
Die Wahl des geeigneten Granulationsgrades lässt sich am besten durch eine Analyse der Arbeitsaufgabe bestimmen. Dabei spielt die Zuordnung der Systemfunktionen zu
der primären Regulationsebene der Aufgabe eine entscheidende Rolle (siehe Abbildung
2.1.2 und Tabelle 3.2.1). Je höher die primäre Regulationsebene ist, desto geringer sollte
der Granulationsgrad sein. Ein 'Abstieg' auf Systemfunktionen mit höherem Granulationsgrad sollte nur dann notwendig sein, wenn die ursprüngliche Arbeitsaufgabe sich geändert (z.B. erweitert) hat, und diese Änderung eine Systemanpassung notwendig werden lässt. Danach sollte der Benutzer wieder auf seinen ursprünglichen Granulationsgrad
zurückkehren können. Wichtig ist, dass der Benutzer ein integraler Bestandteil der interaktiven Dialogschleife bleibt. Dies verhindert, dass er zunehmend aus der Interaktion ausgegrenzt wird, und – als Folge davon – lediglich Überwachungstätigkeiten für ihn
übrigbleiben.
Auf der einen Seite scheint es im Sinne der anwendungsbezogenen Flexibilität sinnvoll, eine möglichst allgemeine Lösung der zu implementierenden Basisfunktionalität anzustreben (dies läuft auf einen hohen Granulationsgrad hinaus), auf der anderen Seite
steht dies im Gegensatz zu der Produktivität des Benutzers in seinem konkreten Aufgabenkontext. Um hier Abhilfe schaffen zu können, wird oft die Möglichkeit der Bildung
von Makros dem Benutzer zur Verfügung gestellt (Zusammenfassung von AFIPen; siehe
Abbildung 9.1.6). Nun kann sich der Benutzer seine Basisfunktionen mit dem von ihm
gewünschten Granulationsgrad selbst zusammenstellen (z.B. das Pipe-Konzept bei
UNIX™, die Batchfiles bei MsDOS™ usw.).
9.1.3
Anwendungsbezogene Flexibilität
Die Richtlinie 'Flexibilität' lässt sich auf die Gestaltung der Anwendungskomponente in
soweit umsetzen, als es sich hierbei um den Aspekt der Permutation der einzelnen Anwendungsfunktionen handelt. Worum geht es dabei? Der Benutzer hat zur Erledigung
seiner jeweiligen Aufgaben das Problem, für ein ausgewähltes Anwendungsobjekt – ausgehend von dessen Ausgangszustand im Bezug auf einen gesetzten Zielzustand – die adäquate Abfolge der zur Verfügung stehenden Anwendungsfunktionen auszuwählen.
Wenn der Benutzer diese Abfolge der einzelnen Anwendungsfunktionen in einer permutierten Reihenfolge vornehmen und somit unterschiedliche Wege zur Zielerreichung beschreiten kann, dann zeichnet sich das interaktive System durch einen hohen Grad an anwendungsbezogener Flexibilität aus. Verdeutlichen wir diesen Aspekt der Permutation an
einem einfachen Beispiel.
In einem Textverarbeitungssystem sei dem Benutzer die Anwendungsfunktion 'Erstellen eines Inhaltsverzeichnisses' gegeben. In den meisten Textverarbeitungssystemen
196
Qualitative Aspekte 9.1
(z.B. MacWORD) macht diese Anwendungsfunktion jedoch tatsächlich, also aufgabenbezogen erst am Ende der Erstellung eines längeren Textes einen Sinn. Dies liegt darin begründet, dass die relevanten Eigenschaften (Seitenzahlen, Art und Anzahl der Kapitelüberschriften) erst am Ende vollständig vorliegen, so dass das System nur noch diese Angaben aus dem Text heraussuchen und zu dem Inhaltsverzeichnis zusammentragen muss.
Wird diese Anwendungsfunktion zu einem früheren Zeitpunkt ausgelöst, so läuft der Benutzer Gefahr, dass – durch seine weiteren Bearbeitungsschritte in dem Text – das Inhaltsverzeichnis rasch veraltet und er es vor dem Ausdruck erneut aktualisieren muss. Ein
anderes Textverarbeitungssystem, welches jedoch die aktuellen Angaben (Seitenzahl, Kapitelnummer usw.) automatisch selbständig aktualisiert, nachdem irgend wann einmal der
Benutzer seinen Wunsch nach einem Inhaltsverzeichnis dem System mitgeteilt hat, wäre
somit flexibler. Die grobe Bearbeitungsstruktur 'Erstellen', 'Bearbeiten', 'Korrektur',
'Inhaltsverzeichnis erstellen' und 'Ausdrucken' könnte auch wie folgt aussehen: 'Erstellen', 'Bearbeiten', 'Inhaltsverzeichnis erstellen', 'Korrektur' und 'Ausdrucken'. Die
beiden Bearbeitungsschritte 'Korrektur' und 'Inhaltsverzeichnis erstellen' wären permutabel. Eine derartige Vertauschung von 'Korrektur' und 'Inhaltsverzeichnis erstellen' soll
Transposition heissen. Ein Textverarbeitungssystem dagegen, welches dem Benutzer gegenüber den Zeitpunkt für das Anlegen des Inhaltsverzeichnisses offen lässt, aber dann
eine entsprechende automatische Aktualisierung nicht durchführt und auch vor dem 'Ausdrucken' nach einer weiteren Textkorrektur keinen Hinweis auf das möglicherweise veraltete Inhaltsverzeichnis ausgibt, wäre 'pseudo-flexibel' und damit eher verwirrend.
Die meisten traditionellen interaktiven Systeme sind im Bezug auf die Anzahl und
Art der Anwendungsfunktionen festgelegt. Es wird im Rahmen der Schnittstellengestaltung zwar ein grosses Augenmerk auf die Variabilität und Individualisierbarkeit der Interaktionsoperatoren gerichtet, aber die eigentlich wichtigen Anwendungsfunktionen werden
häufig aus der Betrachtung ausgegrenzt. Hier gilt es, den Benutzer bei der Auswahl und
individuellen Anpassung auch dieser Anwendungsfunktionen zu unterstützen. Wir
nennen diesen Aspekt die 'Erweiterbarkeit' der Anwendungskomponente.
Eine anwendungsbezogene 'Algorithmenlibrary', aus welcher der Benutzer sich für
sein jeweiliges Problem den passenden Satz an Anwendungsfunktionen zusammenstellen
kann, würde hier für adäquate Abhilfe sorgen (siehe z.B. Abbildung 7.2.3). Meistens
wird dieser Aspekt indirekt erwähnt, wenn es um die Möglichkeit zur Makrobildung von
Funktionen geht. Das System stellt dem Benutzer eine Sammlung von Basisfunktionen
zur Verfügung, die der Benutzer seiner Aufgabenstellung entsprechend zu Makros zusammenfassen bzw. in einem Dialogkontext vereinen kann.
197
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
Ein interessantes Beispiel für das hier vorgeschlagene Konzept der Algorithmenlibrary ist in dem Softwarepaket LabView™ realisiert. Dort kann sich der Benutzer die für
seine konkrete Aufgabenstellung – in diesem Fall Messwerterfassung und Auswertung –
erforderlichen Anwendungsumgebungen selbst aus einer umfangreichen Menge von Anwendungsfunktionen auswählen und zusammenstellen. Moderne Softwaretechnologien
wie objektorientierte Programmierung mit Konzepten für OLE (Object Linking und Embedding von Microsoft) weisen ebenfalls eindeutig in diese Richtung.
Der Aspekt der 'Erweiterbarkeit' ist zunächst nur auf die individuelle Handhabungsebene mit dem interaktiven System beschränkt. Bei traditioneller Software hat jedoch der
Benutzer keine Möglichkeit zur anwendungsfunktionalen Erweiterung. Hier setzt die Gestaltungsrichtlinie 'Partizipation' an. Erst in einer grösseren Rückkopplungsschleife kann
der Benutzer über den Softwarehersteller selbst auf eine Erweiterung der von ihm benötigten Anwendungsfunktionalität Einfluss nehmen. Dieser Aspekt geht jedoch über den
für diese Arbeit gesteckten Rahmen hinaus und wird an anderer Stelle diskutiert (Ackermann 1987, S. 226ff; Spinas, Waeber und Strohm 1989; Rauterberg et al. 1994b).
9.2
Q UANTITATIVE M ASSE FÜR DIE A NWENDUNGSFUNKTIONALITÄT
Um ein Mass für die funktionale Vollständig quantitativ angeben zu können, muss zwischen der Funktionalität laut Pflichtenheft (als Ergebnis der Mensch-Computer Funktionsteilung) und der tatsächlich implementierten Funktionalität unterschieden werden.
Diese Aufteilung ist jedoch nicht immer strikt gegeben, weil sie in dem Spannungsfeld
des kommunikativen Problembereiches der Anwender-Entwickler Kommunikation liegt.
Hier sollen die Verfahren zum direkten Benutzereinbezug in den Entwicklungsprozess
selbst – unterstützt durch Prototyping usw. – Abhilfe schaffen (Rauterberg 1992a, Rauterberg et al. 1994b).
Sei jedoch die Mensch-Computer Funktionsteilung adäquat vorgenommen, so lässt
sich z.B. die funktionale Vollständigkeit als prozentuales Verhältnis zwischen vorgesehener und implementierter Funktionalität berechnen. Natürlich sollte dieses Mass FuVo stets
zu 100% erfüllt sein; leider hat es sich in der Praxis gezeigt, dass dies nicht immer der
Fall ist (Melzer 1989, S. 117). Inwieweit sich dieses Mass tatsächlich praktisch einsetzen
lässt, bleibt vorerst unberücksichtigt. Vielmehr wollen wir daran aufzeigen, dass auch
diese Aspekte durchaus quantifizierbar sind. Die Ergebnisse einer Function-point-Analyse
(Symons 1988) bzw. Data-point-Analyse (Sneed 1991) können eventuell als Grundlage
für die Berechnung von FuVo herangezogen werden.
198
Quantitative Aspekte 9.2
(Definition der FUNKTIONALEN VOLLSTÄNDIGKEIT)
FuVo
=
#VAFIP / #FVAFIP 100%
FuVo
#VAFIP
absolutes Mass für die funktionale Vollständigkeit;
Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, wie sie insgesamt in der zu bewertenden Implementation
vorliegen;
#FVAFIP Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, wie sie in der Mensch-Computer Funktionsteilung im
Pflichtenheft vor der Implementierung festgelegt worden sind.
Kehren zu dem konkreten Softwareprodukt zurück. Ein interaktives Programm ist dann
besonders funktional direkt, wenn das Verhältnis zwischen Anzahl Anwendungsfunktionen und Anzahl Dialogfunktionen pro Dialogkontext zugunsten der Anwendungsfunktionen ausfällt. Dieses Mass macht jedoch nur dann wirklich Sinn, wenn die Anwendungsfunktionalität auch tatsächlich für die gegebene Aufgabenbearbeitung vollständig vorhanden ist. So fordern denn auch Spinas, Troy und Ulich (1983, S. 61), dass "anhand des
Bildinhaltes vollständige Arbeitsschritte möglich sein sollten." Um uns der Abschätzung
der funktionalen Direktheit quantitativ zu nähern, beschränken wir uns zunächst einmal
nur auf die Anzahl der vorhandenen Dialog- und Anwendungsfunktionen und gehen stillschweigend davon aus, dass die Angemessenheit der vorhandenen Anwendungsfunktionalität in der Phase der Mensch-Computer Funktionsteilung adäquat berücksichtigt worden ist. Das folgende Mass für die relative funktionale Direktheit (RFuDi) misst den prozentualen Anteil der Anwendungsfunktionen an allen aktuell zur Verfügung stehenden
Funktionen.
(Definition der relativen FUNKTIONALEN DIREKTHEIT)
K
RFuDi
= 1/K
Σ
d=1
#VAFIPd / (#VDFIPd + #VAFIPd) 100%
RFuDi
relatives Mass für die funktionale Direktheit;
#VAFIPk Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext k;
#VDFIPk Anzahl an Interaktionspunkten bezüglich der Dialogfunktionen
pro Dialogkontext k;
K
Anzahl an Dialogkontexten der Oberfläche.
199
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
Wenn wir dieses Mass RFuDi auf die in dieser Arbeit weiter oben beschriebenen Oberflächen anwenden, erhalten wir die Ergebnisse in Tabelle 9.2.1. Wie man unschwer erkennen kann, diskriminiert RFuDi nicht ausreichend zwischen den verschiedenen Oberflächen. Wenn sich Unterschiede in den Kennwerten zeigen (z.B. beim multimedialen Informationssystem), dann haben diese keinen Niederschlag in den empirischen Vergleichsstudien. Wir können daher weitgehend ausschliessen, dass die Kennwerte gemäss RFuDi
für die empirisch beobachtbaren Unterschiede herangezogen werden können.
Tabelle 9.2.1
Ergebnisse der Masse RFuDi (Kennwert ± Standardabweichung) für
alle empirisch untersuchten Oberflächen dieser Arbeit [K = Anzahl Dialogkontexte, F =
Anzahl Funktionen].
Oberfläche
CUI-Oberfläche des DBMS
GUI-Oberfläche des DBMS
multimediale Oberfläche: hierarchisch
multimediale Oberfläche: netzartig
CUI-Simulation: hierarchisch
CUI-Simulation: netzartig
RFuDi
33,6 ± 41,5
32,0 ± 36,6
86,1 ± 21,8
60,0 ± 32,5
18,0 ± 36,3
11,5 ± 30,2
K
36
28
68
65
363
389
F
796
1117
275
363
1413
1543
Über diesen Aspekt der funktionalen Direktheit hinaus sollte die aufgabenbezogene Anwendungsfunktionalität dem Benutzer in möglichst flexibler Weise zur Verfügung stehen.
Wie lässt sich jedoch diese Art von aufgabenbezogener Flexibilität messen?
Wir beginnen zunächst mit der Erstellung eines Kausalgraphen für eine konkrete
Aufgabe. Um die kausalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anwendungsfunktionen veranschaulichen zu können, führen wir den kausalen Abhängigkeitsgraphen ein
(siehe Abbildung 9.2.1). Die kausalen Abhängigkeiten zwischen den Anwendungsfunktionen setzen sich aus zwei Arten zusammen: die systemtechnischen Abhängigkeiten und
die Abhängigkeiten aufgrund der objektiven Kausalstruktur der jeweiligen Aufgabe. Der
kausale Abhängigkeitsgraph entspricht dem von Oesterreich (1990, S. 20) entwickelten
"Netz erinnerbarer Handlungen" für Ablaufstrukturen mit "kombinierten Situationen". Im
Unterschied zu Oesterreich (1990) erlaubt die Darstellung des kausalen Abhängigkeitsgraphen als Petri-Netz eine präzise Trennung zwischen Operationen ('Ereignissen') und erreichten Zwischenzuständen ('Bedingungen'). Die Abgrenzung der Operationen untereinander im Handlungsverlauf ergibt sich zwangsläufig durch den weitgehend 'digitalen'
Charakter der Mensch-Computer Interaktion auf syntaktischer Ebene.
200
Quantitative Aspekte 9.2
Der Abhängigkeitsgraph für die objektive Kausalstruktur einer Aufgabe lässt sich
z.B. durch eine arbeitspsychologische Aufgabenanalyse sinnvoll erstellen (Triebe 1981,
S. 136f.). Über diese aufgabenimmanenten, kausalen Abhängigkeiten hinaus ergeben
sich auch noch kausale Abhängigkeiten durch die konkrete Implementation der einzelnen
Funktionen im realen Softwaresystem. Ein kausaler Abhängigkeitsgraph (system- oder
aufgabenbezogen) kann als ein kreisfreies Petri-Netz mit unverzweigten S-Elementen
('Kreise') definiert und dargestellt werden (siehe z.B. Abbildung 9.2.1). Die Kreise bedeuten 'Bedingungen' und die Quadrate bedeuten 'Aktionen' bzw. 'Ereignisse'. Alle parallelen Aktionen bzw. Aktionsketten ([a,b,c] || [e] || [g]) sind permutabel.
a
a
a DB ist vorhanden
a DB laden
b Datei-1 ist nicht aktiv
b Datei-1 aktivieren
c
c Filter für Datei-1 laden
Filter für Datei-1 ist
nicht geladen
d Filter für Datei-1 ist geladen und Datei-1 ist aktiv
b
b
c
e
g
c
e
g
d
f
h
e
Verwenden-Schalter für
Filter ist nicht gesetzt
f
Verwenden-Schalter
ist gesetzt
g Schalter für "Anzeigen als
Liste" ist nicht gesetzt
h Schalter für "Anzeigen als
Liste" ist gesetzt
Bedingung =
e Verwenden-Schalter für
Filter setzen
g Schalter für "Anzeigen
als Liste" setzen
i Selektierte Datensätze
aus Datei-1 als Liste
ausgeben
Ereignis =
i
Abbildung 9.2.1
Kausaler Abhängigkeitsgraph als Bedingungsereignisnetz für Teile
der Anwendungsfunktionen unseres Datenbankprogrammes mit GUI-Oberfläche.
Erläutern wir kurz an einem konkreten Beispiel die Brauchbarkeit der Bedingungsereignisnetze zur Darstellung des kausalen Abhängigkeitsgraphen für unser relationales Datenbankprogramm. Die konkrete Implementation dieses Systems gestattet es dem Benutzer
drei verschiedene Handlungsstränge parallel und damit permutabel auszuführen (siehe
Abbildung 9.2.1). Der Benutzer kann zwischen diesen drei Handlungssträngen beliebig
201
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
hin- und herspringen. Das konkrete Teilziel eines Benutzers in diesem Beispiel besteht
darin, eine bestimmte Menge an Datensätzen in einer Liste auf dem Bildschirm auszugeben. Die Selektion der einzelnen Datensätze erfolgt über einen schon definierten
'Filter'. Erst wenn alle Vorbedingungen erfüllt sind, kann die Ausgabeaktion erfolgen.
Da die Vorbedingung 'd' für die Aktion 'i' eine komplexe Bedingung ist, d.h. es sind
mehrere vorbereitende Schritte zur Herstellung dieser Bedingung notwendig, müssen alle
diese vorbereitenden Aktionen [a], [b], [c] zu der Gruppe [a, b, c] zusammengefasst
werden. Erst diese Gruppe ist tatsächlich mit den anderen beiden Aktionen [e] und [g]
parallel. Die Flexibilität, die in dieser Kausalstruktur steckt, lässt sich mathematisch am
einfachsten durch die Permutationen dieser Gruppen berechnen.
Zur quantitativen Messung des Aspektes der 'Permutation' gehen wir davon aus,
das eine vollständige Liste aller benötigten Anwendungsfunktionen vorliegt. Greifen wir
wieder unser Beispiel des Interaktionsnetzes (siehe Abbildung 7.3.1.1) auf. Die Menge
der Buchstaben {a, b, ...,l} symbolisiert die vorhandenen Anwendungsfunktionen, im
folgenden durch ihren AFIP gekennzeichnet. 'Permutation' im kombinatorischen Sinn
heisst, gegeben seien n verschiedene Anwendungsfunktionen; wie viele Möglichkeiten
gibt es dann, diese Anwendungsfunktionen in verschiedener Weise anzuordnen? Dieses
Mass wird als 'Permutation von n Elementen' bezeichnet.
Wären alle AFIPe vollständig permutabel, d.h. kausal unabhängig von einander, so
liesse sich das Ausmass an Flexibilität einfach durch die Fakultät: (#AFIP)! angeben. Für
unser einfaches Beispiel ergäbe sich: 12! = 12*11*10*...*2*1 = 479 001 600, eine zugegeben sehr hohe Zahl an Permutationen. Dieses Ausmass an Flexibilität wird jedoch
durch die aufgabenbezogenen kausalen Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anwendungsfunktionen semantisch stark eingeschränkt. Es lassen sich somit nur einzelne
Gruppen von semantisch eindeutig unabhängigen Funktionen ausmachen: z.B. unsere
drei parallelen Gruppen aus Abbildung 9.2.1 mit 3! = 6 verschiedenen Möglichkeiten.
Diese drei Gruppen muss der Benutzer in eine sequentielle Handlungsfolge umsetzen.
Wie lassen sich jedoch diese Gruppen finden? Durch die systemlogischen Abhängigkeiten werden die aufgabenlogischen Abhängigkeiten des Benutzers möglicherweise
zusätzlich eingeschränkt. Wie stark diese Einschränkung tatsächlich ist, lässt sich quantitativ mit dem folgenden Mass bestimmen. Dazu wird die Anzahl der Gruppen mit einer
festgelegten Kausalstruktur einerseits anhand einer Aufgabenanalyse, andererseits anhand
einer Systemanalyse der vorliegenden bzw. geplanten Software bestimmt. Wir definieren
daher das Mass der anwendungsbezogenen funktionalen Flexibilität (AFFl) wie folgt.
202
Quantitative Aspekte 9.2
(Definition der anwendungsbezogenen FUNKTIONALEN FLEXIBILITÄT)
AFFl
AFFl
#AFIPs
#AFIPa
=
((#AFIP)s! / (#AFIP)a!) * 100%
relatives Mass für die anwendungsfunktionale Flexibilität;
Anzahl an Gruppen von Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, welche sich in einer systemlogischen Abhängigkeit zueinander befinden. Diese Abhängigkeiten werden
auf der Grundlage einer Systemanalyse festgelegt.
Anzahl an Gruppen von Interaktionspunkten bezüglich der Anwendungsfunktionen, welche sich in einer aufgabenlogischen
Abhängigkeit zueinander befinden. Diese Abhängigkeiten werden
auf der Grundlage einer Aufgabenanalyse festgelegt.
Ist die Anzahl der Gruppen mit einer entsprechenden Kausalstruktur gleich eins (#AFIPs
= 1), so liegt eine genau durch das System festgelegte Abfolge aller Anwendungsfunktionen vor, von welcher der Benutzer nicht abweichen darf; dies ist bei einem sequentiellen
bzw. geführten Dialog gegeben. Gehen wir zunächst davon aus, dass die arbeitspsychologische Aufgabenanalyse einen voll permutablen Aktionsraum ergäben hätte, das System
aber nur genau eine festgelegte Abfolge vorschreibt, dann liefert AFFl für unser Interaktionsbeispiel (siehe Abbildung 7.3.1.1) mit seinen 12 Anwendungsfunktionen: AFFl = 1!
/ 12! *100% = 2 * 10-7%. Dieses Ausmass an Flexibilität ist verschwindend gering!
Wäre jedoch die Anzahl der Gruppen mit Kausalstrukturen für eine gegebene Systemimplementation aller Anwendungsfunktionen gleich der Anzahl Gruppen mit Kausalstrukturen einer Aufgabenanalyse (#AFIPs = #AFIPa), dann ergibt AFFl = 100%.
Wenn man das Mass AFFl gegen die Differenz (#AFIPa – #AFIPs) in Abhängigkeit
von der absoluten Grösse von #AFIPa graphisch darstellt, dann erhalten wir die Kurvenschar in Abbildung 9.2.2. Wie man unschwer erkennen kann, wird die anwendungsbezogene Flexibilität bereits bei einer kleinen Gruppe von kausal unabhängigen Funktionen
durch eine zusätzliche Einschränkung in der Interaktionsstruktur drastisch verringert. Bereits ab 10 unabhängigen Funktionsgruppen kollabiert die Flexibilität im Aktionsraum,
wenn auch nur ein einziger Freiheitsgrad durch die Interaktionsstruktur verloren geht
(#AFIPa – #AFIPs = 1). Je grösser die Anzahl unabhängiger Funktionsgruppen ist, desto
dramatischer fällt diese Einschränkung aus. Vielleicht wird hierdurch deutlich, warum
Menschen auf eine von aussen vorgegebene Beschränkung ihrer individuellen Freiheitsgrade äusserst empfindlich mit Abwehr reagieren.
Ist AFFl grösser als 100%, so sprechen wir von einem pseudo-flexiblen System.
Ein pseudoflexibles System ermöglicht mehr Permutationen, als durch die Aufgabense-
203
9 Der Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente
mantik sinnvoll sind. Berechnen wir AFFl für den kausalen Abhängigkeitsgraphen aus
unserem Datenbankbeispiel (siehe Abbildung 9.2.1) und gehen wir ebenfalls davon aus,
dass eine Aufgabenanalyse lediglich zwei permutable Aktionen ergäben hätte, so ist AFFl
= 3! / 2! * 100% = 300%. Graphische Oberflächen haben oftmals pseudoflexible Interaktionsstrukturen, weil sie eine Vielzahl von z.T. semantisch unsinnigen Kombinationen
zulassen. Pseudo-Flexibilität ist immer dann zu vermeiden, wenn sich durch bestimmte,
semantisch unsinnige Kombinationen schwerwiegende negative Konsequenzen ergeben
können.
AFFl
100%
mit #AFIPa = 2
50%
mit #AFIPa = 3
mit #AFIPa = 10
1%
0
1
2
3
4
5
6
[#AFIPa - #AFIPs]
Abbildung 9.2.2
Zusammenhang zwischen dem Mass AFFl und dem Unterschied
zwischen #AFIPs und #AFIPa in Abhängigkeit von verschiedenen #AFIPa.
Anhand der im Abschnitt 8.1 beschriebenen Untersuchung ('CUI- vs. GUI-Oberfläche')
konnten wir unter anderem zeigen, dass ein signifikanter Zusammenhang zwischen der
Aufgabenbearbeitungszeit und der Anzahl objektiv möglicher Lösungsstrategien besteht
(Spearman R = –,566; p ≤ ,008; N = 20; Rauterberg 1992e). D.h., je mehr interaktive
Möglichkeiten die Software dem Benutzer zur Lösung einer Aufgabe anbietet, desto geringer ist die Bearbeitungszeit für diese Aufgabe. Dieses Ergebnis interpretieren wir als
eine empirische Bestätigung für die Überlegungen, welche zur Konstruktion des Masses
AFFl geführt haben.
Eine letzte Anmerkung zu der hier vorgestellten Operationalisierung der Gestaltungsrichtlinie 'Flexibilität' und zu der weiteren Verwendbarkeit der einmal aufgestellten
kausalen Abhängigkeitsgraphen lautet wie folgt: Kausale Abhängigkeitsgraphen lassen
204
Quantitative Aspekte 9.2
sich sehr hilfreich für die Gestaltung eines funktionsorientierten Hilfesystems heranziehen. Jeder Versuch eines Benutzers, eine Systemfunktion auslösen zu wollen – für die
noch nicht alle notwendigen Bedingungen hergestellt worden sind –, muss nicht mehr
wie bisher auf mühseliges Trail- und Error-Verhalten hinauslaufen, sondern kann jetzt
durch entsprechende Hinweismeldungen zielgerichtet unterstützt werden (siehe auch Moll
1989, Sukaviriya, Foley und Griffith 1993).
205
1 0 DISKUSSION
Zum Abschluss dieser Arbeit möchte ich die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassend
darstellen und diskutieren. Wovon sind wir ausgegangen? Was waren unsere primären
Zielsetzungen? Welche dieser Zielsetzungen haben wir erreicht? Ausgangspunkt unseres
Vorhabens war der 'Trade-off' von Gestaltungsrichtlinien zwischen ihrer spezifischen
Umsetzbarkeit und ihrer Allgemeingültigkeit. Je spezifischer eine Gestaltungsrichtlinie
ist, desto eher kann der Softwareentwickler sie auf sein konkretes Gestaltungsproblem
umsetzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Gestaltungsprobleme des Entwicklers mit
der ursprünglichen Problematik der Richtlinie weitgehend übereinstimmt. In einer sich
sehr dynamisch entwickelnden Technologie ist die Halbwertszeit des spezifischen Gestaltungswissens eher klein. Dieser Tatsache kann man nur durch Allgemeingültigkeit begegnen, ohne – und das ist die Kunst – sich in der Beliebigkeit zu verlieren.
Um auf Dauer überhaupt sinnvoll im Bereich der Gestaltung von Benutzungsoberflächen weiterforschen zu können, wird eine Gestaltungstheorie benötigt, welche sich auf
allgemein gültigen Prinzipen aufbauen lässt. Der Ausweg über den Erstellungsprozess –
wie ihn die ISO 9000 Norm vorschreibt – ist auf Dauer kein ausreichender Ersatz auf dem
Weg zur softwareergonomischen Produktgütebestimmung, sondern nur eine – möglicherweise – hilfreiche Ergänzung. Wir werden also nicht umhin können, eine Gestaltungstheorie zu erarbeiten, aus der sich die softwareergonomische Produktgüte präzise ableiten
lässt. Das notwendige Grundlagenwissen für die geforderte Gestaltungstheorie kommt
sowohl aus der Softwaretechnik, als auch aus der Arbeitspsychologie.
Zur Erarbeitung dieser allgemeinen Gestaltungstheorie wurde und wird in zunehmendem Masse verstärkt die konkrete Benutzerinteraktion in den Analyse-, Bewertungsund Gestaltungsprozess einbezogen. Dieses Vorgehen entspricht dem von uns so benannten interaktionszentrierten Messansatz ('usability testing'). Dieser Messansatz hat den
konkreten Vorteil, alle gestaltungsrelevanten Informationen bzgl. eines konkreten
Produktes zu liefern. Der oft als Nachteil empfundene Aufwand kann auf Dauer nur
durch den produktzentrierten Messansatz vermieden werden. Ideal wäre somit eine Gestaltungstheorie, welche sich bei der konkreten Produktgestaltung derart umsetzen liesse,
dass alle Benutzerbedürfnisse unmittelbar zufriedenstellend in das Produkt eingebaut
werden könnten. Da Menschen jedoch sehr komplexe Wesen und zudem individuell recht
unterschiedlich sind, wird diese ideale Gestaltungstheorie noch eine Weile auf sich warten
lassen müssen; wenn es überhaupt möglich ist, sie zu erstellen.
207
10 Diskussion
Einen ersten Schritt haben wir mit dem in dieser Arbeit vorgestellten Ansatz getan.
Dieser Schritt besteht darin, bedeutsame und als gesichert anzusehende Gestaltungsanforderungen produktbezogen messen zu können. Dies haben wir für die beiden Gestaltungsrichtlinien Feedback und Flexibilität erreichen können. Wir können nun mit den entwickelten Massen wesentliche Systemeigenschaften für ein geplantes Produkt anhand der
entsprechenden Spezifikationsunterlagen bzw. am realisierten Produkt selbst feststellen.
Durch die Anwendung der entwickelten und mit empirischen Untersuchungsergebnissen
validierten Masse sind wir in der Lage, wesentliche softwareergonomische Produkteigenschaften unabhängig von einer konkreten Benutzungssituation feststellen zu können.
Da die Ergebnisse von Benutzungsstudien ('usability tests') scheinbar zu widersprüchlichen Ergebnisse führen können, werden Benutzungsstudien manchmal als unzureichende Verfahren angesehen. Dies ist jedoch eine nicht notwendige Schlussfolgerung.
Es ist vielmehr so, dass wir bisher nur sehr bedingt in der Lage waren, die Vergleichbarkeit der Ausgangsbedingungen – insbesondere der getesteten Produkte – hinreichend genau angeben zu können. Meistens wird nur sehr global von einem 'flexiblen' System, einer 'graphischen' Oberfläche usw. gesprochen. Die Ergebnisse unserer Validierungsstudien zeigen sehr deutlich, dass erst eine präzise Produktbeschreibung bei der Interpretation der empirischen Messergebnisse wirklich weiterhilft. Dieser Grad an Differenzierung
ist offenbar notwendig, um auch eine adäquate Theorieentwicklung bei der Gestaltung interaktiver Systeme dauerhaft zu ermöglichen.
Von den drei dargestellten empirischen Benutzungsstudien führte lediglich der Vergleich zwischen der CUI- und der GUI-Oberfläche zu einem signifikanten Performanzunterschied zugunsten der GUI-Oberfläche. Sowohl der Vergleich der beiden multimedialen
Oberflächen, als auch der Vergleich der beiden zeichenorientierten Oberflächen des Simulationsprogrammes ergab keinen empirisch nachweisbaren Unterschied in der Performanz. Wie lassen sich diese empirischen Befunde interpretieren? Was sind die relevanten
Wirkdimensionen der besseren Oberfläche?
Betrachten wir zunächst das unterschiedliche Ausmass an visuellem Feedback zwischen den verschiedenen Oberflächen (siehe Tabelle 10.0.1). Wir können feststellen,
dass die quantifizierbaren Unterschiede zwischen den beiden jeweils zusammengehörenden Oberflächen keine deutlichen Differenzen erkennen lassen. Lediglich das Mass
GRFBF lässt einen Vorteil zugunsten der GUI-Oberfläche erkennen, welcher mit den empirischen Befunden übereinstimmt. Dieses Mass hat uns dann auch zu einem allgemeinen
Gestaltungsprinzip geführt, welches wir im folgenden Abschnitt genauer diskutieren
werden.
208
Überblick 10.0
Tabelle 10.0.1 Übersicht über die Feedbackmasse für die sechs verschiedenen, empirisch untersuchten Oberflächen [K = Anzahl analysierter Dialogkontexte].
Struktur
CUI-Oberfläche
DBMS
GUI-Oberfläche
DBMS
AFBO RFBO
AFBF RFBF KRFBF GRFBF
K
des
–
–
26,2
73%
–
42%
36
des
–
–
18,4
66%
–
61%
28
Multimedia-O:
hierarchisch
404
100%
275,0
100%
100%
–
68
Multimedia-O: netzartig
458
100%
373,0
103%
100%
–
65
CUI-Simulat.:
hierarchisch
–
–
327,8
86%
–
85%
435
CUI-Simulat.: netzartig
–
–
347,9
90%
–
89%
388
Das Mass AFBF ist nicht zum Vergleich zwischen verschiedenen Softwareprodukten geeignet, weil es von der absoluten Anzahl Dialogkontexte, sowie Anzahl Interaktionspunkte abhängt. Die Quantifizierung der Oberflächenobjekte mit dem Mass AFBO bzw.
RFBO beschränkt sich auf das Vorhandensein einer wahrnehmbaren Repräsentationsform. Bei einer multimedialen Oberfläche können alle visuellen Gruppen (siehe Abschnitt
6.2), sowie die 'hot spots' (siehe Rauterberg 1993c) als mögliche Interaktionsobjekte gezählt werden. Tullis (1983, 1988) hat eine Methode entwickelt, mit der sich visuelle
Gruppen automatisch erkennen lassen. Leider ist das von Tullis (1986) entwickelte Analyseprogramm nur auf zeichenorientierte Masken anwendbar. Ein vergleichbares Analyseprogramm, welches auch auf graphische Oberflächen anwendbar ist, könnte hier von
grossem heuristischen Wert sein.
Wenden wir uns der Gestaltungsrichtlinie Flexibilität zu. Das Mass IA steht für Interaktionsalternativen und misst die Anzahl Interaktionspfade von einem Startdialogkontext hin zu einer Anwendungsfunktion VAFIP (siehe Abschnitt 7.3.1). Dabei dürfen die
alternativen Interaktionspfade keine Zyklen enthalten und um nicht mehr als maximal zwei
Interaktionsschritte vom kürzesten Interaktionspfad abweichen. Mit diesem Mass IA kann
der Grad der Vernetzung der Interaktionsstruktur berechnet werden. Je vernetzter die Interaktionsstruktur ist, desto mehr alternative Interaktionspfade gibt es. IA misst also das
Ausmass an Flexibilität zwischen den verschiedenen Interaktionsfunktionen über das gesamte System hinweg. Zur Berechnung der mittleren Flexibilität pro Dialogkontext bzgl.
der Auswahl einer Interaktionsfunktion haben wir die beiden Masse DFl und AFl entwickelt. Beide Masse geben die durchschnittliche Anzahl an Dialog- bzw. Anwendungsfunktionen pro Dialogkontext an.
209
10 Diskussion
Wenn wir jeden Dialogkontext als ein lokales Aktionsfeld betrachten, so misst DFl
bzw. AFl das durchschnittliche Ausmass an lokalen Operatoralternativen. Da Handlungen
aus einzelnen Operationen zusammengesetzt sind, kann DFl bzw. AFl als indirektes Mass
für Handlungsalternativen interpretiert werden. Oesterreich (1982, S.121) leitet aus handlungstheoretischen Überlegungen ab, dass ein Handelnder seine Zielkonsequenzen stets
so bestimmt,
"dass er möglichst grosse Freiheit hat, beliebig weitere Zielkonsequenzen
anzustreben. ... Der Nutzen ist um so höher, je mehr ein Ereignis erlaubt, im
folgenden Wahlfreiheit zwischen mehreren Wegen der Fortsetzung des
Handelns zu haben, vorausgesetzt, diese Wege sind auch effektiv."
Benutzer suchen also bevorzugt Dialogkontexte mit einer grossen DFl bzw. AFl auf, um
so ihre prospektiven Freiheiten bzgl. möglicher Handlungsalternativen zu optimieren. Effektiv ist ein Dialogkontext allerdings erst dann, wenn er auch alle aufgabenrelevanten
Anwendungsfunktionen enthält. Ein interaktives System sollte also dann besonders benutzungsgerecht sein, wenn es ein hinreichend hohes Mass an AFl aufweist. Und genau
dies können wir mit unseren empirischen Studien bestätigen. Tabelle 10.0.2 gibt einen
Überblick über alle definierten und teilweise validierten Flexibilitätmasse.
Tabelle 10.0.2
Zuordnung der verschiedenen Flexibilitätsmasse zu unterschiedlichen
Aspekten der Handlungsregulation.
Handlungsasp
ekte
Benutzerseitig
Systembezogen
Flexibilitätma
ss
Strategieauswahl
Bearbeitungsstrategie
AFFl
Kontextauswahl
Operatorauswahl
Aktionsfeld, -kontext
kontextbezogene
Operationen
logische
Abhängigkeiten
Dialogstruktur
Dialogkontext
IA, IVG, HG
DFl,
AFl,
RFuDi
Wie wir aus der folgenden Tabelle 10.0.3 erkennen können, lässt sich ein empirischer
Performanzvorteil nur dann in den Kennwerten für die Flexibilität wiederfinden, wenn
man DFl und AFl heranzieht. Dabei sollten die Kennwerte dieser beiden Masse mindestens grösser als 15 sein (siehe z.B. die GUI-Oberfläche). Offenbar ist ein Unterschied
der Kennwerte bei dem interaktiven Verzweigungsgrad (IVG) oder den alternativen Interaktionspfaden (IA) als Mass für globale Freiheitsgrade nicht so bedeutsam wie der Unterschied in den Kennwerten bei dem lokalen Ausmass an Freiheitsgraden (DFl und AFl).
Wenden wir den Schwellwert von DFl = 15 als Kriterium auf die Interaktionsstrukturen der Vergleichsstudie von Kühn und Streitz (1989) an, so hätten wir das Ergebnis
dieser empirischen Vergleichsstudie 'vorhersagen' können. Nehmen wir an, dass die
Darstellung der abgebildeten Interaktionsstrukturen in der Veröffentlichung vollständig
210
Überblick 10.0
ist, so ist DFl für die abgebildete 'lowfan'-Struktur 4,7 und für die 'highfan'-Struktur
7,0. Die durchschnittliche Aufgabenbearbeitungszeit der 145 Aufgaben für die 'lowfan'Oberfläche beträgt 118,4 Sekunden und für die 'highfan'-Oberfläche 115,4 Sekunden.
Dieser Performanzunterschied ist – wie aufgrund unserer Kennwerte 'vorhergesagt' –
nicht signifikant.
Tabelle 10.0.3 Übersicht über die Flexibilitätsmasse IA, DFl, AFl, IVG und HG für
die Kennwerte der sechs verschiedenen, empirisch untersuchten Oberflächen [F = Anzahl
Funktionen, K = Anzahl Dialogkontexte].
Interaktionsstruktur
IA
CUI-Oberfläche des DBMS
GUI-Oberfläche des DBMS
F
DFl
AFl
IVG
HGA HGD
4,1
4,3
4,5
3,9
2,0 796
1,4 1117
10,1
20,4
12,1
19,5
1,8
2,4
Multimedia-O: hierarchisch
6,1
275
0,5
3,6
4,1
4,0
3,6
67
Multimedia-O: netzartig
8,6
363
1,3
4,2
5,7
2,5
2,2
58
CUI-Simulat.: hierarchisch
2,4 1413
1,9
2,0
1,9
4,8
4,2
363
CUI-Simulat.: netzartig
3,4 1543
2,7
1,3
2,7
6,4
4,6
389
K
33
28
Eine Reihe von Vergleichsstudien zwischen verschiedenen Menüstrukturen haben gezeigt
(Paap und Roske-Hofstrand 1988), dass die Benutzbarkeit der Menübäume von ihrer
'Breite' (= Anzahl alternativer Menüoptionen pro Menü) und ihrer 'Tiefe' (= Anzahl Hierarchiestufen) abhängt. Nehmen wir an, dass die Anzahl Menüoptionen ein – wenn auch
eingeschränkt gültiges – Mass für die interaktive Flexibilität der gesamten Menüstruktur
ist. Paap und Roske-Hofstrand (1988, S. 222, Tabelle 1) können anhand verschiedener
empirischer Vergleichsstudien aufzeigen, dass für eine optimale Benutzung die minimale
Anzahl 16 Menüoptionen umfasst, sofern diese Optionen sinnvoll gruppiert auf der
Maske dargeboten werden. Diese Resultate sehen wir als eine Bestätigung unseres Grenzwertes an.
Das globale Flexibilitätsmass an alternativen Interaktionspfaden (IA) scheint weniger bedeutsam zu sein, als das lokale Ausmass an Operator- bzw. Handlungsalternativen
(DFl, AFl). Wenn IA bedeutsam wäre, so hätte der empirische Vergleich der beiden multimedialen Oberflächen eventuell zu einem Performanzvorteil für die netzartige Interaktionsstruktur führen können. Das Ausbleiben dieses Ergebnisses kann jedoch auch an
dem möglicherweise zu geringen Unterschied zwischen IAhier und IAnetz liegen. Ebenso
kann für die netzartige Menüoberfläche des Simulationsprogrammes aufgrund der zu geringen Werte für IA kein Performanzvorteil empirisch gefunden werden. Inwieweit die
Vorteile von aufgabenbezogenen Dialogstrukturen (Greutmann 1993, Janssen 1993,
Janssen, Weisbecker und Ziegler 1993, Ziegler und Janssen 1995) sich auch in empiri-
211
10 Diskussion
schen Validierungsstudien wiederfinden lassen, bleibt vorerst weiterer Forschung anheim
gestellt.
Es ist uns für die beiden Flexibilitätsmasse DFl und AFl gelungen, Mindestwerte
bzw. Schwellwerte quantitativ angeben zu können. Die Angabe von Mindestwerten erlaubt es nun, statt von einer Richtlinie von einem Kriterium zu sprechen, dessen Erfüllungs- bzw. Einhaltungsgrad eindeutig festgestellt werden kann. Erst, wenn ein interaktives System diesen Mindestwert erfüllt, kann von einem empirisch nachweisbaren Vorteil
aufgrund interaktiver Flexibilität ausgegangen werden. Zusätzlich sind wir jetzt auch in
der Lage, Oberflächen eindeutig klassifizieren zu können.
Mit unserem einfachen Klassifikationskonzept (siehe Abbildung 5.1.3) können wir
– ohne diese Oberfläche selbst gesehen zu haben – allein anhand der Kennwerte KRFBF
und HG eine Benutzungsoberfläche in der Regel einer der vier Oberflächenarten zuordnen. So ist eine Oberfläche mit den Kennwerten [KRFBF « 1%] und [1,0 < HG < 2,0]
eine Kommandooberfläche in unserem erweiterten Sinne. Die Quantifizierung wesentlicher Oberflächeneigenschaften erlaubt es, eine Zuordnung hinreichend genau treffen zu
können. Die Gestaltungsdimension der interaktiven Direktheit lässt sich einfach und präzise mit dem Mass HG angeben.
Tabelle 10.0.4
Skalentyp
nominal
Übersicht über die verschiedenen Bewertungsansätze der MCI.
Bewertungsansatz
intervall
Oberflächentypen (z.B. Kommando, Menü, Desktop usw.)
Benutzungstests, experimentelle
Vergleichsstudien (z.B. GUI
besser als CUI)
Checklisten (z.B. EVADIS)
rational
quantitative Messvorschriften
ordinal
Referenz
Shneiderman (1987)
[siehe die verschiedenen Vergleichsstudien in Abschnitt 8.1]
Spinas, Troy und Ulich (1983),
Oppermann et al. (1988),
Reiterer und Oppermann (1993)
Rauterberg (1993b)
Was haben wir durch unser Konzept zur Quantifizierung softwareergonomischer Richtlinien erreicht? Erstens, wir können Richtlinien durch die Angabe von Mindestwerten in
Kriterien überführen. Zweitens, wir können Oberflächen mindestens auf einem Intervallskalenniveau und zum Teil auf einem Rationalskalenniveau beschreiben (siehe Tabelle
10.0.4; zum Skalenniveau siehe Rauterberg 1992d). Zunächst war man lediglich in der
Lage, Oberflächen qualitativ zu unterscheiden (Shneiderman 1987); dieses Vorgehen entspricht der Beschreibung mittels einer Nominalskala in Form von unterscheidbaren Typen. Erst aufgrund der verschiedenen empirischen Vergleichsstudien zwischen einzelnen
212
Überblick 10.0
Oberflächentypen war man bisher in der Lage, Oberflächen teilweise auf einem ordinalen
Skalenniveau zueinander in Beziehung zu setzen (siehe Abschnitt 8.1). Mit den in dieser
Arbeit entwickelten Massen können wir jedoch nun einzelne Oberflächen mindestens
mittels einer Intervallskala, wenn nicht gar mittels einer Rationalskala eindeutig typisieren.
Falls sich zusätzlich die Möglichkeit zur Ableitung allgemeiner Gestaltungsprinzipien ergibt, so haben wir einen wesentlichen Schritt in die richtige Richtung getan. Genau
dies werden wir jetzt anhand eines ausgewählten Beispieles tun.
10.1
E IN ALLGEMEINES G ESTALTUNGSPRINZIP
Als wir unser Beschreibungskonzept für die verschiedenen Oberflächentypen entwickelten, entdeckten wir eine Schwierigkeit, welche sich bei der Trennung von Wahrnehmungs- und Aktionsraum herausstellte (siehe Abschnitt 2.1). Wir haben zunächst beim
Wahrnehmungsraum in passive und aktive Repräsentationsformen unterschieden (siehe
Abschnitt 5.1). Ausgehend von dieser Unterscheidung entdeckten wir ein ähnliches Problem im Aktionsraum. Einerseits lassen sich bei zeichenorientierten Menüoberflächen die
einzelnen repräsentationalen Interaktionspunkte auf dem Bildschirm – z.B. der Menüname – dem Aktionsraum zuordnen, gleichzeitig gehören aber auch die semantiktragenden Interaktionspunkte des Eingabegerätes – z.B. die Funktionstasten der Tastatur – zum
Aktionsraum (siehe Abschnitt 5.3). Wir mussten daher die räumliche Trennung der Eingabeschnittstelle von der Ausgabeschnittstelle adäquat berücksichtigen. Wir haben dies
mit der Unterscheidung zwischen der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte
des aktiven Wahrnehmungsraumes (WFIP) und der Menge der repräsentationalen Interaktionspunkte des Aktionsraumes (WFIPA) getan. Den Niederschlag fand diese Unterscheidung in der Berücksichtigung der physikalischen Distanz zwischen einem WFIP und
einem WFIPA bei der Konstruktion des Masses GRFBF (siehe Abschnitt 6.3.1). Warum
ist dies so wichtig?
Wenn wir direktmanipulierbare Oberflächen mit analogen Eingabegeräten (z.B.
Maus, Lichtgriffel usw.) quantitativ beschreiben wollen, so verlagert sich die Eingabeschnittstelle weg vom externen Gerät hin zum wahrnehmbaren Repräsentanten auf der
Ausgabeschnittstelle (z.B. dem Mauszeiger auf dem Bildschirm). Wenn wir die Ausgabeschnittstelle als 'externes' Gedächtnis auffassen, so kann der Benutzer mittels analoger
Eingabegeräte direkt auf den 'Gedächtnis'-Strukturen der Ausgabeschnittstelle operieren.
Die Vorteile der direkten Manipulation mittels Finger auf berührungssensitiven Oberflächen konnte Milner (1988) aufzeigen. Dies ist ein bedeutsamer Unterschied zu den
Funktionstasten bei zeichenorientierten Menüoberflächen. Da zeichenorientierte Menü-
213
10 Diskussion
oberflächen auf der Ausgabeschnittstelle gleich viele WFIPen haben können wie direktmanipulierbare Oberflächen, müsste diese unterschiedliche Art der Aktivierung der zugehörigen Funktionen einen Einfluss auf die Benutzbarkeit haben. Wir haben dies mit der
zusätzlichen Gedächtnisbelastung für die Zuordnung des WFIP auf der Ausgabeschnittstelle zu seinem WFIPA auf der Eingabeschnittstelle begründet. Bei hochgeübten Benutzern, welche mit einer Oberfläche mit konsistenter Tastenbelegung arbeiten, sollte diese
zusätzliche Gedächtnisbelastung aufgrund des intern aufgebauten mentalen Modells verschwinden. Bei Anfängern und bei heterogenen Oberflächen wird sich jedoch dieser Unterschied in der Benutzung niederschlagen.
Bei der manuellen Manipulation von Gegenständen in der Realität fallen Aktionsraum (Hände und Finger) mit dem Wahrnehmungsraum (Stellung des manipulierten Gegenstandes im Raum) raumzeitlich zusammen. So konnte Hacker und Clauss bereits
(1976) empirisch aufzeigen, dass die Verfügbarkeit der notwendigen, handlungsleitenden
Informationen direkt am Ort der Handlung eindeutige Performanzvorteile bewirkte. Bei
der Manipulation von Objekten mit einer traditionellen Oberfläche fallen diese beiden Bereiche – bedingt durch die Trennung zwischen Eingabeschnittstelle und Ausgabeschnittstelle – auseinander. Man kann diesen Unterschied zwischen einem WFIP und einem
WFIPA auch auf das folgende Gestaltungsproblem übertragen. Immer dann, wenn die
aktuellen Rückmeldungssignale auf der Ausgabeschnittstelle ausserhalb vom primären
Aufmerksamkeitsfokus erscheinen, wird von dem Benutzer eine Zuwendungsreaktion zu
dem Bereich mit den aktuellen Rückmeldungssignale erzwungen. Um diesen Effekt zu
messen, haben wir ein Signalentdeckungsexperiment durchgeführt (siehe Abschnitt 8.4).
Die Ergebnisse dieses Experimentes deuten eindeutig auf die Bedeutsamkeit des folgenden allgemeinen Gestaltungsprinzips hin:
Wahrnehmungsraum und Aktionsraum müssen raumzeitlich zusammenfallen!
Wir wollen dieses Gestaltungsprinzip an einem einfachen Beispiel verdeutlichen. Ein Benutzer möge mit dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD ein grösseres Textdokument bearbeiten (z.B. ein Buch von über 100 Seiten). Um von einer Seite zu einer anderen, entfernten Seite zu gelangen, hat der Benutzer verschiedene Möglichkeiten: (1.) Er
aktiviert die Dialogbox 'Gehe zu...' und gibt die Seitennummer ein, oder (2.) er benutzt
den Rollbalken am Fensterrand (siehe Abbildung 10.1.1). Viele Benutzer bevorzugen die
Rollbalkenvariante, weil sie nicht immer genau die Seite angeben können, zu der sie hingelangen wollen; meistens kennen sie nur so ungefähr den Seitenbereich. Für die
sensumotorische Regulation des Mauszeigers im Rollbalkenfeld ist der primäre Aufmerksamkeitsfokus des Benutzers auf diesen Bereich festgelegt (siehe Kreis am rechten
214
Ein allgemeines Gestaltungsprinzip 10.1
Bildschirmrand in Abbildung 10.1.1). Das wesentliche Rückmeldungssignal über die
erreichte Seitenzahl wird jedoch eindeutig ausserhalb vom primären Aufmerksamkeitsfokus in der linken unteren Fensterecke angezeigt (siehe Kreis in der Ecke links unten in
Abbildung 10.1.1). Der Benutzer wird durch dieses Design gezwungen, seinen Blick
ständig zwischen dem Rollbalkenfeld und dem Anzeigefeld zu wechseln.
Abbildung 10.1.1
Seitenzahlanzeige und Rollbalkenbedienung beim Textverarbeitungsprogramm MsWORD.
Warum muss der Benutzer überhaupt für die Mausbedienung auf das Rollbalkenfeld
blicken, wenn ihn doch nur die Seitenzahl links unten interessiert? Ganz einfach, weil der
Mauszeiger während des 'Blätterns' in einem physikalischen Aktivierungsbereich von einem Zentimeter links und rechts vom Rollbalkenfeld positioniert bleiben muss. Sobald
der Mauszeiger diesen aktiven Bereich verlässt, kann er zwar die Maus mit gedrückter
Maustaste noch beliebig nach oben oder unten bewegen, die beabsichtigte 'Blätter'-Operation ist jedoch nicht mehr aktiv. Für dieses Interaktionsproblem gibt es zwei Lösungen:
(1.) Der Aktivierungsbereich um das Rollbalkenfeld ist nicht nach links und rechts begrenzt, oder (2.) die Seitenzahlanzeige erfolgt im Bereich vom primären Aufmerksamkeitsfokus. Diese zweite Lösung ist beim Textverarbeitungsprogramm MacWRITE realisiert (siehe Abbildung 10.1.2).
215
10 Diskussion
Abbildung 10.1.2
Rollbalkenbedienung und Seitenzahlanzeige beim Textverarbeitungsprogramm MacWRITE.
Wir können allein auf der Grundlage unseres Gestaltungsprinzips vorhersagen, dass ein
Benutzer mit dem Textverarbeitungsprogramm MacWRITE bei der Rollbalkenbedienung
zum Blättern und zielgerichteten Suchen weniger Interaktionsprobleme haben wird als bei
dem Textverarbeitungsprogramm MsWORD.
Took (1991) hat dieses Gestaltungsprinzip zur Grundlage seiner Definition von 'Direktheit' bei der Gestaltung direktmanipulativer Benutzungsoberflächen gemacht:
"We use, however, a simple but powerful criterion for directness: that the
same object is the target of both input and output" Took (1991, S. 252).
Smith et al. (1982) hat diesen Aspekt auch "inter-referential I/O" genannt; dieser Aspekt
ist von Draper (1986) wieder aufgegriffen und weiter ausdifferenziert worden. In Vanderdonckt, Ouedraogo und Ygueitengar (1994) wird der aktuelle Stand über die automatische
Plazierung von interaktiven Oberflächenobjekten dargestellt. Das hier vorgestellte globale
Gestaltungsprinzip wäre nicht nur eine Verallgemeinerung des 'inter-referential I/O'-Aspektes, sondern auch eine empirisch abgesicherte Ergänzung zu den anderen Plazierungsstrategien.
10.2
A USBLICK AUF ZUKÜNFTIGE F ORSCHUNG
Wir betrachten diese Arbeit als den Anfang einer Forschungsrichtung, welche sich mit der
weiteren Quantifizierung softwareergonomischer Richtlinien befassen kann. Im Laufe der
weiteren Forschung auf diesem Gebiet könnten folgende Ergebnisse erzielt werden:
1. Weitere Richtlinien wie 'individuelle Auswahlmöglichkeiten' und 'individuelle Anpassung' werden über eine entsprechende Quantifizierung in Kriterien überführt.
216
Ausblick 10.2
2. Die Planung von empirischen Vergleichsstudien kann durch die präzise Beschreibung
der zu vergleichenden Oberflächen zielgerichteter als bisher erfolgen.
3. Scheinbar widersprüchliche Ergebnisse von empirischen Vergleichsstudien lassen sich
möglicherweise durch die präzise Beschreibung der verglichenen Oberflächen aufklären und entsprechend einordnen.
4. Produktbezogene Kennwerte ermöglichen die Aufdeckung von weiteren Gestaltungsprinzipien.
5. Quantifizierte Richtlinien lassen sich als Kriterien zur Messung der softwareergonomischen Produktqualität heranziehen.
6. Diese produktbezogenen Kennwerte erleichtern Massnahmen zur Qualitätssicherung.
217
1 1 ZUSAMMENFASSUNG
Ausgehend von einer Analyse und Bewertung der bisher entwickelten Richtlinien- und
Regelsätze wird die Notwendigkeit zur Ableitung möglichst quantitativer Masse aufgezeigt (Kapitel 1).
Es wird ein Betrachtungsmodell für die verschiedenen systemtechnischen Komponenten von Benutzungsoberflächen vorgestellt und mit anderen, schon vorhandenen Modellen verglichen (Kapitel 2).
Ein benutzungsorientiertes Gestaltungskonzept für Benutzungsoberflächen wird
vorgestellt und zu anderen Konzepten – insbesondere aus dem Softwareengineeringbereich – in Beziehung gesetzt. Es werden die Richtlinien zur benutzungszentrierten Gestaltung mit den drei systemtechnischen Komponenten einer Benutzungsoberfläche in einer
Gestaltungsmatrix verschränkt, um so zu detaillierten und spezifischen Gestaltungsbereichen von Oberflächen gelangen zu können (Kapitel 3).
Zur Messung der Gebrauchstauglichkeit von interaktiven Systemen stehen verschiedene Methoden zur Verfügung. Die Vor- und Nachteile dieser Methoden werden diskutiert. Der interaktionszentrierte Messansatz dient zur Validierung des in dieser Arbeit speziell entwickelten produktzentrierten Messansatzes (Kapitel 4).
Für die Quantifizierung von softwareergonomischen Richtlinien wird zunächst ein
allgemein anwendbares Beschreibungskonzept für Benutzungsoberflächen vorgestellt.
Mittels dieses Beschreibungskonzeptes werden Definitionen wichtiger Eigenschaften von
Benutzungsoberflächen erstellt und an einem einfachen Beispiel erläutert (Kapitel 5).
Für die Richtlinie 'Feedback' des Gestaltungsbereiches 'Kalkulierbarkeit als Voraussetzung für Kontrolle' werden verschiedene quantitative Masse hergeleitet und zur Beschreibung von drei verschiedenen interaktiven Systemen mit je zwei unterschiedlichen
Oberflächen herangezogen. Bei der Anwendung der Feedbackmasse auf eine zeichenorientierte Menüoberfläche mussten wir einen zusätzlichen Beschreibungsparameter einführen. Wir haben diese Lösung verallgemeinert und ein allgemeines Gestaltungsprinzip
daraus abgeleitet (Kapitel 6).
Für die Richtlinie 'Flexibilität' des Gestaltungsbereiches 'Kontrolle' werden unterschiedliche quantitative Masse hergeleitet und ebenfalls zur Beschreibung der sechs verschiedenen Oberflächen herangezogen (Kapitel 7).
Die Validierung der entwickelten Masse für Feedback erfolgt zunächst mittels einer
Meta-Analyse veröffentlichter Vergleichsstudien. Die Validierung der Masse für Flexibili-
219
11 Zusammenfassung
tät wurde durch zwei eigene Vergleichsstudien ermöglicht. Dabei können wir für zwei
Masse interaktiver Flexibilität einen Schwell- bzw. Grenzwert aufzeigen. Erst wenn
dieser Schwellwert überschritten wird, lässt sich auch ein Benutzungsvorteil aufgrund
entsprechender Flexibilität empirisch nachweisen. Mittels einer zusätzlichen, externen
Vergleichsstudie können wir – als eine Art Kreuzvalidierung – diesen Grenzwert bestätigen. Zur Validierung des aufgestellten Gestaltungsprinzips ist ein zusätzliches Experiment
durchgeführt und im Bezug auf das Gestaltungsprinzip ausgewertet worden (Kapitel 8).
Für den Gestaltungsbereich der Anwendungskomponente zeigen wir verschiedene
quantifizierbare Aspekte auf und diskutieren die möglichen Auswirkungen vor dem Hintergrund handlungspsychologischer Forschungsergebnisse (Kapitel 9).
Abschliessend diskutieren wir die gewonnenen Erkenntnisse im Kontext der bereits
bekannten Ergebnisse softwareergonomischer Forschung und zeigen Wege für zukünftige Forschungsgebiete auf (Kapitel 10).
220
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244
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
46
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
Wahl: Ausführen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
1
1
Rechnen: Ausführen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
7
2
59
12
Wahl: Definition
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
1
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
7
3
56
9
Rechnen: Definition
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
Funktion: Datei
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
11
10
0
0
Funktion: Schalter
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
Funktion: Hilfe
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
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10
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
11
11
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0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
5
5
0
0
Modul: Daten
Modul: Wahl
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
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2
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Rechnen: Daten
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
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0
0
Funktion: Datei
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
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3
0
0
6
50
2
2
2
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
0
0
2
2
Liste: Rechnen
0
Daten: Löschen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
1
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
60
7
53
1
Daten: Korrektur
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
Daten: Ausführen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
72
7
50
1
Daten: Eingeben
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
5
1
50
1
Daten: Suchen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
65
8
0
0
Daten: Ausgabe
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
2
2
0
0
Liste: Erstellen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
47
1
Liste: Ausführen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
8
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4
2
Liste: Datei
Liste: Wahl
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
0
0
2
2
Liste: geMerkt
11
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
Liste: Definition
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
11
10
0
0
Funktion: Schalter
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
11
11
0
0
Modul: Liste
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
Funktion: Hilfe
Wahl: Erstellen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
10
10
0
0
Modul: Rechnen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
10
10
0
0
Wahl: Daten
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14
14
0
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
0
0
Modul: Info
Hauptmenü
Funktion: Datei
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
11
10
0
0
Funktion: Schalter
Startmenü
Funktion: Hilfe
Anhang
Abbildung A.1
Interaktionsstrukturschema für alle 36 analysierten Dialogkontexte
und die in ihnen enthaltenen dialog- [DFIP] und anwendungsfunktionalen [AFIP] Interaktionspunkte der CUI-Oberfläche des relationalen Datenbankprogrammes.
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14 14 51
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
1
1
Datensätze-Löschen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14 13 51
1
Datensätze-Ändern
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
16 16
51 1
Rechnen: Sichern
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
17 17
1
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
16 16
51 1
Wahl: Sichern
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
17 17
1
1
Wahl: Laden
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
12 12 59
9
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
12 12 59
9
Rechnen: Laden
Wahl: Definition
Rechnen: Definition
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
3
3
1
1
Datensätze-Löschen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14 13 51
1
Datensätze-Ändern
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
12 12
50 1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
117 89
8
8
Datensätze-Eingeben
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
12 12
50 1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
17 17
1
1
Desktop mit 1 Fenster
Suchmodus
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
81 65
8
8
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14 14 51
1
Datenbank laden
Suchmodus
Desktop ohne Fenster
Datensätze-Eingeben
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
2
2
0
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
15 15
0
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
0
0
Daten Anzeige unmöglich
Start-Desktop
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
14 14
0
0
Merkmale auswählen
Daten Anzeigen (Maske)
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
17 17
1
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
6
6
1
1
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
59 9
0
0
Mischen-Einstellungen
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
0
0
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
62 13
0
0
Im/Export-Einstellungen
neuer Schlüssel
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
0
0
Drucker-Einstellungen
Hilfe
VDFIP WDFIP VAFIP WAFIP
1
1
0
0
Datei-Info
Datenbank-Info
Interaktionstrukturschema
Abbildung A.2
Interaktionsstrukturschema für alle 28 analysierten Dialogkontexte
und die in ihnen enthaltenen dialog- [DFIP] und anwendungsfunktionalen [AFIP] Interaktionspunkte der GUI-Oberfläche des relationalen Datenbankprogrammes.
245
246
Mehrfamilienhaus 3
1
1
2
2
WO
5
2
WO
5
3
1
1
7
WO
1
7
WO
8
3
Haushaltsberatung
1
WDFIP WAFIP
0
1
Kundenberatung
0
WDFIP WAFIP
WO
7
7
WO
WO
7
0
4
4
WO
0
1
WO
9
Wegweiser Infocenter
1
WDFIP WAFIP
WO
7
0
Wegweiser Übersicht
WDFIP WAFIP WO
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
0
1
Wegweiser Finanzierung
0
WDFIP WAFIP
Wegweiser Cashservice
0
WDFIP WAFIP
Wegweiser Geldservice
0
WO
7
2
1
WO
5
5
WO
5
WO
1
1
7
WO
0
1
WDFIP WAFIP
9
WO
Wegweiser Wertpapiere
0
WDFIP WAFIP
10
10
1
10
3
WO
WDFIP WAFIP
0
2
4
WO
Immobilie des Monats 1
WDFIP WAFIP
1
5
2
4
0
3
WDFIP WAFIP
5
WO
WDFIP WAFIP
0
3
Veranstaltung Cup
1
3
WO
4
Veranstaltung Austellung
WDFIP WAFIP WO
2
WDFIP WAFIP
4
3
4
WO
2
0
3
WDFIP WAFIP
3
WO
4
WO
Veranstaltung Aktion
WDFIP WAFIP
0
2
Veranstaltung Konzert
0
5
8
WDFIP WAFIP
0
3
3
WO
20
WO
2
WO
Veranstaltung Cebit
0
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
WO
4
WO
Veranstaltung Vortrag 2
WDFIP WAFIP
0
3
Immobilie des Monats 3
0
Veranstaltungen
WO
Immobilie des Monats 4
0
2
WDFIP WAFIP
0
8
WO
WDFIP WAFIP
1
10
Immobilie des Monats 2
WO
10
9
WO
0
Cashservice "Hauptstelle"
11
PS Gewinnliste
0
WDFIP WAFIP
Diesen Monat neu
8
WO
1
Cashservice Übersicht
9
WDFIP WAFIP
1
10
WO
Cashservice "Dillweissen"
WDFIP WAFIP
Immobilie des Monats 5
2
WO
0
WDFIP WAFIP
Cashservice "Hinweis"
11
WO
1
WO
Cashservice "Wilfending"
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
4
10
WDFIP WAFIP
Veranstaltung Vortag 1
0
11
WO
Cashservice "Rathaus"
1
System-Optionen
0
9
Cashservice "Zweigstelle"
WDFIP WAFIP WO
1
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
1
10
WO
Cashservice "Marktplatz"
1
WDFIP WAFIP
Cashservice "Eutingerstr."
WO
3
"Start"
WDFIP WAFIP
1
4
Hauptmenu
5
WO
Wegweiser Immobilien
7
WO
0
WDFIP WAFIP
Grundstück Hinweis
WDFIP WAFIP
1
1
Gewerbehaus 1
1
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
5
1
Gewerbehaus 2
WDFIP WAFIP
1
Immobilien-Angebot
WDFIP WAFIP WO
5
1
WDFIP WAFIP
Gewerbehaus 3
Wegweiser "Bild"
WO
5
5
WO
1
WO
Wegweiser Direktfinanz
WDFIP WAFIP
1
1
Einfamilienhaus 1
WDFIP WAFIP
1
2
WO
5
1
WDFIP WAFIP
Mehrfamilienhaus 1
Wegweiser Beratungsdienst
5
1
Einfamilienhaus 2
1
WDFIP WAFIP
Einfamilienhaus 3
WO
5
Erben + Vererben
1
WO
Mehrfamilienhaus 2
WDFIP WAFIP
1
2
WDFIP WAFIP
0
1
1
WDFIP WAFIP
Eigentumswohnung 1
1
WDFIP WAFIP
Eigentumswohnung 2
1
WDFIP WAFIP
5
WO
Eigentumswohnung 3
1
WDFIP WAFIP
5
WO
Eigentumswohnung 4
1
WDFIP WAFIP
5
WO
Eigentumswohnung 5
1
WDFIP WAFIP
10
10
10
10
WO
10
10
WO
10
2
2
WO
9
WO
1
2
4
WO
18
WO
3
0
2
WDFIP WAFIP
Der aktuelle Tip 7
0
WDFIP WAFIP
Der aktuelle Tip 6
WDFIP WAFIP
0
3
Der aktuelle Tip 5
WDFIP WAFIP
0
3
Der aktuelle Tip 4
4
WO
4
WO
WO
3
WO
4
Der aktuelle Tip 3
WDFIP WAFIP WO
0
3
4
Der aktuelle Tip 2
WDFIP WAFIP WO
0
3
4
0
WDFIP WAFIP
Der aktuelle Tip 1
0
WDFIP WAFIP
Geschäftsentwicklung
0
WDFIP WAFIP
PS Gewinnsparen
1
WDFIP WAFIP
Cashservice "Büchenbron"
1
WDFIP WAFIP
Cashservice "Messplatz"
1
WDFIP WAFIP
Cashservice "Brötzingen"
1
WO
Cashservice "Hohenzollern"
WDFIP WAFIP
Anhang
Abbildung A.3
Interaktionsstrukturschema für alle 68 Dialogkontexte des multimedialen Informationssystems Version-A [WDFIP = Anzahl wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte, WAFIP = Anzahl wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte, WO = Anzahl sonstige wahrnehmbare Objekte].
WO
5
1
1
WO
5
5
WO
5
WO
WO
5
7
WO
5
WO
2
WO
2
1
10
WO
1
WDFIP WAFIP
1
0
0
WDFIP WAFIP
1
Theater
7
Sport
0
7
WO
WDFIP WAFIP
1
0
WDFIP WAFIP
1
Verschiedenes
7
WO
0
Gewerbehaus 2
Gewerbehaus 1
WO
7
7
WO
1
WO
5
3
WO
5
Veranstaltungen
WDFIP WAFIP
Berater
3
WDFIP WAFIP
1
15
Immobilien
0
6
WO
Simulation Geldautomat
1
WO
5
5
WO
WO
5
WDFIP WAFIP
Berater
1
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
6
WO
Weltspartag
WDFIP WAFIP
1
3
Konzert
0
9
WO
Gewerbehaus 3
WDFIP WAFIP
1
1
WDFIP WAFIP
1
2
Erdgeschoss Veranstaltung
2
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
3
14 + 1Ü
WO
7
11
WO
Wegweiser Immobilien
7 + 8Ü
Veranstaltungen
3
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
1
0
WO
7
WO
5
Immobilien-Angebot
1
WDFIP WAFIP
1
WO
5
5
WO
5
WO
1
WDFIP WAFIP
Vortrag
6
WO
1
WDFIP WAFIP
Einfamilienhaus 1
1
WDFIP WAFIP
Einfamilienhaus 2
WDFIP WAFIP
1
1
Einfamilienhaus 3
2
Mehrfamilienhaus 1
Immo-Tag
WDFIP WAFIP
1 + 1Ü
0
Ausstellung
WDFIP WAFIP
1
0
Aktion
1
WDFIP WAFIP
Grundstück 3
WDFIP WAFIP
1
2
Grundstück 2
WDFIP WAFIP
1
1
Grundstück 1
WDFIP WAFIP
1
1
5
WO
5
Eigentumswohnung 1
WDFIP WAFIP
1
2
Eigentumswohnung 2
1
WO
Eigentumswohnung 3
WDFIP WAFIP
1
WDFIP WAFIP
1
WDFIP WAFIP
1
Mehrfamilienhaus 2
Mehrfamilienhaus 3
1
4
WO
5
5
5
WO
WO
5
Wertpapiere
WDFIP WAFIP
0
4
Berater
5
WO
Geldservice
4
WDFIP WAFIP
0
4
Berater
0
WDFIP WAFIP
Berater Vermögensberatung
4
WO
Direktfinanz
5
WO
Kreditservice
2
WO
WDFIP WAFIP
0
11
Geldautomat
1
WDFIP WAFIP
0
4
Berater
11
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
4
0
Berater
11
WO
10
WO
11
WO
Cashservice "Rathaus"
1
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
Startmenü
11
WDFIP WAFIP
Cashservice "Zweigstelle"
"Berater"
1
11
WO
9
Cashservice "Marktplatz"
1
WDFIP WAFIP
Cashservice "Eutingerstr."
11
6
WO
2
5
WO
7
WO
WO
7
Wertpapiere
2
WDFIP WAFIP
4
2
Geld
4
7
WO
Geldservice
2
WDFIP WAFIP
Geld
4
WDFIP WAFIP
Geld Vermögensberatung
4
2
WO
Direktfinanz
WDFIP WAFIP
Geld
0
5
1
5
2
WDFIP WAFIP
1
11
3
WDFIP WAFIP
1
3
9
WO
2
11
WO
WO
9
14
WO
WO
5
11
WO
13
WO
3
WDFIP WAFIP
Wegweiser Wertpapiere
1
WDFIP WAFIP
WO
10
14
WO
Wegweiser 1.Obergeschoss
1
WDFIP WAFIP
Wegweiser Geldservice
3
WDFIP WAFIP
1
11
Wegweiser Erdgeschoss
2
10
WO
Cashservice "Büchenbron"
1
Wegweiser Direktfinanz
1
11
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
2
2
WDFIP WAFIP
10
Cashservice "Messplatz"
1
WDFIP WAFIP
Wegweiser Kreditservice
10
11
Cashservice "Brötzingen"
1
WO
Cashservice "Hohenzollern"
WDFIP WAFIP
Wegweiser Vermögensberatg
WO
5
11
WO
Cashservice "Hauptstelle"
13
WO
WDFIP WAFIP
Kreditservice
16
WDFIP WAFIP
4
2
Geld
3
8
WO
1
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
WDFIP WAFIP
Geld
11
Cashservice Lageplan
1
WO
9
Cashservice "Dillweissen"
WDFIP WAFIP
Wegweiser Aufzug
WDFIP WAFIP
3
2
Cashservice
1
WO
9
Cashservice "Wilfending"
WDFIP WAFIP
Interaktionstrukturschema
Abbildung A.4
Interaktionsstrukturschema für alle 65 Dialogkontexte des multimedialen Informationssystems Version-B [WDFIP = Anzahl wahrnehmbare dialogfunktionale Interaktionspunkte, WAFIP = Anzahl wahrnehmbare anwendungsfunktionale Interaktionspunkte, WO = Anzahl sonstige wahrnehmbare Objekte].
247
PERSONENVERZEICHNIS
A
Abowd 13
Ackermann V, 48, 49, 63, 91,
119, 190
Akamatsu 19, 67, 92
Akscyn 17
Alexander 43, 59, 65
Altmann 144, 145
Alty 84, 106
Andre 18
Anft 62
Antes 97
Antin 144
Apenburg 57, 61, 154, 160
Apple 18, 70
Arend 35, 48
Armstrong 10
Arnold 48, 57, 63
Atkinson 43
Aucella 9, 10, 11
B
Baitsch 1, 9, 36, 62, 91
Balzert 1, 13, 37, 38, 42, 48, 82
Bannert 72, 73, 186
Bartsch 2
Basili 42
Bauknecht V, 1, 38, 41, 50, 53,
56
Beale 13
Beck 99, 186
Becker 40, 183
Beimel 10
Bell 97
Bennett 58
Benyon 1
Berli 49
Bevan 56, 174
Biggs 63
Birbaumer 175
Blattner 72
Blayney 2
Blischke 98
Bodart 2, 70
Boehm 37, 38, 42
Booth 1
Bortz 5, 61, 64, 143, 153, 156,
166
Bösser 60
Boucsein 43, 57
Bowden 2
Brickenkamp 61
Brown 1, 37
Bruce 43
Bruggemann 118
Brunner 115, 153, 155
Buxton 19
Dowell 56, 58, 60
Dowrick 63
Draper 1, 208
Draxler 53
Dreyfus 55
Dryman 2
Duden 3
Dumais 83
Dumas 54, 62, 64
Dutke 60, 61, 94, 95, 96, 157
Dzida 5, 8, 13, 54, 68
C
Cachin 6, 43, 93, 181
Cakir 3
Card 1, 59, 60, 100
Carey 1
Carroll 55, 99
Chang 97
Chin 61, 144
Claus 53
Clauss 206
Cockton 14, 66
Corbett 64
Cordes 18, 66, 86, 87
Coutaz 14, 17, 54
Coy 53
Crellin 63
Cunningham 1
E
Ebert 42
Edmonds 14
Egeth 174
Endestad 59
Engel 9
Englisch 56
Ericsson 63
Essig 14, 16, 18, 36, 87, 88,
119
Evans 48
D
Dählmann-Heinecke 101
Dannenberg 72
Daugs 98
Daum 89, 112, 135
Debevc 120, 184
Dehning 14, 16, 18, 36, 87, 88,
119
Deichsel 118
Denert 65
Dewar 64
Diaper 186
Diehl 61
Dijkstra 41
Dillon 2
Dix 13, 91
Dörner 26, 27, 29, 32, 94
F
Fabian 22, 82
Fach 73
Fähnrich 1, 23
Farago 61
Farber 77
Felix 175
Finlay 13
Fitzgibbon 100
Flammer 117, 118
Fleischer 63
Flores 54, 55
Foley 83, 106, 197
Frei 49
Frese 14, 43
Frühauf 54
Fujita 73
G
Galanter 59, 117
Galitz 1, 70
Galotti 55
Galperin 59, 94, 95
249
Anhang
Gaver 92
Gediga 58, 60, 99
Gibson 42
Gieskens 106
Gilmore 74
Good 11
Görner 9, 12
Granda 9
Green 13, 43, 59, 144
Greenberg 46, 77
Greif 43, 58, 60, 99
Greutmann V, 14, 48, 49, 63,
65, 91, 119, 122, 203
Griffith 197
Groskurth 118
Grote 7, 186
Grützmacher V, 89, 166, 167,
171, 173
Gugerty 60
Gunsthövel 60
Gutknecht 124, 131
Gysler 37
H
Haaks 14, 99, 119, 120, 122
Haarslev 100
Haberfellner 40, 183
Hächler 81
Hacker 22, 23, 25, 47, 59, 61,
92, 93, 206
Hacker, S. 2
Hagiwara 14
Halstaed 42
Hamborg 99
Hampe-Neteler 12
Hanson 77
Härtner 93, 99
Hasbroucq 19, 67, 92
Haubner 84, 181
Hauptmann 144
Hauri 2
Häuslein 101
Heemsoth 97
Heinicke 101
Helander 1, 2, 18
Henderson 100
Henrion 100
Herda 5, 8
250
Herzig 55
Hewett 55, 62
Hilgard 43
Hilty 101
Hodges 64
Hof 70, 98
Holladay 146
Hollan 147, 183
Holland 1
Holm 61
Hopcroft 65
Hoppe 1
Horn 63
Houwing 57, 63
Hsia 13
Hübner 13, 110
Hultzsch 50
Hunter 143
Hutchins 147, 183
Hüttner 10, 11
I
IBM 18, 70
Ilg 1, 8, 9, 12, 78, 81, 82, 99,
186
Itzfeldt 5, 8
J
Jackson 143
Janke 101
Janssen 84, 99, 106, 126, 203
Jones 83
K
Karat 58, 62, 145
Karger 119
Kaster 100
Katz 1
Keil-Slawik 1, 100
Kieras 59
Kimm 37, 39
Kindborg 101
Kinoe 57, 58
Kirakowski 56, 64
Kishi 57, 58
Klix 42
Klotz V
Koch 1, 39
Koenemann-Belliveau 55
Kohnert 101
Kokoschka 6
Koller 72, 81
Kollerbaur 101
König 72, 104
Krampen 97
Krause 147
Kraut 77
Krönert 100
Krueger 175
Kuhmann 43
Kühn 202
Kung 13
Kunkel 73
Kupka 65
Kurtenbach 19
L
Landauer 55
Langer 61
Larkin 19, 97
Laurel 74
Lauter 1, 18, 71, 99
Laverson 74
Lenzen 97
Leontjew 22, 44
Liebetrau 40, 183
Lienert 57, 61, 64
Lieser 24, 97, 106
Lin 13
Lindermeier 54
Lingemann 48
Linnertz 6
Lipow 37
Loftus 97
Ludewig 54
Lüdtke 100
M
Maass 1, 4, 14, 16, 18, 36, 87,
88, 99, 100, 119
Macguire 58
Mackworth 175
MacLeod 2
Maguire 2
Maier 2
Maissel 56
Marais 70, 146
Personenverzeichnis
Marciniak 48
Margono 145
Martin 12
Masson 145
Mauerhofer 2
Mayhew 1, 18, 175
McCabe 42
McCracken 17
McKendree 99
Meessen 6
Mel 83
Melzer 190
Meseke 63
Meyer 59, 119
Microsoft 18, 70
Miller 59, 117
Milner 205
Mittenecker 63
Möckel 98
Moll 6, 36, 55, 62, 63, 91, 181,
197
Mollenhauer V, 148
Möller 100
Monecke 99
Moran 1, 32, 33, 59, 60, 144,
145
Morgan 145
Mosier 3, 9, 10, 11, 12, 147
Müller-Holz 2, 63
Mullin 84, 106
Mummendey 61
Münch 6
Murchner 2
Myers 101
N
Nachreiner 56
Nackunstz 100
Neal 62, 63
Newell 1, 59, 60
Nielsen 62, 64, 71
Nielson 62, 63
Nievergelt 94, 96, 113
Nitsch 160
Nixdorf 9
Norman 1, 9, 22, 36, 61, 74,
79, 91, 147, 174, 183
O
Oberquelle 1, 4, 59, 65, 66, 71
Oesterreich 23, 25, 48, 118,
192, 202
Oliver 98
Olsen 146
Oppermann 1, 2, 60, 120, 121,
204
OSF/Motif 2, 9, 18, 70, 72
Österle 50
Ouedraogo 208
P
Paap 98, 203
Paetau 2
Parnas 59
Parrington 54
Patrick 100
Payne 59
PC-Professionell 146
Pegden 10
Peschke 1
Peters 144, 145
Pfeiffer 6
Philipsen 181
Phillips 83
Pieper 2
Polson 59
Preece 1, 63, 91
Pribram 59, 117
Prümper 62
Q
R
Rall 50
Rasmussen 47
Rathke 82
Rauterberg 2, 4, 6, 7, 12, 14,
15, 24, 35, 43, 46, 54,
56, 57, 59, 60, 61, 62,
63, 64, 66, 67, 70, 77,
89, 93, 96, 98, 101, 110,
111, 112, 113, 115, 117,
119, 120, 129, 132, 133,
134, 135, 153, 155, 158,
166, 174, 176, 181, 190,
196, 201, 204
Redish 54, 62, 64
Reisner 59
Reiterer 1, 8, 60, 204
Rengger 2, 57, 63
Rist 18
Roberts 144, 145
Roe 48
Rogers 1, 10
Rohr 1, 175
Roper 54
Rosenberg 32, 33
Rosenthal 143
Roske-Hofstrand 203
Roy 144
Rudolph 61
S
Sandmayr 54
Sarris 54, 55, 57, 62
Sato 19, 67, 92
Saupe 174
Schaefer 43
Schindler 10
Schlagenhauf V, 89, 112, 113,
135
Schlesinger 2, 10, 11
Schmid 63, 64
Schmidt 143, 175
Schmidtke 64
Schmitt 35, 65
Schneidewind 143
Schönfelder 61
Schönpflug 17, 19
Schröder 101
Schulz von Thun 61
Schwartz 11
Schwill 53
Sellen 19
Sengupta 145
Senn 42
Shackel 58
Sharp 1
Shepard 42
Sherwood-Smith 48, 50
Shneiderman 1, 59, 61, 62, 70,
71, 72, 74, 100, 147,
204
Siemens-Nixdorf 9
Simm 2
Simon 19, 63, 97
Simons 62, 63
Simonsmeier 39
251
Anhang
Singer 59
Smith 3, 9, 10, 11, 12, 72, 147,
208
Sneed 190
Sommerville 16, 37, 39, 41, 42,
78, 82
Spencer 62
Spinas V, 1, 9, 12, 13, 36, 61,
62, 86, 91, 123, 124,
126, 190, 191, 204
Staufer 18, 70, 72, 96, 97, 99
Stellmacher 2
Strauss 41
Streitz 1, 13, 24, 83, 97, 106,
144, 145, 202
Strohm V, 7, 12, 190
Styger 67
Sukaviriya 197
Sweeney 2, 58
Symons 190
T
Tanenbaum 5
Tauber 59
Te'eni 145
Tetzlaff 11
Thalmann 119
Theerkorn 48
Tillert 9, 10, 12
Tjoa 1, 53
Tombaugh 145
Tontsch 39
Took 208
252
Torres-Chazaro 145
Triebe 193
Troy 6, 9, 62, 91, 96, 191, 204
Tullis 60, 201
U
Ulich V, 1, 4, 6, 7, 8, 9, 12,
36, 44, 45, 47, 50, 55,
56, 62, 77, 86, 91, 93,
96, 111, 117, 118, 119,
120, 152, 181, 183, 191,
204
Ullman 65
V
van der Schaaf 70
Vanderdonckt 2, 70, 208
Verhagen 6
Viereck 14, 16, 36, 65
Vögele 61
Vogt 2
Volpert 23, 25, 47
Vossen 63, 73
W
Waeber V, 12, 190
Wallmüller 41
Wandke 10, 11, 49
Wandmacher 1, 18, 60, 74, 91,
175
Ward 83
Warnecke 12
Weidenmann 55, 58
Weisbecker 203
Weizenbaum 55
Wellner 73
Whitefield 56, 58, 60
Whiteside 144, 147
Widdel 100
Wiecha 100
Wieland-Eckelmann 63
Wiethoff 57, 63
Wilhelmer 94, 96
Wilsing 65
Wilson 56, 58, 60
Winograd 54, 55
Wirth 124, 131
Wittekamp 43
Witten 46, 77
Wolters 24, 97, 106
Woods 59
X
Y
Ygueitengar 208
Yoder 17
Z
Zachmann 65, 86
Zehnder 37, 38, 40, 183
Zeidler 1, 73, 96, 98, 186
Zellner 1, 73, 96, 98, 186
Zemanek 65
Ziegler 1, 22, 23, 58, 60, 72,
73, 78, 81, 82, 99, 203
Zue 73
Zülch 56
STICHWORTVERZEICHNIS
A
Ablauffeedback 36, 47
AFBF 103, 104, 111, 116
-Definition 102
AFBO 103, 104, 116, 201
-Definition 102
AFFl
-Definition 195
AFl 131, 134, 141, 152, 165,
170, 171, 173, 201, 202,
203
-Definition 131
Aktion 26
Aktionsraum 22, 23, 104, 174,
175, 176, 177, 181, 195,
205, 206
AKZ 18, 19, 70, 87, 130
Angemessenheit 39
Anpassbarkeit 38, 41
Anpaßbarkeit 40
Anwendungsflexibilität 131
Anwendungsfunktion 15, 16,
22, 25, 61, 67, 75, 83,
85, 87, 102, 108, 126,
128, 129, 131, 135, 166,
185, 186, 187, 188, 195,
201, 202
Algorithmenlibrary 189
aufgabenbezogen 192
Definition 183
Erweiterbarkeit 189, 190
HG 125
interaktive Direktheit 184
Permutation 194
und AFFl 195
und funktionale Direktheit 189, 191
und kausale Abhängigkeit
192
und Partizipation 190
und Permutation 188
und Transposition 189
Anwendungsobjekt 16, 17, 22,
36, 66, 68, 72, 73, 77,
81, 85, 100, 102, 106,
108, 132, 133, 188
AOp 22
Apple 9
Arbeitsoberfläche 119
Arbeitsökonomie 49
Aufgabenorientierung 131
Aufmerksamkeitsfokus 16, 93,
176, 177, 179, 181, 206,
207
B
Benutzbarkeit 56
Benutzer
-sicht 26
Benutzertyp 38
Benutzungsfreundlichkeit 56
Benutzungstest
deduktiv 62
induktiv 62
und Auswertung 63
und Evaluation 62
und Protokollierung 63
und Validierung 64
und Video 63
C
CASE 50
Checkliste 203, 204
Chunking 94
Clustering 94
Codierung 94
critical incidents 55
CUI 74, 77, 78, 79, 80, 89,
105, 110, 111, 133, 134,
135, 142, 147, 150, 151,
152, 166, 200, 204
Beispiel 107, 167
DFl 135
Feedback 107, 144, 201
Flexibilität 134, 135,
141, 146, 203
Hierarchisierungsgrad 132
Performanz 150, 166
RFuDi 192
D
Datenaufzeichnungsmethode 58,
62, 63
Datenauswertungsmethode 62,
63
Datenerhebungsmethode 58, 62
lautes Denken 63
Datenintegrität 40
Datenkonsistenz 40
Deadlock
interaktiver 36
Desktopoberfläche V, 25, 30,
72, 75, 81, 82, 97, 145,
146, 186
Vorteile 147
DFl 134, 141, 152, 203
-Definition 130
Dialogabschnitt 88
Dialogfunktion 15, 16, 61, 68,
108, 125, 126, 184, 191
Dialogkontext 66
-Definition 86, 130
Dialogobjekt 16, 21, 22, 68, 81
Dimension 3, 4, 28, 39, 44, 57,
74, 98, 120
DIN-66234 2, 5, 6, 8, 9, 60, 93,
175, 181
Direktheit 74, 208
-interaktive 74, 84
DKZ 18, 19, 70, 87, 130
DOp 22
E
Effizienz 40, 41, 49
EG-Richtlinie 5, 8, 9
Eigenprogrammierung 120
Einstiegspunkt 65
Entscheidungsspielraum 45
Evadis 204
externes Gedächtnis 17
F
fan degree 129
Feedback 8, 36, 61, 77, 86, 95,
99, 100, 101, 102, 103,
104, 105, 106, 111, 115,
134, 137, 143, 151, 152,
167, 200
-dynamisches 100, 101
-statisches 100
RFBF 105
Flexibilität 8, 14, 39, 40, 44,
45, 49, 50, 119, 121,
123, 131, 137, 141, 164,
165, 167, 200, 201
anwendungsbezogen 188,
195
aufgabenbezogen 192,
194
der Anwendung
Definition 131
der Interaktion 126
253
Anhang
der Interaktionsstruktur
152
des Dialoges 130
Definition 130
funktionale
Definition 195
Schwellwert 171
und DFl 171
und kausale Abhängigkeiten 194
und Kausalstruktur 194
und Kennwerte 173
und Menüoptionen 203
und Mindestwerte 203
und Übersichtlichkeit 124
Validierung 166
FO-Struktur 72, 186
formale Modelle 60
Formalisierbarkeit 58
-grenzen 55
formative evaluation 55, 62
Formulardialog 71
Funktion 26
Funktionsaufruf 21
Funktionserfüllung 40, 41
Funktionsobjekt 96, 186
Funktionsraum 66, 70
Funktionsrepräsentationen 70
FuVo
-Definition 191
G
Ganzheitlichkeit 8, 34, 183
Gebrauchstauglichkeit 56
Genauigkeit 41
Gestaltungsspielraum 45
Granulationsgrad 14, 32, 119,
187
Grenzwert 109
für AFl und DFl 203
GRFBF 112
-Definition 105
GUI 74, 81, 89, 98, 109, 110,
111, 112, 133, 134, 135,
142, 146, 147, 150, 151,
152, 166, 174, 200, 204
Beispiel 109
DFl 134, 135
Feedback 109, 145, 201
Flexibilität 134, 135,
141, 146, 203
HG 135
Hierarchisierungsgrad 133
IVG 135
254
Performanz 150, 166
RFuDi 192
Vorteile 151
Guidelines 9, 18, 70
H
Handlung 17, 22, 23, 43, 44,
45, 46, 47, 48, 59
Handlungsdirektheit 74
Handlungsmodell 34
Handlungsregulation 59
Handlungsspielraum 45
Handlungszyklus 47
HG 125, 126, 134, 135, 136,
140, 170, 202
-Definition 124
Anwendung 168
Anwendungsfunktion 125
Berechnung 125
für VAFIP 169
interaktive Direktheit 204
Reduktion 184, 186
und KRFBF 204
und Startkontext 124
Hilfesystem 36
I
IA 134, 141
-Definition 128
IBM 9
IDS 22, 25
IFIP 14, 17, 25
IN
-Definition 126
Individualisierbarkeit 8, 45, 118,
119, 120, 189
Individualisierungsoberfläche
119, 122
individuelle Anpassbarkeit 91
individuelle Anpassung 119,
120, 122
individuelle Auswahl 91, 119,
120
inter-referential I/O 72, 208
interaction point 65
interaktioneller Raum 66
Interaktionsbaum 85
Interaktionsfunktion 15, 16, 126
Interaktionsnetz 126
Interaktionsoperator 15, 86
Interaktionspfad 88
Länge 88
Interaktionsproblem 14, 207,
208
Interaktionsschlinge 87, 89
Interaktionsschritt 87
interaktive Dialogschleife 22, 25
interaktiver Verzweigungsgrad
129
Interface Guidelines
Apple 18, 70
Microsoft 18, 70
SAA/CUA 18, 70
ISO-9000 199
ISO-9241 5, 6, 8, 9, 61, 62
ISO-OSI 5
IVG 129, 134, 135, 142, 202
-Definition 129
J
K
Kalkulierbarkeit 4, 6, 9, 91
Kausalgraph 192
als Petri-Netz 193
Beispiel 193, 196
und Aufgabenanalyse 193
und Hilfesystem 196
Klassenbildung 94
Kommandooberfläche 71, 73,
75, 76, 77, 88, 133, 144,
145, 146, 204
Kompatibilität 8, 40, 50, 99,
100
Komplexbildung 94
Konsistenz 8, 14, 39, 59, 99,
100, 157
Problematik 143
Kontingenz-Wissen 117
Kontroll-Meinung 117
Kontrollbereiche 117
Kontrolle 4, 6, 9, 25, 39, 47,
51, 91, 95, 117, 118,
124, 137, 184
Kontrolle-Ausüben 117
Kontrolle-Haben 117
Kontrollkompetenz 118
Kontrollverlust 118
Kopplungsfähigkeit 40
Korrektheit 40, 41
Korrekturfaktor 111
KRFBF 204
-Definition 104
Kriterium 3, 14, 57, 152, 203
Stichwortverzeichnis
und Schwellwert 202
Wartungskosten 42
L
LabView 190
lautes Denken 63
Lichtgriffel 205
logfile recording 63
M
Mass 3, 4, 29, 63, 102, 103,
104, 105, 106, 108, 111,
112, 116, 124, 127, 128,
129, 130, 131, 132, 134,
151, 162, 165, 166, 167,
172, 174, 179, 191, 196,
201, 202, 203, 205
AFBF 201
AFBF und RFBF 103
AFBO und AFBF 102,
103, 104, 116
AFBO und RFBO 201
AFFl 194, 195
AFl 131, 132, 142, 202
AFl und DFl 170, 173,
201
anwendungsbezogene
Flexibilität 131
DFl 130, 141
Feedback 102
Flexibilität 126
FuVo 190
GRFBF 105, 106, 111,
200
HG 125, 126, 132, 133,
136, 137, 140, 141,
169, 170, 186, 204
Hierarchisierungsgrad 124
IA 129
IA, DFl, AFl 141
IVG 129, 142
RFBF 105
RFBO und RFBF 103
und Flexibilität 171
und Produkteigenschaft
200
und Produktgüte 200
Validierung 143
Masse 51, 57, 60, 204
Maus 205
Mensch-Computer-Funktionsteilung 191
mentales Modell 46
Menüoberfläche V, 71, 89, 144,
203, 205
Messansatz
benutzerzentriert 56, 61
formalanalytisch 56, 58
interaktionszentriert 56,
62, 64
produktzentriert 56, 60
Messung
Form 56
Inhalt 56
Meta-Analyse 143
Metadialog 16, 36, 120, 121,
122, 123
Methodendiskussion 56
Modell
Seeheim 13, 14
multimediale Oberfläche 112,
116
AFIP 113
Beispiel 113
DFIP 113
DFl 141
Feedback 114, 115, 116
Flexibilität 135, 137,
141, 157, 166
HG 137, 140
IVG 142
Performanz 157, 159
N
Norm 3, 4, 199
O
Oberfläche 65, 71, 72, 73, 92,
152, 201, 204, 206
AFIP und DFIP 108, 110
anpassen 119, 121, 184,
186
Anwendungsflexibilität
131
Art 74, 75
aufgabenangemessen 149,
151
berührungssensitiv 112,
205
CUI 80, 81, 105, 108,
110, 111, 132, 133,
134, 135, 151, 166,
172
Desktop 143, 145, 146,
147
DFl und AFl 165
direkte Manipulation 145
direktmanipulierbare 72,
74, 77, 80, 81, 82,
147, 150, 205
eines DBMS 148, 151
embedded virtuality 73
Erfahrung 148
Feedback 116, 200
FO-Struktur 72
Formulardialog 77
graphische 60, 72, 74,
96, 110, 196, 201
GUI 89, 98, 109, 110,
111, 112, 133, 134,
135, 151, 152, 166,
196, 200, 202
hierarchische Interaktionsstruktur 152
highfan 202
IA 203
Interaktionsflexibilität
126
Interaktionsnetz 126
Interaktionsstruktur 135
interaktive Direktheit 75
Kennwert 167
Klasse 74
Klassifikation 204
Kommando 143, 144,
145, 146
Komplexität 98
Lerneffekt 158
lowfan 202
mausgesteuerte 106
Menü 144, 205
menüorientierte 147, 150,
152
multimediale 72, 112,
114, 116, 200, 201
natürlichsprachliche 73
netzartige Interaktionsstruktur 152
objektorientierte 65, 73,
74
Performanz 165
Produktbeschreibung 200
Quantifizierung 204
Simulationsprogramm
167
Startkontext 133
Testreihenfolge 153
Typ 60, 65, 89, 204, 205
und Anfänger 206
und Experten 206
und Flexibilität 166
und Interaktionspunkt 60,
65
Validierung 143
Vergleich 111, 112, 116,
147, 152, 153, 154,
166, 167, 200, 204
von MacWord 185
von MS-DOS 36
Wirkdimension 200
zeichenorientierte 71, 77,
200
Oberflächeneffekt 158
Oberflächentyp 204
255
Anhang
Objektbereichsdimensionen 27
objektorientierte Programmierung 190
Objektraum 21, 66, 70
Objektrepräsentationen 70
OF-Struktur 72, 186
Operation 21, 26, 66
Operationalisierung 57
Operator 26
Operatorbereichsdimensionen 27
Operatordummy 86
P
Partizipation 119, 120
Portabilität 40, 41
Portierbarkeit 50
Präsentationsproblem 14, 16
Prinzip 4, 11, 39, 54, 95
-Autorität 54
-Erfahrung 54
-Intuition 54
-Vernunft 54
WYSIWYG 74
Produktbeschreibung 200
Produktgüte VI, 2, 51, 57, 199
Produktionsmethode 96
Pseudo-Flexibilität 189, 195,
196
Q
Qualitätsmerkmal 40
R
Regel 3, 4, 9, 51, 59, 101
Regulation
psychische 94
sensumotorische 48, 81,
206
Regulationsebene 48, 81, 188
Regulationsprozess 91
Regulationsprozeß 23
relative funktionale Direktheit
191
Repräsentationsform 21, 22, 67,
68, 74, 77, 81, 97, 100,
205
aktive 67
passive 67
Resultatfeedback 36, 47
RFBF 103, 104, 111, 112, 116
-Definition 103
RFBO 103, 104, 116, 201
256
-Definition 103
RFuDi
-Definition 191
Richtlinie 1, 2, 3, 4, 8, 9, 10,
11, 14, 15, 39, 49, 50,
51, 55, 60, 91, 117, 199,
204, 208
Flexibilität 188
und Kriterium 203
Vollständigkeit 183
Robustheit 37, 49
S
Sachproblem 14, 15
SAP 9
Schwellwert 165, 171, 173, 202
für AFl und DFl 203
screen recording 63
Seeheim Modell 13, 14, 101,
123
Sicherheit 40, 41
Signalentdeckung 178, 180
Software
-architektur 14
-designer 11, 54
-engineering 3, 12, 37,
41
-engineeringkonzept 37,
39, 40
-engineeringprozeß 41
-entwickler 9, 10, 11, 12,
40, 41, 119, 199
-entwicklersicht 26
-entwicklung 1, 3, 37, 40
-entwicklungsprozess 12,
119
-ergonom 60
-ergonomie 2, 3, 19, 53,
54
-erstellungsprozeß 38, 39
-evaluation 54
-gestaltung 7, 44, 64
-hersteller 10, 190
-produkt 2, 37, 38, 47,
48, 50, 54, 60, 100,
166
-produktgüte 37
-qualitätseigenschaften 38
-qualitätsmerkmal 40
-system 37, 40, 120, 193
-technik 3, 199
-technologie 190
-test 54
Checker 62
Standard 2, 3, 4, 9
Startdialogkontext 85
Startkontext 124
Stolperstein 55
Stress 57
Styleguide 9, 18, 70
SUMI 62
summative evaluation 55, 62
Systemantwortzeit 42, 43
Systemrationalität 100
T
Tastaturschablone 80
Tätigkeitsspielraum 44, 45
TCO 62
Testaufgabe 56
Testbarkeit 40
Touchscreen 112
transparente Datenumgebung 35
Transparenz 8, 57, 86, 96, 98,
99, 100, 111, 152
-aktuell 27
-emergente Eigenschaft
100
-operator 16, 28, 35, 100
-potentiell 27, 28
-potentiell vs aktuell 35,
183
-statisch 100
Definition 96
eines Objektes 27, 29
über Interaktionsstruktur
164
und Zielkonflikt 50
Tutorial 36
U
Usability-Test 54, 64
V
Validierung 64
VDI-5005 5, 8, 9, 11, 34, 183
Verständlichkeit 39, 40
Verwertbarkeit 38
Videokonfrontation 62, 63
Vielfältigkeit 121
Visualisierungsgrad 74, 75, 146
vollgraphische Oberfläche 146
vollständige Handlung 47
Vorhersehbarkeit 42
W
Wahrnehmungsraum 22, 23, 51,
98, 104, 174, 177, 181,
205, 206
Stichwortverzeichnis
aktiver 67
passiver 67
walk-through 62
Wartbarkeit 50
Wartungsfreundlichkeit 40, 41,
42
WFIP 142, 205
WFIPA 79, 205
Wirkdimension 200
Wurzelknoten 85
X
Z
Zielkonflikt 48, 49
Zustandsraum 35, 66
Zuverlässigkeit 39
Y
257
LEBENSLAUF
26.09.54
geboren in Berlin-Lichtenberg als Sohn des Arztes Dr.med. Wolfgang
Rauterberg und seiner Ehefrau Ingeburg Rauterberg, geb. Lenz.
58 - 61
Übersiedlung nach Diekholzen bei Hildesheim.
61 - 61
Einschulung in die Grundschule von Diekholzen.
62 - 65
wohnhaft in Heessen bei Hamm (Westfahlen).
65 - 65
Schulwechsel auf das altsprachliche Gymnasium Hammonense in Hamm.
66 - 66
Umzug nach Hofgeismar bei Kassel; Besuch des dortigen neusprachlichen
Gymnasiums.
67 - 69
wohnhaft in Sande bei Wilhelmshaven; Umschulung auf das mathematisch-naturwissenschaftliche Max-Planck-Gymnasium in Wilhelmshaven.
70 - 74
Übersiedlung nach Aurich in Ostfriesland; Besuch des Gymnasium
Ulricianum in Aurich.
Mai 74
Ablegung der Reifeprüfung.
74 - 75
Ableistung des Militärdienstes.
Hochschulbildung
WS 75 - SS 76
Studium der Chemie an der Westfählischen Wilhelms-Universität in
Münster.
WS 76 - WS 78
Studium der Psychologie an der Philipps-Universität in Marburg; Ablegung der Diplom-Vorprüfung für Psychologie.
SS 79 - WS 81
Fortsetzung des Studiums der Psychologie an der Universität Hamburg;
Ablegung der Diplom-Hauptprüfung für Psychologie.
SS 80 - WS 80
Aufnahme des Doppelstudiums der Philosophie an der Universität Hamburg;
Ablegung der Zwischenprüfung für Philosophie.
SS 81 - SS 83
Aufnahme des Zweitstudiums der Informatik an der Universität Hamburg;
Ablegung der Diplom-Vorprüfung für Informatik.
WS 83 - WS 85/86
Hauptstudium der Informatik an der Universität Hamburg;
Ablegung der Diplom-Hauptprüfung für Informatik.
Beruflicher Werdegang
Mai 83 - April 86
wissenschaftlicher Mitarbeiter (50% Stelle) im Rahmen eines Forschungsprojektes "Aufbau und Implementation einer epidemiologischen Datenbank" am Allgemeinen Krankenhaus Ochsenzoll in Hamburg (D).
Mai 86 - Juni 87
Assistent (100% Stelle) im Bereich Arbeitswissenschaft an der Technischen Universität Hamburg-Harburg (D).
Juli 87 - August 87
Forschungsaufenthalt am Lehrstuhl für Arbeits- und Organisationspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH).
Sept. 87 - Juni 89
Assistent (100% Stelle) im Bereich Angewandte Informatik an der Universität Oldenburg (D).
Juli 89 - April 92
wissenschaftlicher Mitarbeiter (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH)
in dem Forschungsprojekt "Benutzer-orientierte Softwareentwicklung und
Schnittstellengestaltung (BoSS)".
Mai 92 - Dezember 94 Assistent (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH).
ab Januar 95
Oberassistent (100% Stelle) am Institut für Arbeitspsychologie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich (CH).
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