Dorgon-Buch 5: Die Insel Cartwheel
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Dorgon-Buch 5: Die Insel Cartwheel
D O R G O N Band V Die Insel Cartwheel Hefte 40 bis 49 D O R G O N Buch 5 Hefte 40 bis 49 Die Insel Cartwheel DIE FANSERIE DES PERRY RHODAN ONLINE CLUB Im Jahre 1295 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist eine Zeit angebrochen, in der es der Liga Freier Terraner wieder besser geht. Auch die Ereignisse um die MORDRED liegen 4 Jahre zurück und der Schrecken, den diese Terrormacht für eine kurze Zeit verbreitet hat, ist nicht mehr gegenwärtig. Die erfolgreiche Expedition nach Dorgon unter Aurec, Homer G. Adams und Joak Cascal hat nicht nur die Gefahr durch eine drohende Invasion aus M 100 vereitelt, sondern auch in dem Volk der Dorgonen unter ihrem weisen Herrscher Uleman neue Verbündete gefunden. Die Gefahren sind noch lange nicht gebannt. Das Kristallimperium Arkons greift nach den Sternen und die Gefahr durch Cau Thon und dessen Meister ist immer noch allgegenwärtig. Doch während dieser Zeit erscheint DORGON, der Hüter von M 100, und wirbt in der Milchstraße für ein kosmisches Projekt, von dessen Erfolg das Wohl und Wehe aller Intelligenzwesen abhängig seien. Die Völker der Milchstraße sollen in die 500 Lichtjahre entfernte Galaxis Cartwheel Vertreter entsenden, die dort eine Festung gegen die Armeen Cau Thons und dessen Meister MODROR errichten. Doch MODROR schläft nicht. In der Galaxis Saggittor wird die alte Barriere aktiviert und die Angst vor der Rückkehr Rodroms wächst. Die Superintelligenz SAGGITTORA wurde von Rodrom vernichtet. Aurec bleibt nichts anderes übrig als DIE FLUCHT AUS SAGGITTOR... DORGON – Buch 4 – ist eine nicht kommerzielle Publikation des PERRY RHODAN ONLINE CLUBs. Autoren: Nils Hirseland, Dominik Hauber, Tobias Schäfer, Ralf König und Jens Hirseland. Titelbild-Zeichner: Heiko Popp, Gerd Schenk, Nils Hirseland, K.G. Schimanski und Stefan Lechner. Technischer Berater: Sebastian Schäfer. Druck: Rolf-Dieter Kaufhold. Lektorat, Nachbearbeitung: Klaus Wiehoff. Umsetzung in Endformate: Alexander Nofftz. Satz: Xtory (SAXON, PDFLATEX). Internet: http://www.dorgon.de. eMail: dorgon@proc.org. Adresse: PROC c/o Nils Hirseland, Redder 15, 23730 Sierksdorf. Copyright c 2001. Alle Rechte vorbehalten! Heft 40 Flucht aus Saggittor Aurec und sein Volk müssen fliehen - Rodroms Test! von Nils Hirseland Titelbild von Heiko Popp D O R G O N Flucht aus Saggittor 1. Kampf um die Vernunft Der Saggittone wanderte am Strand entlang, lauschte dem Rauschen der Wellen und beobachtete die funkelnden Sterne am Himmel. Sie wurden von Minute zu Minute blasser, denn die Sonne ging über dem Horizont auf und das blaurote Licht verdrängte den Schein der endlosen Planeten, Sonnen und Galaxien. Aurec starrte ins Meer und dachte an Shel Norkat. So schnell und geheimnisvoll, wie sie gekommen war, so war sie auch wieder gegangen. Er konnte die Terranerin schon damals nicht verstehen, als sie noch am Leben war. Ihre Unlogik hatte sich auch nach ihrem Tode und als Konzept der Superintelligenz SAGGITTORA nicht geändert. Seine Liebe war gegangen. Nun für immer. Nie wieder würde er in ihrer Nähe sein, niemals ihre sinnlichen Lippen oder ihren erotischen Körper spüren. Shel gehörte der Vergangenheit an. »Ruhe in Frieden«, sagte Aurec entschlossen. Er ermahnte sich selbst, mit Shel Norkat abzuschließen. Schließe mit der Vergangenheit ab und nicht mit deinem Leben, sprach er zu sich selbst. Seine innere Stimme hatte recht! Der Saggittone hatte eine andere Aufgabe. Shel und sein Vater waren ihm als Konzepte der Superintelligenz SAGGITTORA erschienen. Sie hatten ihn vor einer drohenden Gefahr und dem Untergang der gesamten Galaxis gewarnt. Diese Aussagen durfte er nicht außer Acht lassen. Aurec spürte, daß die beiden einst geliebten Menschen glaubwürdig waren. All die seltsamen Ereignisse in den letzten Wochen mußten etwas mit der Reaktivierung der Barriere zu tun haben. Aurec schoß ein Name durch den Kopf. Rodrom! Für einen Moment schloß er die Augen und dachte an die erste Begegnung mit der Roten Entität. * 7 Ein roter Nebel stieg hinter einem Tresen hervor. Die Erde begann zu beben, es folgte eine heftige Explosion. Der Tresen flog in alle Richtungen davon, mit ihm die dahinter befindlichen Bardamen. Die Gäste sprangen panikartig auf und liefen davon. Auch Rhodan und seine Begleiter standen auf und wollten das Restaurant verlassen, dann erkannte Perry eine rote Gestalt in dem Nebel. »Eine Flucht nutzt dir nichts, Perry Rhodan«, sprach die rote Gestalt. »Wir werden dich überall finden. Es gibt keinen Ausweg.« Das Wesen war etwa zwei Meter groß und in einen roten Mantel gekleidet. Das Gesicht wurde von einem roten, ovalen Helm verdeckt. Aus einem schwarzen Schlitz in Augenhöhe des Helms schienen Flammen zu lodern.. »Wer oder was bist du?« wollte Rhodan wissen. »Dein Schicksal«, antwortete die Kreatur. »Ich verstehe nicht so ganz«, sagte Rhodan zögerlich. »Natürlich verstehst du nicht. Ihr niederen Wesen könnt doch nichts verstehen. Ich bin Rodrom, Abgesandter und Inkarnation des großen... Chaotarchs... MODROR!« Rhodan saß damals der Schreck tief in den Knochen. Warum wollten die Chaotarchen auf einmal seinen Tod, fragte er sich. »Ich nehme an, daß du uns auf diese ParaErde gebracht hast?« »Ich bin beeindruckt über deine Intuition«, sagte Rodrom spöttisch. »Warum? Was haben wir dir oder Modror getan?« »Ihr existiert. Dies allein ist schon Grund genug, euch zu eliminieren. Aber du bist es, Rhodan. Die Leute der LONDON sind unwichtige Ameisen. Du jedoch mußt dich noch immer vor uns verantworten.« »Warum? Was habe ich euch getan? Wir haben uns seit Jahrhunderten nicht in die Belange der Chaotarchen eingemischt.« Rodrom lachte diabolisch. »Du kleiner Tor, es geht um V’Aupertir – den Herren der Elemente. Seine Devolution habt ihr zu verantworten. Nun kann ich endlich 8 D O R G O N die ersehnte Rache nehmen für die schmähliche Niederlage der Mächte des Chaos.« Rhodan begriff nun, weshalb Rodrom gegen ihn vorging. Er wollte sich für die Niederlage des Dekalogs rächen. Rhodan bezweifelte, daß er den Dekalog selbst rächen wollte, sondern die Tatsache, daß die Mächte des Chaos gegen Rhodan seinerzeit eine Schlappe erlitten hatten. »Nun verstehe ich«, sagte Rhodan langsam. »Gut, dann verstehst du auch, daß dein Ende gekommen ist. Ich beabsichtige, dich nicht auf diesem Planeten dahinvegetieren zu lassen. Nein, du wirst gejagt und erlegt werden, wie Wild...« »Ich sehe ein, daß du meinen Tod wünschst. Aber laß die anderen in Ruhe. Die Passagiere der LONDON und die Saggittonen haben nichts mit deiner Rache zu tun. Du hast keine Beweggründe, gegen sie vorzugehen«, sagte Rhodan energisch. Rodrom machte eine Kopfbewegungen nach oben. »Du maßt dir an, die Beweggründe einer dir weit überlegenen Entität nachvollziehen zu können? Das ist lächerlich. Oder erwartest du von einem Zwergpinseläffchen, daß es eine Logarithmik rechnen könnte?« Rhodan wäre am liebsten diesem arroganten Wesen an die Gurgel gegangen, doch er bezweifelte, daß Rodrom aus Materie bestand. Der Rote ging auf Rhodan zu, bis er direkt vor ihm Stand. »Die Kreaturen der Galaxis Saggittor, wie auch jene auf der LONDON, sind unwichtig. Ich habe die Saggittonen dazu benutzt, die LONDON in die Falle zu locken. Dolphus ist einer meiner Handlanger. Ich war es, der den Befehl zur Exekution der Kanzlerfamilie gab. Alles nur, um die LONDON in die richtige Position zu bekommen, um sie in dieses Universum zu bringen. Die Saggittonen und Passagiere der LONDON waren nichts weiter als Bauern auf einem Schachbrett«, erklärte die rote Entität. Rhodan schwieg. »Ich gebe dir aber noch eine faire Chance. Du mußt gegen fünf meiner besten Kämpfer antreten. Sie werden dich auf diesem Planeten jagen, bis entweder du oder aber sie tot sind. Nils Hirseland Da ich der festen Überzeugung bin, sie werden nicht versagen, glaube ich, daß dein Ende gekommen ist. All die Jahrhunderte konntest du immer wieder dem Tod ein Schnippchen schlagen, diesmal ist es zu spät. Du und deine Gefährten werdet nun euer Schicksal treffen.« Rodrom löste sich wieder in Nebel auf. Zurück blieb eine verwüstete Bar. Es herrschte Totenstille. * Aurec öffnete wieder die Augen. Keine Silbe der Worte Rodroms hatte der Saggittone vergessen. Auch nicht nach zehn langen Jahren. Bis dato war ihm nirgendwo ein solch diabolisches Wesen begegnet. Wenn es tatsächlich so etwas, wie »das Böse« gab, dann mußte Rodrom ein direkter Abgesandter dieser Macht sein. MODROR... Das war der Name seines Herren. Ein Chaotarch. Erst jetzt dachte Aurec über die seltsame Betonung in Rodroms Worten nach. Es war ihm früher nicht aufgefallen. Er sprach das Wort Chaotarch fast abfällig aus. Aber warum? Aurec faßte sich an die Schläfe und versuchte Herr über die Kopfschmerzen und Nachfolgeerscheinungen seines Rausches zu werden. Plötzlich erschien ihm vor seinem geistigen Auge das Bild Ulesias, jener wunderschönen Dorgonin, die er auf Anhieb geliebt hatte. Doch auch Ulesia war ihm vor vier Jahren gewaltsam entrissen worden. Wieder war er allein. Doch war er das wirklich? Er hatte zwar keine Gefährtin, doch Freunde in vielen Galaxien und ein Volk, für das er verantwortlich war. Er war somit bestimmt nicht das Paradebeispiel eines einsamen Wesens. Aurec wurde gebraucht und geliebt. Mit dieser Gewißheit sollte es ihm doch möglich sein, die nötige Kraft für den Kampf gegen Rodrom aufzubringen. Aurec sank in die Knie und nahm etwas Sand auf. Langsam ließ er die Körner durch die Finger seiner Hände rieseln. Der kalte Wind fuhr ihm durch die Haare. Er besaß eine erfrischende Wirkung. Flucht aus Saggittor D O R G O N Langsam erhob sich Aurec wieder und atmete die frische Seeluft tief ein. Dann gab er sich einen innerlichen Impuls und verließ im forschen Gang den Strand. Der Prinz Saggittors hatte neue Energien gewonnen. Er war wieder der Alte! 2. Hinter der Barriere In der Stille des Alls deutete nichts auf die schicksalhaften Stunden für die Galaxis Saggittor hin, die kurz bevor standen. Ein Jäger unterbrach diese Ruhe und steuerte mit enormer Geschwindigkeit auf das gigantische Objekt mitten im Leerraum zu. Das fünfzehn Kilometer lange asteroidenähnliche Keilraumschiff war jedoch winzig gegenüber dem planetengroßen Gebilde, daß es umkreiste. Die WORDON patrouillierte langsam um das 100.000 Kilometer große karoförmige Etwas herum, an dem fieberhaft gearbeitet wurde. Tausende von Schiffen waren an der Außenhülle verteilt. Die Fertigstellung war nur noch eine Frage von Stunden gewesen. Pestol, der Chefkonstrukteur dieses Monstrums, war ein achthundertjähriger Zievohne aus der Galaxis Barym. Die Hälfte seines Lebens hat er im Auftrage der Chaosmächte an diesem wohl größten künstlichen Gebilde des Universums gebaut. Nun war es vollendet und stand kurz vor seiner Taufe. Ein Gefühl von Ehrfurcht überkam den Wissenschaftler, der eine fürstliche Entlohnung – die relative Unsterblichkeit – von seinem Auftraggeber bekommen hatte, um dieses Gebilde zu konstruieren. Er nannte es den SONNENHAMMER. Dieser Name klang gigantisch, doch er beschrieb die Eigenschaften des SONNENHAMMERs bis auf den Punkt. Die Zievohnen waren 1,70 Meter große humanoide Wesen mit einer lederartigen braunen Haut. Sie erinnerten stark an die Hauris aus dem Roten Universum Tarkan. Auf andere Wesen wirkten die Zievohnen erschreckend und daher 9 besaßen sie in der Galaxis Barym auch den Ruf als Dämonen des Chaos. Ein Ruf der viel Respekt mit sich brachte. Im Grunde genommen waren sie auch Dämonen des Chaos, denn sie dienten einem der finstersten Mächte im Universum. Sie vollbrachten grauenvolle Taten für sie. Ja, sie hatten den Namen verdient. Pestol war kein Krieger, so wie viele anderen seiner Artgenossen, die in jungen Jahren Barym verließen, um in das Land Modror gebracht zu werden. Dort wurden sie konditioniert und kamen als Elitesoldaten wieder. Sie waren ein Teil der gigantischen und unbesiegbaren Armee des Chaos. Doch Pestol wollte keine Waffe in die Hand nehmen. Er verabscheute den Konflikt zwischen einzelnen Wesen. Nein, er wollte schnell und effektiv gewinnen. Mit dem SONNENHAMMER hatte er dieses Ziel verwirklicht. Eine fliegende Festung, größer als ein Gasriese und mit einer Zerstörungskraft, die sich keiner vorstellen konnte. Niemand bis auf er selbst und seine Auftraggeber. Pestol blickte auf sein Chronometer. Bald, sagte er sich im Gedanken, bald... * Er war wieder in die Galaxis Saggittor zurückgekehrt. Eigentlich war er nur einen Wimpernschlag lang weg gewesen, zumindest aus kosmischer Sicht. Was waren schon Planetenjahr? Nichts! Für ihn war es allerdings der längste Wimpernschlag gewesen, denn er brannte auf Rache. Endlich wollte er dieses aufmüpfige Volk, der Saggittonen, Holpigons und wie sie alle hießen, eine Lektion erteilen. Sie sollten für ihre impertinente Einmischung bezahlen. Damals war er bereits mit der Überwachung des Baus des SONNENHAMMERs beschäftig gewesen, doch sein Meister verlangte zu dieser Zeit einen Bericht über die Aktivitäten im Normaluniversum. Rodrom sah sich bereits nach einem geeigneten Testfeld für den SONNENHAMMER 10 D O R G O N um. Er wählte er die Galaxis Saggittor und studierte derweil ihre Geschichte. Zur gleichen Zeit verfolgte er ebenfalls den anbahnenden Kampf zwischen Perry Rhodan und Shabazza. Dieser hatte sich letztendlich als Versager herausgestellt. Sie hatten allerdings bereits vor mehr als 25 Jahren ein Trojanisches Pferd in Rhodans nächster Nähe gestellt. Während Shabazza noch bemüht war, Perry Rhodan zu schlagen, hatte ein anderer Diener seines Meisters bereits damit begonnen, eine Terrormacht zu errichten, die den Auftakt des Kampfes zwischen Rhodan und den Mächten des Chaos darstellen sollte. Rodrom dachte mit Genugtuung über die Ereignisse der letzten Jahre nach. Sein Meister war zufrieden, denn es hatte sich alles nach seinem Plan entwickelt. Doch noch immer grämte ihn die Niederlage durch Rhodan und die Saggittonen, die ihm vor zehn Jahren in dieser Galaxis zugefügt worden war. Damals wollte er voller Ehrgeiz Rhodan jagen und zur Strecke bringen. Die besten Kämpfer in seiner Armee hatte er dafür auserkoren, doch alle versagten und starben. Perry Rhodan und Aurec vernichteten sogar das geheime Versteck der Kjollen, einem Hilfsvolk Rodroms und seines Meisters. Rodrom zog sich zurück und wiegelte damit die Saggittonen und Terraner in Sicherheit. Doch er übte grausame Rache, als er das Raumschiff LONDON über einem Wasserplaneten abschoß und versenkte. 11000 Galaktiker fanden dabei den Tod, doch Perry Rhodan überlebte. Er lebte... noch! Doch auch Aurec hatte sich als gefährlicher Widersacher erwiesen. Während Rhodan immer noch gegen Shabazza und dessen Meister Torr Samaho kämpfte, aktivierte Rodrom im Auftrage seines Meisters die erste Waffe: Die MORDRED. Mit Hilfe des Sohnes des Chaos Cau Thon, einem der ergebensten Diener seines Meisters MODROR, wurden nicht nur die Dorgonen gegen die Terraner aufgebracht, sondern auch eine Terrororganisation gegründet, die Camelot vernichten sollte. Zumindest sollte sie Camelot schwächen, während die Dorgonen Nils Hirseland unter Kaiser Thesasian eine Invasion vorbereiteten. Doch leider konnten Rhodan und Aurec zusammen mit Homer G. Adams, dem Somer Sam und dem Terraner Joak Cascal die MORDRED schlagen und ihr Trojanisches Pferd wandte sich gegen sie; Cauthon Despair! Ein Wesen, dem ein besonderes Schicksal vorherbestimmt war, denn er sollte die alte Prophezeiung der Kosmokraten zu einem Ende bringen. Eine sehr vage Aussage, doch MODROR wollte Despair auf seiner Seite wissen. Nachdem Aurec nun auch noch die Invasion der Dorgonen verhindert hatte und sogar einen Verbündeten in dem Volk der Entität DORGON fand, konnte man immerhin Despair auf seine Seite bringen und Cau Thon ging in die Offensive und warb zwei neue Söhne des Chaos, die Rhodan das Leben schwer machen sollten. Doch während Cau Thon sich um Rhodan kümmerte, war es Rodroms Auftrag gewesen, den Bau des SONNENHAMMERs zu forcieren und den ersten Test durchzuführen. Nun war dieser Tag gekommen und die Demonstration der Macht des SONNENHAMMERs sollte in Saggittor seinen Beginn finden. 3. Retten, was zu retten ist Zur allgemeinen Verwunderung tauchte Aurec in den frühen Morgenstunden im Regierungsgebäude auf. Er war rasiert, gewaschen und trug eine schwarzrote Kombination mit einem Umhang. Forschen Schrittes rannte er die Treppen hoch und sah von der Benutzung des Antigravschachtes ab. Ein Teil seiner Gedanken kreiste noch immer um Shel und Ulesia. Diese Erinnerungen füllten sein Herz immer noch mit Wehmut, doch es galt jetzt, sofort zu handeln. Wenn Rodrom zurückgekehrt war, mußte er sofort Gegenmaßnahmen einleiten. Im Plenarsaal hielt der Senator einer Varniderwelt gerade eine Rede. Er stoppte sofort, als er Aurec erkannte. Eine Geste der Freude und Flucht aus Saggittor D O R G O N des Erstaunens spiegelte das Gesicht des Pflanzenwesens wieder. Perus war weniger begeistert. »Wachen! Schafft den Eindringling sofort hier heraus«, brüllte er. Doch niemand wagte es, Aurec anzufassen. Der Saggittone trat vor Perus und bat ihn um ein persönliches Gespräch. Der Kanzler willigte ein und verließ mit dem ehemaligen Kanzler den Saal. Sie ließen aufgeregt tuschelnde Senatoren zurück. In einem Nebenraum angekommen, verlor Aurec auch keine Zeit. Ohne große Umschweife begann er sofort Perus zu berichten. »Ich weiß, was hinter der Barriere steckt«, begann er warnend. Sein Gegenüber musterte ihn mißtrauisch. Perus merkte sofort, daß Aurec wieder gefaßt und im Besitz seiner vollen Kräfte war. »Rodrom ist zurückgekehrt. Er hat anscheinend den Plan, die Galaxis zu unterdrücken oder...« Der Saggittone stockte für einen Moment. »...oder sie sogar zu vernichten.« Perus mußte sich erst einmal setzen. Er dachte über Aurecs Worte nach. Dann nickte er verständnisvoll dem Prinzen Saggittors zu. »Das sieht in der Tat schlimm aus. Wer hat Euch das verraten?« »Einer der Geister«, antwortete Aurec. »Geister?« wiederholte Perus ungläubig. »Die Erscheinungen. Sie sind Konzepte SAGGITTORAs, die tatsächlich eine Superintelligenz ist«, erklärte Aurec weiter. Perus legte ein seltsames Lächeln auf. Er drückte auf einen Knopf. Sofort kamen vier Soldaten hereingestürmt, die von Waskoch angeführt wurden. »Was soll das?« wollte Aurec wissen. Perus lehnte sich zurück und grinste überlegen. Aurec wäre am liebsten sofort über diesen arroganten und feisten Intriganten hergefallen, der den Ernst der Lage nicht zu begreifen schien. »Sie sind offensichtlich geistesgestört. Im Interesse aller werden die Wachen Sie zu unserem Ärztestab eskortieren, der dann Ihre Unzurechnungsfähigkeit bescheinigen wird.« Aurec schüttelte den Kopf. 11 »Laßt mich vor dem Senat sprechen. Wir sind alle in Gefahr!« Perus schüttelte nur den Kopf und gab den Wachen ein Zeichen. Aurec wollte sich wehren, doch Waskoch nahm einen Gummiknüppel und stieß damit seinem Artgenossen in den Magen. Hustend brach Aurec zusammen und wurde von den Soldaten herausgeschliffen. Waskoch wandte sich an den amtierenden Kanzler Saggittors. »Tragt dafür Sorge, daß Aurec nie wieder hier auftauchen wird«, befahl Perus. Waskoch nickte zufrieden und folgte den Wachen. Perus erhob sich und faltete die Hände als er vor einem Fenster stand. Er ignorierte die Warnungen Aurecs und glaubte auch nicht an dessen Worte. Die meisten Erscheinungen waren verschwunden und Perus würde es verstehen, Aurec als Wahnsinnigen vor dem Senat darzustellen. Aurec letztes Kapitel wurde in seinen Augen geschrieben und Perus wollte den letzten Punkt darin setzen. * Die Aufmerksamkeit der Delegierten war auf den hereinkommenden Kanzler Perus gerichtet. Jeder wartete gespannt auf die Erklärung des Regierungsoberhauptes. Perus ignorierte die Blicke und lief zielstrebig zum Podium. Dann ließ er aufreizend langsam seinen Blick über die Menge schweifen. »Liebe Senatoren! Leider ist der ehemalige Kanzler noch kränker als vermutet. Er ist dem Schwachsinn anheim gefallen. Aurec behauptet allen Ernstes, daß der Geist seiner vor knapp zehn Jahren gestorbenen Geliebten zu ihm gesprochen hat«, sagte er mit geheuchelter Trauer. Ein Raunen ging durch die Massen. Perus triumphierte innerlich. »Sie sagte ihm, daß der böse Rodrom wieder da sei und uns alle an den Kragen will.« Die Senatoren wirkten beunruhigt. »Ich sage Ihnen, daß Aurec zuviel Merage konsumiert hat und ihm seine Sinne einen Streich gespielt haben. Der ehemalige Kanzler war nicht in der Verfassung vor Ihnen zu spre- D O R G O N 12 chen. Deshalb habe ich im Einvernehmen mit dem Verteidigungsminister Waskoch, Aurec in Behandlung gegeben. Unsere besten Ärzte werden sich um ihn kümmern.« Ein wildes Gemurmel brach aus. Einige mutmaßten, man wolle Aurec hintergehen, andere waren von dem desolaten Zustand des ehemaligen Kaisers so entsetzt, daß sie den Worten Perus Glauben schenkten. »Unter diesen Umständen ist es das Beste, wenn wir Neuwahlen einberufen. Das Volk hat zu entscheiden. Und es wird sich richtig entscheiden! Aurecs Zeit ist abgelaufen. Ich, Perus, werde Saggittor neue Impulse verleihen und zu einer Macht ausbauen, der niemand in diesem Universum gewachsen sein wird. Auch ein Rodrom nicht!« Als Perus seine Rede beendet hatte, wischte er sich mit einem Tuch den Schweiß von der Stirn. Erschöpft stützte er sich am Rednerpult. Erst nur wenige, dann immer mehr der Senatoren spendeten ihm Beifall. Perus grinste triumphierend. Der Sieg schien ihm sicher. Nun mußte er nur noch Aurec beseitigen. Das würde Waskoch übernehmen, während die Delegierten zur nächsten Tagesordnung schritten. * Aurec lag vor Schmerzen gekrümmt in der Ecke eines Raumes. Zwei muskelbepackte Trötter fuchtelten bedrohlich mit ihren Schlagstöcken. Waskoch stemmte die Arme in die Hüften und lief wie ein Tiger um Aurec umher. »So, der große Aurec am Boden!« Aurec konnte diese Aussage nur mit einem erschöpften Blick auf Waskoch erwidern. »Einst waren Sie mein Vorbild, doch Ihre verweichlichte und naive Einstellung hat mich angewidert. Perus ist ein starker Mann. So, wie es einst Dolphus war!« Aurec versuchte sich aufzurappeln, doch er sank wieder auf den Hosenboden. Er atmete schwer und versuchte die Schmerzen zu unterdrücken, die ihm die Wachen zugefügt hatten. »Dolphus war ein wahnsinniger Diktator«, brachte der Saggittone hervor. Nils Hirseland Waskoch spuckte Aurec an und trat wie ein Berserker gegen dessen Brust. Immer wieder und wieder, solange bis Aurec nichts mehr tun konnte, als hustend am Boden zu liegen. »Ich werde Sie jetzt töten, Kanzler! Es wird mir das reinste Vergnügen sein, das Volk Saggittors von einem Parasiten zu befreien!« fletschte Waskoch, der seine ganze Wut über Aurecs Ideologie ausließ. Waskoch nahm einen Schlagstock und schlug mehrmals gegen ein Rohr damit, um zu verdeutlichen, wie sehr die Schläge Aurec wehtun würden. Bevor er ausholen konnte, rappelte sich Aurec auf und fegte mit einem Tritt gegen die Beine Waskoch zu Boden. Doch an den beiden Tröttern kam er nicht so schnell vorbei. Sie stellten sich demonstrativ vor die Tür und auch Waskoch rappelte sich wieder auf. Aurec konnte dem neuen Verteidigungsminister den Thermostrahler abnehmen und zielte auf die drei Gegner. »Meine Herren, ich würde nur sehr ungern abdrücken, doch wenn sie mir keine andere Wahl lassen...« Waskoch bebte vor Wut, doch ihm blieb nichts anderes übrig, als mit den beiden Tröttern zur Wand zu gehen. »Wo wollen Sie denn noch hin, Aurec? Ihre Zeit ist abgelaufen. Sehen Sie das doch ein«, versuchte Waskoch sein Gegenüber einzuschüchtern. »Oh, ich glaube, daß das Universum noch viel mit mir vor hat«, entgegnete Aurec mit einem Ansatz eines Lächelns. Das Lächeln erstarb sofort. »Und nun bitte ich Sie, sich umzudrehen und sich auszuziehen.« »Was?« rief Waskoch aufgeregt. »Sie haben richtig gehört. Ausziehen!« Widerwillig befolgten die Drei den Befehl und zogen sich bis auf die Unterwäsche aus. Waskoch lief beinahe rot an. »Alles«, forderte Aurec. »Sind Sie ein perverses Schwein?« wollte Waskoch wissen. »Nein, nur wird mich wohl keiner von Ihnen nackt verfolgen«, antwortete er schnippisch. D O R G O N Flucht aus Saggittor Waskoch verstand. Dann zog er auch seine Unterwäsche aus und stand mit den beiden Tröttern vor Aurec, wie sie geschaffen wurden. Aurec packte die Sachen und warf sie in einen Konverter, der an der Wand eingebaut war. Waskoch beobachtete das Schauspiel und biß sich auf die Lippen. »So, nun muß ich Sie alleine lassen«, verabschiedete sich Aurec und verließ hastig den Raum. Das Schloß schmolz er mit Hilfe des Thermostrahlers zusammen, so daß Waskoch und die beiden Trötter festsaßen. Aurec kommentierte die unfreiwillig komische Szene mit dem Hochziehen einer Augenbraue und lief in Richtung Plenarsaal. * Perus langweilte die Debatte über eine neue Steuerreform. Einige Kolonien der Varnider beschwerten sich über die hohen Export- und Importsteuern, die ihre Administrationen nicht mehr tragen konnten. Ein Aurec hätte sofort gefordert, die Steuern zu senken. Doch Perus Fraktion war eindeutig gegen eine Senkung. Plötzlich öffnete sich die Tür und drei Gestalten betraten den Raum. Ein Raunen ging erneut durch den Saal. Perus drehte sich um und war unangenehm überrascht, als er Serakan in Begleitung eines Terraners und Holpigons erblickte. »Wachen! Werft sie hinaus. Das sind Terroristen«, brüllte Perus aufgebracht. »Laßt uns sprechen. Wir haben wichtige Neuigkeiten«, rief Serakan und stürmte zum Podium. Utzmuk und Sato Ambush folgten ihm. Die Wachen rührten sich nicht, sie hatten viel zu viel Respekt vor Serakan. Sie glaubten nicht daran, daß er gegen die Interessen der Republik handelte. Serakan ergriff sofort das Wort. »Saggittonen, Varnider, Trötter, Multivons und Holpigons«, begann er. »Es ist wahr. Die Vermutungen haben sich bewahrheitet. Rodrom befindet sich hinter der Barriere und bereitet einen Schlag gegen die Galaxis vor!« 13 Diese Worte erschütterten die Delegierten. Serakan schenkten sie vorbehaltlos ihren Glauben, da er im Gegensatz zu Aurec nicht unangenehm aufgefallen war. »Schwachsinn! Noch so ein Verrückter«, brüllte Perus. Er fürchtete um seine Machtposition. Dabei erkannte er nicht, daß die Gefahr durch Rodrom auch sein Ende bedeutete. »Wir waren hinter der Barriere«, erklärte Serakan. »Der Theologe und Wissenschaftler Utzmuk befaßte sich seit Jahren mit der Suche nach SAGGITTORA. Vor wenigen Tagen wurde er fündig! SAGGITTORA existierte wirklich! Sie war eine Superintelligenz und Schutzpatronin Saggittors.« Niemand wagte es mehr die Ansprache zu stören. Alle Wesen im Saal hörten gebannt auf die Worte des Kommandanten der SAGRITON. »SAGGITTORA befand sich im Kampf gegen Rodrom. Mehr als einmal! Doch den finalen Kampf hatte sie verloren. Wir trafen auf die Superintelligenz im Zentrum Saggittors. Sie stirbt! Sie hat unkontrolliert Konzepte entlassen, welche uns als Erscheinungen vor der Gefahr durch Rodrom warnten.« Serakan machte eine Pause. Ihm wurde schwindelig. Seine Beine zitterten und die Gesichtsfarbe wurde weiß. Er taumelte, doch Sato Ambush ergriff die Initiative und stützte ihn. Der Saggittone brauchte einige Momente, um sich wieder zu fassen. Der Gedanke an SAGGITTORAs Worte, die den Untergang Saggittors vorhersagten, war zuviel für den Kommandanten. Er war in den letzten Tagen bereits aus sich herausgewachsen, doch irgendwann waren seine Grenzen erreicht. Wenn er nur daran dachte, daß all das bald der Vergangenheit angehörte... Sato Ambush geleitete Serakan zu Utzmuk und ergriff selbst das Wort. »Ich bin Sato Ambush, Freund Aurecs und Perry Rhodans. Ich trat in direkten Kontakt mit der Entität SAGGITTORA, die sich in der Tat in einem großen Kampf gegen Rodrom befand, um Saggittor zu schützen. Rodroms Kräfte waren überlegen und nichts kann das Ende SAGGITTORAs jetzt noch aufhalten. Ebenso wie das Ende der Galaxis. Ich schlage im Namen der Vernunft vor, sofort mit 14 D O R G O N der Evakuierung zu beginnen, bevor es zu spät ist.« Perus lachte schrill auf und applaudierte. Er war der einzige. Die anderen Wesen blieben ruhig und dachten über die Worte des Japaners nach. »Eine sehr gelungene Darbietung. Braucht ihr noch mehr Beweise, daß Aurec und seine Kumpanen geisteskrank sind?« Der Saal füllte sich mit lautem Gemurmel. Die Delegierten brüllten sich gegenseitig an und versuchten ihre Meinung kund zu tun. Ambush wußte nicht, ob die Saggittonen schnell genug handelten. Jede Minute kostete wahrscheinlich viele Leben, die nicht mehr evakuiert werden konnten. »Warum senden wir nicht eine Flotte zur Barriere und bekämpfen sie, wie wir es vor zehn Jahren getan haben?« warf der Delegierte der Trötter ein. Er erntete Applaus. »Wenn SAGGITTORA sie nicht besiegen kann, können wir es in der kurzen Zeit auch nicht«, wandte Ambush ein. Perus schüttelte den Kopf. Er rief seine Leibwachen, die bedrohlich auf Ambush, Serakan und Utzmuk zuliefen. Sie waren zu allem bereit. Ihre Kombistrahler waren nicht auf Paralyse gestellt. Perus wollte diese lästigen Feinde endlich loswerden! »Wir sprechen dem Saggittonen, dem Terraner und unserem Bruder Utzmuk unser Vertrauen aus. Die Holpigons werden sofort mit der Evakuierung beginnen«, sprach plötzlich der Senator der Holpigons, Vochur. Plötzlich kehrte wieder für kurze Zeit Ruhe in den Saal ein. Die Politiker blickten zu dem Abgeordneten der Moluskenwesen herüber. »Die Ausführungen klingen logisch. Die Erscheinungen sind keine Trugbilder und auch keine von Aurec inszenierte Kampagne gegen Perus. Wir sollten sofort handeln und die Evakuierung aller Welten beginnen. Wir dürfen die Gefährlichkeit Rodroms nicht unterschätzen!« Utzmuk war froh über die Entscheidung seines Artgenossen Vochur, Administrator der Welt Horww. Diese Eigenschaft machte ihn auch automatisch zum Stellvertreter des ober- Nils Hirseland sten Regenten der Holpigons. Die anderen Völker hingegen zauderten. Die Varnider, Trötter und Multivons brauchten mehr Beweise, um so eine kostspielige und vielleicht völlig unnötige Aktion zu starten. Viele befürchteten auch eine Massenpanik der Bevölkerung. Letztendlich war es nicht einfach, der Gesamtbevölkerung den Untergang der Galaxis mitzuteilen. Perus ergriff wieder die Initiative. Er sprach sich für eine erneute Tagung in zwei Tagen aus. Bis dahin wollte er mehr Zeit gewinnen. Ambush legte Widerspruch ein, da die Zeit drängte, doch der amtierende Kanzler machte dem Japaner unmißverständlich klar, daß ein Terraner sich nicht die Politik der Saggittonen einzumischen hatte. Ambush wußte, daß es wenig Sinn hatte, gegen Perus vorzugehen. Sie brauchten Aurecs Hilfe. Der Terraner wandte sich an Utzmuk und Serakan. »Wir müssen zuerst Aurec finden. Wenn wir ihn wieder wachrütteln können, haben wir auch eine reale Möglichkeit den Senat zu überzeugen.« Der Holpigon nickte zustimmend. Serakan war weniger davon überzeugt. »Aurec ist am Ende. Es hat keinen Sinn mehr mit ihm zu sprechen«, wandte er ein. Er war tief enttäuscht von seinem Freund und Vorbild. »Wir haben keine andere Wahl«, meinte Ambush und verließ den Saal. Utzmuk und Serakan wechselten einen vielsagenden Blick und folgten dem Asiaterraner aus dem Regierungsgebäude. Serakan aktivierte seinen Interkom, den er aus Sicherheitsgründen im Plenarsaal hatte deaktiviert müssen. Während der Zeit im OfflineModus hatte der Interkom eine Nachricht empfangen und gespeichert. Sie stammte von Aurec: »Treuer Freund! Shel Norkat berichtete mir von SAGGITTORA und Rodroms gefährlichen Absichten. Wir müssen uns treffen. Da ich von Waskoch verfolgt werde, sollten wir uns in der Kneipe treffen, in der wir vor einer Woche den Abend verbracht haben.« Flucht aus Saggittor D O R G O N Serakan fühlte sich schuldig, als er die Nachricht laß. Er hatte den Glauben an Aurec zu früh verloren. Nachdem er Ambush und Utzmuk die Nachricht vorgelesen hatte, machten sie sich umgehend auf den Weg zum Raumhafenlokal. 4. Vorbereitungen zum Test Zwei Jäger brausten über die kraterförmige Außenhülle der WORDON hinweg und bahnten sich ihren Weg über der Kommandozentrale des gigantischen Schiffes. Rodrom verfolgte die Manöver der beiden Raumjäger. Anschließend drehte er sich um und musterte die Besatzung seiner Kommandozentrale. Zukthh, der langjährige Kommandant der WORDRON stand an den Kontrollen, die einen Statusbericht über den Bau des SONNENHAMMERs lieferten. Zukthh war in einer grauen Kutte gekleidet, unter der sich eine Rüstung verbarg. Auch er gehörte zu dem Volk der Zievohnen an und war ein ausgezeichneter Soldat und Pilot, der sich in vielen Schlachten hervorgetan hatte. Die Hälfte seiner Crew bestand aus seinen Artgenossen. Die andere Hälfte stammte von verschiedenen Völkern, die aus vielen Galaxien des Reiches Modror stammten. Darunter waren die schlangenartigen Lasaar, die Vogelwesen der Atusar und die dreibeinigen Rytar. Die Raumlandetruppen bildeten die Legionen des Chaos. Sie bestanden aus seltsamen humanoiden Kreaturen, deren Exoskelett als organischer Panzer wirkte. Niemand wußte genau, woher diese Soldaten stammten, wessen Volk sie angehörten. Pestol hatte einst die Vermutung geäußert, es seien die rekrutierten Zievohnen, die in den näheren Bereich Modrors gebracht wurden, doch im Grund genommen, wußte es niemand außer MODROR selbst, Rodrom und die Söhne des Chaos. Rodrom unterbrach die Überlegungen Zukthhs als er plötzlich direkt vor ihm stand. Der 15 Kommandant erschreckte sich innerlich, zeigte seinem Herren jedoch nichts davon. »Wie lange dauert es noch bis zur Fertigstellung des SONNENHAMMERs? « Zukthh wirkte verlegen, da er Rodrom keine genaue Antwort geben konnte. Jedoch war das in seinen Augen Pestols Schuld. »Der SONNENHAMMER ist zu 70 Prozent fertiggestellt. Die Bewaffnung ist jedoch bereits voll funktionsfähig, versicherte mir Pestol« erklärte der Kommandant der WORDON. Rodrom wirkte jedoch wenig begeistert, sofern man irgendwie eine Gefühlsregung an diesem Wesen erkennen konnte. »Stellen Sie mir unverzüglich eine Verbindung zu Pestol her!« befahl die Rote Entität in einem wenig freundlichen Tonfall, der durch das Knochenmark Zykkths ging. »Ja, mein Meister. « * Pestol arbeitete fieberhaft an den letzten Vorbereitungen für die große Feuertaufe. Es durfte ihm kein Fehler unterlaufen, sonst waren Jahrhunderte der Forschung umsonst und sein Leben war verwirkt. Eine Projektion Rodroms erschien plötzlich und ohne Vorankündigung vor dem Zievohnen, der überrascht zurückwich. »Was kann ich für Euch tun, Meister Rodrom? « »Der SONNENHAMMER ist erst zu 70 Prozent fertiggestellt. Warum dauert das so unendlich lange? « Pestol schwieg für einige Momente und überlegte sich seine Antwort sehr genau. Jedes falsche Wort konnte sein letztes gewesen sein. Er versuchte Rodrom mit einem Lächeln zu beschwichtigen. »Herr, bei einem Gebilde dieser unglaublichen Größe ist es unmöglich, den SONNENHAMMER bis zum angestrebten Testtermin fertigzustellen. Ich versichere Ihnen jedoch, daß vom Antrieb über den Formenergieschutzschirm bis hin zu den Strahlungsprojektoren alles funktionstüchtig ist«, erklärte der dürre Humanoid aus der Galaxis Barym. D O R G O N 16 »Das hoffe ich für Sie! Sollte dieser Test fehlschlagen, werde ich persönlich Ihre Exekution übernehmen, Pestol! « Mit diesen klaren Worten löste sich das Holobild Rodroms auf. Pestol faßte sich an die Stirn. Dort war kein Schweiß, denn die Zievohnen konnten nicht transpirieren. Ein heißkalter Schauer lief ihm über den Rücken. Dann riß er sich wieder zusammen und machte sich an die Arbeit. In nur zwei saggittonischen Tagen mußte alles einsatzbereit sein, sonst war er verloren. * Rodrom beobachtete die pulsierende rote Sonne. Vier Planeten kreisten um diese Welt nahe dem Schwarzen Loch im Zentrum. Unweit von hier befand sich einst das Heimatsystem der Kjollen, einem Hilfsvolk der Mächte des Chaos, die jedoch aufgrund ihrer Niederlage gegen die Saggittonen von Rodrom vollständig vernichtet wurden. Die Inkarnation MODRORs war unnachgiebig. Versagen wurde auf der Stelle mit dem Tode bestraft. Worte konnten die abgrundtiefe Bosheit dieses Wesens kaum beschreiben. Ein Mensch konnte es nicht begreifen, warum ein Wesen so viel Haß und negative Emotionen besaß wie Rodrom. Die Rote Entität versank in eine Art Trance. Er »lauschte« in das Universum und nahm die sterbenden Impulse SAGGITTORAs wahr. Die Superintelligenz war am Ende. Er spürte die Angst der Milliarden von Bewußtseinen, die in eine andere Dimension abdrifteten, ohne eine Möglichkeit auf Rückkehr. SAGGITTORA war dem mentalen Duell mit Rodrom nicht gewachsen gewesen. Er hatte sie im psionischen Kampf tödlich geschwächt. Nichts konnte ihre Auflösung mehr verhindern. Doch dies war nur der Anfang. Plötzlich schreckte Rodrom hoch. Irgend etwas stimmte nicht! Er fühlte eine Präsenz, die von größter Gefährlichkeit war. »Er ist hier«, sprach er zu sich selbst. Beunruhigt wandte sich Rodrom wieder dem Kommandanten der WORDON zu, der durch- Nils Hirseland aus fühlte, daß etwas mit Rodrom nicht stimmte. »Kommandant, informieren Sie Pestol, daß der Test bereits in zehn Stunden saggittonischer Zeitrechnung durchgeführt werden muß. Sollte er versagen, wird er aus der Schleuse geworfen. « Zukthh war irritiert. »Meister? Sind zehn... « »Wagen Sie es nicht noch einmal, meine Befehle in Frage zu stellen, Kommandant!« herrschte Rodrom den Zievohnen an. Zukthh salutierte vor Rodrom und lief hastig zur nächsten Funkanlage, um Pestol die Neuigkeiten zu übermitteln. Rodrom lief wieder völlig ruhig und gefaßt zum Panoramafenster der Kommandostation. Er verschränkte die Arme hinter dem Rücken und esperte in das All hinaus. »Ich spüre dich«, sagte er in Gedanken, ohne eine Antwort zu erwarten. »Auch du wirst uns dieses Mal nicht aufhalten können. Das Schicksal der Galaxis Saggittor ist besiegelt! « 5. Auf der Flucht Aurec hatte sich umgezogen und in einem Hotel direkt neben der Kneipe, die als Treffpunkt fungieren sollte, ein Zimmer gemietet. Dort harrte er der Dinge, bis er die drei Gestalten sah, die zum Lokal gingen. Es waren Sato Ambush, Utzmuk und Serakan. Ein sehr seltsames Gespann, wie Aurec fand, doch er vertraute den drei skurrilen Wesen am meisten in dieser Galaxis. Der Saggittone nahm einen Thermostrahler und steckte ihn in seine schwarze Montur. Den Umhang hatte er abgelegt. Aurec wollte auf keinen Fall das Risiko eingehen, erkannt zu werden. Er sah viel zu elegant mit dieser Kleidung für diese Gegend aus. Deshalb entschloß sich der Prinz Saggittors, die Kombination etwas dreckig zu machen und ebenfalls auf die Schulterstücke und die goldenen Knöpfe zu verzichten. Es regnete. Trotz der paar Meter zum Eingang der Taverne wurde das Haar Aurecs völlig durchnäßt. Flucht aus Saggittor D O R G O N Er stürzte sich in das Getümmel der Besucher, um möglichst unerkannt zu bleiben. Langsam, aber zielstrebig ging er auf Serakan, Ambush und den Holpigon zu, die an der Theke auf Aurec warteten. »Benehmt euch ganz unauffällig«, forderte Aurec und stellte sich neben sie. »Es freut mich dich wiederzusehen, Aurec«, begrüßte Sato Ambush seinen alten Freund. Aurec erwiderte die freundliche Geste mit einem Lächeln. Dann wurde er sofort wieder ernst und begann von Shel Norkats Aussagen zu berichten. »Auch wir haben dieselben Informationen von SAGGITTORA bekommen«, ergänzte Ambush Aurecs Ausführungen. Aurec machte einen verdrossenen Eindruck. »Das bedeutet, daß Saggittor in größter Gefahr ist. Wir müssen sofort die Barriere durchstoßen und Rodrom stoppen«, forderte der Prinz Saggittors. Ambush schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Die WORDON und hunderttausende andere Schiffe haben sich im Zentrum versammelt und bauen an etwas Gigantischem!« Es kehrte für einen Moment Stille ein. Niemand wußte weiter. Nur die laute Musik des Akustikautomaten war zu hören. »Ich habe einen Vorschlag«, meldete sich Utzmuk zu Wort »Die Holpigons werden mit der Evakuierung der Völker beginnen, während ihr versucht, Rodrom zu schlagen. « Aurec war erfreut über die Hilfsbereitschaft des Schneckenwesens. Doch die Lage war immer noch aussichtslos, solange nicht alle Völker mitzogen. Perus und Waskoch hatten die Kontrolle über die Armee und Regierung. Was konnte Aurec tun? Nichts! Nichts, außer... »Wir kapern die SAGRITON«, schlug Aurec vor. Serakan blickte seinen Freund entsetzt an. »Wir können doch nicht einfach das größte Raumschiff in der Galaxis kapern. Wie sollen wir das anstellen? « Aurec grinste. »Ganz einfach. Die Holpigons werden uns unterstützen. Außerdem haben wir viele Anhänger, die mit Perus’ Politik nicht einverstan- 17 den sind. Du, Serakan, wirst sie anwerben. Wir werden in fünf Stunden zuschlagen und haben dann ein Machtmittel, um die Barriere zu erforschen«, erklärte der Prinz Saggittors. Den anderen, insbesondere Serakan, war nicht sonderlich wohl bei diesem Gedanken. Aurecs Plan war mehr als verwegen und obendrein sehr gefährlich. »Wir haben noch einen weiteren Trumpf«, erzählte Aurec weiter. »Die SAGRITON besitzt eine Schaltung, mit der ich die Syntroniken aller anderen Schiffe und dazugehörigen Robotern kontrollieren kann. Diese Schaltung wurde nach der DolphusKrise eingesetzt, um derartige Mißbräuche zu verhindern. Sie hört nur auf drei Personen: mich selbst, dem Kommandanten der SAGRITON und dem amtierenden Kanzler. Es reichen jedoch die Stimmencodes von zwei der drei Autorisierten völlig aus.« Sato Ambush nickte wohlwollend über den klug durchdachten Plan Aurecs. Er ergänzte, daß man somit die Möglichkeit hätte, genügend Raumschiffe für eine Evakuierung bereitzustellen. Aurec und Serakan konnten sich jedoch nicht mit dem Gedanken anfreunden, Saggittor aufzugeben. Diese Galaxis war ihre Heimat und über 30 Billionen Lebewesen bevölkerten die Sterneninsel. Wie sollte man all diese retten? Selbst bei einer zusammengenommenen Kapazität von 500.000 Schlachtschiffen aller Völker konnte man vielleicht ein paar Milliarden retten, doch niemals Billionen. Das war unmöglich! Sie hatten keine Zeit, großartig über diese Schwierigkeiten nachzudenken. Aurec gab das Zeichen, sofort loszulegen. Serakan brach auf, um in den Kasernen nach Verbündeten zu suchen. Utzmuk nahm sofort Kontakt mit dem Botschafter der Holpigons, Vendoch auf. Ambush und Aurec wollten verschiedene Politiker aufsuchen, um sie vor Perus und Rodrom zu warnen. Weit kamen sie jedoch nicht. Als sie den Raum verlassen wollten, standen zwei Trötter und ein Saggittone vor sich. Aurec erkannte sie sofort. »Oh, ich hätte euch angezogen beinahe nicht erkannt«, meinte er sarkastisch und versetzte, bevor Waskoch etwas entgegnen konnte, einem 18 D O R G O N Trötter einen Tritt in den Magen. Dann packte er Ambush und lief durch die Menge zum nächsten Ausgang. Waskoch verlor die Nerven und feuerte mit einem Thermogewehr auf die Flüchtigen. Dabei tötete er ein gutes Dutzend Unschuldige. Aurec und Ambush konnten durch eine Hintertür fliehen. Der Japaner hatte jedoch Mühe, mit dem Tempo des Saggittonen mitzuhalten. »Was ist, Sato? Hast du nicht mehr deine Fähigkeit, dich zu entmaterialisieren?« Der kleine Asiate verneinte. »Dies war eine Fähigkeit, die ich in den Ebenen der Multiversen besaß. SAGGITTORA hat mich wieder zu einem normalen Menschen gemacht... mit all seinen Schwächen«, keuchte der Pararealist. Aurec dachte auch über Satos Zellaktivator nach, den er durch die Verschmelzung mit seinem Para-Ich Embuscade übernommen hatte. Besaß er diesen Zellaktivator noch? Doch jetzt war nicht die Zeit darüber nachzudenken, denn Waskoch und seine beiden Trötter-Killer waren den beiden schon dicht auf den Fersen. Zwei Energieschüsse schlugen in einer Wand seitlich von Aurec ein. Er warf sich zu Boden und riß Ambush mit. »Hätte ich doch bloß eine Waffe«, fluchte Aurec. »Das Ki könnte eine Waffe sein«, erklärte Ambush. Aurec schüttelte den Kopf und packte Ambush als er weiterlief. Sie rannten in eine kleine Gasse. »Ihr beiden rennt um den Block. Wir nehmen sie in die Zange«, befahl Waskoch. Er feuerte drei Salven auf die Flüchtigen, verfehlte sie jedoch. Die beiden Trötter teilten sich links und rechts auf. Sie bahnte sich ihren Weg durch die Passanten. Aurec und Ambush hasteten durch den schmalen Weg. Waskoch war vielleicht einhundert bis zweihundert Meter hinter ihnen. Ein Zaun versperrte ihnen den Weg. Zu Aurecs Überraschung hüpfte Sato mit einem lauten Schrei an die obere Kante des Zauns und stieg mühelos herüber, während der Saggittone hochklettern mußte. Nils Hirseland Waskoch holte auf! »Bleiben Sie stehen, Aurec. Ergeben Sie sich!« brüllte der Offizier den beiden Flüchtigen hinterher. Natürlich machten weder Aurec noch Ambush Anstalten, die auf eine Aufgabe hindeuteten. Brüllend stürzte sich Waskoch auf den Zaun und kletterte in zwei Sätzen herüber. Dann lief er, so schnell er konnte, hinter den beiden her, die gerade eine Straße überquerten. Dabei wurde Aurec von einem der Trötter angesprungen. Er warf den Prinzen Saggittors zu Boden und beide rangen mitten auf der Straße. Gleiter zischten an ihnen vorbei. Aurec konnte dem Hundewesen zwei Faustschläge auf die Schnauze geben und stieß ihn weg. Der Trötter wollte sofort hinter dem weglaufenden Saggittonen her, doch ein Lastengleiter versperrte ihm den Weg. Waskoch konnte nur noch zusehen, wie die beiden entkommen konnten. Der andere Trötter kam keuchend zu den beiden Offizieren und schüttelte nur den Kopf. Waskoch blickte einen der Trötter vielsagend an. Dann nahm er seinen Thermostrahler und schoß ihn nieder. »Das ist der Lohn für Versager«, knirschte er verächtlich zwischen seinen Zähnen hervor. Der andere Trötter war zutiefst geschockt. »Sind Sie wahnsinnig? Er war mein Freund!« Waskoch sah aus, als hätte ihm jemand gesagt, er war der größte Abschaum des Universums. Wütend richtete er die Waffe auf den anderen Trötter. »Dann kannst du deinem Freund folgen!« fletschte er und drückte ab. Zwei Passanten, welche die Schießerei mitverfolgt hatten, schüchterte Waskoch ein. Er ließ sich ihre IDKarten zeigen und drohte, sie zu finden und zu töten, sollten sie irgend etwas der Polizei sagen. Die beiden Varnider versicherten, daß sie nichts weitersagen würden. Waskoch grinste kurz, dann rannte er davon. Er aktivierte sein Interkomgerät. »Offizier, lokalisieren Sie mich und schicken Sie einen Gleiter zu mir«, befahl der Kommandant der SAGRITON und Verteidigungsminister. Flucht aus Saggittor D O R G O N »Ach ja«, fügte er noch hinzu. »Ich gebe Ihnen zwei ID-Codes durch. Finden Sie diese Leute und eliminieren Sie sie. Es sind Feinde des Volkes.« 6. Die SAGRITON Serakan war es in der Tat möglich gewesen, innerhalb von nur zwei Stunden über dreihundert Freiwillige zu finden, die ihr Leben für Aurec und die Freiheit Saggittors opfern würden. Aurec und Sato Ambush kamen völlig außer Atem am vereinbarten Treffpunkt an. Der Prinz Saggittors hielt es für nötig, eine kleine Ansprache zu halten, um die Soldaten sowohl über die Gefährlichkeit als auch die Notwendigkeit ihrer Mission aufzuklären. »Saggittonen! Noch nie war die Lage so ernst wie jetzt! Rodrom und die Mächte des Chaos sind wieder in der Galaxis und haben unsere Schutzpatronin, die Superintelligenz SAGGITTORA vernichtet! Laut Aussage SAGGITTORAs wird Rodrom diese Galaxis vernichten. Deshalb müssen wir schnell handeln. Perus und Waskoch sehen nicht die Gefahr und denken nur an ihre eigene Macht. Wir müssen schnell und konsequent die Raumschiffe in unsere Hand bringen. Zum einen müssen wir die Evakuierung der vielen Welten organisieren und zum anderen müssen wir Rodrom die Stirn bieten!« Die entschlossene Ansprache beeindruckte die Soldaten Saggittors. Sie jubelten ihrem Kanzler zu, doch plötzlich waren die Soldaten in ein gleißendes Flutlicht gebadet. Spacecopter und Gleiter brausten über ihre Köpfe hinweg. »Hier spricht der Verteidigungsminister Waskoch. Sie sind umstellt. Ergeben Sie sich oder Sie werden unverzüglich und ohne weitere Warnung erschossen!« Die Soldaten waren bereit für Aurec zu sterben, doch der Prinz Saggittors wollte kein weiteres Blutvergießen riskieren. Er signalisierte die Kapitulation. Irgendwie mußte Waskoch von dieser Aktion gewußt ha- 19 ben. Wahrscheinlich hatte er Serakan beschattet. Einige hundert Soldaten stürmten den Platz und nahmen die Soldaten, Serakan, Ambush und Aurec fest. Waskochs Spacecopter landete wenige Meter vor ihnen. Der arrogante Militär lief entschlossen auf Aurec zu. In seinem Gesicht spiegelte sich Genugtuung wieder. »Meuterei, Diebstahl und Aufwiegelung gegen die Regierung. Darauf wird neuerdings der Tod stehen. Es wird mir eine Freude sein, Sie selbst zu richten, Aurec«, sprach Waskoch kalt und befahl seinen Wachen, die Gefangenen in den Spacecopter zu bringen. Von dort aus wurden sie in den Palast von Perus gebracht. Waskoch lachte überlegen, jetzt hatte er sein Ziel erreicht. Er wußte nicht, wie unwichtig dieser Sieg doch war. 7. Der Test Pestol wurde zu Rodrom zitiert. Der Zievohne lief eilenden Schrittes zur Kommandozentrale. Die große Tür öffnete sich und Zukthh warf einen Blick auf seinen Artgenossen, der jedoch wenig Angst vor Rodrom hatte. Denn er war im Besitz erfreulicher Neuigkeiten. Pestol lief den langen Gang zum Panoramafenster entlang, bis er vor dem roten Wesen stand. »Nun, Pestol?« »Meister! Der SONNENHAMMER ist einsatzbereit. Wir können ihn sofort testen«, erklang die freudige Stimme Pestols, die sich überschlug. Rodrom drehte sich zu dem Zievohnen herum und betrachtete ihn durchdringend. Keine Reaktion war zu erkennen, dann sprach er: »Sehr gut, Baumeister! Bereiten Sie alles vor. Wir werden den SONNENHAMMER an der Sonne Zeptonis-Gamma anwenden!« Was weder Pestol noch Zukthh wußten, war, daß auf Zeptonis-Gamma die Superintelligenz SAGGITTORA mit dem Tode rang. D O R G O N 20 Rodrom wußte es jedoch. Nun wollte er seinen Sieg über die Superintelligenz voll auskosten. Die WORDON nahm Kurs auf das System. Pestol salutierte vor dem Roten und verließ das Keilschiff, um auf den SONNENHAMMER zu wechseln. Das gigantische 100.000 Kilometer durchmessende Gebilde setzte sich in Bewegung. Ein unglaubliches Bild bot sich den Beobachtern, als dieser planetenübergroße SONNENHAMMER der WORDON folgte. Pestol hatte die Kommandozentrale erreicht und beobachtete das Schauspiel. Er war der Architekt dieses Wunderwerks des Universums. »Lichtsprung vorbereiten«, befahl er. Die Besatzung des SONNENHAMMERs bestand hauptsächlich aus dem dreibeinigen Rytar, die ein außergewöhnliches Verständnis für Technik besaßen. Der SONNENHAMMER bahnte sich seinen Weg durch das System. Er hüllte ganze Gasriesen in Dunkelheit. Pestol kamen beinahe die Tränen bei diesem Anblick. Er war stolz auf sich und sehnte den Moment der Machtdemonstration dieser größten Waffen des Universums entgegen. Er hatte alle Tests abgeschlossen. Rein theoretisch funktionierte jedes Gerät an Bord des SONNENHAMMERs. Sie gingen in den Hyperraum, um nur nach wenigen Minuten im Zeptonis-Gamma System zu sein. Da lag sie vor ihnen: Eine blaue Sonne mit einem Durchmesser von 478.899 Kilometern. Alleine der Flug des SONNENHAMMERs in den Kern der Sonne hätte sie bereits vernichtet, doch das war nicht das Ziel des SONNENHAMMERs. Er sollte nicht eine Sonne vernichten, nein, er sollte die ganze Galaxis zerstören! * Rodrom setzte sich in den breiten Kommandosessel und beobachtete die blaue Sonne. Zukthh musterte seinen Kommandanten und schien auf dessen Befehle zu warten. Der SONNENHAMMER bahnte sich langsam seinen Weg zur Sonne. Er war nur noch drei Millionen Kilometer von ihr entfernt. Nils Hirseland »Zukthh, halten Sie die WORDON jederzeit für einen Sprung in den Hyperraum bereit«, befahl Rodrom, der gespannt den Flug des SONNENHAMMERS zur Sonne beobachtete. In diesem Moment erschien eine Holodarstellung von Pestol. Der Zievohne machte einen äußerst zufriedenen Eindruck. »Meister, alles läuft nach Plan. Nur noch zwei Millionen Kilometer bis zum Kontakt«, erklärte er. Rodrom nickte schwach. »Handeln Sie nach Ihrem Ermessen, Baumeister.« Pestol nickte unterwürfig. Er gab den Rytar die Anweisungen, den Formenergieschutzschirm auf 40 Prozent Leistung einzustellen. In seiner Überheblichkeit nahm Pestol an, daß diese Leistung zum Schutz vor den Sonnenenergien reichen müßte. »Entfernung noch 1,5 Millionen Kilometer«, erklang die Stimme Pestols durch die Lautsprecher auf der WORDON. Der SONNENHAMMER näherte sich unaufhaltsam der Sonne. »Eine Million Kilometer.« Pestol gab den Rytar Bescheid, die Generatoren für die Hyperstrahlung-FusionsblockerTransistenten zu aktivieren. Ein Ruck ging durch den SONNENHAMMER. Nun war er voll funktionsfähig. 800.000 Kilometer... 700.000 Kilometer... 600.000 Kilometer... 500.000 Kilometer »Formenergie auf 75 Prozent erhöhen«, forderte Pestol, um sicherzugehen, daß nichts passieren würde. Rodrom saß immer noch bewegungslos auf dem Kommandosessel und beobachtete den gewaltigen SONNENHAMMER. Die Zeit lief ab. Es waren noch weniger als 100.000 Kilometer Entfernung zu der blauen Sonne. Dann war es soweit. Der SONNENHAMMER tauchte in die Sonne ein und verschwand nach wenigen Sekunden. Die visuelle Verbindung war erloschen. Auch die Audioverbindung war kollabiert. Rodrom stand von seinem Sessel auf und lief zum Panoramafenster. Er senkte den Kopf leicht nach links und wartete auf eine Reaktion. Doch nichts gesch- D O R G O N Flucht aus Saggittor ah. Was war passiert? Hielt die Formenergie des SONNEHAMMERs nicht stand? War Pestol unfähig? Doch plötzlich gab es eine Reaktion... * Pestol befand sich mit dem SONNENHAMMER mitten in der Sonne. Das gigantische Monstrum bahnte sich seinen Weg durch die Korona, die Chromosphäre, die Photosphäre ins Sonneninnere. Könnte der Zievohne schwitzen, würde er es sicher tun. »Bericht«, rief er. »Sämtliche Werte in Ordnung. Wir nähern uns dem Sonnenkern«, erklärte ein Rytar. Je näher sie kamen, desto instabiler wurde das Sonneninnere. Der plötzliche Massegewinn sollte sich verheerend für die Sonne auswirken. Der SONNENHAMMER flog immer näher zum Sonnenkern. Als er ihn erreicht hatte, war es soweit. Im Sonnenkern fanden die Kernfusionen statt, die die Energien der Sonnen freiließen. Ein immer wiederkehrender Prozeß, der Zeptonis-Gamma 2 Licht und Wärme spendete. Pestol spielte Gott und wollte diesen Prozeß unterbinden. »Hyperstrahlungsprojektoren ausfahren«, befahl er. In einer unglaublichen Hitze von knapp vierzehn Millionen Grad Celsius wurden sechs gigantische Antennen, geschützt von der speziellen Formenergie, ausgefahren. Pestol beobachtete die Werte. Dann aktivierte der die Hyperstrahlungsprojektoren. Sie entfalteten sofort ihre Wirkung und unterbanden die Fusionsprozesse im Sonneninneren. * Die Sonne würde durch den unerwartet fehlenden Fusionsdruck kollabieren und zu einer Supernova werden. Die Projektoren manipulierten die Hyperstrahlung der Sonne, die diese mit Überlichtgeschwindigkeit verließen. Die soge- 21 nannten Hyperfrequenten-Fusionsblocker Transistenten richteten die modifizierte Hyperstrahlung der Sonne auf die nahegelegenen Sonnen. Die Strahlung sorgte dafür, daß bei den beschossenen Sonnen die Fusionsprozesse ebenfalls zum Stillstand kamen. Dieser Prozeß würde sich bei allen betroffenen Sonnen wiederholen und zu einem Lawineneffekt in der Galaxis führen. Die Hyperstrahlungsprojektoren taten ihren Dienst. Die freigewordene Energie trat in den Hyperraum ein und bahnte sich den Weg zur nächsten Sonne. Die Sonne Zeptonis Gamma konnte den fehlenden Fusionsdruck nicht mehr kompensieren und kollabierte zu einer Supernova. »Raus hier!« brüllte Pestol. Sofort beschleunigte der SONNENHAMMER und verließ innerhalb weniger Sekunden die immer größer werdende Sonne, die drohte, das gesamte Sonnensystem zu verschlingen. Pestol blickte erregt hinter sich. Es hat funktioniert! jubelte er in Gedanken. In diesem Moment fühlte er sich mächtig, den er war im Besitz der mächtigsten Waffe im Universum. Pestol dachte nicht an den Schaden, den er angerichtet hatte. Er dachte nicht an die vielen Billionen Lebewesen in Saggittor, die jetzt sterben mußten, sollte seine mutierte Hyperfrequentierte Fusionsblocker Tranistenten tatsächlich die nächste Sonne erreichen und denselben Prozeß wiederholen. * Rodrom ballte die Fäuste, als er die kollabierende Sonne sah. Der SONNENHAMMER schoß aus dem blauen Riesen hervor und trat sofort in den Hyperraum ein. »Zukthh, kehren wir zum Zentrum zurück«, befahl Rodrom. Innerhalb weniger Sekunden hatte auch die WORDON das sterbende System verlassen. SAGGITTORA hatte diesen Angriff nicht überlebt. Sie löste sich vollständig auf und war Geschichte. Zwei Siege hatte Rodrom innerhalb von wenigen Momenten errungen. Es schien so, D O R G O N 22 als funktionierte der SONNENHAMMER einwandfrei. Das Hologramm von Pestol erschien. »Sehr gut, Baumeister«, lobte Rodrom. »Doch ist die Waffe auch ausgereift?« Pestol grinste. Er aktivierte ein weiteres Holo. Sie stellte das benachbarte System dar. Die Sonne schrumpfte kurzzeitig zusammen und verging als Supernova, die das ganze System mit sich riß. Beweis genug für Rodrom, daß die mutierten Strahlungen die Sonnen ebenfalls zum kollabieren brachten. »Es ist vollbracht. Zukkth, informieren Sie unsere Streitkräfte, daß wir Saggittor verlassen. In nur zwei Wochen wird die ganze Galaxis zerstört sein. Nicht einmal er wird das verhindern können. Dafür trage ich im Moment Sorge...« Die WORDON und der SONNENHAMMER verließen die sterbende Galaxis. Hunderttausende von Schiffen folgten ihnen und ließen Billionen Lebewesen ihrem Schicksal ausgeliefert zurück. 8. Aurecs Exekution Perus saß in einer Liege und ließ sich die Füße massieren. Dabei las er die neuesten Entwicklungen auf dem Wirtschaftsmarkt. Es wurde Zeit, so dachte er, daß man die Wirtschaft wesentlich freier aber auch härter gestalten sollte. Er wurde in seinen Überlegungen von Waskoch gestört, der die große Holztür unsanft aufstieß und auf seinen Kanzler zulief. »Ich will hoffen, Sie haben einen guten Grund für Ihr Benehmen«, sprach Perus verdrossen. Der oberste Militär lächelte zufrieden. »Ich habe Aurec wiedergefunden«, erklärte er stolz. »Noch viel besser ist die Tatsache, daß mir ebenfalls Serakan, dieser Terraner und über dreihundert Rebellen mit ihm in die Netze gegangen sind!« Perus nickte wohlwollend. »Sehr gut. Bereite die Hinrichtung Aurecs vor!« befahl der skrupellose Kanzler. »Sie soll Nils Hirseland im Geheimen stattfinden und nicht an die Öffentlichkeit dringen. Den Medien sagen wir, daß Aurec bei einem Fluchtversuch getötet wurde. Die anderen dreihundert werden ein Militärverfahren über sich ergehen lassen müssen.« Waskoch salutierte und verließ den Raum so stürmisch, wie er ihn betreten hatte. Perus faltete die Hände ineinander und dachte eine Weile über alles nach. Für einen kleinen Moment kam es ihm so vor, als würde er eine Stimme hören, die zu ihm sagte: Weiche von diesem Kurs, mein Bruder. Die Galaxis ist dem Untergang geweiht. Rette sie und hilf nicht den Mächten des Chaos, die Katastrophe zu verschlimmern. Was war das? Sein Gewissen? Perus schüttelte verächtlich den Kopf. Irgendwelche Hirngespinste trieben ihn zu solchen Halluzinationen. Er mußte dringend mit seinem Psychiater sprechen. Wenn Aurec tot war, würde Perus erst einmal einen ausgedehnten Urlaub auf der Welt Sivirkus nahe des Zentrums machen. Dort gab es den besten Wein der Galaxis. Perus ahnte nicht, daß diese Welt in diesem Moment gar nicht mehr existierte. * Aurec lief mit gefesselten Händen durch die dunklen Kellerkorridore. Es war ihm klar, wo er enden würde. Der Galgen stand in einem großen Raum. Dort würde nun sein Leben ein Ende finden. Waskoch lief neben dem Prinzen Saggittors und verzog keine Miene. Sie erreichten den Raum! Aurec wurde unsanft auf das Podest gebracht. Der Strick wurde um seinen Hals gelegt. So also starb der größte Regent Saggittors. »Gibt es keine Anklage? Keinen letzten Wunsch?« wollte Aurec wissen. Waskoch spuckte Aurec als Antwort ins Gesicht. Dann gab er das Zeichen. Der Henker umfaßte den Hebel. Doch er zögerte. Seine Hände fingen an zu zittern. Dann setzte er wieder ab. D O R G O N Flucht aus Saggittor »Ich kann es nicht. Aurec ist ein Held. Wir sind alle Mörder!« brüllte der Henker und sank auf die Knie. Waskoch schüttelte erbost den Kopf und schoß den Henker mit seinem Thermostrahler nieder. Aurec versuchte sich zu befreien. Waskoch stürmte auf den Podest, doch Aurec stieß ihn mit den Beinen herunter. Die anderen beiden Wachen zogen ihre Thermostrahler, zögerten jedoch auf den Prinzen Saggittors zu schießen. Der Versuch, sich von dem Strick zu befreien, schlug fehl. Während Waskoch noch benommen auf dem Boden lag, richtete sich der angeschossene Henker auf und schnitt die Fesseln an Aurecs Händen durch, bevor er leblos zusammenbrach. Aurec stürzte sich auf Waskoch und schlug ihn nieder. Die beiden Wachen standen unsicher an der Tür und wollten weder auf Aurec noch auf Waskoch schießen. Aurec nahm dessen Thermostrahler und paralysierte die beiden Wächter, bevor sie sich zu einer Entscheidung durchringen konnten. Er lief durch den Korridor und konnte sich an den anderen Wachen vorbeischleichen. Aurecs Ziel war klar: Der Senat. Dort wollte er vorsprechen und alle Delegierten vor der Gefahr Rodroms warnen. Doch hinter sich hörte er bereits die Schritte und das Brüllen von Waskoch. * Aurec rannte durch die Korridore, bis er einen Ausgang erreicht hatte. Inzwischen heulten die Alarmsirenen auf. Er überwältigte einen heranstürmenden Saggittonen und kletterte auf eine Notleiter, die zum Dach führte. Das Regierungsgebäude lag direkt daneben. Waskoch verfolgte ihn und traf Aurec mit einem gezielten Schuß an der rechten Schulter. Mit aller Mühe erreichte Aurec die vorletzte Sprosse bis zum Dach, da packte Waskoch ihn am Bein. »Sie werden noch hier und heute sterben«, brüllte der Offizier. Aurec versuchte Waskoch mit Schlägen und Tritten loszuwerden, doch es funktionier- 23 te nicht. Mit aller Kraft zog er sich hoch und gelangte auf das Dach. Doch Waskoch konnte ebenfalls das Dach erreichen und griff Aurec unverzüglich an. Die beiden rangen um den Thermostrahler, doch Waskoch konnte die Oberhand gewinnen. Er trat Aurec in den Solarplexus und schnappte sich den Strahler, den er nun auf den erschöpften ehemaligen Kanzler richtete. »Nun ist es aus!« In dem Moment brauste ein Gleiter über das Dach. Ein Strahlenschuß löste sich. »Nun hat es eingeschlagen«, sagte Waskoch zufrieden. Aurec tastete sich ab und schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er knapp. Dann sah er das verschmorte Loch an Waskochs Brust. Aurec stand gelassen auf und deutete auf die Wunde, die Waskoch noch nicht richtig realisiert hatte. »Es hat bei Ihnen eingeschlagen.« Waskoch bemerkte nun auch die Wunde und den Schmerz. Er verdrehte die Augen und wollte noch etwas sagen, doch er brach zusammen und blieb leblos auf dem Boden liegen. Aurec blickte zum Gleiter. Serakan gab ihm ein Zeichen. Aurec machte eine Geste des Dankes. Dann landete der Gleiter auf dem Dach und Serakan kam hastig herangeeilt. »Im Zentrum ist die Hölle los. Die Sonnen im Zentrum vergehen plötzlich zu Supernovae und der Durchmesser der Zerstörung wird immer größer. Die Barriere ist erloschen, ein Sonnensystem nach dem anderen geht in den Untergang«, erklärte Serakan betroffen. Aurec faßte sich kurz an die Schläfe und massierte diese. »SAGGITTORA und Shel hatten recht behalten. Der Untergang Saggittors ist unaufhaltsam. Wir müssen mit dem Rat sprechen.« 9. Der jüngste Tag Aurecs Rede war kurz und knapp. Der Rat hatte keinerlei Zweifel an der Wahrheit der 24 D O R G O N Worte. Die Völker waren in Panik. Evakuierungen der zentrumsnahen Systeme wurden sofort veranlaßt. Die Holpigons gingen dabei mit einem guten Beispiel voran und hatten schon vor Stunden viele Raumschiffe für die Evakuierung vorbereitet. Perus ließ sich im Senat nicht blicken. Er war auch nicht in seiner Residenz. Es war, als hätte sich der Kanzler bereits abgesetzt. Aurec wurde seine Macht zurückgegeben. Auf diese Würden hätte er auch gerne verzichtet, wenn damit Saggittor gerettet würde. Sato Ambush trat während der Rede an die Delegierten heran. »Wissenschaftler aus allen Völkern haben mit Hilfe meiner Wenigkeit die Dauer der Vernichtung Saggittors berechnet. Wenn sich der Lawineneffekt in dieser Geschwindigkeit fortführt, dann wird die ganze Galaxis innerhalb von zwei Wochen keine Sonne mehr besitzen. Ich rate daher unverzüglich mit der Evakuierung zu beginnen«, erklärte Ambush. Panik brach nun auch bei den Senatoren und Abgeordneten aus. Sie waren ratlos. Hätten sie auf Aurec gehört, hätte man ein paar Tage mehr für die Rettung der Lebewesen gehabt. Jeder war sich im klaren, daß viele Billionen ihr Leben lassen würden. Aurec wirkte niedergeschlagen. Serakan, Utzmuk und Ambush kümmerten sich um die Evakuierung der Hauptwelten. Doch was sollte mit den anderen Welten passieren? Man konnte sie doch nicht ihrem Schicksal überlassen! Aurec ballte die Fäuste zusammen und biß sich auf die Lippe. Der Schmerz, der dabei entstand, war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den er in seinem Herzen fühlte. Seine Heimat würde untergehen. Die Schuld daran trug Rodrom. Doch hinter Rodrom steckte noch jemand anderes. Aurec kannte den Namen; MODROR. MODROR war auch der Auftraggeber von Cau Thon und Goshkan. Warum wollte dieses Wesen den Untergang aller Zivilisationen? Was hatten sie ihm getan? Wie konnte ein Wesen nur so abgrundtief diabolisch sein? Warum halfen die Kosmokraten nicht bei dieser Katastrophe? »Befreie deine Gedanken von diesen Fragen. Nils Hirseland Die Antwort wirst du eines Tages finden«, hörte Aurec eine ihm nicht unbekannte Stimme. Er fühlte eine positive Aura voller Reinheit, Güte und Gerechtigkeit. Neben ihm stand ein Mann mit einem langen graubraunen Bart und langen Haaren in derselben Farbe. Er war in einem schlichten weißen Gewand gekleidet und von einer leuchtenden Aura umgeben. »DORGON!« sagte Aurec fast erschrocken. Der Mann lächelte gütig. »Hab keine Angst um die Zukunft deines Volkes, Aurec. Ich werde mich ihrer annehmen«, erklärte die Entität. Aurec brauchte ein paar Sekunden, um zu verstehen, was überhaupt vor sich ging. Er stand auf und stellte sich direkt vor DORGON. »Wie kannst du ihnen helfen? Kannst du dieses Desaster stoppen?« DORGON schüttelte sein Haupt. »Mein Freund, ich bin kein Magier. Ich kann den Prozeß nicht aufhalten, aber ich kann dein Volk retten. Höre mir gut zu. Brich mit 500.000 Schiffen ausgewählter Saggittonen, Trötter, Varnider, Holpigons und Multivons auf und fliege zu einem Sternenportal, welches zwei Millionen Lichtjahre von Saggittor entfernt ist. Durch diesen Transmitter begebt ihr euch und gelangt zur Galaxis Cartwheel. Dort wird eure neue Heimat sein. Zusammen mit etwa 50 anderen Völkern, darunter auch die Terraner und Dorgonen, werdet ihr Cartwheel neues Leben schenken und zu einer Festung gegen MODRORs Armeen der Finsternis ausbauen.« Aurec brachte beinahe keine Silbe mehr heraus. »Und... und was wird aus den anderen?« »Wie die verlorenen Konzepte SAGGITTORAs werde ich sie in mich aufnehmen. Dort werden sie solange ein Teil von mir sein, bis sie eine neue Bestimmung bekommen werden. Sei unbesorgt, sie werden es bei mir gut haben«, erklärte DORGON. In diesem Moment betrat Utzmuk den Raum. Er wirkte nicht überrascht, als er DORGON sah – im Gegenteil, er kroch auf die Entität zu. »Ich habe bereits mit Utzmuk gesprochen. Ich habe viel Vertrauen in den klugen Holpigon. Flucht aus Saggittor D O R G O N Er soll die Saggittonen in mir führen, während du mit Serakan und Ambush nach Cartwheel aufbrichst.« Aurec war das nicht recht. »Ich will bei dem Großteil meines Volkes sein. Ich bin für sie verantwortlich«, wandte er ein. DORGON nickte verständnisvoll. »Du sprichst mit reinem Herzen, mein Freund. Doch dein Schicksal ist es, gegen MODROR und seine apokalyptischen Höllenhunde zu kämpfen. Du und Perry Rhodan, ihr seid vielleicht die letzte Hoffnung für das Universum. Du hast gesehen, zu was MODROR in der Lage ist. Sollen alle Galaxien dieses Schicksal erleiden und MODROR in der Lage sein, das Universum nach seinen Vorstellungen schaffen? Das wäre das Ende aller Ordnung, allen Friedens, aller Freiheit und aller Liebe.« DORGON war etwas besonderes. Das fühlte Aurec. So sprach kein Kosmokrat und keine Superintelligenz. Welche Entität kümmerte sich schon um Liebe? Das wichtigste und höchste Gut im Universum. »DORGON, was für ein Geisteswesen bist du? Du wirkst anders als eine Superintelligenz oder ein Kosmokrat«, forschte Aurec nach. DORGON lächelte wieder gütig. Ein Lächeln, welches Aurec selbst in dieser schlimmen Situation ein Gefühl der Geborgenheit gab. »Eines Tages wirst du es erfahren. Doch dafür ist noch nicht die Zeit gekommen. Machen wir uns jetzt an die Arbeit. Utzmuk? Bist du bereit?« Der Holpigon verneigte sich als Zeichen der Bereitschaft. In diesem Moment begann er sich aufzulösen. DORGONs Aura weitete sich aus und umhüllte den Holpigon. »Aurec, es ist die Zeit des Abschieds. Ich werde jetzt die Bevölkerung vieler Welten aufnehmen. Nur die Wesen der Welt Saggitton, Horww, Varnid, Trott und Mulvok bleiben in Saggittor. Diese mußt du zur Insel Cartwheel zu bringen. Dort wirst du alles weitere erfahren. Bevor ich gehe, möchte dir noch jemand auf wiedersehen sagen...« Eine Gestalt trat aus dem Licht heraus. Es war Shel Norkat. Aurec hatte mit den Tränen zu 25 kämpfen. Shel ergriff seine Hand. Dieses Mal war sie warm. »Shel, ich wünschte, ich hätte dich damals nicht zurück zur LONDON geschickt. Es war der größte Fehler meines Lebens«, gestand Aurec. Shel lächelte. »Es ist nun einmal passiert«, sagte sie. »Eines Tages werden wir uns in einer anderen Welt wiedertreffen. Ich werde dort auf dich warten. Doch der Tag der Begegnung wird in ferner Zukunft liegen. Jetzt rette dein Volk und das Universum vor MODROR und Rodrom. In deinem Herzen werde ich immer bei dir sein...« Mit diesen Worten verschwanden Shel Norkat und DORGON. Aurec blieb alleine im Raum zurück. Er brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. In tiefster Demut dachte er an das Wesen DORGON. Es war mehr als nur eine Superintelligenz. Das hatte er bei diesem Gespräch deutlich gemerkt. DORGON war viel aufgeschlossener als noch in M 100 vor vier Jahren. Woran lag das? Aurec mußte später darüber nachdenken. Er lief aus dem Raum und berichtete den Senatoren von der Botschaft DORGONs. Sie wurde schnell bestätigt, denn nirgendwo, außer auf den genannten Welten, befanden sich noch Intelligenzwesen oder Tiere. Sie waren alle in DORGON aufgegangen, um eine andere Bestimmung zu erfüllen. Aurec hoffte, daß er sein Volk, Utzmuk und Shel eines Tages wiedersehen würde. In seinem Herzen glaubte er fest daran. * In den nächsten 10 Tagen wurden alle Welten evakuiert. Insgesamt zwanzig Milliarden Wesen wurden auf 500.000 Raumschiffen aller Größen einquartiert. Aurec befand sich auf der SAGRITON. Neben ihm beobachteten Sato Ambush und Serakan den Untergang der Sonne Saggitt. Es gab keinen Saggittonen, der bei diesem traurigen Anblick keine Träne vergoß. Niemand nahm diese offene Trauer übel. 26 D O R G O N Die Sonne Saggitt blähte sich auf und verhüllte alle Welten. Auch Saggitton blieb nicht verschont. Die einstige Prachtstätte der Galaxis existierte nicht mehr. Aurec wandte sich an Serakan. »Haben wir alle evakuiert?« Serakan nickte traurig. »Es gab nur eine Handvoll arme Seelen, die in ihrer Heimat sterben wollten«, erklärte der Kommandant der SAGRITON. »Perus haben wir tot in seiner Residenz aufgefunden. Er hat sich vergiftet.« Aurec nahm diese Meldung mit unbewegter Miene zur Kenntnis. Sato Ambush trat an den Prinzen Saggittors heran. Der Japaner wirkte wie immer ruhig und ausgeglichen. »Perus hat das ihm vorbestimmte Schicksal erlitten. Dir und deinem Volk ist eine andere Bestimmung vorhergesehen. DORGON hat uns den Weg gewiesen.« Aurec lächelte schwach. »Ein seltsamer Weg. Zwanzig Milliarden heimatlose Lebewesen, in 500.000 Raumschiffe gepfercht, sollen zu einer Insel fliegen. Und dort? Wir müssen ganz von vorn anfangen...« Ambush machte eine Geste der Geduld. »DORGON wird für alles gesorgt haben. Nils Hirseland Vertraue mir. Ich werde ab jetzt an deiner Seite sein, Aurec.« Aurec war leicht verwundert. »Das bedeutet, du bleibst in diesem Universum?« Der Pararealist nickte. Aurec war darüber höchst erfreut. Er ging ein paar Schritte durch die Kommandostation und betrachtete die Offiziere, Techniker und Arbeiter an den Kontrollen. In seinem Herzen nahm er Abschied von M 64, dem Schwarzen Auge Saggittor. Er warf einen letzten Blick auf die durch die Supernovae erhellte Galaxis. Im nächsten Moment wandte er sich wieder an Serakan. »Laßt uns aufbrechen. Kurs auf das von DORGON beschriebene Portal!« sprach Aurec. »Ich hoffe, wir finden dort eine neue Heimat für uns...« Serakan leitete die Befehle weiter. Von der SAGRITON angeführt setzte sich ein gewaltiger Pulk von über 500.000 Raumschiffen mit heimatlosen Saggittonen an Bord in Bewegung. Ihr Ziel war für sie ungewiß. Sie wußten nur zwei Dinge: Terraner und Dorgonen schienen dort zu leben und den Namen: Die Insel Cartwheel... Heft 41 Die Insel DORGON startet das Projekt - Millionen brechen auf von Nils Hirseland und Dominik Hauber Titelbild von Gerd Schenk D O R G O N Die Insel Prolog. Der Anfang der Insel Die Reise eines Linguiden – Aus der Chronik Cartwheels: Mein Name ist Jaaron Jargon. Ich stamme von der bescheidenen aber anmutenden Welt Lingora, der Hauptwelt meines Volkes der Linguiden. Doch meine eigentliche Geburtsstätte war eine andere. Gezeugt wurde ich auf Lingora, aber das Licht der Welt erblickte ich auf einem unbekannten Planeten, den meine Eltern Objursha nannten. Das Wort Objursha bedeutete in der Sprache meines Volkes »Schöne Erde«! Objursha befand sich nicht in der Milchstraße. Eigentlich wußte niemand, wo sich diese Welt befand. Mein Vater und meine Mutter gehörten vor 110 Jahren einer Forschungseinheit an, die nach neuen Kulturen außerhalb der Milchstraße suchen sollte. Mit dem Liga Freien Terraner Explorerraumschiff BAWIS suchten sie die gesamte Lokale Gruppe nach Hinweisen erloschener und neuer Kulturen ab. Dabei stießen sie nach achtmonatiger Forschung 5,6 Millionen Lichtjahre nördlich von der Milchstraße auf eine Art gewaltigen Transmitter, der an das Sonnensechseck aus den Zeiten der Meister der Insel erinnerte. Als die BAWIS dieses Phänomen untersuchen wollte, gerieten sie in den Wirkungsbereich dieses Objektes und wurden transmittiert. Sie strandeten in einer ihnen unbekannten Galaxis. Nahe eines grünen Nebels befand sich ein großer Planet, auf dem Leben angezeigt wurde. Sie beschloßen ihn anzufliegen, doch die Triebwerke versagten, je näher sie dem Planeten kamen. So beschloß die Besatzung der BAWIS umzukehren und landete auf einem Planeten unweit von dem grünen Nebel entfernt. Sie tauften ihn Objursha. Dort kam ich zur Welt und verbrachte die ersten Wochen meines Lebens auf Objursha. Nach einigen Wochen erschien meinen Eltern ein geistiges Wesen voller Güte und Friedfertigkeit. Er sprach davon, dass sie durch das 29 Portal zurückkehren sollten und niemanden von diesem Vorfall berichten sollten. Eines Tages würden wir verstehen, warum wir nichts sagen sollten. Dieses Wesen betonte, daß eines Tages diese Galaxis zum Wohl der Freiheit und des Friedens von Wesen aus unserer Galaxis besiedelt werden sollte. Meine Eltern und die Besatzungsmitglieder der BAWIS folgten der Aufforderung der Entität und kehrten durch das Portal zurück. Niemand sagte etwas den zuständigen Behörden und sie nahmen das Geheimnis mit in ihr Grab. Da die meisten Besatzungsmitglieder der BAWI-Linguiden waren, lag die Lebenserwartung nicht hoch. Die normale Lebenserwartung der Linguiden lag zwischenzeitlich bei 70 Jahren. So lebte keiner von den vor 110 Jahren gestarteten Forschern mehr. Auch meine Eltern nicht mehr, obwohl sie – wie auch ich – terranische Gene in sich hatten und so die Lebenserwartung höher lag, als die von reinrassigen Linguiden. Unsere Familie bestand aus TerranerLinguiden, die jedoch in der Tradition der Linguiden leben. Mit meinen 110 Jahren gehörte ich zu den ältesten Linguiden auf Lingora. Ich hoffe, der Allmächtige schenkt mir noch ein bis zwei Jahrzehnte in Frieden und Harmonie. In diesen Apriltagen im Jahre 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung lebte ich auf der terranischen Kolonialwelt Palerma, die im Jahre 2189 alter terranischer Zeitrechnung von zumeist italienischen Terranern besiedelt wurde. Palerma lag 717 Lichtjahre von Terra entfernt und galt als ruhiger und idyllischer Fleck. Seit den vier Jahren meines Daseins auf diesem Planeten konnte ich die Eindrücke nur bestätigen. Ich wohnte in einer Villa auf einem kleinen Berg mit Blick auf das Tal und das Dorf Tomba. Die Weinreben und Beerensträucher blühen in voller Pracht. Das Zwitschern der jungen Vögel in ihren Nestern und das Rauschen des Wassers an der Küste, das Lachen der Kinder und der strahlende Himmel ließen die Tage auf Palermo wie die Tage in dem Paradis erscheinen. Hier konnte man alle Gedanken um die Krise durch das Kristallimperium oder die drohenden Gefahren dieses Cau Thons vergessen. D O R G O N 30 An jenden Apriltagen saß ich an meinem Buch über die vierzehn linguidischen Zellaktivatorträger uns stand kurz vor der Vollendung meines Werkes. An diesen Tagen ahnte ich noch nicht, was auf mich und auf die Galaxis zukommen würde... 1. Palarma Nataly Jargon war eine ausgesprochen hübsche und attraktive Frau. Sie wirkte auf den ersten Blick wie eine wohlerzogene Dame ohne irgendwie übertrieben vornehm oder gar eingebildet zu wirken. Sie war eine natürlich Schönheit mit einem bezaubernen Lächeln. Das fand der Obstverkäufer auf dem Marktplatz des Dorfes Tomba auf alle Fälle. Er war stets guter Laune, wenn die junge Jargon – die Nichte des bekannten linguidischen Schriftstellers Jaaron Jargon – einkaufen kam. Er wußte schon, was sie wollte. Das lag daran, daß ihr Onkel stets auf die selbe Kost bedacht war. Jaaron Jargon aß stets vier Bananen und zwei Äpfel im Laufe des Tages. Auch an diesem Tage natürlich. Der Verkäufer begrüßte Nataly freundlich und gab ihr die bereits fertig eingepackten Früchte. Die Frau, die Halblinguidin und Halbterranerin war und daher für linguidische Verhältnisse sehr wenig Haarwuchs hatte, lächelte den Terraner höflich an und bedankte sich. Ihre langen, glatten, dunkelblonden Haare wehten im Wind und ließen das Herz des Verkäufers höherschlagen. Doch er wußte, daß er an so eine Frau niemals herankommen würde. Verträumt und verliebt blickte er ihr hinterher. Er fand, daß es ganz gut war, daß sie mehr nach terranischer Linie geschlagen war. Ihr Körper war wie ihr Wesen makellos. Sie war resolut und sehr selbstbewußt. »Naja, wenigstens sehe ich sie jeden Tag«, murmelte der Terraner und schloß damit wieder gedanklich mit Nataly Jargon ab, denn er wußte, daß er nie ein Teil von ihr sein würde. Denn er war bereits seit 20 Jahren mit seiner Frau verheiratet und wüßte die, daß er jeden Tag von der Nils Hirseland und Dominik Hauber Jargon träumt, würde ihm etwas blühen. * Nataly fuhr mit dem Gleiter wieder zur Villa auf der Anhöhe. Sie sah ihren Onkel auf der Terrasse sitzen und an seinem neuen Werk schreiben. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Biographie über die vierzehn Zellaktivatoträger von Lingora zu schreiben. Er wollte den anderen Galaktikern ihre Beweggründe und auch ihr Leben nach der Abgabe der Unsterblichkeitsspender nahebringen. Ihr Onkel war ein sehr angesehener und beliebter Schriftsteller, der nichts mehr als die Ruhe liebte. Nataly wurde als Tochter des Linguiden Borrom Jargon und der Terranerin Anne-Lee Nastov in England geboren. Sie besuchte vornehme Privatschulen und genoß eine gute Ausbildung. Jedoch war all das der Abenteurerin zu langweilig und mit 18 riß sie von zu Hause aus. Ein Jahr später mußte sie jedoch aus finanziellen Nöten zurückkehren. Nutzte jedoch die Chance, als ihr Onkel nach Terra zog, und zog mit ihm zusammen, um ihn bei seiner Arbeit zu unterstützen. Nataly war nur selten auf der Hauptwelt der Linguiden und war mehr eine Terranerin, dennoch fühlte sie sich ihrem Volk verbunden. Seit vier Jahren nun arbeitete sie mit ihrem Onkel zusammen. Das war bereits die zweite Zusammenarbeit, denn die erste endete nach einem halben Jahr. Nataly wollte durch die Welt reisen um etwas zu erleben. Sie begegnete einigen Männern und versuchte eine neue Existenz aufzubauen. Am ehesten hätte es mit dem terranischen Botschafter Lester Slote etwas werden können, doch er war Nataly zu langweilig und viel zu sehr mit der Politik beschäftigt – auch wenn er ein guter und fürsorglicher Mensch war. Erst als ihr Onkel nach Palarma zog, schloß sie sich ihm wieder an. Seitdem versucht sie sich als Reporterin und Managerin ihres Onkels. Die Insel D O R G O N Nataly stieg aus dem Gleiter aus und wurde von der Haushälterin Arebi begrüßt. Die schwergewichtige Afroterranerin nahm die Einkaufstaschen und trug sie in die Küche, um sich gleich ans Mittagessen zumachen. Nataly lief die Treppen hoch, um ihren Onkel zu begrüßen. Sie drückte ihm einen Kuß auf die Wange und ließ sich in den Sonnenstuhl fallen. »Wie weit bist du mit der Arbeit, Onkel Jargon?« »Nun, mein Kind. Ich bin fast fertig«, erklärte der alte Linguide. Ich denke, dem Leser wird dieses Buch sehr gefallen, und hoffe, damit auch die Jugend der Milchstraße anzusprechen. Etwas mehr Bildung könnte ihnen gut tun...« Nataly lächelte. »Daß du immer die Welt verbessern mußt!« »Jeder muß seinen Beitrag zum Erhalt unserer moralischen und kulturellen Werte tun!« gab Jargon leicht pickiert von sich. »Denkst du, ich schreibe die Bücher des Geldes wegen oder des Ansehens wegen?« Nataly stand auf und streichelte das graue Haar ihres Onkels. »Aber nein, Onkel. Das weiß ich doch«, entgegnete sie mit einem gütigen Lächeln. »Ich wünschte, es gäbe mehr solche guten und aufrichtigen Menschen wie dich.« »Wahr gesprochen, Nataly Jargon«, hörte sie eine fremde Stimme. Erschreckt stand sie auf und blickte eine schemenhafte Gestalt an. Sie war männlich und von einer leuchtenden Aura umgeben. Das Gesicht wirkte weise. »Wer... wer sind Sie?« wollte sie wissen. Auch Jargon war überrascht. Er stand auf und ging etwas näher zu dem fremden Wesen heran, welches auf eine seltsame Weise vertraut auf ihn wirkte. Dennoch sagte er: »Das ist Privatbesitz, mein Herr. Ich bitte Sie, unverzüglich meine Terrasse zu verlassen.« Der Fremde lächelte. »So lassen Sie mich erst einmal mein Anliegen vortragen.« »Warum sollte ich das?« »Weil ich weiß, daß du auf Objursha geboren wurdest, und weil ich das Geheimnis deiner Eltern kenne, die ihr Wort gehalten und niemals von dem Portal berichtet haben.« Jargon zuckte zusammen. Nataly sah ihn fragend an. Nicht einmal ihr hatte er das Geheim- 31 nis verraten. Er war der einzige aus der Famile, der es gewußt hatte. Jaaron war der einzige, dem seine Eltern es erzählt hatten, da sie der Auffassung waren, er hätte ein Anrecht auf den Namen seines Geburtsplaneten. »Ich sehe, dir ist der Name Objursha bekannt«, sprach die Entität. »Es ist deine Geburtswelt. Die Welt in jener fernen Galaxis, die eines Tages von Wesen aus der Milchstraße besiedelt werden wird. Nun ist diese Zeit gekommen, mein Freund.« »Wer sind Sie? Wovon sprecht ihr beide, Onkel Jaaron?« wollte Nataly wissen. Ihr sagte das alles wenig. »Mein Name ist DORGON. Ihr habt sicher bereits von mir gehört...« Nataly und Jaaron nickten stumm. Natürlich war ihnen der Name dieser Entität ein Begriff. DORGON war der Schutzpatron der gleichnamigen Galaxis, die die terranische Bezeichnung M 100 hatte. Dort lebte das Volk der Dorgonen, das vor mehr als vier Jahren Eroberungspläne gegen die Milchstraße hatte. Inzwischen waren sie Verbündete der Galaktiker und DORGON war auf der Erde erschienen und hatte von dem »Insel-Projekt« gesprochen. Auch Perry Rhodan hatte dazu bereits eine Erklärung abgegeben, sich jedoch von diesem Projekt distanziert, von dem angeblich Wohl und Wehe aller Intelligenzwesen abhängig war. Doch was wollte DORGON nun hier? Kaum hatte Nataly diese Frage zuende gedacht, hatte sie ihr Onkel auch bereits ausgesprochen. DORGON lächelte gütig. »Ich benötige Ihre Hilfe, Jaaron Jargon. Ich bitte Sie an dem Projekt teilzunehmen. Brechen Sie auf in die Galaxis Cartwheel, die wir als Insel bezeichnen. Seien Sie ein Teil des Kosmischen Projektes.« Jaaron wußte nicht, was er sagen sollte. Erschöpft setzte er sich wieder auf seinen Stuhl und atmete schwer. Sicher, er war mehr als geschmeichelt über das Angebot einer Superintelligenz oder was immer DORGON war, doch er wollte Palarma nicht verlassen. Hier war seine Heimat und hier fühlte er sich wohl. An diesem Ort konnte er ruhig an seinen Büchern arbeiten. Nataly hingegen war von dem Angebot angetan. Das schien das Abenteuer zu sein, auf das 32 D O R G O N sie ihr ganzes junges Leben gewartet hatte. »Nun?« sprach DORGON, ohne jedoch ungeduldig zu wirken. Jaaron stand wieder auf und wirkte sichtlich angegriffen. »Das hier ist meine Heimat. Ich danke für Ihr großzügiges und vertrauensvolles Angebot, doch ich muß ablehnen.« Nataly starrte ihn entsetzt an. »Aber Onkel. Das kannst du doch nicht machen!« »Mein Kind, halte dich bitte heraus«, sagte Jargon zu seiner Nichte. Dann wandte er sich wieder der Entität zu. »Bitte verstehen Sie meine Entscheidung.« DORGON schien nicht sonderlich überrascht zu sein. Er trat auf Jaaron Jargon zu und streckte ihm die Hand entgegen. »Linguide, es ist dein Schicksal. Du bist in der Galaxis Cartwheel geboren worden. Der Planet, den ihr Objursha nennt, liegt in Cartwheel. Es war kein Zufall, sondern Bestimmung. Du, Jaaron Jargon, sollst die Geschichte dieser Galaxis von nun an dokumentieren. Du sollst der Nachwelt die Geschichten der heldenhaften Wesen verewigen, die aufgebrochen waren, um gegen die Armeen des Chaos zu kämpfen. Du sollst der Chronist Cartwheels werden!« Diese Worte waren wie ein Schock für den alten Linguiden. Es war sein Schicksal? War er deshalb so alt geworden? War es alles ein Plan DORGONs gewesen? Ähnlich wie die vierzehn Friedensstifter war auch er ein Auserwählter einer Entität! Fragend blickte er Nataly an, in deren Gesicht ebenfalls nur Ratlosigkeit stand. Beide blickten sie zu DORGON, der immer noch seine Hand Jaaron entgegen hielt. Zögerlich nahm der alte Arkonide die Hand des Geisteswesens. Damit zeigte er sein Einverständnis. DORGON lächelte. »Bereite dich geistig auf deine Aufgabe vor, mein Freund. In Kürze wirst du mehr erfahren. Die Reise eines Linguiden hat begonnen«, erklärte DORGON und verschwand. Jaaron und Nataly Jargon blickten noch eine Weile auf die Stelle, wo DORGON gestanden Nils Hirseland und Dominik Hauber hatte. Sie wußten, daß ihr Leben jetzt eine neue Bedeutung hatte. * Aus den Chroniken der Insel: So geschah es, daß die Reise eines Linguiden einen Anfang nahm. Natalay – so stur und abenteuerlustig wie sie war – beschloß, mich zu begleiten. Mein Aufbruch war auch gleichzeitig der Anfang der Chroniken der Insel. DORGON hatte seinen Aufruf an die Galaxis begonnen und suchte heldenhafte Männer und Frauen für die Besiedelung der Galaxis Cartwheel. Um diese Wesen davon zu überzeugen, bedurfte es jedoch Hilfe von einer Symbolfigur der Galaktiker. Er brauche die Hilfe von Perry Rhodan, denn auf sein Wort hörten viele... 2. Terrania So setzest du der ewig regen, Der heilsam schaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfaust entgegen, Die sich vergebens tückisch ballt! Was anders suche zu beginnen, Des Chaos wunderlicher Sohn! Goethes Faust * »Und daher übergebe ich nun stolz das neue Museum für terranische Geschichte der Öffentlichkeit! Wissen um die Vergangenheit schärft das Bewußtsein in der Gegenwart, und ich denke, es wurde hier ein exzellentes Forum geschaffen, um allen – besonders der Jugend – das Gewesene zu präsentieren.« Begleitet vom Beifall der Zuschauer trat Perry Rhodan lächelnd vom Rednerpodest. Strahlend hielt ihm ein etwas korpulenter, äußerst behaarter Mann seine Pranke entgegen, und der Unsterbliche fühlte seine Hand ergriffen und geschüttelt. Die Insel D O R G O N Sidi Karim Viudes, seines Zeichens designierter Direktor der soeben eingeweihten Bildungsstätte, schien ganz begeistert. Der indischstämmige Terraner leitetete den Terranischen Residenten dann an den vielen hundert Journalisten vorbei in einen der kleineren Ausstellungsräume, der, wie Rhodan bemerkte, an diesem Tag offenbar als Konferenzzimmer verwendet wurde. Ein länglicher Glastisch, von etwa einem Dutzend Ledersesseln umgeben, war speziell für die an diesem Tag anberaumte Besprechung hereingeschafft worden. Eigentlich waren dies die Räumlichkeiten, die dem Themenbereich »Antike Mystik« zugeordnet worden waren – und das würden sie in ein paar Stunden auch wieder sein. Perry Rhodan befand sich alleine in dem Raum, seine Gesprächspartner waren entweder noch nicht eingetroffen oder noch im Vorraum einen Begrüßungssekt oder – abhängig von den jeweiligen Vorlieben – einen Begrüßungsvurguzz entgegennahmen. Viudes hatte sich mittlerweile auch wieder entfernt, um die anderen Konferenzteilnehmer einzusammeln. Das gab Rhodan die Gelegenheit, sich die Vitrinen, Schautafeln und sonstigen Ausstellungsgegenstände etwas näher anzusehen. Eine Schautafel mit der Aufschrift »Prä-Astronautik« schien ihm einen Blick wert. Mit einem Stirnrunzeln überflog er die darauf vorhandenen Informationen. »Waren die Götter Astronauten? Die Vorstellung, daß in den Tiefen des Alls weitere bewohnte Welten existierten, war schon faszinierend genug, so daß sich im zweiten Jahrtausend alter Zeitrechnung – und auch schon früher – viele Menschen überlegten, ob die antiken Götter – ihr Vorhandensein vorausgesetzt – Astronauten gewesen sein könnten. Der Gedanke, daß von dort intelligente Wesen in grauer Vorzeit die Erde besuchten und die kulturelle oder gar die biologische Entwicklung der Menschheit beeinflußten, war für diese Menschen noch weit faszinierender. Wie wir wissen, waren derartige Besuche – in welcher Form auch immer – keine Seltenheit. Sprechen nicht Mythen von Göttern, die in goldenen Barken oder Eiern vom Himmel herab auf die Erde kamen? Wirken nicht manche Darstellun- 33 gen auf Steinfriesen wie Abbilder von heutigen Raumfahrern? Konnten unsere Vorfahren ohne fremde technische Hilfe so gewaltige Steinbauten, wie etwa die Pyramide von Gizeh, überhaupt errichten?« Verwirrt wandte sich Rhodan ab. Möglicherweise mußten viele der hier ausgestellten Informationen schon bald wieder aktualisiert werden, insbesondere aufgrund der Geschehnisse während der Expedition auf Seshur. Das sollte aber nicht seine Sorge sein. Er grinste innerlich, als er sich vorstellte, wie sich die zuständigen Leute die Haare raufen würden, sollte er sie explizit darauf hinweisen. In seiner Eigenschaft als Terranischer Resident würde er natürlich einen gewissen Druck auf diese Personen ausüben, aber das war nicht seine Art. Seine Miene verfinsterte sich, als er eine andere an die Wand projizierte Auskunft bemerkte. Das Chaos... Mit versteinertem Gesichtsausdruck begann er zu lesen. »Chaos – ein Begriff, mit dem wir einen chaotischen, unordentlichen und völlig katastrophalen Zustand definieren. Chaos – die uranfängliche Leere, die existierte, bevor es jegliche Ordnung im Universum gab und von dem aus alle Dinge und Kreaturen abgingen, inklusive der Götter. Chaos, so die griechische Sage, gebar einige Kinder in sich selbst wie zum Beispiel Erebus, Nyx, Eros und Gaia.« Die Söhne des Chaos... Rhodan fühlte sich etwas unbehaglich, aber er schüttelte den Gedanken ab. Er hatte die Prophezeiung, die er fünf Jahre zuvor erhalten hatte, immer noch nicht vergessen. Zu gegenwärtig war ihm noch die Erscheinung die alten Mannes, der vor seinen Augen einfach verbrannt war. Rhodan war zwar für gewöhnlich kein Typ, der allzuviel auf dunkle Vorhersagen und ähnliches gab. Dennoch hatte er mit seinen 3000 Jahren genügend Lebenserfahrung, um zu wissen, daß immer ein Fünkchen Wahrheit darin enthalten sein konnte. Und er hatte in diesen 3000 Jahren auch zuviel Schreckliches erlebt, um auch nur den scheinbar unbedeutensten möglichen Gefahrenindikator unbeachtet zu lassen. 34 D O R G O N Dennoch, momentan hatte er wirklich andere Probleme. Rhodan wandte sich um und ließ sich in einen der Sessel fallen. Das Kolloquium würde unsagbar langweilig werden, das war ihm klar. Im wesentlichen sollte darin über die Öffentlichkeitsarbeit des Museums gesprochen werden; staubtrockene Materie, zumal Rhodan der Sinn danach gegenwärtig überhaupt nicht stand. Ihm war allerdings von verschiedener Seite erklärt worden, daß eine Teilnahme an dem Meeting unumgänglich sei. Er selbst war nicht dieser Ansicht. »Völlig richtig, Rhodan. Es gibt weitaus wichtigere Dinge zu tun.« Überrascht blickte Rhodan auf und blickte in das Gesicht eines mittelgroßen Mannes. Der Mann hatte lange, braune Haare und einen Vollbart. Außerdem war er in ein für terranische Verhältnisse etwas seltsam Anmutendes weißes Gewand gekleidet. Auch einem uneingeweihten Beobachter wäre allerdings aufgefallen, daß dies kein gewöhnlicher Terraner war, denn er war von einer hellen Aura umgeben. DORGON! Rhodan schluckte kurz, akzeptierte die Situation jedoch relativ rasch. Er ersparte sich verständlicherweise Fragen wie »Wie sind Sie hier hereingekommen?« oder ähnliches. Stattdessen schwieg er und wartete darauf, daß die Entität den Anfang machte. »Über die Geschichte können Sie sich später noch unterhalten«, meinte DORGON lächelnd. »Nun ist es aber erst einmal nötig, diese Geschichte zu schreiben.« Rhodan atmete tief ein. »Was wollen Sie diesmal?« Das Wesen näherte sich dem Unsterblichen bedächtig. »Es ist an der Zeit, nun auch offiziell für das Projekt zu werben. Ich möchte Sie bitten, das zu tun. Darüber hinaus werden wir Raumschiffe benötigen...« Rhodan schüttelte energisch den Kopf. »Ich will dieses Projekt, soweit ich das kann, unterstützen. Aber ich kann hier keine Raumschiffe entbehren, nicht einmal ein einziges. Die Gefahr durch das arkonidische Kristallimperium wird immer größer, und ich brauche alle ver- Nils Hirseland und Dominik Hauber fügbaren Einheiten für einen eventuellen Angriff.« DORGON lächelte mild und setzte sich in einen der Ledersessel; nicht, daß die Entität das nötig gehabt hätte, es war eher eine Art psychologische Maßnahme, um Rhodan ein Gefühl des Vertrauens zu geben. »Ich habe dafür volles Verständnis. Ich werde selbst Schiffe bringen...« * »Verdammt nochmal, Perry...« Julian Tifflor hieb mit der Faust auf den Schreibtisch, hinter dem Perry Rhodan saß. Sein Gesicht war leicht rötlich angelaufen, ein Anzeichen seiner offensichtlichen Verärgerung. Mit zitternden Lippen und durchdringendem Blick starrte er Rhodan an. »Merkst du denn nicht, daß du dabei bist, einen Fehler zum zweiten Mal zu machen?« »Ich bin gerne bereit, mir deine Ausführungen anzuhören«, entgegnete Rhodan ruhig. Ihm war keinerlei Erregung anzumerken. »Perry, wir haben diese Diskussion so ähnlich schon einmal geführt, und das weißt du auch.« Rhodan nahm einen Schluck aus seinem Kaffee und sah aus dem Panoramafenster der Solaren Residenz. »Tiff... wir haben in den letzten Jahrtausenden so viele Diskussionen geführt, daß ich mich nicht mehr an jede einzelne erinnern kann.« Er räusperte sich. »Dann werde ich deinem Gedächtnis mal etwas auf die Sprünge helfen«, entgegnete der Residenz-Minister für Äußeres scharf. »Es war vor einigen Jahren, als die MORDRED in der Milchstraße wütete. Diese Geheimorganisation – oder sollte ich besser sagen, terroristische Vereinigung – griff damals verschiedene Camelotbüros an und verübte fürchterliche Verbrechen. Du willst mir doch nicht etwa erzählen, daß du Sverigor schon vergessen hast?« Die Souveränität fiel mit einem Mal von Rhodan ab und er zuckte heftig zusammen. Die Augen wurden ihm wäßrig, als er an das grauenhafte Massaker an der Bevölkerung Sverigors zurückdachte. Die Insel D O R G O N Der gesamte Planet war von den sogenannten Sternfusionsbomben der MORDRED zerstört worden. Genaugenommen stammte diese Waffe von den Dorgonen, die sie der Organisation überlassen hatten. Jedenfalls hatten diese Bomben eine absolut verheerende Wirkung, waren sie doch in ihrer Wirkungsweise eine Weiterentwicklung der in der Milchstraße bekannten Arkonbomben. Daß die Existenz dieses Planeten beendet worden war, war schlimm genug. Nur wog der Verlust von Milliarden von Leben weitaus schwerer. »Ich habe nicht vergessen, was mit Sverigor passiert ist. Worauf willst du hinaus, Julian?« fragte Rhodan gereizt. Tifflor fühlte, daß er seinen Freund in die Enge gedrängt hatte und war für einen kleinen Augenblick sogar stolz, daß er Perry etwas von seiner schier endlosen Ruhe abgenommen hatte. »Schon damals bist du lieber für irgendwelche Entitäten durch das Universum gekreuzt, anstelle vor deinem eigenen Hof zu kehren!« Die Worte Tifflors waren hart. Doch Tifflor wußte genau, dass er mit Rhodan so reden konnte, ja Rhodan bat sogar stets um den ehrlichen Dialog unter seinen Freunden. Sie kannten sich schon viel zu lange, um eingeschnappt zu reagieren oder die Freundschaft ernsthaft durch solche Streits zu gefährden. »Das mag sein. Ich beabsichte auch nicht, DORGONS Ruf zu folgen. Das werden andere tun«, erklärte Rhodan. »Aber...« »Nichts aber, Julian! Du vergißt, daß Cau Thon und dessen ominöser Meister MODROR, dessen Namen mir noch einiges sagt, sehr gefährlich sind. Ich hatte damals die Gefahr der MORDRED außer Acht gelassen. Doch wer zeichnet sich für alles verantwortlich? Cau Thon! Deshalb müssen wir ihn bekämpfen!« Julian wußte, daß Perry Rhodan im Grunde genommen Recht hatte. Doch er wünschte sich mehr Verantwortungsbewußtsein für die inneren Angelegenheiten. Perry Rhodan konnte nicht immer den Retter in der Not spielen. Doch wenn nicht er, wer dann? Tifflor biß sich auf die Lippen. »Also gut. Dann übernehme ich den Job in 35 Cartwheel!« Rhodan glaubte, sich verhört zu haben. Er blickte Tifflor verwundert an und rang nach den Worten. »Nun guck nicht so! Gib mir Cascal, Gucky, die Leute von der IVANHOE und paar fähige und vertrauenswürdige Politiker mit, dann regel ich das schon. Jedoch kann ich nicht ständig da sein. Das weißt du!« Perry nickte stumm. »Ich werde also als Residenz-Minister das Projekt Cartwheel auf Seiten der Terraner überwachen«, meinte der Unsterbliche. »Allerdings brauche ich einen Stellvertreter, wenn ich in der Milchstraße bin.« Rhodan überlegte kurz. Er blickte in seinen Kaffee und forschte nach einen loyalen Stellvertreter. Alle anderen Zellaktivatorträger brauchte er hier. Gucky war zu albern, Cascal zu militaristisch. Es benötigte jemanden mit Reife, Weisheit, Erfahrung und dem nötigen Charisma, um vom Volk unterstützt zu werden. * Es waren einige Tage verstrichen. Perry Rhodan saß in seinem großen Büro und jonglierte mit Zahlen und Personen umher, die er für das Insel-Projekt abgeben würde. Doch die Resonnanz war nach dem geistigen Aufruf DORGONs und der Werbekampagne innerhalb der LFT durch die Regierung bereits immens! Über drei Millionen Terraner, Oxtorner, Plophoser, Olymper, Ertruser und Espaler mit Pioniergeist hatten sich bereits gemeldet. Viele schienen das Projekt zu begrüßen oder waren bereits von DORGON kontaktiert worden. Die Zahlen stiegen minütlich. Perry war gespannt, wie das Kristallimperium, die Blues, Akonen und anderen Völker der Milchstraße reagieren würden. Bis dato kam sehr wenig Resonnanz. Perry Rhodan hoffte, daß es nicht nur ein Projekt der Terraner werden würde, aber DORGON hatte seine Andeutungen gemacht, daß viele Völker ihre Abgesandten nach Cartwheel entsenden würden. Insgesamt 50 Völker! Doch er fragte sich, wie DORGON Imperator Bostich I. überzeugen wollte. Dieser 36 D O R G O N Mann handelte nicht aus edlen Motiven. Er war gefährlicher Nationalist und herzloser, machthungriger Arkonide! Der Zellaktivatorträger glaubte nicht, daß Bostich die Gefahr durch MODROR erkennen würde. MODROR... Perry Rhodan kannte diesen Namen. Alles schien langsam einen Sinn zu ergeben. Im Jahre 1285 NGZ traf Perry Rhodan zusammen mit Aurec auf die Inkarnation MODRORs. Sie nannte sich Rodrom und hielt eine Visite in einer Station des Chaos direkt im Zentrum Saggittors. Rodrom war ehrgeizig und wollte Rhodan zur Strecke bringen. Er ermordete Aurecs Familie, dessen Vater zu der Zeit Regent war. Ein Putschist namens Dolphus wurde mit Rodroms Unterstützung an die Spitze gesetzt. Die Rote Entität versetzte den Luxusraumer LONDON in ein Paralleluniversum. Dort wurden Aurec, Rosan Orbanashol, Wyll Nordment und er selbst von fünf grausamen Söldner Rodroms gejagt. Nur der Hilfe von Sato Ambush, der in dieser Parawelt gefangen war, konnte man sie besiegen und Rodrom entkommen. Man konnte es schaffen, Dolphus abzusetzen und die Station der Chaosmächte zu vernichten. Rodrom verschwand, zerstörte allerdings vorher die LONDON und schickte über 11.000 Seelen in den Tod. Seitdem hatte Rhodan nie wieder etwas von Rodrom gehört. Doch was waren 11 Jahre? Für eine Entität nichts. Soweit es Rhodan in Erinnerung hatte, bezeichnete Rodrom seinen Meister als Chaotarch, auch wenn er damals dieses Wort mit einer seltsamen Betonung aussprach. Auf jeden Fall hatte man es mit den Mächten des Chaos zu tun. MODROR schien der Meister zu sein. Was aus Rodrom geworden war, wußte Rhodan nicht. Cau Thon schien wohl seine Stelle als ausführendes Organ übernommen zu haben. Er war gleichzeitig ein Sohn des Chaos. Einer seiner Diener war der Katrone Goshkan, von dem Gal’Arn berichtet hatte. Rhodan wußte, daß Cau Thon hinter der MORDRED und den Invasionsplanungen Dor- Nils Hirseland und Dominik Hauber gons stand. Er wußte auch, daß Cau Thon und Goshkan ein grausames Duo waren, das über Leichen ging. Sollte hinter ihnen die Macht MODRORs stecken, was immer dieses Wesen auch war, so sollte man den Worten DORGONs Glauben schenken. Rhodan erkannte mehr und mehr die drohende Gefahr. Er ermahnte sich, sich wieder auf die Daten zu konzentrieren. Julian Tifflor sollte der Repräsentant für alle Terra-Völker werden. Ihm zur Seite stand Joak Cascal als Militärberater. Gucky sollte zusammen mit Will Dean für die Sicherheit sorgen. Dean sollte den TLD leiten. Das waren allerdings viel zu wenig! Das Aufsummen seiner Anlage riß Rhodan aus seinen Gedanken. Seine Sekretärin versuchte ihn zu erreichen. »Was gibt es?« »Perry, ein Don Philippe Jaime de la Siniestro wünscht >eine Audienz<«, hörte er die Stimme der terranischen Vorzimmerdame. Rhodan dachte kurz nach, was der alte Spanier hier wollte. Dann akzeptierte er das Gesuch und bat seine Sekräterin, den Marquese von Siniestro in sein Büro zu geleiten. Der älteste Mensch der Welt war in eine Kombination gekleidet, die zweifellos an die Mode aus seiner Zeit angelehnt war. Er setzte ein Grinsen auf und entblößte dabei seine gelben Zähne, die schon ähnlich angegriffen wie seine faltige Haut wirkten. Das interessierte jedoch Perry Rhodan wenig. Dem Marquese war die Rettung von Gal’Arn und den jungen Galaktikern zu verdanken. Ohne seinen heldenhaften Einsatz auf Prosperohs Welt wären sie wahrscheinlich verloren gewesen. Rhodan stand auf und reichte dem Spanier zur Begrüßung die Hand. »Bitte setzen Sie sich doch.« Der Marquese nahm das Angebot an und setzte sich auf eine gemütliche Couch, die sich seinem Gewicht, seiner Größe und momentanten Sitzlage anpaßte. Rhodan ließ sich in einen Sessel gegenüber sinken. »Wie geht es Ihnen? Ich habe schon viele Berichte über Sie gelesen, Marquese. Die Pres- Die Insel D O R G O N se behandelt Sie wie einen Helden«, begann Rhodan. Der Marquese wirkte geschmeichelt, sagte aber: »Oh, ich bitte Sie, Señor! Das war doch selbstverständlich. Schon damals habe ich alles dafür getan, damit es den Menschen gut geht.« Rhodan lächelte. Der Mann war ihm sympathisch. Er bewunderte ihn sogar heimlich. Welcher Mensch aus dem 18. Jahrhundert hätte diesen Evolutionssprung unbeschadet überstanden? Diesem Mann gebührte viel Respekt. Er mußte unglaublich intelligent und weltoffen sein. »Was führt Sie zu mir, Marquese?« fragte Rhodan neugierig. »Nun, es geht um das Insel-Projekt«, fing der Spanier an zu erzählen. »Ich habe großes Interesse, Ihnen zu helfen. Was soll ich hier alleine? Ich habe keinen Menschen, keine Aufgabe. Deshalb biete ich Ihnen meine volle Mithilfe an!« Perry Rhodan war überrascht. Dieser Mann schaffte es wirklich, noch mehr Respekt abzuverlangen. Perry spielte mit einem altmodischen Flaschenöffner und grübelte, wie er den Marquese einsetzen könnte. »Ich will mich keineswegs in den Vordergrund drängen, doch war ich einst Beherrscher von einem großen Teil Spaniens. Ich verstehe etwas von der Führung von Menschen und vor allem habe ich das nötige Verantwortungsbewußtsein gegenüber meinen Schäfchen«, erklärte er und schlug sich damit selbst für eine Führungsrolle vor. Perry nickte stumm. »Also gut, ich werde Sie an die Seite von Julian Tifflor stellen. Wir werden sehen, was er mit Ihnen anfangen kann. Vielleicht ist ein Administratorposten für Sie drin.« Der Marquese verneigte sich ergeben, hatte aber noch etwas zu sagen. »Der ehrenwerte Julian Tifflor kommt mit? Welche Aufgabe wird ihm zuteil?« »Er soll die Abgesandten der Terrawelten anführen«, meinte Rhodan knapp und legte den Flaschenöffner wieder hin. »Aber hat er denn keine Verpflichtungen in der Milchstraße?« fragte der Marquese verwun- 37 dert. »Doch, deshalb wird er einen Stellvertreter auf der Insel bekommen, der die meiste Arbeit haben wird, aber Tifflor Rechenschaft ablegen muß, wenn er die Insel besucht.« Der Marquese grinste wieder. Rhodan fand dieses Lächeln sonderbar, doch es lag wohl an der seltsamen Erscheinung des Marquese. Der Mann hätte, ohne ihm nahezutreten, eine Hauptrolle in einem Gruselfilm bekommen können. »Haben Sie schon diesen Stellvertreter benannt?« »Nein!« »Ach? Dürfte ich mich dann anbieten?« Wieder war Perry Rhodan über diesen Mann verblüfft. Wer würde so fordernd bei dem Terranischen Residenten ankommen? Doch auf der anderen Seite gehörte viel Courage dazu. Außerdem schien der Marquese sein Anliegen sehr ernst zu nehmen. Perry glaubte – ja, er war davon überzeugt –, daß er Marquese alles menschenmögliche tun würde, um die Aufgabe korrekt und gewissenhaft zu erfüllen. Es war eine intuitive Entscheidung, ihm den Posten als Stellvertreter Tifflors zu geben, doch er vertraute dem ältesten Menschen der Welt. Natürlich konnte der Marquese nicht schalten und walten, wie er wollte. Tifflor würde genau auf ihn aufpassen. Später sollte er von den Bürgern der Insel bestätigt werden. Doch Perry Rhodan wußte noch nicht einmal, was die Wesen auf der Insel erwarten würde. Das sagte er dem Marquese ehrlich. Es konnte auch gut sein, daß keine Politiker, sondern nur Militärs gebraucht wurden, da DORGON von einer Festung sprach. Niemand wußte das! Bis jetzt hatten sich aber auch viele Freiwillige aus der Wirtschaft gemeldet. Sie wurden von DORGON kontaktiert. Es schien so, als würde auch eine funktionierende Infrastruktur und nicht nur Kasernen gebraucht werden. Perry Rhodan informierte Julian Tifflor über seine Absicht, den Marquese von Siniestro mit dieser Bürde zu beauftragen. Der Residenz-Minister hatte keine Einwände. Er begrüßte die Entscheidung, da er genauso von diesem alten Spanier beeindruckt war wie D O R G O N 38 Rhodan selbst. Perry Rhodan berief noch an diesem Abend eine Konferenz ein, die über die weiteren Schritte der Besiedelung der Insel Klarheit verschaffen sollte. Der April neigte sich dem Ende zu und niemand wußte, was der Mai bringen würde. * Die Solare Residenz schwebte majestätisch über der Hauptstadt Terrania City. Es war nicht nur ein gigantischer Anblick, sondern gab die Solare Residenz den Bewohnern Terranias ein Gefühl der Sicherheit. Wie ein schützender Wächter lag die Residenz über Terrania. Perry Rhodan stand in einem der Räume und ließ den Blick über seine Stadt schweifen. Viele Jahrtausende waren es her, als er hier zusammen mit Reginald Bull und vielen schon längst gestorbenen Gefährten den Grundstein für diese Stadt legte. Langsam fanden sich die ersten zur Besprechung ein. Bully und Gucky betraten den Raum. Der Mausbiber knabberte an einer Mohrrübe und schlürfte ein Glas Orangensaft. »Hey, was gibt es?« fragte er mit seiner piepsenden Stimme. »Alles zu seiner Zeit«, antwortete Perry knapp. Gucky schwieg und teleportierte stattdessen auf einen Sessel aus Formenergie. Bully schüttelte den Kopf. Es war ein Anzeichen, daß er sich mal wieder über Gucky aufregte. Doch sie kamen nicht zum Streiten, denn Julian Tifflor, Joak Cascal und ein hochgewachsener Mann im mittleren Alter erreichten den Raum. Der Terraner trug eine hochdekorierte Ausgehuniform, wirkte adrett und sehr diszipliniert. Er verbeugte sich vor den Anwesenden. »Das ist Henry >Flakk< Portland. Einer der besten Raumschiffkommandanten der LFT. Er hat sehr beachtliche Erfolge im Kampf gegen die Tolkaner vorzuweisen. Er ist ebenfalls ein ausgezeichneter Stratege und ein loyaler Soldat«, erklärte Joak Cascal. »Ich werde ihn zu meinem Militärattaché auf Cartwheel ernennen.« Die Anwesenden begrüßten Portland. Per- Nils Hirseland und Dominik Hauber rys erste Einschätzung fiel sehr positiv aus. Der Mann hatte eine ehrliche und gewissenhafte Ausstrahlung. Kurz danach betraten der Marquese von Siniestro, Jonathan Andrews und der Ritter der Tiefe Gal’Arn den Raum. »Gal’Arn, Marquese! Ich bin erfreut, daß Sie meine Einladung angenommen haben«, begrüßte sie Perry Rhodan. Auch Jonathan Andrews übersah er nicht. »Sie gehören zu den Helden von Zerachon, Mr. Andrews. Solche tapferen und intelligenten Männer braucht die Galaxis«, lobte ihn Rhodan, während sie sich die Hände schüttelten. »Danke, Sir«, brachte der sonst so redegewandte Andrews verlegen heraus und wechselte einen Blickkontakt mit Gal’Arn, der ihm zufrieden zunickte. Mit dem Erscheinen von Xavier Jeamour und Timo Zoltan war die Versammlung komplett. Rhodan begann ohne Umschweife mit dem Thema: »Wir sind heute hier, um zu besprechen, welche Streitkräfte und Menschen wir zur Insel entsenden.« Er machte eine Kunstpause und blickte jedem der Anwesenden in die Augen und interpretierte aus ihren Blicken, daß sie die Lage genau richtig einschätzten. »Julian Tifflor wird die Terravölker kommandieren. Der Marquese de la Siniestro, von dem ich viel halte, wird sich politisch als TerraAdministrator und Stellvertreter Tifflors agieren. Ich nehme an, daß auch eine Infrastruktur und eine Wirtschaftsstruktur benötigt wird und nicht nur eine Militärbasis.« Casal und Henry Portland sahen sich etwas enttäuscht an. Sie dachten wohl beide, daß Zivilisten wenig dort zu suchen hätten. Perry Rhodan fuhr fort: »Dennoch wird die Insel wohl eine Festung darstellen. Dafür benötigen wir Militär. Joak Cascal wird das Oberkommando über die Streitkräfte bekommen. Wen er in seinen Stab ernennt, überlasse ich ihm.« Cascal nickte zufrieden. Henry Portland wußte, daß Cascal viel von ihm hielt und ihn als Militäradjeutanten ernennen würde. Lieber wäre es dem raubeinigen Terraner allerdings ge- Die Insel D O R G O N wesen, wenn er ein Kommando über ein Raumschiff bekommen hätte. Perry Rhodan ging um den runden Tisch und sah kurz aus dem Fenster. Zwei Space-Jets kreuzten seinen Blickwinkel. Dann wandte er sich wieder den anderen zu. »Die IVANHOE unter Xavier Jeamour wird mit zur Insel fliegen. Das schlagkräftige Team unter Jeamour, damit meine ich besonders Wallace, Dove und Lorif, sollten sehr hilfreich sein. Die IVANHOE wird das Flaggschiff der TerraAbgesandten sein.« Niemand sagte etwas. Alle hörten gespannt auf die Anweisungen Perry Rhodans. Nur Gucky mußte wieder einen Scherz unter die Personen bringen. Er spielte den Schlafenden und schnarchte laut, bis er von Perry ermahnt wurde, sich zu benehmen. Dann sagte der Terranische Resident: »Die Terra Kolonien werden von einem autarken Administrator regiert. Wir halten es hier genauso wie bei der LFT. Letztendlich stehen allerdings alle Tifflor Rede und Antwort. Gal’Arn wird als Berater mitfliegen. DORGON hatte bereits betont, daß er eine Schlüsselfigur ist.« Der Ritter der Tiefe musterte Perry Rhodan. Beide RdT respektierten sich und hatten große Achtung vor einander. »Timo Zoltan wird Wissenschaftsberater von Tifflor«, erläuterte Rhodan. »Jetzt ist die Frage, wieviel Streitkräfte wir schicken.« In dem Moment erschien aus dem Nichts DORGON. Plötzlich stand er im Raum und ging auf die Anwesenden zu. Portland sprang auf, doch Cascal beruhigte den Soldaten wieder. Langsam mußte man sich an die Auftritte der Entität gewöhnen. »Diese Frage will ich beantworten«, begann DORGON. Perry sah ihn mißtrauisch an. »Zehn Milliarden Wesen terranischen Ursprungs sollen zur Insel aufbrechen. Die Arkoniden werden die gleiche Anzahl schicken, ebenfalls wie die Blues. Die restlichen Völker werden die Wesen entsenden, die sie entbehren können.« »Zehn Milliarden?« brüllte Bully aufgeregt herum. »Das schaffen wir nie. Woher sollen wir 39 die Raumschiffe für diese Massen besorgen?« DORGON wirkte gelassen. »Ich werde die Raumschiffe zur Verfügung stellen. Sorgt für die Menschen, den Rest werde ich übernehmen. Wartet auf meine weiteren Anweisungen oder Bitten.« Mit diesen Worten verschwand DORGON wieder. Perry Rhodan und Gal’Arn blickten sich an. »DORGON wird seine Gründe haben. Ich habe Cau Thons und Goshkans Brutalität miterlebt. Wir sollten tun, was er sagt«, riet der Ritter aus Shagor. * Aus den Chroniken der Insel: Der Mai begann mit schweren Entscheidungen für die Wesen der Milchstraße. Milliarden von Ihnen sollten aufbrechen, um eine fremde Galaxis zu bevölkern. Sie sollten eine Festung gegen die Armeen MODRORs errichten und einer neuen Heimat Leben einhauchen. Die Meldungen der Freiwilligen war sehr niedrig im Vergleich zur Bevölkerungsgrößte der Milchstraße. Verlangte DORGON unmögliches von den Völkern? Es schien so, doch ausgerechnet die Arkoniden brachten den Stein ins Rollen. DORGON hatte Imperator Bostich kontaktiert und ihn – genauso wie er es mit Perry Rhodan getan hatte – gebeten, zehn Milliarden Vertreter Arkons und seiner Kolonien nach Cartwheel zu schicken. Imperator Bostich dachte viele Tage darüber nach. Ihm war die Gefahr durch MODROR gleichgültig. Er sah nur in Perry Rhodan eine Gefahr und strebte die Regentschaft über die gesamte Milchstraße an. Und gerade dieser Machthunger brachte den alten Arkoniden auf eine in seinen Augen grandiose Idee. Warum erweiterte er nicht seinen Machtbereich? Die Arkoniden sollten langsam aber unaufhaltsam auch diese Galaxis Cartwheel besetzen. Die Arkoniden konnten ohne Probleme 10 Milliarden arische Vertreter aus ihren Reihen 40 D O R G O N und direkten Kolonien wie Zalit abstellen. Hinzu kamen Völker wie Topsider, Antis, Aras und Springer, die ebenfalls Untergebene Arkons waren. Arkon würde den mächtigsten Block in der neuen Galaxis darstellen und konnte Cartwheel zu einer Militärbasis ausbauen von der er auch die Milchstraße angreifen konnte. Allerdings lag Cartwheel 500.000 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt. Angriffe würden Jahre dauern. Doch sicher hatte DORGON eine Möglichkeit des schnellen Transports. Bostich vermutete eine Art Sonnentransmitter oder Heliotisches Bollwerk. Er rief seine Militärs und Politiker zu sich. Die Entscheidung, wer die Arkoniden in Cartwheel führen sollte, fiel auf den jungen Aristokraten und Beherrscher mehrerer Kolonien Uwahn Jenmuhs. Jenmuhs war nicht nur ein überzeugter Nationalist und arischer Arkonide, sondern in ihm brante auch ein ganz persönlicher Haß gegen die Terraner. Sein Bruder Hajun Jenmuhs wurde auf der LONDON II von Rosan Orbanashol-Nordment, der verhaßten Halbarkonidin, und Uthe Scorbit getötet. Zwar war es Notwehr und ein verdientes Ende des scheußlichen Hajun Jenmuhs gewesen, doch sein Zwillingsbruder haßte die Terraner und besonders die beiden Frauen dafür. Er schwörte grausame Rache! Als Mitte Mai DORGON einen erneuten Aufruf an alle Wesen in der Milchstraße startete, kamen die Dinge ins Rollen. »Völker der Milchstraße. Ich bitte euch, eure Abgesandten für die Insel am 30. Juni 1296 NGZ zu dem Sternhaufen 47-Tucani zu bringen. Dort werden Hundertausende an Raumschiffen für euch bereitstehen. Sie warten nur darauf, bemannt zu werden. Ihr begebt euch dann 5,6 Millionen Lichtjahre nördlich von der Milchstraße zu einem Portal – einem Transmitter gewaltigen Ausmaßen, der euch zur Insel bringen wird. Das wird die stetige Verbindung zwischen beiden Galaxien sein. So könnt Ihr die lange Distanz innerhalb von wenigen Tagen überbrücken. Bereitet euch auf eine neue Heimat vor. Die Nils Hirseland und Dominik Hauber Insel Cartwheel muß besidelt werden. Macht daraus eine zweite Milchstraße und eine starke Festung, die gewappnet ist für den Kampf gegen MODROR! Alle Männer und Frauen, die an diesem Projekt teilnehmen, sind wahre Helden. Sie geben viel auf, um selbstlos für das Gute zu streiten. Doch sie werden belohnt werden, denn ihnen wird ein Platz in dem, was ihr Elysium nennt, gewiß sein.« Diese beeindruckende Ansprache der Entität DORGON war für viele der Anlaß, sich freiwillig zu melden. Die Anzahl der Freiwilligen in der LFT, aber auch in den anderen Mächtigkeitsballungen der Galaxis, stieg an. Deshalb sahen sich auch die Arkoniden gezwungen zu handeln. Sie konnten den Terranern in nichts nachstehen. Imperator Bostich I. und Uwahn Jenmuhs trafen sich am 17. Mai 1296 NGZ zu einer schicksalhaften Besprechung. 3. Arkon Das Arbeitszimmer von Imperator Bostich glich einem Palast, in dem eine ganze Familie hätte leben können. Der Fußboden war verspiegelt und mit Mustern verziehrt. An der Wand hingen Gemälde von arkonidischen Künstlern, Portraits von glorreichen Kaisern oder Schlachtschiffen. In der Mitte des Saales stand ein großer Schreibtisch des Imperators. Dahinter hing ein Banner mit dem arkonidischen Emblem und dem Schriftzug FAMUG. Rechts daneben war eine Holographie der Milchstraße abgebildet. Es zeigte die Kolonien und Grenzen des gewaltigen Kristallimperiums an. Bostich selbst saß in seinem Thron und wartete auf die Ankunft von Uwahn Jenmuhs. Die Tür öffnete sich und zwei Offiziere marschierten steif in den Raum und salutierten vor ihrem Imperator. »Mein Imperator, Uwahn Jenmuhs bittet um eine Audienz!« brüllte ein Unteroffizier und schlug mit den Hacken zusammen. Die Insel D O R G O N »Gewährt«, sprach Bostich knapp. Die beiden Soldaten machten erneut eine Ehrenbezeugung und verließen den Raum. Einer von ihnen kam mit Jenmuhs zurück und geleitete ihn zum Imperator des Kristallimperiums. Jenmuhs war eine abstoßende Erscheinung. Wie sein Zwillingsbruder war er fett, hatte lange, weiße, fettige Haare, eine blasse Haut und ein unsympathisches Wesen. Er war in noblen Gewändern gekleidet und trug einen Zierstock mit sich. Als er direkt vor dem Schreibtisch des Kaisers stand, verneigte er sich. In diesem Moment schwebte ein positronischer Sessel zu Jenmuhs und bot einen Platz an. Ächzend setzte sich der schwergewichtige, aber sehr kleine Arkonide in den angepaßten Sitz. »Seien Sie willkommen, Uwahn Jenmuhs!« begrüßte ihn Bostich. »Es ist mir eine Ehre, daß Sie mir erneut eine Audienz gewähren. Es gibt Neuigkeiten über die Insel, nehme ich an?« Bostich nickte stumm. »DORGON will, daß wir am 30. Juni unsere Männer nach 47-Tucani schicken. Sollten wir das einfach so machen?« »Die Terraner werden es tun. Jedoch wird ihr Anteil an eigenen Schiffen sehr niedrig sein. Laut meinem Geheimdienst werden sie nur 5.000 Kampfeinheiten mitschicken. Wir werden das fünffache entsenden!« Die Entschlossenheit in Bostichs Worten war unüberhörbar. Jenmuhs bewunderte den Imperator. Der Tod von Theta von Ariga war ein Segen für Arkon. Diese Frau hatte es niemals verstanden, ein richtiges Imperium aufzubauen. Anfangs hatten die Quartermagins versucht, Bostich zu kontrollieren. Doch dieser Arkonide war stark. Er war ein typisches Abbild eines überlegenen Herrenmenschen. Zuerst spielte er mit, dann entledigte er sich seiner Feinde, die versuchten ihn zu kontrollieren. Bostich konnte die Massen bewegen und hatte die Sympathie des ganzen arkonidischen Volkes hinter sich. Ja, sie würden in den Tod gehen für ihren Imperator. Jenmuhs kamen beinahe die Tränen vor Ehrfurcht. Umso mehr stolz war er, daß Bostich ihn auserwählt hatte, die Arkoniden in Cartwheel zu führen. 41 »Mit diesem Aufgebot sind wir sicherlich die größte Fraktion, mein Imperator«, stimmte Jenmuhs zu. »Wir wissen nicht, was uns in Cartwheel erwartet. Ich setze viel auf Sie, Jenmuhs.« »Ich werde mich würdig erweisen. Mir ist zu Ohren gekommen, daß der fähige Mascant Terz von Eskor und der junge zalitische Administratorsohn Toran Ebur mich begleiten werden. Ich erachte die beiden als äußert loyal und fähig.« Bostich stimmte ihm zu. »Vergeßt nicht, Jenmuhs. Ihr reist dorthin, um das Reich auszuweiten. Lassen Sie sich ruhig etwas Zeit und sehen Sie, wie sich die Dinge entwickeln. Dann schlagen Sie im richtigen Moment zu. Ich denke, Sie können dann auch Ihre persönlichen Rechnungen begleichen, ist es nicht so?« Jenmuhs zitterte vor Erregung. »Ja, so ist es! Mein Bruder war zwar ein mieses Schwein, doch er war ein Arkonide. Dieser terranische Müll und dieses Halbblut hatten nicht das Recht ihn zu töten. Dafür will ich Vergeltung! Niemand schändet die Familie derer Jenmuhs. Ich werde meine Rache bekommen und wenn ich dafür alle Terraner selbst töten müßte!« Bostich lachte laut auf. Er applaudierte für diese Ansprach von Jenmuhs. Dann stand der Imperator auf und blickte auf die Holographie der Milchstraße. »Eines Tages wird all das uns gehören. Damit meine ich das arkonidische Volk. Es ist unser Anrecht, das Erbe unserer Vorfahren wieder zurückzuerobern. Es gibt eigentlich nur noch ein Hindernis.« Er wandte sich wieder Jenmuhs zu, der gespannt zuhörte. »Perry Rhodan und die Terraner. Rhodan ist stark. Vielleicht können wir Cartwheel nutzen, um ihn zu schwächen. Vielleicht kann uns auch dieser Cau Thon helfen, Rhodan zu vernichten. Ich bin sicher, wir können mit ihm einen Handel ausmachen. Denn wenn Rhodan und die Terraner fallen, gehört die Milchstraße uns. Sie können Ihren Beitrag leisten, Uwahn Jenmuhs. Sie können arkonidische Geschichte schreiben.« Jenmuhs stand voller Stolz auf. Er hob die D O R G O N 42 Hand zur Ehrenbezeugung und schrie: »Ich werde Euch nicht enttäuschen, mein Imperator. Ich werde Cartwheel in das arkonidische Kristallimperium einverleiben und den Kampf gegen das Untermenschentum der Terraner fortführen!« Bostich nickte zufrieden. Jenmuhs war sehr sadistisch und ein unangenehmer Zeitgenosse, auch wenn er sich vor dem Imperator zu benehmen wußte, doch er war ein eingefleischter und loyaler Anhänger Bostichs und des Imperiums. Mit ihm hatte er einen guten Mann auf der Insel, der den Terraner und allen anderen sehr gefährlichen werden wurde. * Aus den Chroniken Cartwheels: Und so gaben die Arkoniden am 20. Mai 1296 NGZ bekannt, daß sie sechs Milliarden Arkoniden, Zaliter und andere Kolonisten entsenden würden. Bostich bestimmte auch über die Anzahl der anderen Völker. Die Antis sollten 580.000 Vertreter entsenden, die Aras fünf Millionen Wesen, die Springer dreizehn Millionen und die Topsider 50 Millionen Abgesandte. Damit waren die Völker des Kristallimperiums mit über sechs Milliarden Wesen die stärkste Fraktion. Sofort setzten auch die anderen Völker nach. Es entbrannte eine Art Wettaufgebot für die Insel. Plötzlich stieg das Interesse an der Insel und kein Volk wollte nicht mit dabei sein. Die Gründe für die Interessen waren sehr verschieden. So wollten Terraner, Akonen, Haluter und Posbis eindeutig DORGONs Plan verfolgen. Die Arkoniden wollten nur die Insel erobern und die anderen Völker wie die Blues wollten ein Stück des Kuchens abhaben. Sie befürchteten, eine entscheidene Wendung zu verpassen. Die Blues toppten das Aufgebot der Arkoniden und stellten zehn Milliarden Gataser und Apaser bereit. Die Terraner und ihre Kolonien konnten am 1. Juni knapp über fünf Milliarden Wesen aufbieten. Mehr war nicht möglich. Die Haluter entsanden 2000 Vertreter ihres Volkes, der Anzahl ihrer Gesamtbevölkerung nach mehr als Nils Hirseland und Dominik Hauber angemessen. Die Posbis offerierten zehn Millionen der künstlichen Wesen für das Projekt mit der Option, im Notfall noch mehr zu produzieren. Die Akonen bildeten mit 800.000 Millionen Wesen die viertstärkste Fraktion. Und auch mein Volk, die Linguiden, wollten 10.000 Artgenossen zur Insel schicken. Ich persönlich war sehr froh über diese Geste und hoffte, daß mein Volk wieder mehr an Bedeutung gewann. Am meisten überraschte die Milchstraßenvölker die hohe Beteiligung der Überschweren. Mit zehn Millionen Wesen boten sie ein beträchtliches Aufgebot, das nicht von jedem gerne gesehen wurde, denn die Geschichte der umweltangepaßten Kolonisten der Springer war alles andere als gut. Doch das Interesse eines Wesens war besonder auf das Volk der Überschweren gerichtet. Keiner ahnte zu diesem Zeitpunkt, daß der naive Auszubildende bei SHORNE INDUSTRY mit dem Namen Siddus in Wirklichkeit der Vierte Sohn des Chaos Leticron war und bereits an dem Scheitern des Projektes DORGONs arbeitete. Leticron wurde von Cau Thon aus seinem PEW-Gefängnis in den Ruinen der Stahlfestung Titan befreit und übernahm den Körper des infantilen Siddus, der jedoch mit körperlichen und mutantischen Attributen beschenkt war. Innerhalb kürzester Zeit übernahm Leticron die Kontrolle über die Galactic Guardians auf Terra und begann, etliche überschwerische Guardians für das Projekt zu melden. Er wollte loyale Truppen dort wissen, um seinen Plan durchzuführen. Jedoch brauchte er starke Verbündete, um seinen Plan umzusetzen. Er beschloß, den korrupten Michael Shorne auszuwählen. Dieser Terraner tat für Geld alles. Leticron mußte ihn jedoch zuerst beeindrucken. Siddus war ein Schwächling, der nicht einmal seine Schuhe zubinden konnte. Shorne hatte sicherlich kein Respekt für den Überschweren und auch keine Verwendung auf der Insel für ihn. So manipulierte Leticron einige Zahlen in der Buchhaltung und schob die Schuld auf den D O R G O N Die Insel Chefbuchhalter, den er natürlich bei Shorne meldete. Zum Dank setzte Shorne den Überschweren als Hauptrevisor ein. Ein Posten, den Leticron völlig unbedeutend fand, doch er war näher an Shorne herangerückt. 4. Terrania Leticron ging durch die Büroräume der SHORNE INDUSTRY-Hauptfiliale. Ein gewaltiger Wolkenkratzer mit gigantischer Holoschrift sorgte dafür, daß niemand das Gebäude übersah. Leticron beeindruckte es wenig. Er ließ die letzten Tage Revue passieren. Der Vierte Sohn des Chaos hatte ein Abkommen mit dem Anführer der Galactic Guardians geschlossen, nachdem er den Chef der Terrororganisation auf der Erde getötet hatte. Die Guardians stellten Leticron mehrere tausend Überschwere zur Verfügung. Dafür sorgte der Pariczaner für ein Geschäft zwischen Michael Shorne und den Guardians. Da große Teile der BASIS in Hand der Guardians waren und dort Geschäfte wie Glücksspiel und Prostitution geführt wurden, war Shorne schon immer daran interessiert gewesen, sich in das Geschäft einzuklinken. Den Guardians fehlte die Kreativität und der Deckmantel der Legalität, den Shorne besaß. Leticron hatte ein Treffen zwischen Shorne und dem Überschweren Karutzes organisiert. Mehr wollte er darüber auch nicht wissen, denn ihm war das Geschäft letztendlich egal. Er wollte zur Insel und dort Macht erlangen. Michael Shorne war hoch zufrieden über die Aktivitäten von Siddus, der sich nun Nor Citel – Leticron rückwärts – nannte und mit einer Art Aha-Effekt seinen plötzlichen Sinneswandel begründete. Shorne war keineswegs mißtrauisch. Er hatte gehofft, daß der Überschwere sein Potential erkannte und es nutzte. Natürlich ahnte der Terraner nicht die wahren Motive. Leticron wurde zu Shorne zitiert. Auf dem Weg dorthin traf er den ehemaligen Abteilungsleiter und Vorgesetzten von Sid- 43 dus, Wilhelm Romm. Aus Siddus Erinnerungen wußte Leticron, daß Romm ein überaus korrekter und auch zuweilen außerordentlich spießiger Mitarbeiter war, der Siddus oft ermahnt hatte. Leticron stellte sich Romm provozierend in den Weg. »Na, du alter ekliger Fettsack!« sprach er abfällig. »Sagen Sie, Siddus, sind Sie noch ganz bei Trost?« antwortete Romm ungehalten. Zwar war Siddus mehr oder minder sein Vorgesetzter, doch diese Respektlosigkeit war ihm entschieden zuviel. Leticron wandte seine mutantischen Fähigkeiten der Metagruppierung an. Er verfomte den Magen leicht und fügte Romm damit höllische Magenschmerzen zu. Der Plophoser sank in die Knie und versuchte, die Schmerzen zu kontrollieren. »Oh? Jetzt sehen Sie ja gar nicht so überlegen aus, Romm? Stillgestanden! Aufstehen, Marsch Marsch, mein Fettsack? Oh, können Sie das nicht?« Romm wäre am liebsten aufgesprungen und hätte den Überschweren einen Kinnhaken verpaßt, doch die Schmerzen und die Vernunft waren stärker. Leticron lachte diabolisch. »Sei froh, du niederes terranisches Schwein, daß ich dich am leben lasse«, sagte er voller Verachtung und ließ Romm mit den Schmerzen alleine. Leticron beendete das leichte Verformen des Magens und beendete somit auch die Schmerzen. Voller Arroganz ging er in Shornes Büro. Auch Thomas Zchmitt befand sich dort. Michael Shorne begrüßte Siddus mit einem Lächeln. »Ah, da haben wir ja unseren hervorragenden neuen Verfechter von SHORNE INDUSTRY. Ich habe Kontakt mit dem Überschweren aufgenommen. Thomas wird während meiner Abwesenheit die Geschäfte und Verhandlungen führen. Ich glaube, da stehen wir vor einem großen Deal – Dank Ihnen!« Shorne grinste über beide Wangen. Leticron verstand nicht so recht. »Was meinen Sie mit Ihrer Abwesenheit?« wollte er wissen. Shorne aktivierte wie aufs Stichwort D O R G O N 44 eine Holografie. Sie zeigte die Zahlen der Cartwheel-Pioniere. »Ich werde auch an dem Projekt teilnehmen. Warum? Ganz einfach. Die Leute müssen versorgt werden. Mit Lebensmitteln, Genußmitteln und jede Menge Luxusgüter. SHORNE INDUSTRY wird die Wirtschaft auf der Insel ankurbeln und anführen. Dazu benötigt es meiner Hilfe! Das wird das Geschäft des Jahrtausends.« Leticron verstand jetzt. Die Idee von Shorne war nicht schlecht. Wenn er es besser anstellte als mit der LONDON II würde er Erfolg haben. Nun hatte Leticron auch seine Mitfluggelegenheit nach Cartwheel. Außerdem hatte er einen mächtigen Verbündeten. »Ich möchte Sie begleiten, Shorne«, sprach Leticron. Shorne nickte kurz. »Einverstanden. Ich kann Sie dort gebrauchen, Siddus.« »Nor Citel.« »Oh, entschuldigen Sie, Nor Citel!« Leticron ging ein paar Schritte auf Michael Shorne zu. Der riesige Überschwere wirkte bedrohlich und flößte selbst den gewissenlosen Geschäftsmann Respekt ein. »Sie werden sehen, ich kann Ihnen noch sehr nützlich sein...« In Leticrons Augen flackerte es diabolisch auf. Dann setzte er zu einem Lächeln an. Ein Lächeln über seine eigene Überlegenheit. In Gedanken dachte er an Perry Rhodan. Bald würde er Rhodan vernichten... bald! * Aus den Chroniken Cartwheels: In den ersten Junitagen wurden die letzten Vorbereitungen getroffen. Trägerschiffe für die Siedler wurden bereitgestellt, die Sachen gepackt und seelische Betreuung der baldigen Bewohner der Insel wurde von den Regierungen vorgenommen. Ein gewaltiger organisatorischer Aufwand, der jedoch gemeistert werden mußte. Perry Rhodan verlangte im Juni viel von seinen Beamten, doch es ging um ein kosmisches Projekt. DORGON erschien noch wenige Male und versicherte, daß die Siedler nur ihre persönlichen Nils Hirseland und Dominik Hauber Sachen mitnehmen sollten, da er selbst für den Rest sorgen sollte. Natürlich wurden auch viele Bauraumschiffe und Transporter mit Materialien und Nahrungsmitteln dabei. Kein Volk wollte nackt in der Insel dastehen. Insgesamt schickten die Terraner 10.729 Raumschiffe zur Insel. Viele der Siedler solltenin Transportern nach 47-Tucani gebracht werden, um auf die von DORGON zur Verfügung gestellten Schiffe umzusiedeln. Die Arkoniden stellen über 50.000 Raumschiffe bereit. Sie demonstrierten ihre Macht mit riesigen Paraden und Aufmärschen ihrer Streitkräfte. Imperator Bostich erhöhte den Bekanntheitsgrad von Uwahn Jenmuhs um ein Vielfaches. Er setzte viel auf den adligen Arkoniden. Seine Worte waren: »Volk von Arkon! Wir brechen nach Cartwheel auf und folgen dem Ruf einer Entität! Wir werden zeigen, welche dominierende Stärke unser Volk besitzt und aus der Insel eine Festung zum Schutze Arkons und der ganzen Welt machen! Ich fordere von den anderen Völkern eine eiserne Disziplin, Ehrlichkeit und den ungebrochene Willen, die Milchstraße und unsere Wesen zu schützen. Wir Arkoniden werden nicht klein beigeben. Wir sind hart wie Arkonstahl, zäh wie Haluter und wild und entschlossen wie der gefährlichste Okrill. Uwahn Jenmuhs wird den göttlichen Imperator auf der Insel vertreten. Seine Ideologie harmoniert mit meiner und ich bin felsenfest davon überzeugt, daß er Arkon zu neuem Ruhm auf der Insel führen wird! Für Arkons Macht und Glorie!« Diese Rede beeindruckte das Volk Arkons und schockierte die anderen Völker. Bostich weckte zwar den Anschein, als handelte er im galaktischen Interesse, doch jeder wußte, daß die Arkoniden machtgierige Wesen waren. Auf sie mußte man am meisten aufpassen. Aus diesem Grund entschloß sich neben den vielen hunderten Privatfirmen wie SHORNE INDUSTRY eine private Organisation ihre Vertreter nach Cartwheel zu schicken. Es war die Neue USO. D O R G O N Die Insel 5. Die letzten Vorbereitungen Jan Scorbit war ziemlich aufgeregt. Monkey und Homer G. Adams persönlich wollten den jungen Terraner sprechen. Der Zellaktivatorträger Homer G. Adams und der Oxtorner Monkey waren die Anführer der Neuen United Stars Organisation. Jan Scorbit war 1,86 Meter groß, wog 90 Kilogramm und von kräftiger Statur. Er war der Zwillingsbruder von Remus Scorbit. Jan Scorbits Kindheit verlief sehr ruhig und normal, genauso wie bei seinem Bruder. Im Gegensatz zu Remus hatte er jedoch bis dato nicht das Glück gehabt, seine Traumfrau zu finden und entschloß sich so mehr auf die Arbeit zu konzentrieren. Nach Schulabschluß war er unentschlossen und begann eine Lehre bei der Galaxiskasse, die ihn jedoch sehr wenig ausfüllte. Er kam dahinter, daß ein Vorstandsmitglied Politiker bestach und überführte ihn. Dies war jedoch nicht so leicht und er half dem Terranischen Liga-Dienst ein großes Stück beim verhaften des Bankers. Danach war er so sehr vom Geheimdienst angetan, daß er unbedingt Agent werden wollte, doch Jan wurde von den bürokratischen Verantwortlichen abgelehnt, mit einer scheinheiligen Begründung. Wütend entschloß er sich, erst einmal fortzuziehen, blieb jedoch noch eine Weile auf Terra, als er hörte, daß sein Bruder und seine Schwägerin auf der LONDON II entführt wurden. Nachdem sie gerettet wurden, verabschiedete er sich von ihnen und zog durch die Milchstraße. Dort feierte er eigentlich nur und war fast jeden Tag heillos betrunken. Erst nach dem erneuten Verschwinden seiner Familie (Remus und Uthe) besann er sich und wollte etwas verändern. Da er einen Haß auf den TLD hatte, versuchte er sich woanders zu bewerben und wurde von der Neuen USO aufgenommen. Schnell arbeitete sich Jan Scorbit hoch und wurde ein hochdekorierter Major der USO. Vor dem Büro warteten ihm zwei vertraute Gesichter. Es waren Sam Tyler und sein Gefährte Chris Japar. 45 Tyler lehnte wie üblich gelassen an der Wand und spielte mit seiner Thermomaschinenpistole, während Chris Japar genüßlich einen Hot Dog verzehrte. »Hi Jungs, wollt ihr auch zu den Chefs?« erkundigte sich Jan Scorbit und schüttelte die Hände seiner Partner. Tyler machte einen gelangweilten Eindruck. »Ja, irgendwas wollen Teleskopauge und der Knacker von uns. Ich hoffe, es ist ein Auftrag. Mir wird nämlich langweilig.« Tyler war eine typische Söldnerseele, doch sein Herz schlug auf dem rechten Fleck. Zusammen mit Chris Japar hatte er außerordentliche Verdienste während der DORGON-Expedition geleistet. Doch der TLD war ihm zu spießig und bürokratisch. Er wollte ungebundener sein. Deshalb schloß er sich der Neuen USO an. Natürlich hatte er auch hier seine Vorschriften und Pflichten, an die sich Tyler halten mußte, doch war der ganze Apparat wesentlich unkomplizierter als der von Beamten zerfressene Terranische Liga-Dienst, fand Sam Tyler. Ein Offizier trat aus der Kabine und bat die drei USO-Agenten herein. Der Raum war recht dunkel und farblos. Er war spartanisch eingerichtet und wirkte auf Scorbit ziemlich trist, da nicht einmal eine Pflanze in dem Raum stand. Monkey und Adams saßen an einem runden schwarzen Tisch. Die Oberfläche war verchromt und spiegelte die Decke wieder. Monkey wirkte wie immer sehr diszipliniert und zurückhaltend. Fast strahlte er schon Kälte aus, doch die anderen kannten ihn besser. Er begrüßte seine drei Agenten und bot ihn einen Platz an. »Meine Herren, ich hoffe, es geht euch gut. Ihr hattet ja auch lange Zeit, um euch auszuruhen, oder?« Monkey deutete ein Lächeln an. Tyler nickte mürrisch: »Meinen Zeigefinger juckt es gewaltig. Er muß mal wieder auf einen Abzug drücken.« Adams schüttelte erbost den Kopf: »Sie sind nicht hier, um zu töten, sondern um für Frieden zu kämpfen. Wir sind eine Art galaktische Feuerwehr und müssen uns auf unsere Feuerwehrleute verlassen können, verstanden?« Tylker nickte mit einem seltsamen Grinsen. 46 D O R G O N Jan Scorbit beobachtete Monkey. Der Oxtorner schaute auf den Tisch und schien zu warten, bis Adams fertig war. Dann begann er zu sprechen: »Ich habe euch drei ausgewählt, da ihr die verdammt besten von uns seid!« Scorbit bedankte sich für die Blumen. Tyler hingegen verzog keine Miene bei dem Kompliment. Manchmal verstand Jan diesen Terraner nicht. »Deshalb werdet ihr an dem Insel Projekt teilnehmen. Die Neue USO wird sich mit knapp 2.000 Einheiten und über 100.000 Mann an der Aktion beteiligen. Nur sehr gut geschultes Personal wird mitfliegen. Hier sind die Koordinaten einer Welt auf der Insel, die ihr anfliegt. Dort wird eure neue Station sein. Jan Scorbit übernimmt das Kommando, Tyler wird sein Stellvertreter.« Die drei waren wie erschlagen von der Ansprache. Fragend blickte Jan Scorbit zu Homer G. Adams, der ihm nur lächelnd zunickte. Jan schien noch nicht ganz die Situation erfaßt zu haben. Monkey hatte ihn zum Leiter der Neuen USO in Cartwheel ernannt. Eine ganz schöne Ehre für den jungen Scorbit. Tyler nickte zufrieden und auch Chris Japar freute sich, daß es endlich wieder etwas zu tun gab. »Ach ja, Jan Scorbit«, begann Homer G. Adams. Scorbit blickte ihn mit einem Fragezeichen in den Augen an. »Ihr Bruder und ihre Schwägerin werden auch nach Cartwheel fliegen. Sie schließen sich unseren terranischen Freunden an. Es wäre dennoch ratsamer, Stillschweigen zu bewahren. Die Neue USO sollte undercover arbeiten.« Jan Scorbit verstand genau. Auch wenn es ihm ziemlich schwer fiel. Nach der Rückkehr von Remus und Uthe hatte er noch keinen Kontakt zu ihnen gehabt. Die Neue USO sollte weiterhin versteckt agieren und so wenig Kontakt zu anderen haben, wie nur möglich. Die Tatsache, daß Remus und Uthe zudem eng in Verbindung mit den Gefährten Perry Rhodans standen, war um so schlimmer. Natürlich war Perry Rhodan kein Feind. Ganz im Gegenteil! Doch Monkey und Adams wollten die Neue USO erst einmal aufbauen. Rhodan hätte sich eingemischt. Das wollten Nils Hirseland und Dominik Hauber beide nicht. Viele ehemalige Cameloter waren am Aufbau der Neuen USO beteiligt. Ein Interkomgespräch störte die Besprechung. Jan Scorbit hatte noch viele Fragen. Doch letztendlich wußte Monkey wohl auch nicht die Antworten. Niemand wußte, was sie auf der Insel erwarten würde. Mit großem Staunen registrierte Jan Scorbit das Hologramm einer Frau, die so schön wie ein Gemälde war. Sie hatte lange rotbraun gelockte Haare, feuerrote Augen und eine Ausstrahlung, der man sich nicht entziehen konnte. »Rosan Orbanashol-Nordment!« zischte Adams verwundert. »Hallo, Homer. Wie geht es dir?« erkundigte sie sich freundlich. »Mir geht es gut, danke der Nachfrage. Hast du dir unser Angebot überlegt? Du weißt, wir könnten dich und Wyll Nordment hier sehr gut gebrauchen. Wir haben gerade mit Jan Scorbit, Sam Tyler und Chris Japar über euch gesprochen. Eine Aufgabe in Cartwheel wäre sicherlich sehr gut für euch.« Rosan lächelte. Dann wurde sie wieder ernst und seufzte. »Eigentlich habe ich von Abenteuern genug. Die beiden Odyssees mit den beiden LONDON-Raumschiffen waren mir Abenteuer genug«, erklärte sie etwas bedrückt. Homer G. Adams wirkte ebenfalls genknickt. Er hätte gerne Rosan und Wyll bei der Neuen USO gewußt. Sie waren sehr fähige und loyale Mitstreiter. Doch er verstand die Entscheidung. Adams wußte, welche Qualen die Passagiere der LONDON erlitten hatten. »Ich verstehe dich, Rosan. Auch wenn es sehr betrüblich ist. Viele Grüße an Wyll«, verabschiedete sich Homer G. Adams. »Danke für dein Verständnis. Vielleicht wenn die Dinge anders liegen... Viel Glück.« Das Holobild von Rosan OrbanasholNordment erlosch. Adams blickte noch eine Weile auf die Stelle, wo die Holografie erloschen war. Dann trat Yart Fulgen in den Raum und brachte Monkey ein paar Neuigkeiten. »Wir haben 1710 Raumschiffe aufgetrieben. Wie du weißt, wirft unsere Produktionsanlage, die wir erst seit einem Jahr in Betrieb haben noch nicht so viel ab. Es hat also einiges gekostet...« D O R G O N Die Insel Verlegen schaute der alte Fulgen auf Homer G. Adams, der mürrisch die Rechnungen prüfte. »Wenn Bostich uns nicht erledigt, dann eure Verschwendungssucht«, murmelte er in gespieltem Gram und unterschrieb die Rechnung. Monkey nickte Scorbit zu. »Ihr habt eure Instruktionen, Männer. Fulgen stellt euch 1710 Schiffe und 317.910 Männer und Frauen zur Verfügung. Besiedelt den Planeten und handelt in unserem Interesse.« Die drei hatten verstanden und machten sich sofort daran, ihre Sachen zu packen. Scorbit bekam von Yart Fulgen die Unterlagen mit den Schiffen und Personen. Da kam eine ganze Menge Arbeit auf ihn zu. Doch das hatte er sich schon immer gewünscht. Fulgen und Scorbit gingen noch eine Weile einen Korridor entlang. Jan fragte: »Woher habt ihr eigentlich die Koordinaten?« Fulgen grinste: »Von DORGON höchstpersönlich. Als Monkey, Adams und ich beim Mittagessen waren, stand der Heilige plötzlich vor uns und gab uns die Instruktionen.« Scorbit war verblüfft. »Er hält also viel von der Neuen USO?« Fulgen nickte. »Wie es aussieht, sind wir mit dem Segen von ES und DORGON unterwegs. Da kann uns eigentlich gar nichts passieren.« Scorbit verstand noch nicht, was ES mit der Sache zu tun hatte, doch ihm war schon etwas wohler zumute. Trotzdem mußte er sich jetzt auf seine Aufgabe konzentrieren. Er hatte die Pflicht die Neue USO würdig in Cartwheel zu leiten und sie auch dort zu einer galaktischen Feuerwehr zu machen. * Aus den Chroniken Cartwheels: Der 30. Juni 1296 NGZ war angebrochen. Eines der größten Projekte wurde gestartet. Über 30 Milliarden Wesen aus der Milchstraße brachen auf, um die Insel zu besiedeln. Eine Galaxis die über 500.000 Lichtjahre von der Milchstraße entfernt war und den Namen Cartwheel trug. Diese 30 Milliarden Lebewesen folgten dem Ruf DORGONs. Sie wollten der Galaxis neu- 47 es Leben einhauchen und sie zu einer Festung gegen die Armeen des MODROR ausbauen. Jeder wußte, daß es durchaus zu Kampfaktionen gegen die Mächte des Chaos kommen konnte. Doch sie gingen dieses Los ein. Sie waren Helden, Pioniere. Doch es gab welche, die darauf hofften, in der neuen Galaxis schnell and Geld und Macht zu gelangen. Es waren gescheiterte Existenzen, die auf eine neue Chance hofften. Und es gab welche, die von Anfang an nicht an dem Projekt teilnehmen wollten, sondern nur ihre Machtgelüste befriedigen wollten. Tausende Transportschiffe machten sich auf den Weg nach 47-Tucani. Die Terraner, die Arkoniden, die Blues, die Akonen, die Unither, die Posbis, die Topsider, Oxtorner, Springer, Swoon und anderen Völker. Dort befanden sich gigantische Trägerschiffe mit einem Kantenlänge von 10 Kilometer pro Raumschiff. Diese konnten in der Tat die 30 Milliarden Wesen problemlos transportieren. Und so geschah es! Innerhalb von nur zwei Tagen siedelten die 30 Milliarden Wesen auf die Trägerschiffe um, die von knapp 200.000 Raumschiffen aus der Milchstraße begleitet wurden. Perry Rhodan verfolgte von der LEIF ERICSSON aus das Unterfangen. Er gab Julian Tifflor, Joak Cascal und dem Marquese von Siniestro, die sich auf der IVANHOE befanden, letzte Anweisungen. Dann erschien auf allen Monitoren und auf allen Kommandostationen das Bild des Initiators dieses Projektes: DORGON! Und er sprach: »Völker der Milchstraße! Es ist soweit! Brecht jetzt zum Portal auf. Dort werdet ihr auf die Raumschiffe der Maahks, Kartanin, Gurrads, Perlians, Tefroder und Hauri treffen, die ebenfalls an der Kolonisierung Cartwheels teilnehmen werden. Fliegt durch das Portal und ihr erreicht Cartwheel. Jeder, der umkehren will, kann dies sofort tun. Doch begreift, daß ihr etwas Gutes tut. Ihr seid Auserwählte im Kampf gegen eine Macht, deren Stärke unvollstellbar ist, dessen Machthunger keine Grenzen kennt und dessen Rücksichtslosigkeit unübertroffen ist. Diese Macht heißt MODROR. Verhelft Cartwheel zu neuem Leben! Erschafft gemeinsam eine blühende Galaxis voller 48 D O R G O N Harmonie und Liebe. Doch errichtet auch eine Bastion, die mit voller Härte gegen die Armeen des Chaos vorgeht. Denn in Cartwheel wird eines Tages die Entscheidung fallen, so ist es prophezeit und so wird es passieren. Doch auch ihr Wesen in der Milchstraße seid achtsam. Die vier apokalyptischen Reiter des Bösen sind unter euch. Sie sind überall und wir müssen sie bekämpfen, sonst werden sie unser aller Untergang sein. Doch nun... brecht auf! Wir werden uns in Cartwheel sehen, meine Freunde.« Mit diesen Worten verschwand DORGON wieder. Die Raumschiffe traten den 5,6 Millionen Lichtjahre langen Weg zum gigantischen Portal an. Perry Rhodan und Imperator Bostich I. befanden sich in ihren Raumschiffen und beobachteten das gewaltige Schauspiel des Aufbruchs in 47-Tucani. Die beiden mächtigsten Männer der Milchstraße wünschten ihren Männern Glück, wenn auch Perry Rhodan jedem einzelnen Wesen von ganzem Herzen wünschte, heil wieder zurückzukehren und Bostich nur die Eroberung der Insel im Sinne hatte. Nachdem auch das letzte Transporterschiffe in den Hyperraum verschwunden war, verließen die Raumschiffe den Sektor und steuerten zu ihren Heimatwelten zurück, während sich 30 Milliarden Wesen auf dem Weg nach Cartwheel befanden. Nach vier Tagen Reise waren sie endlich an den Koordinaten angekommen. Dort trafen sich auf über 400.000 Raumschiffe von Völkern aus Andromeda, den Magellanischen Wolken und Hangay. Die Gedanken aller richteten sich auf die Nils Hirseland und Dominik Hauber Zukunft. Sie war ungewiß. Vielen bereitete sie Angst, vielen Hoffnung und Zuversicht, viele wußten einfach nicht, was sie erwarten sollten. Dann war der Moment gekommen. Das gigantische Portal erschien mittem im Nichts. Man könnte es mit einer Art Schwarzen Lochen vergleichen, doch es war ein künstlicher Transmitter mit einem Durchmesser von über vier Milliarden Kilometer. Zu jeder Himmelsrichtung schwebten große Projektoren, die Energie aus dem Hyperraum abzapften und so den Transmitter versorgten. Gemeinsam schwebten die Schiffe vor diesem Transmitter. Alle warteten gespannt, wer den ersten Schritt machen würde. Alle blickten gebannt auf den Transmitter – Julian Tifflor, Joak Cascal, der Marquese von Siniestro, Xavier Jeamour, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Uthe und Remus Scorbit, Anica und Jaquine, Henry Portland, Neve Prometh, Anya Guuze, Krizan Bulrich, Roppert Nakkhole, Jezzica Tazum, Jan Scorbit, Sam Tyler, Chris Japar, Michael Shorne, Leticron, Uwahn Jenmuhs und all die anderen Milliarden Wesen. Dann faßte Gal’Arn einen Entschluß. Er blickte Jonathan Andrews und Jaktar an, die genau wußten, was ihr Meister vorhatte. Und die TERSAL flog als erste durch den Transmitter. Dann folgte die IVANHOE und kurzerhand der Rest der Schiffe. Der Weg durch das Portal war getan. Doch was würde sie erwarten? Nun bewegte sich auch unser Schiff auf die Barriere zu. Nataly sah mich an. Ich glaubte, etwas Angst in ihren Augen zu erkennen. Dann flogen wir durch und der Schleier der Nacht hüllte sich über uns... Heft 42 Eine neue Heimat 50 Völker auf der Insel - Die Kolonisierung beginnt von Tobias Schäfer Titelbild von Nils Hirseland D O R G O N Eine neue Heimat 1. Unendliche Weiten... Die gigantische Armada schwebte in relativem Stillstand einige Milliarden Kilometer vor der einsam im Leerraum stehenden Sonne. Reglos verharrten die 50.000 Transporterraumchiffe, die DORGON geschickt hatte, um über 40 Milliarden Wesen aus der Lokalen Gruppe zur Insel zu transportieren. Nun war es an der Zeit, den großen Sprung zu wagen. Der riesige Sternentransmitter war justiert, doch noch zögerten die Wesen. Alle standen sie vor den Panoramafenstern und Hologrammen, verabschiedeten sich still von ihrer Heimat. Nicht jeder sah der Zukunft ruhig entgegen, manch einer hegte Zweifel an dieser Mission, andere hatten Machtgelüste... So, wie ein sadistisch veranlagter Arkonide in der Luxuskabine eines der Transportschiffe. Er stand nicht ruhig vor dem Schirm. Er ging aufgeregt durch den Raum und schmiedete Pläne. Er fluchte über die scheinbare Unentschlossenheit der Völker. Er verstand nicht ihre Beweggründe, ihre Gefühle. Er wollte endlich mit der Eroberung der fremden Galaxis beginnen. Auf einem anderen Schiff stand ein hochgewachsener Terraner, dem nicht der Abschied schwerfiel, sondern der sich Sorgen um die Zukunft machte. Ihm fiel es nicht leicht zu glauben, dass diese verschiedenen Völker ein friedliches Miteinander finden konnten. Zu viele Zerwürfnisse gab es schon in der eigenen Milchstraße – und das seit Jahrtausenden. Derartigen verantwortungsbewussten Gedanken hingen auch die Verantwortlichen vieler anderer Völker nach. Und alle warteten sie auf das Zeichen zum Aufbruch. Zum Aufbruch in eine neue Welt, dem Ruf einer Superintelligenz folgend, die vor dem Untergang des Universums warnte. * Es kam dann doch unerwartet. Kein Signal warnte vor dem Aufbruch, aber langsam setzten sich die Schiffe in Bewegung. Zuerst die TER- 51 SAL, die von dem Ritter der Tiefe aus Shagor Gal’Arn kommandiert wurde. Gal’Arn bereitete sich auf seine Aufgabe vor, dem Vertrauen Perry Rhodans und DORGONs gerecht zu werden und verantwortungsvollen Einfluss auf das Geschehen in der Insel zu nehmen. Topsider, Gurrads, Kartanin und Blues verschwanden nacheinander durch den Transmitter. Akonen, Unither, Tefroder und Hauris folgten rasch. Auf einigen arkonidischen Schiffen setzte eine verstärkte Unruhe ein. Man glaubte sich zurückgesetzt, des Vorranges beraubt. Doch da waren auch die Arkoniden samt ihrer Kolonialvölker verschwunden. Maahks, Posbis und Überschwere wurden gefolgt von den Terranern, Ertrusern, Oxtornern und anderen Terravölkern. Den Transportern folgten die Privatverbände der Neuen USO und anderer Privatorganisationen. * Wirtschaft! – Seit er von dem Projekt gehört hatte, konnte Michael Shorne an nichts anderes mehr denken als an die absolute wirtschaftliche Kontrolle der Insel. Macht und Reichtum wären die unausbleibliche Folge, auch politischer Einfluss konnte dann nicht ausbleiben. Michael Shorne streckte sich auf seinem weichen Lager. Er achtete nicht auf das grandiose Schauspiel der gewaltigen Energien, das sich im Raum abspielte. Er sah sich schon als eigentlichen Herrscher der Insel, der aus dem Hintergrund die Fäden zog und die Abhängigkeit der einzelnen Systeme immer mehr steigerte. * Rache! – Cau Thon hatte ihm die Gelegenheit gegeben, und er würde sie bis zum Letzten nutzen. Dabei war er nicht direkt an Zeit gebunden, denn er war relativ unsterblich, ebenso wie sein Erzfeind Perry Rhodan, dem seine Rache galt. Er war ein Sohn des Chaos. Er würde langsam vorgehen und so das Leiden Rhodans verlängern. Als Erstes würde er das Projekt zerstören. Diesem Akt galt Leticrons Aufmerksam- D O R G O N 52 keit. Kein verschwendeter Gedanke an die bevorstehende Reise. * Macht! – Die neue Heimat sollte ihm allein unterstehen. Uwahn Jenmuhs wusste, dass es seine Aufgabe war, die neue arkonidische Blütezeit ins Leben zu rufen. Die Insel würde die Quelle aller arkonidischen Macht sein – das Rückgrad des neuen Imperiums, das sich immer weiter ausdehnen würde. * Joaquin Manuel Cascal entspannte sich, als das Schiff den Gegenpol des Transmitters verließ. Er bemerkte, dass er sich in unbewusster Erwartung eines starken Entmaterialisierungsschmerzes vollständig verkrampft hatte. Der Schock war ausgeblieben, und nun stand die galaktische Flotte dicht vor einem Sonnenriesen, der den Gegenpol zum Kunsttransmitter gebildet hatte. Der Mann mit dem schwarzen Lockenhaar fand in die Wirklichkeit zurück. Als militärischer Leiter der Mission war ihm auch für diesen ersten Einsatz das Kommando über die IVANHOE übertragen worden. Xavier Jeamour, der ständige Kommandant, akzeptierte diese Bevormundung in ungewöhnlichen Situationen. Standardsituationen überließ ihm Cascal. »Ortung, genaue Darstellung der Umgebung! Sämtliche Stationen zur Statusmeldung!« Während die einzelnen Klarmeldungen einliefen, entstand auf dem Panoramaschirm das sie umgebende Bild. Dazu liefen einige Daten neben den Bildern ab, aus denen Cascal ersehen konnte, dass in einer Entfernung von fast fünf Lichtjahren zwei weitere Sonnen standen. Außerdem lag ein merkwürdiges grünes Leuchten im Raum. »Ortung, Auswertung des grünen Leuchtens, bitte!« Cascals Stimme klang ein wenig ungeduldig. »Kommandant, es handelt sich um einen grün strahlenden Nebel, der sich über einige Tobias Schäfer Lichtjahre hinweg erstreckt. Das Leuchten entsteht wahrscheinlich durch die merkwürdige Beschaffenheit der Materie. Sie ist für das Licht der umliegenden Sterne durchlässig, scheint jedoch das Spektrum aufzuspalten und nur dem mittleren Teil, eben der grünen Farbe, den normalen Weg zu ermöglichen, während die anderen Bestandteile entweder absorbiert oder reflektiert werden. Wir sind uns jedoch noch nicht vollständig über die Richtigkeit unserer These sicher.« Die schwankende Stimme des Mannes bestätigte seine letzten Worte. »Hm, das sieht ja fürs Erste nicht schlecht aus«, brummte der Mann aus der Zeit des Solaren Imperiums. »Man könnte annehmen, in einer absolut friedfertigen Galaxis herausgekommen...« »Ortung! Kommandant, das musst du dir ansehen! Seit wenigen Sekunden tauchen überall in der Galaxis unbekannte Raumschiffe auf! Plötzlich wimmelt es hier wie in einem Ameisenhaufen!« Die sich überschlagende Stimme des Ortungsoffiziers klang auf das Äußerste erregt. »In die Zentrale überspielen!« rief Cascal nervös. So hatte er sich ihre Ankunft nicht vorgestellt. Nach DORGONs Beschreibungen hatte er eine absolut unbevölkerte Kleingalaxis erwartet. Und nun das! Ein Panoramahologramm zeigte das Zentrum der Insel. Es wurden immer mehr, der Zustrom wollte kein Ende nehmen. »Hier Funkzentrale! Kommandant, wir haben quasi den Kontakt zu den übrigen Einheiten verloren!« Auch in der Funkzentrale herrschte Chaos. »Seit es hier das geballte Schiffstreffen gibt, herrscht ein Wirrwarr von Funksprüchen auf allen Frequenzen, das ein Durchkommen einzelner Nachrichten unmöglich macht. Wir haben alle Sendungen eingestellt, vielleicht schaffen die Anderen das auch bald, damit wieder ein geregelter Verkehr stattfinden kann!« »Ortung! Wir haben die Kollision mehrerer Raumschiffe registriert!« »Funkzentrale! Notrufe aus grün-beta-98!« »Ortung! Erneut Schiffe havariert!« »Das ist ja die Hölle!« stöhnte Cascal. »Wer soll in diesem Chaos wieder für Ordnung sorgen, wenn keine vernünftigen Funknachrichten Eine neue Heimat D O R G O N empfangen werden können und sich die Schiffe gegenseitig rammen? So eng kann das hier doch auch nicht sein!« »Funkzentrale! Notrufe verstummen...« »Ortung! Wir messen ein starkes Energiefeld, dass...« »Maschinenraum! Kommandant, unsere Maschinen reagieren nicht mehr! Irgendwas hemmt unsere Energieentfaltung und blockiert unsere Optionen!« »Kommandant an Ortung!« Cascal verfiel jetzt selbst auch diesem Chaos. »Was sagten Sie von diesem Energiefeld? Hat das was mit den Beobachtungen des Maschinenstands zu tun?« »Das kann nicht ausgeschlossen werden! Das Energiefeld fängt die Schiffe ein und sortiert sie...« »Was soll das heißen, es sortiert die Schiffe?« »Nunja, es scheint wie ein Gitterwerk zu sein, nein, eher wie ein Drahtgewebe, in dessen Maschen die Schiffe gehalten werden, so dass sie nicht mehr kollidieren können und alle einen einheitlichen Kurs verfolgen.« »Kann der Ursprung des Feldes registriert werden?« »Nein, hab ich schon versucht, es scheint einfach nur zu existieren«, sagte der Ortungsspezialist resignierend. »Es sei denn, diese kaum wahrnehmbare, lineare Verbindung zu dieser Riesensonne...« Plötzlich erscholl eine Stimme, die jedes Besatzungsmitglied hörte, ja die in der gesamten Flotte und in den fremdartigen Raumern zu hören war. Eine geistige Stimme, deren Erscheinungsart an ES erinnerte. »Völker der Insel! Ihr steht im Zentrum eurer neuen Heimat. Das Energiefeld, das ihr sicherlich geortet habt, diente dazu, den vorläufigen Kurs festzulegen. Ich werde es in wenigen Augenblicken wieder deaktivieren. Bitte lasst euch fürs Erste von mir leiten, bis ich die Insel vollständig eurer Obhut übergebe!« »DORGON!« rief Cascal beeindruckt. »Natürlich hat die Entität für Ordnung gesorgt, bevor das Projekt so kurz nach seinem Start scheitern konnte. Wer sonst hätte dieses gewaltige Maschenfeld erzeugen können?« Kurze Zeit herrschte Schweigen in der 53 großen Kommandozentrale. Jeder betrachtete staunend das Schauspiel, das sich in der näheren Umgebung des Schiffes abspielte. Die riesigen Schiffe änderten ohne ersichtlichen Grund ihren Kurs, pendelten kurz und kaum bemerkbar hin und her und folgten einem vorgeschriebenen Kurs, dem mittlerweile auch die IVANHOE angepasst war. Langsam ordnete sich das Chaos, das die gewaltige Menge der Raumer verursacht hatte, als sie mit den verschiedensten Kursen das PORTAL verließen. »Joak, was sagst du zu den Fremdraumern?« Unbemerkt hatte Sandal Tolk die Zentrale betreten. »Wo die nur alle herkommen? Ich vermute, dass es die Siedlungsschiffe der anderen auserwählten Völker sind, von denen DORGON gesprochen hat.« »Da kannst du Recht haben. Vielleicht sollten wir versuchen, sie zu identifizieren.« Eine steile Falte bildete sich auf Cascals Stirn. »Sind das da nicht die Eierschiffe der Cappins? Ortungszentrale, ich erwarte eine vollständige Analyse der hier versammelten Völker umgehend im Besprechungsraum I! Sandal, rufe alle Verantwortlichen dorthin, ich glaube, wir werden einige Überraschungen erleben!« Mit diesen Worten verließ er die Zentrale und begab sich in die Kantine, um einen Happen zu sich zu nehmen. Als er nach einer Stunde den Besprechungsraum erreichte, waren die Expeditionsleiter schon versammelt und in der Analyse vertieft. »Darf ich um Aufklärung bitten? Timo, welche Resultate hat die Ortung zu bieten?« »Wir haben die Schiffe weitgehend identifiziert und katalogisiert«, begann Zoltan seine Ausführungen. »Wie zu erwarten war, sind die friedlichen Nonggo ebenfalls anwesend.« Seine Gesichtszüge nahmen einen zweifelnden Ausdruck an. »Jedoch war es ein Schock für mich, Schiffe der Dscherro auszumachen...« »Wie bitte? DORGON hat uns die Dscherro auf den Hals gehetzt? Das kann ja wohl nicht sein Ernst sein!« Cascals Augen weiteten sich entsetzt. »Ich denke, DORGON wird schon seine Gründe haben«, warf Julian Tifflor begütigend ein. »Schließlich geht es darum, eine schlagkräftige Armee aufzustellen. Dafür sind die 54 D O R G O N Dscherro allerdings wie geschaffen.« »Okay, man wird sich mit ihnen arrangieren müssen.« Cascal schüttelte sich kurz, wie um die Gedanken an die Dscherro von sich zu weisen. »Weiter!« »Galornen, Zentrifaal, Dorgonen...« »DORGON wird nicht gerade auf das Volk seiner Mächtigkeitsballung verzichten. Als er uns in Dorgon das erste Mal begegnete, sprach er außerdem von der kosmischen Bedeutung der Dorgonen.« Der Interkom summte. Nachdem Cascal ihn aktiviert hatte, erschien das Gesicht des diensthabenden Funkchefs. »Soeben ist ein großer Verband der Völker ESTARTUs aufgetaucht. Der Somer Sruel Allok Mok entrichtet seine Grüße. Er war positiv überrascht, die Galaktiker mit einem ebenfalls nicht geringen Aufgebot vorzufinden. Für Cascal und Tifflor hat er eine betrübliche Kunde: Der Meistersänger Salaam Siin starb vor drei Jahren an Herzversagen. Sam freut sich auf ein Wiedersehen.« »Danke.« Cascal schaltete ab. Der Tod des Meistersängers hatte ihn stärker berührt, als er sich eingestehen wollte. Seine Stimmung erreichte einen lokalen Tiefpunkt, als er erfuhr, dass auch die Hauptintelligenzen der Galaxis M 87 erschienen waren – die Okefenokees, auch bekannt als die Konstrukteure des Zentrums, ihre Kampftruppe, die Dumfries und die Bestien, die Pelewon und Mooghs. »Was hat sich DORGON dabei gedacht?!« fragte Cascal zweifelnd. »Die Todfeinde aus M 87 gepaart sowohl mit friedliebenden Wesen aus zahlreichen Galaxien, als auch mit den kriegerischen Dscherro! Wo soll das hinführen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Ansammlung verschiedenartigster Wesen ohne große Auseinandersetzungen bestehen kann. Schon die galaktischen Wesen... Allein die Menschen führen noch immer Kriege miteinander!« Er blickte den Versammelten in die Augen. Überall stieß er auf nachdenkliches Schweigen. Die führende Entität schien entweder tatsächlich an die Vernunft aller Wesen zu glauben, so dass ein Zusammenleben möglich wäre, oder sie wusste nichts von den Zerwürfnissen, die zwischen einigen Völkern standen. Dagegen sprach aber Tobias Schäfer die Tatsache, dass alle Völker bereits Kontakt mit Perry Rhodan hatten und DORGON derjenige war, der sie ausgewählt hatte. Er kannte also die Zusammenhänge. Ebenfalls unbegreiflich erschien es, dass sich Wesen wie Bestien und Dumfries zu ein und demselben Projekt zusammenfanden. Da musste etwas dahinterstecken, von dem die Terraner keine Ahnung hatten. »Diese Grübeleien führen auch nicht weiter!« Tifflor setzte der gedrückten Stimmung ein Ende. »Wir werden uns ausruhen, solange DORGON keine Ziele angibt oder sich anderweitig meldet. Für die kommenden Arbeiten werden wir womöglich unsere gesamte Geisteskapazität benötigen. Selbst wenn alles friedlich abläuft wird noch eine Menge diplomatische Arbeit auf uns zukommen. Also, nutzen wir die Zeit der Ruhe!« * Nach einigen Tagen schweigenden Dahintreibens der Transport- und Kriegsschiffe kehrte die Ordnung auch in anderen Bereichen wieder ein, wie im Funkverkehr. Die Völker hatten ihre Gedanken ausgetauscht und warteten ungeduldig auf weitere Anweisungen DORGONs. Bereits mehrere Aufklärer hatten die Flotten verlassen wollen, jedoch war es nicht möglich gewesen, aus dem Bereich des Ballungszentrums der Schiffe herauszukommen. Nun herrschte überall gespanntes Schweigen. 2. Die erste Zusammenkunft »Wir sind uns ein wenig unsicher, ob diese Wesen sich vertragen können.« Tifflor stand von seinem Platz am Besprechungstisch auf und ging auf das sphärenhaft leuchtende Wesen zu, das mitten im Raum zu schweben schien. Sie hatten eine weitere Besprechung vorgehabt, als DORGON plötzlich erschienen war. Sie hatten ihre Zweifel vorgetragen, doch die Entität schien sich keine Sorgen zu machen. Eine neue Heimat D O R G O N »Wir werden feststellen, dass diese vernunftbegabten Wesen friedlich nebeneinander leben können«, gab sie beruhigende Auskunft. »Doch macht euch darum keine Sorgen. Jetzt ist erst einmal wichtig, die nächsten Aktionen abzustimmen. Zu diesem Zweck schickt eure Repräsentanten auf die Welt Paxus. Sie liegt ungefähr zehn Lichtjahre von hier entfernt. Genauere Daten findet ihr ab jetzt in euren Speichern. Sendet nur ein kleines Boot. Ihr werdet unterwegs die Abgesandten der anderen Völker treffen. Seid bedacht, Paxus in fünf Stunden zu erreichen.« Das Wesen war verschwunden. Nachdem sich das Erstaunen über die plötzliche Aktivität DORGONs gelegt hatte, atmeten alle erleichtert auf. Endlich ging es weiter! Nun würden sie die Einzelheiten des Projekts erfahren. Tifflor ließ eine Space-Jet klar machen und beauftragte Mathew Wallace und seine Crew mit der Führung der Jet. Er glaubte nicht, dass während ihrer Abwesenheit wichtige Ereignisse auftreten würden, übergab jedoch für diesen Fall das terranische Oberkommando an Xavier Jeamour. Eine Stunde später wurde die Jet ausgeschleust. Als Repräsentanten der terranischen Kolonien und Terras waren der Marquese, Joak Cascal und Julian Tifflor an Bord. Vor ihnen lag die gewaltige Ansammlung der Schiffe. Milliarden Wesen benötigten Millionen Schiffe, die für ihren sicheren und bequemen Transport sorgten. Fast fünfzig Völker waren hier versammelt. »Mathew, jetzt kannst du mal wieder beweisen, was ein guter Pilot ist.« Cascals Augen funkelten ironisch. »Sich durch dieses Gewirr zu schlängeln ist sicher nicht jedermanns Sache.« »Das ist doch kein Problem...« »Klar, durch kommen wir, aber wie wär’s mal ohne Kollision?« Hastig wich er einem Kaffeebecher aus, der sich offensichtlich selbstständig gemacht hatte. »Vielen Dank für die Einladung, aber ich hab schon einen Becher!« »Oh, keine Ursache!« Wallace musste gegen seinen Willen grinsen. Gegen diesen Cascal kam man nicht ohne weiteres an. Dann musste er sich auch schon konzentrieren, denn immer wieder schob sich ein gewaltiger Schatten in den Kurs des Bootes. Doch Wallace vollführ- 55 te glänzende Manöver, die das Schiff immer ungefährdet um die Hindernisse brachten. Cascal grinste zufrieden. Dieser Mann war ein echtes Talent, das stellte sein Kennerauge sofort fest. Gefahrlos erreichten sie die äußeren Bereiche der Ballung und beschleunigten mit der vollen Leistung der Triebwerke, bis Wallace bei halber Lichtgeschwindigkeit das Metagravtriebwerk aktivierte und Zielkurs auf Paxus setzte. Mit ihnen flogen mehrere Schiffe der gleichen Größenordnung, welche die Vertreter der anderen Völker beförderten. Nur ein Schiff war etwas gewaltiger. Es war von arkonidischen Schiffsbauern entworfen und konstruiert worden, Uwahn Jenmuhs befehligte es. Der ehrgeizige Arkonide konnte nicht umhin, seine Machtambitionen deutlich darzustellen. Tifflor hatte nur ein verachtendes Hüsteln für dieses Gehabe übrig. Pünktlich erreichten sie ihr Ziel. Paxus war ein schöner Planet, erdähnlich, jedoch etwas kleiner bei einem Durchmesser von 12.357 Kilometern. Die drei Kontinente teilten sich die verschiedenen Klimazonen gut ein. Während Wallace den Planeten mehrmals umkreiste, konnten alle Daten gesammelt werden. Der äquatoriale Kontinent hieß Peschull, wie aus den Daten zu ersehen war, die DORGON in ihrem Zentralrechner installiert hatte. Seine Durchschnittstemperaturen lagen bei 40◦ C, weite Savannen erstreckten sich über die Landschaft, bevölkert von einer vielfältigen Tierwelt. Die heißesten Zonen waren durch große Wüstenflächen gekennzeichnet, die stark an die Sahara erinnerten. »Freunde, das, was ihr direkt unter uns erkennen könnt«, erklärte der Ortungsoffizier Mandine Tatzk, »ist der karge Südpolkontinent Mechtor. Ich denke, den brauchen wir nicht weiter zu erforschen.« »Ungemütlich dort!« Ein Schaudern lief über den Rücken des alten Spaniers. »Da würde ich schon eher auf Peschull einziehen...« Plötzlich stieß Tifflor einen ungläubigen Ruf aus. »Wie ist das möglich? Schaut mal auf den Kontinent unter uns! Sind das da nicht Wohnanlagen und andere Gebäude?« »Eine Stadt! Wir befinden uns über einer rie- D O R G O N 56 sigen Stadt!« Erstauntes Gemurmel wurde laut. Tatsächlich befand sich auf dem dritten Kontinent Erisor, dessen mildes Klima bei einer Durchschnittstemperatur von 15◦ C eine wirklich saftig grüne Vegetation ermöglichte, eine gigantische Stadt. Sie erstreckte sich fast über den gesamten Kontinent. Sie bestand aus zusammenhängenden Stadtteilen, die immer wieder von Grünflächen und Wäldern unterbrochen waren. Riesige, prunkvolle architektonische Meisterwerke bildeten die Gebäude verschiedenster Stilrichtungen und Größenordnungen. Es schien so, als ob sich hier die Architekten der unterschiedlichsten Völker ein Stelldichein gegeben und eine Stadt geschaffen hätten, die den Bedürfnissen einer Vielzahl an Völkern angepasst war. Es gab Trichterbauten, die an arkonidische Architektur erinnerten, riesige Wohntürme nach terranischem Stil oder die eher flachen Bauten der Blues. Es gab auch Gebiete, deren Baustil äußerst fremdartig war, so dass keiner der Galaktiker eine Verbindung zu einem Volk herstellen konnte. * Sie saßen überwältigt in ihrer Jet, die auf einem riesigen Raumhafen niedergegangen war. Schweigend ließen die sieben Wesen ihre Blicke über das weite Landefeld gleiten. Dabei war seit ihrer Landung nicht mehr allzuviel zu sehen. Ihr Sichtfeld wurde durch die mächtigen Rümpfe gigantischer Schlachtschiffe regelrecht versperrt. Das Feld war besetzt mit ungefähr 200.000 Schlachtschiffen. Diesen Anblick hatten sie nicht erwartet und benötigten deshalb eine geraume Zeit, um ihre Überraschung zu überwinden. Sie hatten während des Landeanfluges festgestellt, dass die riesige Stadt völlig unbewohnt war. Das gleiche galt auch für die Raumschiffe. Herrenlos, so schien es, warteten sie auf ihre neuen Besitzer. Und zwischen ihnen waren an die fünfzig Raumboote zu Boden gegangen, um die Abgesandten der auserwählten Völker zusammenzubringen. »Hervorragende Organisation, würde ich sagen!« Der spanische Graf zeigte sich sehr beeindruckt, ebenso wie Joak Cascal, der schon einige bewundernde Ausdrücke hervorgebracht Tobias Schäfer hatte. »Jetzt fehlen nur noch die Wesen, um dieses Städtchen zu beleben. DORGON scheint sich große Mühe gegeben zu haben, um uns die Umsiedlung so einfach wie möglich zu gestalten. Wahrscheinlich nimmt er an, dass wir dann sofort mit dem Aufbau der Schutzmacht für das bekannte Universum beginnen werden.« »Ich glaube noch nicht an das, was ich sehe.« Tifflor beäugte immer wieder misstrauisch die Abbildungen der Stadt. »Wenn es wirklich nicht nur den Anschein der Perfektion hat, sondern tatsächlich so perfekt ist, dann habe ich die Superintelligenzen noch immer unterschätzt. Dieser Planet ist einfach perfekt als Zentralplanet eines multikulturellen Staates.« »Sei nicht so pessimistisch, sondern lass uns erstmal Sam begrüßen! Siehst du ihn? Er hat seinen Raumer schon verlassen. Kommt, lassen wir ihn nicht warten.« Don Philippe, Cascal und Tifflor verließen eilig die Jet, während Wallace und seine Crew sich auf eine längere Wartezeit vorbereiteten. Als Erstes bereitete Alton Klaron, der Feuerleitoffizier, eine warme, wohlriechende Speise zu... Auf dem Landefeld war es indessen zu einer herzlichen Begrüßungsszene zwischen den Galaktikern und dem Somer gekommen. Bei ihnen stand der Dorgone Titus Jusilus sowie der halutische Abgesandte Goz Kongan. Es begann ein reger Austausch der bisher gemachten Erfahrungen und natürlich ein erstes Kennenlernen der späteren Verhandlungspartner. Der Dorgone konnte sich noch gut an Cascal und Sam erinnern, die in seiner Galaxis berühmt geworden waren, da es maßgeblich ihrer Hilfe zu verdanken war, dass Dorgon von der imperialen Schreckens- und Gewaltherrschaft befreit worden war. Als ein donnerndes Gebrüll ertönte, drehten sich die Versammelten um. Die lange Gestalt eines Nonggo wurde brutal zur Seite gefegt und die grüne, gehörnte Gestalt von Taka Kudon erschien. Gedrungen und kraftstrotzend bewegte er sich wieder auf den Nonggo zu. »Kannst du dir vorstellen, was passiert, wenn diese Wesen ihre Emotionen nicht zügeln können?« Besorgt wandte sich Sam an Cascal. »Sie dir das am Beispiel des Nonggo an. Dieses D O R G O N Eine neue Heimat Wesen hat doch gar keine Chance, sich gegen ein solch selbstbewusst auftretendes Kraftpaket durchzusetzen!« »Vielleicht können wir die Auseinandersetzung friedlich lösen!« Cascal wandte sich an Kongan. »Was halten Sie davon? Ich kann mir vorstellen, dass Sie dem Dscherro den nötigen Respekt abverlangen, um ihn zur Räson zu bringen.« Wortlos drehte sich der Haluter um und ging hochaufgerichtet auf die Gruppe zu. In seinen rotglühenden Augen war nur kurz das belustigte Funkeln aufgeblitzt, welches Cascal bewies, dass er die richtige Abwechslung gefunden hatte. Inzwischen wich der Nonggo ängstlich immer weiter zurück, während der Anführer der Dscherro-Horden schnaufend und brüllend auf ihn zu maschierte. Der Nonggo verschwand plötzlich hinter dem Teleskopbein eines der Schlachtschiffe. Taka Kudon grunzte erstaunt und bog um die Ecke – und stand dem riesenhaften Haluter gegenüber, der mindestens doppelt so groß wie er war. »Ich nehme an, Sie erlaubten sich nur einen kleine Spaß mit unserem Freund. Wenn Sie das nächste Mal Ihre Aggressionen loswerden möchten, wenden Sie sich vertrauensvoll an mich. Mein Name ist Goz Kongan, und ich stehe Ihnen gern zur Verfügung.« Ob diesem mit freundlicher Stimme und in höflichem Ton vorgetragenen Hinweis, den Nonggo zukünftig nicht mehr zu belästigen, knurrte der Dscherro akzeptierend und wandte sich nach einem respektvollen Blick auf die gigantische Gestalt des Haluters dem Ausgang des Raumhafens zu. Erstaunt blickten sich die Galaktiker und Sam an. Ein solches Verhalten hatten sie nach ihren Erfahrungen von keinem Dscherro erwartet. Tifflor zuckte mit den Achseln und bedeutete den Anderen, sich dem Zug der Abgesandten anzuschließen. 3. Dunkel Einige Stunden zuvor: 57 »Ich habe alle Abgesandten der ausgewählten Völker gebeten, sich in höchstens fünf Stunden auf Paxus einzufinden. Die Daten findet ihr in euren Speichern. Michael Shorne, auch den Beobachtern ist es gestattet, an der Versammlung teilzunehmen. Wenn ihr der Versammlung beiwohnen wollt, kommt mit einem kleinen Boot und schließt euch den Abgesandten an...« Sobald DORGON verschwunden war, ließ Shorne eine kleine Yacht bereitstellen. »Nor Citel, du wirst mich sicherlich begleiten wollen«, wandte er sich an den Überschweren, der ihn bei seinem Vorhaben, die Wirtschaft zu kontrollieren, bisher mit guten Ideen und großem Engagement unterstützt hatte. »Selbstverständlich. Ich bin gespannt zu erfahren, welche Vorstellungen mein Volk in diese Insel getrieben hat.« Ein diabolisches Grinsen huschte so schnell über sein Gesicht, dass Shorne nichts davon bemerkte. »Außerdem bin ich stark an dem genauen Zweck dieses Projekts interessiert...« Shorne, der nicht wusste, welchem Wesen er wirklich den Weg ebnete, zweifelte keine Sekunde an Nor Citels Loyalität. * Der Flug dauerte etwas länger als vier Stunden. Leticron führte die Yacht als Pilot. Er interessierte sich nicht für die Monde des Planeten Paxus. Er steuerte an dem äußersten Mond Betan vorbei, dessen saturnähnliche Ringe in dem Licht der Sonne glänzten. Den beiden folgenden Monden Setan und Etan schenkte er gar keine Aufmerksamkeit. Seine Gedanken waren woanders. Sein Volk wurde derzeit von dem Parcizaner Wursus angeführt. Es sollte die Rolle der Herrenrasse erst in der Insel, später auch in der Milchstraße übernehmen. Es sollte sein Werkzeug werden, das Werkzeug eines Sohnes des Chaos! 4. Paxus - Die Welt der Entscheidungen »Wohin mag man uns führen?« 58 D O R G O N Eigentlich erwartete der Dorgone gar keine Antwort. Es war ihm klar, dass sie nun ein Regierungsgebäude aufsuchen und dort von DORGON die Einzelheiten erfahren würden. Sie gingen an riesigen Gebäuden vorüber. Cascal und Don Philippe kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus – der alte Spanier hatte erst wenige Bauwerke dieser Art gesehen und Cascal konnte es nicht fassen, dass sie in dieser absolut fremden Galaxie Städte vorfanden, die sicherlich gut mit Terrania City konkurrieren konnten. Tifflor ging äußerlich unbeeindruckt die Straßen entlang. Innerlich suchte er nach einem Grund für seine Zweifel. Er konnte sich nicht damit anfreunden, dass DORGON eine derartig perfekte Infrastruktur aufgebaut hatte und so eine Galaxis verschiedenen Völkern einfach zur Verfügung stellte. Wenn es so auf allen Planeten aussah, konnte man quasi landen, einziehen und so weiterleben wie in der alten Heimat. Unbegreiflich! »Seht euch jenes gigantische... Teil dort mal an!« Dem Ex- Offizier aus imperialer Zeit fehlten die Worte für dieses imposante Bauwerk, das sich vor ihnen in den Himmel reckte. Vergleichbar nur mit den Palästen der Dorgonen stand es majestätisch da und wachte über den Planeten. »Das Lebenszentrum einer Welt, vielleicht sogar dieser Insel!« Nun brach auch Tifflors Begeisterung durch. »Hier werden die zukünftigen Ratsmitglieder und alle Mitarbeiter der Regierung sitzen und ihre Entscheidungen fällen. Hier befindet sich wahrlich das Herz des Planeten!« Eine akustische Stimme forderte die Delegierten der Völker auf, sich in das Gebäude zu begeben und den Richtungsangaben weiterhin zu folgen. So gelangten sie in einen Saal, dessen einzig sichtbarer Einrichtungsgegenstand ein großer, runder Tisch war, um den sich recht bequeme Sitzgelegenheiten gruppierten und für jede Spezies die richtige Form annahmen. Viele der Wesen hatten schon Platz genommen und waren in angeregte Unterhaltungen verstrickt. Tifflor hörte aus einigen Gesprächen die Begeisterung über diese Stadt heraus. Andere Stimmen registrierte er, konnte aber kein Wort verstehen. Es herrschte eine unglaubliche Laut- Tobias Schäfer stärke in dem Saal. Da saßen die Vertreter der Maahks, umgeben von Sphären aus MethanAmmoniak- Gasen, neben den Abgesandten der Posbis. Diesen Wesen vertraute Tifflor, schon lange Zeit bestand die Freundschaft oder das Bündnis zwischen den Völkern. Ewige Konflikte gab es jedoch mit den Arkoniden. Tifflor ließ seine misstrauischen Blicke über die Delegation Uwahn Jenmuhs’ gleiten, die ihm gegenüber ihre Plätze eingenommen hatte. Es schien ein ganzer militärischer Stab dabei zu sein. Sie machten einen wenig vertrauenerweckenden Eindruck. Wenn sie die gleichen Ambitionen hatten wie in der heimatlichen Milchstraße, konnten es gefährliche Gegner werden. Dagegen war es respektheischend, wie entspannt die Vertreter aus M 87 beieinander saßen. Tifflor hatte noch gut im Gedächtnis, mit welchem Hass die Dumfrieflotten unter okefenokeeischer Leitung die Uleb aus der Kleinen Magellanschen Wolke vernichtet hatten. Damals hatten sie schon die in M 87 lebenden Mooghs mit sogenannten Novabomben bekämpft und viele Sonnen zerstört. Aber auch die Bestien waren nicht kleinlich gewesen, wenn es darum ging, andere Lebewesen zu unterjochen oder zu bekämpfen. Ihre Brutalität hatte ihnen ihre Bezeichnung gebracht, die ihnen noch immer anhaftete. Die derzeitigen Hauptvölker der Bestien waren die Mooghs und die Pelewon, die sich durch unterschiedliche Struktur und Farbgebung der Hautschuppen unterschieden. Nun saßen sie einträchtig beieinander, der Führer der Okefenokees, Carjul, und der gewaltige Herrscher der Bestien, Torsor. Bei diesem Anblick schüttelte auch Cascal ungläubig den Kopf. »Eine Szene, die beweist, dass vernunftbegabte Wesen immer zu friedlichen Lösungen ihrer Konflikte fähig sind!« sagte er bedächtig zu Tifflor. »Du hast Recht – in diesem Fall«, schränkte Tifflor ein. »Aber nicht jedes Volk wird diesen Weg gehen können. Und bei vielen Völkern ist der Weg dorthin noch sehr weit und beschwerlich.« »Ruhe jetzt, DORGON erscheint! Ich bin gespannt auf seine Ausführungen.« Tatsächlich entstand an der einen Seite des Tisches jenes bläuliche Leuchten, das die An- Eine neue Heimat D O R G O N kunft einer Entität ankündigte. Daraus schälte sich die Gestalt eines Weisen Mannes hervor – wenigstens für die Humanoiden als solcher sichtbar. Tifflor konnte sich vorstellen, dass jedem Wesen eine passende Gestalt erschien. »Herzlich willkommen in der Insel.« Sanft klang seine Stimme auf. »Ein herzliches Willkommen jedem Volk, dessen Vertreter hier anwesend sind!« »Jedem Volk? Ich kann nicht verstehen, dass man die Dscherro hier zugelassen hat!« Nach diesem Ausspruch, Tifflor konnte später nicht mehr sagen, wer ihn von sich gegeben hatte, brach ein unbeschreiblicher Tumult los. Taka Kudon sprang sofort brüllend auf und donnerte die Fäuste auf den Tisch. »Wer spricht so abwertend negativ von den bedeutendsten Wesen des Universums? Ich verlange, dass dieses minderwertige Volk aus dem Bund gestoßen wird!« »Die Terraner haben geheime Maßnahmen ergriffen, um eine Machtposition zu schaffen, die ihnen die absolute Macht einbrächte!« Der hinterhältige Arkonide Jenmuhs nutzte die Unruhen, um die Terraner, die er als größte Gegner ansah, in Misskredit zu bringen. Tifflor warf ihm einen verächtlichen Blick zu und sah rasch zu DORGON hinüber, der unberührt die Szene beobachtete. Ihm war es ein Rätsel, warum die Entität noch nicht eingriff. Die Tefroder beschwerten sich über die Haluter und Gurrads, die Perlians waren mit der Anwesenheit der Bestien nicht einverstanden und die Nonggo brachten ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der gewalttätigen Völker wie der Dscherro vor. Auch Cascal konnte nicht umhin, in einer kurzen Pause seine Zweifel an der Gemeinschaftsfähigkeit zum Ausdruck zu bringen. DORGON registrierte alle Argumente und hielt sich ansonsten vollkommen zurück. »Nach welchem Verfahren und welchen Kriterien wurde die Auswahl der Völker denn bewerkstelligt?« wollte Don Philippe wissen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Zufallsverfahren war, denn dazu bestehen zu große Verbindungen zwischen einzelnen Völkern. Wie kam man jedoch zu dem Ergebnis, dass sich alle hier Versammelten untereinander respektieren oder zumindest akzeptieren 59 würden? Es bestehen derartig viele Differenzen zwischen uns allen, dass mit einheitlichen Meinungen nicht gerechnet werden kann! Ein Zusammenleben wird sich als äußerst schwierig herausstellen. Zumal man nicht annehmen kann, dass jedes der unterschiedlichen Wesen und Spezies ausschließlich dem Projekt dienen wird und nicht versucht, sich und das eigen Volk in den Vordergrund zu rücken oder anderweitige Machtgelüste zu befriedigen!« Erneut begannen verschiedene Vertreter mit lautstarken Protesten oder Zustimmungen, denen schließlich DORGON Einhalt gebot. »Mit der Zeit werdet ihr meine Beweggründe verstehen und achten. Jedes der ausgewählten Völker besitzt eigene Vorzüge und Eigenschaften, die dem kosmischen Projekt zum Vorteil gereichen werden. Die Völker kennen sich untereinander, kennen die Schwächen und Stärken der Anderen. Sie ergänzen sich vorzüglich in allen Bereichen und haben alle einen gemeinsamen Wesenszug, manchmal stärker ausgeprägt, manchmal weniger oder in modifizierter Form: Sie kämpfen entschlossen und willensstark für ihre Sache. Der Plan, aus dem das Projekt entstanden ist, vertraut der Möglichkeit, dass sich alle diese Völker – so verschieden sie auch sein mögen – für eine gemeinsame Sache begeistern, einsetzen und verbünden oder sogar verbinden können. Aus dieser Verbindung werden die besten Streiter für die Sicherheit des Lebens im Universum hervorgehen. Die Anwesenheit eines jeden Volkes ist berechtigt. Auch die der Dscherro, wie betont werden sollte, da viele Wesen noch daran zweifeln. Ich sprach von Streitern, von herausragenden Streitern. Wie alle Anwesenden zugeben werden, besitzen die Dscherro wirklich herausragende Kämpfereigenschaften. Sie werden eine wichtige Stütze des Projekts werden, denn das Unheil, das uns zu diesen ungewöhnlichen Taten zwingt, wird nicht vor diesem Teil des Universums halt machen. Kämpfer werden eine wichtige Rolle spielen. Kämpfer vom Format der Dscherro, der Pelewon oder der Mooghs. Man wird sie alle dringend benötigen, kein Volk ist sinnlos anwesend. Terraner, Cappins, Dorgonen oder Akonen, alle verfügen über ein ausgeprägtes logisches Urteilsvermögen. Auch 60 D O R G O N darauf wird es ankommen, auf die Organisation und die Kombination aller verschiedener Fähigkeiten. Vergesst niemals, dass das gesamte Leben im Universum bedroht ist und dieses Projekt zu seinem Schutz erdacht und gestartet wurde! Mit diesem Bewusstsein wird das Zusammenwachsen der Völker erleichtert werden. Die Verantwortung für alles Leben liegt in eurem Handeln! Jedes Volk verteidigt nicht nur unbekannte Wesen, sondern arbeitet aktiv an der Erhaltung des eigenen Daseins, dem Schutz des eigenen Volkes und dem aller friedliebenden Völker!« Die eindringliche Stimme DORGONs drang in die Gedanken aller Versammelten. In diesem Moment spürten alle die Gefahren, und alle waren bereit, für die Gemeinschaft und das Universum zu handeln. Tifflor registrierte erstaunt, dass die allgemeine Aggressivität nachgelassen hatte und einer alles umfassenden Spannung Platz machte, von den Worten der Superintelligenz ausgelöst. DORGON appellierte an die Vernunft der Intelligenzen und erinnerte an die Brutalität von Cau Thons Vorgehen, sowie an die hinterhältig diabolische Vernichtungsgewohnheit von ihm und seinen Schergen. Er schilderte die bekannten Übergriffe dieses Wesens, dessen Ziele nicht nur für bestimmte Zivilisationen oder Wesen, sondern für das gesamte Universum äußerst bedrohlich waren. Tifflor staunte über die Endgültigkeit, mit der die Entität das Schicksal allen Lebens darstellte. Es schien ihm so, als bedeutete die Existenz von Cau Thon und seinem Meister MODROR nicht nur eine unbeschreibliche Gefahr für sie, die Normalsterblichen, sondern in gleichem Maße auch für jene, die unglaublich Mächtigen, die Geisteswesen wie Superintelligenzen und Kosmokraten. Jedoch konnte er eines mit absoluter Sicherheit sagen: Jenes Volk, welches sich bewusst aus diesem Konflikt um die allgemeine Existenz heraushalten würde, begänne mit der eigenen Vernichtung, schaufle sich sein eigenes Grab! Nach dieser Ansprache herrschte mehrere Minuten lang tiefstes Schweigen unter den Delegierten. Beeindruckt hing jeder seinen Gedanken nach und versuchte, die Worte DORGONs in jedem Verhältnis zu verstehen. Tifflor er- Tobias Schäfer kannte, dass momentan die Wirkung der Rede vollständig den vermutlichen Erwartungen der Superintelligenz entsprach. Die Wesen fühlten sich verbunden, da ihrer aller Existenz bedroht war. Dieses Phänomen kannte Tifflor. Schon immer hatten sich verschiedene Interessengemeinschaften plötzlich geeinigt, wenn eine größere und bedrohlichere Gefahr für alle entstand. Jedoch hatte er noch nie eine Verbindung in dieser Größenordnung miterlebt. Und doch konnte er seine anfängliche Skepsis nicht auflösen. Seine vieltausendjährige Erfahrung ließ ihn noch immer an der Dauerhaftigkeit einer solchen Verbindung zweifeln. Zu deutlich standen noch Erinnerungen von Konflikten vor seinen Augen, die auch andere Völker nicht vergessen haben konnten. Und die Gefahr, von der DORGON sprach, lag vielleicht noch viele Generationen entfernt. Diese Wesen dachten und handelten ja nach ganz anderem Zeitempfinden als organische Lebewesen. Tifflor befürchtete, dass in kurzer Zeit die alten Rivalitäten zwischen den Völkern wieder aufleben und sie ihrem alten Drang nach Selbstbestätigung folgen würden. Vor jedem Delegierten erschienen Datenträger auf der Tischoberfläche. »Ihr kennt nun alle Gründe für die Zusammenstellung der Völker und überhaupt das Entstehen des Projekts. Die Datenträger beinhalten alle wichtigen Daten der Insel, vor allem die Koordinaten eurer zukünftigen Heimatsysteme. Dort werdet ihr jeweils eine auf eure Kultur abgestimmte komplette Infrastruktur vorfinden, es wird nichts fehlen, was man zum Leben braucht und außerdem, um sich wohl zu fühlen.« Tifflor glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. Hatte DORGON eben vollständige Infrastrukturen gesagt? Konnte es wahr sein, dass jeder bewohnbare Planet bereits ausgebaut und zivilisiert war? »Es wird an euch liegen, wie lange ihr benötigt, euch hier einzuleben. Es ist jedoch unumgänglich, dass ihr euch untereinander verständigt und eng zusammenarbeitet.« D O R G O N Eine neue Heimat 5. Warnung Julian Tifflor, LFT- Botschafter in der Insel Was mich eigentlich am meisten überrascht hatte, war die absolute Perfektion, mit der DORGON alles organisiert hatte. Nun lag alles Weitere an uns. Mich überkam ein schauriges Gefühl, als ich an die Schwierigkeiten dachte, die nun auf uns zukommen würden. Eine friedliche Verständigung sollte meiner Ansicht nach zwar möglich, aber nicht einfach sein. Versuch mal, dich mit einem Dscherro friedlich zu verständigen! DORGON hatte ja Recht, die Dscherro und die Bestien waren außergewöhnliche Kämpfer. Was aber, wenn sie ihre Vorrangstellung in unserer Streitmacht ausnutzten, um uns zu unterjochen oder zu eliminieren? Ich wusste, dass wir enorm vorsichtig sein und sehr behutsam vorgehen mussten, wenn wir hier eine Entwicklung in unserem Sinne fördern wollten. Die Diskussion wollte vorerst kein Ende nehmen. DORGONs Wunsch, dass wir eine beachtlich starke Militärpräsenz aufbauen sollten, fiel auf guten Boden. Als er diesen Wunsch vorbrachte, blitzte es in vielen Augen auf. Ich beobachtete vordringlich den machtgierigen Arkoniden. Sein Gesicht spannte sich, und seine Hände verkrampften sich unwillkürlich. Im nächsten Augenblick sprang er auf. Ich tauschte einen schnellen Blick mit Joak, unserem militärischen Leiter. Er machte sich auch so seine Gedanken. »Ich und mein Stab sind der Ansicht«, begann Jenmuhs, »dass es wohl das geringste Problem darstellen sollte, mächtige Flotten bereit zu stellen. Man beachte jedoch, dass wir zu der Erkenntnis kamen, dass nur unter arkonidischer Führung eine solche Aktion akzeptabel wäre. Unsere Erfahrungen auf dieser Ebene prädestinieren uns geradezu dafür.« Meine Güte, so konnte er doch nicht mit Erfolgen rechnen! Hatte der junge Mann noch nie etwas von den Regeln der Diplomatie gehört? Glaubte er wirklich, die Völker würden auf seinen Vorschlag eingehen? Nicht nur ich war erstaunt über diese Unverfrorenheit. Auch in Joaks Augen blitzte es belustigt, aber auch 61 besorgt auf. Er hatte ebenfalls erkannt, dass dieser Arkonide ein negatives Ziel anstrebte. »Wir glauben nicht, dass wir uns den kümmerlichen Wesen der arkonidischen Menschheit beugen würden!« Das klang nach der grölenden Stimme der riesigen Bestie Torsor. In ihrem blauen Kampfanzug und mit einer beachtlichen Größe von 5,50 Metern ging von der Gestalt eine düster bedrohliche Aura aus. Taka Kudon, der wilde Dscherro, donnerte seine beipflichtenden Geräusche in den Raum. Ich empfand es als lästig, immer mit diesen rücksichtslosen Wesen in einem Raum sitzen zu müssen. Sobald sie ihren Mund öffneten, konnte man sicher sein, mit einem beachtlichen Gehörschaden davon zu kommen. Dagegen verhielten sich die Haluter sehr human. Sie hatten es gelernt, in Gesellschaft schwächerer Wesen ihre Stimmorgane im Zaum zu halten. Das und viele andere Aspekte machten sie mir viel sympathischer. Über diese Gedankengänge hatte ich einen Teil der Unterhaltung verpasst. Es ging immer noch um die militärische Rüstung. Gerade hatte Joak eingeworfen, dass auch er kein wirkliches Problem darin sah. Er schloss sich Jenmuhs’ Meinung an, was diesen erstaunt aufblicken ließ. Ich lächelte wissend. Joak erinnerte mich an mich selbst, als ich im Solaren Imperium als Solarmarschall für die militärische Macht zuständig gewesen war. Oft hatte ich unvernünftig erscheinende Meinungen vertreten, zum Teil, um den Gegner zu verwirren, aber auch um die Herren Rhodan und Atlan mit der Realität zu konfrontieren und so auf das Wesentliche aufmerksam zu machen. Joak handelte oft aus ähnlichen Gründen und musste sich anschließend mit dem Unverständnis seiner Gesprächspartner auseinander setzen. Neben mir räusperte sich der Abgesandte aus Siom Som, der Somer Sruel Allok Mok. Der eigenartige Name hatte uns veranlasst, ihn einfach Sam zu nennen. Und er nahm es uns nicht übel. Jetzt schien das friedliebende blaue Vogelwesen etwas auf dem Herzen zu haben. »Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird es zu einem Wettrüsten zwischen den Mächten kommen.« Besorgt blickte er in die Runde. »Sieh mal, sie können sich schon jetzt fast 62 D O R G O N in die Haare kriegen«, ich musste grinsen, als er unbewusst diesen terranischen Ausdruck benutzte, »obwohl sie alle der Meinung sind, keine Probleme in der Rüstung zu sehen. Und auch wir werden nicht davor zurück können, diesem Rüstwahn zu entgehen, wenn wir eine ausgeglichene Machtverteilung wollen. Das war schon immer ein Problem und scheint sich auch hier anzubahnen.« Er hatte Recht. Ich musste ihm zustimmen und dachte an die Zeit, als auf Terra noch vergleichbare Zustände herrschten. Allerdings in kleineren Ausmaßen. Ich wandte mich an DORGON und berichtete ihm von unseren Befürchtungen. Die Entität schien anderer Meinung zu sein. »Vertraut der Vernunft dieser Wesen. Vielleicht wird es anfangs Probleme geben. Doch es sind tatsächlich vernünftige Intelligenzen, auch wenn sie sich nicht immer so verhalten. Sie werden einsehen, dass sie gemeinsam mehr erreichen können.« »Ich kann dir nicht vollständig zustimmen.« Ich musste ihm widersprechen, denn ich sah nicht in jedem der hier Anwesenden ein vernünftiges Wesen. Und das sagte ich ihm auch. »Ja, bei einigen wird die Entwicklung vielleicht etwas länger dauern. Aber glaub mir, alle diese Völker sind im Grunde vernunftbegabt.« Unbefriedigt kehrte ich auf meinen Platz zurück. Der Somer mochte meinem besorgten Blick ansehen, das DORGON nicht so reagiert hatte, wie ich es mir gewünscht hätte. Er sagte jedoch kein Wort dazu. Ich blickte auf, als DORGON sich anschickte, weitere Erklärungen abzugeben. Wahrscheinlich würde er letzte Instruktionen geben und dann verschwinden. »Ich sehe, es liegt noch ein Stück Arbeit vor euch. Doch ich glaube nicht, dass ihr scheitern werdet. Ich persönlich werde mich nun entfernen, denn es warten noch andere Aufgaben auf mich. Doch werde ich euch eine Kontaktperson zurücklassen, die mich auf dem Laufenden hält und bei Schwierigkeiten eingreifen kann...« Neben ihm erkannte ich den Schemen eines humanoiden Wesens, das immer mehr an Klarheit gewann und immer deutlicher sichtbar wurde. Dann erkannte ich das Gesicht und stieß er- Tobias Schäfer staunt die Luft zwischen meinen Zähnen aus. Doch was hatte ich erwartet? Wir wussten doch mittlerweile, wer DORGONs terranisches Konzept war. Besorgt warf ich einen Blick zu Joak hinüber. Auf seinem Gesicht spiegelten sich seine Gefühle wider. Er war ebenso erstaunt wie ich, Nadine Schneider zu erkennen, doch musste er sicherlich einige Erinnerungen an ihre Freundschaft abschütteln, die es ihm nicht leicht machten, sie als unnahbare Kontaktperson zu einer Entität zu akzeptieren. Ein Raunen ging durch die Versammlung. Nicht jeder war einverstanden mit dieser Maßnahme DORGONs, die in ihren Augen hart an Kontrolle grenzte. DORGON hatte noch etwas zu sagen. »Die Insel soll demokratisch regiert werden, wobei ich euch nicht vorschreiben will, wie die einzelnen Völker ihre eigenen Kolonien verwalten. Doch hier auf Paxus soll der Regierungssitz aller Völker entstehen. Hier sollten die Entscheidungen gefällt werden, die für das große Projekt von Bedeutung sind. Aus den autarken Regierungen soll ein Rat gewählt werden, der über die Geschicke aller Völker wachen wird. Dieser Rat wird nicht von einem bestimmten Volk gestellt, sondern aus der Gemeinschaft gewählt werden. In diesem Projekt ist es von aller größter Wichtigkeit, dass alle Völker zusammen arbeiten. Wie ich schon mehrfach betonte, kann nur durch Zusammenarbeit der Einzug des Chaos verhindert werden. Bekämpft ihr euch gegenseitig, werdet ihr erst dem Chaos anheimfallen, bis schließlich alles Leben im Universum verlöschen wird.« Ohne weitere Worte verschwand die Entität und ließ eine verwirrte und tief betroffene Versammlung zurück. Unsere Aufgabe würde nun sein, einen Rat zu bilden, der DORGONs Vorstellungen entsprach. Ich sah schwere Zeiten auf uns zukommen. 6. Cartwheel Die Galaxis Cartwheel hatte einen größeren Durchmesser als die Milchstraße. Betrachtete Eine neue Heimat D O R G O N man aber ausschließlich den Bereich der Galaxis, der von Sonnen und bewohnbaren Planeten gebildet wurde, und ließ man die Wasserstoffsphäre, die diesen Kern in Form eines weiten Ringes umgab, außer acht, so betrug die Ausdehnung der Insel nur 8000 mal 6000 Lichtjahre – eine kleine, scheibenförmige Galaxis, deren Aussehen zu ihrem Namen geführt hatte. Der Kern umfasste etwa 10.000 Sonnensysteme, von denen nur knapp 700 bewohnbar waren. Diese siebenhundert Systeme waren in den Datenspeichern DORGONs beschrieben und unter den Völkern verteilt worden. Außerdem konnte man den Speichern genaueste Daten über die Insel entnehmen. Es mußte außerhalb des Kernes sicherlich auch viele bewohnbare Welten geben, doch diese waren nicht von DORGON vorbereitet worden. DORGON hatte mit Hilfe einiger Verbündeten diese Galaxis erschaffen und den Gegebenheiten angepasst, die den Völkern entsprachen und die vom Projekt vorgegeben wurden. Auf relativ kleinem Raum, der den Völkern verbot, sich zu ignorieren, sondern sie eher zur Zusammenarbeit zwang, war dieses künstliche Gebilde entstanden. Die Dichte schaffte viele Berührungspunkte und gewährte einen besseren Überblick als riesige Bereiche. Jedem Volk wurden bestimmte Systeme oder Planeten zugewiesen. Sie verfügten sämtliche über den Völkern individuell angepasste Infrastrukturen und Städte. DORGON war darauf bedacht gewesen, den Völkern, die dieses Projekt ermöglichten, eine perfekte zweite Heimat zu bieten. Die Welten entsprachen in ihrem Aufbau der Zentrumswelt Paxus, konnten also sofort besiedelt werden. Es gab keine aufwendigen Bauarbeiten. Es schien, als wären die Wesen von einem Haus ins nächste gegangen. Nichts erinnerte an eine fremde Galaxie, Cartwheel war besser bekannt als die eigene Milchstraße – Dank der Unterlagen DORGONs. In der Zentrale der IVANHOE saßen die Mannschaften vor ihren Kontrollen. Eine erwartungsvolle Spannung hatte sich aufgebaut, seit man an der Spitze der terranischen Verbände das Zentrum verlassen hatte. »Wann werden wir unser System errei- 63 chen?« Der Marquese durchbrach das Schweigen. Die Köpfe der nächstsitzenden Offiziere ruckten herum und fixierten fragend ihren Kommandanten. Jeamour hatte bisher schweigend in seinem Sessel gesessen. Jetzt wurde er abrupt aus seinen Gedanken gerissen. Mit einer verwirrten Geste wischte er sich über das Gesicht und wandte sich um. Langsam klärten sich seine Blicke. »Wie bitte?« Er brauchte eine Weile, bis er sich vollständig gesammelt hatte. »EINSTEIN, eine genaue Berechnung der Reisedauer bis zum Zielsystem, bitte!« Das leistungsfähige Bordgehirn meldete sich nach kaum messbarer Zeit. »Die IVANHOE wird in 24 Minuten und sekundären 12 Sekunden die äußere Region des Planetensystems erreichen!« Nicht nur der Marquese blickte bei dieser eigenwilligen Modifikation der Äußerung erstaunt auf. Auch Jeamour musste einmal mehr den Kopf schütteln. Ihre Bordsyntronik besaß so etwas wie ein Eigenbewusstsein und gab individuell gefärbte Kommentare, die zum Teil sogar über einen leichten Touch von Humor verfügten. Das kleine System, das die Terraner von DORGON als Hauptsystem zugewiesen bekommen hatten, lag 1350 Lichtjahre von der Zentralwelt Paxus entfernt. Es umfasste sieben Planeten, von denen nur drei für die Menschen von Wichtigkeit waren. Der zweite wies die größte Ähnlichkeit zur Erde auf. Er hatte einen Durchmesser von 8.589 Kilometern, seine Schwerkraft betrug 1 g. Vier Kontinente und zwei eisbedeckte Pole beherrschten das äußere Bild der Welt. Der dritte Planet besaß einen Durchmesser von 4.999 Kilometern, war damit also etwa halb so groß wie der zweite. Man konnte ihn am ehesten mit dem solaren Mars vergleichen, obwohl er mit seinen drei Kontinenten und den beiden Polen eine andere Gestalt hatte. Auch auf dieser Welt herrschte die gewohnte Schwerkraft von einem Gravo. Hier zeigte sich deutlich die Manipulation DORGONs. Der fünfte Planet sollte laut DORGON von den Halutern besiedelt werden. Er besaß eben- D O R G O N 64 falls eine Sauerstoffatmosphäre, war jedoch mit nur 0,53 g eine relativ leichte Welt. Sein Durchmesser betrug nur 1.213 Kilometer, und seine Oberfläche zeigte neben den beiden Polen nur einen Kontinent. Wie Jeamour gehört hatte, besaß dieser Planet schon seinen Namen: Small Halut. »Ein außergewöhnliches Ereignis, das wir hier miterleben«, flüsterte der Marquese ergriffen. »Ein weiterer großer Schritt für die Menschheit, die gemeinsame Initiative gegen kosmische Gefahren!« Jeamour nickte nachdenklich. »Mankind!« »Wie bitte?« »Wir werden unsere neue Hauptwelt Mankind taufen, bezeichnend für die Wünsche und Träume der Menschheit, die keine Strapazen scheuen würde, um ihrer Art gerecht zu werden!« Don Philippe blickte Jeamour forschend an und erkannte die Wünsche des Kommandanten in seinen glänzenden Augen. »Darf ich fragen, ob Sie sich auch für den dritten Planeten einen Namen überlegt haben?« »Nein, der wird zu gegebener Zeit gesucht, denke ich. Ob der zweite tatsächlich Mankind genannt wird, hängt außerdem ganz von den Einsatzleitern ab.« »Also auch von mir!« stellte Don Philippe befriedigt fest. »Somit besitze ich die Vollmacht, den dritten Planeten zu benennen. Hiermit taufe ich ihn feierlich auf den Namen Siniestro! Gedenk meiner alten Heimat soll dieser Planet ihren Namen tragen!« 7. 7. Mensch - Emotion Ungeduld? Remus Scorbit »Geh mir aus dem Weg!« Die kleine Reinigungseinheit glitt hastig zur Seite. Das war auch gut so, denn ich hatte schon blind vor unbeherrschter Wut nach einem Golfschläger gegriffen, um sie manuell zu entfernen. Ich hatte es eilig. Ich wusste doch selbst, wie ungern man auf seine Verabredung wartete. Tobias Schäfer »Remus!« Konnte man hier nicht eine Minute verweilen, ohne gleich wieder eingespannt zu werden? Das war doch meine Frau, der wieder irgendwas eingefallen war, das noch schnell erledigt werden musste. »Was?!« herrschte ich sie darum an. Ich hatte mich so schnell umgedreht, dass meine Golftasche einen Tisch abräumte. »Scheiße! Wer stellt mir hier immer alles in den Weg? Immer, wenn ich weg will, passiert so ein Unsinn!« Ist doch war! Wer kann behaupten, diese Situation nicht zu kennen? Als Kind und junger Erwachsener ist es am schlimmsten. Dann steht die Mutter da und drückt einem eine Arbeit nach der anderen auf. Ein eigener Haushalt ist nicht viel besser, wenn man liiert ist. »Was ist jetzt noch? Du weißt, dass ich dringend zum Golfen muss! Also bitte, fass’ dich kurz!« »Remus, was ist bloß los?« Besorgt klang sie, meine Uthe. Aber konnte sie nicht selbst sehen, was los war? »Ich will weg, das ist los!« Wenn heute alle so langsam waren, konnte das ja noch heiter werden. »Okay, geh du ruhig mal zum Golfen und reagier’ dich ab. Ich hab ja auch besseres zu tun, als dir nachzulaufen!« Uups.... Egal jetzt, ich musste los. Mein Partner würde auch nicht ewig warten. Er befand sich in der gleichen Lage wie wir. Vor einer Woche waren wir in unserem neuen Heimatsystem angekommen. Die Verantwortlichen hatten die Planeten getauft, soweit sie wichtig für uns waren. Mankind war der zweite Planet und war vergleichbar mit der Erde. Er besaß einen Mond, der Lunar genannt worden war. Etwas einfallslos fand ich den Namen der Hauptstadt: New Terrania. Naja, man konnte ja nicht andauernd mit bedeutungsschweren Namen dienen, das sah ich ja ein. Der dritte Planet hieß Siniestro, seine beiden Monde Mechos und Jariba. Der alte Spanier konnte wohl seine Abstammung nicht verleugnen. Jedoch auch hier die traditionelle Anlehnung des Hauptstadtnamens an die alten Na- Eine neue Heimat D O R G O N men Terras. Don Philippe schien dem Planeten seinen Stempel aufdrücken zu wollen. Seine Hauptstadt hieß New Madrid! Seit nun einer Woche wurden alle möglichen Sachen geregelt und organisiert, die mit der Besiedlung der Welten zusammen hingen. Kein Wunder, dass jeder von uns bis aufs Äußerste gereizt war! Absolut tatenlos mussten wir hier rumhängen. Ich hatte tief in Gedanken versunken die Sportanlage der IVANHOE erreicht. Mein Golfpartner, Jonathan Andrews, stand unruhig vor dem Court und rauchte. »Remus, ich komme grad von Gal’Arn. Es geht looos!« Seine blendend gute Laune ließ mich sofort die Auseinandersetzung mit Uthe vergessen. Es geht los! Das konnte nur heißen, dass bald die Besiedlung beginnen würde! »Endlich! Du glaubst gar nicht, was wir gelitten haben!« Jonathan grinste glücklich. »Bleibst du jetzt doch bei uns, oder wie kommt es sonst, dass du dich so mit mir freust?« Ein Schatten glitt für Augenblicke über sein Gesicht – er war Schüler Gal’Arns, er konnte nicht sesshaft werden! »Komm, lass’ uns anfangen! Laut Joak Cascal beginnt die Übermittlung der genauen Pläne in fünf Stunden...« 8. Die letzten Vorbereitungen Gal’Arn saß ruhig in seinem Gliedersessel aus Formenergie, der sich jeder Bewegung perfekt anpasste. Er war der Diskussion bisher interessiert gefolgt, hatte sich jedoch nicht eingemischt. Ihm wurde bewusst, dass diese Wesen keine Hilfe in organisatorischer Hinsicht benötigten. Gerade führte Julian Tifflor das Wort. »Wir sind uns also einig, dass die Grundzüge der Planung beibehalten werden sollen.« Sein Blick suchte Cascal. »Joak, diese Aufgabe wird wahrscheinlich die schwerste und verantwortungsvollste, die du jemals erhalten hast. Ich 65 weiß, dass es nicht immer leicht ist, die militärische Stärke mit der diplomatischen Geschicklichkeit in Einklang zu bringen. Jedoch bin ich sicher, dass ein derart erfahrener Mann wie du jedes Problem zu lösen im Stande ist.« »Die militärische Kontrolle zu führen bedeutet: Rüstung, Ausbildung, Strategie und Taktik, sowie natürlich den Bezug zur Politik zu wahren und in ihrem Sinne zu handeln.« Cascals Stimme klang ernst und gespannt. »Ich kann mich noch gut an die Vorgehensweise zu meiner Zeit erinnern. Damals war die solare Flotte zum wichtigsten Teil ein Demonstrationsinstrument. Sie hat ihre Dienste gut geleistet.« »Als Terramarschall stehen dir alle Vollmachten zur Verfügung, die sich aus der Notwendigkeit zum optimalen Einsatz der Flotte ergeben. Selbstverständlich kann dir das Kommando zu jeder Zeit aberkannt werden, doch das steht nicht zur Debatte.« »Don Philippe, Sie werden als mein Stellvertreter Terra-Administrator des terranischen Einflussbereichs in Cartwheel. Ihr Hauptsitz wird Siniestro sein, wie geplant. Das Parlament auf Mankind dient den normalen Regierungsgeschäften, wie schon seit langem bekannt.« In diesem Moment ertönte ein leises Knallen. Erschrocken zuckten die Teilnehmer der Konferenz zusammen. Cascal war versucht, Gucky dafür verantwortlich zu machen, dessen Teleportationen ähnliche Geräusche verursachten. Doch der Mausbiber saß erstaunlich ruhig auf seinem Platz. Und dann sahen sie es. Im Hintergrund des Raumes war ein leise schimmernder Schemen entstanden. Er besaß die Form eines humanoiden Körpers, seine Konturen wurden verwischt durch die schillernde Sphäre, die ihn umgab. »Gal’Arn ist der Abgesandte der Elaren. Ihm als Ritter der Tiefe obliegt die Aufgabe, euch in allen Entscheidungen zu unterstützen. Vertraut seiner Weisheit, unterlasst es niemals, ihn zu konsultieren. Vertraut Gal’Arn!« Wie erstarrt blickte die Versammlung auf den Punkt, an dem sich das Wesen Augenblicke zuvor noch befunden hatte. Schließlich war es Cascal, der die Stille unterbrach. »DORGON«, murmelte er. »Die Entität hat D O R G O N 66 sich nach ihrer Ansprache auf Paxus endgültig verabschiedet. Wenn sie nun zu dieser weiteren Äußerung bereit war, müssen wir davon ausgehen, dass sie von hoher Wichtigkeit war.« »Gal’Arn scheint in den Plänen der Superintelligenz eine gewisse Schlüsselposition zu besitzen, wenn sie darauf besteht, dass wir ihn als Berater zu jeder Entscheidung ziehen. Dabei hatten wir dieses noch mit Perry Rhodan besprochen.« Tifflor sah zu dem Elaren hinüber. Gal’Arn blickte auf. »Damit hätten wir soweit alles geklärt. Was noch unklar ist, wird sich in den nächsten Stunden aufklären. Ich bleibe also ebenfalls wie verabredet in der Insel. Ich werde für euch immer erreichbar sein, selbst wenn ich nicht persönlich anwesend sein sollte. Aber das Nähere kommt zu gegebener Zeit. Jetzt lasst uns die Welten bevölkern, die Menschen haben lange genug gewartet!« Diese Worte lösten die spürbare Spannung, die sich nach dem Auftauchen DORGONs in dem Raum gebildet hatte. Erleichtert atmeten die Männer auf. 9. Anpfiff... Remus Scorbit Es war lange her, dass ich so viele Besatzungsmitglieder und Passagiere zu Gesicht bekommen hatte. Wir standen dichtgedrängt in einer der großen Messen der IVANHOE und lauschten gebannt den Worten des Mannes, dessen Hologramm jetzt vor uns auf einem Podest erschienen war. Julian Tifflor, der Leiter des gesamten Unternehmens aus terranischer Sicht, bat mit einer Geste die Leute um Aufmerksamkeit. Da fiel mir wieder einmal auf, wie jung der Mann wirkte. Wenn ich mich richtig erinnerte, war er in einem Alter von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, als sein biologisches Alter konserviert wurde. Und trotz seines Aussehens übertraf er uns alle, was Lebenserfahrung und Weisheit betraf. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als der Zellaktivatorträger zu sprechen anfing. Seine Stimme wurde getragen von der Energie Tobias Schäfer und Willenskraft, die diesen Mann auszeichneten. »Es ist soweit! Morgen beginnen wir mit der Besiedlung dieses Systems. Die Verantwortlichen und ich haben uns während der letzten Zeit alle Einzelheiten eines großen Planes überlegt, mit dessen Hilfe wir eine reibungslose Ausschiffung zu bewerkstelligen hoffen.« Ich musste grinsen, als er jene Pause machte, die jeder Redner an dieser Stelle gemacht hätte. Doch ich war so fasziniert, dass ich schnell wieder nur auf seine nächsten Worte wartete – wie die anderen Wesen in meiner Nähe. »Wir werden genaue Informationen über die Gegenden der Planeten, die Landschaften, Temperaturzonen und dergleichen herausgeben, so dass jeder seine besonderen Wünsche über die Bordterminals angeben kann. EINSTEIN wird diese Angaben koordinieren und ihnen nach Möglichkeit entsprechen. Ich bin überzeugt, dass jeder die ideale Behausung finden wird. Des weiteren koordinieren wir die Gestaltung des Aktiven-Zirkels. Damit ist der Bereich in direkter Nähe des Regierungsgebäudes gemeint, den jene Männer und Frauen beziehen sollen, die mit der Regierung zu tun haben oder anderweitig aktiv einbezogen werden sollen. Dazu gehören unter anderem Raumschiffsbesatzungen und ihre Familien, Abwehrspezialisten, Wissenschaftler und Privatpersonen, deren Einbeziehung geplant oder vorauszusehen ist.« Wieso bekam ich bei diesen Worten nur so ein merkwürdiges Gefühl? Die Projektion von Tifflors Augen schienen mich direkt anzustarren. Obwohl das unmöglich war, fühlte ich mich unbehaglich. Ich wechselte einen raschen Blick mit Uthe. Schon allein die Tatsache, dass auch sie in diesem Moment zu mir blickte, sagte mir genug. Sie hatte es ebenfalls gefühlt. Kamen wieder Abenteuer auf uns zu, die unser Leben bedrohen konnten? Tifflor sprach weiter. Was nun folgte, interessierte mich nicht mehr, denn es betraf mich nicht mehr. Ich war mir sicher, dass meine Vermutung stimmte. Auf dem Weg zu meinem Quartier traf ich mit unverhofft mit Jonathan zusammen. Der junge Mann schien mich schon eine geraume D O R G O N Eine neue Heimat Weile gesucht zu haben, denn er atmete erleichtert auf, als er mich sah. Ich war jedoch viel zu sehr in Gedanken versunken, als dass ich ihn hätte bemerken können. So gingen wir schweigend nebeneinander her. Einige Minuten vergingen. Wollte er etwas besonderes von mir, oder bemerkte er, dass ich die nächsten Sekunden noch zu meiner Sammlung benötigen würde? Dann brach er das Schweigen. »Du weißt es schon.« »Nein, aber ich ahne es. Gal’Arn?« Andrews nickte. Ich verstand. Gal’Arn, der Elare, der Ritter der Tiefe! Er war unversehens in die Situation gedrängt worden, unter Fremden Völkern den Ruhenden Pol zu bilden. Wir hatten ihn erlebt. Wir hatten gemeinsam viele Abenteuer bestanden. Es war nur zu verständlich, dass der einsame Mann, der viele seiner Freunde verloren hatte, nun seine letzten Bekannten in seiner Nähe haben wollte. Das allerdings bedeutete, dass wir – wie ich es geahnt hatte – stärker in die Sache eingebunden werden sollten. Gal’Arn vertraute uns. Er würde sich wahrscheinlich häufig mit uns in Verbindung setzen. Ich sah harte Zeiten auf uns zukommen! * 23.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon, 3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren ...konnte eindeutig festgestellt werden, dass die initiierende Entität, DORGON, die innenpolitischen Gegebenheiten zwischen den einzelnen Völkern bei der Ausarbeitung des Besiedlungskonzepts für die Insel durchaus nicht vergessen hatte, sondern bis auf das Genaueste beachtete. Die terraloyalen Völker wurden in direkter Nachbarschaft zueinander angesiedelt. Es handelte sich vordringlich um Völker terranischer Abstammung wie Oxtorner, Epsaler, Ertruser, Plophoser, olympische Freihändler und andere. Eine Ausnahme waren die Ferronen, die nur indirekt über lemurische Kolonisationen mit den Terranern verwandt waren, sowie die Haluter, die sogar im terranischen Hauptsystem 67 ihre Heimat fanden. Beide Völker sind jedoch seit frühester terranischer Geschichte Verbündete und loyale Freunde in diesem Gefüge (vgl. Altterranische Chroniken, Erster Fernflug Perry Rhodans). Dieses Ballungszentrum eines Interessenverbandes erhielt alsbald eine individuelle Bezeichnung. Ein Terranischer Block entstand... * »Start!« Die Passagierjet verließ pünktlich den kleinen Hangar der IVANHOE und nahm Kurs auf den blaugrünen Planeten. Sie wurde vollautomatisch manövriert, denn in dem herrschenden Gedränge von Verbindungsbooten und Raumern rund um Mankind hätte der menschliche Pilot versagen müssen. In alle Richtungen heizten die kleinen und großen Maschinen, die Menschen und Gegenstände ihren neuen Behausungen zuführten. Uthe Scorbit blickte starr geradeaus durch das Panoramafenster. Sie wurde von der gleichen Nervosität erfasst wie Milliarden andere Wesen, die nun mit der Besiedlung der Welten begannen. Uthe blickte sich um. Hinten in der Kanzel saßen die beiden Zechonin Anica und Jaquine. Die beiden jungen Frauen hatten am meisten mit ihren Gefühlen zu kämpfen. Bis vor wenigen Wochen hatten sie nicht gewusst, dass sie nicht die einzigen intelligenten Wesen im Universum waren. Und nun befanden sie sich weit abseits des Sektors, in dem ihre Heimatgalaxis zu finden war. Ihre einzigen Bekannten waren die Scorbits, an die sie sich in jedem Fall halten mussten. Neben Uthe saß ihr Mann, scheinbar völlig ruhig. Doch sie kannte ihn besser. »Wir hätten schon lange da sein können!« Uthe erwiderte nichts darauf. Sie wusste, dass er eigentlich Recht hatte. Wären sie durch einen der Transmitter gegangen, läge ihr Häuschen jetzt tatsächlich bereits vor ihnen. Doch aus Rücksicht auf die beiden Zechonin hatten sie auf diesen Komfort verzichtet und sich wie die meisten Menschen per Raumboot zum Planeten bringen lassen. Bis sie dort ankamen, 68 D O R G O N würde noch einige Zeit vergehen. Und sie würden sich daran gewöhnen müssen, auf verschiedene Dinge zu verzichten, denn die beiden Mädchen würden auch weiterhin bei ihnen bleiben. Eine Stunde später war es soweit. Die Jet setzte auf dem Raumhafen des Regierungsgebäudes auf Mankind auf. Unzählige Roboter verschiedenster Größen quirlten zwischen den Beinen der gelandeten Verkehrsboote herum, in dem Bestreben, den Neuankömmlingen ihr Gepäck abzunehmen und sowieso die Laderäume zu leeren. Ein ständiges Summen erfüllte die warme, etwas metallen schmeckende Luft der neuen Welt. Uthe blickte interessiert den schwer beladenen Robotträgern nach, die sich vollbeladen systematisch verteilten Schächten näherten und ihre Lasten in ihnen verschwinden ließen. Als die drei Frauen und der Mann einen dieser Schächte passierten, konnten sie erkennen, dass knapp einen Meter unter der Bodenoberfläche das Entmaterialisierungsfeld eines Abfertigungstransmitters glühte. Uthe erkannte erstaunt, dass die robotischen Einrichtungen Möglichkeiten haben mussten, die Frachtstücke dem jeweiligen Haushalt zuordnen zu können. Demnach waren ihnen bereits individuelle Unterscheidungskriterien der Neuankömmlinge bekannt. Außerdem mussten entsprechende Hinweise an oder in den Gepäckstücken vorhanden sein. Plötzlich tauchte ein Antigravgleiter auf und lud die Vier mit geöffneten Türen zum Einsteigen ein. Auch hier hatten sie keine Möglichkeit, ihr Ziel anzugeben. Der Autopilot beschleunigte den Gleiter unbeeinflusst. »Es muss hier ein ausgeklügeltes Informations- und Kontrollsystem geben, von dem jede robotische Einheit ihre Informationen bezieht.« Remus hatte also ebenfalls versucht, die Perfektion der Abfertigung zu analysieren. »Demnach besteht die Möglichkeit, dass das Besiedlungsprogramm nicht ausschließlich von Cascal und den anderen Verantwortlichen stammt, sondern von den lokalen Einheiten unterstützt wird. Wahrscheinlich wurde die Auswertung der Wohnwünsche von EINSTEIN auf diese Rechner übertragen, die sich Tobias Schäfer nun um die richtige Unterbringung kümmern, denn sie müssen ja am besten wissen, wo die gewünschten Bedingungen anzutreffen sind.« Wie die Gepäckstücke den einzelnen Wesen zugeordnet wurden, konnte sich Uthe nun nach Remus’ Ausführungen auch vorstellen. Dazu mussten die Kontrolleinheiten des Raumhafens während des Entladungsvorgangs die individuellen Impulse der Ankömmlinge registriert und als Versandgrundlage für die Fracht benutzt haben. Die Lieferdaten wurden dann den Speichern entnommen, in denen das Ziel der Neuen verankert war. Ein einfaches System, wenn die nötigen Abfertigungsanlagen zur Verfügung standen. Der Gleiter hielt nach dreiminütigem Flug vor einer geräumigen Behausung, die von einem kleinen Garten umgeben war. Hier wuchsen alle möglichen Ziergewächse ebenso wie zahlreiche Gemüsesorten und Obstpflanzen. Uthe fühlte sich zurückversetzt in jene frühe Zeit ihres Lebens, als sie noch in der Ruhe des bürgerlichen Lebens gelebt hatte und von den Gefahren des Universums nichts wusste. Plötzlich fühlte sie einen stechenden Schmerz durch ihren Kopf ziehen, als reiße jemand alle Haare gleichzeitig einzeln heraus. Stöhnend fuhr sie mit den Händen zu den Schläfen und sank langsam in sich zusammen. Beunruhigt beugte sich Remus über sie und versuchte, ihr wieder aufzuhelfen. Erst nach mehrmaligen Bemühungen gelang es ihm. Er führte sie in ihr neues Heim und ließ sie von dem hausinternen Medokit untersuchen. Die Diagnose lautete auf Stress und befahl einige Stunden Ruhe. Aufatmend verabreichte Remus seiner Frau die angebotenen Medikamente und legte sie in ein Bett. Er wusste seit ihren Abenteuern mit Gal’Arn von einer leichten Reizbarkeit seiner Frau, wenn sie von fremden Welten, Atmosphären und Sonnen beeinflusst wurde. Hinzu kamen die lange Reise und die vielfältigen Eindrücke, die sie bereits in dieser Galaxis gesammelt hatten. Mit einem missbilligenden Blick auf die Zechonin verließ er den Raum und schlenderte durch ihr neues Heim. Ihm war gar nicht recht, dass die beiden Mädchen, die sie aus der Gewalt von Prosperoh befreit hatten, sie auf Schritt und Eine neue Heimat D O R G O N Tritt begleiteten, quasi eine Wohn- und Lebensgemeinschaft mit ihnen gebildet hatten. Hauptsächlich störte ihn ihre Unselbstständigkeit. Sie waren auf ihn und seine Frau angewiesen, außer ihnen hatten sie keine Bekannten unter den Galaktikern oder jetzt in der Insel. Seufzend wandte er sich um und streunte durch das Haus. Die geschmackvolle Einrichtung erstaunte ihn, denn sie entsprach genau seinen Vorstellungen. Dazu war das Haus nicht allzu groß, so dass eine gemütliche Atmosphäre entstand. Es waren sogar komplett eingerichtete Kinderzimmer vorhanden! Sollte das eine Aufforderung sein? »Remus!« Die geschwächte Stimme seiner Frau riss ihn aus den Gedanken. Eilig begab er sich an ihr Lager – eine formenergetische Liege, bequem wie man es sich nur vorstellen konnte und mit allen Servomechanismen der Moderne ausgestattet. »Remus, lass uns nach Hause fahren!« In ihrer Stimme klang die Resignation einer Seele mit, die sich ihrer Schwächen durchaus bewusst war, jedoch diese auf Dauer nicht überwinden zu können glaubte. »Komm zu dir, Schatz!« Remus hatte die Krise sofort bemerkt und versuchte, seine Frau zu unterstützen. »Es ist für niemanden leicht, seine Heimat mit einer fremden Welt zu vertauschen – auch für mich nicht! Wir haben uns jedoch freiwillig dazu bereit erklärt, Gal’Arn zählt auf uns!« »Mir wird schlecht, wenn ich nur an diese Sonne denke...« Ruhig saß Remus da und hielt ihre Hand. Er ahnte, dass dies die schwerste Krise sein würde, die sie psychisch durchzustehen hatten. »Die Erde... !« flüsterte sie matt. »Ich kann sie deutlich sehen... die tiefblauen, beherrschenden Meere, die eisbedeckten Pole! Kleine, paradiesische Inselgruppen zwischen den großen Kontinenten...« Er streichelte liebevoll ihre Wange und küsste sie auf die Stirn. »Die Erde und der Frieden verlangt, dass der Mensch Opfer bringt, ihn zu erhalten. Unser Opfer ist die Abwesenheit von der Heimat!« Draußen wurde es rasch dunkel. Remus programmierte die syntronische Schlafkontrol- 69 le und kuschelte sich an seine Frau. Minuten später war das Haus zum ersten Mal von Geräuschen schlafender Menschen erfüllt – Ruhe und Frieden legte sich über die Welt. * 25.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon, 3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren ...war die Besiedlung in vollem Gange. Die Organisation musste als Produkt von kombinierter Kreativität des Menschen mit robotischer Genauigkeit der Syntroniken entstanden sein. Es gab bisher nur wenige kleine Pannen, die allesamt auf emotionelle Starrköpfigkeit oder Verschleißerscheinungen im verwendeten Material zurück zu führen waren. Menschen strömten regelrecht aus den Transportraumern, wurden individuell abgefertigt und zu ihren Wohnungen befördert. Groß angelegte Informationskampagnen sorgten für die Findung in das Alltagsleben, das nun langsam seinen Start nahm. Bis auf wenige Ausnahmen erhielten die Auswanderer entsprechende Tätigkeitsfelder wie seinerzeit auf der Erde und den anderen Heimatwelten. Die meisten Menschen hatten sich nach einer überstandenen Nacht in ihrer neuen Umgebung soweit akklimatisiert, dass sie ihre Tätigkeiten aufnehmen konnten. So wurde die Kapazität der Abfertigung ständig gesteigert, denn die Unterstützung der Maschinen durch organische Intelligenzen war nicht zu verachten, und sie wuchs ständig... * »Verbindungsshuttle Tr-31LI-12 von der D1.2 nach Siniestro klar zum Flug«, schnarrte die unmodulierte Stimmenimmitation des einfachen Bordrechners. Jaaron Jargon nickte zufrieden und erwartungsvoll, während seine Nichte Nataly leise seufzte und die Arme verschränkte. In Gedanken suchte sie nach Möglichkeiten, Kontakte nach Mankind zu knüpfen, um öfter mehr Zeit dort zu verbringen. D O R G O N 70 »Dieses Zentralbewusstsein der Normalen«, nörgelte ihr Onkel, der schon im gehobenen Alter stand. »Ich würde in dieser Masse eingehen! Der Mensch muss sich auch mal von der Wichtigkeit und Popularität des Zentrums lösen können. Hoffentlich erkennst du bald die Wahrheit in meinen Worten!« »Ich fühle mich abgeschnitten von der Hauptebene der Entwicklung!« beklagte sie sich. »Und du musst zugeben, dass es auf Mankind ebenfalls dezentrale Wohnmöglichkeiten gegeben hätte! Damit wäre für dich die Abgelegenheit gegeben, und ich müsste nicht absolut ab vom Schuss mein Dasein fristen. Auf einem einzigen Planeten ist es leichter, von einem Ort zum nächsten zu kommen, als wenn es sich bei den Orten nicht nur um Orte als solche, sondern gar um Welten handelt!« »Du redest wirr, mein Kind.« Der Alte legte ihr begütigend die Hand auf den Arm. »Jedoch werde ich dir nicht verbieten, deine Freunde zu treffen und deine Freude zu haben. Nur halt dich ein wenig zurück, verlass mich nicht gleich, ja? Du bist meine letzte Verwandte, mein letztes vertrautes Wesen.« Nataly blickte ihm in die Augen. Nein, sie konnte ihn nicht verlassen – noch nicht... Der alte Historiker richtete sich ächzend auf. Der lange Flug hatte ihn geschwächt. Doch das störte ihn nicht, wenn er an die Aufgabe dachte, die ihm von einem mächtigen Wesen gegeben worden war. Er hatte die ersten Treffen auf Paxus miterlebt. Dort hatte er die nötigen Kontakte geknüpft, um die Aufgabe DORGONs zu dessen Zufriedenheit und zur Zufriedenheit aller Völker lösen zu können. Eilig begab er sich in einen Raum seiner neuen Wohnung, der wie sein Arbeitszimmer eingerichtet war. Dort ließ er sich ohne zu zögern in den großen Sessel fallen und begann sofort mit der Analyse seiner bisherigen Aufzeichnungen. Allzu weit kam er heute allerdings nicht mehr, zu sehr hatte sein Körper unter der Reise gelitten und er schlief bereits wenige Minuten später ein... * 25.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrech- Tobias Schäfer nung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon, 3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren ...ging hervor, dass den Arkoniden und ihren Verbündeten ebenfalls eine geballte Siedlungszone gestellt wurde. Nur 1800 Lichtjahre von Mankind entfernt, etwa 2500 Lichtjahre südlich von Paxus gelegen. Entweder in gemeinsamen Systemen oder wenigstens in direkter Nachbarschaft siedelten dort Aras, Zaliter, Antis und Mehandor-Sippen. Die Naats erhielten keinen eigenen Planeten, denn auch hier setzte sich die arrogante Mentalität der Arkoniden durch: Entsprechend dem Vorbild aus der Milchstraße wurden sie auf der neuen Welt Arkon V angesiedelt, wo ungefähr erträgliche Bedingungen herrschten. Zu dieser arkonidischen Allianz zählten auch die echsenartigen Topsider. Der Sprachgebrauch der Insulaner prägte den Begriff Arkonidischer Block, konträr in seiner Einstellung zum bekannten Terranischen Block... * Rhonda saß im Wohnzimmer und starrte verdrießlich in eine Ecke. Sie war erst seit zwei Tagen hier und langweilte sich schon. Wie sollte das nur weitergehen? Plötzlich blickte sie auf. Ihr Mann Henry Portland kam zur Tür herein. Erschöpft warf er die ID-Karte auf einen Beistelltisch und entledigte sich seines Mantels. Rhonda ging zu ihm und gab ihrem Mann zur Begrüßung einen Kuß auf die Stirn. »Wie war dein Tag, Liebling?« Müde ließ sich Flakk Portland in den Sessel fallen und rieb sich die Augen. »Alles sehr anstrengend«, erzählte er verdrossen. »Cascal und ich sind dabei, die Soldaten einzuquartieren, den Stab festzulegen, die Standorte der Kasernen zu bestimmen, die Schiffe mit fähigen Soldaten zu besetzen und sie entsprechend im Terra-Block zu verteilen. Sehr viel Papierkram...« Rhonda hörte gespannt zu. »Aber das ist doch eine spannende Sache. Du bist ein sehr bedeutender Mann, Flakk. Das D O R G O N Eine neue Heimat ist die Chance, auf die wir immer gewartet haben. Du hast sogar mit Perry Rhodan persönlich gesprochen, als wir noch in der Milchstraße waren.« Flakk nickte schwach. Irgendwie war dieser Job nicht das richtige für ihn. Er wollte lieber ein Raumschiff kommandieren. Doch natürlich wollte er weder Rhodan noch Cascal enttäuschen. Außerdem war er ein Soldat, der seine Befehle zu befolgen hatte. »Wir müssen vielmehr überlegen, was ich die ganze Zeit über tun werde«, seufzte Rhonda. »Ich fühle mich so alleine. Keine unserer Freunde sind mitgekommen und ich habe bis jetzt keine Leute kennengelernt.« »Wir sind doch erst wenige Tage hier, Rhonda!« stellte Flakk fast schon ungehalten fest. Er konnte das ewige Nörgeln seiner Frau nicht mehr hören. »Denk doch auch einmal an mich. Nicht immer nur an deine Arbeit, Flakk!« »Wenn alles seinen gewohnten Gang nimmt, dann können wir auch mehr tun. Aber im Moment habe ich keine Zeit.« Frustriert zog Portland wieder seinen Mantel an und kehrte zur Arbeit zurück. Da hatte er wenigstens seine Ruhe. Rhonda blickte ihm verständnislos hinterher und schenkte sich ein Glas Wein ein. Sonst hatte sie ja nichts zu tun. * 28.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon, 3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren ...hatte der Führer der Arkoniden die Benennung der Hauptplaneten übernommen. Neben der Hauptwelt »Bostich« wurden die Militärplaneten nach altarkonidischem Vorbild »Arkon IV« bis »Arkon VI« getauft. Die wichtigste Nachricht, spiegelte sie doch die Einstellung des imperialen Vertreters wider, war die Nachricht von einer weiteren Welt, die seinen Namen erhielt: Jenmuhs. Ein ausgesprochen schlauer Zug DORGONs war die Ansiedlung der Linguiden zwischen den beiden großen Machtblöcken der Terraner und 71 der Arkoniden. Dieses friedliebende Volk besiedelte als einziges die brodelnde Zone, kein weiteres System erhielt neue Bewohner. Die so entstandene Pufferzone wurde von den Terranern aufatmend registriert, denn ihnen lag tatsächlich an einem friedlichen Zusammenleben mit allen anwesenden Völkern, um dem großen Projekt der Entität zur Verwirklichung zu verhelfen und damit nicht nur sich selbst, sondern ebenso andere Völker und vielleicht das gesamte Universum vor dem prophezeiten Chaos zu schützen... * Behäbig bewegte sich die Gestalt durch sehr luxuriös eingerichtete Räume. Nur 1,51 m klein, mit einer für Arkoniden ungewöhnlicher Speckschicht, die ihm ein Gewicht von 120 kg bei einer Schwerkraft von 1 g normal bescherte, schien es eher, als würde er rollen denn laufen. Doch Terz von Eskor hütete sich vor Äußerungen dieser Art. Er wusste, dass Uwahn Jenmuhs darauf äußerst empfindlich reagierte, brutal reagierte. Der kleine Sadist forderte die Menschen seiner Umgebung regelrecht heraus, damit er sie nachher leiden sehen konnte. »Mir scheint, dieser seltsame DORGON ist ein verweichlichtes Wesen mit utopischen Vorstellungen!« setzte Jenmuhs wieder an. »Das Universum bedroht! Das ich nicht lache! Und diese popelige Galaxis mit ihren Bewohnern ist dazu geschaffen, es zu retten!« »Vielleicht ist da was Wahres dran, Erhabener!« Jenmuhs grinste überheblich. »Ja ich weiß, dir kann man so was erzählen, und du glaubst es! So wie die anderen Minderbemittelten, die Terraner allen voran!« Er holte mit einer großartigen Geste aus und legte sich die Hand auf die dicke Brust. »Ein Herrscher von meinem Format jedoch weist derartige Hirngespinste mit aller Energie von sich. Möge den armen Würmchen diese Weisheit irgendwann von nutzen sein!« Ächzend setzte er sich in einen prunkvollen Sessel. »Terz, mein Lieber! Hast du diesen Kerl, der mir vorhin über den Weg lief, exekutieren las- D O R G O N 72 sen? Und eine Aufnahme für heute Abend davon gemacht?« Der Angesprochene nickte geekelt, doch der Dicke gluckste vor Begeisterung. »Meine Größe wird sich schnell im Gedankengut der Völker verfestigt haben! Komm, Terz, setz dich ruhig.« Demütig gehorchte der Arkonide. Es war am Besten für das eigene Leben, wenn der Imperator recht hatte. »Man müsste mal was anderes machen«, überlegte Jenmuhs laut, abrupt das Thema wechselnd. »Immer nur das gleiche Verfahren wird irgendwann auch auffällig. Wenn ich die Herrscher einfach psychischem Druck aussetze? Ich meine, wenn meine Psychologen ihr Handwerk so gut verstehen wie ich meines, dann dürfte es für sie kein Problem sein, mit Psychoterror an der Erweiterung des neuen Reiches zu arbeiten...« So schwelgte er in Träumen, die bei ihm rasch in ernste Pläne umschlagen konnten. »Terz, du darfst mir deine Meinung dazu sagen!« Terz von Eskor richtete sich etwas auf und sagte leise: »Ich bewundere Eure planerischen Fähigkeiten, Erhabener! Nur glaube ich, dass diese Art von Eroberungsmaßnahmen um viele Zeiteinheiten länger dauern würden.« »Das weiß ich, denn meine Überlegungen dienten nur deiner Überprüfung!« sagte der Widerling mit schneidender Arroganz in der Stimme. »Du hast knapp bestanden. Du kannst gehen!« Der jüngere Arkonide richtete sich rasch auf, verbeugte sich demütig und ging gebückt zur Tür. »Halt! Morgen um diese Zeit erwarte ich Ergebnisse!« * 29.Juni 1296 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, Neue Chronik der Insel, Jaaron Jargon, 3. Kapitel: Die Entstehung der Machtballungszentren ...war die weitere Aufteilung der Galaxis bekannt. Nordwestlich von Mankind, angrenzend an den Terranischen Block lagen die Systeme, die DORGON den Völkern aus Estartu zuge- Tobias Schäfer teilt hatte. Sruel Allok Mok als Vertreter der Völker aus Siom Som war bekannt als Freund und Verbündeter der Terraner, so dass aus dieser Konstellation keine Probleme entstanden. Eher Gegenteiliges war der Fall, denn die Völker ESTARTUs vertraten ebenfalls den eigentlichen Sinn des kosmischen Projekts. Die aus der Eastside der Milchstraße stammenden Blues fanden ihr neues Gebiet in der Westside von Cartwheel, gemeinsam mit weiteren Völkern. Ihnen war es nur recht, dass sie in gebührendem Abstand zu den Arkoniden siedeln konnten. Ob ihre Position jedoch von Vorteil war, musste sich erst noch herausstellen, denn auf der Nordwestseite der Galaxis wurden weitere als gewalttätig bekannte Völker ansässig – unter ihnen waren wohl die Dscherro die unheimlichsten, neben ihnen fanden auch die Hauris und Überschweren ihre neue Heimat hier, in der Nähe der Völker ESTARTUs. Auffällige Raummerkmale gab es wenige, die einzige Besonderheit war ein kleiner Nebel, der die Nordseite markierte... * Es war an der Zeit, aktiv zu werden. Sein Volk benötigte wieder eine starke, führende Hand. Dies war sein erstes Ziel auf dem Weg zur Rache. Er musste erst seine eigene Position stärken und festigen, dann konnte er sich langsam auf sein Hauptziel konzentrieren. Leticron, in dem Körper des Überschweren Siddus, verzog sein Gesicht, das nun einer entstellten diabolischen Grimasse glich. Obwohl er den Plan des Ersten Sohn des Chaos nicht vollständig verstand, hatte er keine Bedenken, seinen Teil zum Erfolg beizutragen – schließlich hatte Cau Thon ihm ein neues Leben in Freiheit geschenkt und ihn so zu seinem Werkzeug gemacht. Und die Rache war sein! Nur mühsam gelang ihm die Rückkehr in die Realität. Als er sich umblickte, fand er sich in einem Stadtteil wieder, der seinem Ziel nahe lag. Alles klar, jetzt war es nicht mehr weit. Er war auf dem Weg zum vorläufigen Büro von Michael Shorne, dem Wirtschaftsriesen, als dessen Stellvertreter er zur Insel aufgebrochen war. Anerkennend nickte Nor’Citel, als er die Eine neue Heimat D O R G O N weithin sichtbaren Reklame- und Werbeanimationen bemerkte, von ihnen förmlich erschlagen wurde. Shorne machte sich bereits breit. Und dabei befanden sie sich erst seit drei Tagen auf dieser Welt! Der Terraner musste schon im voraus geplant haben, wenn nach drei Tagen bereits die gesamte Stadt und wahrscheinlich noch viel mehr von seinen Animationen erstrahlte. Nor’Citel konnte nicht umhin, diesen Geschäftsgeist zu bewundern. Weithin sichtbar leuchtete das neue Symbol von SHORNE INDUSTRY über die Stadt – eine flach ausgestreckte Hand, auf der sich eine scheibenförmige Galaxis drehte: Cartwheel. Shorne zeigte hier deutlich, in welche Richtung seine Ambitionen gingen. Nor’Citel bewegte sich gemächlich auf das protzige Bauwerk zu. Davor hielt er kurz inne und legte den Kopf in den Nacken. Dort oben stand er jetzt am Fenster und bewunderte seine Genialität. Der Überschwere grinste spöttisch. Solange er die Völker schwächte und ausbeutete war nichts gegen seine Maßnahmen einzuwenden. Um so bereitwilliger würden sie ihm folgen, wenn es an der Zeit war. Er durchschritt die formenergetische Wand, deren Sensormechanismen ihn als des Zutritts befugt identifiziert hatten und eine semipermeable Strukturlücke öffneten. Dabei war die Energie gleichgepolt mit seinen Individualimpulsen, kein Körper anderer Frequenz konnte diese Strukturlücke durchdringen. Innerhalb des Gebäudes wurde er von einem zielgerichteten Antigravfeld erfasst und auf direktestem Weg zum Chef der Firma transportiert. Dieser Service wurde nur jenen wenigen wichtigen Persönlichkeiten zuteil, die erstens das Vertrauen Shornes besaßen und zweitens von ihm erwartet wurden. Unerwarteter Besuch war hier nahezu unmöglich, zu viele Sicherungen verhinderten das unbefugte Eindringen. Shorne verstand es perfekt, sich abzusichern und eventuellen unüberlegten Taten vielleicht unzufriedener Kunden vorzubeugen. Bisher hatte es noch niemand geschafft, ohne seine Einwilligung bis zu ihm vorzudringen. Als Nor’Citel aus dem Feld entlassen wurde, fiel ihm wieder auf, wie weit die persönliche oder nachträgliche Einrichtung schon fort- 73 geschritten war. Drei Tage der Anwesenheit hatten gereicht, um dem Gebäude einen hochpersönlichen Touch zu verleihen. Überall standen, hingen oder lagen Gegenstände, Grafiken und Bodenbeläge, die vom übermäßigen Reichtum des Mannes und der Firma zeugten. In einem weichen, bequem aussehenden Sofa saß der Mann, der die Firma zu diesem Machtfaktor ausgebaut hatte. Mit 184 cm ein Mann durchschnittlicher Größe, die schwarzen Haare korrekt gegelt. Der Hausanzug von Krugo Bross musste ein kleineres Vermögen wert sein. Neben ihm lag noch der kleine Ball, den er häufig zu kneten pflegte. »Ich bin positiv überrascht!« Nor’Citel ging unpersönlich lächelnd auf die Couch zu und reichte Shorne, der sich lässig erhob, die Hand. Dabei ging er derart vorsichtig und höflich vor, dass Shorne nichts von seinen gewaltigen Körperkräften bemerkte. Obwohl Shorne einen außergewöhnlich athletischen Eindruck machte, musste er um einiges schwächer sein als der Überschwere. Nor’Citel hatte sich angewöhnt, gute Beziehungen, die er jetzt noch benötigte, nicht durch übermäßige Kraftakte zu zerstören. Später würde er das natürlich nicht mehr nötig haben. Keiner würde ihm mehr die Hand schütteln – ob nun gewollt oder nicht. Er würde der unpersönliche Herrscher werden, jedem Kontakt fern. Shorne deutete auf eine weitere Couch, nicht weniger gemütlich als die eigene, doch für das Gewicht eines Überschweren eher geeignet. »Gut, dass Sie kommen«, eröffnete er das Gespräch. In der Firma hatte sich wieder die alte Form der Anrede durchgesetzt, die bei weitem nicht so persönlich war und zu mehr Respekt der Beteiligten untereinander führte. »Meine Pläne sind weitgehend fertig gediehen. Ich werde mich so bald wie möglich aktiv betätigen. Der Vorsprung muss gehalten und ausgebaut werden! Nur noch einige Jahre, vielleicht, und die Galaxis ist unser!« Nor’Citel erlaubte sich ein zurückhaltendes Lächeln. Natürlich wusste er, dass Shorne nicht im Traum daran dachte, ihn an seinen Geschäften und Erfolgen zu beteiligen. »Ich zweifle nicht an dem Erfolg! Der Plan entspricht ganz meinen Vorstellungen.« 74 D O R G O N Shorne stand auf und trat an die Glassitwand, die ihm den Blick über die gigantische Stadt freigab. Euphorisch breitete er die Arme aus. »Es gibt keine Abwehr! Ahnungslos werden sie mir in die Fänge laufen. Ich werde mich rasant ausbreiten. Das wird ihnen noch keinen Grund zum Eingreifen liefern. Dann werde ich langsam meinen Einfluss in die einzelnen Politiksphären und in den Bevölkerungsschichten erweitern. Und wenn es dann soweit ist, werden sie sich hüten, meine Position anzugreifen. Das wäre ihr Untergang, und sie werden es wissen!« Shorne wandte sich um. Da saß der Überschwere auf der Couch, ein winziges kaltes Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Shorne lief es eiskalt den Rücken herunter. Ihm war dieser Mann noch immer unheimlich, obwohl er bereits hervorragende Arbeit für Shorne geleistet hatte. Shorne fuhr fort, seine Pläne genauer darzustellen. »Es wird eine Wandlung in der Wirtschaft stattfinden. Die bisherigen sozialen Strukturen werden verschwinden und der absoluten Marktwirtschaft das Feld räumen. Das Individuum wird endlich wieder dazu gebracht, seine gesamte Leistung in den Dienst der Wirtschaft zu stellen. Arbeitszeitlimit ist Schnee von gestern!« Stolz machte er eine Pause, um die Wirkung des alten Sprichwortes zu beobachten. »Und der Mensch kann arbeiten, solange und soviel ihm beliebt oder soviel und so hart es seine Lebenserhaltung fordert. Der totale Kapitalismus wird ein Comeback feiern, wie es niemand mehr geglaubt hätte! SHORNE INDUSTRY ist das Symbol der Macht, ich werde durch die Beherrschung des Marktes nicht mehr aufzuhalten sein! Mein Reichtum wird mir auch die letzten Türen zur Macht über die Insel öffnen. Und dann behaupte nochmal einer, Politik sei unabhängig von der Wirtschaft!« Hämisch grinsend blickte er in die Ferne. Macht! Er konnte die magische Anziehungskraft fast körperlich fühlen, aber er konnte ihr nicht widerstehen. Auf diese Chance hatte er seit langen Jahren gewartet. Cartwheel würde sein Sprungbrett zu großer, galaxisübergreifender Macht sein! Tobias Schäfer Er erinnerte sich, dass da ja noch Nor’Citel war. Weshalb war er eigentlich gekommen? Er drehte sich zu dem Riesen um. »Was halten Sie davon?« »Der Plan ist vielversprechend.« Nor’Citel nickte überzeugt. »Doch ist meine Aufgabe eine andere. Ich habe Sie soweit unterstützt, wie es mir möglich war. Dafür haben Sie mir die Reise hierher ermöglicht. Eine Hand wäscht hier also die andere. Wir bildeten eine gute Gemeinschaft« »Sie reden so, als wollten Sie uns verlassen?! Es wäre doch schade um diese Erfolgsgemeinschaft, von der Sie eben sprachen! Aber ist das der Grund Ihres Erscheinens?« Leticron nickte stumm und wartete auf eine Reaktion. »Ich verstehe Sie nur teilweise. Was bewegt Sie, mich zu verlassen, wenn Sie von der Qualität meines Planes überzeugt sind? Welche Aufgabe kann mehr bieten als diese?« »Es ist richtig, das können Sie nicht verstehen. Es handelt sich um eine Sache, die außer mir nur noch einer Person bekannt ist. Und es betrifft eine persönliche Schmach, die mir zugefügt wurde. Es ist mein Ziel, meine Rache zu vollziehen. Was danach ist, steht in den Sternen, aber ich werde Sie nicht vergessen. Leben Sie wohl!« Unbewegt drehte er sich um und verließ die Zentrale der Firma, einen beeindruckten Shorne zurücklassend. Sein nächstes Ziel hieß New Paricza. 10. Der 30. Juni 1296 NGZ Eine Woche war vergangen, seit die Besiedlung der Planeten begonnen hatte. Joak Cascal konnte stolz auf die Leistung der Organisation blicken. Es hatte so gut wie keine Pannen gegeben, eigentlich müssten alle Menschen wunschgemäß versorgt sein. Es hatte jedenfalls noch keine Beschwerden gegeben, nicht einmal Rückfragen. Es schien so, als warteten die Menschen auf weitere Informationen durch die Verantwortlichen. Eine neue Heimat D O R G O N Der Terramarschall nickte. Für heute Abend war eine erste Besprechung angesetzt worden, die erste seit der gelungenen Besiedlung der Welten. Die nächsten Schritte sollten besprochen, Aufgaben und Verantwortungsbereiche vergeben werden. Cascal hatte schon eine gewisse Vorstellung vom Verlauf der Sitzung, denn ihm waren alle Fakten bekannt. Seufzend ließ er sich von den Energiefeldern tragen, massieren und pflegen. Es war eine anstrengende Woche gewesen. Vor zwei Tagen war Julian Tifflor bereits wieder zur Milchstraße aufgebrochen. Er war zwar der eigentliche Vorstehende dieses Projekts, jedenfalls aus terranischer Sicht, TerraAdministrator in Cartwheel mit dem Stellvertreter Don Philippe. Doch auch in der Milchstraße warteten Aufgaben auf ihn, er war von seinen dortigen Pflichten nicht entbunden. Daher würde er vordringlich dort leben, so oft wie möglich jedoch nach Cartwheel kommen, um die Verbindung aufrecht zu erhalten und seine Erfahrung in den Dienst des Projekts zu stellen. Während seiner Abwesenheit fungierte der Marquese als politischer Vorsitzender, Joak Cascal war für Sicherheit und Rüstung verantwortlich. Um 16.30 Uhr cartwheelscher Standardzeit betrat Cascal frisch und ausgeruht den Konferenzraum 1.2 im Terra-Parlament auf Mankind. Verblüfft verhielt er im Schritt, als er die bereits vollständig anwesenden Verantwortlichen erblickte. An dem runden, schwarz glänzenden Tisch saß ganz hinten der Marquese von Siniestro, in angeregtem Gespräch mit Sandal Tolk vertieft, der sich anscheinend nicht klar darüber war, ob er seine linke Augenbraue besser hochziehen konnte als die rechte. Am großen Panoramafenster standen Timo Zoltan, der Chefwissenschaftler Mankinds, Irwan Dove, der Sicherheitschef der IVANHOE, Xavier Jeamour, der Kommandant der IVANHOE und Mathew Wallace, der Chef der Beibootflottillen der IVANHOE. Die Gefährten aus den DorgonEinsätzen legten einen gut gelaunten Ausdruck an den Tag. Ihr Lachen schallte hin und wieder von den Wänden wider. Der Somer Sruel Allok Mok, kurz Sam, saß neben Henry >Flakk< Portland auf der Tischkarte und glättete sein Ge- 75 fieder, während Flakk eine alte Raumfahrergeschichte erzählte. Und schließlich – in trauter Dreisamkeit – Uthe und Remus Scorbit bei dem Elaren Gal’Arn. Sie spielten sogar Karten! Anscheinend hatte keiner bemerkt, dass Cascal den Raum betreten hatte. Eigentlich hatte er das auch noch gar nicht richtig. Er stand immer noch total verdattert in der offenen Tür, die immer wieder versuchte zu zu gleiten, aber stets an seinem verlängerten Rücken scheiterte. »Was ist denn hier los?« stieß Joak schließlich hervor. Da hatten sie es bemerkt. Das Stimmengewirr verstärkte sich noch, jeder rief ihm seine Glückwünsche zu seinem ach so pünktlichen Erscheinen zu. »Anscheinend war ich nicht pünktlich.« Langsam fasste er sich wieder und trat wenigstens aus der sich unablässig schließenden Tür heraus, was mit einem johlenden Applaus belohnt wurde. »Danke, Leute. Aber kann mir jetzt mal einer von euch Komikern erklären, was hier gespielt wird?« »Wir spielen MauMau, ich weiß nicht, was die anderen spielen!« Gal’Arn blickte ihn todernst an. »Dieses Spiel ist übrigens sehr interessant, du solltest es auch ma...« »Schluss jetzt!« Cascal lachte schallend, und Gal’Arn stimmte herzhaft ein. »Okay, es scheint als sei ich um eine gewisse Zeitspanne zu spät gekommen. Aber wieso hat mich niemand benachrichtigt?« »Naja, hätten wir ja, wenn du überhaupt nicht gekommen wärst! Aber bisher sahen wir das als willkommene Pause an!« Uthe mischte ruhig weiter. Cascal stöhnte auf. »Ach ja, willkommene Pause, was? Und ich ackere mich die ganze Zeit ab!« Wallace lachte höhnisch. »Von wegen! Geschlafen hast du!« »Hm, ja, aber hattet ihr nichts zu tun, als hier herum zu blödeln?« »Mach dir nichts draus, Joak, wir sehen über deine Fehler gerne hinweg«, fiel Don lächelnd ein. »Und nun lasst uns anfangen!« Niemand hatte etwas dagegen einzuwenden, so dass Cascals Frage unbeantwortet blieb. Er übersah dies mit einem heimlichen Lächeln. 76 D O R G O N »Ja, Leute, jetzt sitzen wir hier«, begann er. »Die erste Phase des Planes ist geglückt – die Besiedlung ist sehr zufrieden stellend verlaufen und erfolgreich abgeschlossen. Die Menschen leben so wie zuvor jahrelang auf Terra und anderen Welten der Milchstraße. Noch ist alles ruhig. Aber ich glaube, jeder von uns weiß, dass es nicht immer so bleiben wird. Deshalb sollten wir jetzt langsam, überlegt und zielstrebig die nächsten Schritte einleiten, die zu einem stabilen Gerüst führen, von dem aus wir das kosmische Projekt einleiten können.« »Die Menschen warten auf neue Instruktionen und Informationen!« »Richtig, Flakk! Deshalb werden wir sie auch nicht lange warten lassen. Ich denke, diese Aufgabe übernimmt Don. Gal’Arn und Jonathan... Wo ist Jonathan überhaupt?« »Er kommt gleich wieder«, warf Arn ein. »Als du dich nicht sehen ließest schickte ich ihn nach einigen Getränken.« »Na gut. Also, wir alle können uns darüber freuen, wie akribisch DORGON uns unterstützt hat und welche perfekten Zustände wir hier vorfanden. Es wird uns und den Menschen sicherlich leicht fallen, hier die normalen Zustände wie in unserer Heimat, also was Handelsrouten, -planeten und dergleichen betrifft, zu schaffen. Die Organisation eines Staates ist da schon schwieriger. Unsere kleine hier anwesende Gruppe wird in der ersten Zeit die Hauptlast zu tragen haben, und auf jedem wird die gleiche Verantwortung liegen. Sie wird sicher nicht immer leicht zu tragen sein, wird wahrscheinlich oftmals stärker drücken als in der Milchstraße, wo alles seinen relativ geordneten Gang lief, doch ist jeder von uns in der Lage, diesem Druck standzuhalten. Ich glaube, dass der Aufbau eines sicheren und angesehenen Staatssystems nicht so einfach sein wird, wie wir uns das ursprünglich vorgestellt haben. Tobias Schäfer Deshalb muss sich jeder von uns auf den anderen und vor allem auf jeden anderen verlassen können, um reinen Gewissens handeln zu können. Jedem muss die Unterstützung der anderen sicher sein. Es muss ein reger Informationsaustausch herrschen, regelmäßige Sitzungen veranstaltet werden und Aufzeichnungen davon müssen jedem zugänglich sein.« Cascal machte eine kurze Pause, nahm ein Glas Wasser von Jonathan Andrews entgegen und nickte ihm grüßend zu. Dann fuhr er fort: »Je länger ich darüber nachdenke, desto schwieriger scheint mir die Situation tatsächlich zu sein. Dscherro und Arkoniden werden nicht einfach zu handhaben sein, auch die Überschweren werden sicherlich nicht nur Ruhe halten. Aber es ist jetzt schon sicher, dass wir ein besonderes Augenmerk auf die Dscherro und Arkoniden haben müssen!« »Was hältst du von den Bestien aus M 87?« warf Wallace kritisch ein. »Meiner Ansicht nach sind sie nicht weniger gefährlich. Dieser Torsor hat eine außergewöhnlich böse Ausstrahlung, wenn ich das mal so sagen darf. Irgendwas stimmt mit ihm nicht.« »Du hast Recht, natürlich. Diesen drei Völkern sollte unsere Hauptaufmerksamkeit gelten. Unsere Diplomaten, vordringlich der Marquese und Sam, müssen unbedingt in den Rat von Paxus gelangen. Ich kann mir vorstellen, wie schwer das werden kann, aber denkt daran, dass es nicht in unserem Interesse liegen kann, wenn Uwahn Jenmuhs oder Taka Kudon Entscheidungsgewalt in dem kosmischen Projekt erhielten. Es ist schon völlig ausreichend, dass sie Völker und Systeme befehligen können! Haltet euch das immer vor Augen! Wir streben eine Insel des Friedens und der Einheit an, die sich nur zum Schutz der Völker und des Universums kriegerisch, militärisch betätigt!« Heft 43 Auf der Insel Die Saggittonen besiedeln die neue Kleingalaxis - Streit unter den Völkern von Ralf König Titelbild von Reiner Strucke Auf der Insel D O R G O N Prolog. Mitte Juli, 1296 NGZ Jimmy Jenkins rieb sich die Hände. Die neue Galaxis war vielversprechend, erwies sich als eine Art Goldgrube, die ihm eine Menge Geld eingebracht hatte. Und eigentlich waren sie erst zwei Wochen hier. Wenn die Geschäfte so weiterliefen, dann würden sie sicher innerhalb des ersten Jahres reich sein. So hatte er sich das vorgestellt. Ein neuer Planet, eine neue Galaxis und eine Menge Menschen, die alle nach den alten Gütern suchen würden. Warum auch nicht, schließlich war man an einem Ort, in den man sich erst einmal einleben mußte. Und das konnte man immer noch am leichtesten, indem man sich mit Dingen eindeckte, die man auch von zu Hause kannte. Jenkins hatte eine einfache Strategie. Er bot seine Waren in einem gemieteten Laden in New Terrania an, aber auch über das INSELNET, ein Netzwerk, das in dem neuen Gebilde eine ähnliche Struktur wie zu Hause schuf. So mußten die Menschen nicht auf gewohntes verzichten, auch wenn die Inhalte naturgemäß anders waren, als über GALORS. Wie auch immer, sein Laden im INSELNET war ein voller Erfolg gewesen. Antiquitäten aus Terrania fanden immensen Absatz und er hatte fast schon Probleme, für Nachschub zu sorgen. Da kam ihm das Angebot von SHORNE INDUSTRIES ganz recht. Der Industriegigant bot ihm an, den Vertrieb über INSELNET und seinen Laden zu übernehmen, während das große Unternehmen für den großen Nachschub sorgen wollte. Jenkins nahm an und schloß einen Vertrag mit Shorne persönlich, der sich den erfolgreichen Geschäftsmann bei den Verhandlungen genau angesehen hatte. Jenkins war das nicht so richtig aufgefallen, er war immer noch der Meinung, einen tollen Deal gemacht zu haben. Und indem er sich auf das Direktmarketing über INSELNET konzentrierte, sparte er sich eine Menge, denn die meisten Kosten würde SHORNE tragen müssen. Andererseits würden sie auch eine Menge der Einnahmen bekommen. Jenkins hatte da- 79 für einiges an Vorleistungen erbringen müssen, machte sich darüber aber weniger Sorgen, denn im Augenblick schien alles nach Plan zu laufen. Wenn sich die Voraussetzungen nicht änderten, dann würde er nach Ablauf eines Jahres so viel Geld haben, daß er nach Terra zurückkehren und dort das Leben genießen konnte. Oder sich irgendwo einen paradiesischen, aber unbewohnten Planeten zulegen konnte, auf dem er sein Leben weiterleben konnte. Zufrieden nickte Jenkins seinem Spiegelbild zu, das sich in der Eingangstür spiegelte. * Er ahnte nicht, daß im selben Augenblick ein anderer Terraner in einem anderen Büro, in der obersten Etage eines Hochhauses, vor einem Panoramafenster stand und über das blühende New Terrania hinwegblickte. Die Sonne strahlte und brachte einige der Glasbauten zum glitzern, warm war es draußen, in diesen Breiten des Planeten herrschte ein Sommer, der so genau zur Stimmung von Michael Shorne paßte, daß dem sonst eher ernst blickenden Industrieboß ein Grinsen ins Gesicht stieg. Er knetete seinen Knetball diesmal mit besonderer Hingabe, verfolgte die Flugbahn eines Gleiters, der gerade steil aufsteigend im Himmel über der Stadt verschwand und verglich die Flugbahn mit der Bahn, die seine Gewinnkurve bald beschreiben würde, wenn er so weitermachte, wie er im Augenblick anfing. Um die ersten erfolgreichen Geschäfte in der neuen Siedlung hatte er sich noch persönlich gekümmert, jetzt aber würden seine Schergen loslegen und in seinem Sinne weitermachen. Er drehte sich langsam um und ging zu seinem Schreibtisch. Eine Grafik wurde über die Platte projiziert, die New Terrania in einer schematischen Zeichnung darstellte. Weitere Grafiken stellten dar, wie viele der Geschäfte in New Terrania ihm bereits gehörten oder in Kooperation mit ihm arbeiteten. Im Augenblick lautete die Zahl auf der Grafik 27 Danach würden über Strohmänner weitere Händler überall in der Insel in sein Netz gehen und früher oder später ein Netzwerk bilden, D O R G O N 80 das es ihm ermöglichte, den gesamten Handel in dieser Kleingalaxis zu kontrollieren. Und das alles vollkommen unbemerkt von der neuen Regierung, denen wohl ein Homer G. Adams im Augenblick fehlte, die gerade erst dabei waren, eine Regierung überhaupt aufzubauen und solche wichtigen Regierungsstellen wie ein Kartellamt oder eine Finanzverwaltung noch gar nicht bieten konnten. Wie angenehm, dachte Shorne und ließ sich in seinem Sessel nieder. Wenn alles dann in seinem Besitz sein würde, dann würde er die Preise diktieren und damit auch seine Gewinne auf eine Art und Weise optimieren können, von der jeder Unternehmer nur träumen konnte. Eine Sekunde lang gab er sich seinen Träumereien hin, dann konzentrierte er sich auf weitere Meldungen, die aus allen Teilen des terranischen Einflußbereichs hereinkamen. Die Zukunft sah ziemlich sonnig aus. Shorne hoffte, daß das auch so bleiben würde. 1. Schwierigkeiten Julian Tifflor blickte sich um. Irgendwie kam er sich verloren vor in der großen Halle, die im neuen Regierungspalast der Hauptstadt des Terra-Blocks gelegen war. Eine Menge Menschen umgab ihn und bildete ein Chaos, das seinesgleichen suchte. Das war nun nicht wirklich verwunderlich. Ein Projekt wie die Schaffung der Insel hatte es in der Geschichte der Milchstraße noch nie gegeben. Das Ergebnis dieses Experiments würde eine Galaxie sein, die in vielen Bereichen eine genaue Kopie der Milchstraße war, allerdings ergänzt durch eine Menge Völker, die aus anderen Galaxien oder sogar Mächtigkeitsballungen kamen. Was DORGON damit bezweckte, war niemandem so richtig klar. Und das würde sich auch noch eine ganze Weile nicht ändern. Tiff gab sich einen Ruck und folgte dem Strom der Menschen, die durch die Empfangshalle seines Regierungsgebäudes rannten. Im Augenblick fühlte er sich nicht wirklich als der neue Regierungschef des Terra-Blocks. Mehr Ralf König wie ein Verwalter, dem eine Verwaltung fehlte. Und das war mit Sicherheit das Schlimmste, was einem Verwalter fehlen konnte. Er erreichte den zentralen Antigrav und ließ sich in den obersten Stock des Gebäudes tragen. Seit der Erfindung des Aufzuges war es in terranischen Herrschafts- und Verwaltungsgebäuden üblich, daß der Chef oben saß und angenehmerweise hatte DORGON ihnen in den vorbereiteten Städten des Terra-Blocks auch sehr terranische Lebensweisen ermöglicht, so daß es in einigen Bereichen durchaus möglich war, sich wie zu Hause zu fühlen. Das lag daran, daß DORGON, die Superintelligenz aus der Mächtigkeitsballung der Dorgonen, nicht nur eine riesige Sterneninsel neu belebt hatten, sondern auf den einzelnen Planeten nicht nur Städte, sondern eine auf das jeweilig dort lebende Volk abgestimmte Infrastruktur gleich mitgeliefert hatte. Das setzte voraus, daß DORGON sehr viel über die an dieser Aktion beteiligten Völker wußte. Und das traf definitv auch zu, wie Tifflor am Beispiel seines kleinen Sternenreiches erkennen konnte. Was DORGON hingegen plante, konnte er nicht erkennen. Aber das würde sich sicher bald zeigen. Tifflor verschwendete einen Augenblick an tiefergehende Gedanken über seine Motivation, DORGON zu helfen. Vermutlich war es ein großer Fehler, sich einfach so blauäugig in die Hand einer Superintelligenz zu begeben, die man bis vor kurzem noch nicht einmal gekannt hatte. Nun, mittlerweile kannte man sie und DORGON hatte sich als sehr positive SI erwiesen. Andererseits war Tiff sich durchaus nach den Geschehnissen am PULS darüber im klaren, daß positiv wohl nicht gut bedeuten mußte. Die Kosmokraten hatten sich jedenfalls als wesentlich weniger verläßliche Verbündete erwiesen, als der ehemalige Ritter der Tiefe Perry Rhodan und die anderen ZAC-Träger gedacht hätten. Tifflor war sich nicht sicher, ob Perrys Entscheidung die richtige gewesen war. In seinem Bereich, der dem eines Thoregon sicher nicht gleich stand, war es etwas einfacher, eine Entscheidung zu treffen. Aber Tifflor war sich darüber im klaren, daß es einen ungeheuren Vertrauensvorschuß seitens der an dieser Aktion beteiligten Völker bedeutete, einfach so dem Auf der Insel D O R G O N Aufruf von DORGON zu folgen. Eine Entscheidung war getroffen worden. Tifflor bezweifelte, daß sie jemals wieder Rückgängig zu machen war. Und das bedeutete, daß er einfach weitermachen mußte. Einfach damit beginnen mußte, diesem Block eine Regierung zu geben, eine Verwaltung, die den Namen auch verdiente. Und daß er einfach dafür sorgen mußte, in diesem Teil der neu geschaffenen terranischen Liga eine stabile Ordnung zu schaffen. Zögernd betrat er sein Büro. Die Glassitwand auf der gegenüberliegenden Seite gewährte ihm einen Überblick über seine neue Stadt New Terrania, die nicht in allen Punkten mit dem Terrania, das er kannte und das seine Heimat war, übereinstimmte. Aber das machte nichts. Eine neue Heimat mußte man sich eben erst verdienen. Das betraf nicht nur die Errichtung einer neuen Verwaltung, sondern auch die gesamte Einstellung, die man zu einem solchen neuen Heimatort gewinnen mußte. Er wandte sich von der beeindruckenden Kulisse der Skyline dieser neuen Stadt ab und setzte sich an seinen Schreibtisch. Jetzt mußte er sich erst einmal vor Augen führen, was am nötigsten war. Dann würde sich sicher langsam aber sicher alles fügen. Vor allem durfte er nicht den Fehler machen, alles selber machen zu wollen. Stellvertreter und Verantwortliche für alle möglichen Ressorts waren zu suchen. Langsam, Schritt für Schritt, würde sich so eine neue Verwaltung automatisch etablieren. Und dabei hatten sie nicht einmal wirklich so viel Zeit. Seufzend ließ sich Tifflor eine Darstellung der zu besetzenden Posten geben. Dabei fiel ihm auf, daß sie viel zu wenige gute Politiker auf der Insel hatten. Das würde ein Problem werden. Eine politische Führung mochte ihre Schwächen haben, aber sie war trotzdem eine Notwendigkeit in einer funktionierenden Demokratie. Immerhin hatten sie einen Administrator. Der Marquese von Siniestro mochte ein Relikt aus der Vergangenheit sein und einige sehr merkwürdige Angewohnheiten mitgebracht haben, aber immerhin erschien er als Vertrauenswürdig. Tifflor fällte seine erste Entscheidung. Er beschloß, dem Administrator wesentlich mehr Macht zu verleihen, als ursprünglich 81 geplant. Damit würden sie wenigstens einen Politiker haben, der diesen Namen auch verdiente. Dann widmete er sich der Besetzungsliste und ließ seine Gedanken schweifen. Gesichter huschten durch sein Hirn, er dachte über ihre Fähigkeiten nach und wo sie sich am besten verwenden lassen würden. Jahrhundertelanges Training und eine Menge Erfahrung halfen ihm dabei. Langsam aber sicher bildete sich eine Struktur heraus, eine Hierarchie und die Liste der nicht besetzten Positionen wurde immer kürzer. Dabei war sich Tifflor durchaus darüber im klaren, daß er nicht in jedem Fall mit einer automatischen Zustimmung der Kandidaten rechnen konnte. Aber das machte nichts. Als Unsterblicher besaß er Erfahrungen im Umgang mit Menschen. Er konnte sie manipulieren, wenn es sein müßte. Er würde davon sicher keinen Gebrauch machen, wenn es nicht unbedingt nötig war. Die Superintelligenz hatte allerdings klar gemacht, daß ein schnelles Handeln unumgänglich sein würde. Und die anderen Machtblöcke der Insel schliefen nicht. An ihnen würde er sich messen müssen und vor allem der Block, den Arkon bildete, erschien dem terranischen Verwalter am gefährlichsten. Langsam wurde Tifflor klar, worauf er sich eingelassen hatte. Andere würden sicher weniger Rücksichten nehmen, so etwas wie Humanität war von ihnen wohl nicht zu erwarten. Diese neue Galaxis stellte ein Machtvakuum dar und der schnellste würde die meiste Macht gewinnen können. Also konnte er sich zumindest am Anfang wenig Rücksichten erlauben. Nach einigen Stunden konzentrierter Arbeit erhob sich der Verwalter. Er hatte seine Liste weitgehend komplett. Was jetzt noch nicht besetzt war, konnte noch warten. Er drehte sich um und ließ seine Blicke über die Stadt schweifen. Innerlich sammelte er Kraft, denn nun würde der eigentlich schwierige Teil der Operation kommen, nämlich jeden einzelnen der Kandidaten zu sich zu bitten und ihm klar zu machen, was seine Aufgabe war. Und ihm darüber hinaus die Motivation geben, seine Aufgabe mit aller Kraft zu erfüllen. Und bei einigen, ihnen das Gefühl zu geben, daß sie dieser Aufgabe auch wirklich gewachsen wa- D O R G O N 82 ren. Tiff schauderte bei dem Gedanken an so manche Person und die Verwendung, der er sie zuzuführen gedachte. Das würde kein Vergnügen werden. Er straffte sich und wandte sich um. »Syntron, bitte Rufe Cascal zu mir«, wies er die zentrale Recheneinheit der Verwaltung an. Das würde eher zu den leichteren Aufgaben zählen, dachte er, während er eher am Rande die Bestätigung des Rechners registrierte. Er stellte sich hinter seinem Schreibtisch auf und wartete. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich die Tür. * Sams Blicke schweiften über die Dächer von Paxus, einer prunkvollen Stadt, die nach dem Planeten benannt war. Das besondere an dieser Stadt war, daß sie architektonisch mit nichts in der bekannten Milchstraße zu vergleichen war, nicht einmal mit einem parlamentarischen Begegnungspark, wie es das Mirkandol auf Arkon I darstellte. Und doch hatte es eine ähnliche Funktion. Die Bauwerke dieser Stadt entsprachen jeweils der Architektur des Volkes, dessen Vertreter darin auch residierte. So war gewährleistet, daß die jeweiligen Bewohner sich auch wohl darin fühlten. Sam befand sich in der Nähe des Palastes, in dem das Parlament der neuen galaktischen Vertretung der Insel residieren sollte. Wenn er an die Probleme dachte, die in der Galaxis vollkommen normal waren, dann fragte er sich, was sich DORGON bei dieser Einrichtung gedacht hatte, denn eigentlich konnte er sich nicht vorstellen, daß die Völker dieser Galaxis sich besser verstanden als in der Milchstraße. Abgesehen davon, daß die gleichen Problemgruppen auch hier aufeinandertreffen würden, würden sicher die neu hinzugekommenen neue Probleme bereiten. Das sah nach einer Aufgabe aus, die kaum zu bewältigen war. Trotzdem war der Diplomat bereit, sich diesem Problem zu stellen. Auf Paxus sollten sich all die Völker bald zum ersten Mal treffen. Schon heute waren viele von ihnen hier anzutreffen, und so stellte dieser Planet einen Ralf König Schmelztiegel dar, wie er in der gesamten bekannten Milchstraße auch nur an einem einzigen Ort zu finden war, nämlich dem Mirkandol. Ähnlichkeiten in der Konzeption waren kaum zu verkennen. Trotzdem stand der Somer vor einem gewaltigen Problem. Noch war nicht klar, wie das neue Parlament der Insel aussehen sollte, also welche Vertreter darin sitzen würden und wie die Verwaltung organisiert war. Hier – wie an vielen anderen Stellen in dieser Galaxis – stand man vor denselben Problemen, von unterschiedlichen Menschen auf unterschiedliche Weise gelöst. Nur im Unterschied zu den anderen Machtgruppen, sollte hier eben eine Einrichtung geschaffen werden, die eine gemeinsame Regierung repräsentierte. Wie so etwas aussehen sollte, darüber war man sich schon in der Milchstraße nicht einig. Mochten auch die meisten anwesenden Völker einer Meinung sein, es reichten nur wenige Quertreiber, um einen Kompromiss unmöglich zu machen. Sam genoß den Anblick der Stadt, die auf dem Kontinent Erisor gelegen war. Mit einer Durchschnittstemperatur von 15◦ ein eher warmer Kontinent. Hätte Sam die Erde genauer gekannt, hätte er sich an die Insel Irland erinnert gefühlt. Viel Grün, zum Teil in herrlichen Parklandschaften gelegen. Ein angenehm mildes Klima, hin und wieder regnerisch, aber überwiegend sonnig. Jedenfalls wesentlich mehr, als das in Irland der Fall gewesen wäre. Alles in allem ein Kontinent, auf dem sich viele der Terraner sicher sehr wohl fühlen würde, soweit der Somer sie bisher kennen gelernt hatte. Von allen Völkern der Milchstraße waren die Terraner auch das ihm bekannteste, so daß er über andere wenig Aussagen treffen konnte. Auf jeden Fall erinnerte die Wetterlage im Augenblick an einen Frühling auf Terra, an einem warmen, sonnigen Tag, der aber immer noch das Gefühl der Kühle erahnen ließ, die bis vor kurzem noch geherrscht hatte. Sam liebte den Frühling. Er schloß die Augen und sog die frische, leicht kühle Luft in die Nase. Sein vogelartiger Körper machte einige ruckhafte Bewegungen, er flatterte kurz mit den Flügeln, als wolle er sich in die Luft erheben. Er öffnete die Augen und entließ die Luft aus sei- Auf der Insel D O R G O N nen Lungen. Ruhig atmend drehte er sich um. Nach außen hin wirkte er, wie ein alter, weißer buddhistischer Mönch, dessen fast schon überirdische Ruhe nichts erschüttern konnte. Innerlich sah es allerdings gänzlich anders aus. Für einen Augenblick fragte er sich, ob das bei diesen Mönchen auf Terra auch so gewesen war. Dann gab er sich einen Ruck. Langsam schritt er durch die weit geöffneten Flügeltüren ins Innere des großen Parlamentssaales von Paxus, wo sich bald die Völker der Insel versammeln würden. Steil ansteigende Ränge, deren einzelne Logen dazu geeignet waren, die Vertreter des jeweiligen Volkes darin aufzunehmen, stiegen ringsherum in Richtung der Decke des Raumes, die sie aber nie erreichten. In der Mitte war das Rednerpult angebracht. Wenn ein Redner darauf stehen würde, dann würde es für die Zuschauer so aussehen, als wende er sich genau ihnen zu. Dabei war es vollkommen egal, wie der Redner stand oder in welche Richtung er sich während seiner Rede drehte. Nur so war es möglich, eine solche Anordnung einzuhalten. Sam schritt durch den leeren Saal und erreichte das Rednerpult. Im Augenblick würde man seinen Rücken auch erkennen können, dieser besondere Effekt würde erst aktiviert werden, wenn auch eine Versammlung in dieser Halle stattfand. Der Somer hatte das Humanidrom meist nur in alten Aufzeichnungen gesehen, das lange Jahrhunderte das Galaktikum beinhaltet hatte. In mancherlei Beziehung hatte der Parlamentssaal ähnlich ausgesehen wie dieser Raum. Auch wenn einige der besonderen Effekte in diesem nicht vorgekommen waren. Bilder dieser Zeit hafteten noch im Gehirn des Somers. Er erinnerte sich daran, wie lebendig der Saal, angefüllt mit all diesen Lebewesen, gewirkt hatte. Aber er erinnerte sich auch daran, welches Unbehagen in diesem Raum oft geherrscht hatte, wenn wieder einmal die verschiedenen Interessen der Völker zusammengeprallt waren. Dieser kurze Moment des Nachdenkens ließ ihn diese Aufgabe in einem vollkommen neuen Licht sehen. Es würde eine schöne Aufgabe werden, zusammen mit allen anderen Völkern eine stabile Verwaltung in die- 83 sem Teil des Universums zu etablieren. Es würde aber auch eine sehr schwere Aufgabe werden. Wer ihm in diesem Augenblick in die Augen geschaut hätte, der hätte einerseits ein Funkeln darin erkennen können, andererseits aber auch den Eindruck gehabt, der Somer wäre plötzlich um Jahre gealtert. In diesem Augenblick verstand der Somer zum ersten Mal wirklich, was der Terraner Perry Rhodan all die Jahre, als er das Galaktikum zu einen versucht hatte, geleistet hatte. Und er zollte ihm Bewunderung dafür, daß er an dieser Aufgabe nicht zerbrochen war. Schweigend wandte er sich ab und verließ den Raum. Hinter ihm versank der nunmehr wieder leere Raum in Schweigen. Dunkelheit senkte sich über ihn, als sich die Tür geschlossen hatte. Nicht sehr lange würde es dauern, dann würde die erste Sitzung in ihm stattfinden. * Als Leticron seinen Fuß zum ersten Mal auf den Boden der Welt New Paricza setzte, zog er unwillkürlich Vergleiche mit dem Planeten, der seine Heimat war. Die neue Welt schnitt dabei schlecht ab, aber das war kaum verwunderlich. Die Heimat war selbst in diesen Zeiten, in denen die Galaxis, das gesamte Universum eine Heimat für jedes Lebewesen darstellte, immer noch ein Begriff, der nur mit einem Ort verknüpft wurde, nämlich mit dem Ort der eigenen Geburt. Aber dieser Ort war weit entfernt, deshalb mußte Leticron und mußten auch die anderen Mitgliedsvölker der Insel mit dem leben, was sie erhielten. Und wie ein Terraner schon an einem anderen Ort der Insel gedacht hatte, war auch dem Überschweren durchaus klar, daß sie sich die neue Heimat erst verdienen mußten. Es war alles nur eine Frage der Perspektive, dachte sich der Pariczaner. Während all die anderen sich damit beschäftigten, wie sie die Insel zu einem sicheren Ort machen konnten, auf dem zu leben für jedes Wesen eine Freude war, überlegte sich der Überschwere, wie er diese Galaxis in seine Hand bekommen konnte. Damals, als er noch in der Milchstraße zum ersten Hetran erkoren worden war und damit die Nachfolge des Schwächlings Perry Rhodan an- 84 D O R G O N getreten hatte, war das alles sehr viel einfacher gewesen. Mit den Laren hatte er eine Macht hinter sich gehabt, die es wesentlich erleichterte, Kontrolle über eine ganze Galaxis auszuüben. Und auch wenn diese Galaxis im bewohnten Raum wesentlich kleiner war, als die heimatliche Milchstraße, handelte es sich doch um ein Gebiet, in dem man nicht einfach kommen und Ansprüche erheben konnte. Nein, man mußte sich seine Macht mühsam erarbeiten oder besser erkämpfen, wie es den Gepflogenheiten seines Volkes entsprach. Das alles hatte sich der Überschwere in seinem neuen Körper bereits klar gemacht, als er noch an seinem Platz auf dem Schiff gewesen war, das sie alle in die neue Heimat gebracht hatte. Jetzt saß er einem hochrangigen Vertreter jener Macht gegenüber, vor der man sich in der Milchstraße fürchtete und die auch hinter den Machenschaften in der BASIS steckten. Der Pariczaner ihm gegenüber war ein eher schwächlicher Vertreter seines Volkes. Das betraf zum einen schon einmal seinen Körperbau. Er war kleiner als der durchschnittliche Überschwere und sein Körper war auch bei weitem nicht so muskulös. An die Gegebenheiten einer Extremwelt gewöhnt, war er durchaus in der Lage, seine Ansprüche auch mit körperlicher Gewalt durchzusetzen. In einer Organisation wie den Galactic Guardians, die nicht nur aus Überschweren sondern auch aus anderen Völkern der Galaxis bestand und deren Ziele sich mit dem Gemeinwohl eines so hochstehenden sozialen Gebildes wie der Milchstraße nicht einmal annäherungsweise deckten, mußte man allerdings schon besondere Qualifikationen aufweisen, wollte man eine Position wie die des Überschweren erreichen. Er war zum neuen Herrscher über alle Galactic Guardians erkoren worden, die in der Insel ihr Unwesen treiben sollten. Und damit war er zu einem wertvollen Verbündeten für Leticron geworden. Nor’Citel, wie er sich in seinem neuen Körper, den er diesem Jungen abgenommen hatte, nannte, lehnte sich schweigend zurück. Worte waren zwischen ihnen nicht mehr nötig. Der Pariczaner hatte seine psionischen Fähigkeiten eingesetzt und es so erreicht, daß die Guardians in seinem Sinne beeinflußt waren. Der Über- Ralf König schwere hatte eigentlich Bedenken, seine Fähigkeiten einzusetzen. Die Bewunderung, die ihm entgegengebracht wurde, war zwar durchaus angenehm und seinen Plänen förderlich, andererseits lenkte es die Opfer teilweise aber auch zu sehr ab. Bei den Guardians war ihm das aber egal, denn sie dienten ihm nur als Mittel zum Zweck, dem Zweck nämlich, an andere, wesentlich wichtigere Persönlichkeiten heranzukommen. In diesem Fall an Wursus, den Anführer aller Überschweren in der Insel. Diesen wollte er treffen, mit diesem wollte er sich als erstes auseinandersetzen. Die Überschweren waren in der Milchstraße nicht bekannt für besondere Fähigkeiten in der Demokratie. Demnach war es kaum verwunderlich, daß auch auf New Parizca ein eher feudales System herrschte. Wursus war der unumschränkte Herrscher über alle Überschweren und gegen ihn anzutreten würde Leticron zwar in große Gefahr bringen, aber es würde ihm auch große Achtung bei den anderen Angehörigen des Volkes verschaffen, wenn er den Corun of New Paricza herausforderte und in einem Zweikampf möglicherweise sogar besiegen konnte. Diese Form der Herausforderung bezeichnete der Überschwere als Coru’Scar. Es gab bestimmte Riten und Traditionen, die das Coru’Scar begleiteten. Leticron kannte sie alle noch aus lange vergangener Zeit und er war sich einigermaßen sicher, daß die derzeitigen Herrscher von Paricza - oder auch New Paricza, was das betrifft - nicht wirklich wußten, was dahintersteckte. Und so marschierte er einfach in die Residenz des Corun of New Paricza. Er trat vor den Herrscher hin und konfrontierte ihn mit den traditionellen Worten, die das Coru’Scar zur Folge haben mußten, wollte der Herrscher nicht sein Gesicht verlieren. »Ar’Chara ta Coru’Scar«, stieß er hervor. Und er registrierte mit Befriedigung, wie sich die lindgrüne Farbe im Gesicht des Überschweren in ein leichtes blaßgrün verwandelte. Sicher hatte er niemals damit gerechnet, sich mit einer solchen Herausforderung auseinanderzusetzen. Aber nun war das »Ich fordere dich zum Zweikampf« ausgesprochen und er hatte nur eine Chance. Er mußte die Herausfor- Auf der Insel D O R G O N derung annehmen und den Zweikampf wählen. Eine Weigerung hätte unweigerlich zur Folge, daß er mit Schimpf und Schande aus seinem Amt gejagt worden wäre und das wollte der Herrscher der Überschweren in der Insel nicht riskieren. Langsam erhob sich der Corun of New Paricza und trat dem Herausforderer entgegen. Das verhaltene Lächeln, das er die ganze Zeit über im Gesicht trug, war wie weggewischt. Der 1,94 m große Corun, der stattliche 168 Kilogramm auf die Waage brachte und eine beeindruckende Muskulatur aufzuweisen hatte, ging auf den Überschweren zu und blickte ihm in die Augen. Leticron hatte keine Mühe, seine Kräfte unter Kontrolle zu halten. Die Bewunderung setzte beim Gegner nur nach zähem Ringen ein und war in einer solchen Situation, in der der Herrscher von seinem Hofstaat umgeben in Sicherheit war, nicht möglich. Ruhig stand er, auf die Erwiderung des Herrschers wartend. Wursus sprach die traditionellen Worte aus. »Coru’Scar mech trana te sia«, artikulierte er. »Der Zweikampf möge beginnen.« Leticron neigte das Haupt. »Nor’Citel«, stellte er sich, der Tradition folgend, vor. »Wursus«, antwortete der Corun. Ein Adjutant trat neben Leticron, eben jener Anführer der Galactic Guardians. Maylpanczer selbst hätte kaum größere Verblüffung in das Antlitz des Anführers zaubern können, oder gar der legendäre Leticron, als er den Guardian erkannte. Natürlich wußte der Corun um die Identität des Gangsterbosses. Unter den Überschweren, die von je her einen schlechten Ruf als Söldner hatten, kannte man solche Verwirrungen nicht. Lemaylar, der Überschwere, nickte dem Corun kurz zu. Ein weiterer Überschwerer stellte sich schräg hinter dem Herrscher auf und reichte ihm eine Waffe. »Das Tor’Sachar soll unsere Waffe sein«, bestimmte der Herausgeforderte, wie es der Tradition seines Volkes entsprach. Leticron nickte nur. In Wahrheit war es ihm egal, mit welcher Waffe man ihn angreifen wollte. Er konnte mit ihnen allen kämpfen, vor allem mit den sehr alten Waffen seines Volkes. Und in den letzten Wochen hatte er fleißig ge- 85 übt. Er nahm eine der Waffen entgegen, die einem langen Stab glichen, der zwei Spitze enden hatte. Die Enden waren so gebogen, daß sie immer in Richtung des Gegners zeigen konnten und außerdem messerscharf. Man wollte von ihnen nicht getroffen werden. Die Griffschalen des Kampfstabes lagen in der Mitte, dicht beieinander, und ermöglichten es einem geübten Kämpfer, die Waffe schnell und elegant zu schenken. Nur um dem Corun zu zeigen, daß er es mit einem schweren Gegner zu tun haben würde, schwang Leticron die Waffe zweimal um seinen Körper und stieß das eine Ende dann hart auf den Boden. Locker stütze er sich auf den Schaft der Waffe und blickte den Herrscher erwartungsvoll an. »Laßt uns auf den Kampfplatz gehen«, meinte Wursus. Er drehte sich um und schritt furchtlos aus der Tür. Der Kampfplatz befand sich im Freien und glich einer steinernen Plattform, die allerdings blitzblank war. Um die Plattform lag ein Graben, der seine Gefährlichkeit daraus bezog, daß er mit einer Säure gefüllt war, die den Verlierer des Zweikampfes sofort auflösen würde. Damit entfiel selbst das Wegschaffen der Leiche. Furchtlos trat der Herausforderer als erstes auf die Planke, die über den Graben führte. Der Herrscher folgte ihm auf dem Fuße und nahm die Grundstellung des Tor’Sachar Kampfes ein. Leticron stand entspannt, den Kampfstab quer vor dem Körper. Er blickte in die Augen des Gegners und erwartete seinen Angriff. Als Herausgeforderter hatte Wursus den ersten Schlag. Als Wursus ausholte, riß Leticron den Kampfstab hoch, um den Hieb des Gegners zu blocken. Der reagierte blitzschnell, riß den Stab herum und stieß mit der anderen Spitze von unten zu. Letictron, der einen sehr konzentrierten Eindruck machte, wich einen Schritt zurück. Die Bewegung wirkte wie ein sanftes Gleiten. Wie beiläufig machte er die Bewegung rückgängig und blockte den zurückschwingenden Stab des Coruns. Er riß die eigenen Waffe hoch und traf das 86 D O R G O N Gesicht des Gegners mit der Spitze. Ein Blutstropfen quoll hervor und mit einem Aufschrei sprang der Corun zurück. Leticron stand still, gab dem Gegner Gelegenheit, seinen Schock zu überwinden. Offensichtlich hatte Wursus nicht damit gerechnet, einen ebenbürtigen Gegner in dem jungen Herausforderer zu finden. Er konnte ja nicht wissen, daß der in dem Körper wohnende Geist sehr viel älter war. Schweigen herrschte um das Rund, die anwesenden Überschweren wußten im Augenblick nicht, wie sie sich verhalten sollten. Jubeln war wohl nicht angesagt, wenn der Herrscher gerade dabei war, eine Niederlage zu erleiden. Andererseits mußten sie ihn irgendwie anfeuern, da der Herausforderer sich aber als so gut erwies, hatten sie Furcht, er könne der neue Herrscher werden und deshalb zogen sie es lieber vor, zu schweigen. Tödliche Stille breitete sich in dem Rund aus, nicht einmal das Rascheln der Gewänder war noch zu hören. Wursus spürte die Stimmung und erkannte langsam, daß sein Gegenüber wesentlich gefährlicher war, als er gedacht hatte. Niemals konnte ein junger Mensch wie sein Gegner solche Kraft haben und über solche Fähigkeiten verfügen. Das erforderte jahrelanges Training, das ein so junger Mensch noch nicht haben konnte! »Wer bist du?« stieß er hervor. »Du weißt doch, daß das Coru’Scar die volle Wahrheit erfordert.« Der Überschwere zauberte ein Lächeln auf sein Gesicht, das dem Corun den Angstschweiß auf die Stirn trieb. »Ich bin Nor’Citel. Drehe den Namen herum, dann weißt du, wer sich dahinter verbirgt.« Er hatte leise gesprochen. Wursus dachte einen Augenblick nach und wurde blaß. Dann lächelte er und entspannte sich. »Du kannst es nicht sein, denn er ist tot.« »Eingesperrt in einen PEW-Block«, stieß der Überschwere hervor und spuckte auf den blanken Boden. »Jahrhundertelang dazu gezwungen, in diesem Block zu verharren, zu keiner Bewegung fähig, nicht auf geistiger und vor allem nicht auf körperlicher Ebene. Jetzt wurde ich von einem höheren Wesen befreit! Jetzt will Ralf König ich mir meinen Titel wieder zurückholen. Ich bin Corun!« Die Zuschauer hatten von dem leisten Zwiegespräch nichts verstanden. Sie standen immer noch wie erstarrt und warteten auf weitere Handlungen. »Du bist gerade rechtzeitig wiedergekommen, Leticron«, flüsterte der Corun. »Rechtzeitig dafür, das Metall des Tor’Sachar zu spüren zu bekommen und daran zu sterben.« »Rede nicht«, meinte der Überschwere ruhig. »Verteidige dich.« Wortlos begann er damit, den Kampfstab kreisen zu lassen und deckte den Corun mit einer Serie von harten Hieben ein. Schritt für Schritt wich der Mann zurück, bis er mit dem Rücken zum Abgrund stand. Blitzschnell ließ sich der schwerfällig erscheinende Überschwere zu Boden gleiten und ließ das Bein unter den Körper des Gegners wirbeln. Sein Fuß hakte sich bei dem Gegner ein und brachte ihn zu Fall. Der Corun konnte sich gerade noch durch eine schnelle Drehung vor einem Sturz in das Säurebad retten. Dafür stieß er sofort mit der unteren Spitze des Kampfstabes zu und erwischte Leticron am rechten Knöchel. Die Spitze durchdrang den Fuß des Überschweren, der aufstöhnend zu Boden ging. Hart schlug er von innen gegen den Schaft der Waffe und trieb damit die Spitze wieder aus dem Fleisch. Dafür knickte er mit dem Bein ein und landete auf dem rechten Knie. Er konnte nicht mehr aufstehen, der Fuß wollte ihn nicht mehr tragen. Leticron erkannte, daß er ein schnelles Ende machen mußte. Sonst würde diese kleine Narr seinen großen Traum zunichte machen. Der aus ferner Vergangenheit stammende Überschwere ließ kein Auge von seinem Gegner, der sich langsam erhob und den Kampfstab in die richtige Position brachte, um ihn ernsthaft zu verletzen. Blut tropfte aus der Wunde des Pariczaners heraus auf den Boden. Leticron stöhnte auf und verstummte. Einen Augenblick nahm er sich Zeit, konzentrierte sich auf den Gegner, der mit langsam gleitenden Bewegungen um ihn schlich, in seinen Rücken zu kommen versuchte. Dann sammelte er alle Kraft für einen entscheidenden Angriff. Auf der Insel D O R G O N Als der Hieb kam, der ihn töten sollte, rollte er sich so schnell über die Schulter, daß selbst die Zuschauer verblüfft aufstöhnten. Dann kam er auf die Knie, ließ das Tor’Sachar wirbeln und traf mit tödlicher Präzision den Kehlkopf des Gegners, der nicht verstand, wohin Leticron verschwunden war. Verblüffung zeichnete sich auf dem Gesicht ab, die Augen traten leicht hervor und Blut pulsierte aus einer klaffenden Wunde, als Leticron die Waffe daraus hervorzog. Unbarmherzig blickte er auf den Herrscher, der auf die Knie brach. Die Waffe entfiel seinen kraftlos werdenden Fingern. Leticron verharrte auf einem Knie und überließ es dem Gegner, mit seinem näher rückenden Ende klarzukommen. Ein Corun lebte in einem Umfeld ständiger Gewalt und ständiger Gefahr. Dieser Corun hatte sicher schon anderen Überschweren das Sterben erleichtert. Aber ebenso sicher war der eigenen Tod für ihn ein Ereignis, das noch in weiter Ferne lag. Das alles ließ sich aus den entsetzt aufgerissenen Augen des dem Tode Geweihten entnehmen. Die Tradition besagte, daß die Planke erst wieder eingesetzt werden durfte, wenn nur noch einer der Kämpfer am Leben war. Und dieser Fall trat nun ein. Der Sieger vollzog das letzte Ritual. Er kroch über den Boden auf den Toten zu und packte in sein Haar. Als er die Hand daraus hervorzog, umklammerte er das mit wertvollen Brillianten besetzte Netz des Herrschers und hielt es triumphierend in die Höhe. Damit war der Sieg endlich der Seine. Leticron ließ sich erschöpft auf den Boden sinken. Er wartete auf die Ärzte, die ihn nun erst einmal versorgten. In der Zeit, die er brauchte, um vollständig wiederhergestellt zu werden, durfte ihn niemand zu einem weiteren Kampf herausfordern. Sonst hätte der Gegner auch sehr leichtes Spiel gehabt. Leticron wußte die alten Regeln für sich zu nutzen. Und er hatte den ersten Schritt zum Corun of Insel gemacht. Lange würde es nicht mehr dauern. Der zweite Schritt stand unmittelbar bevor. 87 2. Verhandlungen Der Unsterbliche Julian Tifflor gönnte sich einen Augenblick der Ruhe. Eigentlich hatte er diese Zeit nicht, deshalb würde er die komplette Meditation der Upanishad nicht schaffen. Aber er brauchte eine Pause und deshalb ließ er den Zugang zu seinem Büro für eine halbe Stunde sperren. Tifflor ging auf die Knie nieder und atmete mehrmals tief durch. Er stützte locker die Hände auf die Oberschenkel und ließ sich langsam in einen Zustand der Trance gleiten. Dabei hatte er ständig ein Bauwerk vor Augen, das vor vielen Jahrhunderten eine wichtige Rollen in seinem Leben gespielt hatte. Ein blaues, von innen heraus leuchtendes Gebilde, so erschien es zumindest, auf dem höchsten Berggipfel Terras. Ein Bauwerk, das an ein Schloß erinnerte, mit verspielt erscheinenden, kleinen Türmen. Tschomolungma, durchfuhr es den Terraner wie ein Elektroschock. Er verlor nicht die Konzentration, die er benötigte, um zumindest die erste Stufe der Upanishad zu erreichen. Panisha Somodrag Yag Veda erschien vor dem geistigen Auge des Unsterblichen und erzählte von der Geschichte der Upanischad. Er betonte, wie wertvoll die Errichtung dieser ersten Heldenschule in der Milchstraße für alle Völker war, deren oberstes Ziel die Weihe zum ewigen Krieger sein würde. Und er verkündete die Lehre des Permanenten Konflikts. Julian Tifflor verdrängte diesen negativen Aspekt seiner Ausbildung. Bezwungen von Kodexmolekülen hatte er sich in diese Ausbildung gestürzt und war der erste menschliche Absolvent der Lehre der Upanishad gewesen. Zusammen mit einem anderen Menschen. Nia Selegris, durchzuckte es ihn. Zusammen mit ihr hatte er die höchsten Weihen eines Ewigen Kriegers erreicht. Zusammen mit ihr war er von den Kodexmolekülen befreit worden. Und zusammen mit ihr hatte er einen großen Teil seines Lebens verbracht. Er schüttelte diese Gedanken ab und ließ sich langsam von den eigenen Gedanken in Bereich entführen, die jenseits des eigenen Fleisches ge- 88 D O R G O N legen waren. Charimchar, dachte er, als er einen Zustand erreichte, der vergleichbar war mit dem eines buddhistischen Mönches oder Fakirs, der seinen Körper vollendet kontrollieren konnte. Konzentriert näherte er sich der zweiten Stufe, die er für das bevorstehende Gespräch benötigte. Wenn ihn jemand beobachtet hätte, hätte er niemals erkennen können, was sich in dem Körper dieses Unsterblichen abspielte. Er hätte niemals nachvollziehen können, was den Ewigen Krieger auszeichnete. Nicht die Philosophie des Permanenten Konflikts gefiel dem Unsterblichen so gut. Es war diese philosophische Lehre, deren Inhalte eine reife vermittelten, die kaum ein Mensch, ja kaum ein Unsterblicher in diesem Universum auf sich vereinigen konnte. Schüler ESTARTUs, die zu dieser Zeit verschollen war. Ein Stellenwert, der unglaublich viel bedeutete. Eine Lehre, die in diesen unsicheren Zeiten eines Thoregon, einer Superintelligenz DORGON, die nicht sagte, was sie wollte, von einer ungeheuren Wichtigkeit waren. Tifflor folgte dem Pfad seiner Gedanken, bis er eine Schwelle erreichte, die über den Geist hinaus ging. Chargonchar, dachte er, als er einen Zustand erreichte, der mit nichts vergleichbar war, was ein Mensch mit seinen Meditationstechniken jemals erreicht hatte. Einen Zustand, der eigentlich dazu diente, die Persönlichkeit des Shad, des Schülers einer Upanishad zu festigen, bis er ein Charisma erlangt, das es ihm in gewissem Maße erlaubte, ein anderes Wesen zu beeinflussen. Eine Tatsache, die Tifflor in dem nun folgenden Gespräch zu nutzen gedachte. Langsam erhob er sich, sein Gesicht zeigte einen abseitigen Ausdruck, der allerdings nicht erschreckend wirkte. Eher entrückt. Und er wies den Syntron an, Uthe Scorbit zu ihm zu bitten. Seine Blicke richteten sich auf den wolkenlosen Himmel über dem neuen Terrania, das er mehr und mehr zu lieben begann. Es war ein Stück weit seine Stadt, genauso, wie Terrania auf der Erde ein Stück weit die Stadt des Perry Rhodan war. Und in diesem Augenblick, mit auf den Händen verschränkten Armen, wirkte der aus dem terranische New York stammende Terraner wie Ralf König der Galaktiker Perry Rhodan. Er drehte sich zu Uthe Scorbit um, die energisch den Raum betreten hatte. Als sie seiner ansichtig wurde, lächelte sie ihm freundlich zu. Er nickte nur knapp und bat sie, Platz zu nehmen. Ein leises Gefühl des Unbehagens durchlief die Terranerin, als der Unsterbliche vor dem Schreibtisch stehenblieb. Irgend etwas war in seinem Blick, das anders war, als gewohnt. Sie konnte es nicht lokalisieren. Sie lies sich von Tifflor nicht weiter nervös machen und beschloß dieses merkwürdige Gefühl zu ignorieren. »Ich brauche deine Hilfe«, begann Tifflor. Er setzte ihr auseinander, wozu er sie benötigte, was sie entsetzt mit dem Kopf schütteln ließ. »Ich will das aber nicht«, meinte sie, als hätte er sie gebeten, seine Frau zu werden. Dabei sollte sie nur die Geschicke dieser Machtgruppe mitgestalten helfen und als Sozialbeauftragte an seiner Seite stehen. »Das kann ich mir vorstellen«, meinte der Terraner. Er ließ sich langsam in dem Sessel ihr gegenüber nieder. Die bequeme Sitzecke kam ihr plötzlich so unbequem wie eine Holzbank vor. Sie fühlte sich von seinem Blick seziert und wußte nicht, wie sie dem sehr alten Terraner in die Augenblicken sollte. Er schien das auch nicht zu erwarten, denn er sagte zunächst nichts weiter. Da jedoch erinnerte er sie an die beiden Zechonninen, die immer noch im Hause der Scorbits wohnten. Ihre aufopfernde Hilfe hatte ihm gezeigt, daß sie die richtige Einstellung für eine verantwortungsvolle Aufgabe wie diese mitbrachte. Deshalb bat er sie erneut darum, diese Stelle anzutreten. Seine ganze Erscheinung erschien ihr anders als sonst. Sie schüttelte wieder den Kopf, allerdings mit schwindendem Widerstand. Chargonchar, dachte der Terraner mit einem Schmunzeln, das allerdings nicht den Weg in sein Gesicht fand, sondern irgendwo hinter der undurchdringlichen Fassade, die er sich aufgesetzt hatte, hängenblieb. Nur das, was er vermitteln wollte, drang nach außen. Nur das, was seinen Willen unterstützte. Nur das, was er zeigen wollte. Und im Augenblick vermittelte er den D O R G O N Auf der Insel tiefen Ernst, den sein Ansinnen bedeutete und den sie zu spüren bekam. Sie verlor ihre Angst und ihr Widerstand begann langsam, dahin zu schmelzen. Sie senkte für einen Augenblick den Kopf, dann blickte sie ihm fest in die Augen. »Einverstanden, Julian«, meinte sie. Zögernd zunächst, dann immer sicherer werdend, akzeptierte sie sein Angebot und nahm ihm damit eine weitere Last von seiner Seele. Eine Sozialbeauftragte hatte der neue TerraBlock nun. Weitere Positionen mußten besetzt werden und die Spannung, die ihn erfüllte, das innere Gleichgewicht, das ihn immer noch im Griff hielt, ließ ihn nicht in Jubel ausbrechen, nicht einmal ein befreites lachen brach aus ihm hervor. Er lächelte nur ganz leicht angedeutet und erhob sich. Er drückte ihr die Hand und nickte ihr zu. »Du wirst es nicht bereuen«, meinte er. Dann führte er sie hinaus und überließ es dem Servo, ihr das neue Büro zu zeigen, das nun ihren Aufgabenbereich ausmachte. Die Tür glitt lautlos aus der Wand zurück und er ließ es zu, daß der Zustand der Entrückung langsam von ihm abfiel. * Jonathan Andrews schlenderte gelangweilt durch den Park und hing seinen Gedanken nach. Fast wäre er direkt in einen entgegenkommenden Mann gelaufen, der sich auf den zweiten Blick als Matthew Wallace erwies. Der Schotte kam aus der anderen Richtung und schien ebenfalls in Gedanken versunken. Der leicht sonnige Tag und das angenehme Klima dieser Welt hatten sie beide etwas Träge gemacht. Andrews entschuldigte sich wortreich und begrüßte den Freund. Trotz ihrer unterschiedlichen Arbeitsbereiche, trafen sie sich in letzter Zeit öfter. Andrews hatte sich entschlossen, auch an diesem neuen Ort für den Ritter der Tiefe Gal’Arn zu arbeiten und in seinem Dienst zu verbleiben. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, seinen Kontakt zu Marya Jost zu intensivieren. Wallace überraschte das nicht wirklich. 89 Schließlich hatte Andrews schon einen schlechten Ruf, was seinen Schlag bei den Frauen anging. Der ursprünglich aus Schleswig-Holstein stammende Terraner hatte nicht nur ein ungeheures Glück beim weiblichen Geschlecht, dank einer Transportlieferung nach Gäa, wo er eigentlich einen Mercedes-Gleiter abliefern sollte, hatte er auch die intergalaktischen Kontakte knüpfen können, mit denen er immer noch angab. Nun hatte er es sogar geschafft, mit Gal’Arn an dem Insel-Projekt teilzunehmen. Wallace schmunzelte, als er an die abenteuerliche Odyssee des jungen Terraners dachte. Aber auch seine eigenen Wege waren in den letzten Jahren nicht kontinuierlich geradeaus gegangen. Nach dem Ende des Aufenthalts in Dorgon hatte er zusammen mit anderen Mitgliedern der IVANHOE einige Abenteuer erlebt und war dann wieder auf das Schiff zurückgekehrt. Heute arbeitete die alte Besatzung wieder zusammen und wie es sich gehörte, hatten sie auch in diesem Zyklus schon wieder eine Space-Jet zu Schrott geflogen. Naja, manche Dinge änderten sich eben nie. Remus Scorbit rannte an ihnen vorbei und nickte ihnen nur kurz zu. »Keine Zeit«, stöhnte er. »Cascal hat gerufen. Er muß noch einige dringende Dinge erledigen, bei denen ich ihm helfen soll...« Wallace und Andrews bestätigten kurz, dann genossen sie wieder den sonnigen Tag. Das geschah in letzter Zeit nicht allzu häufig. Der Aufbau der Verwaltung hatte Vorrang vor geregelten Arbeitszeiten und selbst in einem Zeitalter, als Roboter viele Dinge übernehmen konnten und Syntroniken den Hauptteil der mechanischen Arbeit erledigten – niemand mußte heute mehr Texte von Hand eintippen und auch die Kommunikation war mit diesen Maschinen wesentlich einfacher, als in den alten Zeiten der prästellaren Zeit. Trotzdem mußte eine solche Verwaltung auch erst einmal funktionieren und viele Dinge beeinflußte immer noch der Mensch, auch wenn es nur deshalb war, damit die Maschinen nicht vollends alles übernahmen und der Mensch zum Sklaven seiner eigenen Automation wurde. Wallace unterbrach seine Gedanken. Er wollte in diesen Augenblicken der Ruhe nicht D O R G O N 90 über die Arbeit nachdenken. »Wie geht es eigentlich Marya?« wandte er sich an Andrews, der nur für einen Augenblick verlegen wurde. * Cascal wanderte nervös in der Zentrale der stellaren Verwaltung umher. Er blickte auf die Bildschirme und ließ sich den Stand der Einsatzbereitschaft der Flotte anzeigen. Er war nicht unzufrieden, als er die Werte sah. Fast alle Schiffe, die auf dem langen Flug von der Milchstraße zum Portal, dem gigantischen Kunsttransmitter, der zu Insel führte, Maschinenschäden erlitten hatten, waren langsam wieder in der Lage, an den Manövern der anderen Schiffe teilzunehmen. Zwar gehörte der Terra-Block nicht zu den stärksten Fraktionen, die Bewaffnung der Erde war in den Zeiten eines erstarkten Arkon auch nicht unwichtig. Aber da die Arkoniden auch eine Menge Schiffe mit in diese Galaxis genommen hatten, waren einige terranische Raumschiffe abgezogen worden. Auf den Raumhäfen von Mankind, Siniestro und all den anderen Welten standen Tausende von Raumschiffen, die den Terra-Block mit knapp 50.000 zusätzlichen Einheiten erstärkte. Insgesamt lag man bei 60.000 Einheiten. Ein weiterer Befehl Cascals war es, die Produktionsanlagen zu besetzen und mit dem Bau von neuen Raumschiffen zu beginnen. Tifflor hatte festgestellt, daß jedes Volk mit 50.000 Raumschiffen ihrer Bauart beschenkt wurde. Die Arkoniden bildeten keine Ausnahme, das bedeutete, sie hatten einen Vorsprung. SHORNE INDUSTRY erklärte sich sofort bereit, die Anlagen mit Personal zu besetzen und die Produktion zu beginnen. Cascal war dieser Shorne zuwider, doch er hatte die Mittel, um den Terra-Block wirtschaftlich schnell an die Spitze zu katapultieren. Das Militär hatte durch die Produktion von Raumschiffen einen großen Vorteil davon. Remus Scorbit hatte sich zusammen mit Berndt Goss der Ausbildung der ersten Kadetten angenommen, also auch der Nachwuchs für die Flotte war gesichert. Die Kadettenschule war unweit des Raum- Ralf König hafens untergebracht und die Kadetten trainierten und exerzierten in streng abgeschlossenen Bereichen für den Einsatz in der terranischen Flotte. Soweit sah es ja ganz gut aus. Aber dem Terraner war durchaus klar, daß diese Sicherheit eher zweifelhafter Natur war. Insofern war er ganz froh, daß derzeit gerade Ruhe in der Insel herrschte. Er hoffte, daß das auch noch eine Weile so bleiben würde. Auch wußte Remus Scorbit nicht, ob er überhaupt der richtige für diese Aufgabe war. Er besaß keine militärische Ausbildung und sah sich mehr als Organisator und Zivilist an und überließ Berndt Goss die Ausbildung der ersten hundert Kadetten. Flakk Portland sollte sich derweil um den Bau einer richtigen Militärakademie kümmern, die den Arbeitstitel »Redhorse Point« trug. * Der Konferenzraum sah anders aus, als noch vor einigen Tagen. Sam blickte auf die Ränge, die sich langsam füllten. Die Vertreter der InselVölker traten nach und nach ein, wurden von Kabinen in Empfang genommen, die bereits am Eingang warteten und in ihre jeweiligen Ehrenlogen geflogen. Alle wichtigen Völker waren anwesend. Julian Tifflor betrat den Raum und sah sich um. Bisher hatte Sam mit dem Terraner noch nicht so viel zu tun gehabt, aber seit Beginn des Insel-Projekts hatten sie angefangen, sich kennen zu lernen. Tifflor war ein guter Diplomat, wie der Somer neidlos feststellen mußte. Er hatte eine besondere Ausstrahlung, nicht immer allerdings, sondern nur dann, wenn er es benötigt. Das war dem Somer schon aufgefallen, aber er wußte nicht, wie der Mensch das machte. Wenn er wollte, konnte er jedenfalls auf Menschen in einer Weise wirken, die fast schon unheimlich war. Und nicht nur auf Menschen, sondern auch auf andere Völker verfehlte seine besondere Aura ihre Wirkung nicht. Auch jetzt, in diesem Augenblick, umgab ihn etwas besonderes. Gemessenen Schrittes näherte er sich dem Somer und schüttelte ihm nach terranischer Sitte vorsichtig den Flügel. Auf der Insel D O R G O N »Ich grüße dich, mein Freund.« Seine Stimme war leise, angenehm und trotzdem gut zu verstehen. Er verstand es, zu wirken. »Ich freue mich, dich im Paxus-Parlament Willkommen zu heißen«, antwortete der Somer. Seine Stimme kam ihm wie ein unmelodisches Krächzen vor, verglichen mit der des Terraners. »Wie gefällt es euch in eurem Lebensbereich?« Das jungenhafte Leuchten in den Augen des alten Wesens zeigte ihm, daß er seine neue Rolle genoß. Lange Jahre hatte er eine fast gefährliche Rolle in diesem Universum gespielt, oder gar keine. Je nachdem, was höhere Mächte gerade bestimmt hatten. Tifflor wußte aber durchaus, sich in Szene zu setzen. Er war ein Verhandlungspartner, der jedem Gegner Respekt abnötigte. Er war ein Streiter für den Frieden und ein geborener Staatsmann. Er war auch schon als der Nachfolger Perry Rhodans gehandelt worden, als dieser noch Großadministrator war. Das allein zeigte schon, daß dieser Terraner wahre Größe besaß. Trotzdem wurde er immer wieder in Einsätze geschickt, die ihm eine Bedeutung in zweiter Reihe verlieh. Und er trug diese Rolle mit einer Gelassenheit, als wäre es das Normalste der Welt. Und wahrscheinlich war es das auch. Jeder der Unsterblichen war sich seiner besonderen Verantwortung, die aus dem Zellaktivatorchip und dem damit verbundenen hohen Alter und der großen Erfahrung verbunden war, durchaus bewußt. Nach kurzer, gedämpfter Unterhaltung wandte sich der Terraner seiner Loge zu und schwebte in die den Terranern zugewiesene Nische. Sam sah den arkonidischen Vertreter und registrierte mit einiger Verwunderung, daß die Arkoniden tatsächlich den Kristalladministrator zu dieser Besprechung geschickt hatten. Der direkte Vertreter Bostichs auf der Insel, Uwahn Jenmuhs. Der Arkonide verursachte ein unbehagliches Gefühl in dem Somer. Seine Augen funkelten in einem Glanz, der verhieß, daß diese Verhandlungen nicht ohne die Arkoniden möglich waren und seine Gesten bewiesen, daß er sich für das wichtigste Wesen in diesem Raum hielt. 91 Langsam kehrte Ruhe in dem großen Raum ein. Sam blickte sich unbehaglich um. Er erkannte, daß sein Einsatz unmittelbar bevorstand. Er trat in die Mitte des Raumes und stellte ich der Versammlung. Er räusperte sich nicht, stand einfach locker vor allen Versammelten, die ihm alle ins Gesicht blickten, auch diejenigen, die hinter ihm angeordnet waren. Und er blickte in Gesichter erfahrener Diplomaten. Das bedeutete aber auch, daß es in diesem Raum, ähnlich wie im Galaktikum, zu zähen Verhandlungen kommen würde, endlosem Reden und Zerreden von Ideen und Einwänden, die jeglicher Grundlage entbehrten und nur dem Eigeninteressen eines jeden Machtbereiches entsprachen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, daß dieses Projekt ein Abbild der Milchstraße werden würde, dann konnte man es in diesem Raum sehen. Und Sam merkte, wie er langsam in die richtige Stimmung kam. Seine Pulsfrequenz erhöhte sich leicht, er stellte sich all den Blicken und konzentrierte seine Aufmerksamkeit auf die anstehenden Probleme. Er eröffnete die erste Sitzung des PaxusParlaments. * Und er verfluchte diese erste Sitzung schon kurz nach der Eröffnung. Zuerst hatte er in seiner Rede alle anwesenden Völker persönlich begrüßt. Er mußte dabei darauf achten, jedes der Völker auch wirklich persönlich anzusprechen. Und die Reihenfolge entsprach der Wichtigkeit, die jedem der Blocks beigemessen wurde. Dabei konnten schon genug Fehler passieren und es war Sam durchaus nicht entgangen, wie zornig Jenmuhs geblickt hatte, als die Terraner vor ihm begrüßt worden waren. Die wahren Probleme waren dann aber aufgekommen, als er das Modell für das InselParlament vorgestellt hatte. Er dachte dabei an eine Einrichtung, die eine Art Regierung dieser Welt darstellen sollte. Paritätisch gewählte Vertreter sollten das Parlament insgesamt bilden. Aus den Mitglieder eines Volkes sollte einer ausgewählt werden, der in einer Art Regierungsrat seinen Sitz finden würde und aus des- 92 D O R G O N sen Mitte sollten vier Vertreter erwählt werden, die die Insel dann in letzter Konsequenz – natürlich in Abstimmung mit dem Gesamtrat – regieren würden. Die meisten Vertreter erklärten sich mit diesem Vorgehen einverstanden. Aber bestimmte Völker, die ihre Machtinteressen durch diese Vorschlag gefährdet sahen, sprachen sich dagegen aus. An vorderster Front waren hier die Arkoniden zu nennen, die sich dem Vorschlag vehement entgegenstellten. Aber auch die Blues wehrten sich heftig. Besonders enttäuschte den Somer, daß auch die Dorgonen offensichtlich ein Problem mit diesem Vorgehen hatten. Und so schleppten sich die Verhandlungen über mehrere Stunden dahin und anstatt wertvolle Arbeit zu leisten, wurden all die Vorschläge, die in mühsamer Kleinarbeit ausgearbeitet worden waren, zerredet wo es nur ging. Bis Tifflor aufstand und Sam in der Mitte des Raumes beistand. Er hielt eine Rede darüber, wie anstehende Probleme zu behandeln seien und schaffte es in der Tat, Aufmerksamkeit zu erregen. Man hörte ihm zu, wollte sich aber immer noch nicht auf die angeregten Punkte einlassen. Schließlich einigte man sich darauf, die Sitzung erst einmal zu vertagen. In Verhandlungen einzelner Völker miteinander hoffte man, Probleme erst einmal lösen zu können, ohne längere Diskussionen hinnehmen zu müssen. Und so trennte sich das provisorische Parlament nach seiner ersten Sitzung ohne großes Ergebnis. Die Angehörigen der einzelnen Völker verließen das Parlament und betraten die Parks und Gärten. Einige zogen sich in ihre Botschaftsbereiche zurück, andere zogen es vor, in den Gärten umherzuwandern und dabei erste Gespräche untereinander zu führen und mit diesen Ergebnissen, kleineren Bündnissen und Absprachen dann auf einer ganz neuen Basis verhandeln zu können. Sam blickte den Abgeordneten hinterher und schüttelte leicht den Kopf. Er hätte sich denken können, daß es nicht so einfach werden würde. Nicht mit all diesen Vertretern humanoider Rassen, denen eigene Interessen immer wichtiger schienen, als gemeinsame Interessen. Aber er konnte andererseits auch nicht zu hart urtei- Ralf König len. Sein eigenes Volk war in der Vergangenheit kaum anders gewesen. Trotzdem war er mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Er beschloß, erst einmal Gespräche mit dem Terra-Block zu führen um bei weiteren Verhandlungen einige Rückendeckung aufbieten zu können. Offenkundig ging es ohne diese nicht. * Anya Guuze blickte trübsinnig in ihr Glas. Sylke stand neben ihr und flirtete ungeniert mit einem Raumsoldaten, der an der Bar lehnte. Sie widmete der Freundin nur einen Seitenblick, ließ sich von ihrer schlechten Laune aber nicht weiter anstecken. Die Inselbar am Rande des Raumhafens war, wie immer um diese Zeit, gut gefüllt. Wilde Musik drang an die Ohren der jungen Terranerin, die bei den Raumkadetten diente und sich dort zur Kommandostationsoffizieren ausbilden ließ. Andere ihrer Klassenkameraden waren ebenfalls Teil dieser Einheit, unter anderem Neve Prometh, die Anya schon während der gemeinsamen Zeit auf der Erde des öfteren auf die Nerven gegangen war. Und auch hier, fernab der Heimat, wollte man nicht akzeptieren, daß sie die beste und vor allem schönste dieser Einheit war. Die ehemaligen Klassenkameraden des Überschweren Siddus hatte es auch nach Cartwheel gezogen. Ursprünglich war es Neve Promeths Idee, doch auch die anderen waren schnell begeistert. Da im Mai die Beendigung der Bürokommunikationsausbildung war und der größte Teil bestanden hatte, bewarben sie sich für die Insel als Freiwillige. Da man viele Freiwillige suchte, wurden sie auch genommen und begannen eine Ausbildung als Kadetten in der LFT-Sternenflotte, wobei sie wenige im Militär, als mehr in der Adminstration eines Raumschiffes eingesetzt wurden. Anya schüttelte zornig das Haupt und biß sich auf die Unterlippe. Sie ignorierte einen aufdringlichen Soldaten, der ihr gerade den Hof machte und deutete nur wortlos auf ihre Rangabzeichen, die sie als Unteroffiziersanwärterin auswiesen. Der Soldat verzog sich daraufhin Auf der Insel D O R G O N wortlos und widmete sich lieber wieder Frauen, die nicht nur zum Trübsal blasen in diesen Club gekommen waren. »Ach nein«, hörte Anya ihre Freundin Sylke gerade begeistert aufstöhnen. »Sternenstaub? Wie kommst du denn an das Zeug? Ich dachte, das hätten wir in der Milchstraße zurückgelassen.« »Das schon«, meinte der andere Soldat. »Aber die Aras haben wir ja mitgenommen. Die können auch hier gute Ware liefern. Also, was ist nun, willst du eine Prise von dem Zeug?« Sylke zögerte nur einen Augenblick. Sie wußte zwar, daß der Genuß dieser Droge starke Halluzinationen hervorrief und auf Dauer der Gesundheit eher abträglich war, aber sie war jung und wie alle jungen Menschen hielt sie sich ohnehin für unsterblich. Also nickte sie und nahm offen eine Prise von der Droge. Sie stieß Anya an, die sich nur einen Augenblick zierte und dann ebenfalls zur Droge griff. Kurz bevor sie sich den Staub zuführte, warf sie noch einen Blick in eine Nische nicht weit entfernt, in der einige Soldaten der Bodentruppen am Feiern waren. Frauen waren auch dabei. Aber nicht sie und das machte ihr sehr zu schaffen. Denn bei den Raumsoldaten war nicht nur Roppert Nakkhole dabei, sondern auch Krizan »The Bush« Bulrich. Sie haßte ihn. Eigentlich haßte sie ihn nicht wirklich, aber sie war wütend, weil er es gewagt, hatte, mit ihr Schluß zu machen. Er mit ihr! Das mußte man sich einmal vorstellen! Wie konnte er es nur wagen. Die Droge begann zu wirken und erlaubte ihr, das Geschehen mit mehr Gleichgültigkeit zu sehen. Langsam regte sie sich ab und wurde ruhiger. Sie warf nur noch einen kurzen Blick in Richtung der feiernden Raumsoldaten, bei denen der Vurguzz in Strömen floß, dann wandte sie sich einem Kerl zu, der sich ihr genähert hatte und einen Drink nahm. Sie lehnte sich an ihn und ließ ihren Fingernagel über seine stark behaarte Brust gleiten. Seine Kombination klaffte vorne fast bis zum Schritt auseinander und zeigte mehr, als sie verbarg. Anya genoß das und schaute dem Kerl in die Augen, der ungerührt zurück blickte. »Was treibt dich denn hierher?« 93 Ihre Stimme war nicht im geringsten unsicher, aber an ihren Augen sah er, daß sie auf Drogen war. Es störte ihn nicht. Drogen waren in diesen Zeiten in gewissen Kreisen durchaus normal. Ordnung schaffen konnten im Augenblick nur sehr wenige Menschen in diesem Machtbereich und vermutlich würden einige der Ausbilder die Hände über den Kopf zusammenschlagen, wenn sie sehen würden, welche Parties hier so gefeiert wurden. Noch konnten sie das nicht. Noch konnte man sich fast ungestört amüsieren. Und der Soldat beschloß, das noch zu genießen, solange es möglich war. Er legte seinen Arm um die junge Frau und küßte sie wild. Sie erwiderte diesen Kuß und schaffte es endlich, ihren Ex-Freund aus ihren Gedanken zu verdrängen. * Gleichzeitig saßen Remus Scorbit und Uthe gerade in einem der besseren Lokale in der Nähe des Zentrums. Sie waren nicht allein in diesem Restaurant. Einer der Ausbilder aus Remus’ Einheit begleitete sie, nachdem Scorbit ihn zum Essen eingeladen hatte. Helge von Hahn war einmal der Freund von Uthes Schwester gewesen. Das war noch auf der Erde und schon länger her. Aber aus verschiedenen Gründen würde sich Remus immer an ihn erinnern. Denn er war kein besonders freundlicher Zeitgenosse gewesen. Im Gegenteil, er erwies sich als eher brutaler Mensch, der es tatsächlich fertig brachte, seine Frau zu verprügeln. Dies war äußerst ungewöhnlich in diese Zeiten der Psychohygiene und Remus hatte sich immer darüber gewundert, wie es von Hahn gelungen war, allen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Aber auch in diesen Zeiten war es immer gut, wenn man die richtigen Leute in den richtigen Positionen kannte. Networking nannte man das, und von Hahn hatte das schon immer recht gut verstanden. In einem solchen Projekt, vor allem in einer schweren Zeit, wo die wirklich guten Leute auf der Erde und in der Milchstraße gebraucht wurden, war es schwierig, Menschen wie ihn außen vor zu halten und deshalb hatte sich Remus ent- 94 D O R G O N schlossen, mit dem Mann eine Art Burgfrieden zu schließen. In der letzten Zeit arbeiteten sie auch gut zusammen, die Ausbildung der Kadetten ging recht gut vor sich und sie hatten auch wenig Probleme mit den jungen Menschen. Deshalb hatte sich Remus zu diesem gemeinsamen Essen entschlossen. Uthe war darüber nicht sonderlich begeistert gewesen. Im Gegenteil, sie stand dem Mann, der ihrer Schwester solche Probleme bereitet hatte, eher reserviert gegenüber. Sie traute ihm nicht und hielt ihn für intrigant. Aber Remus hatte es geschafft, ihr seinen Standpunkt klarzulegen. Deshalb hatte sie sich entschlossen, den Abend so gut es ging zu genießen. Und es schien auch ein angenehmer Abend werden zu wollen. Das Restaurant war nicht nur ein besonders eingerichtetes Bauwerk, das sogar auf Terra zu einigem Staunen angeregt hätte, auch das Unterhaltungsprogramm konnten sich sehen lassen. Und das Essen war einfach nur hervorragend. Aus dem nichts heraus materialisierten die Künstler auf der Bühne und begannen, Musik zu machen oder Kunststücke vorzuführen. Immer wieder erschien ein etwas merkwürdig erscheinender kleiner Mann mit einem großen Schnauzbart, der den nächsten Showact ankündigte und die Menschen in dem Restaurant spendeten Applaus. Dann kündigte der Mann das besondere Ereignis an, weswegen das AnhaltersInn zu einem der Besonderheiten auf diesem Planeten geworden war. Es simulierte den Untergang des Universums und schaffte auf diese Weise eine geradezu unheimliche Atmosphäre. Es war schon ein Wunder, daß es gelungen war, einen Platz hier zu reservieren. Aber vermutlich war es geschehen, weil sie beide Teil der Regierung waren. Von Seiten der Geschäftsleitung aus wollte man ihnen wohl einen gefallen tun. Deshalb kamen Remus und Uthe zusammen mit ihrem Gast in den besonderen Genuß eines solchen Ereignisses. Doch Uthe störte die Gesellschaft von Helge von Hahn. Der Unteroffiziersanwärter versuchte Remus davon zu überzeugen, auch ins Militär zu gehen und selbst eine Ausbildung zu machen, anstelle einen Organisationsposten zur Bewachung der Ausbildung zu übernehmen. Ralf König Helge von Hahn sprach von Patriotismus und gesundem Menschenverstand, den die Blauen oder andere Wesen nicht besaßen. Remus schienen die Worte zu gefallen, Uthe hingegen war angewidert. * Leticron spazierte durch einen der Gärten, der fast wirkte, als wäre er New Paricza entnommen und direkt hier eingeflogen worden. Natürlich war er das nicht. Er war aber trotzdem auf eine Weise ästhetisch, die sogar dem Überschweren ein erfreuliches Gefühl zu entlocken vermochte. Die Folgen des Coru’Scar hatte er mittlerweile überwunden. Nun wollte er sich auf einen zweiten Teil des Planes konzentrieren, der ihm über kurz oder lang die Herrschaft über das gesamte Insel-System verschaffen würde. Er nahm eine Einladung von Taka Kudon an, dem Herrscher der Dscherro, die aus unerfindlichen Gründen ebenfalls Teil der Insel waren. Taka Kudon hatte sein Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Pariczaner bekundet. Bereits in den wenigen Amtswochen von Wursus gab es Konferenzen mit den Dscherro und Hauri, die eine Allianz bilden wollten. Leticron wollte diese Gedanken wieder aufleben lassen und konnte die Dscherro und Hauri sicherlich als Faktoten gebrauchen. Natürlich hatte er kein wirkliches Interesse an einem Bündnis, doch er mußte sich ihrer bedienen, um voran zu kommen. Leticron rückte seinen Anzug zurecht, der eher an einen Kampfanzug erinnerte, als besonders geeignet für einen Empfang zu sein. Aber bei der besonderen Art, die der Gastgeben bevorzugte, war es sicher ratsam, sich nicht allzusehr in Schale zu werfen. Man konnte schließlich nie wissen. Der Pariczaner schickte sich an, mit seinem Gefolge die Liegenschaften der Überschweren zu verlassen und näherte sich dem Areal der Dscherro, die einen wildwuchernden Dschungel um ihre Burg wachsen ließen. Zwischen den Bäumen hindurch konnte man gerade noch so zu der Dscherro-Burg kommen und Leticron betrat die Burg der Dscherro mit einem ge- D O R G O N Auf der Insel mischten Gefühl. Einerseits fühlte er sich fast wie zu Hause, weil er bereits an der ganzen Ausstrahlung der Gehörnten verspürte, daß sie eher von seiner Art waren. Nicht so wie diese Diplomaten, die nichts anderes taten, als zu reden, anstatt endlich zu handeln. Paricza brauchte Platz, sein Volk wollte mehr von dieser Sterneninsel besitzen. Genaugenommen den ganzen Bereich. Dieses Ziel war aber noch in weiter Ferne. Die Party mit den Dscherro hingegen lag nahe und konnte sehr wichtig für sie werden, wenn es ihm gelang, den Dscherro entsprechend zu beeinflussen. * Julian Tifflor und der Somer Sam standen auf der einen Seite des Raumes vor einer terranischen Delegation. Auf der anderen Seite standen Jenmuhs und Michael Shorne in trauter Einigkeit, die man ihnen so nicht zugetraut hätte. Weitere Vertreter der terranischen Verwaltung waren ebenfalls anwesend, unter anderem auch Uthe Scorbit. Sam war klar, daß die Terraner und die Arkoniden sehr wichtig in diesem Ringen um eine Einigung waren. Wenn beide Völker an einem Strang ziehen würden, dann würden die anderen wohl kaum nein sagen. Dies hatte er mit Tifflor besprochen, der sich nicht gegen die Pläne des Somers stellen wollte, weil er ähnliche Gedanken bereits gehabt hatte. Die Atmosphäre in diesem Raum war gespannt. Nicht nur die Politik der Insel in der Zukunft war ein Streitpunkt zwischen den Anwesenden auch die zukünftige Geschäftspolitik war ein Thema, deshalb war auch Shorne, der als führender Unternehmer dieser Galaxis gelten konnte, anwesends. Uthe Scorbit wollte besonders auf ihn einwirken, um ihn zu einer für die Menschen verträglicheren Geschäftspolitik bringen zu können. Bisher hatte sie sich allerdings die Zähne an ihm ausgebissen. Der Unternehmer war eiskalt und ließ sich nichts einreden. Uthe war schon nahe daran, aufzugeben. Gleichzeitig verhandelten Sam, Tifflor, Don Phillipe de la Siniestro und Jenmuhs um die neue Regierungsform in der Galaxis. Jenmuhs wehrte sich vehement dagegen, eine Regierung zu akzeptieren, der eventuell auch Terraner an- 95 gehören würden. Als Uthe ihre Verhandlungen mit Shorne unterbrach, weil sie zu keinem Ergebnis kamen und sich Tifflor und Sam zugesellte, verdüsterte sich das Gesicht des Arkoniden plötzlich. Er verschloß sich wie eine Auster und verweigerte die Fortsetzung der Verhandlungen. Keiner verstand wirklich, was dahintersteckte. Uthe hätte es sich denken können, aber auch sie verdrängte die Erinnerungen an die unseelige Fahrt der LONDON II, deren Ende nicht nur das Ende eines Schiffes sondern auch vieler Wesen der Galaxis gewesen war. Einer der Toten war der Bruder des arkonidischen Botschafters, der damals versucht hatte, das Schiff erst in den Untergang zu führen und nur von Rosan Orbanashol-Nordment und Uthe Scorbit daran gehindert werden konnte. Nicht zuletzt den beiden Frauen war der Tod seines Bruders zu verdanken. Und nicht zuletzt aus diesem Grunde, verweigerte Jenmuhs die Fortführung der Verhandlungen. Tifflor unterbrach seine Versuche, mit dem Arkoniden zu einer Einigung zu kommen ,weil eine Nachricht eingetroffen war. Da im Augenblick nur die wichtigsten Nachrichten zu ihm durchgestellt wurden, wußte der Terraner, daß etwas bedeutsames geschehen war. Er rief die Nachricht ab und winkte dann dem Somer. Zusammen verabschiedeten sie sich von den Anwesenden und machten sie so schnell es die Höflichkeit erlaubte auf den Weg nach draußen. Uthe wollte ihnen folgen, sah sich aber plötzlich von Jenmuhs abgedrängt. Sie konnte sich nicht dagegen wehren und merkte auch mit entsetzen, daß sie plötzlich allein zu sein schienen. Erschreckt blickte sie sich um beschloß dann aber, das Problem direkt anzugehen. »Was kann ich für Sie tun?« fragte sie freundlich den Arkoniden, dem man seinen Haß förmlich ansehen konnte. Schweigend musterte der Arkonide sie. Seine Hände zitterten, er ballte sie langsam zu Fäusten und entspannte sie dann ebenso langsam wieder. Er beherrschte sich mühsam aber sie erkannte, daß er kurz davor war, ihr Gewalt anzutun. »Mein Bruder...« preßte er hervor. »Waren Sie nicht auf der LONDON II?« 96 D O R G O N Langsam dämmerte ihr, was dieser Mensch meinte. Sie nickte langsam und begann zu verstehen. »Sie sind der Bruder von Hajun Jenmuhs«, stieß sie hervor. Jenmuhs nickte. Er wollte noch etwas sagen, wurde aber unterbrochen, als Anica den Raum betrat und Uthe in einer unangenehmen Situation vorfand. Sie blickte den Arkoniden verständnislos an, der einen Schritt zurücktrat, als er Anica gewahrte. Nur für einen Augenblick streifte sein Blick ihr Gesicht. Die Ebenmäßigkeit dieser Gesichtszüge, die schlanke Gestalt der jungen Frau und ihr sanftes Lächeln schienen ihn besonders zu berühren. Uthe musterte ihn genau und verstand, daß er Anica offenbar besonders anziehend fand. Vielleicht deshalb konnte er seine Augen kaum von ihr nehmen. Vielleicht genoß er vor allem ihre puppenartige, fast filigrane Erscheinung. Besonders arkonidisch wirkte sie jedenfalls nicht, das konnte es also nicht sein. Jedenfalls ließ er von ihr ab und das war ihr vor allem wichtig. Das junge Mädchen warf einen verständnislosen Blick auf den Arkoniden, als der aber nichts weiter sagte sondern Anstalten machte, rot zu werden, wandte sie sich Uthe zu. »Ich wollte dich abholen. Ich hoffe, ich störe nicht?« Erstaunlich, dachte Uthe. Normalerweise war das Mädchen eher zurückhaltend und naiv, daß sie so sensibel auf diese Situation reagieren würde, rang ihr leichtes Erstaunen ab. Sie schüttelte den Kopf. »Du störst nicht. Ich wollte sowieso gerade gehen. Wenn du erlaubst, verabschiede ich mich nun von Ihnen, Uwahn Jenmuhs. Ich wünsche noch angenehme Verhandlungen und ich wünsche uns allen, daß wir sehr bald zu einer Einigung kommen.« Wiederum verblüffte der Arkonide sie, indem er lediglich mit dem Kopf nickte und sich dann wortlos umwandte. So verpaßte er den Auftritt von Remus, der angerannt kam und Uthe wichtige Neuigkeiten persönlich überbrachte. »Das Portal...« keuchte er. Er atmete tief Ralf König durch und vollendete dann den Satz. »Das Portal ist aktiv geworden. Aurec ist auf der Insel angekommen. Und er hat eine gewaltige Flotte mitgebracht. In unserer Galaxis sind soeben 500.000 Raumschiffe der Saggittonen materialisiert.« * Die Flotte der Saggittonen war auf der Insel materialisiert und sie war ebenfalls durch das Portal gekommen. Sam hatte sich als einziger so etwas schon gedacht, er war fast sicher gewesen, daß DORGON noch mehr solcher Stationen kannte, deshalb hatte er das Portal besonders überwachen lassen. Der Somer hatte die Beteiligung der Saggittonen vermißt. Daß sie jedoch mit diesem Aufgebot ankamen, war unerwartet. Er erwartete die Flotte des Saggittonen über Paxus, denn diese Welt, die das Zentrum der Insel sein sollte, würde die erste Station der Saggittonen sein. Hier würden sie erfahren, wohin sie ihre Schiffe lenken durften, hier würde man ihnen mitteilen, welches Sternenreich das ihre werden würde. Sam, Tifflor und Don Philippe erwarteten die Ankunft der gewaltigen Flotte, die ein solches Ausmaß hatte, daß man sie vom Boden dieser Welt aus erkennen können würde, wenn sie einmal eingetroffen war. Und die drei Wesen hatten nicht lange zu warten, bis sich am Himmel am hellen Tag Sternschnuppen sehen ließen, die in großer Zahl über den Himmel dahinglitten, ohne jemals zu verglühen. Sie hielten nur einfach irgendwann an, verließen die Atmosphäre wieder und suchten sich eine Parkposition. Dieses kleine Feuerwerk war ein Gruß des großen Saggittonen an alle Wesen auf Paxus. Nur ein einzelnes Beiboot löste sich aus der Flotte. Es landete unweit der drei Wesen auf dem großen Raumhafen, auf dem immer noch 200.000 Schiffe DORGONs auf ihre Bestimmung warteten. Aurec verließ das Schiff und lief über das Flugfeld. Bevor er die Terraner erreichen konnte, flimmerte die Luft vor dem Saggittonen. Tifflor, Sam und Don Philippe hatten mittlerweile den Saggittonen fast erreicht. Alle vier hielten Auf der Insel D O R G O N abrupt an und starrten auf die Gestalt, die sich aus der Luft zu schälen schien. »Ein Glück, daß Cascal nicht hier ist«, meinte Tifflor trocken, als er die schlanke Gestalt der Botin DORGONs erkannte. Nadine Schneider materialisierte auf dem Flugfeld, nur kurz nach Paxus geschickt von der Wesenheit, deren Beschlüsse man noch immer nicht ganz verstand. »Aurec«, sprach die junge Frau. »Du findest die Koordinaten deiner neuen Heimat im Syntron deines Schiffes. DORGON freut sich, auch die Saggittonen auf der Insel begrüßen zu dürfen. Vergeßt nicht, daß DORGON sich um dein Volk kümmern wird!« Sie wandte sich allen zu und sprach nochmals zu den Menschen und Wesen, die sich langsam in immer größeren Gruppen auf dem Flugfeld versammelten und die Worte der Botin hörten. »Jetzt sind alle Völker auf der Insel versammelt. Ich wünsche euch allen viel Erfolg darin, eure Welten einzurichten und ein gemeinsames Parlament zu etablieren. Es wird nicht mehr lange dauern. Dann wird sich DORGON wieder bei euch melden.« Bevor jemand etwas sagen konnte, löste sich die Gestalt der jungen Frau in Nichts auf. Es war nicht wie eine Teleportation, bei der die Luft mit einem Knall in das entstandene Vakuum stürzt. Der Vorgang spielte sich vollkommen lautlos ab, so als öffne sich eine kleine Schleuse, durch die sie aus dieser Welt trat und in ein unbegreifliches Irgendwo überwechselte. Es wirkte fast wie der distanzlose Schritt, als sich die Botin von dieser Welt verabschiedete und die Wesen allein mit ihrer Aufgaben zurückließ. Aurec verschwendete die Zeit nicht mit langen Reden. »Wir haben eine Menge Arbeit vor uns. Viele Milliarden Saggittonen wollen eine neue Heimat finden. Viele Milliarden Wesen in 500.000 Raumschiffen. Wenn wir unsere Welt bezogen und eine provisorische Regierung gebildet haben, dann melde ich mich wieder. Ihr seid aber gerne dazu eingeladen, euch auch in unserem neuen System sehen zu lassen.« Ohne ein weitere Wort wandte sich der Sag- 97 gittone um und betrat sein Beiboot wieder. Es schwang sich in die Höhe und ließ die Atmosphäre dieser Welt schnell hinter sich. Kurz nach dem Einschleusen des Saggittonen setzte sich die gewaltige Flotte wieder in Marsch, um ihre Welt zu besiedeln. Epilog. Aurec Auf dem Weg zu seinem System hatte er über Holographie Sam, Tifflor und einigen anderen Völkern erklärt, was in Saggittor passiert war. Die Gefahr durch MODROR hatte neue Formen angenommen, denn er war in der Lage eine ganze Galaxis zu vernichten. Auch wenn DORGON half, die restlichen Lebewesen zu retten, so mußte doch die Superintelligenz SAGGITTORA sterben. Die Gefolgsleute von MODROR schienen mehr und mehr zu werden. Nicht nur Cau Thon und Goshkan zählten zu ihnen, nun auch die Rote Entität Rodrom, die bereits früher gefürchtet war. Aurec hoffte, mit seinen Erlebnissen etwas Licht in das Dunkel zu bringen. Sam und Tifflor reagierten schockiert auf diese Nachricht und sicherten den Flüchtlingen vollste Unterstützung zu. Auch die estartischen Völker, Dorgonen und Akonen erkannten die gefährliche Situation. Die Arkoniden jedoch sahen in den Saggittonen nur eine weitere Großmacht, die ihre Machtgelüste behindern könnte. Es würden noch harte Zeiten auf die Insel zukommen. Aurec hatte keine Ahnung von Vorgängen, die sich in der gesamten Galaxis abspielten. Aber er konnte sich vorstellen, daß es bei den anderen Völkern, die immerhin schon etwas länger hier waren, inzwischen etwas ruhiger geworden war. Er selbst rannte durch die Zentralverwaltung seines neuen Hauptplaneten, der den gleichen Namen trug, wie sein Alter. »Saggitton« war die Hauptwelt dieses neuen Reiches. Und er hatte die Absicht, diese Vertretung in ein genaues Abbild dieses alten Saggitton zu verwandeln, das er hinter sich gelassen hatte. 98 D O R G O N Aurec hatte im Augenblick wenig Gelegenheit, über seine alte Welt und seine alten Probleme nachzudenken. Im Gegenteil, derzeit mußte er sich vollkommen auf die neuen Probleme konzentrieren. Sie waren noch nicht lange in diesem Planetensystem angekommen. Die meisten Raumschiffe seines Volkes waren noch nicht einmal in einer stabilen Umlaufbahn angekommen. Die Saggittonen darin warteten noch darauf, auf einem Planeten landen zu dürfen und auszusteigen. Andere waren da schon etwas weiter, nicht nur in der Ausführung all der anfallenden Arbeiten, die bei der Neuerrichtung einer solchen Welt auf ein Volk zukamen. Vor allem hatten sie auch einen leichten zeitlichen Vorsprung, denn bis vor sehr kurzem mußte der Prinz des saggittonischen Reiches noch sehr um sein Königreich fürchten. Mittlerweile hatten sich einige der Wogen wieder geglättet und sein Volk konnte aufatmen, denn die Umstürzler hatten es nicht geschafft, die Herrschaft über Saggitton an sich zu reißen. Doch die Flucht aus der sterbenden Galaxis Saggittor lag jedem einzelnen wie ein Felsbrocken auf dem Herzen. Aurecs Gedanken kreisten um die vielen hunderte Milliarden Lebewesen, die DORGON in sich aufgenommen hatte. Was wurde aus ihnen? Doch jetzt mußte er sich um seine übriggebliebenen Artgenossen kümmern. Da war es kein Wunder, daß auch auf Saggitton noch nicht alles perfekt war. Hunderte von Millionen von Lebewesen warteten geduldig darauf, bis sie ihr Schiff endlich verlassen konnten und ihre wenigen Habseligkeiten, die sie auf diese weite Reise mitgenommen hatten, auch wirklich in den ihnen zugewiesenen Häusern unterkamen. Die Schiffe landeten in mehreren Gruppen, entluden nach und nach die Fracht und ließen die Lebewesen aussteigen. Dann hoben sie wieder ab und suchten sich einen Platz, wo das Schiff für einen längeren Zeitraum liegen konnte. Auf dem Raumhafen der neuen Welt herrschte ein unbeschreibliches Chaos. Aurec befand sich zwar im Verwaltungsgebäude, aber er konnte auf vielen Hologrammen einen Überblick über die Lage gewinnen. Ralf König 500.000 Raumschiffe umfaßte der Verband. Der größte einzelne Verband auf der Insel, wie sich Aurec klarmachte. Für einen Moment erschauerte er, als ihm klar wurde, was das für sein Volk bedeutete. Und gleichzeitig verspürte er stolz auf die Wesen, die mit ihm dieses Wagnis eingegangen waren. Trotz der Zustände, die mittlerweile auf den Schiffen herrschen mußten, konnte er niemanden hören, der sich beklagte. Sie hatten auch keine andere Wahl. Diese Galaxis mußte ihr neue Heimat werden. Ihre Galaxis war dem Chaos zum Opfer gefallen. Alle faßten mit an. Nachdem sie die Schiffe verlassen hatten und in den Straßen der Stadt verschwanden, ihre Häuser erreicht und ihre Habseligkeiten notdürftig untergebracht hatten, verließen sie fast alle die Häuser wieder und meldeten sich am Raumhafen freiwillig, um den anderen beim Entladen der Schiffe zu helfen oder sie in der neuen Stadt zu ihrem neuen Wohnort zu führen. Alle arbeiteten zusammen und wirkten wie eine große Einheit. Die Aufgabe, eine neue Stabilität fern der Heimat zu erschaffen schweißte offensichtlich alle zusammen und der Prinz mußte nicht extra darauf hinweisen, wie wichtig ein solches Verhalten auch war. Fünf Systeme waren ihnen zugewiesen worden. Auf anderen Schirmen konnte er erkennen, daß sich in den anderen Systemen in wesentlich kleinerem Umfang ähnliche Szenen abspielten und ein Lächeln zuckte über sein Gesicht. »Prinz, wir haben Probleme.« Trotz der angespannten Situation kein lautes Rufen und Schreien, sondern nur ein leiser, sachlicher Hinweis. Fast schon unglaublich, was eine gemeinsame Herausforderung aus einem Volk machen konnte, das noch vor sehr kurzem damit beschäftigt gewesen war, einen Bürgerkrieg auszutragen. Er löste sich aus seiner Erstarrung, wandte sich dem Mann zu, der hinter ihm stand und eine Liste in der Hand hielt. Konzentriert blickte er auf das Blatt, das man ihm hinhielt und gab einige leise Anweisungen, die prompt ausgeführt wurden. Es schien alles perfekt in diesem Teil der Galaxis. Aber die Gegner und politischen Unruhestifter schliefen sicher auch in Auf der Insel D O R G O N dieser neuen Galaxis nicht. Wer würde seinen Machtbereich am schnellsten geordnet und abgesichert haben? Wie lange würde es dauern, bis in dieser Galaxis wirklich Stabilität einkehrte? Alle beteiligten waren sich darüber im Klaren gewesen, als das Projekt begonnen hatte. Solange einzelne Völker noch in der Einrichtungsphase waren, konnte am meisten schiefgehen. 99 Aurec hoffte auf seine Freunde, denn um dieses Problem konnte er sich im Augenblick nicht kümmern. Zusammen mit Serakan und Sato Ambush mußte er seinen Artgenossen helfen, sich in der neuen Heimat einzufinden. Und er setzte darauf, daß man ein Volk, das über so viele Raumschiffe verfügte, vorläufig in Ruhe lassen würde. 100 D O R G O N Ralf König Heft 44 Die Helfer Ijarkors Die Saggittonen besiedeln die neue Kleingalaxis - Streit unter den Völkern von Tobias Schäfer Titelbild von Klaus.G.Schimanski D O R G O N Die Helfer Ijarkors Prolog. Auf der Insel »...ist es ihnen gelungen, 20.000.000.000 Wesen zu retten...« »...beginnen die Besiedlung...« »...zehn Systeme zu ihrer Verfügung gestellt, keine geringe Menge bei der Ausdehnung der Insel. Die saggittonischen Völker unter ihrem Kanzler Aurec, der Perry Rhodans persönlicher Freund ist, stehen vor einem absoluten Neuanfang. Im Gegensatz zu den anderen anwesenden Völkern gibt es für sie keine Möglichkeit zur Umkehr...« »...sollte nicht vergessen, wo die Sympathien der Saggittonen liegen! Ihre zahlenmäßige Stärke lässt sie zu einem gewaltigen Machtfaktor werden, der auf der falschen Seite zu einer Bedrohung werden kann! Und sind die Terraner uns wohlgesonnen? Verweigern sie nicht vielmehr noch immer die Anerkennung der arkonidischen Vorherrschaft?« * Er stieß zischend die Luft aus und lehnte sich erregt nach vorne. Er fühlte die plötzliche Feuchtigkeit seiner Augen, erkannte das Hologramm des Nachrichtensprechers kurz nur verschwommen, bis er mit einer unwilligen Bewegung über die Augen wischte. »Das ist es! Wir brauchen die Saggittonen nicht! Werft sie wieder raus! Keiner kommt ungerufen auf unsere Insel!« Unbewusst hatte er das flimmerfrei im Raum stehende Holo als Person interpretiert, der er seine heftige Gestikulierung widmete. Mit aggressivem Gesichtsausdruck und zornigen Bewegungen stand es ihm gegenüber. Er sah die blitzenden Augen, in dem verzerrten Gesicht zu Schlitzen geworden, und fühlte die Welle der aggressiven Ablehnung zu sich Überschlagen. »Raus mit ihnen!« wiederholte er fordernd. Hinter ihm begannen seine Kollegen und die anderen Anwesenden zu grölen. Drohungen wurden ausgestoßen, die nichts gutes für die Saggittonen ahnen ließen. Er wandte sich um. Erhitzte Gesichter, manche durch übermäßigen 103 Alkoholkonsum zusätzlich gerötet, starrten an ihm vorbei auf den Nachrichtensprecher. »Wo kommen die überhaupt her?« »Keine Ahnung, aber diese Terrajünger werden sowieso nur Ärger machen, das kennt man ja! Wenn man sie erstmal reingelassen hat, machen sie sich breit wie Ungeziefer und verseuchen die Gegend.« »Und gleich zehn Systeme! Welcher Kanalratte ist diese Suffidee gekommen? Sofort absetzen sollte man den!« »Wieso dulden wir das eigentlich? Wer hat sie eingeladen, wenn nicht die Terraner, die Schwächlinge, die nichts anderes im Kopf haben als stinkend die arkonidische Position zu verpesten!« Ja, das waren sie, Menschen arkonidischer Abstammung mit einer gehörigen Portion Überlegenheit allen anderen Wesen gegenüber. Sein Blick fiel auf eine junge Frau, die wie eine wildgewordene Katze durch die Gegend sprang, immer wieder die Fäuste in die Luft stieß und dabei lautstark ihren Unmut äußerte. Ihr weißblondes Haar hing in Strähnen von ihrem Kopf und bildete einen herrlichen Kontrast zu den glühenden Wangen, über denen die großen roten Augen nun zornig glitzerten. Ganz offensichtlich war er nicht der einzige, der so dachte... 1. 1. August 1296 NGZ Ein Grollen lag in der Luft, als wolle der Planet bersten. Singend schwangen Fenster in den Häusern der großen Stadt, Gegenstände vibrierten und rutschten zur Seite. Und dann erhellte ein gewaltiges Schauspiel die Nachthalbkugel des Planeten. Gleißende Triebwerksströme unter himmelaufstrebenden Schiffen beleuchteten die Stadt fast taghell, als auch der letzte Schlafende erwacht war. Nicht wenige starrten ungläubig in den Himmel, den Schiffen nach, die bisher einen großen Teil des nahen Raumhafens belegt hatten. Es mussten tausende sein! Und sie waren gleichzeitig gestartet, strebten langsam dem freien D O R G O N 104 Raum entgegen, wo sie sich ebenso langsam formierten. Dieses Schauspiel war auch nicht für ein Volk normal, dass bereits seit Jahrtausenden den Raum beherrschte. Staunend blickten die meisten hinauf, nur wenige waren sich bewusst, dass die Hafenkontrolle unmöglich die Genehmigung für diesen Massenstart gegeben haben konnte. Dann klang ein Murmeln auf, wanderte rasend schnell durch die Menge, erreichte in Sekundenbruchteilen jedes Wesen der Stadt, bis es jeder wusste: Die Pterus waren gestartet! * Ich konnte es nicht fassen. Da hatten wir grade die Einreise der Saggittonen heil überstanden, die Völker hatten sich beruhigt, selbst wir Arkoniden hielten uns an die Worte DORGONs. Und nun fingen diese Pterus wieder mit der ganzen Sache an! Was sie genau planten, wussten wir noch nicht, aber immerhin handelte es sich um Wesen, die Jahrtausendelang nur Krieg gekannt hatten und noch immer sehr kriegerisch waren. Konnten wir also davon ausgehen, dass sie nicht in friedlicher Absicht gestartet waren? Ich vertrat diese Ansicht, auch wenn Evrius noch nicht davon überzeugt war. »Schließlich wurden auch die Pterus von DORGON zu dem großen Projekt gerufen«, argumentierte er gerade. Ich verzog mein Gesicht. »Das zeigt doch umso deutlicher, was es von der Kriegsstärke der Pterus hält, wenn es sie sogar trotz ihrer üblen Vergangenheit einbezieht und ganz Cartwheel dieser Gefahr aussetzt!« Ich war in meiner Erregung lauter geworden. Dieser Evrius zeigte sich manchmal ein bisschen zu naiv. »Und selbst wenn DORGON aus einem anderen Grund handelte, was könnte ein ganzes Volk dazu bringen, gleichzeitig einen Planeten, ihre Heimat, zu räumen?« »Nun, Akhaho da Purok, ob du Recht hast oder nicht, wird sich schnell herausstellen. Obwohl natürlich nicht alle Pterus gestartet sind; offensichtlich sind es an die 8.000 Schiffe, mit denen der Großteil unterwegs ist. Wir schätzen Tobias Schäfer sie so auf 4.000.000 Wesen. Damit wären vier fünftel aller Pterus der Insel unterwegs – wohin auch immer.« Evrius stellte eine Interkomverbindung zum Hauptfunk her und verlangte eine Leitung zum Flaggschiff der Pterus, die noch immer über dem Planeten weilten. Mir war das alles sehr suspekt. Ein einziger Feuerschlag aus allen Kanonen, und wir waren einmal gewesen. Daher war ich mit Evrius Handlung einverstanden, der Klarheit in die Sache bringen wollte. Ein imposantes Holo baute sich auf. Es war 198 cm groß und sehr breit gebaut. Feinschuppige, in grellem Grün leuchtende Haut umspannte fest die sehnigen Muskeln. Stechend schwarzgelbe Augen starrten in den Raum, umfassten mit einem Blick die Anwesenden und konzentrierte sich dann auf Evrius. Ich hatte das Gefühl, dass der Echsenabkömmling mich in dem ersten Sekundenbruchteil förmlich seziert hatte. Überlegen lächelte ich. Sollte er sich fragen, wie ein Arkonide an die Seite eines Ophalers gelangte. Ich musterte ihn eingehend. Mir entging auch nicht das fanatische Glitzern in seinen Augen, die nun unverwandt auf Evrius gerichtet waren. Als er anfing zu sprechen, lief mir ein Schauder über den Rücken. Diese kratzend tiefe Stimme, die vor verhaltener Brutalität wummerte, spiegelte genauso viel von seinem Innern wider wie der Ausdruck seiner Augen. »Ich habe auf deinen Anruf gewartet, Ophaler!« Spott und Hohn schwangen als spitze Affront herüber. »Wir haben uns entschlossen, diesen Planeten zu verlassen, diese verfaulte Kugel degenerierter Ignoranz! Wir werden uns nicht von diesem Strudel mit in den Abgrund ziehen lassen. Die Wahl ist bereits getroffen, wir stehen kurz vor dem Aufbruch. Kannst du dir einen besseren Namen für unsere Welt vorstellen als Upanishad?« Nicht nur ich zuckte zusammen. Das letzte Wort hatte er seltsam betont, mit tiefster Inbrunst hervorgestoßen. Rasch blickte ich zu Evrius. Dem Ophaler schien dieses Wort einen Stich versetzt zu haben, er blickte nur ungläubig auf die Gestalt des Kriegers. Die Helfer Ijarkors D O R G O N »Du bist Saron, nicht wahr?« fragte er schließlich. »Ich hätte mir denken sollen, dass du keine Ruhe lässt. Seit wann planst du diesen Auftritt bereits?« Ich war leicht erstaunt. Warum resignierte der Ophaler? Kannte er den jungen Pterus, wie seine Worte ahnen ließen? »Ich möchte dich trotzdem bitten, dir das noch einmal zu überlegen«, wagte er den letzten Versuch. »Denk an DORGONs Aufruf! Nur ein Miteinander kann dem Projekt tatsächliche und produktive Rechnung tragen!« »Da winselt er also um unsere Gunst!« Saron grinste hämisch. Die gewaltigen Saurierkiefer knackten. War das der Grund, warum er noch nicht fort war? Wollte er seine Gegner demütigen? Ich schüttelte nervös den Kopf. Bisher gab es hier noch keinen Gegner, oder? »Pass auf, du alter Eierkopf! Ich bin die Keimzelle des Neuen permanenten Konflikts! Niemand wird sich mir in den Weg stellen können, denn wir folgen den Ewigen Kriegern! Ich weiß, dass es für euch keine Rettung gibt, warum sollte ich verhandeln oder mir auch nur eure Wünsche oder Bitten anhören? Upanishad wartet, eure Unterlegenheit wird euch in die Knie zwingen, der permanente Konflikt wird wieder leben und uns zu neuer Macht verhelfen!« Mit einer fahrigen Geste seiner viergliedrigen Hand unterbrach er die Verbindung. Dröhnend hallte die Stimme nach, als das Holo verschwand. Ich wusste nicht, was ich von dieser Aussage halten sollte, doch auf Evrius schien sie einen enormen Eindruck gemacht zu haben. »Der permanente Konflikt! Das darf nicht geschehen! Unendliches Leid würde über die Völker der Insel kommen. Wir dürfen das nicht geschehen lassen!« Ja, ich hatte auch den Fanatismus in dem anscheinend noch recht jungen Pterus gespürt. Wenn man ihm den richtigen Nährboden gab, würde er nicht mehr zu tilgen sein. Ich konnte mir gut vorstellen, wie diese Krieger auf bewohnten Welten hausen würden. Nein, Evrius hatte Recht, das durften wir nicht zulassen! 105 2. Zwischenspiel Morgens regnete es. Jedenfalls kam es mir so vor, als würde mich jeden Morgen während meiner Trainingsrunde eine dicke Wolkenbank begleiten. Und kaum war ich fertig, schien die Sonne aus allen Knopflöchern. Heute war es wieder so. Ich stand um die 7. Stunde des Tages auf und verließ meine Wohnung. Ein leidlich blauer Himmel ließ mich hoffen, den Teufelskreis durchbrochen zu haben. Also lief ich los. Rechts und links blühten moderne Kombinationspflanzen, die sich des Nachts in strahlend leuchtende Objekte verwandelten. Tagsüber zeigten sie eine perfekt natürliche Schönheit und stimmten die Psyche der Menschen positiv. Ich grinste verärgert, als ich die ersten Tropfen in meinem Gesicht spürte. Es konnte ja auch keinen Tag geben, an dem ich nicht durchnässt nach Hause gekommen wäre. Wütend trat ich eine Blume um und macht kehrt. Ich hatte keine Lust mehr. * Nervös zuckten meine Finger, die den Kamm hielten. Ich starrte in den Spiegel und sah die gleichmäßig trainierte, stattliche Figur eines jungen Mannes. Eigentlich konnte ich voll und ganz zufrieden sein. Meine fingerlangen weißen Haare bekam ich jetzt auch in den Griff. Ich hatte sie mit einem elastic gel fixiert und gekonnt wirr gestaltet; die gebräunte Haut kontrastierte ausgezeichnet. Meine roten Augen wirkten ruhig, ich wusste um ihre Anziehungskraft. Und trotz alledem... naja, das kannte man ja. Nicht selten kam es vor, dass die ersten Dates diese Unruhe in mir weckten. Ich hatte Falbela mehrmals gesehen. Es handelte sich jedes Mal um eine politische Veranstaltung zum Eintreffen der Saggittonen. Seit sie sich hier befanden, verlief kaum ein Abend ohne derartige Debatten. Falbela hatte sich schließlich an mich gewendet. Immerhin hatte ich sie seit mehreren Tagen eingehend betrachtet, was ihr nicht verborgen bleiben konnte. 106 D O R G O N Mädchen haben irgendwie ein deutliches Gespür dafür. Hm, aus unserem ersten Gespräch hatte sich dann ein Interesse entwickelt, das es zu befriedigen gab. Unsere erste Verabredung würde uns heute wieder zusammenführen. Ich zuckte zusammen. Überrascht musste ich feststellen, dass mir eben ein unheimliches Kribbeln durch den Bauch gelaufen war. War es etwa bereits so schlimm? Heftig tränten plötzlich meine Augen. Ich musste los, aber war ich schon soweit? Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel, dann war ich unterwegs. Der Ort war nicht weit entfernt. Ich konnte also laufen. Nur nicht die Kleidung durcheinander bringen, die Frisur schützen und den Atem frischen. Mit weit ausgreifenden Schritten eilte ich der rauchigen Kneipe entgegen, die bisher auch unseren politischen Treffen gedient hatte und eine heimelige Atmosphäre verbreitete. Ich wollte auf keinen Fall zu spät kommen! Etwas zittrig waren meine Finger, als ich ein Kaugummi aus der Tasche fummelte und in den Mund schob. Noch ein paar Schritte und ich war da. Ich blieb neben einem Gleiter stehen und blickte noch einmal prüfend in die spiegelnden Fenster. Dann kann es ja los gehen, dachte ich. Langsam, festen Schrittes, betrat ich das Imperia. Gelbliches, verrauchtes Licht erhellte den gemütlichen Raum kaum, in abgetrennten Zimmern, wusste ich, waren verschiedene multimediale Amüsements untergebracht. Hier vorne standen nur die altertümlich anmutenden manuell zu bewegenden Spielgeräte. Einige runde Tischchen aus Holz mit passenden Stühlen standen auf einer hölzernen Diele, die Bar lief fast eine ganze Wand entlang. Meine suchenden Blicke fanden schnell ihr Ziel: Ganz in schwarz gekleidet, lässig an einem Tisch sitzend, den Kopf in die verschränkten Hände gestützt, sah sie mich an – Falbela. Ein tiefgründiges Lächeln erreichte mich und ließ mich schaudern. Ich grinste zurück und schritt langsam zu ihr hinüber. Die langen Beine hatte sie übereinander geschlagen. Der kurze Rock gewährte tiefe Einblicke. Ich konzentrierte mich auf den Tisch und hoffte, dass sie meine Tobias Schäfer Blicke nicht bemerkt habe. »Du bist früh dran«, sagte ich, als ich mich zu ihr hinabbeugte und einen Kuss auf ihre Wange hauchte. Ich duftete ihr herrliches Parfum, fühlte die weiche Haut unter meinen Lippen, spürte einen Schauer der Erregung durch meinen Körper laufen. »Ich weiß...« Ihre Lippen zitterten kaum merklich. »Aber umso besser. Jetzt haben wir mehr Zeit, um...« Ich verspürte ein heftiges Ziehen im Kopf, dann schien etwas zu explodieren. Vor meinen Augen flimmerten tausend Farben, die reale Umgebung verschwand. Und dann wusste ich es wieder. 3. Der Krieger der Pterus Die Augen fingen an zu tränen, ständig zuckten seine Nickhäute. Zwar hatte er sich wieder unter Kontrolle und setzte seine planerischen Fähigkeiten ein, jedoch war ihm bewusst, dass er dem Gegner um Längen hinterher war. Er befand sich allein in einem brennenden Haus, seine Leute waren vermutlich verstreut. Es würde schwierig sein, die schlagkräftige Gruppe wieder zusammenzuführen. Der Gegner jedoch war sowohl ausrüstungstechnisch als auch personell überlegen, wenn er tatsächlich mit zwanzig Leuten aufgetaucht war. Über den Kommunikator versuchte Trodam, einen Kontakt herzustellen. Die gewaltigen Kiefermuskeln spannten sich, die aggressiv leuchtenden Augen verengten sich noch stärker. Trodam fühlte sein Blut in Wallung geraten. Zu lange schon hatte Saron sie mit Versprechungen auf Kampf ruhig gehalten. Es wurde tatsächlich Zeit, dass sie sich austoben konnten. Mühsam erinnerte sich Trodam zurück. Vor einigen Tagen war er von den Vorstellungen Sarons angesteckt worden, hatte sich ihnen gebeugt und den Kampf herbeizusehnen begonnen. Nun war er derartig erhitzt, dass es ihn ungeheure Anstrengungen kostete, seine Aggressionen zu beherrschen. Die Helfer Ijarkors D O R G O N Saron wollte noch warten, bis sich auch die Terraner direkt von seiner Unbelehrbarkeit überzeugt hatten. Dann wollte er seine Krieger auf ein Ziel loslassen. Unwillig brummte Trodam. Er konnte und wollte seinen Zorn nicht mehr unterdrücken. Er wollte sich gerade auf den Kommandosessel zu bewegen, als der Schirm aufleuchtete und den winzigen Kopf eines dieser minderwertigen Geschöpfe, einen Terraner, zeigte. »Ah, noch jemand, der meine Rache fürchtet!« Trodam beobachtete, wie Saron sich vor Überheblichkeit beinahe unterkühlte. »Ich bin Julian Tifflor, Botschafter der LFT in Cartwheel«, entgegnete der Mann. »Ich bin gekommen, um mich persönlich von eurem Aufbruch zu überzeugen. Aus welchen Gründen treibt es dein Volk von dem zugewiesenen Planeten, Saron?« Trodam spürte fast körperlich den überlegenen Intellekt des Terraners. Auch Saron musste es fühlen, doch ließ er sich nichts anmerken. »Terraner, du hast es bereits ausgedrückt: Die zugewiesenen Planeten! Wir sind ein mächtiges freies Volk. Ich möchte denjenigen kennen lernen, der uns irgendetwas zuweisen könnte. Ich würde die Kröte zertreten, wie ich alle jene zertreten werde, die sich uns in den Weg stellen!« Trodam grölte zustimmend, gleichzeitig meldeten sich ein Dutzend andere Krieger aus der Zentrale der KÖRCK. »Wollen Sie wirklich für Massaker verantwortlich sein, die jenen aus den Zeiten des permanenten Konflikts gleichen?« Ein anderes Wesen war auf dem Schirm erschienen. Ein Somer, blau gefiedert und mit klugen Augen auf Saron blickend. »Sruel Allok Mok!« grinste Saron. »Ich hatte gehofft, dass du vorbeischauen würdest, um mir zu huldigen. Schließlich stammen wir aus der gleichen Mächtigkeitsballung. Ich werde den permanenten Konflikt wieder aufleben lassen, verlass dich drauf! Upanishad wird unsere Basis und Heimat sein, niemand wird unserer Wiederkehr an die Spitze der Macht Einhalt gebieten können. Wir werden jeden Widerstand im Keim ersticken, und wir werden schon bald damit beginnen!« 107 Damit schaltete er ab. Grölend feierte ihn die Menge um Trodam, der sich eines bewundernden Gefühls nicht erwehren konnte. »Jetzt geht es los, Männer!« schrie Saron. »Unser Ziel liegt fest, die nähere Umgebung von Upanishad muss gesäubert werden! Auf nach Oden, beenden wir den Frieden der Ophaler!« Tosender Beifall hallte ihm entgegen. Der Kurs war bereits vorbereitet, die Flotte setzte sich in Bewegung. Trodam viel in das schallende Gelächter des Kommandanten ein, nachdem dieser erwähnt hatte, wie gern er doch jetzt die Gesichter der Terraner und Somer sehen würde. Dann verschwanden sie im Überraum. * Wie ein Stein fiel er dem Boden entgegen. Der Luftwiderstand riss an seinem Einsatzanzug, rasend schnell kam der Boden näher. Neben ihm fielen sie zu Tausenden herab. Es gab keine erkennbaren Unterschiede, und er konnte die Gesichter nicht erkennen, da er viel zu weit von ihnen entfernt war. Ruhig bereitete er sich auf die Landung vor. In zweihundert Metern Höhe setzte die Antigravautomatik ein und bremste seinen Fall. Kurz über dem Boden wurde er genau wie alle anderen auf ungefähr acht km/h in der Horizontalen beschleunigt, dann deaktivierte sich die Anlage. Trodam begann noch in der Luft zu laufen, es gab kein Zögern bei der Landung, die pterusischen Kämpfer vergeudeten keine Zeit. Trodam wandte sich nach links, einer kleineren Siedlung zu, in der zirka zweihundert Ophaler wohnten. Ihm zur Seite liefen vier weitere Mitglieder des Kommandos. Alle verspürten sie den gewaltigen Drang nach Kampf, nach Tod. Brüllend brachen sie geschlossen durch die Umzäunung der Siedlung und rannten die ersten zehn Ophaler einfach um. Ihre Kampfstiefel hinterließen dabei tiefe Wunden in den tonnenartigen Rümpfen. Trodam gab das Zeichen. Die rasenden Kämpfer lösten ihre Formation auf und drangen weiter in das Dorf ein, stets darauf bedacht, den direkten Sichtkontakt untereinander 108 D O R G O N nicht zu verlieren. Es konnte gefährlich werden, wenn es mehreren Ophalern gelang, einen Chor zu bilden, dessen hypnotische Klänge einen einzelnen Pterus außer Gefecht zu setzen in der Lage waren. Aber es schien so, als seien die friedlichen Wesen viel zu erschrocken, als dass sich jemand genügend hätte konzentrieren können. So wurde ihnen nur vereinzelt auf konventionelle Art Widerstand entgegengesetzt. Trodam sah, wie sein linker Mitstreiter eines dieser Sängerwesen mit gewaltigem Krach an die nächste Wand schmetterte, dann musste er sich kurzfristig mit fünf Ophalern gleichzeitig beschäftigen. Ein gewaltiger Hieb mit dem Lauf seines Strahlers zerschmetterte den Eierkopf des ersten Gegners, während ein rückwärtiger Tritt den zweiten gegen einen spitzen Pfahl schleuderte, wo er zuckend hängen blieb. Dann traf ein schmerzhafter Stoß seinen Rücken, der ihn brüllend zu Boden gehen ließ. Im Fallen warf er sich jedoch bereits herum und nahm den Angreifer unter Feuer, der mit einem massiven Sportinstrument nach seinem Kopf geschlagen und ihn knapp verfehlt hatte. Kaum berührte er den Boden, rollte er sich auch schon ab und kam wieder auf die Beine, als sich eine Schlinge um seinen Hals wickelte. Während Trodam das Seil mit einem Ruck zerriss und sich mit einem riesigen Sprung auf die beiden letzten direkten Gegner warf, überlegte er erstaunt, wie schnell sich die einfachen Menschen doch organisiert hatten und sich mit solcher Vehemenz verteidigten. Seine Hände zerbrachen das Genick des einen Mannes, dem anderen schlug er seine gewaltigen Zähne in den Hals und schloss die ungemein kräftigen Kiefer. Zwei Stunden dauerte das Massaker bereits, als sich eine alarmierende Meldung unter den Angreifern verbreitete. Mitten in der heißesten Phase des Kampfes waren unbekannte Raumschiffe erschienen und hatten eigene Kampftruppen ausgeschleust, die mit hoher Organisation und bester technischer Ausstattung in den Kampf eingriffen und die Pterus bekämpften, wo sie auf sie trafen. Über Trodam zuckte ein Blitz durch den Himmel. Misstrauisch warf er einen Blick hinauf. War dort eine Raumschlacht im Gange? Wenn der Gegner tatsächlich mit eigenen Tobias Schäfer Raumern gekommen war, musste Saron natürlich reagieren und wenigstens versuchen, die gelandeten Soldaten wieder aufzunehmen. Der Blutrausch war vergangen. Trodam sah plötzlich klar und deutlich die eigene Niederlage auf sich zukommen. Ruhig blieb er stehen und überlegte. Wenn er sich mit einer kleinen Gruppe umgeben konnte, hatten sie vielleicht eine Chance, den Landungstruppen solange zu begegnen, bis Saron sie abholen ließ. Also rief er seine vier Mitstreiter wieder zu sich und erläuterte seinen Plan. »Wir müssen unauffällig verschwinden. Von den Ophalern droht uns keine Gefahr. Wenn wir uns hier oder in einem anderen Ort mitten unter ihnen einquartieren, müssten wir lange genug durchhalten können.« »Warum verschwinden wir nicht in einen Wald oder ein Gebirge, wo wir uns in Höhlen verstecken können?« Herablassend blickte Trodam den Sprecher an. »Ich gehe davon aus, dass der Gegner über die Möglichkeit verfügt, ein Lebewesen aufzuspüren. Hier unter den Ophalern schützt uns die Ausstrahlung der Masse besser als eine meterdicke Felswand. Jedoch sollten wir uns eine Siedlung suchen, die wir noch nicht angegriffen haben!« Er grinste bei diesen Worten, drehte sich um und feuerte mit dem Handstrahler auf eines der Häuser, bis es in lodernden Flammen stand. Johlend folgten seine Begleiter diesem Beispiel, mit dem Ziel, ihr Zerstörungswerk zu vollenden. »Achtung, Leute!« Mitten durch die brennende Siedlung kam ein weiterer Pterus gestürmt, die Augen angstvoll geweitet, vollkommen kraftlos durch die lange Hatz. »Es sind die Helfer Ijarkors! Sie sind mir dicht auf den Fersen! Helft mir, versteckt euch, es gibt keine Gegenwehr!« Trodam sprang hinzu und packte den erschöpften Mann am Kragen. »Was sagst du? Mann, beruhige dich erstmal! Woher kommst du?« »Von dort!« Der Krieger deutete hinter sich. »Wir waren zehn, die waren zwanzig, aber ganz verschieden... Somer, Pterus, Elfahder... Bes- Die Helfer Ijarkors D O R G O N sere Bewaffnung als wir... in die Enge getrieben... kein Entkommen, nur ich konnte durchbrechen...« Angst flackerte noch immer in seinen Augen. »Wir müssen fort, müssen fliehen von dieser Welt, bevor...« Röchelnd erschlaffte er in Trodams Klauen. Der Krieger ließ ihn fallen und sprang in das nächste der brennenden Häuser. Ein tödlicher Energiestrahl hatte den Flüchtling erwischt, die Helfer Ijarkors schwärmten in die Siedlung. Während er versuchte, zwischen den Trümmern zu verschwinden, überlegte Trodam, was es mit diesen mysteriösen Helfern auf sich hatte. Dem Namen nach zu urteilen handelte es sich um eine Gruppe oder eine Vereinigung von Wesen, die ein anderes Wesen, eben jenen Ijarkor, nach Kräften unterstützten. Ob es diesen Ijarkor noch gab oder nicht ließ sich nicht sagen, vielleicht war er schon seit Jahren oder Jahrzehnten verstorben. Auf jeden Fall schienen sie über starke Waffen zu verfügen, wenn die Krieger der Pterus keine Chance gegen sie hatten. Er musste mit seinen Leuten in Kontakt treten und einen gemeinsamen Durchbruch versuchen. Durch verqualmte Gänge versuchte Trodam, sich seinen Weg zu bahnen. Dabei wurde ihm bewusst, dass keiner der Kameraden antwortete. Langsam arbeitete er sich auf einen Eingang zu, immer mit einer Feindberührung rechnend. Der Qualm biss in seiner Lunge. Er erreichte die Öffnung und streckte Vorsichtig seinen Kopf um die Ecke. Erschrocken sprang er zurück, als er sich der enormen Höhe bewusst wurde, in der er sich befand. Anscheinend war er auf seiner Flucht unbewusst einige Etagen nach oben gelangt. Grimmig ließ er sich auf den Boden sinken und kroch wieder nach vorn, stets auf ausreichende Deckung gegen den Boden bedacht. Drüben, auf der anderen Seite der Siedlung, blitzte es grell auf. Kurz darauf schoss ein gewaltiger Flammenstrahl in den Himmel. Trodam nahm an, dass dort soeben einer seiner Krieger sein Leben hatte lassen müssen. Dann entdeckte er nicht weit von sich entfernt eine Gruppe von Pterus, die ein Haus einkrei- 109 sten und dann langsam vorstießen. Trodams besorgter Blick glitt an dem Haus empor. Tatsächlich entdeckte er zwei seiner Männer. Sie hatten die Gegner noch nicht bemerkt. Trodam wollte schreien, wollte sie warnen, doch sein Selbsterhaltungstrieb hinderte ihn daran, denn schließlich würde es dem Gegner verraten, wo er sich befand. Er stöhnte und wandte sich ab. Wie es schien musste er alleine klarkommen. Dann kam ihm ein Gedanke, ein vielleicht rettender Einfall für die beiden eingeschlossenen. In diesem Getöse von zusammenstürzenden Häusern und den Flammen konnten einzelne Schüsse leicht unbemerkt bleiben. Rasch wandte er sich wieder der Öffnung zu und richtete seinen Strahler aus. Deutlich konnte er die Gegner in der Zieloptik erkennen. »Das würde ich lassen!« Erschrocken zuckte Trodam zusammen. Die energische Stimme war hinter ihm erklungen! »Bitte dreh dich doch zu mir um! Und leg vorher die Waffe sichtbar neben dich!« Langsam folgte er dem Befehl. Rasend überschlugen sich seine Gedanken, um einen Ausweg zu finden. Vor ihm stand ein Somer, eigentlich lächerlich mit seinen hundertfünfzig Zentimetern Größe. Trodam musterte ihn ironisch. »Und? Was fangen wir beide nun an?« »Das kommt ganz auf dich an!« entgegnete das Vogelwesen grimmig. »Du kannst aufgeben und mich begleiten, oder du kannst hier bleiben...« Ein donnernder Knall ließ die Wände erzittern, Steinbröckchen lösten sich aus der Decke und fielen zu Boden. Trodam reagierte sofort. Er warf sich auf den Somer und griff nach seinem Hals. Doch so einfach, wie er es sich vorgestellt hatte, war der Gegner nicht zu überwältigen. Geschickt wich er aus und schlug dem Pterus kraftvoll den Lauf des Strahlgewehrs in den Rumpf. Stöhnend sackte Trodam zusammen. Im Fallen griff er noch einmal zu und erwischte den Strahler. Ein kräftiger Ruck und die Waffe wechselte ihren Besitzer. Der Triumph ließ ihn den Schmerz sofort vergessen. Er wälzte sich herum und sah den Somer nach seinem Strahler hechten. Mit unbewegtem Gesicht drückte er der den Abzug. D O R G O N 110 4. Zwischenspiel Tobias Schäfer Ich starrte ihr hinterher. Hinreißend! * Da saß ich nun, mir gegenüber eine bezaubernde Frau, und wurde von früherem Wissen überschwemmt. Es wurde höchste Zeit, dass ich diese Welt verließ. Mein Chef wartete auf einen Bericht, und die Ereignisse der letzten Zeit waren tatsächlich angetan, meine Besorgnis noch zu steigern. Auf der anderen Seite war hier der Anfang einer Romanze entstanden, die ich ungern aufgeben wollte. Ja, dieses romantische hin und her war von meiner Einsatzleitung geplant gewesen, um mir den Zugang zu den tiefsten Beweggründen der Arkoniden zu verschaffen. Doch musste man da nicht damit rechnen, dass sich aus einer Zweckromanze wirkliche Gefühle entwickelten, die auch nach der Reaktivierung der wirklichen Persönlichkeit bestehen blieben? Was konnte ich tun? »...ist bloß los mit dir?« drangen die Worte Falbelas in mein Bewusstsein. Ich registrierte den besorgten Ausdruck ihrer wundervollen Augen und geriet schon wieder in Gewissensnöte. »Was? Wie bitte?« Ich schüttelte verwirrt den Kopf. »Nichts, ich war grad etwas abwesend.« »Ja, das hab ich wohl bemerkt! Geht es dir wirklich gut?« Ich nahm Falbelas Hand und küsste sie. »Ich liebe dich, aber es ist ein Ereignis eingetreten, das mich zwingt, diesen Planeten so schnell wie möglich zu verlassen!« Sie entzog mir ihre Hand und sah mich konsterniert an. »Was gibt es für einen Gleitermechaniker für Gründe, seinen Heimatort zu verlassen? Verheimlichst du mir etwas?« »Es ist ein politischer Auftrag.« Ich sah mich gezwungen, ihr gewisse Dinge mitzuteilen, wenn ich sie nicht vollkommen vor den Kopf stoßen wollte. »Wenn ich zurückkehre, kann ich dir die Einzelheiten verraten. Bitte glaube mir, ich habe das nicht so geplant.« Schweigend blickte sie mir noch sekundenlang in die Augen, dann verließ sie das Lokal. Mein Name ist Akhaho da Purok. Ich bin gebürtiger Arkonide von der Kristallwelt. Ich bin zweiundzwanzig Jahre alt, hundertsiebenundneunzig Zentimeter groß und sechsundachtzig Kilogramm schwer (unter terranischen Verhältnissen). Im Gegensatz zu vielen meiner Artgenossen trage ich mein weißes Haar daumenlang geschnitten und kunstvoll wirr gestaltet. Mit den medialen Affronten gegen Terra, ausgehend von arkonidischen Völkern, kann ich mich nicht identifizieren. Ich versuche, immer nach der Wahrheit zu suchen. Diese Einstellung ließ mich das Arkonsystem verlassen. Bestätigung fand ich schließlich in der Neuen USO, in der ich seither als Agent tätig bin. In Cartwheel sollte ich die Stimmung der Arkoniden beobachten, bis sich Unregelmäßigkeiten einstellten. Das war jetzt soweit... * »Seit sich die Saggittonen hier befinden und ihre knapp zehn Systeme besiedeln, regt sich der Unwille auf den arkonidischen Welten.« Ich stand vor dem Verantwortlichen der nUSO in Cartwheel, ein Terraner, 185 Zentimeter groß, mit braunem Haar und braunen Augen. Er war etwa drei Jahre älter als ich und benahm sich außerordentlich höflich. »Ja, die Proteste der Arkoniden waren nicht zu überhören.« Nachdenklich strich sich der Chef ein Haar hinter das Ohr. »Sie scheinen Angst vor der Masse zu haben. Offensichtlich hatten sie sich bisher für allen überlegen gehalten. Ich nehme an, sie argumentieren mit Aurecs Freundschaft zu Rhodan, richtig?« Ich nickte. Eigentlich war ich ein wenig enttäuscht. Welchen Zweck hatte mein Einsatz gehabt, wenn bereits alles bekannt war, was ich zu berichten hatte? »Tut mir leid, Akhaho, aber niemand hat diese Wendung erwartet. Ein Ereignis wie das Auftauchen der Saggittonen wirft große Kreise. Es rief die Ablehnung der Arkoniden und auch an- D O R G O N Die Helfer Ijarkors derer Völker so schnell hervor, dass uns das nicht entgehen konnte. Fast stündlich gibt es Protestrufe über Hyperkom, sogar offene Drohungen hat es schon gegeben!« »Was gedenkt Aurec zu unternehmen?« fragte ich gespannt. »Nun, er wird in zwei Stunden eine Rede an die Völker richten. Die Terraner werden alles tun um ihn zu unterstützen. Falls es zu Eskalationen kommt, werden wir eingreifen müssen. Aber wir dürfen eines nicht vergessen. Es hat einen Grund, warum Aurec hier ist. Wenn MODROR die Macht besitzt eine ganze Galaxis innerhalb weniger Tage zu zerstören, dann haben wir weitaus größere Problem als diese kleinlichen innergalaktischen Auseinandersetzungen!« * Das charismatische Gesicht Aurecs erschien auf den Nachrichtenschirmen in der gesamten Galaxis. Seine braunen Augen leuchteten kraftvoll, das schwarze Haar lag glatt zurückgekämmt am Kopf. Die Kamera schwenkte kurz durch den Raum. Im Hintergrund standen Julian Tifflor und der Dorgone Titus Jusilus sowie Gal’Arn und einige andere Vertreter cartwheelscher Völker. Deutlich war die erwartungsvolle Spannung auf ihren Gesichtern zu erkennen. Dann erschien Aurec wieder im Bild. Einen Moment zögerte er noch, dann erhob er die Stimme. Ihr fester, volltönender Klang war auf allen Planeten und Raumschiffen in der Insel zu hören. »Wir alle sind miteinander verwandt. Nicht unbedingt körperlich. Unser Geist verbindet uns. Wir sind Wesen mit Intelligenz. Unsere Intelligenz ist das Band der Verwandtschaft. Sie ermöglicht uns ein friedliches Zusammenleben, denn wir sind alle gleichberechtigt. Und wir alle kämpfen gegen feindlich gesonnene Gewalten, gegen Kräfte, deren Machtmittel den unseren überlegen sind. Darum sind wir hier. Wir, damit meine ich jetzt die Völker aus Saggittor, meiner Heimat. Wir bitten um freundliche Aufnahme in dem Kreis der Verbündeten, die sich dem Chaos entgegenstellen. Euer Feind, den abzuwehren ihr euch zur Auf- 111 gabe gestellt habt, dieser Feind vernichtete meine Heimatgalaxis. Abermilliarden Wesen fanden ihr Ende, Familien wurden getrennt, Kinder brutal ihrer Mütter entrissen. Eine gigantische Entladung, deren Ursache wir noch nicht genau wissen, im Zentrum Saggittors stürzte unsere Heimat in den Untergang. Wir wären bis auf eine diese hier in Cartwheel angekommenen fernflugtauglicher Schiffe alle untergegangen! Die gesamten Völker einer ganzen Galaxie waren dem Tode nahe. Es gab eine höhere Intelligenz, die einigen von uns einen Ausweg bot. DORGON rettete die Seelen der Zurückgelassenen. Er nahm ihre Bewußtseien auf und versprach mir, eines Tages mein Volk wiederzusehen. Wann das sein wird, weiß ich nicht. Wir sind heimatlos, doch ist in jedem einzelnen von uns der feste Wille, die Mächte, die uns ins Unglück stürzten, mit jeder Faser unserer Kräfte zu bekämpfen. Das Schicksal Saggittors kann auch das Schicksal der Milchstraße werden. Auch von M 87, Dorgon, den estartischen Galaxien, DaGlausch und Andromeda. Niemand ist vor MODRORs Armeen sicher! Die Errichtung dieser Festung Cartwheel ergibt mehr und mehr einen Sinn. Nehmt uns auf! Lasst uns an eurer Seite streiten gegen die Gewalten, die auch euren Familien ähnliches Leid zufügen wollen, die keine eurer Galaxien verschonen wollen. Gebt uns eine neue Heimat! Gebt uns Freundschaft! Wir werden uns nicht gegen die Gemeinschaft stellen, sondern für den Frieden in diesem Teil des Universums streiten. Mit euch!« Stille erfüllte für die nächsten Minuten den Raum. Die gleiche Stille herrschte vor den Videoempfängern, die überall in Cartwheel diese ergreifende Rede übertragen hatten. Dann schwenkte die Kamera wieder herum und erfasste das Gesicht eines Vogelwesens, eines Somers. Sruel Allok Mok, der Diplomat aus Siom Som hatte sich erhoben. »Brüder und Schwestern! Noch nie standen wir vor einer Verantwortung, die der heutigen auch nur annähernd gleich kam! Vor uns stehen die Überreste einer ganzen Galaxis! Nicht als Forderer, sondern als Bittsteller. Sie bitten 112 D O R G O N um unsere Hilfe, unsere Freundschaft. Unser Freund Aurec, der sich bereits für die Milchstraße aufopferungsvoll engagiert hat, ist mit seinem Volk in eine Not geraten, die für uns verpflichtend ist. Wir werden ihnen hier eine neue Heimat geben, wir werden sie mit Freundschaft begrüßen und in Frieden mit ihnen leben!« Wenige Stunden später waren die Vertreter aller Völker im Parlament von Paxus versammelt. Noch einmal schilderte Aurec die Verzweiflung seines Volkes und die Gefahren durch MODROR. Sam verdeutlichte die Situation mit dem Ausspruch: »Die Gefahr MODRORs ist weitaus größer als eine eventuelle Einschränkung oder Unsicherheit bestimmter Völker in Cartwheel aufgrund des Erscheinens der Saggittonen. Wir brauchen sie als Freunde und Mitstreiter. Die Tür öffnete sich und ließ eine Gestalt ein, die inzwischen wohlbekannt in der Insel war. Nadine Schneider, das terranische Konzept DORGONs! Sie war die Abgsandte DORGONs und verweilte noch auf der Insel. »Nun ist es an der Zeit«, hob sie an, »die Wünsche DORGONs zu offenbaren. Die Völker Saggittors werden unzweifelhaft ihren Platz in der Insel ausfüllen. DORGON hat sich uneingeschränkt dafür eingesetzt, die Wesen vor der sicheren Vernichtung zu bewahren. Es ist sein ausdrücklicher Wunsch, die Saggittonen in Cartwheel anzusiedeln und in das Projekt zu integrieren! Denn es sind die Gefahren, die Saggittor vernichteten, denen das Projekt begegnen soll!« Ruhig drehte sie sich um und ging in Richtung Tür. Langsam verblasste sie und verschwand. Tifflor richtete sich auf. »Ich habe nie an der Richtigkeit eurer Anwesenheit gezweifelt, Aurec. Natürlich kannst du voll auf die Unterstützung der Terraner zählen. Wir haben deine Loyalität und Freundschaft nicht vergessen. Und wir wissen, dass wir in den Saggittonen gute Freunde finden werden.« Zustimmendes Gemurmel erhob sich im Raum. Die meisten Völker schienen das Schicksal der Saggittonen zu verstehen. Und nach Schneiders Ansprache schwanden bei vie- Tobias Schäfer len auch die letzten Bedenken. Nur wenige aggressive Vertreter schielten weiterhin misstrauisch nach Aurec. Allen voran fühlte Jenmuhs seine Macht durch diese gewaltige Flotte bedroht. Sam meldete sich wieder zu Wort. »Wenn meine Beobachtungen stimmen, sind jetzt so gut wie alle Planeten besiedelt. Es gibt einige Ausnahmen, doch glaube ich trotzdem, dass nun alle eingebundenen Völker anwesend sind. Es ist an der Zeit, das Projekt in die nächste Phase zu leiten. Nach dem Wunsch DORGONs soll die Autarkie der einzelnen Völker nicht beschnitten werden, doch für die großen Belange der Insel soll eine demokratische Wahl das Parlament ernennen. Ist es nicht wirklich soweit, dass sich die Völker an einer Abstimmung beteiligen können?« »Nun, ich denke, wir können eine Abstimmung unter uns regeln.« Unerwartet war Aurec aufgestanden. »Ich bin der Ansicht, dass unser werter Sruel Allok Mok von allen Anwesenden der geeignete Paxus-Resident ist! Vorbehaltlos prüft er stets alle Daten und Argumente, bevor er Entscheidungen für oder gegen eine Sache fällt. Ein gerechter und loyaler Mann, der dem Projekt und dem friedlichen Leben in Cartwheel dient!« In den ausbrechenden Tumult hinein rief Sam seine einstweilige Ablehnung. Man konnte ihm ansehen, dass er von Aurecs Worten sehr geschmeichelt war, doch blieb er seinem Vorsatz treu, alle Völker direkt in die Entscheidung mit einzubeziehen und Wahlen zu veranstalten. Der Dorgone Jusilus riet zur Festlegung eines Termins. »Man darf die Sache nicht zu weit hinausschieben, denn sonst kommt immer irgend etwas dazwischen, und einzelne Völker fühlen sich benachteiligt. Wenn wir dem jetzt vorbeugen, indem wir gemeinsam einen Termin festlegen, wird die Sache schnell über die Bühne gehen. Ich würde vorschlagen, die Frist auf zwei Wochen festzulegen.« Es gab keine Einwände. Nur Uwahn Jenmuhs murmelte etwas von zu kurzer Frist. »Der Modus sollte folgender sein«, mischte sich der Akone Mirus Traban ein. »Jedes Volk wählt einen Vertreter in das Parlament. Dann Die Helfer Ijarkors D O R G O N sind hier alle Völker gleichberechtigt vertreten. Aus diesen Vertretern wird ein vierköpfiger Paxus-Rat und der Paxus-Resident gewählt.« Zustimmendes Nicken in den Reihen der Abgeordneten. Diesmal konnte Jenmuhs nicht an sich halten. »Fünf Leute können unmöglich die oberste Macht haben«, protestierte er. »Das ist doch ein ausgekochtes Spiel von den Terranern! Nur ein einzelner ist in der Lage, konsequent genug zu handeln! Wir müssen eine Regierung nach dem Vorbild der Arkoniden schaffen! Ich kann nicht zulassen, dass hier ein Komplott von Terrajüngern durchgesetzt wird! Ich werde mein Volk anweisen, die Wahl zu sabotieren.« Während Tifflor heftig protestierte und sich vehement gegen die Anschuldigungen sträubte, lehnte sich Aurec gelassen zurück. Das ewige Beispiel von Opposition: erstmal immer dagegen... 5. Die Helfer Ijarkors Will Dean schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Leute, das können wir nicht auf die leichte Schulter nehmen! Wir alle wissen um die Ereignisse auf Oden. Und ich erinnere mich noch lebhaft an das Eingreifen der Helfer in Siom-Som. Es kann kein Zweifel bestehen: Es handelt sich eindeutig um die gleiche Organisation, die dort dem somer-dorgonischen Komplott ein Ende setzte und die Unterstützung der Dorgon-Mission einleitete. Schon in Sams Heimat habe ich den Einfluss Ijarkors Mythos auf die estartischen Völker gespürt. Wenn die Helfer hier in Cartwheel jetzt wieder auftauchen und das Gerücht verbreiten, ihr Namensgeber, der Ewige Krieger Ijarkor lebe noch, wird das wenigstens im ESTARTUBereich für gewaltigen Eindruck sorgen.« Nachdenklich nickten die Anwesenden. Tifflor war einer von denen gewesen, die erst einmal abwarten wollten, wie sich die Dinge um jene Helfer entwickelten. Als Aktivatorträger hatte er eine andere Auffassung von der Zeit als seine Mitstreiter, die nicht die gleiche Geduld aufbringen konnten wie er. 113 »Wir müssen auf jeden Fall herausfinden, was es mit diesem Ijarkor auf sich hat, da gebe ich Will vollkommen Recht.« Der jugendlich aussehende Terraner lenkte ein. »Unbekannte Machtfaktoren sollte man nicht unerforscht lassen, und die Wirkung des plötzlich aufgetauchten Mythos auf die anderen Völker, vordringlich Arkoniden, ist ein Aspekt, der in unserer Politik wichtig werden kann. Es ist ja schon erstaunlich, mit welch enormer Geschwindigkeit sich das Gerücht in der Insel verbreitet hat. Ob es sich dabei um einen Trick der Helfer handelt, um ihre Machtposition zu stärken, oder welchen Wahrheitsgehalt es wirklich hat, das herauszufinden ist nun unsere Aufgabe.« Will Dean richtete sich auf. »Ich glaube, das ist eine Aufgabe, die der TLD der Insel übernehmen sollte. Ich werde mich persönlich nach Estartu begeben und versuchen, mit den Helfern Verbindung aufzunehmen.« Tifflor nickte beipflichtend. »Dasselbe hatte ich gerade vorschlagen wollen. Und vergiss nicht: Es gibt mindestens eine Person in Cartwheel, die Ijarkor gesehen haben will. Unter Umständen kümmerst du dich auch darum. Der Ophaler wird sich immer noch auf Oden aufhalten, nehme ich an.« * Atemlos lehnte Dean an der Mauer. Angenehm kühl fühlte er das Material in seinem Nacken. Erschöpft drehte er sich um und stützte sich mit schweißnasser Stirn gegen die Wand. Wie hatte er nur annehmen können, die Kontaktaufnahme zu den Helfern Ijarkors leicht zu erzielen? Seit drei Tagen war er nun bereits unterwegs, gejagt von verschiedenen Organisationen, Geheimdiensten der Arkoniden, Dscherro und Pariczaner, auch verschiedene Interessengruppen der Estartischen Völker ließen ihn kaum zur Ruhe kommen. Was machte er falsch? Er hatte sich vor dem Einsatz mehrere Stützpunkte anlegen lassen; bei seiner Ankunft die Verbindungsleute kontaktiert. Er hatte eine Maske getragen, doch im 114 D O R G O N Laufe der erfolglosen Tage hatte er sich ihrer entledigt. Langsam beruhigte Dean sich wieder. Seine Atmung wurde gleichmäßig und flach, wie er es gewohnt war. Dann sah er sich um. Er befand sich in einer dunklen Seitengasse, ein Mond spendete spärliches Licht. Wie sollte er jemals die richtigen Personen finden, die ihm weiterhelfen konnten? »Terraner!« Der unerwartete Ruf schreckte ihn auf. Blitzartig hatte er eine Waffe gezogen und sich hinter einem Vorsprung zu Boden geworfen. »Bleiben Sie ruhig!« Seine Augen versuchten in der Dunkelheit den Sprecher zu entdecken, doch ohne Erfolg. Der helle Klang der Stimme ließ sich nicht zuordnen. Verwirrt sah Dean sich um. »Gehen Sie langsam diese Gasse hinunter, ungefähr hundertfünfzig Schritte! Ich werde Sie erwarten. Keine Sorge, ich bin kein Feind.« »Wer sind Sie?« Deans geflüsterte Worte erhielten keine Antwort. Der Fremde war verschwunden. Dean fluchte unterdrückt. Er konnte sich doch nicht einfach diesem Fremden anvertrauen! Wenn sie ihm eine Falle stellen wollten? Hm, dann hätten sie sofort schießen können. Er hatte so verträumt an der Wand gelehnt, dass er die Annäherung des Fremden nicht bemerkt hatte. Seufzend erhob er sich und folgte der Gasse. Die Waffe hielt er schussbereit in der Linken, er schlich sich dicht an der linken Häuserfront entlang. Nach gut hundert Metern erreichte er eine Öffnung in der Mauer. Ein schwacher Lichtschein fiel hindurch und ließ die Umrisse des Exoskeletts eines Elfahders sichtbar werden. Dean blieb im Schatten stehen. Die Waffe behielt er vorsichtshalber in der Hand. »Elfahder!« Er konnte keine Bewegung entdecken, nur einige der stachelartigen Segmente klirrten leise. »Terraner, folgen Sie mir.« Der Elfahder wandte sich um und verschwand durch eine Seitentür. Dean zögerte kurz, dann zuckte er mit den Schultern und folgte dem Wesen. Wenn er vorwärts kommen wollte, musste er etwas riskieren. Tobias Schäfer Hinter der Tür begann ein enger Gang, der in die Tiefe führte. Will Dean war unbehaglich zumute, als er den Gang betrat und die Tür sich hinter ihm schloss. Vorsichtig folgte er dem klirrenden Geräusch des vor ihm gehenden Molluskenwesens in seiner Allzweckrüstung. Er kannte die Elfahder als loyale und friedfertige Wesen, die in den ESTARTU-Galaxien über den Frieden wachten. In ihm keimte ein Verdacht auf. Wahrscheinlich hatte er nichts zu befürchten. Schließlich erreichte er eine weitere Tür, hinter der ein relativ geräumiger Hohlraum zum Vorschein kam, der gemütlich als auch zweckdienlich eingerichtet war. Grinsend bemerkte Dean, dass er sich im Bereich eines Agenten befand. Seine Erwartungen wurden auch nicht enttäuscht. »Terraner«, begann der Fremde. »Ich will nicht lange um den Grund meines Auftauchens herumreden. Ich habe Sie in den letzten Tagen beobachtet. Sie scheinen auf der Suche nach etwas oder jemandem zu sein.« Er machte eine kurze Pause. Seine wohltönende Stimme beruhigte den TLD-Agenten. »Obwohl Sie nicht viel erreichen konnten, sondern sich eher gegenteilig in verschiedene Verfolgungsgeschichten verstrickten, war doch nicht zu übersehen, dass Sie trotz der offensichtlichen Gefahr immer wieder in bestimmte Bereiche vordrangen, um vielleicht doch noch positive Ergebnisse zu erzielen. Durch die Ereignisse um und auf Oden bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Sie sich auf der Suche nach Hinweisen auf die Helfer Ijarkors befinden.« Dean nickte. So etwas hatte er erwartet. »Das ist korrekt. Mein Name ist Will Dean. Ich bin vom Terranischen Liga Dienst in Cartwheel.« »Ich heiße Garrus. Wie Sie richtig vermuten, bin ich ein Helfer Ijarkors. Erwarten Sie jedoch nicht, dass ich Ihnen die Geheimnisse unserer Organisation verrate! Ich habe Kontakt mit Ihnen aufgenommen, um die Verständigung zwischen uns und den Terranern einzuleiten. Wir sind der Ansicht, dass die Richtung, die ihr eingeschlagen habt, sowohl ethisch als auch logisch die richtige ist und dem großen Die Helfer Ijarkors D O R G O N Plan DORGONs entspricht.« Nachdenklich betrachtete Dean die grün leuchtenden Punkte hinter den Schlitzen in der Igelrüstung. »Sie sind doch nicht nur auf Estartu, um mit mir Kontakt aufzunehmen? Ich meine, das hätte man einfacher haben können, ohne sich in Gefahr zu bringen. Und die Art, wie Sie mich kontaktierten, spricht auch für meine Vermutung.« »Sie haben Recht, natürlich ist unser Aufeinandertreffen rein zufällig. Ich nehme an, dass die Öffentlichkeit nicht von Ihrem Einsatz wusste? Niemand konnte Sie also hier erwarten. Nein, ich habe selbst einen Auftrag zu erledigen.« Gespannt beugte Dean sich vor. »Die Fanatiker um Saron können sich nicht offiziell mit Waffen und dergleichen versorgen, also beschaffen sie sich die Sachen auf illegale Art. Hier auf Estartu soll heute noch die Übergabe stattfinden. Ich habe mit einer ausgewählten Gruppe den Auftrag, diese Waffenlieferung zu verhindern.« »Hm.« Dean konnte sich vorstellen, welches Wagnis eine kleine Truppe einging, die Gangsterbanden zu behindern suchte. »Und trotzdem nahmen Sie heute Kontakt mit mir auf?« »Ich wollte die Möglichkeit nicht ungenutzt verstreichen lassen, und immerhin könnte es sein, dass wir in Schwierigkeiten geraten und unser Leben lassen müssen. Ich wollte auf jeden Fall erst mit Ihnen gesprochen haben.« Der Terraner zögerte nur kurz, dann hatte er seinen Entschluss gefasst. »Ich werde mich anschließen! Diese Sache ist auch für den TLD von großem Wert. Mit den hier gemachten Erfahrungen kann später konkreter auf entsprechende Situationen reagiert werden. Sind Sie einverstanden?« Statt einer Antwort wandte der Elfahder sich um und entnahm einem Schrank verschiedene Unterlagen, die er nun vor Dean ausbreitete. »Dieses sind Karten, die uns die Umgebung zeigen, in der die Sache laufen wird. Jede Handlung von uns wurde exakt berechnet. Natürlich bleibt der übliche Unsicherheitsfaktor, aber wir vertrauen der Initiative des guten Agenten.« Dean vertiefte sich in die Pläne, ließ sich die Hologramme vorspielen und verinnerlichte alle 115 Daten. Kurz nach Mitternacht brachen die beiden auf. Garrus Gruppe hatte sich in die Reihen der Waffenschieber infiltriert und befand sich bereits vor Ort. Dean und Garrus erreichten den Raumhafen durch einen üblichen Personentransmitter und entschwanden unbemerkt der großen Abfertigungshalle. Sie näherten sich einer kleineren Lagerhalle und versteckten sich hinter Frachtgegenständen. In einiger Entfernung landete ein großes kugelförmiges Raumschiff. Und während Dean noch überlegte, was ein terranisches Raumschiff auf Estartu wollte, noch dazu um diese Zeit, kamen aus der Dunkelheit verschiedene unauffällige Gestalten auf die Halle zu. Sie verteilten sich und untersuchten einige der Transportkisten. Dean brach der Schweiß aus. Hatte Garrus ihm nicht erklärt, dass einige Kisten nur mit waffenähnlichem Schrott gefüllt waren? Garrus schien ganz die Ruhe selbst zu sein. Dean hätte jetzt zu gern gewusst, wie es innerhalb des Exoskeletts aussah. Der gefährliche Moment ging vorüber. Eine Gruppe von zehn Pterus erschien in dem Hangartor. Garrus zuckte kurz zusammen, dann lag er wieder unbewegt da. Es wurde ernst! Leise schlichen sie an der Wand entlang, um den Pterus in den Rücken zu kommen. Der Terraner war erstaunt, wie leise sich der Igelpanzer bewegen ließ. Die Schmuggler schleppten eine Kiste heran, gerade als Dean und der Elfahder den Ausgang erreichten. Noch hatten sie keine Deckung gefunden, doch zwei von Garrus Leuten zückten plötzlich die Waffen und begannen, wild zu feuern. Mit einem Schrei warf sich Garrus von hinten auf die Pterus. Seine kleine Gruppe befand sich bereits im verzweifelten Rückzugsgefecht, als Dean begriff, was hier geschah. Anscheinend waren die Pterus kurz vor der Entdeckung der Sachlage von den Helfern angegriffen worden, die den kleinen verbliebenen Vorteil noch nutzen wollten. Hoffnungslos unterlegen verging ein Helfer nach dem anderen in den Hochenergiestrahlen der Pterus, die sich schnell gefangen hatten. Dean hatte sich hinter eine Kiste geworfen 116 D O R G O N und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Er war zwar nur wenige Schritte vom Ausgang entfernt, doch tobte auch dort ein heftiges Gefecht. Garrus war bereits in den ersten Augenblicken von einem der anderen Waffenschieber getroffen worden. Seine Rüstung lag schief am Boden, der molluskoide Körper war teilweise aus einer Öffnung geflossen und dort von den Hitzestrahlen verschmort. Ein Summen dicht an Deans Kopf schreckte ihn auf. Er wusste, dass eine flimmernde Abstrahlmündung direkt auf seinen Hinterkopf gerichtet war. Langsam hob er die Hände. Der Blitz zuckte überraschend an ihm vorbei. Dean ließ sich sofort fallen und rollte herum. Hinter ihm lag ein Pterus mit der aktivierten Waffe in der Hand. Ein Strahl hatte ihn getroffen. Gehetzt sprang Dean auf und rannte durch eine kleine Seitenöffnung ins Freie, wo er von drei Männern in Empfang genommen wurde, die ihn in die Mitte nahmen und in den Nachthimmel aufstiegen. Erstaunt registrierte Dean, dass es wirklich Männer nach seinem Verständnis waren, nämlich Terraner! Hatten sie den Pterus im letzten Moment erschossen? Doch woher kamen sie und wer waren sie? Flach flogen sie über das Gelände dahin, auf jenes Kugelschiff zu, das Dean bei ihrer Ankunft registriert hatte. Unten explodierte die Lagerhalle in einer grellen Leuchterscheinung, und die Druckwelle wirbelte die vier Männer durcheinander, so dass Dean beinahe Hören und Sehen verging. Dann durchquerten sie eine unsichtbare Strukturlücke im Schirm des Schiffes, jedenfalls endeten die Wirbel abrupt. Der Agent überlegte, in wessen Hände er wohl geraten sein mochte. Terranisch waren sie, das hatte er einwandfrei festgestellt. Woher sie jedoch kamen und was sie wollten, konnte er sich nicht vorstellen. Immerhin hatten sie ihn vor dem sicheren Tod gerettet. Eine Luke öffnete sich, die Männer schwebten hinein. Sobald sie wieder festen Boden unter den Füßen hatten, ließen sie Dean los. Die geschlossene Luke verhinderte sowieso erstmal jeden hypothetischen Fluchtversuch. Die Fremden klappten ihre Raumhelme zurück. Als der letzte den seinen lüftete, erstarrte Tobias Schäfer Dean. »Remus? Remus Scorbit? Hast du zugenommen, Junge?« Der Fremde lächelte schief. Es konnte nicht Remus Scorbit sein, denn der weilte auf Mankind und ließ sich in Politik und Militär unterrichten. Dean fielen erst jetzt die winzigen Unterschiede auf. Der Fremde besaß die etwas ruhigeren Gesichtszüge, dabei wirkte er etwas kräftiger als Remus. Auch seine Gestik wies kleine Unterschiede auf. »Nein, nicht Remus. Mein Name ist Jan Scorbit.« Dean blickte erstaunt auf. Er hatte von Remus’ Zwillingsbruder Jan gehört. Doch laut Remus war Jan von seinen Reisen nicht zurückgekehrt, er galt als verschollen. »Kannst du mir das erklären? Und wie ich dein heutiges Auftauchen deuten soll?« »Erstmal ein herzliches Willkommen an Bord der LARRY RANDALL! Bitte folge mir in die Zentrale, es gibt noch eine Kleinigkeit zu erledigen!« Durch den kleinen Transmitter gelangten sie schnell in den Mittelpunkt des Schiffes. Dean bemerkte erstaunt, dass sie sich bereits im All befanden. Nicht weit vor ihnen flog ein zweites Schiff. Jan Scorbit drehte sich lächelnd zu dem dunkelhäutigen Terraner um. »Das dort ist das Schiff, mit dem die Schmuggelware aus dem System geschafft werden sollte. Es wird nicht weit kommen.« Will Dean wollte gerade fragen, wie er das meinte, als sich die RANDALL plötzlich schüttelte. Gleichzeitig verschwand das fremde Schiff von den Schirmen und machte einer kurzlebigen Sonne Platz. »Warum habt ihr das gemacht?« Schockiert starrte Dean auf den Schirm, wo die expandierenden Gase zu sehen waren. »Die Schweinebande hatte es verdient!« sagte eine harte Stimme hinter ihm. Dean drehte sich um. Er hatte gar nicht bemerkt, wie das Schott zur Feuerleitzentrale geöffnet wurde. In der Öffnung standen zwei alte Bekannte von ihm. Chris Japar lehnte lässig in dem Schottrahmen und grinste, Sam Tyler stand breitbeinig davor. Seine Miene schien eingefro- Die Helfer Ijarkors D O R G O N ren, doch seine Augen funkelten gefährlich. »Will, es tut mir leid«, fiel Scorbit erklärend ein, »dass euer Wiedersehen unter diesen Umständen erfolgen musste. Aber wenn du die Pterus näher kennen lernst, wirst du merken, dass mit ihnen nicht zu spaßen ist. Tyler handelte auf meine Anweisung, als er das Schiff vernichtete.« »Auf deine Anweisung? Du bist hier der Chef? Ich kann nicht ganz verstehen, wieso du so hart durchgreifen lässt.« »Na schön, setz dich. Ich erzähle dir meine Geschichte.« Will erfuhr, dass Jan während seiner Reisen durch die Milchstraße schließlich auf Agenten der Neuen USO traftund sich ihnen anaschloss. Er hatte festgestellt, dass sein bisheriges Leben keinen Sinn hatte, doch wollte er endlich etwas bewegen. Durch vortreffliche Dienste und das richtige Gefühl für Außergewöhnliches stieg er schnell in der USO auf. Als schließlich das Projekt der Insel gestartet wurde, schickte Monkey ihn als Befehlshaber der Insel-USO los, die Organisation auch in Cartwheel zu etablieren. »Allerdings kann ich dir nicht sagen, wo wir unsere Zelte aufgeschlagen haben.« Der Aufbau der Neuen USO war streng geheim, also konnte Jan Scorbit sich nicht seinen beiden Verwandten Remus und Uthe offenbaren, die ihn noch immer für verschollen hielten. »Momentan observiere ich die neuen Upanishad. Sie bereiten mir gewisse Sorgen. Ihre Waffenschieberei konnte ich verhindern, auch dank der Helfer Ijarkors um Garrus.« »Gut, die Herren USO-Spezialisten gehen also ihrer Lieblingsbeschäftigung, dem unauffälligen Töten nach, während wir vom TLD versuchen, diplomatische Wege zu beschreiten! Gibt es für euch eigentlich auch andere Möglichkeiten, eure Zwistigkeiten beizulegen? Oder habt ihr auf eurem Basisplaneten eine riesige Arena, in der ihr Barbaren jeden Streit austobt?« In Deans Augen war ein ironisches Funkeln getreten, als er die Leute reizte. »Mach bloß keinen Lauten, Kleiner!« Unerwartet hatte sich Japar eingemischt. »Ihr Weichköppe vom TLD habt überhaupt keine Ahnung 117 von der wirklichen Agententätigkeit! Wenn ich da an die Arkon-Einsätze denke...« Will Dean fing an zu lachen und klopfte dem Kämpfer auf die Schulter. »Nichts für ungut, Chris! Natürlich haben beide Organisationen ihre Stärken und Schwächen! Und deshalb«, wandte er sich an Scorbit, »schlage ich eine Kooperation zwischen uns vor, zumal wir ja die gleichen Ziele verfolgen. Oder täusche ich mich, wenn ich davon ausgehe, dass ihr hier das Kosmische Projekt unterstützen wollt?« Scorbit schüttelte den Kopf. »Gut. Also auf gute Zusammenarbeit! Übrigens, auf Oden gibt es noch jemanden, der uns vielleicht weiterhelfen könnte...« Der Chef der USO blickte ihn kurz an, dann wandte er sich an den Piloten. »Kurs Oden!« 6. Mankind, 22. August 1296 NGZ Eine große Menschenmenge hatte sich am Raumhafen von New Terrania eingefunden. Gebannt starrten sie in die Wolken, wo jeden Augenblick das große Schiff erkennbar werden musste. Auch Julian Tifflor und Don Phillippe de la Siniestro waren anwesend. Sie als politische Vertreter der cartwheeler Menschheit erwarteten den Terranischen Residenten Perry Rhodan, den Sechsten Boten Thoregons. Vor wenigen Stunden war er durch den zentralen Sonnentransmitter angekommen und befand sich nun auf dem Weg nach Mankind, der Hauptwelt der LFT. Ein Raunen ging durch die Menge. Tifflor hob wieder den Blick und erkannte einen kleinen schwarzen Punkt am Himmel, der schnell größer wurde und dabei an Konturen gewann. Es war ein kleiner Raumer, wie sie häufig zwischen Paxus und Mankind pendelten. Zwischen den beiden Delegierten flimmerte die Luft, dann wurde die kleine Mausbibergestalt von Gucky sichtbar, der wieder den bequemeren Weg gewählt hatte. 118 D O R G O N »Tach, Langer!« rief er fröhlich und ließ seinen Nagezahn blitzen. Dann maß er den Marquese mit einem langen Blick, bis er auch ihn begrüßte. Tifflor war nicht überrascht, dass der Ilt es nicht auf dem Raumer aushielt und vor Rhodan auftauchen musste. Inzwischen war das Schiff gelandet und Rhodan entstieg ihm über die projizierte Gangway. Die Menge jubelte ihm zu, während er gemessenen Schritts auf die kleine Gruppe zuging. Er hob die Rechte und winkte freundlich zurück, dann stand er auch schon vor Tifflor. »Hallo, Tiff!« Ein leichtes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er einem seiner ältesten Freunde und Wegbegleiter auf die Schulter klopfte. Tifflor erwiderte den kumpelhaften Gruß. »Und, wie war die Reise, Chef?« »Oh, sehr angenehm! Und beeindruckend, welche Entfernung dieses Portal zu überbrücken im Stande ist, nicht wahr?« Sie hatten sich schon auf einen bereitstehenden Gleiter zu bewegt, den sie jetzt bestiegen und Richtung Regierungszentrum flogen. Rhodan wandte sich an den alten Spanier. »Don, ich bin gespannt zu erfahren, wie Sie hier die diplomatischen Angelegenheiten regeln! Aber das kann noch warten, bis wir da sind. Ich muss dem saggittonischen Kanzler beistehen, in dieser harten Phase für sein Volk. Die Nachricht über die Zerstörung Saggittors war ein Schock für mich. Ich habe Rodrom in bester Erinnerung.« Betrübtes Schweigen breitete sich im Gleiter aus. Keiner war bisher über den Schock hinweg gekommen, den die Vernichtung Saggittors in ihnen ausgelöst hatte. Das große Gebäude wirkte eigentlich recht einfach auf die beiden Besucher. Trotzdem verbreitete es den Hauch von kunstvoller Schönheit, die den Stimmungstiefpunkt wieder ein wenig hoben. Aurec kam dem Terraner entgegengeeilt und begrüßte ihn freudig. »Ich bin glücklich über eure Ankunft! Nach den langen Jahren ist es schön, den guten Freund wieder zu treffen.« »Und was ist mit mir?« kreischte Gucky auf- Tobias Schäfer dringlich. »Seit wir hier sind, hat sich noch niemand um mein Nackenfell gekümmert! Dabei habe ich es wirklich mal wieder nötig, dass mich einer krault!« Aurec und Rhodan grinsten. »Ich glaube, der Kleine wird sich schon jemanden suchen. Du musst dieses Gezeter nicht als Aufforderung verstehen!« Gucky starrte Rhodan wütend an. »Jaja, lacht ihr mal! Wir sehen uns später!« rief er und teleportierte. Die Männer betraten einen Raum und ließen sich in die Energiepolster fallen. Inzwischen hatten sich auch Gal’Arn und Jonathan Andrews sowie Remus Scorbit und Henry Portland dazu gesellt. Perry blickte den Saggittonen ernst an. »Aurec, mein Freund!« Bitterkeit schwang in seiner Stimme mit. »Es fällt mir nicht leicht, wenn ich dich bitte, mir den Untergang Saggittors zu schildern.« Aurecs Augen verschleierten sich kurz, dann hatte er sich wieder in der Gewalt. Ausführlich, wenn auch manchmal stockend, berichtete er von Rodroms Rückkehr, dem Tod SAGGITTORAS bis schließlich zur Vernichtung der Galaxis mit Milliarden ihrer Einwohner. Die Stimmung war gedrückt, jeder hing seinen Gedanken nach oder versuchte, die Erzählung zu verarbeiten. Schließlich richtete Rhodan sich wieder auf. »Danke, Aurec. Ich kann es kaum glauben, was du erzählst. Es erscheint mir fast wie ein Test! Ein Test vor dem großen Einsatz.« Erschrocken richteten die Anwesenden sich auf. »Wie meinst du das?« fragte Remus Scorbit. »Denkst du etwa an einen Zusammenhang zwischen Saggittor und Cartwheel?« »Cartwheel oder der Milchstraße, unserer Heimat.« Rhodan nickte bedeutungsvoll. »Immerhin wollte Rodrom mich und andere Terraner auf der LONDON vernichten! Und seit einigen Jahren macht uns in der Milchstraße Cau Thon Schwierigkeiten.« Rhodan schaute in erstaunte Gesichter, als er fortfuhr: »Höhere Mächte sind die Herren beider Wesen. Ihre Handlungen richten sich gegen die Die Helfer Ijarkors D O R G O N Menschheit – wobei Rodrom sich mehr auf mich persönlich konzentrierte. Die düstere, rote Aura beider Wesen verbindet sie außerdem und legt den Schluss nahe, dass es ein gemeinsames Ziel gibt. Ihr Meister ist MODROR. Was er ist wissen wir nicht. Ich vermute ein Chaotarch... aber das würde gegen das Abkommen in DaGlausch verstoßen. Wie dem auch sei! Tiff, Don, bitte berichtet mir, was bisher in Cartwheel passierte!« Der Marquese und Tifflor begannen mit ihrem Bericht. Vor allem Don Phillippe entpuppte sich als ausdauernder Erzähler, der keine Kleinigkeit vergaß. Tifflor beschränkte sich schließlich darauf, die Themen zu wechseln, damit der Spanier sich nicht zu sehr in einer Sache verbiss. Rhodan hörte aufmerksam zu, stellte einige wenige Fragen und schuf sich ein klares Bild von den Verhältnissen. Die kontroversen Arkoniden, die Entstehung der neuen Upanishad, das Auftauchen der Helfer Ijarkors, die Probleme bei der Wahl einer übergreifenden Regierung – alles nahm er konzentriert auf und verarbeitete es. Zwei Stunden später, nachdem er sich mehrere wichtige Ereignisse im Hologramm angeschaut hatte, wusste er, dass hier nicht alles so glatt lief wie DORGON es sich vorgestellt hatte. Zwar gab es keine unlösbaren Probleme, aber der ideelle Gedanke von einer völligen Einheit ließ sich offensichtlich nicht einfach verwirklichen. Immerhin waren die Völker auch in ihrer Heimat nicht immer miteinander befreundet oder friedlich verbunden. Rhodan empfand es allerdings als erstaunlich, dass es bisher nicht größere Krawalle gegeben hatte. »Freunde, ich werde mich noch mit Gucky einige Tage hier in der neuen Galaxis aufhalten. Zeit genug für Verhandlungen und Planungen also...« »Ich werde wieder nicht gefragt!« ereiferte sich der Mausbiber, der zur Sekunde im Raum erschienen war. »Typisch! Kaum ist man in der Fremde und schaut sich mal die tollen Sachen an, wird schon wieder über den eigenen Kopf hinweg entschieden!« Rhodan grinste. 119 »Na gut, also: Ich bleibe noch einige Tage hier, und Gucky kann ruhig schon wieder nach Hause!« »Sicherlich! Das fehlte ja gerade noch, dass ich dich hier allein sitzen lasse! Ich bleibe! Außerdem müssen Remus und ich mal wieder unsere philosophische Poolsession wiederholen« Remus blickte verlegen auf den Boden. Ein erlösendes Gelächter entspannte die Gesichter der Anwesenden und ließ sie für einen Augenblick vergessen, dass vielfältige Probleme ihrer harrten. 7. Lauf der Dinge Dunkelblondes Haar wallte lang über den Arm auf die Liege hinab. Der kleine Kopf war schräg auf die offene Hand gestützt, zierlich streckte sich der anziehende Körper. Die großen braunen Augen waren auf ein Buch gerichtet, das vor der Frau lag. Ausdruckslos war ihr sonst so natürlich schönes Gesicht, die Augen folgten gelangweilt den Zeilen. Wie kam ihr Onkel nur auf die Idee, sie mit der Studie uralter Literatur zu beschäftigen? Aufstöhnend klappte Nataly Jargon das Buch zu und richtete sich auf. Tag ein Tag aus war sie nun damit beschäftigt, alte Bücher zu wälzen! Wo blieben da ihre Freizeit und die Aufregung, die sie so brauchte wie die Luft zum Atmen? Sie stürmte aus ihrem Zimmer und rief laut den Namen ihres Onkels, während sie sich auf die Suche nach ihm begab. In dem allgemeinen Aufenthaltsraum fand sie ihn schließlich, wie er die gemütliche Sitzecke aufräumte. »Jaaron, ich kann nicht mehr! Es tut mir leid, aber ich muss jetzt wirklich langsam mal aus dem Haus raus, etwas erleben! Schließlich hätte ich auch in der Milchstraße ausschließlich lesen können!« Jaaron blickte ihr in die Augen, dann nickte er. »Ich habe das erwartet«, sagte er mit ruhiger Stimme. »Ich will nicht betrübt sein, dass ich eine gute Mitarbeiterin verliere. Natürlich kann 120 D O R G O N ich dich nicht halten. Doch bin ich so sehr in meine Arbeit als Chronist vertieft, dass ich keine Zeit für andere Arbeiten finde. Nun, dem werde ich Abhilfe schaffen. Deshalb habe ich uns für heute Besuch geladen. Ah, da ist er schon! Einen Moment.« Der automatische Besuchsmelder hatte sich aktiviert, und Jaaron Jargon verließ das Zimmer, um seine Gäste in Empfang zu nehmen. »Nataly, das ist der Reporter Robert Mohlburry mit seiner Tochter Janela«, stellte er sie vor. »Robert, Janela, meine Nichte Nataly.« Freundlich begrüßten sie einander, und Nataly fand sie bereits sympathisch. Der Reporter machte einen etwas exzentrischen Eindruck, da er ausgefallene Kleidung trug und sich auch ansonsten versuchte, von der Masse abzuheben. Er stellte sich noch einmal extra als Speaky vor mit der Begründung, dass ihn seine Freunde so nannten, um seine Funktion als Reporter zu würdigen. Seine Tochter sah ebenfalls nett aus und lachte Nataly so offen an, dass sie sofort den Eindruck einer guten Freundin bekam. Jaaron führte sie in den Aufenthaltsraum und verteilte kühle Getränke. Sie machten es sich bequem und fingen leichte Unterhaltungen an, die eine gelockerte Atmosphäre schafften. Dann räusperte sich Jaaron. »Robert, wir haben bereits ansatzweise über mein Anliegen gesprochen. Ich will es noch einmal kurz umreißen. Meine Nichte möchte selbstständig werden, einen eigenen Beruf erlernen, die Galaxis kennen lernen. Ich kann es ihr nicht verübeln, in diesem Alter sollte man stets die eigenen Wünsche zu erfüllen suchen. Doch brauche ich weiterhin Unterstützung bei meiner Arbeit als Chroniker der Insel! Und da kommst du ins Spiel. Ich könnte deine Erfahrung als Reporter nutzen, indem ich dich durch die Galaxis schicke, damit du Impressionen der Völker und der Systeme sammelst und mir weitergeben kannst. Als Reporter bist du dazu geradezu prädestiniert. Und dein Ruf eilt dir weit voraus. Ich hätte keine Bedenken, deine Eindrücke als die meinen anzusehen. Nataly könnte dann tun und lassen, was sie wollte, deine Tochter ist wahrscheinlich auch in dieser Phase. Ob sie sich zusammenschließen Tobias Schäfer oder nicht, ist ihre Sache. Nun, was meint ihr?« Grinsend weidete er sich an Natalys erstauntem Gesicht. Sie war zu keinem Wort fähig, sondern starrte ihn nur an. Robert Speaky Mohlburry dagegen strahlte übers ganze Gesicht und stimmte sofort zu. »Das ist genau eine Aufgabe von der Art, wie ich sie mir seit langem vorstelle! Die Systeme durchreisen, Völker näher kennen lernen und dabei reportieren! Eine großartige Vorstellung!« Endlich kam Nataly wieder zu sich. »Onkel, ist das dein Ernst? Ich darf wirklich weg, und du bist nicht böse, sondern sogar froh darüber? Wenn du dich nicht mit mir freust, bleib ich hier!« Jaaron schüttelte den Kopf. »Mein Kind, wie ich schon sagte: Jeder muss seinen eigenen Weg finden. Ich wäre froh, wenn du es geschafft hättest!« »Jaaron, kann ich gleich mit der Einarbeitung beginnen?« erkundigte sich Speaky ungeduldig. »Sag mir, worauf ich zu achten habe, dann mache ich mich an die Arbeit!« * »Ich bin ganz aufgeregt!« Nataly hielt den Umschlag in den Händen und alberte herum. Janela erkannte jedoch deutlich die Nervosität in ihren Augen, und ihre Finger zitterten ebenfalls. »Beruhige dich erstmal!« rief Janela eindringlich. »Ich bin sicher, dass sie dich nehmen, schließlich bist du ja nicht irgendwer, sondern die Nichte des Chronikers der Insel!« »Du hast Recht. Ich bin schon wieder da.« Nataly öffnete den Umschlag, in dem die Antwort auf ihre Bewerbung enthalten war. Sie wollte die Stelle als Beamtin, neue Erfahrungen sammeln und selbstständig leben. Der erste Blick auf die Folie ernüchterte sie. Fassungslos überflog die halbe Linguidin den Text ein zweites Mal. Dann sank sie bleich in einen Sessel, der sich automatisch gebildet hatte. »Nein! Das kann nicht wahr sein!« Kraftlos lies sie die Hand mit dem Blatt sinken. Erschüttert nahm es Janela aus ihrer Hand Die Helfer Ijarkors D O R G O N und las es schnell durch. »Aufgrund des zu geringen Erfahrungsstandes müssen wir dir leider eine Absage erteilen. Wir danken jedoch für dein Interesse und hoffen, dass du weiterhin in diesem Bereich arbeitest.« Janela faltete die Folie zusammen und gab sie der Freundin wieder. »Das ist natürlich ein unwiderlegbares Argument. Du solltest es dir nicht so zu Herzen nehmen. Schließlich bist du noch jung!« An diesem Abend wandelte Nataly allein durch die Parks, die Alleen und die Straßen der Stadt. Unbewusst lenkte sie ihre Schritte zum Regierungsbezirk. So schlenderte sie in Gedanken versunken dahin, bis sie schließlich einen Mann anrempelte. »Oh, Entschuldigung!« murmelte sie und blickte auf. Die braunen Augen fesselten sie, zogen sie sofort in ihren Bann. Der Mann war nur durchschnittlich groß, aber von sportlicher Statur, mit schönem schwarzen Haar. Sie erkannte ihn sofort. Vor nicht allzu langer Zeit war er in allen Videoempfängern der Insel zu sehen gewesen, als er seine große Ansprache hielt, den Aufruf zur Hilfe und Freundschaft für sein leidgeprüftes Volk. Vor ihr stand Aurec, der Kanzler der Saggittonen. Ein Schimmer von Bewunderung erschien in seinen Augen. Offensichtlich hatte er Gefallen an ihr gefunden. Das bewiesen auch seine ersten Worte. »Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich kenne hier in der Nähe eine gemütliche Kneipe, in der man ungestört seine Mahlzeit einnehmen und sich dem Gespräch widmen kann. Nun, was meinen Sie?« Leicht errötend senkte Nataly den Kopf, aber nur, um ihn sofort darauf wieder zu heben und dem Saggittonen mit feurigen Augen anzusehen. »Nehmen Sie immer eine Entschuldigung einer Frau mit der Einladung zum essen an?« fragte sie neugierig. Aurec grinste. »Nein, nur bei wunderschönen Frauen, die die Nichten des Chronisten von Cartwheel sind.« 121 »Ah«, machte Nataly überrascht und lächelte verlegen. »So eine Einladung würde ich niemals ablehnen.« Er bot ihr ganz nach terranischer Sitte den Arm und geleitete sie in eine winzige Kneipe in der Nähe, wo tatsächlich niemand aufschaute, als der berühmte Mann eintrat. Sie nahmen an einem kleinen Tisch in einer gemütlichen Ecke Platz und ließen die Atmosphäre auf sich wirken. Die beiden erzählten sich viel. Insbesondere berichtete Aurec von den Erlebnissen der letzten Tage auf Saggittor. Nataly hatte viel Verständnis und gab dem Saggittonen das Gefühl, es sehr ehrlich zu meinen. Sie hatte eine sehr sympathische und warme Ausstrahlung. Im Laufe des Abends erzählte Nataly dem Kanzler von ihrer misslungenen Bewerbung auf die Stelle einer Beamten. Mittlerweile hatte er herausgefunden, dass sie gerade dabei war, sich von dem behüteten Heim des Onkels zu lösen, um Erfahrungen zu sammeln und das Leben zu genießen. »In meinen Regierungsbüros auf Paxus ist noch immer die Stelle der Sekretärin im Werbebereich unbesetzt. Ich denke, eine dynamische und intelligente Frau wie Sie es sind, könnte diese Position als Sprungbrett für ihre Karriere nutzen.« Schon wieder war sie fassungslos. »Sie bieten mir eine Stellung auf Paxus, als Sekretärin? Ist das Ihr Ernst? Das wäre für viele Frauen ein Traumjob, und ausgerechnet ich soll ihn erhalten? Gerade noch wurde mir der Mangel an Erfahrung zur Ursache einer Ablehnung!« »Naja, ich habe nicht gesagt, dass dieser Job einfach sein wird. Aber es handelt sich sowieso in dieser neuen Galaxis um völlige Erneuerungen, so dass jeder unerfahren auf der Position wäre. Und Ihnen traue ich es zu, die Aufgaben zu meistern, die diese Einstellung mit sich bringen würden.« Nataly schwieg nachdenklich. In der Nähe dieses Mannes zu sein, war schon eine Ehre und große Herausforderung. Außerdem hegte sie große Sympathien für den Saggittonen. D O R G O N 122 »Selbstverständlich würde ich Ihnen und Ihrem Onkel eine große Villa zur Verfügung stehen, so dass ihr gut auf Paxus leben könnt. Sie können es sich überlegen, mein Angebot gilt morgen noch immer!« Jaaron war so begeistert von dieser Aussicht, dass er Nataly beschwor, so früh wie möglich bei Aurec anzurufen mit herzlichstem Dank anzunehmen. 8. Upanishad Die Hologramme zeigten uns das Bild des Planeten. Er besaß fünf Kontinente, von denen allerdings nur einer bewohnt war. Mmius, großflächig von Vegetation beherrscht, Durchschnittstemperatur von 24◦ C; Schwerkraft 0,745 g. Die Hauptstadt hieß Siiiraaad, außer ihr gab es wenige umliegende Dörfer, die allerdings nach dem Überfall der Pterus zerstört waren. Unser Ziel war also die Hauptstadt. Wenn der Terraner Dean Recht hatte, gab es auf Oden einen Ophaler, der Ijarkor gesehen haben wolle! Das war eine Spur, der wir unbedingt folgen mussten, auch wenn sie noch so unglaubhaft klang. »Akhaho!« Die energische Stimme des USO-Chefs riss mich aus meinen Betrachtungen. »Ja?« »Suche dir noch zwei Männer aus, die uns begleiten! Ansonsten kommen noch Japar und Tyler mit. Und unser TLD-Mann, wenn ich mich nicht irre?!« Kommentarlos überprüfte der Agent den Sitz seiner Kombination. Ich verließ die Zentrale und suchte das Mannschaftsterminal auf, um mir zwei Männer auszusuchen. Aus welchen Gründen wir sieben Leute sein sollten, verstand ich nicht, aber die Gedanken der Chefs sind stets unergründlich. Ich dachte an Falbela. Wie es ihr wohl momentan gehen mochte? Ich nahm mir vor, nach der Auflösung des Upanishad-Konflikts Urlaub einzureichen und nach Bostich zu reisen. Diese Schönheit wollte ich nicht zu lange warten lassen! Tobias Schäfer Meine beiden Männer standen bereits in voller Schutzmontur an der Polschleuse, als wir ankamen. Die LARRY RANDALL landete gerade auf dem kleinen Raumfeld der Hauptstadt. Mit einem bereitgestellten Gleiter jagten wir der nahen Stadt entgegen. Wie wir erwartet hatten, befand sich der Ophaler in der Obhut elfahdischer Soldaten, doch dank Deans Identität als TLD-Agent wurden wir binnen kürzester Zeit vorgelassen. Da saß er auf dem formenergetischen Sessel, wenn man das so nennen wollte. Seine rote, borkige Haut vermittelte den Eindruck einer mumienhaften Salbung, seine Tonnenbrust wölbte sich über seinen Lungen. »Ich kenne euer Anliegen.« Der organische Sprachmodulator gab herrlich klangvolle Töne von sich. »Ich habe leider unvorsichtig damit geprahlt, den Ewigen Krieger Ijarkor gesehen zu haben. Nun, es ist tatsächlich war.« Dean beugte sich vor. Ich sah das misstrauische Glitzern seiner Augen. Meine Leute und ich hatten uns im Raum verteilt, ich beherrschte den Ein- und Ausgang. »Wie kannst du so sicher sein, dass es Ijarkor war, den du gesehen hast?« Deans Stimme klang ungeduldig. »Nun, wenn euch das etwas wert ist: Ich schwöre auf das Leben meiner Mutter, dass es Ijarkor war. Ich weiß es einfach! Als er vor mir stand, fühlte ich es. Es gibt keine Zweifel.« »Hast du Beweise für deine Behauptung?« »Natürlich nicht! Oder hätte ich ihn um eine Genprobe bitten sollen?« »Und natürlich hast du ihn auch noch nie zuvor gesehen, richtig?« Resigniert nickte der alte Ophaler. Es schien unmöglich, den Fremden zu überzeugen. Ich bemerkte seine verzweifelten Blicke, aber auch das Funkeln in den Augen meiner Chefs. Hier stimmte doch irgendetwas nicht! »Außer in alten Berichten. Aber ich weiß es!« Dean winkte ab. Ich nickte meinen Männern zu. Wir zogen uns bereits aus dem Raum zurück. »Sackgasse!« Zerknirscht musste sich der Terraner eingestehen, dass seine Informationen auch nicht D O R G O N Die Helfer Ijarkors weitergeholfen hatten. Die ganze Angelegenheit blieb ein undurchsichtiger Fall. Wir begaben uns zurück an Bord der RANDALL. Es war schon alles für den Start vorbereitet, so dass Scorbit nur noch den Befehl geben musste. Das große Raumschiff hob leicht wie eine Feder ab und strebte dem Weltraum zu. Die Hologramme zeigten weit und breit kein Hindernis, alles verlief planmäßig. Doch waren dort, ganz in unserer Nähe, nicht drei fast unsichtbare Strukturen zu sehen? Ich erstarrte regelrecht, als sich aus der Schwärze des Raums drei große Schiffe schälten, die sofort das Feuer eröffneten. Ein Schrei gellte durch die Zentrale. »Die Pterus! Feuer frei und Ausweichmanöver! Katastrophenalarm!« Jan Scorbit hatte unglaublich schnell reagiert. Ich hatte die Bewegung gar nicht registriert, mit der er die Schutzschirme aktiviert hatte. Trotzdem war ein Strahlschuss durchgekommen, der eines der Gravojets weggeschossen hatte. Unsere Manövrierfähigkeit war dadurch um ein zehntel reduziert worden, und die Pterus befanden sich sowieso in der Überzahl. Panik wollte nach mir greifen, doch ich sah die Einsatzleiter ruhig dastehen und fühlte die Aura der Gelassenheit, die sie ausstrahlten. »Tyler, sofort an die Geschütze!« drang Jans Stimme in meine Gedanken. Sam Tyler war bereits auf dem Weg in die Feuerleitzentrale. Augenblicke später lag unser Feuer viel platzierter, die Angreifer bekamen Schwierigkeiten. Doch unsere Schirme konnten den Punktbeschuss auch nicht mehr ewig aushalten, und egal, was der Pilot versuchte, wir entkamen dem Kreuzfeuer nicht. Ich sah bereits unser Ende nahen und wünschte mich weit weg, nach Bostich, in die Arme einer arkonidischen Schönheit, in Falbelas Arme... * In dieser hoffnungslosen Situation tauchten plötzlich zehn weitere Schiffe auf. An Bord der LARRY RANDALL hallte ein Aufschrei durch alle Räume. Das musste das Ende sein! Doch innerhalb weniger Minuten merkten alle, wie sehr sie sich getäuscht hatten. Nicht sie waren das Ziel der Fremden, sondern die 123 Angreifer, die Pterusraumer! Es war mehr ein kurzer Feuerschlag der zehn Schiffe denn ein wirklicher Kampf, dann waren die Pterus Vergangenheit. Nicht nur Jan Scorbit wischte sich an Bord der RANDALL den Schweiß von der Stirn. Es gab wohl kein Besatzungsmitglied, das noch an einen glücklichen Ausgang des Kampfes gedacht hatte. Und nun war es geschehen! Mit einem geringfügigen Schaden am Antrieb waren sie dem Tod entgangen. Eine Verbindung zu den Fremden wurde hergestellt. Das Wesen, das als Holo erschien, lehnte alle Danksagungen ab und bat nur um eine Audienz mit den Anführern des Schiffes. Die Hauptakteure der letzten Zeit, Jan Scorbit als Anführer der USO, Sam Tyler als erfolgreicher Agent und Kanonier sowie Will Dean als TLDAgent schickten sich an, der Einladung zu entsprechen und an Bord des bezeichneten Schiffes zu gehen. Gespannt betraten die drei das fremde Schiff. Es war ihnen natürlich klar, dass sie es mit Einheiten der Helfer Ijarkors zu tun hatten. Doch ein Aufgebot von zehn Schiffen hatten sie noch nicht entdeckt. Hier bahnte sich etwas Besonderes an. In der Empfangshalle, ein leer stehender Hangar, erwartete sie nur ein einziges Wesen. Erstaunt starrten sie es an. Eingehüllt in eine zerfetzte Kutte, die Gliedmaßen teilweise von Stoffen umhüllt, erinnerte es stark an eine mumifizierte Leiche, auch wenn es offensichtlich ein Pterus war – ein sehr alter Vertreter dieses kriegerischen Volkes, wie sie feststellen konnten. Seine Haut glänzte nicht mehr, wirkte vertrocknet und eingefallen. Das Gesicht war am stärksten betroffen, die Haut wirkte fast staubig. »Willkommen an Bord!« Eine äußerst raue, verbrauchte Stimme begrüßte sie. »Bitte, mit wem habe ich es zu tun?« Jan Scorbit trat vor. »Mein Name ist Jan Scorbit, ich bin Anführer einer Organisation, die sich Neue USO nennt und die für die Interessen des Projekts eintritt, wo sie nur kann. Dieses ist einer meiner besten Leute, Sam Tyler. Und hier zu meiner Linken steht Will Dean, der beste Agent des Terranischen Liga Dienstes.« 124 D O R G O N Man konnte Tyler ansehen, dass er ungeduldig wurde. »Ich nenne mich Ijarkor.« Diese einfachen Worte lösten eine starke Reaktion aus. Dean nickte nachdenklich, als habe er derartiges erwartet. Sam Tyler und Scorbit jedoch prallten zurück und stießen einen ungläubigen Laut aus. »Ijarkor? Alter Mann, der Ewige Krieger ist ein Mythos!« ereiferte sich Scorbit. »Es wird zwar von einem Pterus gesprochen, der Ijarkor sein soll, aber die Ewigen Krieger existieren schon lange nicht mehr! Wer bist du wirklich?« »Folgt mir erstmal in eine Kabine. Ich bin nicht mehr dazu in der Lage, lange Diskussionen im Stand zu führen.« Er drehte sich um und ging zielstrebig, aber mit unruhigen Schritten auf ein Schott zu. Schnell folgten ihm die drei Terraner, die bisher noch an einen Spaß glaubten und schnell hinter die Sache kommen wollten. Keiner hatte ein Auge für die Zimmereinrichtung. Sie ließen sich einfach in die formenergetischen Sessel fallen und starrten den Alten an. »Als ich entdeckte, dass ich Ewigkeiten von den Animateuren benutzt und getäuscht worden war, beschloss ich, Buße an den Völkern der ESTARTU-Galaxien zu tun. Ich sammelte Helfer um mich, die mit mir dafür sorgen sollten, den Permanenten Konflikt nie wieder entstehen zu lassen. Um meine Buße möglichst lange vollziehen zu können, begebe ich mich immer wieder für längere Zeit in ein Stasefeld, dass mich vor dem Zellverfall bewahrt. Ich kann es immer nur kurzzeitig verlassen, denn sonst setzt der Verfall schnell wieder ein. Es gibt Mikroorganismen, die einen Pteruskörper quasi in Stase halten können, ihm also eine relative Unsterblichkeit verleihen. Allerdings tun sie nur wenige Tage ihre Wirkung, dann muss erneut die künstliche Stase aufgesucht werden, um den Verfall zu verhindern. Seit Jahrhunderten friste ich in dieser Art mein Dasein, immer bedacht, Buße an ESTARTU und ihren Völkern zu tun. Es ist meine Aufgabe, auch hier in der Insel für die Einhaltung ihrer Gesetze zu sorgen, den Permanenten Kon- Tobias Schäfer flikt zu verhindern. DORGON selbst schickte mich hierher, und gab mir damit eine Aufgabe, die für mich das Lebensziel bedeuten kann – der Schutz der Insel!« Ironisch wandte sich Tyler an seine Begleiter. »Sagt mal, habe eigentlich nur ich den Eindruck, dass bei diesem Kerl hier oben etwas nicht stimmt?« Er tippte sich mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe. »Hm, vielleicht sollten wir eine Untersuchung auf seinen Geisteszustand veranlassen«, stimmte Scorbit zu. Er schüttelte den Kopf und betrachtete den Pterus abschätzend. »Ob er einer Nervenklinik entlaufen ist?« »Hey, Jan, Sam!« empörte sich Dean. »Wir sind Gäste dieses Mannes, und selbst wenn ihr seiner Geschichte nicht glaubt, ist etwas mehr Höflichkeit angebracht! Schließlich hat er uns das Leben gerettet! Im Übrigen halte ich es für ziemlich wahrscheinlich, dass er die Wahrheit sagt.« Die beiden verzogen erstaunt das Gesicht. Sam Tyler wandte sich demonstrativ ab und widmete sich ausgiebig der gegenüberliegenden Wand. »Will«, fing Scorbit wieder an. »Du glaubst doch nicht wirklich an diese Sache? Mikroorganismen, die Unsterblichkeit bringen? Schau ihn dir doch an! Ich wette, wir alle haben sein Äußeres als erstes mit einer altägyptischen Mumie verglichen!« Will winkte ab. »Du hast seine Erklärungen diesbezüglich gehört.« Einige Minuten lang herrschte Schweigen. Dann räusperte sich der Alte. »Wenn die Herren fertig sind mit der Diskussion über meine Glaubwürdigkeit, dann würde ich gerne auf den Grund meiner Einladung zu sprechen kommen. Meine Organisation handelt momentan indirekt im Auftrag DORGONs. Wir wollen das Projekt zu einem Erfolg geleiten. Das Auftauchen Sarons und seiner neuen Upanishad zwingt uns sekundär in unsere alte Rolle zurück. Wir können nicht zusehen, wie der Permanente Konflikt wieder auflebt. Unsere Informanten haben herausgefunden, dass Saron einen Großangriff mit seiner ge- D O R G O N Die Helfer Ijarkors samten Flotte auf Estartu plant. Das würde ein unglaubliches Gemetzel geben, wenn wir dem nicht Einhalt gebieten können. Saron wird versuchen, Sruel Allok Mok und Evrius umzubringen und die Macht über Estartu an sich zu reißen. Leider verfügen wir nicht allein über die Mittel, eine Schlacht in diesem Ausmaß zu schlagen. Es liegt in unserem Interesse, die Terraner und die USO als Partner zu gewinnen. Wir alle verfolgen die gleichen Ziele.« Er machte eine Pause und blickte die Männer der Reihe nach an. Dean nickte überzeugt, auch Scorbit blickte ernst drein. Tyler schien unbeteiligt dabei zu sitzen. »Wir müssen eine schlagkräftige Flotte bilden, die es mit Sarons Schiffen aufnehmen kann. Wir müssen Estartu verteidigen!« »Du hast Recht, wenn du uns um Mitarbeit bittest.« Dean lehnte sich zurück. »Ich möchte allerdings den offenen Konflikt vermeiden. Wenn wir bereits in den ersten Wochen seit der Besiedlung der Insel mit Gewalt gegeneinander vorgehen, sehe ich keine große Chance für das Projekt.« »Ich bin der gleichen Ansicht. Wir sollten versuchen, nicht dem Überfall zu begegnen, sondern den Urheber kaltzustellen. Starten wir ein Kommandounternehmen, dessen Ziel die Entführung Sarons von Upanishad ist! Ich bin überzeugt, die Pterus werden leichter unter Druck zu setzen sein, wenn ihnen ihr fanatischer Anführer fehlt.« Damit hatte Scorbit den Anstoß gegeben. Binnen einer Stunde hatten die beiden Geheimdienstler einen groben Plan entwickelt, der den Pterus in Erstaunen versetzte. Dean gab sich zuversichtlich. »Wenn du uns die Position von Upanishad mitteilen kannst, werden wir den Konflikt bald gelöst haben.« Das tat Ijarkor auch. Damit verabschiedete er sich. Es war Zeit, sich auszuruhen. * Zwei Tage später näherte sich ein kleines Raumboot dem fremden Planeten. Nur sieben Männer befanden sich an Bord. Unangefochten landeten sie in der Nähe der 125 kleinen Hauptstadt. Das Boot ließen sie unter einem Antiortungssystem zurück und machten sich dann auf den Weg. Am Landeplatz waren sie auf einen Agenten Ijarkors getroffen, der sie nun durch Untergrundsysteme und Geheimtransmitterverbindungen dem Regierungspalast nahe brachte. »Jeden Tag gegen 14.00 Uhr PlanetenStandard durchquert Saron die große Vorhalle des Regierungspalastes, um seine private Kantine zu erreichen, wo er mit seinen treuesten Mitarbeitern zu speisen pflegt.« Der Agent flüsterte fast, denn sie befanden sich momentan in einer dichten Menschenmenge, die dem Einkaufszentrum zustrebte. Es befand sich hinter dem Palast, in dem Gedränge fielen sie nicht auf, wenn sie sich auf ihn zu bewegten. Mit zügigem Schritt bildeten Tyler und Japar die Front, drei Männer sicherten hinten ab. Ihre Waffen trugen sie noch in der Kleidung verborgen, ebenso wie die Projektoren von Deflektorund Individualschirmen und die Antigravaggregate. Das Regierungsgebäude schien im ersten Eindruck ungesichert, doch bemerkten die Terraner schnell, dass überall verborgene Detektoren angebracht waren. Sie wollten sich unsichtbar in die Halle schleichen, doch kaum durchschritten sie die Portale, gellte auch schon ein interner Alarm, und an die zwanzig Pterus stürmten in den Raum. Saron wurde sofort abgedeckt, doch Sam Tyler reagierte unglaublich schnell. Er riss seinen Strahler hoch und fegte die Pterus von den Füßen, die Saron aus der Gefahrenzone bringen wollten. Ein heftiger Kampf entbrannte. Chris Japar und Sam Tyler hatten sofort kompromisslos gehandelt, als sie bemerkten, dass ihre Tarnung aufgeflogen war. Sich gegenseitig Feuerschutz gebend rannten sie von Deckung zu Deckung und schickten den Verteidigern konzentriertes Feuer entgegen. Zehn Pterus vergingen schon im ersten Ansturm, die anderen hatten ebenfalls Deckungsmöglichkeiten gefunden. Die drei Agenten von Scorbit hatten sich Sarons bemächtigt und schirmten ihn geschickt gegen vor den Verteidigern ab, die ihn um jeden Preis befreien wollten. Rasend schnell füll- 126 D O R G O N te sich die Halle mit beißendem Rauch und stinkiger Hitze. »Sam! Kümmere dich um den Transmitter! Hier wird es bald zu heiß!« Jan überschrie den Kampflärm. Sam Tyler zog sich vorsichtig zurück und verschwand durch eine Tür. Der Helfer folgte ihm rasch und unterstützte ihn auf der Suche nach dem Besuchertransmitter, der ihnen zur Flucht dienen sollte. Inzwischen zogen sich auch die drei USOLeute mit ihrer wertvollen Beute zurück. Dean, Japar und Scorbit deckten die Flucht, bis die Nachricht von Tyler eintraf. Er hatte den Transmitter remoduliert, seine Frequenz war auf die ihres eigenen Fluchttransmitters an Bord des Bootes angepasst. Dean feuerte eine Garbe auf die Deckungen der Gegner, dass diese vor den Splittern fliehen mussten, dann entfernten sie sich im Laufschritt durch den Gang. Brüllend folgten ihnen Augenblicke später die Pterus. Tobias Schäfer 9. Das Ultimatum Jan Scorbit hatte sich erboten, den Gefangenen nach Estartu zu bringen und der dortigen Gerichtsbarkeit zu übergeben. Dort wurde er nach wenigen Stunden verurteilt, denn Evrius hatte kein Interesse an langen Verhandlungen bei der klaren Sachlage. »Saron, nach dem Gesetz der ESTARTUGalaxien hast du dich unzweifelhaft des Hochverrats schuldig gemacht. Die Entführung einer Unzahl an Raumschiffen will ich nicht mit aufführen, denn deine Verbrechen an den Wesen der Welt Oden wiegen um einiges schwerer. Tausendfacher Mord in seiner brutalsten Form! Nach den estartischen Gesetzen spreche ich dich schuldig und verurteile dich zu einhundert Jahren Gefängnis. Ein äußerst gnädiges Urteil!« * »Schneller! Sie holen auf!« Japar stolperte, schlug lang hin und rutschte bäuchlings in einen kleinen Raum hinein. »Steh auf, du Nilpferd!« schrie ihn sein Kollege an. Tyler stand vor dem eingeschalteten Transmitter und scheuchte die Männer hindurch. Als letzter ging er, hinterließ jedoch eine kleine Bombe, die das Steuergerät mit einer kleinen Explosion zerstörte. Eilig aktivierte Scorbit den Transmitter an Bord des Kleinstraumschiffes. Die drei Agenten gingen als erstes, Saron in ihrer Mitte. Wieder war Tyler der Letzte. Er konnte sich noch überzeugen, dass die Selbstvernichtungsanlage aktiv war, bevor er an Bord der RANDALL aus dem Empfänger trat. Ein grinsender Chris Japar empfing ihn. »Nilpferd, was?« Es gab einen dumpfen Laut, als Tylers Oberschenkel Bekanntschaft mit Japars Knie machte. Aufstöhnend hüpfte er durch den Raum und fluchte. Und Dean konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Da hatte der hartgesottene Mann mal sein Fett weg gekriegt. Er würde die nächsten Minuten nicht richtig laufen können. »Ihr wisst, was auf euch zukommen kann!« Die knarrende, raue Stimme des uralten Pterus, der sich Ijarkor nannte, wurde von den großen Sendern des Schiffes abgestrahlt. Das Holo des ehemaligen Ewigen Kriegers erschien wohl in allen Funkräumen auf Upanishad und verlangte den besiegten Pterus Ehrfurcht ab. »Es ist lange her, dass ich über Siom Som herrschte. Doch seid gewiss, ich habe nicht vergessen, wie lebenden Wesen dieses Leben zur Qual gemacht werden kann! Ich habe nicht vor, euch zum Frieden zu zwingen, aber ich werde nicht zulassen, dass ihr euch weiterhin gegen die Ordnung der Insel stellt und versucht, dem Permanenten Konflikt neues Leben einzuhauchen! Ich habe mir vor Jahrtausenden zum Ziel gesetzt, den Konflikt auf ewig zu verbannen! Binnen zwei Wochen ist euer Planet offen für alle Lebewesen Cartwheels, ihr werdet euch der allgemeinen Politik anpassen und ein normales Leben führen, zum Wohl des großen Projekts! Nur deshalb seid ihr hier! Nur um eure Heimat zu verteidigen und dem Chaos den Zugriff zu verwehren! Ihr habt die Verantwortung mit eurer freiwilligen Meldung auf euch genommen, Die Helfer Ijarkors D O R G O N nun tragt sie auch! Und verlasst euch drauf: Ich werde in regelmäßigen Abständen wiederkommen! Ich werde über euch wachen, so wie ich über ganz Cartwheel wache.« Weiterhin zogen die Schiffe der Helfer ihre Bahnen um Upanishad. Sie würden darüber wachen, dass das Ultimatum erfüllt wurde. Auf der estartischen Hauptwelt Estartu trafen unterdessen Julian Tifflor, Sam, Aurec und Evrius zusammen. »Es stimmt mich zuversichtlich, dass wir es auch hier auf der Insel schaffen, den Bund der drei Galaxien von der Milchstraße, Saggittor und Siom Som aufrecht zu erhalten.« Sam reichte jedem der Männer die Hand. »Wir können uns glücklich schätzen, in der Organisation der Helfer einen so wichtigen Verbündeten gefunden zu haben. Ob ihr Anführer nun Ijarkor ist oder ob er sich nur für diesen ausgibt, spielt endlich keine Rolle. Er verfolgt identische Ziele wie der Terra-Block, Saggittor und Estartu, das ist die Hauptsache. Ich denke, wir können ihm die Befriedung der Pterus getrost überlassen.« 10. Unheilvolles Treffen Hochaufgerichtet stand der schlanke Terraner in der Mitte einer Gruppe Männer und Frauen. Seine grauen Augen zeigten Respekt und Achtung vor den Leistungen dieser Menschen, die dabei waren, die größte menschliche Siedlung der Geschichte zu führen und in ein Projekt von universeller Bedeutung einzubinden. Perry Rhodan hatte sich nicht zu viel versprochen. Im Gegenteil, die Sache machte gute Fortschritte. »Ich bin freudig überrascht. Eigentlich hatte ich mit starken Problemen gerechnet. Die Arkoniden verhalten sich noch verhältnismäßig ruhig, es scheint auch keine akuten Intrigen zu geben. 127 Nun ja, die Pterus unter Saron waren wohl ein Ausrutsche.« Er sah sich um und blickte in nachdenkliche Gesichter. »Ich werde wohl noch bleiben, bis die Wahlen vorüber sind. Ihr wisst ja, ich würde mich Aurecs Meinung anschließen und unseren Freund Sam als obersten Generalsekretär vorschlagen. Ich hoffe, dass sich die Mehrheit der Abgeordneten zu dieser Einsicht bewegen lässt. Wenn Sam den Paxus-Rat leitet, können wir sicher sein, dass die eigentlichen Interessen, das große Projekt, nicht aus den Augen verloren werden. Ich kenne Sam als gerechten und weisen Mann.« Die Menschen nickten. Rhodan hatte vor den versammelten Abgeordneten der Völker seine Gedanken erläutert. Ihm schwebte ein Rat von insgesamt fünf Personen vor, von einem Generalsekretär geleitet, dem die Entscheidungsgewalt übertragen werden sollte. Die übrigen Delegierten sollten das Parlament bilden. Da sie sich vorher schon auf den ähnlichen Vorschlag von Aurec geeinigt hatten, fiel es ihnen nicht schwer, Rhodans Worte zu beherzigen. Die Wahlen sollten nun endlich stattfinden. Der Termin war auf den neunundzwanzigsten August angesetzt. In drei Tagen war es soweit. »Ich habe noch ein Treffen mit dem Anführer der Pariczaner vor den Wahlen. Nor’Citel erwartet mich auf New Paricza, wir heute Abend besprechen das Weitere.« Er machte eine kurze Pause. »Ich bin gespannt, was er jetzt von mir will. Hm...« Die Gruppe löste sich auf. Jeder war mit den Gedanken bei der bevorstehenden Wahl. Sie hatten ihre Hoffnung auf Don Phillippe de la Siniestro gelegt. Der alte gerissene Spanier sollte möglichst in den Rat, ebenso wie Sam und Aurec. Aber das war bereits eine traumhafte Komposition. Rhodan ahnte nicht, dass in der Zwischenzeit ein Überschwerer auf New Paricza in einem Sessel saß und hämisch grinste, als er an Rhodan dachte. Leticron hatte alles in die Wege geleitet. Mochte der Terraner kommen... 128 D O R G O N Tobias Schäfer Heft 45 Machtkämpfe Jeder will die Macht - die Wahlen auf der Insel von Jens Hirseland Titelbild von Klaus.G.Schimanski D O R G O N Machtkämpfe 1. Das Treffen Perry Rhodan wurde sentimental, als er das Gesicht des Asiaterraners sah. Die kleine Gestalt im Kimono ging auf den Terranischen Residenten zu und strahlte Ruhe und Frieden aus. Über den Lippen huschte ein Lächeln. »Es ist eine Freude dich wiederzusehen, Sato Ambush!« sprach Perry Rhodan bedächtig. Die beiden Freunde umarmten sich herzlich. Sato war es ein wenig unangenehm, doch er blickte darüber hinweg. Perry Rhodan hatte Sato Ambush seit den Vorfällen in Saggittor im Jahre 1285 NGZ nicht mehr gesehen. Über zehn Jahre waren vergangen und es war ein Wunder, daß er überhaupt Ambush in den Wirren der Paralelluniversen wiederfand. Nach dem erneuten Verschwinden Ambushs hatte Perry nicht mehr mit einem Wiedersehen gerechnet. Doch das Schicksal hatte es anders gewollt. Sato Ambush schilderte Perry Rhodan erneut die Vorfälle um Saggittor. Vieles wußte Rhodan bereits von Aurec. Sato Ambush schilderte die Erlebnisse hinter dem Zentrum und um SAGGITTORA. Rhodan war beeindruckt und schockiert zugleich. Auch richtete sich seine Aufmerksamkeit auf das Schicksal des Pararealisten. Er hatte viel durchmachen müssen, bevor er endlich wieder Zuhause war. Zumindest in seinem eigenen Universum. »Was sind deine Zukunftspläne?« wollte Rhodan wissen. Der Japaner faltete die Hände und schien sehr entspannt zu sein. »Zuerst will ich nach Hause! Ich will Japan wiedersehen, Tibet und all die ruhigen und besinnlichen Orte der Erde. Ich will die Luft Terras atmen und wieder Sushi essen.« Rhodan mußte lachen. Auch Ambush lachte herzlich. »Danach werde ich nach neuen Aufgaben suchen und hoffen, daß ihr welche für mich habt. Vielleicht auf der Insel?« Perry nickte. »Wir werden mit Sicherheit etwas für dich 131 finden. Wissenschaftler deines Kalibers brauchen wir in dieser neuen Galaxis. Aber ruhe dich erst einmal aus. Besuche die Erde und gewinne neue Energie, alter Freund.« Ambush wirkte zufrieden. Er stellte klar, daß die Pause nicht allzulange dauern dürfte, denn er war sich sicher, daß Aurec und die anderen, seine Hilfe benötigten. Sato wollte Perry Rhodan auf seinem Heimflug begleiten. Dieser stand sehr bald an, da Imperator Bostich politischen Druck auf die Liga Freier Terraner ausübte und Reginald Bull die Hilfe von Perry Rhodan brauchte. Das erinnerte Rhodan an ein Treffen mit einem Staatsoberhaupt, auf das er sich gefreut hatte. Da er allerdings noch heute abfliegen mußte, hatte er die unerfreuliche Aufgabe, das Treffen abzusagen. * Der Überschwere sah aus dem Fenster des Gebäudes, das hoch über der Stadt türmte. Es war das Hauptquartier der Pariczaner. Der Mutant ließ seinen Blick über die unzähligen Gebäude der Großstadt schweifen. Voller Ungeduld wartete Nor’Citel alias Leticron, der in dem Körper des jungen Überschweren Siddus wohnte, auf das Eintreffen seines verhaßten Feindes Perry Rhodan. Endlich würde er ihm gegenüberstehen! Haß und Wut stiegen in Leticron auf, wenn er an den Zellaktivatorträger dachte. Immer wieder hatten Rhodan und seine Terraner über die Pariczaner gesiegt. Doch dieses Mal würde Leticron der Sieger sein. Er hatte ein Treffen mit Rhodan in seinem Amtssitz vereinbart und der Terraner wurde in wenigen Minuten erwartet. Für einen Augenblick spielte der Mutant mit dem Gedanken, sich Rhodan bei seinem Eintreffen erkennen zu geben und ihn anschließend zu töten. Doch er verwarf diese verlockende Möglichkeit. Nein, Rhodan sollte leiden. Er sollte miterleben, wie seine geliebte Menschheit untergehen würde. Doch dazu bedurfte es eines Langzeitplans. Leticron besaß nun mächtige Verbündete, die ihn in seinem Kampf unterstützten. Jedoch schon einmal hatte er Verbündete gehabt, die 132 D O R G O N ihn nur benutzen wollten. Er bedauerte es, daß Hotrenor-Taak und Maylpancer schon lange tot waren. Es wäre ihm eine Freude gewesen, diese beiden, die an seinem Leid mit schuld waren, zu vernichten. Perry Rhodan lebte allerdings noch! Und eines Tages würde er seine Rache zu spüren bekommen. Bis dahin hieß es für Leticron Geduld zu haben und Taktik anzuwenden, um seine Ziele zu erreichen. Dazu galt es die Macht im Paxus-Rat zu gewinnen. Es gab genug machthungrige Subjekte, die nach persönlicher Macht und Bereicherung strebten. Leticron verachtete sie. Für ihn waren sie nur Insekten. Nur solange sie ihm nützlich waren, würde er sich ihrer bedienen. Taka Kudon und seine primitiven Dscherro waren solche Ameisen. Sie waren willige Helfer. Doch die Dscherro bildeten nur den Anfang. Es galt, noch mehr Verbündete zu gewinnen. Leticron wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als plötzlich ein Geräusch ihn ablenkte. Es war das Visiphon. Leticron ging heran. Es war sein Adjutant. »Ja, was gibt es, Tonkvar?« »Herr, Perry Rhodan wünscht ein Gespräch.« »Durchstellen«, befahl Leticron knapp. Was konnte Rhodan wollen? Er sollte doch in wenigen Minuten hier erscheinen. Kurz darauf erschien Rhodans Gesicht auf dem Bildschirm. »Ich grüße Sie, Resident«, begann Leticron alias Nor’Citel höflich. »Auch ich grüße Sie, Corun. Leider habe ich schlechte Neuigkeiten. Aufgrund politischer Umstände, die meine sofortige Abreise erfordern, muß ich unser geplantes Treffen bedauerlicherweise absagen.« Nur mühsam gelang es Leticron sich zu beherrschen. »Das ist... wirklich bedauerlich, Resident. Ich hatte mich schon so sehr auf unser Treffen gefreut...« »Leider gibt es in der Milchstraße Schwierigkeiten mit dem Kristallimperium«, versicherte Rhodan. »Imperator Bostich läßt mal wieder die Muskeln spielen. Meine Anwesenheit auf Terra ist unumgänglich. Aber Residenzminister Jens Hirseland Tifflor wird noch bleiben. Sie können sich jederzeit an ihn wenden.« »Das werde ich, darauf können Sie sich verlassen«, erwiderte Leticron zweideutig. Ich hoffe, daß wir uns doch noch eines Tages begegnen werden...« »Das hoffe ich auch. Ich wünsche Ihnen alles Gute für die Ratswahl. Auf Wiedersehen, Nor’Citel.« »Auf Wiedersehen, Rhodan.« Rhodans Gesicht verschwand vom Bildschirm. Wutentbrannt zerschlug Leticron das Visiphon. »Wir werden uns wiedersehen, Perry Rhodan! Wir werden uns wiedersehen.« 2. Mankind Marya stand in der Küche und war dabei das Abendessen zuzubereiten, als es an der Tür summte. »Machst du mal auf, Marya?« rief Jonathan Andrews aus dem Nebenzimmer. »Das muß Gal’Arn sein!« »Was denn noch alles? Bin ich hier Empfangsdame und Köchin zugleich? Kann nicht einer von deinen nichtsnutzigen Kumpanen die Tür aufmachen?« Als Marya keine Antwort erhielt, ging sie fluchend selbst zur Tür. Es paßte ihr überhaupt nicht, daß Jonathan vor kurzem einen Wohngemeinschaft mit dem Terraner Mathew Wallace, dem Oxtorner Irwan Dove und dem Posbi Lorif gebildet hatte. Viel lieber hätte sie »Johnny«, wie sie Andrews nannte, für sich allein gehabt. Statt dessen mußte sie ständig Doves Belehrungen über sich ergehen lassen, wenn sie seiner Meinung nach etwas falsch machte. Der Gipfel jedoch war, als Lorif ich ihrem Schlafzimmer beim Geschlechtsakt erschien und bat zusehen zu dürfen, um Studien betreiben zu können. Und nun kam auch dieser Stimmungstöter Gal’Arn, Johnnys sogenannter Meister, der einem jede Partystimmung vermiesen konnte. Für Marya war Gal’Arn nichts weiter als einen asozialer Spinner, der keinen anständigen Machtkämpfe D O R G O N Beruf gefunden hatte. Sie hoffte, Jonathan eines Tages wieder auf den rechten Weg zu bringen. Johnny gehörte ihr allein und sie war nicht gewillt, ihn mit jemandem zu teilen, am allerwenigsten mit solch schrägen Typen. Widerwillig öffnete Marya die Tür. Es war der erwartete Gal’Arn, der vor der Tür stand. »Guten Abend, Marya«, sprach Gal’Arn freundlich. »Tag, ehrwürdiger Meister«, grüßte Marya spöttisch zurück. Gal’Arn bedachte sie mit einem strengen Blick, was die junge Frau die Augen verdrehen ließ. Marya führte Gal’Arn ins Eßzimmer. »Da ist der Tisch. Das Essen kommt gleich«, sagte sie mürrisch. Nun kamen auch Jonathan, Irwan und Lorif ins Zimmer und begrüßten Gal’Arn freundlich. Mathew Wallace war heute abend auf der IVANHOE und mußte einige Wartungen an der JAY JAY durchführen. Er wollte jedoch jeden Moment wieder zurück sein. Dann begab man sich zu Tisch und Marya servierte das Essen. Es gab ein altes terranisches Gericht namens Gulasch. »Bei uns kommt im Moment nur noch Rindfleisch auf den Tisch, seitdem in der Milchstraße Schweinewahnsinn ausgebrochen ist«, sagte Marya. »Auf Rindfleisch konnte man sich auch nicht immer verlassen«, belehrte sie Lorif. »So gab es im frühen 21. Jahrhundert die Seuche BSE, auch Rinderwahnsinn genannt. Sie konnte auch auf Menschen übertragen werden und verursachte geistigen Verfall.« »Wie bei den Braunhauers«, warf Jonathan ein. »Vielleicht haben die dieses BTX...« »BSE! Nun, bei den Braunhauers scheint es sich mehr um natürlichen geistigen Verfall, sogenannter seniler Demenz, vorangetrieben durch Vererbung in Verbindung mit Spirituosen zu handeln«, meinte Lorif. »Doch um auf die Qualität der Lebensmittel zurückzukommen: Im 24. Jahrhundert gab es sogenannten Fischschwachsinn und im 32. Jahrhundert gab es Hühnerirrsinn auf Plophos, und auch Schildkröten...« »Halt die Klappe! Das interessiert uns doch 133 gar nicht!« unterbrach Marya den Posbi abrupt. »Oh!« machte Lorif nur. Zum erstenmal hatte es dem Posbi die Sprache verschlagen. »Mit solchen Ausführungen verdirbst du uns den Appetit«, gab Jonathan seiner Freundin recht. »Das war nicht meine Absicht. Ich wollte lediglich auf die Gefahren von Verzehr organischer Lebewesen hinweisen.« »Können wir jetzt endlich mit dem Essen beginnen?« maulte Marya. »Bis du mit deinen langweiligen Vorträgen fertig bist, ist es nämlich kalt!« Gal’Arn registrierte, daß Marya ziemlich gereizt auf seinen Besuch reagierte. Er führte dies auf ihren Egoismus zurück, den er schon des öfteren festgestellt hatte. Gal’Arn war stets bemüht, anderen Wesen vorurteilslos zu begegnen. Bei Marya konnte er sich jedoch eines schlechten Gefühls nicht erwehren. »Jede Spezies hat ihre Eigenheiten«, meinte der Ritter der Tiefe. »Wir müssen alle lernen dies zu respektieren, wenn wir auf der Insel miteinander auskommen wollen.« »Das ist ja lächerlich«, meckerte Marya. »Wenn ich nur an diese ekligen behaarten Linguiden denke oder diese kleinen, widerwärtigen Swoons oder die stinkenden Springer, wird mir ganz anders. Wir Terraner müssen darauf achten, daß unsere Interessen gewahrt bleiben!« Marya lachte schrill auf. »Die sollen mit uns auf einer Stufe stehen? Ist ja lächerlich!« Gal’Arn bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Deine Einstellung ist beklagenswert. Würden alle deine oberflächliche und dümmliche Meinung vertreten, würde es früher oder später Krieg geben. Es war schon immer der Fehler vieler Wesen sich überlegen zu fühlen, nur weil man die anderen Kulturen nicht verstand. Diese Barbarei muß endlich überwunden werden. Das war auch das Ziel DORGONs, darum hat die Superintelligenz all diese Völker zusammengerufen. Nur vereint können sie die schweren Aufgaben bewältigen, die vor ihnen liegen. Arroganz und Rassismus sind dabei völlig fehl am Platze. Wer nicht fähig ist, mit anderen Kulturen zu- 134 D O R G O N sammenzuleben, der sollte besser die Insel verlassen.« »Richtig, dem stimme ich zu«, nickte Irwan Dove und warf Marya einen bösen Blick zu. »Was sagst du dazu, Johnny?« fragte Marya in der Erwartung Jonathan würde ihr beipflichten. »Gal’Arn hat Recht, Liebling. Aber wir sollten jetzt endlich essen«, antwortete Andrews jedoch. Marya wollte aufbegehren, besann sich aber eines besseren, da sie ahnte, daß sie den kürzeren ziehen würde. Statt dessen lachte sie schrill. »Natürlich, Johnny, wir wollen uns doch von Politik nicht den Abend verderben lassen. Also, greift zu!« Nach dem delikaten Abendessen bat Gal’Arn Jonathan, mit ihm auf den Balkon zu gehen. Als sie draußen standen, sagte der Ritter: »Ich muß mit dir allein sprechen, Jonathan.« »Ja, was gibt es, Meister?« »Es geht um Marya.« Jonathan machte ein erstauntes Gesicht. »Was ist mit ihr?« »Sie ist nicht gut für dich. Du solltest dich von ihr trennen.« Jonathan reagierte erregt. Das hatte Gal’Arn befürchtet. »Wie kommst du denn darauf? Hat dir ihr Essen nicht geschmeckt?« »Das Essen war ausgezeichnet. Aber darum geht es nicht. Es geht um ihre Ausstrahlung, die sich negativ auf dich auszuwirken droht. Ich habe sie beobachtet. Sie verachtet Irwan und Lorif und sie haßt mich. Ihre Einstellung gegen andere Lebewesen ist beklagenswert und sie hat einen schlechten Einfluß auf dich. Sie wird versuchen, dich vom rechten Weg abzubringen.« Jonathan schüttelte den Kopf. »Das ist doch Unsinn. Ich liebe Marya! Sie ist die Frau meines Lebens!« »Sie ist pures Gift für dich«, entgegnete Gal’Arn ruhig. »Marya und ich gehören zusammen und niemand wird sich zwischen uns stellen!« »Wie du meinst. Du warst auf einem guten Weg. Es wäre bedauerlich, wenn dich etwas davon abbringen würde.« Jens Hirseland »Das wird nicht geschehen, Gal’Arn. Sei unbesorgt«, gab sich Jonathan versöhnlich. »Marya ist etwas temperamentvoll, aber sie ist absolut vertrauenswürdig.« »Wie du meinst«, lenkte der Ritter der Tiefe ein. Insgeheim war er jedoch nicht davon überzeugt. 3. Politik Immer näher rückte das Datum des Wahltages. Bei allen Völkern wurde der Wahlkampf erbittert geführt. Die Vorwahlen dienten dazu, das Paxus-Parlament vom Volk wählen zu lassen. Das Parlament wählte dann wiederum in zwei Wahlgängen den Paxus-Rat. Besonders der Arkonide Uwahn Jenmuhs schlug auf die nationalistische Trommel. Sein Ziel war, Arkon zur vorherrschenden Nation der Insel zu machen. An seiner Wahl gab es keine Zweifel. Bei den Angehörigen der LFT waren viele Politiker kleinerer Parteien in der Hoffnung auf die Insel gekommen, dort aus der Wahl und den gegebenen Verhältnissen Kapital schlagen zu können. Leute, die auf Terra gescheitert waren und sich nun ein Comeback erhofften, wie z.B. Solder Brand, der vor Jahren zur Wahl des Ersten Terraners angetreten war, jedoch gegen die inzwischen verstorbene Paola Daschmagan gescheitert war. Auf der Insel hoffte der ehemalige Vorsitzende der Liberalen Einheit die Pionierstimmung für sich nutzen zu können und so zum Paxus-Rat aufzusteigen. Seine Taktik war wiederum auf Nationalismus und Stärke ausgerichtet. Brand wollte damit zum Gegengewicht von Jenmuhs werden und warnte davor, daß die Arkoniden und die Dscherro eine Bedrohung für die terranischen Welten werden konnten. Damit rannte er bei vielen Terranern und LFT-Angehörigen offene Türen ein. Die unmittelbare Nachbarschaft und die schlechten Erfahrungen mit diesen Völkern beunruhigten die Bürger. Und das auch nicht zu Unrecht, wie die Machtkämpfe D O R G O N Vergangenheit gezeigt hatte. Solder Brand nutzte diese Ängste und versprach, im Falle seiner Wahl dafür zu sorgen, die LFT-Völker vor fremden Aggressoren zu schützen. Von Tag zu Tag verbesserten sich Solder Brands Umfragewerte. Brand ging auch recht geschickt vor, indem er die ständige Medienpräsenz nutzte. Er nahm oft an Talkshows teil und besuchte die Insassen einer Fernsehshow, die sich in einem Raumschiff-Container befanden und dort rund um die Uhr vom Publikum beobachtet werden konnten. Dies alles half Brand, seine Popularität zu steigern und allmählich zur Gefahr für Julian Tifflors Wahl zum Paxus-Rat zu werden, denn die steigenden Umfragewerte Brands sorgten gleichzeitig für schlechtere Werte bei Julian Tifflor und seiner Partei. Dies registrierte der Marquese von Siniestro, der als Tifflor Stellvertreter fungierte mit großer Besorgnis. Der alte Spanier hatte sich erhofft, im Sog von Tifflor zu Macht auf Mankind und später auf der Insel zu gelangen. Don Phillipe saß in seinem prächtigen Büro, das er sich im barocken Stil eingerichtet hatte und grübelte, wie man gegen Solder Brand vorgehen konnte, als seine Sekretärin, eine wohlproportionierte Blondine, eintrat. »Herr Marquese!« säuselte sie. Don Philippe erschrak. »Was ist denn, Jenny? Ich hatte gesagt, daß ich nicht gestört werden will!« sagte der Marquese herrisch. »Verzeihung, Don Philippe. Aber hier ist ein Mann, der sie dringend sprechen möchte.« »So, und wer?« Jenny machte ein nachdenkliches Gesicht. »Oh, daß hab ich vergessen zu fragen, hihi!« kicherte sie. Der Marquese war sichtlich bemüht, nicht die Fassung zu verlieren. Aber er beruhigte sich schnell wieder. Immerhin hatte er Jenny nicht wegen geistigen Qualitäten als Sekretärin eingestellt, sondern wegen ihrer äußeren Reize. Außerdem konnte sie gut Kaffee kochen. Trotzdem fragte er sich manchmal, ob es nicht besser gewesen wäre, eine richtige Sekretärin zu engagieren. »Ich lasse bitten.« »Hä?« fragte Jenny ratlos. 135 »Bring ihn rein!« fauchte der Marquese. Kurz darauf trat ein stattlicher, dunkelhaariger Mann ein. Don Philippe erkannte ihn sofort wieder. »Michael Shorne, wie schön sie wiederzusehen«, entfuhr es dem Marquese überrascht. Shorne winkte lässig ab. »Ich hatte geschäftlich hier in der Nähe zu tun. Da dachte, ich sehe mal vorbei wie es Ihnen so geht.« »Nehmen Sie doch Platz.« Shorne setzte sich in den gegenüberliegenden Sessel. »Nun, was kann ich für Sie tun, Shorne?« »Ich glaube, daß ich eher etwas für sie tun kann. Sie erinnern sich vielleicht, daß ich bei unserer letzten Begegnung versprach, Ihnen zu helfen, wenn die Zeit gekommen sei. Ich glaube, jetzt ist es soweit.« Der Marquese tat überrascht. »Wie kommen Sie denn darauf?« »Solder Brand. Seine Werte steigen – Ihre, bzw. Tifflors, sinken.« Don Philippe nickte grimmig. »Mit seiner populistischen Hetze fängt er die Leute, wie der Rattenfänger von Hameln.« Shorne zuckte mit den Schultern. »Och, ich finde seine Taktik ganz gut. Er ist halt eher darauf gekommen. Was soll’s. Allerdings schädigen Leute wie er den Wirtschaftskreislauf. Darum ist er mir ein Dorn im Auge. Die Ex- und Importe würden drastisch zurückgehen, wenn der Kerl an die Macht kommt. Außerdem ist er nicht käuflich.« Don Philippe war erstaunt. »Ein Politiker, der nicht käuflich ist? Sind Sie sicher?« »Ja, ich hab’s schon versucht.« »Und?« Shorne seufzte. »Er hat mich rausgeschmissen.« »Rausgeschmissen? Das ist ja unerhört!« »Er sagte, er wäre schon einmal von einem Industriellen benutzt worden. Das bereut er sein Leben lang und darum wird er sich nie mehr benutzen lassen. Ein Arrangement mit ihm können wir also vergessen. Solche Leute sind gefährlich.« Der Spanier nickte. 136 D O R G O N »Stimmt, Menschen die sich nicht kaufen lassen, kann man nicht trauen.« Shorne lächelte verständnisvoll. »Sie sagen es, Marquese.« »Was also sollen wir gegen ihn unternehmen?« wollte der Spanier wissen. Shorne lehnte sich zurück und lächelte süffisant. »Nun, wir müssen seinen Ruf untergraben. Am besten, indem wir nachweisen, daß er sich doch kaufen läßt.« Der Marquese zuckte mit den Schultern, um seine Ratlosigkeit auszudrücken. »Und wie, wenn er nicht will?« »Ich kenne einige Bankiers und Buchhalter, die das für mich übernehmen. Sie werden dafür sorgen, daß auf Brands Konto nicht unbeträchtliche Summen transferiert werden. So bekommt er einen hübschen, kleinen Spendenskandal, der ihn beschäftigen wird. Zusätzlich werden wir ihm ein paar Drogen unterschieben.« »Das gefällt mir. Das wird ihn garantiert zurückwerfen. Aber Drogen? Ist das nicht zu brisant für uns?« »Ich kenne jemanden, der das für uns deichseln wird. Er wartet draußen.« Der Marquese machte eine gebieterische Geste. »Dann holen sie ihn herein.« Shorne stand auf und kehrte nach kurzer Zeit mit einem grauhaarigen Mann mittleren Alters zurück. »Das ist Harry McSweet von der neugegründeten Polizei von Mankind. Harry hat schon oft erfolgreich für mich gearbeitet und ist sehr zuverlässig.« Der Polizist verbeugte sich knapp vor dem Marquese. »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Sir. Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Ich hoffe, daß ich auch Ihnen in Zukunft gute Dienste leisten kann.« Don Philippe war davon sehr angetan. »Ich bin sehr erfreut. Hat Sie Mr. Shorne bereits unterrichtet?« »Ja, Sir. Ich und ein Kollege stehen bereit, den Plan auszuführen«, versicherte McSweet jovial. Jens Hirseland »Gut, ihre Mitarbeit wird angemessen honoriert werden. Ich habe mit Mr. Shorne noch einiges zu besprechen. Sie dürfen sich jetzt entfernen.« »Danke, Sir.« McSweet verbeugte sich und verließ das Büro. »Der Mann gefällt mir. Also gut, machen wir es.« Shorne setzte sich wieder. »Nun, da wären noch einige Details zu besprechen.« Den Marquese beschlich ein ungutes Gefühl. »So? Was denn?« »Die Gegenleistung dafür, daß ich Ihnen Brand aus dem Weg schaffe und Ihnen die Tür zur Macht öffne.« Don Philippe seufzte. »Das war zu befürchten. Was verlangen Sie?« Shorne lächelte kalt. »Nicht viel. Die Exklusivrechte für diverse Vermarktungen, Wirtschaftliche und steuerliche Vorteile und vor allem keine Behinderungen durch irgendwelche sozialen Idealisten wie die Scorbits.« Der Marquese zeigte sich nicht sonderlich begeistert. »Sie unterschätzen meinen Einfluß. Das habe ich nicht allein zu entscheiden. Ich weiß nicht, ob das möglich ist«, sträubte er sich. Shorne erhob sich. »Schade, dann wird wohl Solder Brand die Wahl gewinnen«, sagte er in gleichgültigem Tonfall. »Tja, dann muß er eben die Annehmlichkeiten der Macht genießen...« Der Marquese erschrak. »Andererseits werde ich natürlich tun, was in meiner Macht steht. Ich bin sicher, daß sich eine Lösung finden läßt«, versicherte der alte Mann. »Und Shorne Industries wird natürlich auf jeden Fall bevorzugt behandelt werden« Shorne lächelte zufrieden. »Sehen Sie. Ich wußte doch, daß man sich auf Sie verlassen kann. Ich werde sogleich meine ›Wahlkampfspende‹ an Solder Brand überweisen lassen. Um den Rest kümmert sich Harry.« D O R G O N Machtkämpfe Shorne verabschiedete sich und Don Philippe sah sich eine Nachrichtensendung an, in der gerade ein strahlender Solder Brand gezeigt wurde. »Dir wird das Lachen bald vergehen«, freute sich der Marquese. * Spät am Abend kehrte Solder Brand gut gelaunt in sein Appartement in New Terrania zurück. Der Wahlkampf lief gut und daher war der liberale Politiker bester Laune. Kaum war er zu Hause angekommen, als es an der Tür läutete. Brand öffnete. Vor ihm standen zwei Männer. »Solder Brand?« fragte der ältere von beiden. »Ja, selbstverständlich«, antwortete der Politiker, leicht irritiert darüber, daß man ihn nicht zu kennen schien. »Ich bin Polizeioffizier McSweet, dies ist mein Kollege Rannigan.« »Was kann ich für sie tun?« fragte Brand irritiert. »Bei uns ist ein Hinweis eingegangen, daß bei Ihnen Drogen gelagert werden. Wir müssen diesem Hinweis nachgehen, Sir. Reine Routine.« Brand glaubte sich verhört zu haben. »Drogen bei mir? Das ist ja lächerlich!« rief er. »Wollen sie Widerstand gegen die Staatsgewalt leisten?« fragte Rannigan, ein dunkelhaariger, leicht untersetzter Mann, aggressiv. »Keineswegs. Im Gegenteil, ich bitte darum, daß Sie sich umsehen. Ich bin ein bekannter Politiker und wahrscheinlich schon bald Ihr Staatsoberhaupt. Ich habe nichts zu verbergen«, erklärte Brand selbstbewußt. »Sieh dich um«, wies McSweet seinen jüngeren Kollegen an. »Ich verstehe gar nicht, wie sie darauf kommen«, beklagte sich Brand bei McSweet, während sie in die Wohnung gingen. »Es war ein anonymer Hinweis«, erklärte McSweet freundlich. »Ich bin sicher, da ist nichts dran, aber es ist unsere Pflicht, der Sache nachzugehen.« 137 Während sich Brand mit McSweet unterhielt und dadurch abgelenkt war, begab sich Rannigan ins Schlafzimmer. Unbemerkt holte er aus seiner Jackentasche einen Beutel mit verbotenem Rauschgift hervor und versteckte es in Solder Brands Nachttisch. Dann tat er so, als würde er das Schlafzimmer durchsuchen. Als McSweet mit Brand ins Schlafzimmer kam, »entdeckte« Rannigan das Päckchen. »Hier, ich hab’ was gefunden, Harry!« rief er und holte das Päckchen hervor und übergab es seinem Vorgesetzten, der kurz daran schnüffelte. »Grüner Koks von Altair III und verbotene Ekstase-Pillen. Das ist ziemlich heißer Stoff, Brand. Ich muß sie leider wegen unerlaubten Drogenbesitzes festnehmen.« »Aber, aber das gehört mir nicht! Das hat man mir untergeschoben!« protestierte Brand. »Natürlich«, sagte McSweet sarkastisch. »So glauben Sie mir doch! Ich bin ein mächtiger Mann, der viele Feinde hat!« »Das wird sich auf dem Revier klären.« Ehe sich Brand versah, wurde er von den beiden Polizisten abgeführt. * Für die Medien war Brands Verhaftung natürlich ein gefundenes Fressen. Es dauerte nicht lange, bis alle Nachrichtenstationen darüber groß und breit berichteten. Gegen Kaution kam Brand wieder auf freien Fuß. Doch kaum war er frei, platzte die nächste Bombe. Die Polizei entdeckte – wiederum nach einem anonymen Hinweis – Einzahlungen auf Brands Konto in Millionenhöhe. Brand geriet nun in den Medien in Verdacht, ein Drogenhändler großen Stils zu sein. Natürlich berief Brand schnellstens eine Pressekonferenz ein, in der er seine Unschuld versicherte und von einem Komplott sprach. Sicherlich war das sehr forsche Vorgehen der Polizisten eine seltsame Sache. Brand protestierte, daß man ihn einfach in seiner Wohnung überfallen hatte, doch es wurde geschickt als Nacht- und Nebelaktion der Polizei dargestellt, die mit Erfolg gekrönt war. D O R G O N 138 Doch es half alles nichts, Michael Shornes Leute hatten ganze Arbeit geleistet, die Umfragewerte Brands gingen dramatisch zurück. Der Umstand, daß Brand schon einmal in eine Politaffäre verwickelt war, gab dem Politiker der Liberalen Einheit den Rest. Eine politische Karriere war eindeutig am Ende! * Don Philippe sah sich mit Wonne die Nachrichtensendungen an und freute sich von ganzen Herzen darüber. »Michael Shorne auf Leitung 1«, säuselte Jennys Stimme durch den Lautsprecher. »Stell ihn durch, meine Liebe«, gebot der Spanier gutgelaunt. Kurz darauf erschien Michael Shornes Gesicht auf dem Bildschirm. »Nun, Marquese, was sagen Sie?« »Ich bin sehr zufrieden mit Ihnen, verehrter Shorne. Unsere Umfragewerte steigen von Stunde zu Stunde.« »Sie werden die Wahl gewinnen«, sagte Shorne zuversichtlich und fügte mit drohendem Unterton hinzu: »Vergessen Sie aber nie, wem Sie das zu verdanken haben.« »Selbstverständlich nicht«, versicherte der Marquese und verabschiedete sich von Shorne. Beunruhigt lehnte sich Don Philippe in seinen Sessel zurück. Michael Shorne war ein gefährlicher Mann. Er würde sich vor ihm in acht nehmen müssen. * Einige Tage vergingen und die Umfrageergebnisse blieben stabil. Solder Brand schien keine Bedrohung mehr darzustellen. Julian Tifflor bat den Marquese ihn aufzusuchen, was der alte Spanier auch umgehend tat. Tifflor begrüßte den alten Spanier in seinem Büro. »Guten Tag, Marquese, ich hoffe es geht Ihnen gut.« »Danke, bestens.« Tifflor und Don Philippe nahmen Platz an Tifflors Schreibtisch. Jens Hirseland »Ich habe leider schlechte Neuigkeiten. Ich habe Nachricht von Perry erhalten. Die politische Lage innerhalb der Milchstraße hat sich verschlechtert. Imperator Bostich macht mal wieder Ärger. Daher hält Perry meine Anwesenheit als Außenminister für dringend erforderlich.« Don Philippe machte ein betroffenes Gesicht. »Heißt das, Sie werden uns verlassen?« »Ja, leider.« »So kurz vor den Wahlen? Was soll aus uns werden?« Tifflor sah den Marquese auffordern an. »Sie werden für mich kandidieren.« »Ich? Nein!« Tifflor lächelte. »Doch. Sie haben sich als vertrauenswürdig erwiesen und im Wahlkampf viele Pluspunkte bei den Wählern gemacht. Sie haben viel Lebenserfahrung und haben sich hervorragend in die heutige Zeit eingelebt. Damit haben Sie bewiesen, daß Sie krisenfest sind. Ich bin überzeugt, daß Sie die Wahl gewinnen. Mankind braucht Sie, Marquese.« Don Philippe war sichtlich geschmeichelt. Ein Traum wurde für ihn wahr. »Nun, wenn das so ist, kann ich natürlich nicht ablehnen. Ich bin einverstanden.« »Da Solder Brand sich selbst ausgeknockt hat, wird die Konkurrenz bei den Vorwahlen nicht allzu groß werden«, meinte Tifflor nachdenklich. »Ich kann es einfach nicht fassen, daß Brand mit Drogen handeln soll...« Der Marquese machte ein betrübtes Gesicht. »Das kann ich auch nicht begreifen«, sagte Don Philippe heuchlerisch. »Aber es steht nicht jedem Menschen ins Gesicht geschrieben, ob er ein Verbrecher ist.« Julian nickte. »Da haben Sie recht. Nun, die Zeit drängt. Ich werde heute abend noch eine Rede halten, Ihre Kandidatur bekanntgeben und Ihnen das volle Vertrauen aussprechen. Bis zur Wahl des Paxus-Rates werde ich noch bleiben und Sie unterstützen. Danach muß ich aufbrechen.« Don Philippe verbeugte sich nach alter Sitte. »Welche Ehre! Ich verspreche, ich werde D O R G O N Machtkämpfe mich Ihres Vertrauens würdig erweisen, Señior«, gelobte er. * Wenige Tage später fanden die Vorwahlen statt, in denen das Parlament von Mankind gewählt wurde. Durch Julian Tifflors Einsatz und Solder Brands Absturz gewannen der Marquese und seine Partei die Wahl deutlich vor den anderen Parteien und Bewerbern. Don Philippe hatte es verstanden, sich bei den Wählern beliebt zu machen. Der alte Spanier würde nun in die Wahl zum Paxus-Rat gehen. Auch die anderen Völker hatten ihre Vertreter für den Paxus-Rat – je nach Verfassung – aufgestellt, abgesehen von den Dscherro, die wahrscheinlich nicht einmal wußten, was eine Verfassung war. So traten für Arkon Uwahn Jenmuhs, für die Überschweren Nor’Citel, die Akonen Mirus Traban, für die Blues Trüüzek Ywill, die Kartanin Vh-iss-K’ass, die Haluter Goz Kongan, die Maahks Grek-1, die M 87Völker Carjul (mit Ausnahme der Pelewon, die Torsor entsandten) und die ESTARTU-Völker der Salaam Sin Enkel Evrius an. Taka Kudon hatte sich für die Dscherro in einem Zweikampf gegen seinen Gegenkandidaten durchgesetzt. Jedes Volk entsandte nun einen Vertreter in das Paxus-Parlament, insgesamt 50 Delegierte, da die Pterus aufgrund der Vorfälle um Oden vorerst ausgeschlossen wurden. Nach der Bildung des Paxus-Parlamentes, welches seinen Sitz auf der galaktischen Hauptwelt Paxus hatte, sollte in zwei Tagen der Rat gewählt werden, welcher dann die Oberste Instanz auf der Insel bildete. 4. Die linguidische Terranerin Nataly Jargon sah aus dem Fenster ihres Büros im Zentrum von New Terrania. Sehnsüchtig ließ sie ihren Blick über die Parkanlagen schweifen. Eigentlich war der Tag viel zu schön, um zu arbeiten. Doch sie hatte sich den Job in der Public Relations-Abteilung gewünscht, in der sie für Aurec arbeiten konnte. 139 Als sich die Gelegenheit für sie bot, hatte sie zugegriffen. Nun saß sie seit Stunden an ihrem Arbeitsplatz und las eine Rede, die für Aurec geschrieben worden war, Korrektur. Irgendwie gefiel ihr die Rede nicht, so oft sie sie auch las. Sie wirkte kalt und leblos. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß sie bei dem einfachen Bürger ankam. Es fehlten moralische Aspekte. Nataly beschloß daher, die Rede an einigen Stellen umzuschreiben und somit lebendiger zu gestalten. Sie ahnte allerdings schon, daß es Probleme mit ihrem Chefredakteur Peter Kessel geben würde. Kessel war ein unfreundlicher, mürrischer Mann. Er war dick und schlampig gekleidet. Ständig hatte er etwas an Nataly auszusetzen. Nie hatte sie ihn ein freundliches Wort sagen hören. Kessel legte Wert darauf, daß alles immer so blieb, wie es war und das sich bloß nichts änderte. Darum war Nataly schon einige Male mit ihm aneinandergeraten. Als Nataly mit der Änderung der Rede fertig war, reichte sie diese bei Kessel ein. So war der Dienstweg. Der Chefredakteur gab dann meistens die Rede frei. Es dauerte nicht lange, da wurde Nataly ins Kessels Büro bestellt. Sie ahnte schon, was auf sie zukam, aber sie war fest entschlossen ihre Meinung zu vertreten. Kessel saß schwitzend und schniefend hinter seinem Schreibtisch. Sein Kopf war rot wie eine Tomate. Das signalisierte Nataly höchste Alarmstufe. Doch Kessel war nicht allein. In einem Sessel saß Aurec, der ihr zunickte. Der Saggittone studierte offensichtlich gerade ihre umgeänderte Rede. »Haben Sie das geschrieben?« fragte Kessel japsend. »Ja«, sagte Nataly nur. Kessel konnte sich nur mühsam beherrschen. »Das geben Sie auch noch zu! Wie können Sie es wagen eine Rede, die ich selbst verfaßt habe, eigenmächtig umzuändern?« »Nun, ich hielt es für notwendig. Es fehlte die soziale Komponente, der moralische Aspekt. Die Rede war irgendwie kalt und gefühllos.« Kessels Kopf lief knallrot an. Nataly fürchtete, er würde platzen. 140 D O R G O N »Typisch Frau! Immer gefühlsduselig! Aber das war das letzte mal, daß Sie sich gegen mich aufgelehnt haben! Sie sind entlassen! Machen Sie, daß Sie hier wegkommen!« schrie der Chefredakteur heraus. »Einen Moment mal, Kessel«, mischte sich nun Aurec ein. »Ich finde, Nataly hat völlig recht. Die neue Rede ist viel besser. Es gibt keinen Grund, daß Sie so grob zu ihr sind.« Kessel schnappte nach Luft. Innerlich brodelte es in ihm. Aber der Chefredakteur war nicht der Mann, der sich mit Vorgesetzten anlegte. »Gewiß, wie Sie meinen«, stimmte er daher zu. »Entschuldigen Sie sich bei Nataly.« Kessel glaubte sich verhört zu haben. »Ich soll was?« Aurec sah ihn auffordernd an. Der beleibte Mann konnte dem Blick des Saggittonen nicht lange standhalten. »Sehr wohl«, stimmte er zu und wandte sich an Nataly, die sich ein Lachen nur mühsam verkneifen konnte. Fast hatte sie Mitleid mit Kessel. »Es tut mir leid«, preßte Kessel mühsam hervor. »Schon vergessen«, sagte Nataly lächelnd. Aurec wandte sich wieder an den Chefredakteur. »In Zukunft wird Nataly die Reden ausarbeiten und mir persönlich vorlegen. Ist das klar?« Kessel sah aus, als würde er Aurec am liebten anspringen und erwürgen. Doch statt dessen nickte er nur. »Ja, völlig klar.« Der Saggittone wandte sich nun Nataly zu. »Ich glaube wir müssen noch einige Dinge besprechen. Darf ich Sie zum Essen einladen?« Nataly nickte strahlend. »Mit dem größten Vergnügen, Aurec.« Sie verließen das Büro und sahen Kessels haßerfülltes Gesicht nicht mehr. »Verfluchte Linguidin!« zischte er. Jens Hirseland 5. Gefallen und gerichtet Auch auf dem Planeten Estartu sann ein Wesen auf Rache. Dieses Wesen war jedoch ungleich gefährlicher. Es war Saron, der fanatische Pterus, der von den terranischen Agenten Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler entführt worden war und der Justiz der ESTARTUVölker ausgeliefert wurde. Wegen Mordes und Hochverrat hatte man Saron zu hundert Jahren Gefängnis verurteilt, ohne Aussicht auf vorzeitige Begnadigung. Seitdem schwor Saron den drei Terranern bittere Rache. Wieder einmal erging sich der Pterus, der im Gefängnis der Hauptstadt inhaftiert war, in Haßtiraden gegen seine Feinde, als sich der Zellentür öffnete und drei schwerbewaffnete Wärter, alle vom Volk der Elfahder, eintraten. »Was wollt ihr? Wieso stört ihr mich? Glaubt ihr, der mächtige Saron würde den Hof kehren oder andere niedrige Arbeit verrichten?« fauchte er die Ankömmlinge an. Der Ranghöchste der Wärter verneigte sich und sagte spöttisch: »Verzeiht, hoher Herr, daß wir Euch in Eurem Palast stören.« Die drei Wärter lachten Saron aus. »Du wirst verlegt. Ins neugebaute Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel Paakor. Dann kannst du den dortigen Behörden auf die Nerven gehen.« Saron wurden Handschellen angelegt. Dann brachte man ihn in den Hof, wo ein Gleiter zum Abtransport bereitstand. Die Wärter legten ihre Thermostrahler drohend auf Saron an. »So sehr fürchtet ihr mich?« fragte Saron spöttisch. »Los, einsteigen«, trieb ihn ein Wärter an. Im Gleiter befanden sich noch der Pilot und der Co-Pilot, so daß sich insgesamt sechs Passagiere an Bord der Fähre befanden. Kurz darauf startete der Gleiter und hob ab. Saron war verzweifelt. Zum ersten mal in seinem Leben wußte er nicht mehr weiter. Wenn man ihn erst einmal in das neue Hochsicherheitsgefängnis gebracht hatte, gab es kein Entkommen mehr. D O R G O N Machtkämpfe Nachdem sie eine halbe Stunde unterwegs waren, zog plötzlich einer der drei Wärter seinen Strahler und schoß damit auf seinen völlig überraschten Kollegen, der tot zusammenbrach. Ehe der zweite Wärter reagieren konnte, wurde auch er niedergeschossen. Der Schußwechsel blieb auch den Piloten nicht verborgen. »Das stimmt was nicht! Ich werde Hilfe anfordern!« rief der Co-Pilot dem Piloten der Fähre zu. Doch bevor der Co-Pilot die HyperkomAnlage aktivieren konnte, zog der Pilot eine Projektilwaffe hervor und schoß ihm damit in den Kopf. Der Co-Pilot war sofort tot. Währenddessen befreite der verräterische Wärter Saron von seinen Fesseln. »Du bist frei. Wir landen gleich. Hier in der Nähe wartet ein Raumschiff auf uns. Bevor die Behörden reagieren können, bist du in Sicherheit«, erklärte er dem verdutzten Pterus. »Ich danke dir, Freund.« »Bedanke dich bei meinem Auftraggeber. Der hat mich bezahlt«, erwiderte de Wärter kalt. »Wer hat dich geschickt? Meine Pterus?« wollte Saron wissen. »Das wirst du erfahren, wenn wir am Ziel sind. Jetzt setz dich hin und verhalte dich ruhig.« Saron gehorchte, doch in seinem Gehirn arbeitete es fieberhaft. Es konnten nur getreue Anhänger sein, die ihn befreiten. Allerdings wären sie selbst gekommen und hätten keine Profikiller engagiert. Wenige Minuten später landete die Fähre in einem Talkessel. Eiligst brachten die beiden Profikiller ihren Passagier zu einem bereitstehenden Raumschiff. Per Fernzündung wurde die Transportfähre, mit den Leichen an Bord, zerstört. Dann hob das Raumschiff ab und verschwand in den Weiten des Weltraums. 6. Allianzen Saron wußte noch immer nicht, wohin die Reise ging. Man hatte ihn sofort in eine Kabine 141 gebracht. Diese war ziemlich spartanisch eingerichtet. Dies ließ auf ein Kriegervolk schließen. Der Pterus bekam aber kein Besatzungsmitglied zu sehen. Essen, Getränke und Kleidung wurden ihm von Robotern gebracht. Als Saron sein Mahl verzehrt hatte, wurde er sehr müde und schlief ein. Er erwachte erst wieder, als er geweckt wurde. Saron erschrak. Vor ihm tauchte ein ausgemergeltes Gesicht auf, das einem Totenkopf ähnelte. Das Wesen entblößte seine Zähne, was ihm einem Totenkopf noch ähnlicher machte. »Willkommen auf Hauron, verehrter Saron. Mein Herr erwartet dich bereits.« Hauron also. Die Welt der Hauris. »Und wer ist dein Herr?« fragte Saron, noch leicht erschöpft. »Ab-e-Metul, der Führer des großen Volkes der Hauris.« Saron nickte. Offensichtlich hatte man höchster Stelle Interesse an ihm. Das konnte ihm nur zum Vorteil gereichen. Saron erhob sich von seinem Lager. »Bring mich zu deinem Herren«, verlangte er. Der Hauri wies ihm dem Weg. »Bitte folge mir.« Saron wurde dem Hauri durch einen kargen, finsteren Palast geführt. Dieses Ambiente gefiel ihm. Hauris und Pterus hatten einige Dinge gemeinsam. Saron wurde in eine Art mittelalterlichen Thronsaal geführt. Dort erwartete ihn Abe-Metul, der Führer der Hauris auf der Insel. »Mein lieber Saron!« empfing ihn der Hauri freundlich. »Ich freue mich, dich wohlauf begrüßen zu dürfen. Ich hoffe, es geht dir gut.« Saron machte eine knappe Verbeugung. »Ich danke dir für meine Rettung. Sie war meisterhaft durchgeführt.« Ab-e-Metul lachte. »Ja, diese dummen Narren auf Estartu wissen immer noch nicht, was überhaupt geschehen ist. Wenn wir Glück haben, denken sie, du wärst mit der Fähre abgestürzt. Laß uns Platz nehmen.« Die beiden setzten sich an eine große, gedeckte Tafel. 142 D O R G O N »Ich habe Spezialitäten der Pterus für dich kommen lassen. Ich selbst bevorzuge das gute, einfache Mahl unserer glorreichen Vorfahren, die dem Herrn Heptamer dienten – Poona und Urkhituu.« »Bist du ein Anhänger des Hexameron?« fragte Saron. Ab-e-Metul nickte eifrig. »Ja, ich verehre den Herrn Heptamer und seine Fürsten. Leider fielen zwei von ihnen im Kampf gegen die verhaßten Terraner. Sie und die Nachfahren der verdammten HangayEmigranten sind unsere Feinde.« Saron nickte grimmig. »Auch ich hasse die Terraner und bin begierig, mich an ihnen zu rächen. Besonders an drei von ihnen.« Ab-e-Metul entblößte sein Gebiß. »Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler nehme ich. Du siehst, ich bin bestens informiert. Du wirst dazu Gelegenheit bekommen. Hauris und Pterus sind natürliche Verbündete. Das Hexameron und die Philosophie des permanenten Konflikts haben viel gemeinsam. Ich bin auf die Insel gekommen, um hier das Hexameron neu auferstehen zu lassen. Der Herr Heptamer soll sich auch auf dieses Universum ausbreiten und es vernichten!« Der Hauri hatte sich in Rage geredet und trank nun erst mal einen Schluck Poona. Sarons Ansicht nach war Ab-e-Metul ein religiöser Fanatiker, dessen Irrlehre für Saron keinen Sinn ergab. Wie sollte man über ein zerstörtes Universum herrschen? Darum war es doch widersinnig seinen Untergang zu betreiben. Doch die Hauris waren nützliche Verbündete. Eine Koalition mit ihnen konnte Saron helfen, seine Ziele vielleicht doch noch zu verwirklichen. »Dabei kann ein ewiger Krieg nur nützlich sein«, meinte er. Ab-e-Metul nickte zustimmend. »Ich wußte, daß wir uns verstehen, Saron.« »Mein Vorschlag wäre, als erstes eine geheime Terrororganisation aufzubauen, die sich über die ganze Insel ausbreiten soll, um den dekadenten Völkern einzuheizen«, erläuterte Saron seinen Plan. Ab-e-Metul lachte. Jens Hirseland »Das Wort ›einheizen‹ gefällt mir. Ich bin einverstanden. Ich werde dich, wenn auch noch inoffiziell, voll unterstützen.« Saron hob triumphierend seinen Becher. »Auf das Hexameron und den permanenten Konflikt.« * Doch nicht nur Saron und Ab-e-Metul schmiedeten finstere Pläne im Geheimen. Auch Letricron war bemüht, weitere Verbündete für seine Ambitionen zu finden. Deshalb reiste er zum Planeten Bostich, um sich dort mit Uwahn Jenmuhs, dem Anführer der Arkoniden, zu treffen. Jenmuhs, der Bruder des berüchtigten Hajun Jenmuhs, empfing den Überschweren in seiner prunkvollen Residenz. »Mein lieber Jenmuhs, ich danke Ihnen, daß Sie Zeit hatten, mich zu empfangen«, begann Leticron alias Nor’Citel höflich. Jenmuhs saß auf seinen Thron und blickte sich gelangweilt um. »Ja, dafür können Sie mir auch wirklich dankbar sein, Überschwerer«, sagte der feiste Arkonide. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann und meine Zeit ist kostbar. Ich kann sie nicht für jedermann vergeuden. Daher werden Sie Verständnis haben, wenn mein Fußpfleger sich um die Schönheit meiner Füße kümmert.« Angewidert sah Leticron zu, wie ein Diener die feisten, schwabbeligen Füße des Arkoniden behandelte und die Fußnägel pedikürte. »Dann wollen wir gleich zur Sache kommen. Ich bin hier, um Ihnen ein Bündnis gegen den Terra-Block vorzuschlagen. Ich habe bereits eine Allianz mit den Dscherro geschlossen. Wenn wir nun einen Dreierpakt schließen, könnten wir zur mächtigsten Militär-Allianz werden.« Jenmuhs gähnte. »Gewiß, es wird ein Gehirn für diese Allianz benötigt, das euch wilde Barbaren anführt. Das sehe ich ein.« »Ich dachte an eine Partnerschaft zu gleichen Teilen zwischen Paricza und Arkon. Die Dscherro werden sich unterordnen. Sie sind nur an Beute interessiert.« Machtkämpfe D O R G O N Jenmuhs wurde wütend und bewegte seine Füße. Das hätte er nicht tun sollen, da der Fußpfleger ihm nun versehentlich in den großen Zeh schnitt. Jenmuhs schrie quiekend auf. »Du miese Kröte! Mein schöner Fuß! Dafür wirst du bezahlen!« brüllte er den Fußpfleger an. »Verzeihen Sie, Herr, es war nicht meine Schuld.« »Dann wird es auch nicht meine Schuld sein, was jetzt mit dir geschieht«, sagte der fette Arkonide drohend. »Sie sollten an Ihre Wahl zum Paxus-Rat denken. Vor der Wahl können Sie sich keine Affäre leisten«, sagte Nor’Citel beschwörend. Dies brachte Jenmuhs zur Besinnung. Was Nor’Citel gesagt hatte, war zweifellos richtig. Darum machte er nun gute Miene zum bösen Spiel. »Nun gut, heute ist dein Glückstag, Diener. Ich vergebe dir. Du darfst dich entfernen«, gebot er großmütig. Sichtlich erleichtert verabschiedete der Diener sich. Jenmuhs wandte sich wieder seinem Gast zu. »Mein lieber Nor’Citel, was Sie sagen ist richtig. Wir werden ein Bündnis schließen, so wie Sie es für richtig halten. Doch nun muß ich meinen armen Fuß behandeln lassen. Wir werden uns möglich bald wiedertreffen.« Damit war Leticron vorerst zufrieden. Außerdem war er froh, daß er die abstoßend häßlichen Füße des Arkoniden nicht mehr länger sehen mußte. Als sich Nor’Citel verabschiedet hatte, ließ Jenmuhs seinen Fuß von seinem Bauchaufschneider behandeln. Dem unachtsamen Diener würde er seinen Fehler eines Tages heimzahlen. Doch im Moment mußte er an seine Wahl denken. Jenmuhs war sich nicht sicher, ob er auch wirklich zum Paxus-Rat gewählt werden würde. Die Konkurrenz war stark. Darum nahm er sich vor, allen Satellitenvölker wie den Aras, Zalitern, Antis, Springer und Topsidern unmißverständlich klarzumachen, daß sie gefälligst ihn zu wählen hatten. Der Arkonide besaß genügend Druckmittel, um sich durchzusetzen. Wenn er erst Paxus-Rat war, konnte er gnadenlos gegen seine Feinde vorgehen. Besonders 143 Uthe Scorbit sollte seine Macht zu spüren bekommen. Er haßte die Terranerin von ganzem Herzen, weil sie am Tod seines Bruders beteiligt war. Er hatte seinen Bruder, den er für zu weich hielt, zwar nie leiden können, aber das gab einer Barbarin noch lange nicht das Recht, ihn ohne seine Erlaubnis umzubringen. Außerdem war Uthe mit Anica befreundet, dem bezaubernsten Wesen, dem Jenmuhs je begegnet war. Er hatte große Pläne mit Anica. Er wollte sie besitzen, nur er allein. Später dann würde er mit den Scorbits abrechnen und sie langsam zu Tode quälen. Doch vorerst mußte er sich notgedrungen an die Gesetze halten. Aber er wollte Anica wiedersehen. Er beschloß einen Ball zu veranstalten, zu dem er sie einladen würde. Und nicht nur sie... * Am nächsten Tag wurde im Trivid bekannt gegeben, daß Uwahn Jenmuhs im November eine Feier geben würde. Sämtliche Politiker und wichtige Persönlichkeiten der Terraner, Saggittonen, Dorgonen, Pariczaner und Blues waren eingeladen. Auch Uthe Scorbit erhielt eine solche Einladung. Sie wurde ihr zugestellt, als sie in einer Besprechung mit dem Marquese war. Neugierig öffnete sie den Brief. »Etwas ernstes?« fragte der Marquese sie. »Wie man’s nimmt. Eine Einladung zum Ball von Uwahn Jenmuhs für mich und Anica. Remus wird allerdings nicht erwähnt.« Der Marquese wirkte irritiert. »Werden Sie hingehen, Marquese?« wollte Uthe wissen. »Ich habe überhaupt keine Einladung erhalten. Seltsam, daß dieser Arkonide mich übergeht«, sagte Don Philippe beleidigt. »Ich weiß gar nicht, ob ich ohne meinen Mann überhaupt hingehe. Dieser Jenmuhs hat anscheinend genau solche Manieren wie sein Bruder.« »Sie kennen Jenmuhs näher?« erkundigte sich der alte Spanier. »Seinen Bruder haben wir kennenlernen müssen.« D O R G O N 144 Uthe erzählte dem Marquese, was sich auf der LONDON II damals zugetragen hatte. »Das ist ja unglaublich, was ich da höre. Ich würde Ihnen raten, dort lieber nicht hinzugehen, mein Kind. Denn ein altes Sprichwort sagt: Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«, meinte Don Philippe. 7. Alltägliche Probleme Nach der Tagung fuhr Uthe nach Hause. Sie hatte sich vorgenommen, Jenmuhs abzusagen. Sie freute sich den Abend mit Remus verbringen zu können. Ihr Mann hatte versprochen, heute für das Essen zu sorgen. Darauf freute sich Uthe sehr, denn es war doch ein anstrengender Tag gewesen. Als Uthe nach Hause kam, gab es zu ihrer Verwunderung weder etwas zu essen noch war Remus anwesend. Es war immerhin schon 20 Uhr. Da Remus noch nicht einmal mit der Zubereitung begonnen hatte, blieb Uthe nichts anderes übrig, als selbst das Essen zu kochen. Die Stunden vergingen, Remus erschien jedoch immer noch nicht. Uthe begann, sich Sorgen zu machen. Gerade als sie die Polizei benachrichtigen wollte, öffnete sich die Tür und Remus wankte mit schleppenden Schritten herein. Besorgt eilte Uthe zu ihm. »Remus, was ist passiert? Bist du verletzt?« »M... mir g... geht’s g... gut«, lallte Remus. Uthe roch sofort den Alkoholschwall, der ihr entgegenkam. »Du bist ja total besoffen! Ich habe stundenlang auf dich gewartet und mir Sorgen gemacht! Ganz zu schweigen davon, daß du versprochen hast, heute zu kochen. Das Essen, das ich gekocht habe ist inzwischen kalt!« »Oh! Bitte nicht von Essen reden«, flehte Remus. »Wo warst du?« »Ich bin mit H... Helge u... und Helge u... unterwegs ge... gewesen. Sie ha... hatten mich eingeladen«, versuchte Remus zu erklären. »Schon wieder diese beiden dummen Nichtsnutze!« keifte Uthe. »Ich sehe es nicht gerne, wenn du dich mit denen abgibst!« Jens Hirseland »Sie sind meine Freunde!« »Schöne Freunde. Nun gut, auch ich habe meine Freunde. Ich bin zum Empfang des arkonidischen Statthalters eingeladen. Du allerdings nicht. Ich wollte ja zuerst absagen, aber nun werde ich doch hingehen.« »Ich glaub’, mir wird schlecht«, seufzte Remus. Dann zog er sich zum WC zurück. * Am nächsten Morgen war Uthe immer noch beleidigt und fuhr grußlos in ihr Büro. Während der leidende Remus zu Hause saß. Am späten Nachmittag läutete es an der Tür. Remus öffnete. Seine beiden Zechbrüder Helge von Hahn und Helge Weslyn standen vor der Tür und kamen unaufgefordert herein. »Heil, Kamerad, wie geht’s?« fragte von Hahn. »Ach, nicht so gut«, antwortete Remus und erzählte von seinem Ehestreit. »Das Beste gegen Kummer und Sorgen ist, einen draufzumachen. Stimmt’s, Kamerad Weslyn?« fragte von Hahn seinen Kumpel, einen bulligen, nicht sehr intelligent wirkenden Soldaten. »Genau!« stimmte Helge Weslyn zu. Es dauerte nicht lange, dann hatten Helge und Helge Remus überredet mit ihm wieder auf eine Zechtour zu gehen. Der Alkohol floß in Strömen und zwei Stunden nach Mitternacht wankten die drei durch die Stadt nach Hause. »Ich muß machen, daß ich nach Hause komme, sonst erschlägt mich meine Alte«, lallte Remus. »Ach was, Kamerad. Der Mann sollte der Herr im Haus sein. So wie es früher einmal war«, meinte Helge von Hahn. »Früher war sowieso alles besser. Da war das Solare Imperium noch die Nummer Eins in der Milchstraße und die Arkoniden waren gerade noch imstande alleine auf’s Klo zu gehen! Stimmt’s, Kamerad Weslyn?« »Genau!« stimmte Helge Weslyn wiederum zu. Helge begann lauthals Soldatenlieder zu singen. Weslyn stimmte mit ein. Gemeinsam grölten sie »Ob’s stürmt oder schneit«. Unglück- D O R G O N Machtkämpfe licherweise kam ihnen in der einsamen Straße ein Blue entgegen. Helge von Hahn verstummte und ging drohend auf den Blue zu. »Kann ich dir behilflich sein?« fragte der Blue freundlich. »Was fällt dir ein mich zu duzen, du Dreckstück! Ich kann mich nicht erinnern dir das erlaubt zu haben. Ihr Ausländer glaubt wohl, ihr könnt euch alles erlauben! Ihr könnt froh sein, daß wir Terraner so großzügig sind und euch unsere Straßen benutzen lassen!« »Du hast wohl zuviel getrunken, Terraner. Ich werde das Gespräch beenden.« Der Blue ließ Helge stehen und ging weiter. Jetzt wurde von Hahn erst richtig wütend. »Die werde ich deine Frechheiten schon austreiben, Tellerkopf!« schrie er. Dann stürzte er sich auf den körperlich unterlegenen und riß ihn zu Boden. Dann begann er auf den Blue einzuschlagen. Jetzt erst begriff Remus den Ernst der Lage. »Helge, hör auf damit! Das darfst du nicht tun!« Doch von Hahn hörte nicht auf Remus und malträtierte den Blue weiterhin mit Schlägen und Tritten. »Helge, hör auf!« rief Remus. Er wollte dem Blue zu Hilfe eilen, doch der bullige Weslyn hielt ihn fest. Remus war noch zu betrunken, um sich loszureißen. »Du, Kamerad von Hahn, ich glaube das reicht jetzt«, meinte Weslyn. Von Hahn gab einen grunzenden Laut von sich. Endlich ließ er von seinem Opfer ab. »Laßt uns lieber verschwinden«, riet Weslyn. Remus blickte auf den Blue, der sich vor Schmerzen krümmte. Noch nie hatte er sich so geschämt. Doch er besaß nicht die Courage zurückzubleiben und rannte nach Hause. * Am nächsten Morgen schämte sich Remus noch mehr. Er schwieg aber Uthe gegenüber, die ohnehin nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war. In den Nachrichten wurde nichts über die Schlägerei gebracht. Wahrscheinlich hatte der Blue zuviel Angst gehabt, um von Hahn 145 anzuzeigen. Remus begann sich zu fragen, ob Uthe mit ihrer Einschätzung von Hahn und Weslyn nicht doch recht hatte. 8. Rache Remus Bruder Jan Scorbit hatte andere Sorgen. Er traf sich mit Will Dean und Sam Tyler in New Terrania zu einer Lagebesprechung. Will Dean klärte die beiden anderen über die neuesten Nachrichten auf. »Wie wir gestern von den Behörden auf Estartu erfuhren, ist Saron ausgebrochen. An Bord der abgestürzten Raumfähre befanden sich nur drei elfahdische Leichen. Saron und zwei weitere Elfahder sind verschwunden.« »Die haben ihn befreit. Garantiert Profis«, mutmaßte Tyler mit finsterer Miene. »Das ist anzunehmen. Wahrscheinlich treue Anhänger Sarons von Upanishad. Die Behörden von Estartu suchen auf dem ganzen Planeten nach ihm«, erklärte Will Dean. »Pah! Saron ist doch längst weg von Estartu«, meinte Sam Tyler. »Die haben ihn garantiert sofort weggebracht.« »Das fürchte ich auch.« Will wandte sich an Jan Scorbit. »Ich schlage vor, daß der TLD und die Neue USO sich diesmal nicht gegenseitig behindern, sondern zusammenarbeiten.« »Das klingt vernünftig. Wo sollen wir mit der Suche beginnen?« fragte Jan. »Nun, ich werde auf Estartu beginnen nach Spuren zu suchen. Vielleicht irren wir uns und er befindet sich doch dort. Ich will kein Risiko eingehen. Du, Jan, suchst auf Upanishad, Tyler auf Oden und Chris auf Som-Som. Dies scheinen mir die geeignetsten Orte zu sein, wo er untertauchen könnte. Er wird sicherlich versuchen, wieder eine neue Organisation aufzubauen.« Sam Tyler holte seinen Strahler hervor und streichelte ihn. »Wenn ich den Kerl finde, mache ich eine Handtasche aus ihm«, gelobte er grimmig. »Tyler, wir werden uns an Recht und Gesetz halten«, ermahnte ihn Will Dean. D O R G O N 146 »Okay, reg dich nicht auf.« * Bereits wenige Stunden später waren alle vier unterwegs zu ihren Einsatzorten. Chris Japar war Som-Som zugeteilt worden, auf denen 14 Millionen Lebewesen wohnten. Unter ihnen vielleicht Saron. Chris machte zunächst die Upanishad-Schule von Som-Som ausfindig. Dorthin würde sich Saron bestimmt zuerst wenden, um Hilfe zu suchen oder neue Leute anzuwerben. Die Schule befand sich am Rande der Hauptstadt. Gegenüber befand sich ein Wald. Chris beschloß, sich dort auf die Lauer zu legen. Die Behörden wollte er nicht um Hilfe bitten, da er nicht sicher war ob sich nicht auch auf SomSom Sympathisanten von Saron unter der Polizei befanden. Mit einem, mit modernster Technik ausgestatteten Okular begab sich Chris auf Beobachtungsposten. Lange Zeit geschah nicht außergewöhnliches und Japar fürchtete, er hätte sich umsonst in die Wildnis begeben. Dann jedoch, kurz nach Mitternacht, wurde Chris von dem tosenden Triebwerk eines Raumschiffs aufgeschreckt, welches am Rande der UpanishadSchule auf einem freien Feld aufsetzte. Japar bemerkte sofort, daß es sich nicht um ein typisches Raumschiff der Pterus handelte. Chris beobachtete durch sein Okular, wie die Besatzungsmitglieder ausstiegen. Japar erkannte sofort, welcher Rasse die Insassen angehörten. Es waren Hauris. Sechs bewaffnete Männer stiegen aus, dann folgte ein siebter – Saron. Chris hatte ihn gefunden. Aber was hatte Saron mit Hauris zu tun? Chris holte seinen Hyperkomgerät hervor und nahm Verbindung mit dem nächsten TLD-Büro auf. »Mr. Japar. Was gibt es?« meldete sich ein Nachrichtenoffizier. »Ich habe das gesuchte Objekt gefunden. Ich wiederhole: Ich habe das gesuchte Objekt gefunden. Informieren sie unverzüglich Tyler, Dean und Scorbit. Sie sollen unverzüglich nach Som-Som kommen. Der Gesuchte befindet sich in Begleitung von Hauris in der UpanishadSchule.« Jens Hirseland »Gut, Mr. Japar. Aber Sie sollten abwarten, bis die Verstärkung eingetroffen ist«, riet der Offizier. »Negativ, ich bleibe dran, sonst geht er uns noch durch die Lappen«, lehnte Chris ab. »Außerdem muß ich herausfinden, was die Hauris damit zu tun haben. Benachrichtigen Sie sofort die anderen. Sie sollen sich mit mir in Verbindung setzten, wenn sie eingetroffen sind.« »In Ordnung. Ich werde sie so schnell wie möglich informieren. Ende.« »Ende.« Chris schaltete das Gerät aus und beobachtete weiter. Saron ging auf die Schule zu, doch es fehlten zwei der Hauris, die ihn eskortiert hatten. Plötzlich fühlte Japar ein Stück hartes Metall auf seinem Rücken. »Nun, Terraner, hast du gefunden wonach du gesucht hast?« vernahm Chris die rauhe Stimme eines Hauris. Ein zweiter tauchte vor ihm auf. Nun wußte er, wo die beiden geblieben waren. Sie hatten ihn angepeilt und ausgetrickst wie einen Anfänger. Chris sah noch, wie einer der Hauris auf ihn anlegte, dann war nichts mehr. * Am nächsten Tag trafen Will Dean, Sam Tyler und Jan Scorbit auf Som-Som ein. Vergeblich hatten sie die ganze Nacht versucht Kontakt mit Chris Japar herzustellen, doch es hatte keine Antwort gegeben. Beunruhigt suchten sie die Polizeidienststelle der Hauptstadt Sokur auf. Dort empfing sie der Polizeipräsident, ein Somer. »Herzlich willkommen auf Som-Som. Ich bin Polizeipräsident Pankhor«, begrüßte der Somer die Terraner. Tyler verzog unwillig das Gesicht. »Quatsch nicht, Mann. Wir suchen unseren Freund. Wir müssen sofort die UpanishadSchule stürmen.« Pankhor wirkte sichtlich ungehalten. »Noch gebe ich hier die Befehle«, erwiderte er pikiert. »Tyler, Sie vergessen sich!« rief Will Dean. Machtkämpfe D O R G O N Dann wandte er sich dem Polizeipräsidenten zu. »Ich muß mich für meinen Kollegen entschuldigen. Wir haben Grund zu der Annahme, daß einer unserer Agenten in Gefahr ist. Er hat gegen Mitternacht gemeldet, daß der gesuchte Schwerverbrecher Saron sich in der UpanishadSchule am Rande der Hauptstadt befindet. Seitdem haben wir nichts mehr von ihm gehört Außerdem wurde uns berichtet, daß Hauris in die Sache verwickelt sind.« »TLD und Neue USO bitten die Behörden von Som-Som um Hilfe bei der Ergreifung Sarons«, fügte Jan Scorbit hinzu. »Selbstverständlich werden wir euch behilflich sein«, gab sich Pankhor versöhnlich. »Auch auf unserem Planeten wird Saron gesucht. Wir werden so schnell wie möglich zur Upanishad-Schule aufbrechen.« Es dauerte jedoch eine gute Stunde bis Pankhor und seine Einheit einsatzbereit war. Mit einem großen Aufgebot von 200 Mann, Gleitern und Panzerfahrzeugen rückten die Somer zur Upanishad-Schule vor. »Da könnte man denen ja gleich eine Nachricht schicken, daß wir kommen«, murrte Tyler. Dean und Scorbit hatten ihn noch nie so nervös gesehen. Chris Japar war Tylers bester und wohl auch einziger Freund, um den er sich große Sorgen machte. Als das massive Polizeiaufgebot die Schule erreichte, war jedoch kein Raumschiff zu sehen. Es regte sich nichts. Die Schule wirkte verlassen. Pankhor gab Befehl, daß hundert Polizisten in die Schule vorrücken sollten. Tyler, Dean und Scorbit schlossen sich ihnen mit gezückten Waffen an. Das Tor zur Schule war offen. Die Räume leer. Die drei Agenten und einige Somer-Polizisten drangen in den Hauptsaal vor. Dort stand, in der Mitte des Saales, eine große Tafel und auf lag ein menschlicher Körper – Chris Japar. »Chris!« schrie Tyler auf und rannte zu seinem Freund. Doch es kam jede Hilfe zu spät. Japar war tot. Sein Körper war übel zugerichtet worden, man hatte ihn gefoltert. Auf Japars Leiche klebte ein Zettel. Dean nahm ihn an sich und las ihn. Das war der erste von euch! 147 Niemand entkommt Sarons Rache! Dean, Scorbit und Tyler, ihr werdet genauso sterben wie euer schwacher Freund! Tyler war den Tränen nahe. Nie hatte man ihn so emotional erlebt. »Tut mir leid um Chris, Sam«, sagte Dean betreten. »Den Pterus wird es leid tun!« brüllte Tyler voller Wut. »Und den Hauris! Ich werde jeden töten, der sich mir in den Weg stellt! Ich werde Chris rächen und wenn ich selber dabei verrecke!« »Sie können nicht ein ganzes Volk für ein paar Verbrecher verantwortlich machen«, gab Jan Scorbit zu bedenken. Tyler sah ihn haßerfüllt an. »Saron und seine ganze Bande werden krepieren! Ich warne euch, stellt euch mir nicht in den Weg, wenn ich mit denen abrechne« »Jetzt müssen wir kühlen Kopf bewahren«, meinte Dean. »Saron ist weg und mit ihm die Upanishad-Schüler. Er braucht sie, weil er etwas vorhat. Wir müssen herausfinden, was es ist.« Ein Somer meldete, daß die ganze Schule durchsucht worden war und das sich niemand mehr in ihr aufhielt. Saron und seine Anhänger waren offenbar schon vor Stunden geflohen. Der gefährliche Pterus war ihnen wieder entkommen. Dean fürchtete, daß man schon bald wieder von ihm hören würde. * Saron hingegen triumphierte. Der erste Teil seiner Rache war geglückt. Er hatte geahnt, daß Tyler, Scorbit, Dean und Japar nach ihm fahnden würden. Es war ihm sehr recht gewesen, daß ihm Chris Japar als erster über den Weg gelaufen war. Er hatte ihn persönlich gefoltert und getötet. Auch seine Freunde würden so enden. Doch dies allein war noch nicht genug. Er hatte seine getreuen Anhänger aus der Schule geholt, um seinen ersten großen Terror-Plan zu verwirklichen. Saron befand sich mit seinen Anhängern wieder an Bord des Hauri-Schiffes. Er hatte Som-Som durch den Zwischenfall mit Japar schneller wieder verlassen müssen als geplant, 148 D O R G O N denn ihm war klar, daß der Terraner seine Kollegen sofort alarmiert hatte. Doch das war ihm seine Rache wert. Es hatte dann alles so funktioniert, wie er es sich vorgestellt hatte. Saron nahm nun Kontakt zu Ab-e-Metul auf. Das ausgemergelte Gesicht des Hauris erschien auf dem Bildschirm. »Ich grüße dich, Ab-e-Metul«, begann Saron. »Sei auch du gegrüßt, Saron. Lief alles nach Plan?« fragte der Hauri. Saron berichtete ihm von dem Vorfall mit Japar. »Wir müssen nun vorsichtig sein. Es kann sein, daß der TLD und die Neue USO jetzt ahnen, daß ein Zusammenhang mit uns besteht«, schloß Saron. »Das können sie kaum beweisen. Ich kann ja nicht für die Rechtschaffenheit jedes einzelnen meines Volkes garantieren. Hast du nun genug Männer für dein Vorhaben?« »Ja, Ab-e-Metul. Ich habe meine besten Schüler geholt. Dank dir haben wir genug Sprengstoff um den halben Planeten zu zerstören.« Ab-e-Metul lächelte finster. »Die Zerstörung des Paxus-Parlament wird ein Schlag sein, von dem sich die anderen Völker nicht so schnell erholen werden«, sinnierte der Hauri. »Die Hauris und die Pterus werden das Machtvakuum ausnutzen und die Führung übernehmen. Und dann wird die Insel den Weg des Herrn Heptamer gehen!« Das glaube ich kaum. Wenn ich mit den anderen fertig bin, kommst du dran, dachte Saron. Doch noch brauchte er die Unterstützung des fanatischen Hauri. Saron verabschiedete sich und lehnte sich in seinen Sessel zurück. Sein Plan war genial. Nach der Wahl würden alle Paxus-Räte und das Paxus-Parlament sich zur konstituierenden Sitzung zusammenfinden. Saron würde sie alle mit einem Schlag auslöschen. Dann würde ihn niemand mehr aufhalten können, die Philosophie des Kriegerkultes und des Permanenten Konflikts über die Insel zu tragen. Jens Hirseland 9. Die Wahlen Auf Paxus standen die entscheidenden Wahlen kurz bevor. Die Delegierten trafen sich zum Meinungsaustausch und versuchten sich ihre Interessen zu sichern. Selbstverständlich war auch der Marquese gekommen, der sich Hoffnungen machte, einen der vier Ratsplätze zu erhalten. Don Philippe hatte sein diplomatisches Talent, welches er aus dem 18.Jahrhundert mitgebracht hatte, geschickt eingesetzt und schon einige Delegierte auf seine Seite gebracht. Auch der Botschafter der Posbis, Bastaarn, war von dem alten Spanier durchaus angetan. »Verehrter Marquese, Sie dürfen meiner Stimme gewiß sein«, sagte Bastaarn. »Ich habe selten einen so interessanten Humanoiden getroffen wie Sie«. »Oh, vielen Dank«, erwiderte der Marquese geschmeichelt. Bastaarn zeigte auf einen weiteren Posbi, der hinter ihm stand. Dieser Posbi besaß eine schlanke, humanoide Form und trug ein rotes Gewand. »Darf ich Ihnen XZHKLÖ57789543278 vorstellen?« »Äh?« machte der Marquese nur. »Zu Diensten«, sagte der vorgestellte Posbi mit einschmeichelner Stimme. »Sie sollten wissen, daß unser Botschafter den Leuten gerne Honig ums Maul schmiert, wie man bei euch Terranern zu sagen pflegt. Aber Lügen nennt man ja in der Politik Diplomatie.« »Ach ja? Willst du damit sagen, daß ich auch lüge?« fragte der Marquese provokant. »Natürlich, sonst wären Sie ja kein guter Politiker«, erwiderte der Posbi. »Sie müssen entschuldigen, Marquese, aber XZHKLÖ57789543278 hat eine sehr direkte Art«, bedauerte Botschafter Bastaarn. »Das macht nichts. Seine Offenheit ist direkt erfrischend«, winkte der Marquese ab. »Ich habe gehört, Sie suchen einen Berater. XZH...« »Bitte kürzer«, unterbrach Don Phillipe. D O R G O N Machtkämpfe »Nun XZH möchte sich später mal politisch betätigen. Doch vorher will er von den Menschen lernen. Er ist ein Bewunderer menschlicher Metaphern und als Ratgeber sicher von großem Wert. Er verfügt über eine umfassende Datenbank mit allen wichtigen Kenntnissen der menschlichen Geschichte und allem anderen was man für politische Zwecke benötigt.« Don Philippe überlegte. »Das könnte mir nützlich sein. Vieles in dieser Zeit ist mir doch noch sehr fremd, wenngleich ich mir das nicht anmerken lasse.« »Dann lassen Sie mich in Ihre Dienste treten, Marquese. Ich koste nicht mal Geld«, bot XZHKLÖ57789543278 an. »Also gut, dann bleibt mir keine andere Wahl. Aber nur, wenn du dir einen anderen Namen zulegst, mein Freund.« »Und welchen?« »Ich werde dich Diabolo nennen. Das klingt spanischer als XYZ sowieso.« Der Posbi verneigte sich. »Wie Sie wünschen.« Auch Bastaarn war zufrieden. »Ab sofort steht Diabolo in Ihren Diensten.« »Sehr gut. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit«, sagte Don Phillipe. »Doch jetzt müssen Sie mich entschuldigen. Ich muß noch etwas ›lügen‹, um meine Ratswahl zu sichern«, fügte der Spanier hinzu und wandte sich einigen anderen Delegierten zu. Die beiden Posbis blickten ihm nach. »Ist er nicht herrlich verschlagen? Wir können noch viel von ihm lernen«, schwärmte Diabolo. 149 Natürlich versprach jeder der Kandidaten den Delegierten in den offiziellen Reden das Blaue vom Himmel, wie es ja die meisten Politiker bekanntlich immer taten. Was hinter verschlossenen Türen vereinbart wurde, konnte man nur erahnen. Schließlich hatten alle Kandidaten ihre letzten Wahlreden abgeschlossen und die Delegierten des Paxus-Parlamentes konnten zum ersten Wahlgang schreiten. Nach kurzer Auszählung ergab sich für den ersten Wahlgang, daß sich Uwahn Jenmuhs, Aurec, Don Philippe, Nor’Citel, Charif Parrul, Jaques de Cosgaigne, Mirus Traban, Carjul, Evrius, Mephis Grohn, Goz Kongan und Torsor für den zweiten Wahlgang qualifizierten. Alle anderen schieden aus der Wahl aus. Nun begannen die Vorbereitungen für den zweiten Wahlgang. Die vier mit den meisten Stimmen würden in den Paxus-Rat einziehen, die darauffolgenden vier wurden automatisch zu deren Stellvertretern. Als große Überraschung galt das gute Ergebnis von Jaques de Gosgaigne, dem Delegierten von Olymp. Don Philippe war damit nicht zufrieden, denn er fürchtete Gosgaigne könnte ihm Stimmen abnehmen, da der Freihändler einen Wahlkampf in ähnlichen aristokratischen Stil geführt hatte wie er selbst. »Nicht zu fassen. Ich möchte wissen, was er seinen Wählern bezahlt hat!« regte sich der Marquese gegenüber seinem neuen Berater Diabolo auf. »Aber Marquese, haben Sie denn Ihren Wählern etwa zu wenig bezahlt?« fragte der Posbi sarkastisch. Nun war der Spanier sprachlos. * * Am nächsten Tag begann nun endlich die entscheidende Wahl für den Paxus-Rat. Zunächst sollte Sruel-Allok-Mok als Generalsekretär des Rates bestätigt werden, woran es nicht den geringsten Zweifel gab. Spannender gestalte sich da schon die Wahl der vier PaxusRäte, die von den insgesamt 51 Delegierten in zwei Wahlgängen bestimmt werden sollten. Dabei konnte im ersten Wahlgang jeder jeden wählen. Die zwölf mit den meisten Stimmen wurden dann für den zweiten Wahlgang nominiert. Leticron war mit dem ersten Wahlgang durchaus zufrieden. Er hatte es klar in den zweiten Wahlgang geschafft, was er hauptsächlich den Stimmen der Stimmberechtigten des Dreieckimperiums zu verdanken hatte. Nun wurde es jedoch schwieriger. Auch Aurec war dem Verlauf der Wahl zufrieden. »Das haben wir Ihrem Einsatz zu verdanken, Nataly«, lobte er die Halblinguidin. D O R G O N 150 »Ihr Charme war daran auch nicht ganz unbeteiligt«, gab Nataly lächelnd zurück. »Ich hoffe, Sie schaffen es, Aurec. Die Insel braucht jemanden wie Sie.« In der Pause wurde auch das Ergebnis zur Wahl des Generalsekretärs bekannt gegeben. Sam erhielt 91,1 Prozent der Stimmen und war somit im Amt bestätigt. Die Spannung für die Ratswahl stieg. Schließlich wurde der zweite Wahlgang eröffnet und alle Delegierten schritten zur geheimen Wahl per Knopfdruck. Die Stimmberechtigten tätigten ihre Wahl und schon wenige Minuten später stand das Ergebnis fest und die Wahl war entschieden. Don Philippe hatte sich tatsächlich durchgesetzt und war sogar stärkstes Mitglied im PaxusRat. Was für ein Aufstieg für den alten Spanier, der darüber mehr als erfreut war. Ihm folgten Uwahn Jenmuhs, Aurec und Nor’Citel nach. Mirus Traban, Goz Kongan, Charif Parrul und Jaques de Gosgaigne wurden zu Stellvertretern ernannt, die allesamt bei wichtigen Fragen hinzugezogen werden konnten. Sruel-Allok-Mok übernahm den Vorsitz des Paxus-Rates. * Leticron war hochzufrieden. Er hatte sein erstes Ziel erreicht. Neben ihm schäumte jedoch Uwahn Jenmuhs vor Wut. »Ich fasse es nicht! Diese alte, häßliche Mumie hat eine Stimme mehr als ich bekommen! Immer diese verdammten Terraner!« »Beruhigen Sie sich. Unsere Stunde wird kommen«, versprach der Überschwere. Jens Hirseland Auch Aurec und Nataly waren hocherfreut über ihren grandiosen Erfolg. »Ich wußte, daß Sie es schaffen würden«, freute sich die Halblinguidin. »Ohne Ihre Hilfe wäre es nicht so leicht gewesen«, lobte Aurec sie. Der Marquese öffnete zur Feier des Tages eine Flasche Champagner. Er und sein neuer Berater Diabolo standen auf den Balkon des Paxus-Regierungsgebäudes. Julian Tifflor gesellte sich zu ihnen. »Mein lieber Don Philippe, ich muß Ihnen gratulieren«, sagte der Außenminister der LFT. »Sie haben sich hervorragend geschlagen. Besser hätte ich es auch nicht machen können.« »Ohne Ihre Hilfe hätte ich es bestimmt nicht geschafft«, erwiderte Don Philippe jovial. »Nun, ich beneide Sie nicht. Es wird nicht leicht sein mit all den Völkern auszukommen. Nehmen Sie sich vor Uwahn Jenmuhs in Acht. Er ist machtgierig.« »Ich werde mein bestes tun«, versicherte der Spanier. »Leider muß ich Sie nun verlassen. Mein Schiff in Richtung Heimat geht morgen früh. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Marquese.« »Danke, Senor Tifflor. Auch Ihnen wünsche ich eine gute Reise.« Tifflor bedankte sich und ging. Der Marquese füllte sich neuen Champagner in sein Glas. »Sieht so aus als würdest du mir Glück bringen, Diabolo.« »Man kann Ihnen gratulieren, Marquese. Sie haben viel erreicht«, lobte der Posbi. Don Philippe lächelte und hob sein Glas. »Das, mein Freund Diabolo, ist erst der Anfang. Auf uns.« Heft 46 Die Stunde des Spaniers Der Marquese von Siniestro als gefeierter Held - auf seinen Schultern ruht die Hoffnung von Jens Hirseland Titelbild von Stefan Lechner Die Stunde des Spaniers D O R G O N 1. Nach der Wahl Einige Tage nach der Wahl des Paxus-Rates waren die Stimmungen der Völker gemischt. Noch wußte niemand, was die einzelnen Repräsentanten für den kleinen Mann bringen würden. Während Aurec und Sam große Sympathien genossen, sahen es viele nichtarkonidische Völker als besorgniserregend an, den unberechenbaren Uwahn Jenmuhs im Paxus-Rat zu wissen. Die Rolle von Nor’Citel und dem Marquese von Siniestro war den meisten noch unklar. Hochzufrieden mit sich und der Welt ging der Marquese in das Regierungsgebäude des neugewählten Paxus-Rates, dem er nun selbst angehörte. Mehr noch, als gewählter Repräsentant mit den meisten Stimmen war er auch Stellvertreter des Generalsekretärs Sruell Allok Mok, genannt Sam, und oberster Regent des Terra-Blocks. Als erstes hatte Don Philippe Joaquin Manuel Cascal zu seinem Stellvertreter und zum Oberbefehlshaber der Terra-Block-Streitkräfte ernannt und ihn in den Rang eines TerraMarschalls erhoben. Cascal war ihm von Julian Tifflor empfohlen worden, außerdem war er ihm durchaus sympathisch, da dessen Vorfahren auch einst Spanier waren. Der alte Spanier war mit Sam verabredet, um ein Konsolidierungsgespräch zu führen. Außerdem sollten erste Gesetze auf den Weg gebracht werden. Begleitet wurde Don Philippe von seinem neuen Berater, dem Posbi Diabolo. Der Marquese hatte den seltsamen Roboter so genannt, weil er sich dessen richtigen Namen, der nur aus Nummern und Buchstaben bestand, nicht merken konnte. Er war froh, daß er diesen Berater hatte, denn obwohl sich Don Philippe gut in der für ihn neuen Welt zurechtfand, war ihm vieles dennoch fremd. Vor allem die Mentalität der außerirdischen Wesen war ihm oftmals fremd, darum konnte er einen Berater wie Diabolo, der sich bestens damit auskannte, sehr gut gebrauchen. Die Mentalität der Menschen hatte sich in den vergange- 153 nen Jahrtausenden eigentlich nur wenig geändert, wie der Spanier fand. Noch immer gab es skrupellose, machtbesessene Leute, die ihre eigenen Interessen über jene des Gemeinwohls stellten. Allerdings war es heutzutage schwieriger. Es gab Regeln, an die sich auch ein Politiker halten mußte. Zu seiner Zeit, im ausgehenden 18. Jahrhundert, konnte man das Volk nach Belieben tyrannisieren und ausbeuten, heute mußte man subtiler vorgehen und durfte sich keinen Gesetzesverstoß nachweisen lassen, sonst konnte die politische Karriere schnell zu Ende sein. Ansonsten war man als Politiker jedoch bestens versorgt und mit hervorragenden Privilegien ausgestattet. »Diabolo, mein Freund, ich möchte ein rauschendes Fest zu Ehren meines Sieges geben. Du wirst das für mich organisieren.« »Wie Sie wünschen, Marquese. Und wer, meinen Sie, wird zu diesem Fest kommen?« fragte der Posbi. Don Philippe meinte in Diabolos Tonfall Sarkasmus zu hören. Der Posbi war in der Lage, seine Stimme dementsprechend zu modulieren. Manchmal glaubte der Spanier, der Posbi würde ihn nicht ernst nehmen, war sich aber dessen nicht sicher. Zweifellos war der Roboter exzentrisch, vielleicht sogar ein wenig verrückt. »Selbstverständlich alle diejenigen, welche Rang und Namen haben«, belehrte er Diabolo. »Wie Sie wünschen.« Als die beiden das Vorzimmer des PaxusGeneralsekretärs betraten, wurden sie von einem Somer höflich begrüßt und in Sams Amtszimmer geleitet. »Der Generalsekretär erwartet Sie bereits, Paxus-Rat«, sagte der Somer. Der Marquese entblößte seine gelben Zähne zu einem Lächeln. Dann kam ihnen Sam entgegen, um sie begrüßen. »Herzlich willkommen, Marquese. Ich freue mich, Sie begrüßen zu dürfen und gratuliere Ihnen zu Ihrer Wahl.« Don Philippe machte eine salbungsvolle Geste mit der Hand und verneigte sich. »Vielen Dank, Señor Generalsekretär. Auch Ihnen mein herzlichster Glückwunsch zu Ihrer Wahl.« D O R G O N 154 Der Spanier deutete auf Diabolo. »Darf ich Ihnen Diabolo vorstellen? Er ist von nun an meine rechte Hand und mein Berater in allen Fragen.« »Ich bin erfreut zu sehen, wie gut Sie schon mit anderen Rassen zusammenarbeiten, Marquese. Ich freue mich Sie kennenzulernen, Diabolo. Bitte nehmen Sie doch Platz.« Sie setzten sich an Sams geräumigen Schreibtisch. »Wie beurteilen Sie den Ausgang der Wahl, Marquese?« fragte Sam. »Positiv, Herr Generalsekretär. Überaus positiv«, erwiderte Don Philippe. Der Blick des Somers wurde streng. »Ich leider nicht so sehr. Ich hätte lieber die Abgesandten der Haluter, Blues, Akonen oder der Dorgonen im Rat gesehen als diesen unberechenbaren, renitenten Uwahn Jenmuhs oder den schwer einzuschätzenden Überschweren. Nun, mit den Arkoniden mußten wir rechnen aber Nor’Citels Wahl kommt schon überraschend.« »Sie haben recht. Das habe ich in meiner Freude noch gar nicht bedacht«, gab sich Don Philippe zerknirscht, obwohl ihn das im Moment eher wenig kümmerte. »Nun, ich hoffe, daß ich meinen sozialen Finanz- und Wirtschaftsplan dennoch durchsetzen kann. Aurec und ich haben ihn nach dem saggittonischen Vorbild ausgearbeitet. Ich hoffe dabei auf Ihre Unterstützung, denn der soziale Frieden und die Gerechtigkeit auf der Insel sind für das Zusammenleben aller Wesen von größter Bedeutung. Wir dürfen nicht zulassen, daß einige wenige die Mehrheit ausbeuten, wie das leider schon oft in der Vergangenheit der Fall war.« Der Somer reichte Don Philippe und Diabolo einen Entwurf seines Finanzplans, den die beiden aufmerksam studierten. Er hatte folgenden Inhalt: * Der Staat versorgt alle Bürger mit einem Mindestentgelt, von dem sie problemlos leben können. Grundsatz ist, daß kein Wesen auf der Insel notleiden muß. Dazu gehört, daß jedes Jens Hirseland Wesen ausreichende Mengen an Nahrung, Bekleidung, eine Wohnung, Kommunikationsmittel und geistige Freiheit besitzt. Von diesem Entgelt sind keinerlei Steuern, noch irgendwelche Abgaben zu zahlen. Darüber hinaus kann sich jedes Wesen um eine Arbeit bemühen, die ihn mit Freude und Kreativität ausfüllt. Sobald diese Arbeit angenommen wurde, gelten die üblichen tariflichen und gewerkschaftlichen Gesetze der sozialen Marktwirtschaft. Das Einkommen ist zu versteuern, Sozialabgaben sind zu entrichten. Tätigkeiten, die nicht von Lebewesen wahrgenommen werden können, werden von Robotern ausgeübt. Sollte sich ein Wesen für diese Tätigkeit bewerben, so muß der Arbeitgeber ihn, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, annehmen und darf nicht die Maschine vorziehen. (Ausnahmeregelungen gelten für Posbis, da diese intelligente Lebewesen sind). Die Arbeitsverteilung für notwendige Maßnahmen auf der Insel, um den Plan DORGONs gerecht zu werden, übernimmt die Regierung. Die Bürger werden befragt und ihre Fähigkeiten sondiert. Dementsprechend werden sie – wenn sie damit einverstanden sind – für einen Beruf vorgeschlagen. Das soll dem Zweck dienen, daß Potential nicht ungenutzt bleiben darf und keine Unzufriedenheit aufgrund falscher Arbeitsplätze entsteht. * »Nun, was halten Sie davon, Marquese?« fragte Sam. »Das klingt sehr modern. Zu meiner Zeit waren wir leider noch nicht so fortschrittlich. Was sagst du dazu, Diabolo?« gab Don Philippe die Frage an seinen Berater weiter. »Ich halte den Plan für gut. Er sichert den sozialen Frieden. Es freut mich auch besonders, daß man an die Posbis gedacht hat. Sie sollten dem Plan zustimmen«, riet der Posbi. Dem Spanier war viel an der Gunst des Generalsekretärs gelegen. Er hoffte so seinen Einfluß noch vergrößern zu können. Darum nahm er Diabolos Rat an, auch wenn ihm ein etwas weniger humaner Plan besser gefallen hätte. »Gut, dann werde ich zustimmen.« Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Ich kann also auf Ihre Stimme zählen? Auch Aurec hat mir Unterstützung zugesagt. Ich befürchte, daß der machthungrige Jenmuhs einen weniger humanen Plan einbringen wird.« »Natürlich können Sie auf mich zählen, Generalsekretär. Auch mir ist daran gelegen, daß es der Bevölkerung gut geht.« Sam nickte. »Das freut mich, Marquese. Ich habe diesbezüglich strenge moralische Ansichten. Nichts ist mir mehr zuwider als Machthunger und Geldgier. Wir sind gewählt worden, um dem Volk zu dienen und nicht das Volk uns. Ich werde jeden bekämpfen, der versucht, die Bevölkerung zu betrügen. Es hat schon zu viele verlogene Politiker gegeben, die nur darauf aus waren ihr Bankkonto zu füllen. Leider gibt es noch einen zweiten Plan, der das ganze Gegenteil von unserem ist. Er wurde von dem Industriellen Michael Shorne ausgearbeitet. Er wird sicherlich von Uwahn Jenmuhs und Nor’Citel unterstützt werden. Aber wenn Sie unserem Plan zustimmen, können wir ihn durchsetzen.« Der Marquese nickte eifrig. »Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ich bin auf Ihrer Seite. Doch nun muß ich leider gehen. Dringende Termine erwarten mich.« Die drei erhoben sich von ihren Plätzen. »Das kann ich gut verstehen«, meinte Sam. »Es erwartet uns viel Arbeit und viele Probleme, die es zu lösen gilt.« »Dennoch sollten wir die Freuden des Lebens nicht ganz außer acht lassen. Ich möchte sie zu einem kleinen Fest einladen, das ich in einigen Tagen aus Anlaß unserer Wahl geben werde«, lud der Marquese Sam ein. »Einverstanden, ich komme gern.« Als Don Philippe und Diabolo zurück zu ihrem Gleiter gingen, musterte der Posbi den alten Terraner aufdringlich. »Was ist denn?« fragte der Marquese ungehalten. »Haben Sie wirklich ernst gemeint, was Sie dem Generalsekretär gesagt haben?« fragte Diabolo mit skeptischem Unterton. Der Marquese gab sich entrüstet. »Selbstverständlich. Laß uns jetzt endlich gehen«, erwiderte der alte Spanier und ging weiter. 155 »Wer’s glaubt«, sagte Diabolo zu sich selbst. 2. Unheilige Allianzen Auch an anderer Stelle freute man sich über den Ausgang der Wahl. Leticron alias Nor’Citel traf sich mit den Anführer der Hauri, Ab-eMetul, und dem Anführer der Dscherro, Taka Kudon, um in Leticrons Residenz auf New Paricza den Wahlsieg zu feiern. Der Anführer der Überschweren führte seine Gäste durch seine vor kurzem fertiggestellte Burg, ein düsteres Gemäuer, das einer waffenstarrenden Festung glich. Von außen ähnelte die Burg Leticrons alter Stahlfestung auf Titan während der Besatzungszeit der Laren und wirkte eher mittelalterlich antiquiert. Unterirdisch jedoch hatte Leticron modernste Gerätschaften und Techniken eingebaut sowie Hangars, Raketenabschußrampen, Waffenlager und geheime Fabriken angelegt. Ab-e-Metul zeigte sich beeindruckt, von Taka Kudon ließ sich keine Reaktion anmerken. »Sehr beeindruckend«, lobte der Hauri höflich. »Das ist erst der Anfang«, sinnierte Leticron. Taka Kudon gab einen lauten Rülpser von sich. »Ich hoffe, das heißt in der Sprache der Dscherro, daß Sie beeindruckt sind, Taka«, sagte Nor’Citel ungehalten. Der Dscherro schüttelte den Kopf. »Das heißt, ich habe Hunger und Durst.« Leticronverdrehte die Augen, sagte dann aber höflich: »Was bin ich doch für ein schlechter Gastgeber. Im großen Saal stehen Erfrischungen bereit. Folgen Sie mir!« Der Überschwere führte seine Gäste in den Festsaal der Burg. Dort wurden ihnen Getränke serviert. Leticron hob seinen Becher. »Auf unseren Wahlsieg«, sagte Leticron. »Also ich tue das mit dieser Wahl alles nicht verstehen. Bei uns Dscherro gibt einen Kampf auf Leben und Tod, wenn einer der Anführer sein will. Wir Dscherro fürchten weder Kampf noch Tod! Koscha, Dscherro! Koscha!«, rief Taka Kudon in seiner primitiven Art. 156 D O R G O N Leticronhätte diesem Barbaren, den er verachtete, am liebsten zurechtgewiesen. Aber noch brauchte er die Dscherro für seine Pläne. Er hatte mit den Dscherro und Hauris einen Handel getroffen. Einen inoffiziellen Pakt zum Vorteil aller drei Zivilisationen. Metul und Kudon schenkten Leticron ihre Stimmen. Inklusive den Footen hatte Leticron mit seiner eigenen Stimme vier Wähler gehabt, was ausreichte, um in die nächste Runde zu ziehen. Seine Rechnung ging auf und er saß im Paxus-Rat. Natürlich hatte er seinen Alliierten bevorzugte Behandlung versprochen. »Es wird bald neue Aufgaben für die Dscherro geben, Taka. Habt nur Geduld.« »Geduld, pah! Geduld ist was für Memmen!« rief der Dscherro, der offenbar schon etwas zuviel getrunken hatte. Leticronüberging die Bemerkung des Takas. »Es ist nun an der Zeit, meine Freunde, daß ich euch einen weiteren Verbündeten vorstelle, den ich für unsere geheime Allianz gewinnen konnte. Er hat uns bei der Wahl entscheidend unterstützt.« Leticronerhob sich von seinem Stuhl und öffnete eine Tür. Herein kam eine riesige Gestalt, es war ein Pelewon. Die Pelewon waren wie Haluter sehr groß gebaut, besaßen vier Arme, zwei stämmige Beine und drei Augen. Torsorwar noch wuchtiger als die anderen. Mit 5,50 Meter und einer Schulterbreite von 3,50 war er ein wahrer Gigant, der seines gleichen suchte. Er trug einen blauen Kampfanzug. Die drei Augen leuchteten in einem Feuerrot. »Torsor!« rief Ab-e-Metul überrascht aus. Taka Kudon grunzte nur. »Ich grüße euch«, sagte der Pelewon. »Sei uns willkommen, Torsor«, entgegnete Leticron. Die Pelewons lebten im Dusty QueenSystem vor den Konstrukteuren des Zentrums versteckt. Als es dort im Jahr 2436 alter terranischer Zeitrechnung zur Katastrophe kam, überlebten nur wenige Pelewons. Sie stellten für die Beherrscher von M 87 keine Gefahr mehr dar und waren im Jahr 1143 NGZ wieder auf rund 100 Millionen Individuen angewachsen, von denen ein Drittel auf Yanyok lebte, der Rest auf einem guten Dutzend von Kolonialwelten. Jens Hirseland Die Nachkommen der Bestien waren in das Völkergemisch ihrer Galaxis integriert und besaßen auch dessen technischen Standard. Ihre Vermehrung war das Ergebnis einer Mutation, die aus den ursprünglich eingeschlechtlichen Wesen zweigeschlechtliche mit einer hohen Fortpflanzungsrate machte. Der Herrscher der Hauptweit Yanyok bezeichnete sich als König, die Kolonien waren seine Lehenschaften, wie Fürstentümer. Diese friedliche Politik änderte sich jedoch, als bekannt wurde, daß einige Mooghs und Pelewon sich in einem unbekannten System versteckt gehalten hatten. Diese noch eingeschlechtlichen Wesen waren direkte Nachfahren der Bestien und konnten sich nur schwer integrieren. Die Mooghs zettelten immer wieder Aufstände an. Im Jahre 1212 NGZ kam es dann zu einem Angriff von Pelewon und Mooghs auf einen Planeten mit Dumfries, wobei auch zwei Okefenokees sterben. Aus Rache ließ der hohe Admiral Carjul ein Strafbataillon zusammenstellen, welches Yanyok in Schutt und Asche legte. Über 80 Millionen Pelewon fanden bei diesem Massaker den Tod. Die Okefenokees waren anfangs über diese Untat entsetzt, jedoch war die Angst vor einer Wiederauferstehung der Bestien zu groß. Carjul schwang sich zu einem der obersten Konstrukteure des Zentrums auf und setzte alles daran, die Rechte der Bestien-Nachfahren zu beschneiden. Die Pelewon wurden in ihr Reich eingepfercht, ihre Raumschiffe wurden konfisziert und jegliche moderne Technik wurde ihnen bei Androhung der Todesstrafe verboten. Die Unzufriedenheit unter den BestienNachfahren wuchs, insbesondere, da die zweigeschlechtlichen Pelewons nicht für den Überfall ihrer Artgenossen verantwortlich gemacht werden konnten. Daher war der Haß auf die Dumfries und Okefenokees besonders groß, denn die 80 Millionen Pelewons waren schuldlos gestorben. Trotzdem entbrannten Kriege zwischen den Bestien und den Pelewon. Die alten Bestien versuchten sich zu klonen, was ihnen jedoch nicht gelang. Nur ein Prototyp wurde entworfen – der 5,50 Meter große Torsor, der an einen Uleb erinnerte. Torsor war hochintelli- Die Stunde des Spaniers D O R G O N gent und einigte das Volk. Er schürte den Haß auf die KdZ und ihren Hilfsvölkern. Langsam bauten sie den Widerstand auf und begannen, sich selbst heimlich zu klonen, da die KdZ strenge Auflagen auferlegt hatten, was die Fortpflanzung anbelangte. Die »normalen« Pelewons befanden sich in tiefer Melancholie und Trauer, da sie nun Ausgestoßene waren, doch Torsor gibt ihnen Mut. Im Jahre 1296 NGZ gab es durch den Einsatz des Klonverfahrens knapp 60 Millionen eingeschlechtliche Bestien-Nachfahren und knapp 15 Millionen Pelewon, die immer noch unterdrückt und von den Dumfries bedroht wurden. Die Bestien-Nachfahren wurden auch von DORGON gefragt, ob sie an dem Projekt teilnehmen wollten. Die KdZ willigten ein, damit man einen Großteil der Bestien nicht mehr in M 87 hatte. Torsor verfolgte den Plan, in Cartwheel ein neues Reich für die Pelewon zu errichten. »Ich bin gekommen um euch eine Allianz mit dem mächtigen Volk der Pelewon anzubieten«, verkündete Torsor. »Eure Feinde sollen auch unsere Feinde sein und unsere Feinde die euren!« Nor’Citellächelte. »Ich nehme an, du meinst die Okefenokees und ihre Vasallen.« »Ja! Die Pelewon haben es satt, in ständiger Furcht vor der Unterdrückung der Konstrukteure des Zentrums zu leben«, erklärte Torsor grimmig. »Hier auf der Insel bietet sich uns die Möglichkeit, ihr Joch abzuschütteln und ein neues, mächtiges Reich zu gründen. Werdet ihr uns dabei helfen?« »Wir sind gern bereit, eine Allianz mit euch einzugehen. Nicht wahr, meine Freunde?« fragte Leticron mit drohendem Unterton in Richtung Ab-e-Metul und Taka Kudon. Der Dscherro sprang von seinem Sitz, trommelte sich mit beiden Fäusten auf die Brust und schrie: »Koscha, Dscherro! Koscha! Koscha!« »Das heißt wohl, er ist einverstanden«, erklärte Leticron. »Was ist mit dir, Ab-e-Metul?« Der Hauri erhob sich von seinem Sitz und entblößte das Gebiß. »Auch ich bin einverstanden. Ich mache aber 157 darauf aufmerksam, daß das Volk der Hauri ebenfalls mächtige Verbündete auf seiner Seite hat.« »So, und wen?« fragte Leticron erstaunt. Dieser Aspekt war ihm neu. »Ich habe ein Bündnis mit dem Pterus Saron und seinen Anhängern geschlossen. Er wird uns von großem Nutzen sein.« Leticronverzog spöttisch das Gesicht. »Wie denn? Er hat seine Macht verloren und ist auf der Flucht.« »Nicht mehr lange. Saron und ich haben den Plan gefaßt, den gesamten Paxus-Rat zu töten. Die Vorbereitungen laufen bereits«, verkündete der Hauri voller Stolz. Nor’CitelsMiene verfinsterte sich. »So, der gesamte Paxus-Rat also, ja?« fragte er kalt. »Ja, der gesamte Rat soll mit einer gewaltigen Bombe vernichtet werden und mit ihm der halbe Planet.« Leticronwurde wütend. »Dann ist euch vielleicht entgangen, daß auch ich nun zum Paxus-Rat gehöre?!« brüllte er. Ab-e-Metulwich entsetzt zurück. »Aber an dich haben wir dabei doch gar nicht gedacht«, beeilte sich der Hauri zu versichern. »Den Eindruck habe ich allerdings auch«, bemerkte der Überschwere zweideutig. »Damit in Zukunft eines klar ist: Ich habe hier das Sagen und kein anderer! Nicht du und auch nicht Saron! Ich dulde keine eigenmächtigen Aktionen hinter meinem Rücken! Alle Aktionen müssen vorher mit mir abgesprochen und koordiniert werden – ist das klar?« Drohend schritt Leticron auf den verängstigten Hauri zu, der zurückwich. »Ja, Nor’Citel, vollkommen klar«, versicherte Ab-e-Metul kleinlaut. »Es steckte keine böse Absicht dahinter. Ich wollte dich nur überraschen.« »Das ist dir auch gelungen«, spottete Leticron. »Wenn ich dich dadurch verärgert haben sollte, bitte ich um Vergebung.« Leticronberuhigte sich wieder. D O R G O N 158 »Nun gut, ich vergebe dir. Allerdings werden wir den Plan abändern. Anstatt den Rat zu vernichten, wird Saron ihn entführen. Ich, der als einziger nicht anwesend ist, werde dann den Rat durch geschickte Verhandlungen wieder befreien und dadurch große Popularität erlangen, was meinen weiteren Plänen sehr nützlich sein dürfte. Du, Ab-e-Metul, wirst Saron darüber informieren und ihn bei seinen Aktionen überwachen. Wehe ihm und wehe dir, Hauri, wenn er sich meinen Plänen widersetzt. Verstanden?« »Ja, Nor’Citel, ich habe verstanden«, versicherte der Hauri. »Gut, dann sei dir vergeben.« Erleichtert ließ sich Ab-e-Metul in seinen Sessel sinken, während Leticron sich wieder Torsor zuwandte. »Laßt uns nun unser neues Bündnis besiegeln. Mit vereinten Kräften werden wir unsere verhaßten Feinde vernichten.« 3. Der Aufstieg des Spaniers Unterdessen hatte Diabolo auf New Terrania einen PR-Feldzug gestartet, um den Marquese noch bekannter und beliebter zu machen. Der alte Spanier war Stammgast in allen namhaften Talk- und Unterhaltungsshows. Er stattete auch den Bewohnern eines Raumcontainers, die dort ein Jahr unter Beobachtung leben mußten und von denen einer nach dem anderen nominiert wurde und später ausschied bis nur der Sieger übrigblieb, einen Besuch ab. Ein Angebot, beim internationalen Schlagerfestival aufzutreten, lehnte der Spanier auf Anraten Diabolos jedoch ab. Statt dessen spendete er große Summen für Kranke und Bedürftige und präsentierte sich als Beschützer des kleinen Mannes und volksnaher Politiker. So stieg die Popularität es Marquese auch bei den anderen Völkern mehr und mehr an. Einige Tage später veranstaltete Don Philippe ein rauschendes Fest, daß er ganz im alten spanischen Stil des 18. Jahrhunderts inszenierte, was seine Gäste durchaus begeisterte. Neben Sam und Aurec waren alle anderen befreundeten Politiker und Prominente gekommen. Jens Hirseland Auch Michael Shorne hatte es sich nicht nehmen lassen zu erscheinen. Der Marquese begrüßte ihn freudig. »Mein lieber Shorne. Wie schön, daß Sie Zeit hatten zu kommen.« »Ich wollte es mir nicht nehmen lassen, Ihnen persönlich zu Ihrer Wahl zu gratulieren. Wie Sie sich erinnern, habe ich Ihren Wahlkampf massiv unterstützt«, sagte Shorne mit ironischem Unterton, was dem aufmerksamen Diabolo nicht entging. Der Posbi beschloß, Shorne aufmerksam zu beobachten. Schon immer hatten ihn die Terraner und ihre Geschichte fasziniert – besonders ihre Winkelzüge und Strategien, mit denen sie oft in der Vergangenheit ihre Kämpfe gewonnen, aber auch großen Schaden angerichtet hatten. Der Marquese bot Diabolo die Gelegenheit, von den Terranern zu lernen. Außerdem war der alte Spanier ein lebendes Denkmal, lebendige Geschichte sozusagen. Das alles reizte Diabolo. »Für Ihre Hilfe bin ich Ihnen sehr verbunden. Ich werde mich bemühen, meinem Wählerauftrag gerecht zu werden«, versicherte Don Philippe freundlich. Shorneblickte ihn kalt an. »Das will ich hoffen. Sie haben mir ein Versprechen gegeben. Ich verlange, daß sie dieses jetzt einlösen.« »Nun, ich will ihre Anregungen gerne prüfen.« »Wenn Sie mit Ihrem Gefasel fertig sind, will ich mit Ihnen unter vier Augen sprechen. Ich habe meinen Wirtschaftsplan fertig ausgearbeitet und will ihn Ihnen vorlegen.« Erschrocken über Shornes kalten Blick, gab Don Philippe nach. »Nun gut, sehen wir uns mal an, was sie ausgearbeitet haben.« Der Marquese und Shorne begaben sich in das rustikal eingerichtete Arbeitszimmer und setzten sich dort. Shorne übergab dem alten Spanier einen Entwurf seines Wirtschaftsplans, den dieser aufmerksam studierte. * Die Stunde des Spaniers D O R G O N Der Staat dient nur als Verwaltung, der die Gewährleistung des Wirtschaftskreislaufs und somit den Fortbestand der Menschheit garantiert. Daneben muß sich die Regierung um die bürokratischen Abläufe kümmern, wie Außenpolitik, Verkehr, Justiz usw. Dies wird von den Konzernen finanziert. Die Wirtschaft wird primäres Ziel des menschlichen Treibens und alles ist ihr unterzuordnen. Jedes Lebewesen braucht Arbeit und muß spätestens mit erreichen der Volljährigkeit eine Ausbildung begonnen haben. Im Falle einer Arbeitslosigkeit muß es monatliche Bußgelder bezahlen. Kann es dies nicht, muß es Zwangsarbeit leisten. Sozialhilfe und Arbeitslosengeld wird es nicht mehr geben. Als Grundsatz gilt: Der Bürger ist einzig und allein für sich verantwortlich. Das Solidaritätsprinzip wird abgeschafft. Krankenversicherungen, Rentenversicherungen, Solidarzuschlag für Kolonien und Arbeitslosenversicherungen werden nicht mehr vom Bürger verlangt. Er muß selbst zusehen wie er zu Recht kommt. Steuern werden ebenfalls abgeschafft, da der Staat die Bürger nicht mehr unterstützen muß. Die Städte, Planeten und Systeme können von Unternehmern erworben und verwaltet werden. Als rechtliche Grundlage dieser Konzernreiche dienen die allgemeinen Geschäftsbedingungen der einzelnen Unternehmen. Die Arbeitszeit kann auf bis zu zwanzig Stunden pro Tag angehoben werden, was natürlich planetenbezogen ist. Urlaub wird nur noch bis zu zwei Wochen genehmigt, alle Feiertage bis auf Weihnachten werden abgeschafft. Der religiöse Aspekt ist ohnehin nebensächlich, da sowie niemand mehr an Gottheiten glaubt. Weihnachten hat jedoch einen wirtschaftlichen Nutzen und ist daher wichtig. Alle Gewerkschaften werden abgeschafft. Dementsprechend werden die Gesetze geändert bzw. neue Gesetze verfaßt, da auf der Insel andere Bedingungen als in der Milchstraße herrschen. Renten werden abgeschafft (siehe oben) um Kosten zu sparen. Jeder muß sich selbst ein Altersgeld ansparen. Die Arbeitsdauer wird auf 150 Jahre angehoben. Jeder, der in den Ruhestand versetzt werden möchte, muß sich von seinem Betriebsarzt 159 untersuchen lassen und die Arbeitsunfähigkeit muß festgestellt werden. Bei Krankheit werden Urlaubstage abgezogen, das Gehalt gestrichen und mit Gefängnis gedroht, sollte man nicht innerhalb einer Woche wieder genesen. Sonstige tarifliche Vergünstigungen bleiben dem Arbeitgeber überlassen. Als Verwaltungsorgan dient der oberste Vorstand, der eine Aktiengesellschaft ist. Als Vorsitz wird der mächtigste Unternehmer auf der Insel eingesetzt werden. * Als der Marquese den Entwurf zu Ende gelesen hatte, mußte er tief durchatmen. Shorne griff eiskalt nach der Macht über die Insel. Denn wer der mächtigste Unternehmer sein würde, der den Vorsitz über die Insel führen würde, war dem Spanier klar – Michael Shorne selbst. Zwar waren Shornes Vorschläge zu Zeiten des Marquese im alten Spanien durchaus normal gewesen – alle Macht gehörte damals dem Adel und das Volk wurde brutal ausgebeutet – doch ihm war klar, daß man heutzutage ganz andere Regeln geschaffen hatte, die Shorne für sich und sein Klientel wieder abschaffen wollte. Außerdem sollte die Regierung, welcher er ja auch selbst angehörte, in ihrer Macht beschnitten werden, das kam für den Marquese nicht in Frage. »Nun?« fragte Shorne nur. »Mein lieber Freund, sosehr ich Ihren Plan auch schätze, muß ich ihn leider ablehnen. Ich habe bereits Generalsekretär Sruell Allok Mok und Ratsmitglied Aurec meine Zusage zu deren Wirtschaftsplan gegeben.« Shornesprang wütend auf. »Ich muß sie wohl daran erinnern, daß ich es war, der Ihnen zu Ihrem Amt verholfen hat! Ohne meine Hilfe wäre Solder Brand jetzt an Ihrer Stelle!« Der Marquese machte eine abwehrende Geste. »Ich will nicht leugnen, daß Sie mir eine große Hilfe waren. Aber ein klein wenig haben meine Fähigkeiten und meine Ausstrahlung ja wohl auch dazu beigetragen«, wehrte sich der Spanier. 160 D O R G O N Shorneverzog spöttisch die Mundwinkel. »Die Ausstrahlung einer Mumie. Wie dem auch sei. Sie vergessen, daß ich zwei Polizisten auf meiner Lohnliste habe. Sie erinnern sich vielleicht an Officer McSweet und Officer Rannigan?« »Gewiß«, sagte Don Philippe betreten. »Wenn Sie mich nicht unterstützen und sich als undankbar erweisen, werde ich die Solder Brand-Sache gegen Sie verwenden. Ich kann Sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen Brand, wenn Sie nicht tun was ich will.« »Sie brauchen mir nicht zu drohen. Es geht darum, daß ich dem Generalsekretär mein Wort gegeben habe.« »Na und? Dann brechen Sie es eben wieder. Das ist Politik.« Don Philippe überlegte krampfhaft, doch er fand keinen Ausweg. Shorne hatte ihn in der Hand. Wenn seine Verbindung an dem BrandSkandal publik wurde, blieb ihm nur der Rücktritt. »Schon gut, schon gut! Sie kriegen was sie wollen, Shorne. Ich stimme für Ihren Plan und werde sie dann zum Finanz und Wirtschaftsminister ernennen.« Shornewar zufrieden. Er war überzeugt davon im Recht zu sein. Für ihn waren Geld und Macht die Grundpfeiler der Gesellschaft. Jeder hatte sich dem Wachstum und den Konjunkturdaten unterzuordnen, denn nur die Wirtschaft garantierte Wohlstand und Frieden. Leider hatte sich die Machtposition der Wirtschaft zu ungunsten der Industriellen verschoben, seit Perry Rhodan Resident geworden war. Rhodan wollte beiden Seiten gerecht werden, während unter der Regierung Paola Daschmagans die großen Konzerne bevorzugt behandelt worden waren. Für Shorne war das ein Rückschlag, zumal weder Rhodan noch der Erste Terraner korrumpierbar waren. Shorne traute niemanden, den man nicht mit Geld kaufen konnte. Er hoffte, auf der Insel nun eine Politik, die vollkommen auf die Wirtschaft und die Großunternehmen ausgerichtet war, betreiben zu können. Shorne war überzeugt, daß ihm das auch gelang. Selbst die Arkoniden würden irgendwann einsehen müssen, daß sie mit ihrer ag- Jens Hirseland gressiven Politik im Endeffekt dem Handel und damit letztendlich sich selbst schaden würden. Shorne war überzeugt, Uwahn Jenmuhs von seiner Ansicht überzeugen zu können, da er diesen praktischer und materieller einschätzte als den unberechenbaren Imperator Bostich, der von einem großarkonidischen Reich träumte. Doch die Milchstraße war weit und die Insel war für Shorne eine Galaxis der unbegrenzten Möglichkeiten, wie seinerzeit Amerika für die Pioniere. Wenn sich einige Völker dagegen stellen sollten, würden sie eben enden wie die Indianer im alten Amerika. »Sehen Sie, Don Philippe. Ich wußte doch, daß Sie vernünftig werden würden. Es wird zu Ihrem großen finanziellen Vorteil sein, das verspreche ich Ihnen.« Shorne war einen Blick auf seinen Armbandchronometer. »Leider muß ich Ihre reizende Party nun verlassen, Marquese. Es gibt noch viel zu tun für mich. Auf Wiedersehen!« Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ Shorne dann das Arbeitszimmer. »Wiedersehen«, sagte Don Philippe lahm. »Und auf Wiedersehen, Sam und Aurec, auf Wiedersehen, Wähler, auf wiedersehen Macht und Einfluß...« Kurz darauf betrat Diabolo den Raum. »Hast du alles mitbekommen?« fragte ihn der alte Spanier. »Ja, Marquese. Ich habe das Gespräch heimlich mitverfolgt. Sehr praktisch, daß man vom Nebenzimmer aus via Bildschirm alles mitbekommen konnte.« »Das nützt mir gar nichts.« »Wer weiß...« Der Marquese winkte klagend ab. »Ach! Shorne hat mich in der Hand. Hätte ich mich doch bloß nicht auf die Sache mit Solder Brand eingelassen.« »Erzählen Sie mir davon«, bat Diabolo. Don Philippe berichtete, was es mit der Solder Brand-Affäre auf sich hatte und wie er darin verwickelt war. »Die Idee war taktisch sicher richtig, wenn auch moralisch verwerflich. Sie haben den Fehler gemacht sich von Shorne einspannen zu lassen. Andererseits hatten Sie nur eine passive Rolle dabei.« Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Das wird Generalsekretär Sam schon genügen. Er hat sehr strenge Ansichten, der reinste Moralapostel! Wenn das herauskommt, bin ich bei ihm unten durch, aber auch, wenn ich für Shorne stimme. Was für ein Dilemma!« jammerte der Spanier. Schlurfend ging er zu seinem Sessel, ließ sich hineinfallen und stöhnte. »Mir wird nichts anderes übrig bleiben als für Shorne zu stimmen.« 4. Das Attentat Am nächsten Tag hatte der Paxus-Rat seine konstituierende Sitzung einberäumt. Dies war der Moment, in dem Saron zuschlagen wollte. Er hatte geplant, alle Ratsmitglieder und deren Stellvertreter auf einmal zu erwischen und somit die Insel ins Chaos zu stürzen. Das daraus entstehende Machtvakuum wollte er für sich nutzen. Den Zugang in das Regierungsgebäude sollte ihm Ab-e-Metul ermöglichen. Dann würde er mit zwanzig seiner besten Upanishad-Kämpfer dort mehrere Bomben deponieren und wieder verschwinden. Später dann würde Saron genüßlich den Knopf drücken, der die Bomben detonieren ließ und seinen Plan vollendete. Danach würde er sich Sam Tyler, Will Dean und Jan Scorbit ausgiebig widmen. Mit Hilfe der haurischen Delegation war man bereits unerkannt nach Paxus gelangt. Nun wartete Saron auf Ab-e-Metul, der sie in das Regierungsgebäude bringen würde. Im Moment befanden sich Saron und seine Anhänger in einem haurischen Schiff auf dem Raumhafen von Paxus. Alle Vorbereitungen waren getroffen worden, als sich ein Schott öffnete und Ab-e-Metul eintraf. Saronerhob sich von seinem Sitz, um den Hauri zu begrüßen. »Wie schön dich zu sehen, ehrwürdiger Abe-Metul. Wir warten bereits voller Ungeduld auf dich.« Der Hauri wirkte betreten, was Saron sofort auffiel. »Stimmt etwas nicht?« 161 »Ich hatte ein Treffen mit Nor’Citel, unserem wichtigsten Verbündeten«, berichtete Abe-Metul. »Er ist gegen eine Sprengung des Regierungsgebäudes, da er selbst zum PaxusRat gehört. Statt dessen wünscht er, daß die Ratsmitglieder entführt werden. Dann wird Nor’Citel sie gegen ein hohes Lösegeld austauschen.« Saronglaubte, sich verhört zu haben. »Was? Er wünscht! Was hat Nor’Citel schon zu wünschen? Ich bin Saron, Vollender des Permanenten Konflikts! Ich höre nicht auf einen korrupten Politiker!« schrie er voller Wut. Ab-e-Metulgebot ihm mit einer Handbewegung Einhalt. »Mein lieber Freund, du unterschätzt Nor’Citel offenbar. Er hat die Pelewon und die Dscherro auf seiner Seite und auch die Hauri werden ihm folgen, denn nur eine Vereinte Allianz kann es gegen die terranischen und arkonidischen Bastarde aufnehmen. Wir dürfen Nor’Citel nicht verärgern. Er plant in großen Maßstäben. Wir müssen einen Schritt nach dem anderen gehen.« Saronmerkte, daß er Ab-e-Metul nicht würde umstimmen können. Die Furcht des Hauri vor dem Überschweren war deutlich zu spüren. Er beruhigte sich wieder. »Selbstverständlich hatte ich nicht vor, Nor’Citel ebenfalls zu töten. Wir brauchen schließlich Verbündete. Du hast recht«, lenkte der Pterus ein. Ab-e-Metulentblößte sein Gebiß zu einem Lächeln. »Ich wußte, daß wir uns einigen werden. Nun erläutere ich dir den neuen Plan und dann schleuse ich dich und deine Männer in das Regierungsgebäude ein.« Saronnickte, doch insgeheim nahm er sich vor, den ursprünglichen Plan durchzuführen. Er würde den Rat eben vorher entführen, dann das Lösegeld kassieren und danach die Politiker trotzdem töten. Nor’Citel würde dann statt als strahlender Held als Verlierer dastehen. Ab-eMetul verriet er nichts von seinem Plan, denn er brauchte ihn, um ins Regierungsgebäude zu D O R G O N 162 gelangen. * Währenddessen lief die Fahndung nach Saron weiterhin auf Hochtouren. Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler trafen sich in New Terrania mit dem Mausbiber Gucky, den sie bei der Jagd auf Saron um Hilfe bitten wollten. Nachdem sie ihm die Situation geschildert hatten, war er auch sofort mit dabei. »Klar helfe ich euch. Ist doch Ehrensache. Das Universum ist voll mit Gräbern von Schurken, die sich mit dem >Überallzugleichtöter< angelegt haben«, lobte sich Gucky selbst. »Das gefällt mir. Saron soll ein schönes, großes Grab bekommen«, sagte Tyler finster. »Damit das ein für allemal klar ist, Tyler: Wir wollen Saron lebend haben!« stellte Will Dean klar. Tyler blickte ihn nur böse an. »Daß wir uns an Recht und Gesetz halten, ist ja wohl klar«, fügte Jan Scorbit hinzu. »Dann sind wir uns ja einig. Wann geht’s los?« wollte Gucky wissen. »Wir haben Grund zu der Annahme, daß Saron mit den Hauris zusammenarbeitet«, erklärte Will Dean. »Unser ermordeter Freund Chris Japar hat beobachtet, daß Saron von einem haurischen Raumschiff nach Upanishad gebracht wurde. Dort hat er sich einige seiner Anhänger zu Hilfe geholt und ist mit unbekanntem Ziel verschwunden.« »Dann ist er vielleicht auf Hauron«, mutmaßte Gucky. »Das wäre natürlich möglich. Unsere Agenten dort arbeiten auf Hochtouren, konnten bislang aber keine Spur von ihm entdecken« berichtete Jan. »Zu der Zeit, als Saron jedoch auf Upanishad gesichtet wurde, ist nur ein haurisches Raumschiff in Richtung Upanishad gestartet, ein Privatraumer von Ab-e-Metul!« »Dem Anführer der Hauris?« fragte Gucky. »Ja.« »Dann sollte man vielleicht den mal beobachten. Vielleicht führt er uns zu dem Gesuchten. Weiß man zufällig, wo sich das alte Klappergestell momentan befindet?« Jens Hirseland »Ab-e-Metul befand sich bis gestern auf New Paricza, wo er Nor’Citel besuchte. Dann flog er nach Paxus, was keine Überraschung ist, weil die konstituierende Sitzung des Rates und des Parlaments bevorstehen«, sagte Will Dean. Gucky lehnte sich zurück und dachte nach. »Das riecht ja geradezu nach einer perfiden interplanetaren Verschwörung«, meinte der Mausbiber. Doch plötzlich wurde der Ilt ernst. »Was wäre, wenn Saron und Ab-e-Metul sich verbündet hätten und versuchen würden den Paxus-Rat auszuschalten? Alle Ratsmitglieder auf einen Haufen, da könnte man doch...« Abrupt stand Gucky auf. »Was meinst du, Gucky?« wollte Dean wissen. »Ich meine, daß wir sofort nach Paxus fliegen sollten.« * Gucky ahnte noch nicht, wie recht er hatte. Ab-e-Metul hatte Saron und seine Anhänger in das riesige Gebäude des Paxus-Parlaments geschmuggelt, was nicht weiter schwierig war. Da Ab-e-Metul diplomatische Immunität genoß, wurden seine Privaträume innerhalb des Gebäudes natürlich nicht durchsucht. So war es ein leichtes, einen tragbaren Transmitter dort unterzubringen, um dann Saron und seine Leute nach und nach einzuschleusen. Die Pterus gaben sich als Bedienstete aus. Zwar hatten die Pterus keinen Sitz im Parlament bekommen, aber einige arbeiteten dort für den Delegierten der Elfahder, der insgeheim mit Saron sympathisierte. In Ab-e-Metuls Raum bereiteten sich Saron und seine Männer auf die bevorstehende Aktion vor. Der Hauri erklärte Saron noch einmal Leticrons Plan. »Der Rat müßte sich nun versammelt haben. Nor’Citel wird sich beim Generalsekretär entschuldigen lassen und ihm mitteilen, daß er später kommt. Natürlich wird man auf ihn warten. Sicher wird der dekadente Arkonide sich etwas zu essen bestellen. Dieses >Essen< werdet ihr liefern. Nachdem ihr die Wache ausgeschaltet habt und den Rat in eure Gewalt gebracht habt, werdet ihr mit dem Transmitter auf eines meiner Schiffe gehen und in ein vorbereites Versteck Die Stunde des Spaniers D O R G O N fliegen, wo ihr dann die weiteren Befehle von Nor’Citel abwartet. Hast du das verstanden, Saron?« Der Pterus nickte. »Sicher.« »Unser elfahdischer Verbindungsmann wird dafür sorgen, daß die Kommunikation im Gebäude lahmgelegt wird.« »Ausgezeichnet. Der Plan hat nur einen Schönheitsfehler«, meinte der Pterus mit seltsamem Unterton. »Welchen?«, fragte Ab-e-Metul erstaunt. »Saron empfängt keine Befehle, er gibt sie.« Ohne die Antwort des Hauris abzuwarten, zog Saron einen Thermostrahler unter seiner Kombination hervor und schoß Ab-e-Metul nieder. * Währenddessen versammelten sich die Paxus-Räte zu ihrer konstituierenden Sitzung unter dem Vorsitz von Generalsekretär Sam. Einer jedoch fehlte – Nor’Citel. Als sich Sam, Don Philippe, Aurec und Uwahn Jenmuhs an den Konferenztisch setzten, erhielt der Generalsekretär eine Nachricht von seinem Sekretär. »Eine Nachricht von Rat Nor’Citel«, meldete dieser. »Auf den Schirm, bitte«, bat Sam. Kurz darauf erschien das Gesicht des Pariczaners. »Wir warten bereits voller Ungeduld auf Sie, Rat Nor’Citel.« »Ich muß mich leider entschuldigen, Herr Generalsekretär. Leider hat mein Schiff technische Probleme, daher verzögert sich die Landung um etwa eine halbe Stunde«, entschuldigte sich der Pariczaner. »Sowie ich gelandet bin, werde ich so schnell wie möglich zu Ihnen kommen. Am besten Sie fangen schon ohne mich an.« »Wir werden selbstverständlich auf Sie warten, Nor’Citel. Eine halbe Stunde können wir überbrücken«, entschied Sam. »Vielen Dank. Ich hoffe, bald bei Ihnen zu sein.« Leticronlächelte. Sein Plan schien zu funktionieren. Er hoffte nur, daß Ab-e-Metul Saron 163 Respekt beigebracht hatte. * »Nun, meine Herren, die Ankunft von Nor’Citel verzögert sich um etwa eine halbe Stunde. Wir müssen also noch etwas warten«, erklärte Sam den drei Ratsmitgliedern. »Das macht nichts«, versicherte Aurec. »So etwas kann vorkommen«, meinte auch der Marquese. »Das finde ich nicht. Jetzt müssen wir wegen diesem Halbwilden auch noch warten!« beschwerte sich Uwahn Jenmuhs. »Na ja, während wir auf diesen Fettkloß warten, kann ich ja was essen. Ich bin halb verhungert!« Aurecbetrachtete seinen Sitznachbarn mißmutig. Verhungert sah Jenmuhs gewiß nicht aus. »Ich werde mir einen kleinen Snack bestellen. Am besten Spanferkel«, beschloß der übergewichtige Arkonide. * Gucky, Will Dean, Jan Scorbit und Sam Tyler hatten sich bereits per Transmitter nach Paxus in das dortige Hauptquartier des TLD begeben. Dean befahl dem Kommunikationstechniker, Verbindung mit Generalsekretär Sam oder Paxus-Rat Aurec herzustellen. »Tut mir leid. Wir bekommen keine Verbindung. Scheint wohl eine Störung zu sein«, meinte der Techniker. Will war darüber sehr beunruhigt. »Da scheint irgend etwas nicht zu stimmen«, sagte er zu den anderen. »Ich werde die Sicherheitskräfte auf Paxus informieren.« Sam Tyler nickte grimmig und streichelte zärtlich seinen Thermostrahler. »Wir haben ihn. Bald fällt die Entscheidung.« * 164 D O R G O N Jenmuhsgab seine Bestellung auf, die jedoch nicht vom Bedienservice entgegengenommen wurde, sondern von Saron. »Es ist soweit. Bereitet euch vor, meine Krieger«, befahl er seinen zwanzig Kämpfern. Der Pterus warf dem toten Ab-e-Metul, der auf dem Fußboden lag, einen verächtlichen Blick zu. »Du elender Vasall, du hast es nicht besser verdient. Dein Nor’Citel wird sich noch wundern.« Zur Tarnung hatte man sich mehrere Servierwagen kommen lassen, die man nun zum Konferenzraum schob. Zwei Sicherheitsbeamte, beides Terraner, standen vor dem Eingang, daneben saß eine Sekretärin an einem Schreibtisch. »Wir bringen das Mahl für den erlauchten Uwahn Jenmuhs«, erklärte Saron den Beamten, die ungläubig auf die Servierwagen und die zwanzig begleitenden Kellner blickten. »Meine Güte, das alles für den? Der läßt sich’s aber gutgehen.« »Das Servieren erfordert viel Aufwand«, erklärte Saron. »Was gibt es denn?«, fragte der zweite Beamte, der ziemlich korpulent wirkte, neugierig. Als die beiden Beamten abgelenkt waren, gab Saron seinen Kämpfern einen Wink. Daraufhin zogen vier von ihnen Messer hervor, mit denen sie die beiden Beamten blitzschnell töteten. Die anderen holten ihre Thermostrahler hervor und schossen auf die Sekretärin, die aufschrie und tot zusammenbrach. Mit gezückten Waffen stießen die Pterus die Tür auf und drangen in den Konferenzsaal ein. »Keine Bewegung oder ihr seid des Todes!« rief Saron den verblüfften Ratsmitgliedern zu. »Was soll das, ihr Mistviecher! Wo bleibt mein Essen? Ich lasse euch auspeitschen, ihr Widerlinge!« giftete Jenmuhs, der den Ernst der Lage offenbar noch nicht erkannt hatte. Saronversetzte Jenmuhs einen Schlag in dessen korpulenten Unterleib. Jenmuhs brach schreiend zusammen. »Bitte nicht schießen, Señores, wir ergeben uns!« rief der Marquese ängstlich. »Saron! Das wird Sie teuer zu stehen kommen«, sagte Sam unfreundlich. Jens Hirseland Der Pterus fuchtelte wild mit seiner Waffe herum. »Aber vorher verreckt ihr alle!« rief er und wandte sich an seine Leute. »Fünf Mann bewachen diese Jammergestalten hier. Der Rest sichert den Ausgang. Wir bringen sie zum Transmitter.« »Damit kommen Sie nicht durch, Saron. Sie kommen nie hier heraus«, meinte Aurec. Saronsah ihn höhnisch an. »So, meinst du? Ich bin ja auch hier reingekommen. Und auf demselben Weg kommen wir auch wieder hinaus.« * Gucky und die Agenten waren bereits auf dem Weg zum Parlamentsgebäude. Dean hatte das Kommando über die Sicherheitskräfte übernommen. Auch Joak Cascal war verständigt worden und befand sich bereits auf dem Weg. Dean befahl dem Kommandanten der Sicherheitskräfte, sich sofort zum Konferenzsaal zu begeben. * »Los, wir gehen jetzt«, forderte Saron die Geiseln auf. Uwahn Jenmuhs hatte sich wieder aufgerappelt und den Ernst der Lage erkannt. Händeringend ging er auf den Pterus zu. »Bitte verschonen Sie mich, Saron! Nehmen Sie von mir aus die anderen, aber verschonen Sie mich!« flehte er. »Abgelehnt. Ihr kommt alle mit. Eigentlich wollte ich euch alle töten, aber das würde zu schnell gehen. Ich werde erst Lösegeld für euch kassieren und euch dann qualvoll töten«, sagte Saron voller Haß. »Nein! Bitte nicht mich! Ich habe Geld, viel Geld! Ich bin noch zu jung, um zu sterben!« schrie Jenmuhs. Saronverpaßte dem Arkoniden einen Tritt in den Unterleib, woraufhin Jenmuhs quiekend zusammenbrach. Aurecund Sam sahen verächtlich auf den Politiker hinab. Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Wenn es um Geld geht, könnte man sich doch einigen«, unternahm der Marquese einen Versuch, doch der Pterus wies ihn barsch ab. »Ihr Politiker glaubt, es ließe sich alles mit Geld regeln. Früher, als ihr Politiker noch Kriege angezettelt habt, wart ihr noch nützlich, denn ihr dientet damit dem Permanenten Konflikt. Jetzt seid ihr nur noch verweichlicht. Aber ich werde dafür sorgen, daß der Krieg wieder Vater aller Dinge sein wird. Dann wird endlich wieder nur der Stärkste überleben und das schwache Fleisch der Gesellschaft wird abgeschnitten.« Der Marquese schüttelte den Kopf. Mit dem Pterus konnte man nicht diskutieren. Er war ein wahnsinniger Fanatiker. »Steh auf, Jenmuhs!« rief Saron dem jammernden Arkoniden zu. »Nein, ich will nicht!« schrie Jenmuhs weinerlich. Saronbefahl zwei seiner Leute den Arkoniden aufzuhelfen. Zappelnd und schreiend wurde er wieder auf die Füße gestellt. »Los jetzt, wir haben genug Zeit verloren!« Plötzlich ertönten Schüsse aus Richtung des Korridors. Einer von Sarons Leuten kam in den Konferenzsaal gerannt. »Was ist, Brack?« »Meister, die Sicherheitskräfte sind da! Sie versperren uns den Weg. Wir haben das Feuer eröffnet, aber es sind zu viele. Wir haben schon fünf Tote zu beklagen!« »Ich werde zu ihnen sprechen. Der fette Arkonide wird uns Deckung geben«, befahl Saron. Jenmuhsschrie nach Leibeskräften, doch die drohenden Waffen ließen ihn gehorchen. Saronließ Jenmuhs durch den Korridor vorangehen. Dort wurde geschossen. Mehrere Tote und Verletzte lagen herum. Zwei weitere Pterus waren gefallen. »Feuer einstellen!« rief Will Dean, als er Jenmuhs und Saron erkannte. Gleich darauf hörte das Feuergefecht auf. »Sehr vernünftig, Dean! Ich habe den Generalsekretär und die Paxus-Räte Aurec, Don Philippe de la Siniestro und diesen schleimigen Fettmolch hier in meiner Gewalt! Ich verlange eine Milliarde Galax Lösegeld und freies Geleit. Auf dem Dach des Gebäudes werdet ihr einen Gleiter für uns bereitstellen. Das 165 alles innerhalb von zwei Stunden. Wenn nicht, wird nach Ablauf dieser Frist die erste Geisel erschossen. Weitere Verhandlungen sind sinnlos.« »Wir werden tun, was Sie verlangen«, versicherte Dean. Saronzog sich mit seinen Leuten wieder zum Vorzimmer zurück. Dean befahl seinen Leuten, sich keinesfalls weiter vorzuwagen. Dann ging er zu Gucky und den anderen. Inzwischen waren auch Joak Cascal und Nor’Citel eingetroffen. »Wie konnte das nur passieren?« fragte Cascal bestürzt. »Wir haben Ab-e-Metul tot in seinem Raum gefunden. Wahrscheinlich hat Saron ihn benutzt, um hier hineinzugelangen«, erklärte Jan Scorbit. »Mit Hilfe eines tragbaren Transmitters wurden die Pterus hineingeschmuggelt – aber jetzt kommen sie nicht mehr heraus.« »Was ist mit den Räten?« wollte Cascal wissen. »Saron hat sie und den Generalsekretär gefangengenommen«, berichtete Will Dean. »Sie leben, aber wenn wir nicht innerhalb von zwei Stunden Saron einen Fluchtgleiter mit einer Milliarde Galax übergeben, will er sie töten.« »Saron wird sie so oder so töten«, mutmaßte Tyler. »Das fürchte ich auch. Welch ein Glück, daß Sie nicht da waren, Nor’Citel. Sonst hätte er jetzt alle Räte als Geiseln«, meinte Joak Cascal. »Ja, ein glücklicher Zufall. Wir hatten technische Probleme an Bord meines Schiffes. Ein paar Minuten eher und ich wäre auch in der Gewalt der Terroristen«, log Leticron. Innerlich schäumte der Überschwere. Saron hatte sich ihm in dreister Weise widersetzt und auch noch seinen wichtigen Verbündeten Ab-e-Metul getötet. »Was sollen wir jetzt tun?« fragte Cascal. »Stürmen und die Geiseln heraushauen«, schlug Tyler vor. »Das ist viel zu gefährlich. Saron hat noch dreizehn Leute. Die können wir nicht alle niederkämpfen, ohne das einer von ihnen Gelegenheit hat, die Geiseln zu töten«, gab Jan zu Bedenken. Tyler zuckte mit den Schultern. D O R G O N 166 »Berufsrisiko.« »Blind zu stürmen, halte ich ebenfalls für zu gefährlich«, meinte Cascal. »Ich finde, Mr. Tyler hat recht. Nur ein Sturmangriff kann die Geiseln noch retten«, schlug Leticron vor. Dabei hatte er den Hintergedanken, daß Saron bei der Befreiungsaktion getötet wurde. Saron mußte sterben, denn er wußte von Ab-eMetul, daß Nor’Citel in die Verschwörung gegen den Paxus-Rat verwickelt war. Sollten dabei die Ratsmitglieder umkommen, war ihm das eigentlich ganz recht, denn mit den Stellvertreten würde Leticron leichter fertigwerden. »Es muß doch einen anderen Ausweg geben«, meinte Cascal. Gucky trat mit stolzgeschwellter Brust hervor. »Den gibt es. Nämlich mich, den Superhelden schlechthin. Saron weiß nichts von meiner Anwesenheit hier. Das werde ich nutzen und ihn von hinten angreifen, während ihr frontal angreift.« »Das ist die beste Idee. Ich bin dabei«, meinte Tyler. »Es ist ziemlich gefährlich, Gucky«, überlegte Cascal. »Es könnte immer noch einer der Wachen übrigbleiben der dich erschießt oder die Geiseln.« »Ohne Risiko geht es nun mal nicht. Außerdem läuft uns die Zeit davon«, fand Gucky. »Also gut. Bereitet alles vor«, gab Cascal nach. »Aber keine unnötigen Risiken! Das gilt besonders für dich, Gucky!« »Bin ich schon jemals unnötige Risiken eingegangen?« tat Gucky entrüstet. Bevor Cascal antworten konnte, war Gucky schon verschwunden. * Im Konferenzsaal herrschte gespanntes Schweigen. Der Marquese machte noch einen Versuch, die Angelegenheit diplomatisch zu lösen. Wenn Saron schon keinen logischen Argumenten zugänglich war, dann vielleicht seine Leute. Jens Hirseland »Verehrte Pterus, ich spreche zu euch als Paxus-Rat der Insel und damit im Namen aller Völker. Ich möchte euch bitten, die Waffen ruhen zu lassen und aufzugeben. Es hat schon genug Tote gegeben. Sollen denn eure Familien und euer ganzes Volk unter all dem leiden? Doch noch ist es nicht zu spät. Laßt uns gehen und ich verspreche, daß ich mich dafür einsetzen werde, daß das Volk der Pterus einen Sitz im Parlament erhält und gleichberechtigt in die Familie der Insel-Völker aufgenommen wird. Ebenso werde ich mich dafür einsetzen, daß eure Strafe milde ausfallen wird.« Die fünf Wachen, welche die Geiseln bewachten, wurden hellhörig. »Kannst du das machen, Terraner?« fragte einer. »Gewiß doch. Aber ihr müßt euch schnell entscheiden«, sagte der Marquese. Die Pterus schienen mit sich zu kämpfen. Saron wurde aufmerksam. »Geht auf eure Plätze! Hört nicht auf die Lügen dieser alten Vogelscheuche! Er ist Politiker, die versprechen alles, nur um an der Macht zu bleiben!« rief der Pterus wütend. »Immer noch besser als ein feiger Mörder«, gab der Marquese wütend zurück. Doch er bereute seinen Ausspruch sogleich, denn er hatte den Pterus noch wütender gemacht. »Jetzt reicht es mir. Die zwei Stunden sind ohnehin gleich um. Ich werde dich als ersten töten!« Saronlegte seinen Strahler auf den ängstlichen Spanier an. Der Marquese schloß mit seinem Leben ab. Sollte es nun so enden, nach alldem was er durchgemacht hatte? Das hatte er nicht verdient. »Stirb!« rief Saron. Doch als der Pterus abdrücken wollte, materialisierte eine kleine, pelzige Gestalt im Raum. Kurz darauf wurde Saron der Strahler aus der Hand gerissen. Der Strahler machte sich selbstständig und feuerte auf die völlig verwirrten Pterus. Einer wurde an der Schulter getroffen und ging zu Boden. »Ein Geist!« riefen die anderen ängstlich und wollten hinauslaufen. »Ihr Idioten, das ist ein Teleporter! Tötet Die Stunde des Spaniers D O R G O N ihn!« befahl Saron. Doch da ertönte Kampflärm vom Korridor her. Die Sicherheitskräfte, angeführt von Sam Tyler, griffen an und paralysierten die Pterus. Die vier Pterus stürmten den Angreifern entgegen, doch Sam Tyler tötete die vier mit einer Salve. Tyler hatte als einziger auf Paralysestrahlung verzichtet. Saronbegriff, daß er verloren hatte. Gucky war inzwischen mit dem Marquese und Sam wegteleportiert, kam wieder zurück und wollte sich Aurec und Uwahn holen. »Bring erst Jenmuhs in Sicherheit. Der wiegt das Doppelte. Ich bleibe hier«, rief Aurec, der sich inzwischen Sarons Strahler geholt hatte, Gucky zu. »Ja, nimm mich! Nimm mich!« forderte Jenmuhs. »Was sind denn das für Angebote? Aber bitte, wenn’s sein muß«, sagte der Ilt und nahm den Arkoniden an der Hand. »Ich bin gleich zurück. Dann kommst du dran!« rief Gucky dem Pterus noch zu, bevor er verschwand. Saronöffnete die Tür zum Balkon und rannte hinaus, als Sam Tyler in den Raum stürmte und sofort auf den Pterus schoß, ihn aber verfehlte. »Aus dir mache ich eine Handtasche!« rief Tyler drohend und stürmte auf Saron zu. Dieser hatte jedoch mit dem Angriff gerechnet und fing Tyler mit einem gezielten Tritt ab und entwaffnete ihn. Durch die Anwendung der Upanishad-Techniken war der Pterus dem Terraner überlegen und schwächte ich mit gezielten Schlägen und Tritten immer mehr. Aurec traute sich nicht auf Saron zu schießen, da er fürchtete Sam Tyler zu treffen. Tyler geriet mehr und mehr in die Defensive, wurde schließlich von Saron niedergeschlagen und blieb benommen am Boden liegen. Nun wollte Aurec eingreifen und rannte zum Balkon, doch der Pterus hatte ihn erwartet und stürzte sich mit einem Sprung auf den Saggittonen. Mit zwei gezielten, harten Schlägen hatte er Aurec niedergerungen und ihm den Strahler abgenommen. Mit der Waffe in der Hand ging Saron auf Tyler zu. »Jetzt habe ich dich endlich. Du bist der nächste, der sterben wird. Danach kommen De- 167 an und Scorbit ran. Eigentlich wollte ich dich ja bis zum Schluß aufheben, aber was soll man machen? Es kommt wie es kommt. Siehst du nun endlich, wie überlegen Upanishad-Krieger euch allen sind? Wieviel besser wir kämpfen können? Das mußt du zugeben. Ja, gib es zu! Sage mir, daß ich dir überlegen bin, dann werde ich dich schnell und schmerzlos töten!« Saronstieg auf das breite Geländer des Balkons und richtete die Waffe auf den Terraner. »Also, gibt du es zu?« Tyler richtete sich etwas auf. »Okay, ich geb’s zu. Ich gebe zu, daß du ein verdammtes Arschloch bist.« Saronwar außer sich vor Wut, doch bevor er die Waffe abfeuern konnte, sprang Tyler überraschend auf und versetzte dem Pterus einen harten Schlag. Saron verlor das Gleichgewicht und stürzte in die Tiefe. Zur gleichen Zeit materialisierte Gucky auf dem Balkon neben Aurec, der alles mitangesehen hatte. »Gucky, fang ihn ab! Schnell!« rief der Saggittone. Der Mausbiber reagierte sofort und fing den schreienden Pterus ab, bevor er auf dem Boden aufschlagen konnte. »Bist du sicher, daß ich ihn retten soll, Aurec?« fragte der Ilt. »Selbstverständlich. Die Gerichte sollen über ihn entscheiden«, erwiderte der Saggittone. »Blödsinn! Laß ihn krepieren! Er hat’s verdient!« rief Tyler. Gucky hörte lieber auf Aurec und zog den Pterus telekinetisch empor. Inzwischen waren auch zwei bewaffnete Sicherheitsleute auf den Balkon gekommen, um Saron zu verhaften. Gucky ließ den Terroristen über das Geländer schweben und setzte ihn vorsichtig ab. »Ihr Schwächlinge! Ihr werdet untergehen, wegen eurer schwachen, menschlichen Prinzipien«, höhnte Saron, der sich keineswegs dankbar erwies. In diesem Augenblick entriß Sam Tyler einem der Polizisten seinen Strahler und feuerte ihn voller Inbrunst auf Saron ab, der von den Energiesalven tödlich getroffen wurde. Gucky spürte keine Lebensimpulse in dem Pterus und ließ konsterniert die Leiche fallen. D O R G O N 168 Mit versteinerten Mienen beobachteten Aurec und Gucky das Geschehen. Tyler ließ die Waffe sinken und wurde widerstandslos von den beiden Polizisten überwältigt. »Das war für Chris, du Arschloch!« rief Tyler hinunter zu dem toten Saron. Aurecwandte sich dem Terraner zu. »Bei allem Verständnis für Trauer um Ihren Freund, Tyler, verspreche ich Ihnen, daß Sie sich für diese Tat zu verantworten haben«, sagte der Saggittone kalt. Tyler grinste nur und wurde abgeführt. Inzwischen waren auch Will Dean und Jan Scorbit dazugekommen und meldeten das erfolgreiche Ende der Aktion. »Wir haben von den dreizehn Pterus neun paralysiert und gefangengenommen. Vier wurden allerdings von Tyler erschossen. Er hat, gegen den Befehl gehandelt, nicht den Paralysator zu benutzen«, berichtete Will Dean. »Ich verstehe nicht, daß ein Profi wie er so ausrasten kann«, meinte Jan Scorbit. »Er wird sich dafür zu verantworten haben«, sagte Aurec mit finsterer Miene. »Dir aber haben wir für unsere Befreiung zu danken, und das ohne große Verluste«, wandte er sich Gucky zu. »Tja, was soll nur aus euch werden, wenn ich wieder weg muß. Ohne mich seid ihr doch vollkommen hilflos«, lobte sich Gucky. »Da hast du recht«, lachte Will Dean. »So ganz ohne Verluste ging es leider doch nicht«, schränkte Gucky ein. »Was meinst du?«, fragte Aurec besorgt. »Jenmuhs Hose ist draufgegangen. Die war nämlich voll.« Jetzt mußte auch Aurec lachen. 5. Wiedersehen macht Freude Zwei Tage später wurde Jan Scorbit von seinem Bruder Remus und seiner Schwägerin Uthe zu einer Willkommensfeier eingeladen, an der auch Jonathan Andrews, Matthew Wallace, Aurec, sowie Anica und Jaquine teilnahmen. Die Stimmung war ausgelassen und man feierte das glückliche Ende des Geiseldramas. Jens Hirseland Nachdem die Neue USO sich dem TLD und nach der Aktion auf Paxus auch zwangsläufig dem Terra-Block und Saggittor offenbarte, konnte Jan Scorbit die Masken fallen lassen und seine Familie wiedersehen. Jan wurde sehr herzlich aufgenommen und schloß schnell Freundschaft mit Andrews und Wallace. »Schade, daß ich nicht dabei war. Diesem Saron hätte ich es schon gezeigt«, meinte Jonathan. »Sei froh darüber. Saron war ein äußerst unangenehmer Gegner«, entgegnete Jan. »Das kann ich nur bestätigen«, fand auch Aurec, der sich dabei die noch schmerzenden Rippen hielt. Da läutete es an der Tür. »Nanu? Wer kann das sein? Wir haben doch niemanden mehr eingeladen?« wunderte sich Remus. »Hoffentlich nicht wieder dein gräßlicher Freund Helge von Hahn. Den schmeiße ich sofort wieder raus«, drohte Uthe und ging an die Tür. Als sie öffnete, war sie sehr überrascht. Vor ihr stand – Yasmin Weydner. Neben ihr stand eine junge Frau und hinter dieser – Uthe konnte es kaum fassen – Ottilie und Karl-Adolf Braunhauer in Begleitung einer älteren Frau. »Yasmin, welch eine Überraschung!« Uthewußte nicht recht, ob sie sich freuen oder ärgern sollte. »Ja, ich bin’s wirklich. Darf ich dir meine Freundin Ivon Abrinsky vorstellen?« »Tag«, sagte die blonde, leicht untersetzte junge Frau. »Wir sind heute in New Terrania angekommen. Wir kommen direkt von Old Terra und dachten wir überraschen euch einfach, bevor wir unsere Unterkünfte aufsuchen«, erklärte Yasmin. »Na, die Überraschung ist euch gelungen«, sagte Uthe in Anspielung auf die Braunhauers. »Achja, die Braunhauers kennst du ja bestens. Sie waren mit uns auf demselben Raumschiff und wollten es sich nicht nehmen lassen, euch ebenfalls zu begrüßen.« »Guten Tag, Ulrike«, sagte Frau Braunhauer. Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Uthe, Frau Braunhauer, Uthe!« wurde sie von Uthe korrigiert. »Achso, na ja, was soll’s.« »Können wir nicht endlich mal reingehen?« fragte Karl-Adolf Braunhauer ungehalten. Der Terraner machte ein unglückliches Gesicht und faßte sich an sein Herz. »Natürlich, Vatichen. Vatichen geht es heute wieder sehr schlecht«, erklärte Ottilie. »Eigentlich ging es ihm, während der Reise, jeden Tag schlecht«, seufzte Yasmin. Uthekonnte sich denken, was sie die letzte Zeit durchgemacht hatte. »Nun sei mal nicht so keck! Vatichen war schließlich im Krieg gegen Momo und hat sich da viele Krankheiten geholt. Jetzt muß er dringend auf’s Klo wegen seinem Blasenleiden. Vatichen muß unbedingt seine Windeln wechseln«, verkündete Frau Braunhauer in einer Lautstärke, daß man es durch den ganzen Hausflur hören konnte. Mit hochrotem Kopf betrat Karl-Adolf die Wohnung der Scorbits und begab sich sogleich in das Bad. Uthe blieb nichts anderes übrig als alle hereinzubitten. Die Frau, die mit den Braunhauers gekommen war, musterte Uthe mißtrauisch. »Willst du mich nicht mal vorstellen, Ottilie?« fragte sie unfreundlich. »Achja natürlich. Das hätte ich ja fast vergessen. Das ist Vatichens Cousine Inge Bohmar. Sie ist nicht gesund und darum begleiten wir sie hierher nach, nach... Dings. Inge besitzt eine große Firma, die Vatichen jetzt für sie leitet, weil sie doch krank ist«, erklärte Ottilie Braunhauer umständlich. »Du hast Werner und Bandit vergessen, Ottilie!« protestierte Inge Bohmar energisch und wandte sich dann Uthe zu. »Das ist hier ist mein Mann Werner Bohmar und das ist unser Hund Bandit. Sitz, Bandit, sei ruhig!« Utheregistrierte fassungslos, daß die Frau mit jemandem redete, der gar nicht vorhanden war. Sie sah weder einen Mann noch einen Hund. Dennoch tat die Frau so, als wären diese vorhanden. Uthe fragte gar nicht erst, woran Inge Bohmar litt – sie konnte es sich denken. Als Karl-Adolf seinen Toilettengang beendet hatte, ging Uthe mit den zahlreichen neuen Gä- 169 sten ins Wohnzimmer, wo sie sich den entsetzten Blick von Remus und Jonathan Andrews ausgesetzt sah. »Nein, nicht die schon wieder!« jammerte Remus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Plötzlich fiel Ottilie Braunhauer zu Boden. »Ich bin gestürzt! Ich bin gestürzt!« schrie sie. »Bandit, ich habe dir doch gesagt, du sollst nicht immer allen Leuten vor die Füße laufen!« meckerte Inge Bohmar ihren imaginären Hund an. Ich fürchte, dieser Abend ist gelaufen, dachte Uthe konsterniert. 6. Eine Entscheidung des Gewissens Auch der Marquese verlebte keinen erfreulichen Abend. Am nächsten Morgen stand die Abstimmung über das zukünftige Wirtschaftskonzept der Insel bevor. Von Shorne wußte er, daß dieser auf die Stimmen von Uwahn Jenmuhs und Nor’Citel zählen konnte. Aurec und Sam würden natürlich für ihr Konzept stimmen. Also hing die Entscheidung allein von ihm ab, und beide Seiten rechneten fest mit ihm. Die Taktik des Marquese war klar gewesen, eine bürgernahe, gerechte, soziale Politik hatte er auf seinen Publicity-Veranstaltungen immer wieder versprochen. Doch Shorne hatte ihn in der Hand. Egal, wie er auch stimmte, seine gerade erst begonnene politische Karriere schien schon wieder beendet zu sein. Don Philippe saß gedankenverloren in seinem antiken Sessel vor einem altmodischen Kamin und suchte nach einem Ausweg, doch er fand keinen. Nach einer unruhigen Nacht begab sich der Marquese zusammen mit Diabolo zum Regierungsgebäude. Durch das Geiseldrama hatte Don Philippe zwei Tage Zeit gewonnen, doch nun schlug die Stunde der Wahrheit. »Ach, Diabolo, was soll ich nur tun?« fragte er seinen Berater ohne wirklich einen Ausweg 170 D O R G O N zu erwarten. »Das kann ich Ihnen sagen. Stimmen Sie für Sam, so wie Sie es ihm versprochen haben«, riet ihm der Posbi. »Dann bin ich erledigt. Shorne wird meine Mitwisserschaft an der Brand-Affäre schonungslos aufdecken.« »Abwarten, Marquese. Das ist auch für ihn riskant. Vertrauen Sie mir. Ich weiß, was richtig für Sie ist«, sagte Diabolo geheimnisvoll. »Na gut, dann will ich eben untergehen, wie es sich für einen spanischen Edelmann geziemt«, gab der Marquese nach. »Sehr gut. Ich habe noch etwas zu erledigen. Aber keine Sorge, ich werde im rechten Moment wieder da sein.« Diaboloverabschiedete sich und ging mit unbekanntem Ziel davon. Don Philippe begab sich in den Konferenzsaal, in dem sich schon Sam, Aurec, Jenmuhs und Nor’Citel versammelt hatten. Als der Spanier Platz genommen hatte, erhob sich Sam. »Verehrte Mitglieder des Paxus-Rates, ich begrüße Sie zu unserer ersten Sitzung und hoffe auf gute Zusammenarbeit«, erklärte der Generalsekretär des Paxus-Rates. »Unsere erste Entscheidung gilt der Ausrichtung der Wirtschaft innerhalb der Insel. Wie Sie wissen, stehen zwei verschiedene Modelle zur Disposition. Zum einen ein Konzept, das von mir und Aurec entwickelt wurde, zum anderen das Modell, welches von dem Industriemagnaten Michael Shorne entwickelt wurde. Ich habe Mr. Shorne hierher gebeten, damit er vor der Abstimmung noch einmal zu Ihnen sprechen kann.« »Sehr schön«, freute sich Uwahn Jenmuhs. Für ihn war der Fall klar. Shorne hatte ihm große finanzielle Entschädigungen versprochen, wenn er für ihn stimmte, außerdem hielt er den Plan des Somer und des Saggittonen für zu verweichlicht. Kurz darauf trat Michael Shorne ein. Der Marquese musterte den Industriellen mit Unbehagen. »Sehr geehrte Ratsmitglieder. Ich will nicht viele Worte machen. Sie alle haben das von mir und anderen führenden Unternehmern ausgearbeitete Wirtschafts- und Finanzkonzept erhalten und studieren können. Ich halte die Zustim- Jens Hirseland mung zu diesem Konzept für unumgänglich. Wenn die Insel wettbewerbsfähig mit anderen Galaxien sein will, sie sogar übertreffen will, müssen alle Anstrengungen auf das Wachstum gelegt werden. Dazu müssen eben von allen Bürgern Opfer gebracht werden. Wer sich nicht anpassen kann, muß die Insel eben wieder verlassen. Nur mit einem radikalen Wirtschaftskurs können wir der Insel Wohlstand und damit Frieden bringen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.« Shornewar sichtlich gut gelaunt. Er war sich seiner Sache vollkommen sicher. Der Marquese kämpfte mit sich. Sollte er nicht doch lieber Shorne nachgeben? Er hätte es sich dann zwar mit Sam und Aurec verscherzt, dafür hatte er jedoch die mächtige Wirtschaftslobby auf seiner Seite. Don Philippe wurde aus seinen Überlegungen gerissen, als sich Sam wieder erhob. »Vielen Dank, Mr. Shorne. Leider kann ich Ihren Standpunkt nicht teilen. Nicht alle Kulturen huldigen der Marktwirtschaft mit solchem Enthusiasmus wie manche Terraner. Ich halte das saggittonische Konzept für ein Konzept, aus dem geistige Reife und nicht nackte Habgier spricht. Wenn wir ein System einführen, in dem es Sieger und Besiegte gibt, werden wir nie zu einem friedlichen Miteinander finden und DORGONs Aufgabe erfüllen können. Und um die Erfüllung dieser Aufgabe, die uns gestellt wurde, geht es. Darum sind wir hier und nicht um eine zweifelhafte Wettbewerbsfähigkeit rein materieller Natur zu erreichen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, verehrte Ratsmitglieder. Kommen wir nun zur Abstimmung. Mr. Shorne, nehmen Sie solange draußen Platz. Ich lasse Sie rufen, wenn das Ergebnis der Abstimmung bekannt gegeben wird.« Shorneverließ den Konferenzraum und der Rat begann mit der Abstimmung. »Ich stimme für den saggittonischen Plan«, begann Sam. »Ich ebenso«, sagte Aurec. »Wie überraschend!« höhnte Jenmuhs. »Ich aber nicht. Ich stimme für Shorne.« »Und Sie, Nor’Citel?« fragte der Generalsekretär. Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Ich stimme ebenfalls für Shorne«, antwortete Leticron. »Nun kommt es auf Sie an, Marquese.« Don Philippe zögerte. »Marquese, wir benötigen Ihre Stimme«, erinnerte ihn Sam. »Ich ich stimme für den Vorschlag von Sam und Aurec«, brachte der alte Spanier mühsam hervor. Jenmuhswirkte enttäuscht. Nor’Citel blieb regungslos. Sam und Aurec waren zufrieden. »Ich stelle also fest, daß der saggittonische Wirtschaftsplan mit 3:2 Stimmen angenommen wurde«, sagte der Generalsekretär. Kurz darauf wurde Michael Shorne herbeigerufen. Mit ihm betrat auch Diabolo den Konferenzraum. Don Philippe saß wie ein Häufchen Elend auf seinem Stuhl. Jeden Moment erwarte er das Ende seiner politischen Laufbahn. »Mr. Shorne, ich muß Ihnen mitteilen, daß Ihr Plan mit 3:2 Stimmen abgelehnt wurde. Der saggittonische Wirtschaftsplan wird auf der Insel eingeführt«, teilte Sam dem Wirtschaftsmagnaten mit. Shornereagierte wütend. »Seid ihr wahnsinnig? Das ist der Untergang der Insel!« Shornes Blick traf den Marquese. »Sie haben gegen mich gestimmt, Sie Dummkopf! Das werden Sie bereuen! Ich werde sie fertigmachen!« »Mit solchen Drohungen sollten Sie lieber vorsichtig sein, Mr. Shorne«, sagte Diabolo. »Sie schrecken vor nichts zurück, um ihre Machtpläne zu verwirklichen. Sie wollten den Marquese erpressen, damit er für Ihren Plan stimmt. Aber der Marquese hat Courage bewiesen, denn im Gegensatz zu Ihnen liegt ihm das Wohl des Volkes am Herzen.« »Das ist wahr! Shorne hat versucht mich zu erpressen und mich bedroht«, warf Don Philippe ein. »Das ist ja lächerlich«, wehrte sich Shorne. »Sie haben Solder Brand Drogen untergeschoben, um ihn auszuschalten.« »Damit wollten Sie den Marquese erpressen, weil Sie dachten, er würde einen Skandal vermeiden wollen«, sagte Diabolo. »In Wirklichkeit waren Sie derjenige, der Brand ruiniert hat. Und das kann ich beweisen. Sie haben es nämlich selbst zugegeben!« 171 Der Posbi holte einen Datenträger hervor und steckte ihn in ein Abspielgerät. Ein Bild von Shorne erschien. Es war aus dem Gespräch, das Shorne vor einigen Tagen mit Don Philippe geführt hatte. »Ich kann sie genauso ausschalten wie diesen dämlichen Brand, wenn Sie nicht tun was ich will«, hörte man Michael Shorne sagen. »Das ist nur die Spitze des Eisberges«, erklärte Diabolo. »Michael Shorne ist durch und durch korrupt und würde alles tun, um an die Macht zu gelangen. Ich habe auch diverse Aussagen ehemaliger Mitarbeiter gesammelt, die belegen, wie gefährlich Mr. Shorne ist.« »Das ist alles gelogen! Ihr werdet das alle noch bereuen!« rief Shorne. »Seien Sie lieber still, Shorne. Ich bin empört über Ihr Verhalten. Hier liegt offensichtlich ein Erpressungsversuch gegen einen Paxus-Rat vor. Das genügt, um eine Untersuchung gegen Sie einzuleiten«, sagte Sam. Da öffnete sich die Tür und zwei Männer, die sich als Polizeibeamte auswiesen, traten ein. Der Marquese erstarre. Es waren die Officers McSweet und Rannigan, die für Shorne arbeiteten. Dieser lächelte triumphierend, doch das Lachen verging ihm, als McSweet zu sprechen begann. »Meine Herren, entschuldigen Sie bitte unser Eindringen, aber es liegt ein Haftbefehl gegen Michael Shorne vor. Bei einer Hausdurchsuchung hat man belastendes Material sichergestellt. Mr. Shorne wird beschuldigt, mit Drogen zu handeln.« »Das ist ja wohl ein Witz!« schrie Shorne. Allerdings konnte er nichts gegen die beiden vorbringen, ohne sich selbst zu belasten. »Es ist genug, Shorne. Wesen wie Sie machen mich krank. Officers, tun Sie Ihre Pflicht.« Unter den erstaunten Blicken des Marquese wurde Michael Shorne verhaftet und abgeführt. Voller Haß sah er den Marquese an. »Wir sprechen uns noch«, drohte er, bevor er den Raum verließ. »Ein gräßlicher Mensch«, sagte Don Philippe. »Ich bin froh, daß er Sie nicht erpressen konnte. Das zeugt von einem starken Charakter, Marquese«, lobte Sam. D O R G O N 172 Don Philippe lächelte geschmeichelt. Sam ahnte ja nicht, wie kurz der Marquese davor stand, für Shornes Plan zu stimmen. »Eine alte Tugend meiner Familie. Ich wollte nichts publik werden lassen, um zu vermeiden, daß der Rat in einen Skandal hineingezogen wird«, log der Spanier. Nun ergriff Nor’Citel das Wort. »Unter diesen Umständen beantrage ich eine neue Abstimmung, da ich keinesfalls für den Plan dieses Verbrechers stimmen möchte.« »Sind alle damit einverstanden?« fragte Sam. Bis auf Uwahn Jenmuhs waren alle einverstanden. »Der Antrag wurde mit 4:1 Stimmen angenommen. Wir stimmen also noch mal ab«, stellte der Generalsekretär fest. Die neue Abstimmung endete mit 4:1 Stimmen für den saggittonischen Wirtschaftsplan. Nur Uwahn Jenmuhs hielt trotzig an seiner Meinung fest. Damit waren die Weichen für die Zukunft gestellt. * Wütend reiste Leticron wieder nach Paricza in seine Burg zurück. Durch die Dummheit seiner sogenannten Verbündeten war er keinen Schritt weitergekommen. Saron hatte durch seine Eigenmächtigkeit seinen Plan zunichte gemacht, an Popularität und Einfluß zu gewinnen. Statt dessen waren nun Aurec und der Marquese angesehener denn je. Außerdem hatte er durch den Tod Ab-e-Metuls die Hauris als Verbündete vorerst verloren, denn er wußte nicht wer Metuls Nachfolger werden würde und wie dieser zu Nor’Citel stehen würde. Der Anführer der Pariczaner wurde von seinem Adjutanten Poleycra empfangen. »Hatten Sie Erfolg, Corun?« fragte er. »Nein, Shornes Plan ist gescheitert, weil dieser geldgeile Idiot über seine eigenen Intrigen gestolpert ist. Ab-e-Metul wiederum wurde das Opfer seiner Dummheit und Saron das Opfer seiner Eitelkeit. Mit solch wertvollen Verbündeten werden wir es weit bringen, Poleycra!« meinte Nor’Citel voller Sarkasmus. »Aber wir haben noch die Dscherro und die Jens Hirseland Pelewon, Corun.« »Die Dscherro? Das sind wilde Tiere, nichts weiter. Die sind nur für einfachste Aufgaben zu gebrauchen. Auf die Pelewon setzte ich hingegen große Hoffnung. Ich muß versuchen mit diesem elenden Fettsack Uwahn Jenmuhs ein Bündnis abzuschließen. Doch das wird nicht einfach sein, denn er ist genauso dumm und arrogant wie er fett ist.« »Wenn es einem gelingt, dann Ihnen, Corun«, glaubte Poleycra voller Zuversicht. »Zunächst muß ich versuchen mich beliebt zu machen, denn solange man mir im Rat mißtraut, komme ich nicht weiter. Ich werde mir einen guten Plan überlegen.« Leticronwar guten Mutes, daß sich die Lage doch noch entscheidend zu seinen Gunsten verändern würde. * Don Phillipe und Diabolo waren ebenfalls wieder nach Hause zurückgekehrt. Gutgelaunt standen sie auf dem Balkon von Don Philippes prachtvoller Villa. »Ich muß schon sagen, Diabolo, du bist noch ausgekochter als ich gedacht habe. Du hast also mein Gespräch mit Shorne aufgezeichnet?« fragte er seinen Berater. »Wie Sie sehen, war es angebracht. Dank Shornes unvorsichtiger Bemerkung war es ein leichtes, ihn bloßzustellen.« »Aber wie hast du das mit den beiden Polizisten gedreht? McSweet und Rannigan standen doch auf Shornes Gehaltsliste.« »Richtig, sie standen. Jetzt stehen sie auf Ihrer. Sie haben sich Shornes Methoden bedient, um ihn auszuschalten. Das wird Sie allerdings ein ordentliches Sümmchen kosten, Marquese. McSweet wünscht sich eine eigene Villa und Rannigan ein eigenes Raumschiff«, erklärte Diabolo dem verdutzten Marquese. »Das wird mich ein Vermögen kosten!« jammerte dieser. »Sie können ja ablehnen, dann wird Shorne Ihnen bald wieder zusetzen.« Don Philippe schüttelte den Kopf. Er wußte, daß Diabolo ihm die Haut gerettet hatte. Er konnte zufrieden sein. Die Stunde des Spaniers D O R G O N »Immerhin haben wir Shorne mit seinen eigenen Waffen geschlagen. Es wird ihm schwerfallen, sich da wieder hinauszuwinden. Außerdem kann man korrupte Polizisten gut gebrauchen...« »Wir dürften jetzt Ruhe vor ihm haben. Eigentlich sind wir doch ein gutes Team, finden Sie nicht?« meinte der Posbi. »Ich habe schon 173 einiges an Verschlagenheit gelernt. Die Terraner sind darin wahre Meister.« Don Philippe hob den rechten Arm und zeigte auf den Sternenhimmel. »Da hast du recht, mein Freund. Und das ist erst der Anfang. Eines Tages wird all dies da draußen mir gehören.« 174 D O R G O N Jens Hirseland Heft 47 Die Ruhe vor dem Sturm Leticron plant Aurecs Tod - und die BAMBUS wird zur Attraktion von Nils Hirseland Titelbild von Stefan Lechner Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Prolog. Cartwheel im November 1296 NGZ Die blaue Galaxis Cartwheel war seit wenigen Monaten die Heimat von Milliarden Vertretern aus fünfzig verschiedenen Völkern geworden. Sie alle folgten dem Ruf der Entität DORGON, die bei all den auserwählten Völkern für das kosmische Projekt »Die Insel« warb. Ihre Motive waren nicht immer identisch und auch nicht immer edel gewesen. Viele Völker glaubten an die warnenden Worte DORGONs und zeigten großes Verantwortungsbewußtsein, doch andere sahen nur ihren eigenen Vorteil und verbanden mit einer neuen Galaxis die Möglichkeit der Unabhängigkeit oder Vergrößerung ihres Territoriums. Hinter diesem Projekt verbarg sich die Besiedlung der Galaxis Cartwheel, 500 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernt und mit einem Durchmesser von 120.000 Lichtjahren in den äußeren Ringen. Ziel dieser Besiedlung war es, eine kampfkräftige Bastion zu schaffen, die sich gegen die Armeen des MODROR erwehren sollten. Warum nun ausgerechnet die Galaxis Cartwheel dafür ausgesucht wurde, wußte niemand außer DORGON selbst. Auf jeden Fall hatte die Entität zu verstehen gegeben, dass das Leben aller Existenzen in diesem Universum vom Erfolg dieser Mission abhängig war. Gerade diese Warnung schien die sehr unterschiedlichen und oft verfeindeten Völker den Anlaß zu geben, sich mit den anderen Völkern der Insel zu arrangieren. In den ersten Monaten gab es nur wenige unangenehme Zwischenfälle. Abgesehen von den politischen Streitereien, die überall alltäglich waren, gab es außer den Attacken einiger Pterus unter dem wahnsinnigen Saron keine gewalttätigen Zwischenfälle in Cartwheel. Die Völker hatten sich eingelebt und schienen auch den Ernst der Lage zu begreifen. Natürlich spielten die Terraner wieder eine vorrangige Rolle. Unter der Führung des alten Spaniers Don Philippe Jaime de la Siniestro hatte sich der Terra-Block gebildet. Sitz dieses Bun- 177 des bestehend aus Terranern, Ertrusern, Oxtornern, Olympern, Epsalern, Ferronen, Halutern und Plophosern war die erdähnliche Welt Mankind. Der Marquese von Siniestro, wie Don Philippe von allen genannt werden wollte, war ein fähiger Politiker, der ein hohes Ansehen bei der Bevölkerung genoß. Don Philippe war zu einem richtigen Helden aufgestiegen. Der Spanier aus dem 18. Jahrhundert und somit ältester Terraner genoß die Bewunderung der Bürger, da er sich problemlos in die neue Zeit eingelebt hatte und zudem noch Heldentaten bei den Abenteuern in Zerachon vollbracht hatte. Zuerst sollte der Marquese nur als Stellvertreter für Julian Tifflor agieren. Doch der Innenminister der Liga Freier Terraner hatte großes Vertrauen in den Don und ihn deshalb zum Terra-Administrator in Cartwheel ernannt. Tifflor selbst hatte in der Milchstraße alle Hände voll zu tun. Deshalb kam ihm diese Entlastung sehr gelegen. Der zweite Mann im Terra-Block war unumstritten Joak Cascal. Er war für die militärischen Belange zuständig und hatte sich mit Henry »Flakk« Portland und anderer namhafter Offiziere einen fähigen Stab aufgebaut, der sich mit der Aufrüstung des Terra-Blocks beschäftigte. Das hatte jedoch auch seine Nachteile, denn auch die Arkoniden, Dorgonen, Saggittonen, Akonen und Blues wollten mit den Terranern mithalten. Ein internes Wettrüsten bahnte sich an, welches jedoch nicht zum Ziel hatte, sich gegenseitig zu bekriegen, sondern um gut gewappnet gegen die Armeen MODRORs anzutreten. Die anderen Völker in Cartwheel verhielten sich ebenfalls sehr ruhig. Die Arkoniden besannen sich auf politische Diskussionen und protzten nicht mit ihrem gewaltigen militärischen Aufgebot. Nor’Citel, dessen wahrer Name Leticron war, hielt sich sehr zurück und wirkte fast freundlich auf die Abgesandten. Die Saggittonen und anderen Völker aus M 64 lebten sich sehr gut ein und wurden von ihren Nachbarn mittlerweile auch akzeptiert. 178 D O R G O N Es bildeten sich auch allmählich Allianzen. Der Terra-Block arbeitete eng mit den Saggittonen, Thoregonvölkern und estartischen Völkern zusammen. Auch die Dorgonen unter dem großen Uleman-Anhänger Titus Jusilus waren dem Terra-Block sehr freundlich gesonnen. Die Arkoniden hingegen scharrten die ihnen assoziierten Völker, zu denen die Springer, Zaliter, Topsider und Naats gehörten, um sich und bildeten die zweitgrößte Fraktion in Cartwheel, der sogenannten Insel. Der wichtigste Mann in Cartwheel war unumstritten der weise Somer Sruel Allok Mok, den jeder Sam nannte. Er war der ruhige Pol im Paxus-Rat und zugleich auch Anführer des fünfköpfigen Gremiums. Sam wurde von vielen Politikern und Bürgern respektiert und anerkannt. Der Somer war genau der Richtige für diesen Posten. Natürlich durfte man Aurec nicht vergessen. Der tatkräftige Saggittone war insgeheim der stärkste Mann in der Galaxis. Man achtete sein Wort und sein Ruf eilte ihm voraus. Aurec, der Prinz Saggittors, wie ihn viele nannten, genoß das vollste Vertrauen seines ganzen Volkes, aber auch Perry Rhodans, DORGONs und der Bürger des Terra-Blocks. Jedes Intelligenzwesen besaß die Hoffnung, daß es niemals zu einem Streit zwischen Arkon und dem Terra-Block kommen würde, denn dann bestand die Möglichkeit eines Krieges in Cartwheel. Jedoch gab es im Moment keinerlei solcher Tendenzen. Es blieb die Frage, wann die Völker zum ersten Mal geprüft wurden. DORGON hatte kein Datum des ersten Angriffes der Mächte des Chaos genannt. Es konnte sich um Tage, Monate, Jahre oder Jahrhunderte handeln, bis MODRORs Armeen zuschlugen. Für diese Entitäten waren tausend Jahre ein Wimpernschlag. Doch je länger die Völker in Cartwheel tatenlos herumsaßen, desto öfter würden sie nach dem Sinn ihres Aufenthalts fragen. Die wichtigste Frage jedoch war, ob sich all diese Völker auch wirklich konfliktlos miteinander verstehen konnten. War die Vernunft, auf die DORGON setzte, wirklich in jedem Wesen stark genug? Nils Hirseland Die Zukunft würde es klären... Aus »Die Reise eines Linguiden« von Jaaron Jargon, 05. November 1296 NGZ 1. Paricza’s Castle Der düstere und karge Raum erinnerte den Terraner an das Mittelalter auf der Erde. Eine dunkle Epoche der Menschheit, voll von Grausamkeiten im Namen Gottes und vielen Kriegen. In der Tat war der große Thronsaal Leticrons dem Terranischen Mittelalter nachempfunden. Eine Zeit, die den Überschweren faszinierte. Vor allem die Ritterturniere hatten sein Interesse geweckt. Einst, als er auf der Stahlfestung Titan herrschte, ließ er Gladiatorenkämpfe abhalten und der Sohn des Chaos hatte die Absicht, diese Turniere wieder zu seiner Zerstreuung einzuführen. Ein untersetzter Terraner lief langsam durch den mit Fackeln erhellten Raum. Links und rechts hingen Wandteppiche, deren Muster wohl aus Paricza stammen mußten. Seine Schritte hallten durch den ganzen Saal. Einige Meter vor dem pompösen Thron blieb er stehen und verneigte sich. »Edler Nor’Citel!« begann er, nichtsahnend, daß Leticron vor ihm saß. »Auf Euren Befehl hin haben wir mit dem Bau einer Fabrik begonnen, deren Aufgabe es ist, Klone herzustellen. Die dafür erforderlichen Genmaterialien erhalte ich von Ihnen. Mein Preis liegt hoch, doch ich denke, daß ein Staatsoberhaupt es sich leisten kann.« Der Terraner lachte hüstelnd. Er war Mitte sechzig und hatte eine Halbglatze. Sein Name war Tukk Forster, ein Wissenschaftler mit dem Spezialgebiet Gentechnik. Für Leticron war er ein Niemand! Nur ein Mittel zum Zweck, das es zu beseitigen galt, war die Produktion erst einmal abgeschlossen. Forster gehörte zu den korrupten Wissenschaftlern, die nicht im Interesse aller Intelligenzwesen arbeiteten, sondern nur zu ihrem eigenen Vorteil. Für Geld würde Tukk Forster al- Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N les tun, sogar einen Krieg in Cartwheel anzetteln. Doch darüber machte sich der dicke Terraner überhaupt keine Gedanken. Er hatte bloß seine Traumvilla, Nobelgleiter und bezahlte Frauen vor sich. Ein Traum den er sich nach diesem Auftrag ermöglichen konnte. Leticron hatte andere Pläne mit ihm, doch davon wußte Forster natürlich nichts und würde es auch erst erfahren, wenn es für ihn zu spät war. Leticron war die Idee gekommen, eine gigantische Armee aus pariczanischen Klonen aufzubauen, um damit zu einer starken Macht in Cartwheel heranzuwachsen. Das war das vordringlichste Ziel für den Zellaktivatorträger gewesen! Seine Aufgabe bestand darin, DORGONs Projekt zu sabotieren und zum scheitern zu verurteilen. Leticron gab sich, wie immer, sehr selbstsicher. Er zweifelte nicht an den Erfolg seiner Mission. Ruhig und entspannt lehnte er sich in seinen Thron, dessen Lehnen mit goldenen Mustern verziert war und über dessen rotes Polster weiche Felle hingen. Diese Felle stammten von Tieren, die Leticron während einer Jagd erlegt hatte. »Nun gut. Solltest du deine Arbeit anstandslos verrichten, so verspreche ich dir eine fürstliche Belohnung«, sagte der Sohn des Chaos. Forster verneigte sich. »Wann kann ich mit den ersten Erfolgen rechnen?« wollte der ehemalige Erste Hetran der Milchstraße wissen. »In bereits sechs Monaten werden wir den ersten Prototypen fertiggestellt haben«, erklärte der terranische Wissenschaftler. »Sollte er allen Anforderungen entsprechen, können wir ihn in Serie geben. Die Produktionsstätte hat eine Kapazität von 10.000 Klonen pro Tag, das wären in der Woche 70.000 Klone, im Monat 2.100.000 Klone und im Jahr 25.200.000 Klone, die für Euch kämpfen können!« Leticron lächelte überlegen. 25 Millionen neue Soldaten in jedem Jahr waren eine beträchtliche Summe. Die genetisch konditionierten Wesen sollten nach ihrer Herstellung ein einjähriges Training bekommen, in denen Geist 179 und Körper nur für die Aufgabe des Kampfes konditioniert wurden. Zu mehr sollten sie nicht dienen. Der Genetiker veränderte den DNA-Kode so, daß ihnen kreative Eigenschaften von Geburt an fehlen würden. Sie sollten nur Kreativität im Kampf zeigen. Weitere von Leticron erwünschte Eigenschaften sollten Loyalität gegenüber Paricza, Haß gegenüber allen Feinden, kein Mitleid und blinder Gehorsam sein. So stellte sich der Zellaktivatorträger seine perfekten Kampfmaschinen vor. Mit solch einer großen und konditionierten Armee würde er Cartwheel in Atem halten. »Du kannst dich entfernen!« befahl er nun dem terranischen Wissenschaftler, der sich abermals verneigte und mit hallenden Schritten die gewaltige Halle verließ. Leticron lachte laut. Er fühlte sich mächtig und unbesiegbar! 2. Planungen Die Saggittonen hatten insgesamt 12 Systeme besiedelt. Ihre Hauptwelt nannte sie nach ihrer alten Heimatgalaxis Saggittor. Sie war Sitz aller Völker. Zudem gab es noch in den anderen Systemen Welten die für die einzelnen Völker angepaßt waren. Auch dort hatte DORGON eine komplette Infrastruktur geschaffen. Es überraschte viele Wesen, da sie nichts von diesen Planeten mitbekommen hatten. Der Paxus-Rat hielt eine Debatte über die Anschaffung einer Explorerflotte, um die gesamte Galaxis untersuchen zu können. Zu diesem Treffen waren neben dem fünfköpfigen Rat noch Joak Cascal als Terramarschall, Xavier Jeamour als Flottenadmiral sowie der arkonidische Militär Terz von Eskor eingeladen. Sie berieten über das Vorgehen einer Erkundung der Galaxis und über eine sinnvolle Aufteilung der entdeckten Welten zum Wohle aller Beteiligten. »Ich bin für einen fairen Wettbewerb«, erklärte Jenmuhs überzeugt. »Wer zuerst einen entdeckten Planeten erforscht, nimmt ihn in Besitz. Eine ganz normale Kolonisierung wie vor 180 D O R G O N vielen Tausend Jahren in der Milchstraße.« Sam dachte eine Weile über diesen Vorschlag nach. Sicherlich war er auf eine Weise gerecht, doch auf den zweiten Blick würde es das Mächteverhältnis deutlich verändern. Wer wußte den schon, wie viele Kolonien Arkon auf diese Art errichten würde? Schnell könnte so eine Macht heranwachsen. Auf der anderen Seite konnten sie sich auch übernehmen und auf eine Krise zusteuern. »Die Vorgehensweise muß wohl überlegt sein, meine Herren«, sprach der Somer. Cascal stimmte dem zu. »Wir müssen wissen, was uns dort erwartet. Ich schlage vor, daß wir eine gemeinsame Explorerflotte aufbauen.« »Ach ja?« rief Jenmuhs grimmig. »Unter wessen Führung? Ihrer, Cascal?« Cascal machte einen ratlosen Eindruck, dann nickte er und sagte: »Ja, zum Beispiel.« Jenmuhs gestikulierte wild. Terz von Eskor versuchte das Staatsoberhaupt der Arkoniden vergeblich zu beruhigen. »Arkonidische Soldaten werden nicht unter Terranern dienen! Auf keinen Fall!« brüllte der fettwanstige Aristokrat. »Die Arkoniden sollen auch keine Soldaten schicken, sondern Forscher«, wandte Xavier Jeamour ein. Eine Weile herrschte Stille. Dann schlug Sam vor: »Ich denke, wir sollten dieses Thema mit den anderen Regenten besprechen und für nächste Woche eine Debatte zu dem Thema Explorerflotte einberufen.« Die anderen waren damit einverstanden. Cascal und Jeamour warfen sich einen vielsagenden Blick zu. Die beiden terranischen Offiziere wußten genau, daß die Arkoniden ihnen noch Kopfzerbrechen bereiten würden. Sie würden versuchen, so viele Kolonien wie möglich in ihren Besitz zu bringen, um an Macht zu gewinnen. »Kommen wir zum nächsten Thema«, meinte der Somer und Generalsekretär. »Die Pterus stellen nach dem Tod von Saron einen Eintrag auf Rehabilitierung und Einzug in das Paxus-Parlament.« Jenmuhs machte eine abfällige Geste. »Ich schlage vor, wir besetzen den Planeten Upanishad und zeigen diesen Eierlegern wo es Nils Hirseland langgeht!« Aurec war von dieser Aussage angewidert. Jenmuhs hatte während seiner Mitgliedszeit beim Paxus-Rat keinen einzigen konstruktiven Vorschlag gebracht. »Ich denke, wir sollten den Pterus eine Bewährungsfrist von 6 Monaten auferlegen. Wenn sie sich in dieser Zeit friedlich benehmen, steht nichts im Wege, sie als vollwertige Mitglieder anzusehen«, sprach der Saggittone. Bis auf den Arkoniden Jenmuhs waren alle mit seinem Vorschlag einverstanden. Selbst Nor’Citel hatte nichts dagegen. Der Corun von Paricza arbeitete an seinen eigenen Plänen. * Während die Sitzung der Ratsmitglieder weiterging, verließen Joak Cascal, Xavier Jeamour und Terz von Eskor den Sitzungssaal. Die drei Soldaten schwiegen. Erst Jeamour brach das Schweigen. »Bedauerlich, daß wir so viele Differenzen haben.« Terz von Eskor fühlte sich angesprochen. Der hochgewachsene Mascant blickte Cascal und Jeamour an. »Das läßt sich nicht ändern. Wir sind dazu da, um mögliche Konflikte zu verhindern, oder, wenn sie denn eskalieren, schnell eine Entscheidung herbeizuführen. Ich persönlich wäre ganz froh, wenn wir einem Wettstreit im Kolonisieren organisieren würden. Es würde zeigen, wer der bessere ist.« Cascal konnte nicht verstehen, warum die Arkoniden so desinteressiert an einer friedlichen Koexistenz waren. Warum waren sie nach Cartwheel gekommen? Nur um das große Kristallimperium weiter auszudehnen? Hatten sie denn wirklich kein Interesse, am Projekt von DORGON mitzuwirken, welches letztendlich auch zu ihrem Schutz war? Cascal ließ die Aussage von Eskor unkommentiert und verabschiedete sich höflich von dem obersten arkonidischen Militär auf der Insel. Jeamour und er liefen in die Sektion des Terra-Blocks. Das gesamte Regierungsgebäude war in 50 verschiedene Sektionen untergeteilt. Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Für jedes Volk eine einzelne Sektion. Natürlich lagen die Bereiche für alle Terra-Block-Völker zusammen. Dort arbeiteten etliche Beamte, die zur Betreuung der Delegierten notwendig waren. Joak Cascal begegnete Henry Portland, der einige Unterlagen in der Armbeuge trug. »Ah, Flakk. Gut, daß ich Sie treffe. Haben Sie kurz Zeit?« wollte Cascal wissen. »Natürlich, Sir!« Die beiden setzten sich in einen Besprechungsraum. Auch Jeamour setzte sich hinzu. Es ging um die Aufrüstung der Flotte des TerraBlocks. Joak Cascal wollte die Ultraschlachtschiffe wieder einführen. Er hatte vorgesehen eine neue schlagkräftige Raumflotte von mindestens fünftausend 1000 Meter Kugelraumer und fünfzig 2500 Meter Raumschiffen in Dienst zu stellen, die die herkömmlichen 500 und 800 Meter Raumschiff unterstützen sollten. »Der Marquese will uns einen großen Etat dafür geben. Jetzt müssen wir aber geeignete Raumwerften finden und Personal für die Schlachtschiffe«, erklärte Joak Cascal. Portland sah ihn fragend an. Cascal mußte schmunzeln. Dieser Portland war ein überkorrekter aber sehr fähiger Offizier. »Ich möchte, daß Sie den Auftrag übernehmen. Unter Ihrer Anleitung sollen 1500 Ultraschlachtschiffe gebaut werden.« Portland stieß einen Pfiff aus. »Das ist ein großer Auftrag und eine ebenso große Ehre. Ich nehme den Auftrag gerne an, Sir!« Cascal hatte nichts anderes erwartet. Doch er hatte noch mehr Vorschläge. Der Marquese und er waren zu dem Ergebnis gekommen, fünf Raumschiffe herzustellen, deren Größe und Kampfkapazität einmalig in Cartwheel sein sollte. Damit wollten sie Jenmuhs einen Hinweis geben und gewappnet für einen Konflikt mit MODRORs Armeen sein. »Es gibt noch ein anderes Projekt. Kennen Sie OLD MAN?« fragte Cascal. Portland nickte. »Natürlich, Sir. So etwas bekommt man schon in den ersten Wochen auf der Militärakademie mit. OLD MAN wurde von den Besatzungsleuten der DINO III gebaut. Diese gigan- 181 tische Station sollte Perry Rhodan im Kampf gegen die Meister der Insel helfen. Jedoch kam es zu spät und wurde sogar anfänglich von den Zweitkonditionierten gegen die Terraner genutzt. OLD MAN wurde im legendären Kampf gegen die Zweitkonditionierten vernichtet.« »Ganz genau. Wir wollen jetzt fünf Raumschiffkolosse der OLD MAN-Klasse herstellen«, erklärte der Terramarschall. »Sie sollen als gigantische Raumschiffträger fungieren und für Raumjäger und Raumschiffe alle Möglichkeiten einer Reparaturwerft bieten. Dabei sollen diese Schiffe aber auch über ein großes Offensiv- und Defensivpotential verfügen.« Portland war erstaunt. Nun meldete sich Xavier Jeamour zu Wort: »Sie wissen, das dies eine schwer zu bewerkstellende Aufgabe ist. Wir haben bei weitem noch nicht genügend Raumschiffwerften und Fabriken. Es dürfte eine Zeit dauern, bis wir das alles gefertigt bekommen. Allein die Kosten...« »...spielen keine Rolle!« fiel Cascal ungehalten ins Wort. Jeamour nickte schweigend. »Es geht hier nicht um Geld oder sonst etwas«, fuhr Cascal fort. »Wir brauchen etwas, womit wir es wirklich gegen MODROR aufnehmen können. Deshalb müssen wir klotzen und nicht kleckern. Ich würde am liebsten noch eine BASIS und SOL zur Verfügung haben oder mindestens zwanzigtausend SAGRITONRaumschiffe produzieren. Je mehr desto besser!« »Sie vergessen etwas, Cascal«, wandte Jeamour erneut ein. »Die anderen Völker könnten das als Bedrohung auffassen. Besonders die Arkoniden würden ein Wettrüsten eingehen, was leicht eskalieren könnte.« »Dieses Risiko müssen wir eingehen«, sagte Cascal knapp. Er gab Henry Portland letzte Instruktionen, dann verabschiedete er sich. Jeamour war etwas ungehalten, daß Joak Cascal nicht auf seine Worte gehört hatte, doch er mußte wohl damit leben. Sicherlich hatte Cascal auf seine Weise recht, aber Jeamour wußte nicht, welche Gefahr realer war – MODROR oder die Arkoniden. D O R G O N 182 3. Streben nach der Macht Katschmarek und Niesewitz saßen gelangweilt an dem Tresen und stierten auf ihr Bier. Sie wußten nichts mit sich anzufangen, seitdem sie auf der Insel waren. Zwar hatte ihn der Marquese von Siniestro Arbeit angeboten, doch er schien sie vergessen zu haben, nachdem er mit den meisten Stimmen in den Paxus-Rat gewählt wurde. Der alte Spanier war ein gemachter Mann, doch die beiden Deutschen aus dem 20 Jahrhundert blieben mehr oder weniger auf der Strecke. Zwar hatten sie genügend Geld, denn nicht umsonst hatten sie sich auf dem Schloß des satanischen Fürsten Prosperoh bereichert, doch sie wußten nichts damit anzufangen. Niesewitz wollte nicht auf der faulen Haut liegen. Er wollte mit dem Vermögen arbeiten und etwas Macht erlangen. Katschmarek hingegen war eigentlich mit der derzeitigen Situation zufrieden. Er verpraßte das Geld für Frauen, Kleidung und Schnaps. Der heutige Tag bildete da keine Ausnahme. Niesewitz und er saßen in der Kneipe »Der Raumwolf«. Sie war eine Spelunke in der eher zwielichtige Subjekte verkehrten. Es war eine Absteige für all diejenigen, die weniger dem Ruf DORGONs nach Cartwheel gefolgt waren, als mehr auf die Chance gehofft hatten, einen Vorteil aus dem Projekt zu erlangen. Hier saßen nun auch Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz. Katschmarek nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier und rülpste anschließend herzhaft. »Das mußte mal gesagt werden«, kommentierte er sein schlechtes Benehmen. Niesewitz blickte auf seine Uhr. »Wo bleiben die denn?« murmelte er kaum verständlich. Schon nach wenigen Minuten wurde seine Frage beantwortet – Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer betraten die Gaststätte. Die beiden alten Rentner hatten das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse verzogen und schlurften langsam in Richtung Niesewitz und Katschmarek. Ottilie wankte dabei ver- Nils Hirseland dächtig von einer Seite zur anderen. Man mußte kein Doktor sein, um zu wissen, daß sie sternenhagelvoll war. »Huhu Wernerchen und Reinichen«, begrüßte sie die beiden alten Deutschen mit einem dicken Schmatzer auf den Mund. Dabei wäre sie nicht nur beinahe hingefallen sondern hätte auch Niesewitz mit dem Alkoholgestank ihres Atems noch erstickt. »Jetzt muß ich mich erst einmal setzen«, murmelte sie und ließ sich auf den Stuhl fallen, der sich automatisch an ihr Gewicht und ihren Körperbau anpaßte, um der alten Frau auf dieser Weise die bequemste Sitzposition zu ermöglichen. Eine Bedienung kam und fragte nach den Wünschen der Braunhauers. Die Bedienung war slawischen Typs und sehr attraktiv. Sowohl Niesewitz und Katschmarek als auch Karl-Adolf Braunhauer waren von dieser Art der Bedienung sehr angetan. »Ein Bier«, bestellte Braunhauer. »Ach Quatsch, gleich einen ganzen Kasten und dazu noch zwei Flaschen Vurguzz«, mischte sich Reinhard Katschmarek ein. Die Bedienung nickte und machte sich an die Arbeit. Sie ging wieder zum Tresen und wurde von einem bärtigen dicken Plophoser festgehalten. Er machte keinen sonderlich sympathischen Eindruck und blickte sie grimmig an. Dann bekam er einen leidenschaftlichen Kuß von ihr und war zufrieden. Die vier Terraner beachteten den Aufseher der Kneipe gar nicht, sondern erzählten sich Anekdoten aus längst vergangenen Epochen. Nachdem die Tresenbedienung das Bier gebracht hatte, konnte der gemütliche Abend erst so richtig losgehen. Katschmarek hielt die Bedienung am Arm fest und fragte nach ihrem Namen. »Mein Name ist Haggy«, antwortete die Terranerin mit einem Lächeln. »Gut, Haggy! Dann trink mit uns einen Vurguzz. Nur einen kleinen, bitte!« bettelte Reinhard Katschmarek und faßte ihr um die Hüfte. Der Barkeeper, ein Plophoser mit Namen Reiko sah es gar nicht gerne, wenn Gäste mit seiner Lebensgefährtin Haggy flirteten. Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Er ließ von der Gruppe ab und richtete sein Augenmerk auf den neuen Gast, der gerade zur Tür hereinkam. Er hatte einen grauen Schnurrbart und graue Haare. Sein Erscheinungsbild war gepflegt und wirkte fast schon elegant. Irgendwie paßte er nicht in diese Kneipe. Doch solange er gut zahlte, war hier jeder herzlich willkommen. Der Terraner im mittleren Alter ging auf Reiko zu und begrüßte ihn freundlich. »Ich hätte gerne einen doppelten Vurguzz.« »Kommt sofort«, brummte Reiko und füllte ein Glas mit dem grünen Getränk. Der Terraner nahm das Glas und setzte an. Dann fiel sein Augenmerk auf die illustre Runde am anderen Ende des Raumes. »Gute Stimmung scheint hier wohl garantiert zu sein«, sprach er und fing an breit zu grinsen. »Hey, die Alte auf dem Schoß von dem Knacker hat aber dicke Dinger«, meinte der Terraner lüstern und zeigte Reiko damit, daß diese feine Schale nur Fassade war. Reiko blickte ihn nur mürrisch an und machte sich daran, ein paar Gläser abzuwaschen. Der Terraner beschloß, sich zu der Runde zu gesellen. »Ach komm schon Haggy, einen noch. Auf fünf Beinen kann man doch nicht stehen«, lallte Katschmarek und versuchte die hübsche Slawin immer noch zu verführen. »Du wirst auch auf 100 Beinen nicht mehr stehen können, soviel wie du getrunken hast«, erklärte sie mit einem frivolen Grinsen und ging wieder an den Tresen. Reinhard wollte noch etwas erwidern, da kam der andere Terraner an den Tisch. »Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Peter Roehk, Makler von Beruf.« »Tag«, sagte Niesewitz und beachtete den Mann nicht weiter. »Oh, welch wundervolle Blume doch in diesem Raum ist«, schmeichelte Roehk Ottilie Braunhauer und küßte ihre Hand. Die alte Frau war sehr angetan von dem netten Mann und bat ihn, sich mit an den Tisch zu setzen. Ihr Mann und Reinhard Katschmarek unterhielten sich unterdessen über den Verfall der Moral durch den Einfluß von außerirdischem Abschaum und leerten dabei ein Bier 183 nach dem anderen. »Zu Monos Zeiten war das alles noch anders...« jammerte Karl-Adolf und flößte sich den nächsten Vurguzz ein. Grüner Speichel rann aus seinem Mundwinkel, da er das Gebräu offensichtlich nicht in einem Zug herunterschlucken konnte. »Du hast da was, Vatichen«, lallte Ottilie und nahm ein Tuch, womit sie ihm den Speichel abwischte. »Laß das, du dumme Kuh!« meckerte er sie an und verzog das Gesicht wieder zu einer Leidensmiene. »Herr Braunhauer, sehen Sie mal. Ist das nicht ein kunstvolles Gemälde? Es heißt ›Hemmungslos‹.« Peter Roehk setzte sich zu Karl-Adolf und Reinhard Katschmarek, um ihnen das Bild zu zeigen. Es stellte zwei weibliche Terranerinnen beim Geschlechtsakt dar. Katschmarek und Braunhauer grinsten über beide Ohren als sie das Bild sahen. »Wahrhaftig, ein kunstvolles Portrait«, meinte Karl-Adolf. »Jo, echt toll«, kommentierte Reini das Bild. »Du bist mir sympathisch, Peter!« stellte der Deutsche fest und goß drei Vurguzz nach und stieß mit Roehk und Braunhauer an, während Ottilie Braunhauer mal wieder die Geschichte erzählte, warum sie denn überhaupt nach Cartwheel gezogen sind. »Es ist ja alles wegen Vatichens Cousine Inge. Die liebe, gute Inge Bohmar. Sie hat doch so viel Geld und Aktien und wollte in Cartwheel eine... eine... eine... na, wie heißt das Ding, wo man die Dinger für die Dinger herstellt?« Niesewitz blickte sie verwirrt an und wußte überhaupt nicht, wovon sie sprach. »Raumschiffteile, Ottilie!« brüllte KarlAdolf und stieß dabei auf. »Mahlzeit!« entgegnete ihm seine Frau und nahm einen kräftigen Schluck aus der Vurguzzflasche. »Genau, also eine Fabrik zur Erstellung von... von... von...« »Raumschiffteilen«, ergänzte Niesewitz. »Genau, diese Dinger eben. Doch da wurde sie auf einmal geisteskrank. Die Ärzte meinen, die Luft bekommt ihr hier nicht. Sie glaubt doch 184 D O R G O N tatsächlich, daß ihr Mann Werner und ihr Hund Bandit noch leben. Doch... die... die... sind... schon seit Jahren tot.« »Das ist übel«, kommentierte Niesewitz die Story. »Und weshalb kümmert ihr euch um sie?« wollte er wissen. »Na, Inge und ich waren ja immer gute Freunde gewesen und Vatichen ist ihr letzter Verwandter. Irgend jemand muß ja die Firma leiten. Das macht Vatichen und ich kümmere mich um meine gute Freundin Inge«, erklärte Ottilie. Niesewitz grinste. Er wußte genau, daß nicht die Fürsorge Motivation für die weite Reise in die Galaxis Cartwheel war, sondern die Habgier. Die Braunhauers rechneten sich gute Chancen aus, sollte Inge Bohmar für unzurechnungsfähig erklärt werden. Da Karl-Adolf ihr einziger Verwandter war, konnte er in der Tat die Kontrolle über ihre Aktien und ihre neugegründete Firma bekommen. Damit waren die Braunhauers gemachte Leute. Ein sehr kluger Schachzug der beiden, den Niesewitz ihnen gar nicht zugetraut hatte. »Was machst du denn überhaupt hier?« wollte Katschmarek von Peter Roehk wissen, der sich sehr gut mit den vier Artgenossen verstand. Roehk lehnte sich zurück und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Ich bin Makler. Ich vermittele Unternehmern alles, was sie brauchen. Gute Ideen, Raumschiffe und Immobilien aller Art.« Katschmarek nickte wohlwollend. KarlAdolf Braunhauer saß regungslos auf dem Stuhl und starrte vor sich hin. Nur das Scharren seines rechten Fußes gab den Anwesenden die Gewißheit, daß der alte Terraner noch lebte. Der Alkohol zeigte langsam bei allen Beteiligten seine Wirkung. Ottilie lallte nur noch vor sich hin und bekam nicht mehr viel mit. »Peter, wir haben viel Geld, wissen aber nichts damit anzufangen. Hast du vielleicht eine gute Idee?« wollte Niesewitz wissen. Er glaubte eigentlich nicht daran, daß Roehk ihm und Katschmarek weiterhelfen konnte. »Wir haben hier drei Gruppen von Wesen auf der Insel«, begann Roehk. »Einmal die Wesen, die dem Ruf DORGONs gefolgt sind, dann die Nils Hirseland Leute, die dem Ruf der Habgier gefolgt sind, zu denen wohl wir gehören und zuletzt ihre Frauen und Kinder. Und wonach sehnen sich diese?« Katschmarek und Niesewitz sahen sich verdutzt an. »Woher sollen wir denn wissen, was diese Lausbuben interessiert?« mischte sich nun auch Karl-Adolf ein. »Feiern, Trinken und Sex. Das ist schon immer so gewesen. Die Jugendlichen brauchen Zerstreuung und wollen ihre Jugend genießen.« »Kneipen gibt es viele«, wandte nun Reiko plötzlich ein, der hellhörig geworden war. Roehk grinste überlegen. »Das mag sein, aber es gibt keine fliegende Disko. Es gibt kein Raumschiff, das durch die Insel fliegt und nur Party macht!« »Worauf willst du hinaus?« wollte Nieswitz wissen. »Ganz einfach. Ich bin im Besitz eines 500 Meter Kugelraumers, ihr habt das Geld und die Braunhauers haben eine Ersatzteilfabrik. Damit haben wir alles, um aus dem Kahn einen Luxusliner zu machen, quasi eine fliegende Disko. Damit locken wir eine Menge Leute an, da es so etwas hier noch nicht gibt.« Katschmarek und Niesewitz dachten kurz darüber nach, dann grinste Werner Niesewitz und schüttelte die Hand von Peter Roehk. »Die Idee klingt gut. Wir sind die Kapitalgeber und du der Geschäftsführer«, schlug der alte Deutsche vor. Roehk war damit einverstanden. »Und was machen wir?« wollte Ottilie wissen. »Das was ihr schon immer am besten konntet; verwalten! Karl-Adolf wird sozusagen der Raumschiffmeister und Oberbefehlshaber der Sicherheitsleute.« »Das klingt gut«, blubberte Karl-Adolf Braunhauer. Katschmarek nahm noch einen kräftigen Schluck aus der Flasche, bevor er nach einem Geschäftsführer und Personal für die Disko selbst, die Sicherheit und das Raumschiff fragte. »Ich kenne da einen Ferby H«, meinte Roehk. »Der Typ ist ein bekannter Drogenhändler. Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Nebenbei ist er noch Discjockey auf Terra gewesen. Doch er hat das Drogengeschäft vorgezogen. Vielleicht könnten wir mit ihm ins Geschäft kommen.« Die anderen stimmten zu. Plötzlich räusperte sich Reiko. Die anderen blickten ihn abfällig an, als er verlegen grinste. »Ich... ich kenne da ein paar Leute, die die Bewirtschaftung übernehmen würden. Ich und Haggy und ein paar andere...« Katschmarek hatte nichts dagegen und auch Niesewitz fand die Idee einwandfrei. »Um das Personal kümmere ich mich«, erklärte Roehk. »Damit werden wir einen Haufen Geld verdienen«, frohlockte Niesewitz und stieß mit den anderen an. Reiko fing nun richtig an zu lachen, da er glaubte, er hätte eine Chance bekommen. Ottilie rappelte sich auf und versuchte sich hinzustellen. »Ich muß mal...« Zwei, drei Schritte schaffte sie noch, dann fiel sie platschend zu Boden. Karl-Adolf verzog das Gesicht zu einer gequälten Fratze. »Reiko! Dein erster Dienst für uns. Setze Frau Braunhauer wieder in den Sessel!« kommandierte Katschmarek. »Ich weiß auch nicht, warum immer mir das passieren muß. Mir ist wieder so schwindelig geworden«, jammerte die alte Frau. Reiko zögerte etwas und hätte am liebsten auf sie eingetreten, doch er wollte den Job haben und half ihr darum wieder in den Sessel. Danach ging die Feier noch bis in die frühen Morgenstunden. Solange bis die Flaschen leer und die Feiernden sternhagelvoll waren. 4. Vorbereitungen für die Party des Jahrhunderts In den nächsten zwei Tagen hatte sich nichts von Bedeutung zugetragen. Vielmehr nutzten Roehk, Katschmarek, Niesewitz und die Braunhauers die Zeit, um sich von ihrem Saufgelage zu erholen. Roehk war als erstes wieder fit und begann einige Firmen mit dem Umbau seines 500 Meter Kugelraumers zu beauftragen, während 185 Katschmarek und Niesewitz eigentlich nichts taten, außer das Geld zu geben. Wenige Tage später begannen sie die Werbetrommel zu rühren. Doch bevor eine großangelegte Marketingaktion gestartet wurde, galt es zuerst einen Namen und ein Programm für den Disko-Raumer zu finden. An einem sonnigen Tag fuhren Roehk, Katschmarek, Niesewitz und Reiko mit einem Gleiter in ein Nobelviertel der Hauptstadt Mankinds, New Terrania. Sie hielten an einer Villa, die streng bewacht wurde. Reiko bekam es mit der Angst zu tun, als er die schwerbewaffneten Topsider und Überschweren an den Toren sah, doch Niesewitz und Katschmarek blieben gelassen. Einer der Wächter trat an den Gleiter heran. Er hatte einen kahlgeschorenen Kopf und wirkte nicht sonderlich friedfertig. »Was wollt ihr? Das ist Privatbesitz von Ferby H, dem König hier. Haut ab!« schnauzte der Mann die Besucher an. Niesewitz lachte überlegen. »Hör mal zu, du unterbelichteter Affe. Wir sind Gäste und Geschäftspartner Ferbys!« Der unfreundliche Wächter griff zu seiner Waffe und zielte auf Niesewitz. Der alte Deutsche wurde plötzlich bleich und schrie um sein Leben. »Halt!« rief ein Terraner, der zu dem Gleiter eilte. Er hatte kurz Haare und ein vom Leben gekennzeichnetes Gesicht. »Was machst du denn da, Dumbo? Wie soll Ferby dich denn bezahlen, wenn du alle unsere Gäste über den Haufen schießt? Das ist nicht gut!« meckerte der Terraner und fuchtelte mit dem Zeigefinger hin und her. »Jetzt mach’ Platz, knabbere weiter an deinem Knochen und überlasse mir die Sache.« Der Wächter hörte auf seinen Vorgesetzten und ging zurück ins Wachhaus, wo er grimmig auf den Gleiter starrte. Der Terraner wandte sich an die Gäste. »Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Sie müssen wissen, daß unsere Sicherheitsleute erst schießen, danach nochmals draufhalten und dann erst die Fragen stellen. Man nennt mich Dykkar. Ich bin die rechte Hand des großen Ferby H, der 186 D O R G O N gerne bereit ist, Ihnen eine Audienz zu gewähren.« »Danke«, sagte Niesewitz. Dykkar schien ihm sympathisch. Außerdem legte der Terraner einen gewissen Sarkasmus, aber auch Intelligenz an den Tag. Das gefiel Niesewitz. Der Gleiter schwebte zur prächtigen Villa des Ferby. Dykkar führte die Gäste durch das Haus in den Garten. Dort befand sich ein großer Swimmingpool, in dem einige Mädchen badeten. Auf einer Liege lag dann Ferby selbst. Er sonnte sich und beachtete die Gäste gar nicht. Genüßlich nuckelte er am Strohhalm seines Cocktails. »Das ist Ferby. Er ist der einzige Vampir, der sich nicht von Blut, sondern ausschließlich von Alkohol ernährt«, erklärte Dykkar scherzhaft. Dann bat er Niesewitz, Roehk, Katschmarek und Reiko sich hinzusetzen. Ferby ignorierte die vier immer noch. Erst als Dykkar ihn auf sie aufmerksam machte, hob Ferby langsam den Kopf in Richtung des Tisches. Dann stand er auf. Um seinen Hals trug der kurzhaarige Terraner mit einem leicht aufgequollenen Gesicht eine schwere Goldkette und an den Fingern Ringe, die mit Juwelen besetzt waren. Langsam schritt er auf seine Gäste zu. Niesewitz und Roehk merkten sofort, daß dieser Mann viel von sich selbst hielt und es sicher nicht leicht sein würde, ihn auf das Raumschiff zu bekommen. Ferby nickte leicht, dann setzte er sich hin und sah die Ankömmlinge fragend an. Roehk begann das Gespräch. »Ferby, du bist uns bestens bekannt. Deine Qualitäten als Leiter des ARAKO in Terrania sind legendär. Du hast den Schuppen zu der beliebtesten Diskothek auf der ganzen Erde gemacht«, begann er. Ferby schwieg. Unsicher ergriff Roehk wieder das Wort. »Na ja, und da dachten wir uns, ob du nicht vielleicht... eventuell...« Ferby blieb weiterhin ruhig, was Roehk zu schaffen machte. Irgendwie lief ihm ein Schauer über den Rücken, als er Ferby genauer be- Nils Hirseland trachtete. Von dem Mann ging eine seltsame Ausstrahlung aus. Niesewitz hatte weniger Probleme, sich zu artikulieren. »Wir wollen es kurz machen. Meine Teilhaber und ich planen, einen DiskoRaumer zu bauen. Er ist soweit schon fertig, was uns allerdings noch fehlt ist ein Programm und jemand, der sich in der Szene auskennt. Deshalb sind wir zu dir gekommen. Wir bieten dir fünfzehn Prozent aller Einnahmen und bei Erfolg des Jungfernflugs einen FünfjahresVertrag.« Ferby sagte immer noch nichts. Er blickte kurz auf den Boden und schien darüber nachzudenken. »Fünfzehn Prozent? WOW, dafür würde ich sogar meine Oma verkaufen. Gott habe sie selig«, warf Dykkar ein. Ferby sah ihn kurz an, dann nickte er stumm. »Was denn nun? Kannst du nicht sprechen?« Katschmarek war über die Art schon ungehalten. Ferby Hätte normalerweise jeden sofort umgelegt, der ihn auf diese Weise beleidigte, doch er hatte sich über Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek schon im Vorfeld informiert. »Ich akzeptiere«, sprach Ferby kurz und knapp. Niesewitz lächelte und schüttelte die Hand seines neuen Geschäftsführers des Unterhaltungssektors. »Aber ich möchte die Exklusivrechte an dem Drogenverkauf, der Prostitution und des Glückspiels haben«, erklärte er. »Gut, doch davon wollen wir dann fünfzehn Prozent der Einnahmen haben«, meinte Niesewitz. Roehk war etwas schockiert über die Unverfrorenheit der beiden, doch die Verlockung des Geldes war weitaus stärker als sein Gewissen. »Was macht Reiko hier?« wollte Ferby letztendlich wissen. »Ihr kennt euch?« fragte Roehk erstaunt. Reiko blickte verlegen auf den Boden, während Ferby überlegen lächelte. »Ja, er hat früher im ARAKO gearbeitet, bis er glaubte, hier mehr Erfolg zu haben.« Reiko stand auf und ging zu Ferby. Nieswitz und Roehk beobachteten das Schauspiel mit In- Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N teresse, während Reinhard Katschmarek lieber den Badenixen im Pool zuschaute. »Ich organisiere die Bedienungs-Crew«, erklärte Reiko seinem alten und neuen Chef. Ferby nickte unmerklich. »Ich habe einen fähigen Mann für die Sicherheit an Bord an der Hand. Sein Name ist Darvos. Er und seine Truppe sind für diesen Job prädestiniert.« Nieswitz meldete sich wieder zu Wort. »Kümmerst du dich um die Details? Wir sind vielbeschäftigte Leute. Die Politik, verstehst du?« Als Antwort bekam Niesewitz nur ein schwaches Nicken. Katschmarek, Roehk und Nieswitz verabschiedeten sich von ihrem neuen Partner. »Ach, bevor ich es vergesse. Wie soll der Kahn eigentlich heißen?« wollte Ferby wissen. Nieswitz und Katschmarek blickten sich fragend an. »Mach du einen Vorschlag«, meinte Roehk. Ferby überlegte kurz, dann sagte er: »BAMBUS.« * Reiko hatte seine ehemaligen Kollegen zu einer Besprechung in den Raumwolf eingeladen. Auch Ferby H, Dykkar und Peter Roehk waren anwesend. Niesewitz und Katschmarek blieben der Besprechung fern. Sie hatten sich vorgenommen, den Status der unantastbaren Auftraggeber erlangen. Bienya Scolar und ihre jüngere Schwester Kathy waren als erstes im Raumwolf. Sie begrüßten Haggy freundlich, doch für Reiko hatte zumindest Kathy wenig übrig. Ihre Schwester Bienya hingegen mochte den grimmigen und unfreundlichen Plophoser immer noch sehr gerne. Bienya war schlank und hochgewachsen, hatte kurze blonde Haare und braune Augen. Ihre Schwester Kathy war auch schlank und hochgewachsen, besaß knapp bis zur Schulter lange brünette Haare und besaß neben ihrem Traumkörper ein freundliches Wesen. Ihre ältere Schwester wirkte etwas ver- 187 brauchter als Kathy, war aber ebenfalls sehr attraktiv. Wenngleich sie auch ziemlich launisch und sehr scharfzüngig war. Genauso wie Haggy und die anderen hatten die Scolar-Schwestern früher auch im ARAKO gearbeitet und waren Reikos Idee gefolgt, die jedoch gründlich daneben gegangen war. Als nächstes kamen Stony und Krizoff. Stony stammte von Terra und Krizoff von Olymp. Beide arbeiteten schon früher im ARAKO als Tresenbedienung. Stony legte ab und zu auch als DJ auf. Krizoff hatte eine hohe Stirn und ein feistes Gesicht. Er sah immer etwas wehleidig und verbraucht aus, doch auch er war von freundlicher Natur. Stony war auch ein netter Kerl, der wie Krizoff, keiner Fliege etwas zu Leide tun konnte. Im Gegensatz zu Darvos und seiner Truppe, welche eben gerade das Lokal betraten. Darvos Mannschaft, bestehend aus Oxtorner und Ertruser, hatte an Bord die einfache Aufgabe, erst zuzuschlagen und dann Fragen zu stellen. Als letztes kamen zwei Terraner, die wie das Komikerpärchen Dick und Doof wirkten. Der eine war ein hochgewachsener Blonder Terraner, der allerdings den Eindruck machte, als konnte er nicht bis zwei zählen. Der andere war ein mittelgroßer dicker Terraner mit Brille und für sein junges Alter bereits stark schütterem Haar. Der Große hieß Vekner, der Dicke trug den Namen Yan Cruze. Er hatte bereits unter Ferby H als Leiter des Tresenservice gedient. Vekner war ein Faktotum zur besonderen Verwendung. Meistens zur Beschaffung von Genußmitteln. Nachdem die Beteiligten versammelt waren, stellte Peter Roehk sich vor. Er gab einen kurzen Umriß über den geplanten Flug der BAMBUS und stellte Ferby H als ausführendes Organ vor, der im Auftrage der drei Teilhaber handelte. Ferby kannte die meisten bereits und hatte sie als gutes Personal in Erinnerung behalten. Jeder von ihnen wurde für die BAMBUS eingestellt. Abschließend hatte Roehk noch einige Bemerkungen. »Ziel dieses ganzen Unternehmens ist es D O R G O N 188 nicht, nur etwas Geld zu machen und die Besucher zu unterhalten, sondern die Nummer Eins in Cartwheel zu werden. Jeder soll die BAMBUS kennen und lieben«, erklärte er. »Lassen wir Bienya oben ohne servieren, dann wird bestimmt jeder die BAMBUS lieben«, scherzte Dykkar. Bienya warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, konnte sich das Grinsen aber auch nicht verkneifen. »Wir werden Einladungen an Aurec, Nor’Citel, den Marquese, Sam und Uwahn Jenmuhs verschicken«, betonte Roehk. Stony hob die Hand. »Ja?« »Wer sind diese Typen denn? DJs? Sportler?« Roehk schüttelte nur den Kopf. Ferby erklärte, daß diese Leute die wichtigsten Männer in Cartwheel waren und zu absoluten Ehrengästen zählen würden, die mit besonderer Höflichkeit behandelt werden sollten. Von Ferbys Nebenverdienst mit Drogen und Prostitution erwähnte er den Angestellten über nichts. Nur Reiko und Dykkar, sowie einige eingeweihte Sicherheitsleute, zu denen Darvos nicht gehörte, wußten Bescheid. »Also gut!« Ferby schlug in die Hände und rieb sie sich. »In zwei Wochen soll es losgehen, dann geht die Party des Jahrhunderts ab!« 5. Ein Dinner zu dritt Uthe Scorbit hatte sich nach dem Streit vor einigen Tagen mit ihrem Mann Remus beschlossen, zusammen mit Anica die Einladung von Uwahn Jenmuhs anzunehmen. Der Auslöser war wieder Helge von Hahn gewesen, mit dem sich Remus in letzter Zeit viel zu viel herumtrieb. Daher war die Stimmung in letzter Zeit zwischen beiden etwas gereizt. Auch das Auftauchen ihres Schwagers Jan Scorbit und ihrer guten Freundin Yasmin Weydner konnte das nicht wieder gutmachen. Remus hatte sie beschworen, nicht zu diesem Essen zu gehen. Er erinnerte seine Frau an Jenmuhs grausamen Bruder Hajun. Nils Hirseland Doch Uthe war in dieser Hinsicht stur. Einerseits war sie sauer auf Remus Scorbit, da er in letzter Zeit viel Zeit mit Helge von Hahn verbrachte. Zum anderen wollte sie ihrer Aufgabe als Sozialbeauftragte im Terra-Block nachgehen und sich mit anderen Politikern über die Sozialstruktur unterhalten. Sie war der festen Überzeugung, daß sie einiges erreichen konnte. Jedes Wesen in Cartwheel sollte laut Sam die gleichen Rechte haben. Das hatte Uthe beeindruckt und sie wollte alles tun, um den Traum Sams zu verwirklichen. Der letzte Grund war, daß Uwahn Jenmuhs anscheinend ein Auge auf die naive Anica geworfen hatte und Uthe ihre Freundin aus Zechon beschützen wollte. Außerdem geschah dieses Treffen unter dem Deckmantel der Diplomatie. Selbst Jenmuhs würde keinen galaktischen Krieg riskieren, nur um sich rächen zu wollen. Wer weiß, vielleicht war er auch ganz anders als sein verstorbener Zwillingsbruder, obwohl Uthe nicht dieses Gefühl bei der ersten Begegnung gehabt hatte. Uthe Scorbit und Anica waren vor vier Stunden mit dem 100 Meter Kugelraumer KIEW V nach Bostich aufgebrochen. Der Grund, warum Anica überhaupt mitkam, war, daß Jenmuhs sie als eine Art Vertreterin der Zechonen ansah und die Kultur dieser Galaxis näher kennenlernen wollte. Anscheinend besaß er doch mehr Niveau und Anstand als erwartet. Uthe versuchte etwas zu schlafen, während Anica nur vor sich hin stierte, wie sie es so oft tat. Uthe bemerkte dieses Verhalten und war traurig darüber. Sie hatte sogar Ärzte konsultiert, doch die konnten ihr auch nicht weiterhelfen. Die Zechonen standen einige Technologiestufen unter den Galaktikern. Jaquine konnte sich zwar besser einleben, doch Anica besaß eine natürliche Naivität, die alles noch erschwerte. Der Kommandant des Raumschiffes gab Uthe Scorbit Bescheid, daß man den Planeten erreicht hatte. Sofort näherten sich knapp ein Dutzend schwerbewaffnete Raumschiffe, die den fünffachen Durchmesser der KIEW V besaßen. Uthe beschloß, in die Kommandozentrale zu gehen. Beim Anblick der zwölf arkonidischen Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Schlachtschiffe war ihr nicht sonderlich wohl. Der Funker informierte zu dem Zeitpunkt bereits die kleine Wachflotte über das Ziel und den Grund ihres Besuches. Das Hologramm eines arkonidischen Militärs erschien in der Zentrale. Es war der Zaliter Toran Ebur. Er war nicht nur der Repräsentant der Kolonie Zalit, sondern auch der Stellvertreter des Kriegs- und Verteidigungsministers Terz von Eskor. Uthe Scorbit schien viel Beachtung entgegen gebracht zu werden, wenn der dritthöchste Arkonide auf der Insel Cartwheel sie begrüßte. Die roten Augen des Zaliters schienen die junge Terranerin zu durchdringen. Ihr wurde unbehaglich bei diesem musternden Blick, doch sie blieb standhaft. »Ich begrüße Sie, Uthe Scorbit«, erklang die arrogante Stimme des Zaliters. Uthe machte eine kleine Verneigung und sagte: »Ich fühle mich geehrt, von einem hohen Politiker und Militär empfangen zu werden.« Toran Ebur verzog keine Miene, statt dessen antwortete er: »Uwahn Jenmuhs bittet Euch in zwei Stunden zu einer Audienz. Ihr dürft mit einer Space-Jet und Gefolge auf Hangar 181 auf dem Palastgebäude landen. Eine Jägereskorte wartet auf Euch.« Damit beendete Toran Ebur die Verbindung. »Reizender Kerl«, murmelte Uthe mehr zu sich selbst. »Soll ich die Space-Jet startbereit machen lassen?« erkundigte sich der Kommandant der KIEW, Mustafa Jabduhl. Uthe nickte kurz. Dann verließ sie die Zentrale und bereitete sich seelisch auf Uwahn Jenmuhs vor. * Die Space-Jet wurde von knapp zwei Dutzend schwerbewaffneten Kampfjägern zu der Landeplattform 181 eskortiert. Der Palast und Regierungssitz des Kristallimperiums auf Bostich war beeindruckend, da konnte Mankind nicht gegenhalten. Joak Cascal hatte den großen Komplex auf Mankind IMPERIUM ALPHA, in Anlehnung an das alte Herz Terranias zu Zeiten des Sola- 189 ren Imperiums, getauft. Er war dabei auf einige heftige Kritiken innerhalb und außerhalb der Regierung gestoßen, da das Wort IMPERIUM zu militant sei. Doch der Marquese von Siniestro befürwortete die Umbenennung und konnte sie zusammen mit Joak Cascal letztendlich durchsetzen. Doch der Palast Jenmuhs übertraf IMPERIUM ALPHA um einiges. Ein Aufgebot von etwa mehr als zweihundert Soldaten exerzierte an der Landeplattform. Anscheinend waren sie das Begrüßungskomitee. Eine Kapelle spielte »Ode an die Freude«, der von Ludwig van Beethoven komponierten Nationalhymne Terras und ihrer Kolonien. Dieses Stück war schon weit vor der Gründung der Dritten Macht komponiert worden, doch im Laufe der Jahrhunderte gewann es auf ganz Terra an Bekanntheit, so daß Perry Rhodan diese Komposition Repräsentationszwecke des Solaren Imperiums ausgewählt hatte. Auch die folgenden Staatsgebilde hatten nichts daran geändert. Nur zu Zeiten der Aphilie hatte es keine Hymne der Terraner gegeben. »Oh, sind die alle für uns da?« fragte Anica mit leuchtenden Augen. »Ja, scheint so«, entgegnete Uthe leicht angesäuert. Beide verließen die Space-Jet und beobachteten den sturen militaristischen Ablauf, der aber zugegebenermaßen sehr beeindruckend wirkte. Drei Arkoniden, angeführt von Toran Ebur, marschierten auf Uthe und Anica zu, nachdem die Nationalhymne Terras abgespielt war. Etwa einen halben Meter blieb Ebur vor den beiden Frauen stehen. Er streckte ihnen seine Hand entgegen und sprach eine Lobesparole auf Imperator Bostich I.. »Guten Tag«, erwiderte Uthe gleichgültig. Sie spürte die Verachtung Eburs gegenüber Anica und ihr. Eine Weile herrschte Stille, dann gab sich Toran Ebur einen Ruck. »Ich geleite Sie zu ihrem Gemach. Wie bereits erwähnt, erwartet Uwahn Jenmuhs Sie und diese Anica in knapp zwei Stunden.« Uthe blickte Toran Ebur an. Er war ein stattlicher Arkonide mit langem, wallendem, dunkelblonden Haar und stechenden roten Augen. D O R G O N 190 Sein Körper war athletisch und muskelbepackt. Toran war eine durchaus imposante Erscheinung. Doch Uthe wußte, daß sein Charakter mehr als verdorben war. Manipuliert durch das nationalistische Gedankengut des Kristallimperiums und all seiner assoziierten Systeme. »Was ist mit den anderen Delegierten?« »Die anderen werden morgen anreisen. Uwahn Jenmuhs wünscht ausdrücklich ein Abendessen mit Ihnen und Anica. Und nur Ihnen beiden!« Uthe wurde mißtrauisch, verhielt sich aber abwartend und ließ sich und Anica in ihre Quartiere bringen. Diese waren außerordentlich luxuriös und im Stil des alten arkonidischen Imperiums eingerichtet. Zeitgenössische Skulpturen und Bilder prägten diesen Eindruck. »Ich verabschiede mich jetzt von Ihnen. Bedienstete werden Sie in exakt 109 Minuten abholen. Bitte seien Sie pünktlich. Der Kristallkönig Jenmuhs schätzt keine Unpünktlichkeit!« erklärte Toran Ebur und verließ den Raum, doch zuvor warf er Uthe und Anica einen verächtlichen Blick zu. Kristallkönig! dachte Uthe verächtlich. Der wird immer größenwahnsinniger. »Also gut, Anica. Dann ziehen wir uns einmal hübsch an.« »Au ja!« machte Anica und holte ihren Koffer hervor, um sich eine passende Garderobe zum Abendessen herauszusuchen. Manchmal beneidete Uthe Scorbit die kleine Zechonin aufgrund ihrer Einfältigkeit. War das Leben nicht bedeutend einfacher, wenn man es gar nicht richtig verstand und in seiner eigenen kleinen Welt lebte? * Ziemlich genau 109 Minuten später summte die Türklingel. Uthe lief zur Tür. Sie trug ein langes schwarzes Kleid und hatte ihre Haare hochgesteckt. Sie bot in ihrem Kleid einen traumhaften Anblick. Sie öffnete die Tür, dahinter kam ein Naat zum Vorschein. Uthe erschrak beinahe, denn sie vergaß immer wieder, wie groß die Vertreter dieses Volkes waren. Nils Hirseland Der Naat verneigte sich unterwürfig und bat Uthe mit einer Geste ihr zu folgen. Die Terranerin rief Anica, die aus dem Bad gewatschelt kam. Sie trug eine enganliegende schwarzrote Kombination, die am Bauch und an den Schultern frei war. »Sehr aufreizend, Anica. Gehst du auf Männerjagd?« fragte Uthe scherzhaft. Anica erwiderte nur mit einem gellenden Kichern. Uthe beschloß nichts mehr zu sagen und folgte zusammen mit Anica dem Naat. Er führte sie durch die prachtvollen Hallen des Palastes. Unzählige Gemälde und Wandteppiche schmückten die Wand. An jeder Ecke stand eine Rüstung oder Uniform aus arkonidischer Geschichte. Glaskästen mit einer schier unerschöpflichen Waffensammlung reihten sich aneinander. Uthe glaubte nicht, daß Uwahn Jenmuhs wesentlich anders als sein Bruder Hajun war. Was bezweckte er mit diesem Essen? Und warum nur sie und Anica? Das alles ergab wenig Sinn. Je näher sie dem Saal kam, desto besser wurde eine Musik hörbar. Es waren altarkonidische Volkslieder, die von der Größe und Macht der Arkoniden erzählten. Uthe erschauerte, als sie den Text hörte. Der Speisesaal war ähnlich pompös eingerichtet wie die anderen Räume. Ein langer Tisch mit Gedeck für drei Personen stand in Mitten des Raumes. Am Kopfende saß Uwahn Jenmuhs. Er erhob sich und ging ein paar Schritte auf Uthe und Anica zu. Er trug eine schwarze Uniform, die mit Orden gespickt war. Sein abstoßend schwabbeliger Bauch schien die Knöpfe an der Montur jeden Moment loszusprengen. Das weiße, verfilzte Haar hing in Streifen vom Kopf herunter. Die roten Augen leuchteten geheimnisvoll. Das war Uwahn Jenmuhs. Sofort wurde Uthe wieder an die Zeiten auf der LONDON II erinnert. Dort wurden Rosan Orbanashol-Nordment und sie zum Objekt der Begierde des Zwillingsbruders Uwahns. Er war ein widerlicher und übler Zeitgenosse, der sogar Rosan OrbanasholNordment vergewaltigt hatte. Er genoß es, Lebewesen zu quälen, sie zu demütigen und sogar zu töten. Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Hajun hatte einen Okrill besessen, den er mit Hilfe eines Senders kontrollierte. Uthe und Rosan kamen in Besitz dieses Senders und hetzten den Okrill auf Jenmuhs, um nicht selbst getötet zu werden. Damit besiegelten sie das Schicksal Jenmuhs. Jenmuhs verneigte sich vor Uthe Scorbit und Anica. »Herzlich willkommen auf Bostich. Seien Sie die Gäste des Kristallimperiums«, sagte er hochtrabend und bot den beiden Plätze an. Uthe plazierte sich rechts und Anica links von Jenmuhs. Uthe merkte sofort, daß sein Blick sehr oft auf Anica fiel. »Ich danke Ihnen für diese Einladung. Doch dachte ich, daß es ein gesellschaftlicher Anlaß für andere Delegierte sei?« Uwahn Jenmuhs grinste verlegen. »Sie haben mich ertappt. Ich wollte nur Sie und Anica einladen. Die anderen Delegierten interessieren mich einen Dreck. Doch ist es wohl unausweichlich, daß die Terraner und Arkoniden sich gut verstehen.« Uthe schien zu verstehen. Ihr war nicht sonderlich wohl bei dem Gedanken, von Jenmuhs hereingelegt worden zu sein. »Sie haben eine terranische Politikerin belogen und unter falschem Vorwand nach Bostich gelockt. Das kann Konsequenzen nach sich ziehen«, meinte Uthe resolut. Jenmuhs schlug mit den Fäusten auf den Tisch. Anica schrie vor Entsetzen auf. »Nichts wird Konsequenzen nach sich ziehen! Weshalb denn? Wer würde es wagen, einen Krieg mit dem Kristallimperium anzufangen? Niemand!« brüllte der feiste Kristallkönig und Statthalter von Bostich. Uthe starrte Jenmuhs schweigend an. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte. Für einen Moment fürchtete sie um ihres und Anicas Leben. Dann beruhigte sich Jenmuhs wieder. Er setzte ein gespieltes Lächeln auf und entschuldigte sich für seinen Wutausbruch. »Wir wollen uns den schönen Abend nicht mit Politik ruinieren. Bitte sehen Sie sich doch die Speisekarte an und bestellen Sie«, sagte er ruhig und höflich. »Diener!« brüllte er danach. Sofort eilte ein Naat herbei und warf sich 191 auf den Boden. Jenmuhs bestellte sich Geflügel, Uthe ebenfalls und Anica bestellte nur eine Suppe. Rasch erhob sich der Naat und bereitete die Speisen zu. Jenmuhs trank einen Wein. »Ah, ein Hammersburg Heuchelberger. Ein sehr guter Wein!« Uthe nickte nur. Eine Weile herrschte Stille dann ergab man sich in belangloser Konversation bis das Essen gebracht wurde. Jenmuhs fraß wie ein Schwein. Er nagte die Knochen ab, schlürfte, schmatzte und rülpste, daß Uthe schlecht wurde. Anica stierte wie immer teilnahmslos in der Gegend herum. Jenmuhs warf einen Knochen auf den Boden. Der Naat kam angekrochen und nagte das restliche Fleisch ab. Jenmuhs lachte grell und amüsierte sich über diese Demütigung. »Friß mein Hund, friß!« Dann gab er dem Naat einen schmerzvollen Tritt und warf ein Stück Fleisch auf den Boden. Uthe verabscheute diesen Mann zutiefst. »Was ist nun der Grund Ihrer Einladung, Jenmuhs?« wollte Uthe wissen. Sie befürchtete, daß er doch Rache an den Tod seines Bruders nehmen wollte und Uthe in eine sadistische Falle gegangen war. Jenmuhs wischte sich die Essensreste vom Kinn ab. »Es geht mehr um Ihr Mündel Anica«, erklärte er. »Was ist mit mir?« wollte Anica wissen und blickte sich fragend um. Jenmuhs grinste diabolisch. Dann stand er auf und ging die paar Schritte zur Zechonin. Er musterte ihren Körper und zitterte vor Erregung. »Anica, du bezauberndes Wesen. Ich erweise dir die große Ehre meine Gemahlin zu werden. Die Hochzeit ist bereits arrangiert. Es steht dem nichts mehr im Wege«, sprach er hochtrabend. Uthe Scorbit glaubte, sich verhört zu haben. Sie stand brüskiert auf und warf die Serviette auf den Tisch. »Was erlauben Sie sich?« rief sie aufgebracht und erschrak dabei, denn immerhin sprach sie mit einem der mächtigsten Männer Cartwheels. 192 D O R G O N »Schweigen Sie, Uthe Scorbit! Das geht nur mich und die hinreißende Anica etwas an. Denke darüber nach, meine Teure. Macht, Reichtum und jeder nur erdenklicher Wunsch wird dir erfüllt...« Anica sah Uthe verzweifelt an. »Was will der jetzt von mir?« fragte sie nichtsahnend. »Begriffsstutzige Zicke«, murmelte Jenmuhs, doch er lächelte weiter seine holde Anica an. Uthe Scorbit war immer noch überrascht. Dieses Untier hatte eindeutige Gefühle für die Zechonin. Eine sehr menschliche Geste. Dabei mußte Uthe jedoch an »Die Schöne und das Biest«, »Frankenstein« oder »Das Phantom der Oper« denken. Der Vergleich zwischen Frankenstein und Jenmuhs war jedoch eine Beleidigung für die Roman- und Filmfigur. »Ich möchte, daß du mich heiratest. Du wirst meine Frau!« sagte Jenmuhs entschlossen. Anica begriff jetzt und stand entsetzt auf. »Nee, du bist doch dick und häßlich. Dich will ich nicht«, entgegnete sie in ihrer Einfältigkeit. Uthe zuckte bei diesen harten aber zutreffenden Worten zusammen. Jenmuhs schien innerlich zu beben. Das sonst so bleiche Gesicht lief rot an. Angesichts dieser Beleidigung hätte er am liebsten die beiden Frauen sofort getötet, doch er riß sich zusammen. Er mußte daran denken, daß Uthe Scorbit zu den Oberen des Terra-Blocks gehörte. Deshalb durfte er jetzt nicht unbedacht handeln. Aber wie konnte dieses dumme, naive Bauernmädchen ihn ablehnen? Er war der höchste Arkonide in dieser Galaxis und erfüllte den Auftrag des göttlichen Kaisers Bostich I.. Wie konnte diese Magd es wagen? Noch gab er nicht auf. »Nun gut, es mag vielleicht etwas überstürzt gekommen sein, dennoch möchte ich dich bitten, deine Entscheidung zu überdenken. Ich würde dich gerne in der terranischen Botschaft sehen. Dieser Lester Slote ist ein Widerling. Ich bin sicher, daß Anica als Gesellschafterin die Beziehungen zwischen dem arkonidischen Kristallimperium und dem Terra-Block aufbessern Nils Hirseland könnte.« Verdammt! fluchte Uthe in Gedanken. Ein sicherlich guter Schachzug. Der Marquese oder Cascal würde jede Gelegenheit nutzen, um die Beziehungen zwischen den beiden Großmächten zu verbessern. Anica war als Botschafterin natürlich gänzlich ungeeignet, doch als Gesellschafterin von Jenmuhs konnte sie vielleicht positiv auf ihn einwirken. Doch Uthe mißfiel der Gedanke, Anica auf Bostich zurückzulassen. Sicherer lebte sie in der Botschaft und der führende Botschafter Lester Slote war ein fähiger Mann, doch sicher kein Held, der sie beschützen konnte. »Häh?« machte Anica, die überhaupt nicht verstand, was vor sich ging. »Wir wissen Ihr Angebot zu schätzen, müssen jedoch erst einmal mit dem Marquese von Siniestro und Joak Cascal darüber sprechen«, erklärte Uthe ausweichend. »Anica besitzt keinerlei politischen Erfahrungen. Es muß vorher abgesegnet werden, wenn sie tatsächlich als gesellschaftliche Botschafterin fungieren soll.« Jenmuhs nickte. »Gut, und nun entschuldigen Sie mich. Ich habe viel zu tun. Meine Zeit ist kostbar. Ihr Raumschiff steht zum Abflug bereit«, sagte er knapp und deutete auf die Tür. Uthe fühlte sich von dieser arroganten Art Jenmuhs mehr als einmal vor den Kopf gestoßen. Auf dem Rückflug zur KIEW I erklärte Uthe Scorbit ihrer Freundin Anica, was Jenmuhs vorgeschlagen hatte. Anica war wenig begeistert und Uthe glaubte nicht, daß etwas aus diesem Vorschlag werden würde. Das war ihr auch ganz recht. Sie war froh wieder auf dem Rückflug nach Mankind zu sein, denn dieser Jenmuhs war ihr nicht geheuer. 6. Die BAMBUS Das gesellschaftliche Interesse richtete sich in jenen Novembertagen auf der Insel nicht mehr auf die Politik oder auf die Theorien, was Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N der finstere Cau Thon als nächstes planen würde, sondern auf das 500 Meter durchmessende Schiff BAMBUS. Die Umbaumaßnahmen am ehemaligen LFT-Schiff waren abgeschlossen. Nun war es ein riesiger Disko-Raumer . Offiziell wurde die BAMBUS als Vergnügungsliner bezeichnet. Und dort sollte die längste Party des Jahrhunderts steigen. Am 17. November 1296 NGZ sollte die BAMBUS zu einer fünftägigen Reise quer durch Cartwheel aufbrechen. Mit 5000 Gästen an Bord, sowie vielen bekannten Musikern und Ehrengästen sollte die Feier die Reise über nicht unterbrochen werden. Das war für viele natürlich eine Attraktion. Besonders junge Bürger der Insel rissen sich um die Tickets und binnen weniger Stunden nach Bekanntgabe der Party des Jahrhunderts in den Medien waren alle Karten verkauft. Der biedere Peter Roehk, der verschlagene Werner Niesewitz und der Prolet Reini Katschmarek versprachen sich einen riesigen Gewinn aus dieser Aktion. * Die beiden Gleiter eilten auf den Raumhafen zu. Regentropfen plätscherten auf das Dach und das Sichtfenster des Gefährts. Reinhard Katschmarek saß auf dem Rücksitz und bohrte in seiner Nase. Als er gefunden hatte, was er suchte, steckte er das grüne Gebilde in den Mund und zerkaute es. Werner Niesewitz saß auf dem Beifahrersitz und starrte aus dem Fenster. Er dachte flüchtig an seinen alten Kameraden Eberhard Wieber, der einen grausamen Tod auf Prosperohs Burg gestorben war. Doch er und Reini hatten den Mörder selbst hingerichtet. Überheblich sinnierte Werner über seine Stärke und Unfehlbarkeit. Er kicherte leise vor sich hin. Der Fahrer, ein dunkelhäutiger Terraner, blickte ungläubig den kleinwüchsigen Mann an. »Ist was? Konzentriere dich gefälligst auf das Fliegen, du Nigger!« fauchte Niesewitz den Afroterraner an, der mit dem Begriff Nigger nichts anfangen konnte. Solche rassistischen Bemerkungen gab es 193 auf der Erde und deren Kolonien nicht mehr. Rassismus spiegelte sich heute im Verhalten der Völker untereinander wieder, doch es gab seit Jahrtausenden keinerlei Probleme zwischen Terranern unter sich mehr. Doch Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek, der blubbernd lachte, kamen aus einer anderen Epoche. Sie wurden Ende des 20. Jahrhunderts Studienzwecken entführt und in Stasis gehüllt. Dort verweilten sie bis zum Jahre 1291 NGZ, bis sie von Jonathan Andrews, Remus Scorbit und der Besatzung der THEBEN aufgeweckt wurden. Im Gegensatz zu dem Marquese von Siniestro konnten sich die beiden Deutschen nicht in die Gesellschaft eingliedern. Ihre Gesinnung entsprach nicht der humanen und toleranten Gesellschaft auf Terra und deren Kolonien. Das war den beiden jedoch völlig gleichgültig. Sie wollten Profit erwirtschaften und sich ein schönes Leben machen. Dieses Ziel erhofften sie mit dem DiskoRaumer zu erreichen. Und da lag er vor ihnen. Im Regen schien der Kugelraumer dunkel und trist. Dennoch wirkte er imposant auf Werner Niesewitz. Der Altterraner dachte darüber nach, wie wundervoll es wäre, tausende solcher fliegenden Festungen zu besitzen, und sie einzusetzen. Der Terra-Block könnte doch ganz Cartwheel beherrschen. Dazu waren nur viele Soldaten, Raumschiffe, der Siegeswille und ein großer Feldherr nötig. Niesewitz sah in sich selbst allerdings keinen General. Er hatte andere Interessen und ging lieber viel subtiler vor, als ein plumper Militarist. Die Gleiter hielten nahe der BAMBUS. Das Raumschiff wurde von Darvos Sicherheitsteam bewacht. Keiner der kahlgeschorenen Muskelpakete machte einen sympathischen Eindruck. Grimmig drehten sie um den Hangar ihre Runden. Zwei von ihnen rannten mit Regenschirmen zu den Gleitern und begrüßten die drei Terraner. Ihr Anführer war Darvos. Der 2,50 m große Oxtorner war ein wahrer Gigant. Das kantige Gesicht des Umweltangepaßten strahlte keine Freundlichkeit aus. Er begrüßte kurz und knapp seine Arbeitgeber und eskortierte sie zu dem 194 D O R G O N Schiff. Aus dem anderen Gleiter stiegen Ferby H und Dykkar aus. »Darvos, paß auf, daß bei dem Regen deine Frisur nicht kaputtgeht«, meinte Dykkar neckisch und grinste vor sich hin. Selbst der Oxtorner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er ermahnte sich, da er darauf geschult wurde, nicht freundlich zu sein. In seinem Job mußte man 24 Stunden in der Woche den harten Kerl spielen. Yan Cruze kam herausgestürmt. Er sollte zusammen mit Vekner für die persönliche Betreuung von den Inhabern und Geschäftsführern zuständig sein. Cruze war völlig außer Atem, als er die beiden Gleiter erreicht hatte. Darvos drückte ihm gleich den Regenschirm in die Hand. »Können wir keine Formenergie von den Gleitern bis zu dem Eingang spannen?« fragte Cruze unwirsch. Darvos blickte ihn an und sagte: »Das Wasser tut dir gut, Dickerchen!« »Wer ist hier dick? Höchstens wohl genährt«, protestierte Cruze und stampfte mit dem Fuß auf den Boden. Ferby H begrüßte seine drei Auftraggeber mit einem Handschlag. Dann blickten sie auf die BAMBUS. »Ein prächtiges Schiffchen«, sinnierte Peter Roehk lächelnd. »Nun ja, von außen müssen wir es noch etwas bunter gestalten. Es wirkt wie ein Militärschiff. Nicht daß ich etwas dagegen hätte, aber es sollte freundlich auf die Besucher wirken«, antwortete Niesewitz. »Wir können ja ein paar nackte Frauen auf die Außenhülle malen«, schlug Reini Katschmarek allen ernstes vor. »He, Reini, langsam sprichst du meine Sprache«, sagte Dykkar fröhlich. Die fünf Terraner lachten lauthals und betraten über der Einstiegsbrücke den Kugelraumer. Sie gelangten in eine luxuriöse Halle, die an einen Palast erinnerte. Dort kamen ihnen zwei Freunde entgegen. Es waren Karl-Adolf und Ottilie Braunhauer. Karl-Adolf Braunhauer schlurfte mit tapsigen Schritten auf die drei Terraner zu. Er wirkte sichtlich müde und angegriffen. Neben ihm Nils Hirseland ging hüstelnd seine Frau, die ein Schnapsglas in der Hand hielt. Erst als die Braunhauers kurz vor Niesewitz, Katschmarek und Roehk stehenblieben, setzte Karl-Adolf ein Lächeln auf. »Hallo, hallo, Freunde«, begrüßte er sie freudig. Braunhauer sollte den Posten des Hausmeisters und Verwalters der BAMBUS übernehmen. Reini, Werner und Peter hatten ihrem Freund das Angebot in jener Nacht im Raumwolf offeriert. Ihm zur Seite wurde Vekner gestellt. Der blonde Terraner war wenig erbaut darüber, denn Karl-Adolf Braunhauer triezte ihn wie einen Sklaven. Jedoch schien sich Karl-Adolf Braunhauer nicht so sehr von seiner letzten Feier erholt zu haben, denn die Augen in seinem faltigen Gesicht strahlten kaum mehr Lebensenergie aus. Doch taten sie das eigentlich fast nie. Ottilie Braunhauer wandte sich an Darvos. »Junger Mann, Sie könnten mal den blauen Sack nachher in den... den... den, na das Dings da, was den Müll wegmacht...« »Konverter«, stellte Darvos unfreundlich fest. »Ja, so ein Dings da eben. Sie könnten mal den blauen Sack mit den Windeln meines Mannes da hineinwerfen. Mein Mann leidet ja inkognito. Nein, das hieß anders... einen Moment, ich kommt gleich darauf... inkotigenz... nein, inkontilenz glaube ich«, stammelte die alte Terranerin. Der Umweltangepaßte starrte auf einen blauen Sack in der Ecke. »Aber vorsichtig, Sie wissen ja nicht, wie schwer Pusche sein kann«, erklärte Ottilie Braunhauer weiter. Grimmig lief Darvos zu dem blauen Sack und nahm ihn hoch. Der Gestank drang in seine Nase, die er rümpfte. Er rief Vekner herbei, der dann die Ehre hatte die Exkremente von KarlAdolf Braunhauer zu entsorgen. Zu Darvos Bedauern waren die Braunhauers seine Vorgesetzten. Wäre dem nicht so, hätte er anstelle der Windeln, die beiden alten Leute in den Konverter geworfen. Karl-Adolf wirkte geistesabwesend. Plötzlich sagte er zu Werner: »Hans, ich muß jetzt Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N noch meinen Rundgang machen.« Niesewitz nickte nur. Er verzichtete darauf, Braunhauer zu korrigieren, da er es wahrscheinlich sowieso nicht begriffen hätte. Langsam schlurfte der alte Terraner zu einem Antigrav, in den er langsam einstieg und zur nächste Etage schwebte. Seine Frau hingegen war bereits in einer der großen Hallen, wo sie am Tresen stand und einige Gläser Vurguzz in sich hineinschüttete. Das dritte Familienmitglied im Bunde war Inge Bohmar, um die sich Ottilie kümmerte. Da sie Inge Bohmar nicht unbeaufsichtigt lassen wollten, hatten Ottilie beschlossen, sie auf die BAMBUS mitzunehmen. Die drei Deutschen gingen weiter und musterten einige Mitarbeiter. Zwei hochgewachsene, schlanke Frauen standen an einer Ecke und rauchten eine Zigarette. Eine von ihnen hatte kurze blonde Haare, die andere war brünett. Beide hatten einen einmaligen Körperbau, wie Katschmarek fand. Es waren Bienya und Kathy Scolar. »Hallo Mädels«, grüßte er sie in seinem ganzen nicht vorhandenen Charme. Die beiden Terranerinnen sahen sich verdutzt an. Die Brünette lächelte kurz. Die Blonde lächelte erst, als sie Peter Roehk sah. Reini war nicht sonderlich begeistert davon. »Nun hört mal zu, ihr beiden Schnepfen. Ich bin einer von den beiden zwei Geldgebern der BAMBUS. Also etwas mehr Respekt tue ich von euch verlangen tun!« brüllte Reinhard Katschmarek in seinem falschen Interkosmo. Beinahe hätten die beiden Frauen losgelacht, doch der Tonfall in Reinis Stimme verängstigte sie etwas. »Entschuldigung, ich bin Bienya und das ist meine Schwester Kathy«, erklärte die Blonde Terranerin. »Ah, so ist das doch gleich viel besser«, meinte Reini und betatschte Bienyas Oberschenkel. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. »Vielleicht Lust auf eine kleine Extrazulage?« »Nur wenn du eine Million Jahre jünger wärst«, antwortete die Terranerin schlagfertig. Niesewitz und Roehk mußten nach dieser Bemerkung lachen. Reini warf der Blonden je- 195 doch einen giftigen Blick zu, bevor er mit den anderen beiden weiterging. »Dem hast du es aber gegeben«, lobte Kathy ihre ältere Schwester, die nur abfällig hinter den drei alten Terranern blickte und weiter an ihrer Zigarette zog. Ferby stellte sich kurz zu ihr. »Schatz, der Typ zahlt dein Gehalt, also sei etwas netter«, ermahnte er sie. Bienya nickte verlegen. Am liebsten hätte sie etwas entgegnet, doch in dieser Situation war es besser gewesen zu schweigen. Sie wollte den Job nicht verlieren. Ferby war zufrieden und gab ihr einen Kuß auf die Wange und ging mit den anderen weiter. Reiko war schon vorgegangen, um nachzusehen, ob alles erledigt wurde. Reini murmelte noch etwas in seinen Bart, was jedoch niemand verstand. Plötzlich stand ihm ein grimmiger Ertruser im Weg. »Ah, der Kommandant, Ervos Wilbur «, erklärte Peter Roehk laut und deutete auf einen Epsaler. Der Kommandant der BAMBUS begrüßte Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek unwirsch. »Meine Herren, ich stehe zu Ihren Diensten. Das ist meine Crew!« sagte der Epsaler und deutete auf ein zwölfköpfiges Team, bestehend aus Blues, Topsidern, Peepsies und Springern. »Die sehen nett aus«, fand Reinhard Katschmarek. »Ein bißchen wenig, oder?« wollte Niesewitz wissen. Roehk schüttelte mit dem Kopf. »Die BAMBUS wird hauptsächlich von einem positronisch-syntronischen Rechenverbund gesteuert. Da reichen die zwölf Gestalten für Navigation, Ortung, Funk und Maschinenraum. Die Wartung wird von Robotern übernommen und die Betreuung der Gäste von unseren gut bestückten Hostessen«, erklärte Peter Roehk und strahlte lüstern bei seinem letzten Satz. Niesewitz nickte nur unmerklich. Einige des knapp dreihundert Mann starken Servicepersonals waren bereits bei der Arbeit, putzten, füllten die Tresen mit Getränken oder arbeiteten an der gewaltigen Soundanlage. 196 D O R G O N Eine von den Damen kam Niesewitz sehr bekannt vor. Die große blonde Terranerin stand an einem Tresen und sortierte die Gläser und Getränke. »Sieh mal an! Wen haben wir den da?« rief der kleine Terraner laut durch den Raum. Jezzica Tazum drehte sich überrascht um und öffnete den Mund weit, als sie Katschmarek und Niesewitz erblickte. »Was macht ihr zwei komischen Vögel denn hier? Darvos, hier sind zwei Typen, die du besser rauswirfst!« meinte sie zu dem Oxtorner, der sie böse ansah. Niesewitz, Roehk und Katschmarek lachten laut. Jezzica stemmte die Arme in die Hüften und wußte nicht, was sie sagen sollte. Peter Roehk kannte sie, denn er hatte die Terranerin eingestellt. Mit der BAMBUS war ein Traum für die Partygängerin in Erfüllung gegangen. Der Job auf der THEBEN hatte ihr zwar auch Spaß bereitet, doch gegen die BAMBUS war die THEBEN ein alter Kahn. »Peter, was hast du mit denen zu schaffen?« wollte sie nun wissen. »Mein Kindchen«, begann er und tätschelte an ihren Schenkeln. »Das sind meine beiden Geschäftspartner und damit deine Arbeitgeber und Vorgesetzten. Jeder Wunsch von ihnen ist dir ein Befehl!« Jezzica atmete tief durch. Warum mußte sie ausgerechnet diese beiden Gestalten wieder treffen? Die Vorfälle auf der TERSAL waren ihr noch in bester Erinnerung. Doch wenn sie den Job behalten wollte, mußte sie sich den Wünschen der drei beugen. »Ich erledige allerdings nur die Arbeiten, die in meinem Vertrag stehen. Sonst nichts!« stellte die junge Terranerin klar, als sie die lüsternen Blicke der drei Kreaturen bemerkte. »Schade, schade, schade...« Peter Roehk nahm Jezzica in den Arm und blickte ihr in den Ausschnitt. Seine Mundwinkel zuckten vor Erregung. Jezzica schob ihn mit der Ausrede, sie hätte noch zu arbeiten, sanft beiseite. Roehk stellte noch andere Mitarbeiter vor; den Olymper Krizoff, den Terraner Stony und Nils Hirseland den Discjockey Abfallhaufen. DJ Abfallhaufen, natürlich war dies nur sein Künstlername, sorgte für die Musik. Er war nicht sonderlich groß, trug eine Hornbrille und stets ein Cappy. Niesewitz, Katschmarek und Roehk verabschiedeten sich von der Gruppe, um ihre Besichtigungstour fortzuführen. Sie stolzierten durch ihr Schiff und gaben den Arbeitern noch verschiedene Anweisungen. Anschließend führte sie ihr Weg wieder zu Jezzica Tazums Tresen und sie bestellten Vurguzz. Die drei Terraner hoben die Gläser. »Auf die BAMBUS, viel Geld und unseren Wohlstand!« sprach Roehk. »Auf uns!« wiederholten die anderen beiden und stießen an. Ferby, Reinhard Katschmarek und Peter Roehk dachten nur an das Geld und die hübschen Frauen, während Werner Niesewitz andere Ziele verfolgte. Die BAMBUS sollte nur ein Sprungbrett zur Macht sein. 7. Das neue IMPERIUM ALPHA Joak Cascal hatte eine Besprechung im neuen IMPERIUM ALPHA einberufen. Nicht nur der Name des Regierungssitzes war neu, sondern auch einige technische Einzelheiten. So war IMPERIUM ALPHA ein 900 Meter durchmessendes und 500 Meter hohes großes, versorgungstechnisch autarkes Objekt, welches sogar einen eigenen Schutzschirm für den Notfall besaß. Die Wissenschaftler unter Timo Zoltan arbeiteten zur Zeit an einem eigenen Antrieb für IMPERIUM ALPHA. Es schien so, als wollte Joak Cascal wollte scheinbar eine zweite Solare Residenz in einem bescheideren Maßstab errichten. Vielleicht wollte er auch nur auf Nummer sicher gehen. In einem der Besprechungszimmer fanden sich Cascal, der Marquese von Siniestro, Gal’Arn, Remus und Uthe Scorbit sowie Jonathan Andrews und Timo Zoltan ein. »Guten Morgen, meine Herren«, begrüßte Cascal seine Kollegen und Freunde, denen er vollends vertraute. Er holte sich eine Tasse Kaffee und nahm einen Schluck von der schwarzen Brühe. Dann Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N ging er zur Tagesordnung über. Uthe berichtete als erstes über Jenmuhs Vorschlag und dem seltsamen Verhalten des Kristallkönigs. Die anderen hörten genau zu. Cascal kratzte sich am Hinterkopf und blickte zum Marquese von Siniestro und Gal’Arn. »Was sollen wir tun?« »Das ist doch offensichtlich. Dieses perverse Schwein – Entschuldigung – ist scharf auf die naive Anica. Wir sollten sie keiner unnötigen Gefahr aussetzen und zum Spielball der Politik machen«, wandte Jonathan Andrews ein. Gal’Arn nickte zustimmend seinem Schützling zu. »Ich würde es mit anderen Worten ausdrücken, aber Jonathan hat recht. Die Ambitionen Jenmuhs sind uns bekannt. Sollte er wie sein Bruder sein, würden wir Anica einer permanenten Gefahr aussetzen. Außerdem bezweifle ich, daß sie einen positiven Einfluß auf Jenmuhs haben wird oder sich die politische Beziehung mit Bostich wirklich verbessern.« Diesen Argumenten konnte keiner der Anwesenden widersprechen. Jeder war sich über die wahren Beweggründe Uwahn Jenmuhs im Klaren. »Dann sehen wir das Thema als erledigt an. Ich werde Slote anweisen, sich bei Jenmuhs in aller Form zu bedanken, aber ablehnen«, faßte Cascal zusammen. Er blickte zum Marquese, der mit einem Nicken seine Zustimmung signalisierte. »Das zweite Thema hat weniger etwas mit Politik zu tun als mit gesellschaftlichem Interesse«, begann der Marquese nun. »Wir haben eine Einladung von unseren guten Freunden Werner Niesewitz und Peter Roehk bekommen. Sie laden uns zu einer fünftägigen Reise mit dem Discoliner BAMBUS ein. Zweifelsohne eine gute Idee, denn es sorgt für Zerstreuung bei den jüngeren Bewohnern Cartwheels, doch ich werde bestimmt nicht daran teilnehmen.« »Natürlich nicht«, kommentierte Diabolo die Aussage seines Herren. Der Posbi hatte soeben den Raum betreten und bewegte sich auf den Marquese zu. »Wir sollten aber vielleicht jemanden des Terra-Blocks entsenden«, schlug Cascal vor, lehnte selbst aber ebenfalls ab. Das war nichts 197 für ihn. »Ich habe Lust!« meldete sich Jonathan Andrews. Auch Remus und Uthe Scorbit bekundeten ihr Interesse. Die jüngeren Repräsentanten des Terra-Blocks hatten sicherlich einen besseren Bezug zu den Geflogenheiten bei Parties als die Repräsentanten über 1000. »Was ist mit dir, Meister?« wollte Andrews wissen. Gal’Arn lächelte verlegen. »Ich bezweifle, daß ich mich für so etwas begeistern kann. Geh du ruhig, ich werde auf Mankind bleiben.« Andrews wirkte etwas enttäuscht, obwohl er wußte, daß sich Gal’Arn wenig aus Zelebrationen machte. Deshalb unterließ er weitere Versuche, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. »Nun, dann wünsche ich euch drei eine gute Reise«, erklärte Cascal und beendete damit die Unterredung. * IMPERIUM ALPHA war so ausgelegt worden, daß die meisten Bediensteten des Gebäudes eine Unterkunft besaßen. Für diesen Zweck waren drei Etagen des großen Komplexes als luxuriöse Appartements mit großem Balkon eingerichtet. Jonathan Andrews hatte Marya und sich selbst ein großes Appartement in IMPERIUM ALPHA einrichten lassen. Er kam damit ihrem Wunsch nach einer eigenen Wohnung mit ihrem Freund nach. Zu ihrem Bedauern waren Gal’Arn, sein Orbiter Jaktar sowie das Scorbit Ehepaar in der selben Etage einquartiert. Auch Mathew Wallace, Irwan Dove und Lorif bewohnten dieselbe Etage. Andrews ging nach der Unterredung zu sich nach Hause. Marya lag auf der Couch, lackierte sich die Fingernägel und schaute Nachrichten. Sie machte einen gelangweilten Eindruck. Jonathan begrüßte seine Freundin mit einem Kuß auf die Wange. »Nie sind wir in den Nachrichten. Ich dachte, du bist ein Star, Johnny«, seufzte Marya. »Laut Gal’Arn dürstet es einen Ritter der D O R G O N 198 Tiefe nicht nach Ruhm. Wir tun unsere Pflicht und erwarten keinen Dank, denn wir wissen, daß es richtig ist, was wir tun«, erklärte er seiner Freundin, die wenig Verständnis dafür hatte. »So ein Quatsch. Ruhm und Anerkennung sind wichtig. Nur so wirst du etwas in dieser Galaxis«, sagte sie voller Überzeugung. Sie stand auf und umarmte ihren Freund. Sie huschte mit ihren Lippen über die seinen. »Stell dir das nur vor. Wir beide im Fernsehen, geben endlose Partys und schwimmen im Geld. Wäre das nichts?« Andrews sah sie ernst an. »Es gibt wichtigeres. Freunde, eine Aufgabe und eine liebenswerte Frau. Ich habe alles das, warum mehr?« Marya konnte und wollte diese Einstellung nicht teilen. Immerhin erweichte es ihr Herz, daß sie die Frau war, die er liebte. Sie schmiegte sich eng an seinen Körper und küßte ihn innig. »Ich habe etwas für dich«, flüsterte Jonathan. »Was?« wollte sie wissen. »Eine fünftägige Reise auf der BAMBUS, diesem neuen Luxusraumer, der andauernd in der Presse ist. Wir sind Ehrengäste und vertreten den Terra-Block. Gefällt dir das?« Marya konnte kaum glauben, was sie da hörte. Sie hüpfte vor Freude auf der Stelle und umarmte Andrews innig. »Wann fliegen wir?« »Am 17. November. Es geht also bald los!« »Dann haben wir ja noch etwas Zeit...« sprach Marya zweideutig und knöpfte sich die Bluse auf. * Remus und Uthe Scorbit saßen auf dem großen Balkon und blickten über die Stadt. Sowohl Uthe als auch Remus hatten ein schlechtes Gewissen, weil sie sich beide gegenüber nicht sonderlich gut benommen hatten. Keiner der beiden sagte etwas. Schließlich war es Remus, der doch den ersten Schritt machte und sich bei Uthe für sein schlechtes Verhalten und seine nächtlichen Eskapaden mit Helge von Hahn entschuldigte. Auch Uthe entschuldigte sich für ihr schroffes Verhalten und ihrer Uneinsichtigkeit gegen- Nils Hirseland über Jenmuhs. Die beiden versöhnten sich und beobachteten den Sonnenuntergang über New Terrania City. Sie freuten sich bereits auf die Kreuzfahrt der BAMBUS, obwohl sie keine Ahnung hatten, was auf sie zukommen würde. 8. Pariczas Castle, New Paricza Leticron hatte gestern das erste Mal in den Nachrichten von der BAMBUS gehört. Er hatte die Ankündigung der fünftägigen Partytour durch die Insel mit keinem großen Interesse verfolgt. Vielmehr wartete er auf Ergebnisse aus seiner Klonfabrik. Das war sein Langzeitplan, auf den sicher auch Cau Thon stolz gewesen wäre. Innerhalb von nur wenigen Jahren hätte sich Leticron eine mächtige Armee aufgebaut, mit der er Cartwheel beherrschen konnte. Damit würde die Festung gegen MODRORs Armeen fallen und das Schicksal der Milchstraße, wie auch Rhodans besiegelt sein. Der Corun von Paricza dachte nun doch wieder an die BAMBUS, denn er hatte eine persönliche Einladung bekommen. Natürlich wollte er ablehnen. Uwahn Jenmuhs und Sam hatten bereits wenige Stunden nach Erhalt der Einladung abgesagt. Keiner von ihnen konnte sich für diese Art von Zerstreuung begeistern. Auch der Marquese mußte aus »arbeitstechnischen Gründen« absagen. Er war im Moment der gefragteste Mann der Insel und auf seinen Schultern lastete das Vertrauen aller Wesen in Cartwheel. Sie vertrauten dem alten Terraner ihre Zukunft an. Deshalb gab es viel für Don Philippe zu tun. Das wiederum erlaubte ihm nicht die Zeit für die BAMBUS zu vergeuden. Für Leticron war der alte Spanier schwer einzuschätzen. Eine seltsame Ausstrahlung ging von ihm aus, doch wie es aussah, war der Marquese loyal gegenüber Perry Rhodan eingestellt und hoch motiviert, DORGONs Projekt zum Erfolg zu führen. Auf terranischer Seite hatten die jungen und in Leticrons Augen sehr gefährlichen Terraner Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Jonathan Andrews, Remus, Uthe Scorbit und Mathew Wallace zugesagt. Auch Aurec hatte zugesagt. Natürlich, dachte sich Leticron. Der junge charmante und charismatische Prinz Saggittors mußte sich selbstverständlich der Menge zeigen. Leticron verabscheute Aurec. Er war ähnlich wie Perry Rhodan, so unbeschreiblich edel, ehrenwert und ohne moralischen Fehl und Tadel. »Und aus diesem Grund müssen wir ihn vernichten«, hörte Leticron eine Stimme sagen. Sie war rauh und heiser. Überrascht drehte er sich um und sah Cau Thon. »Wie kommst du hierher?« »Es gibt wichtige Dinge zu besprechen, mein Bruder.« Cau Thon trug sein schwarzes Gewand. Die Kapuze hatte er abgenommen und sein roter, kahler Schädel mit den drei Sechsen auf der Stirn war sichtbar. Er wanderte durch den Raum und musterte die Inneneinrichtung. Leticron saß auf seinem Thron und beobachtete den Sohn des Chaos genau. Es war die dritte Begegnung mit ihm und noch immer war er schwer einzuschätzen. Doch Leticron wußte genau, daß sie auf derselben Seite standen. »Was gibt es für wichtige Dinge?« wollte der Pariczaner jetzt wissen. Cau Thon fixierte die Einladung der BAMBUS und hob sie telekinetisch hoch. Eine Fähigkeit, die er sich im Laufe der Zeit angeeignet hatte. »Die BAMBUS«, sprach Cau Thon bedeutungsvoll. »Was soll mit diesem Kahn sein? Ein Schiff voller Verrückter«, stellte Leticron abfällig fest. Cau Thon schüttelte unmerklich mit dem Kopf. »Ein Haufen voller verrückter Kinder sowie Aurec, Jonathan Andrews, Mathew Wallace, den Scorbits und einigen anderen bekannten Figuren Cartwheels«, entgegnete Thon kühl. Leticron verstand immer noch nicht, was sein Bruder des Chaos damit bezweckte. Er stand auf und nahm die Einladung. Der Corun war im Begriff, diese zu zerreißen, doch Cau Thon entriß sie ihm telekinetisch. 199 »Du wirst dich auf das Schiff begeben«, erklärte er. »Warum?« »Damit du zu den Opfern zählst«, deutete Cau Thon an. »Opfern? Es muß immer etwas passieren, damit es Opfer...« Jetzt verstand Leticron. Cau Thon hatte den Entschluß gefaßt, daß die BAMBUS vernichtet werden sollte, doch Leticron sah in der BAMBUS kein bedeutendes Raumschiff. »Warum ausgerechnet die BAMBUS?« fragte er. »Dein Auftrag wird es sein, die BAMBUS zu entführen und zu den Koordinaten auf diesem Memowürfel zu bringen.« Cau Thon holte aus einer Tasche einen kleinen Datenspeicher hervor und legte ihn auf einen Tisch. »Bediene dich anderer Elemente, damit kein Verdacht auf dich fällt. Nach der Entführung wirst du als Opfer dastehen und vielleicht als Retter der BAMBUS. Aurec und weitere wichtige Honorationen sollen mir auf dem Planeten Xamour übergeben werden.« »Ich verstehe.« Der Sohn des Chaos nickte zufrieden. Cartwheel würde stark geschwächt sein, wenn Aurec und die Helden aus Shagor und der IVANHOE nicht mehr am Leben wären. Außerdem würde es großen politischen Aufruhr geben, wenn der Nachwuchs der Pioniere in Cartwheel entführt würde. Nach dem Tod Aurecs würde Saggittor nicht mehr so gefährlich sein wie vorher. »Aurec ist normalerweise gut abgeschirmt in Cartwheel. In diesem Raumschiff jedoch ist er angreifbar. Mit wenig Aufwand können wir einen unserer gefährlichsten Widersacher loswerden«, meinte Leticron, der mehr und mehr von dem Plan Cau Thons angetan war. »So ist es geplant. Der Meister selbst will Aurec sehen. Alte Rechnungen sind noch zu begleichen. Aus diesem Grund soll mir Aurec lebend übergeben werden.« Leticron nickte. Cau Thon setzte sich wieder in Bewegung. »Du weißt, was du zu tun hast, mein Bruder. Unsere Wege kreuzen sich auf Xamour wieder.« D O R G O N 200 Mit diesen Worten verließ Cau Thon den Raum. Leticron blickte ihm eine Weile nach, dann nahm er die Einladung und gebot seinem Diener, unverzüglich eine Zusage an Roehk zu übermitteln. Der Corun von Paricza grübelte eine Weile über die Details des Planes. Es wäre sicherlich besser gewesen, wenn Sam und der Marquese auch auf der BAMBUS wären, doch Aurec und dieser arrogante Emporkömmling Jonathan Andrews, sowie das gefährliche Trio der IVANHOE galt es auch zu beseitigen. Selbst Sam, der Marquese, Gal’Arn und Joak Cascal konnten sich nicht so schnell von diesem Schlag erholen. Leticron grinste überlegen. Die Dinge entwickelten sich prächtig. Alles was er jetzt noch brauchte, waren Werkzeuge. Er dachte einen kurzen Moment nach, dann betätigte er den Schalter für sein Interkomgerät. »Stellt eine Verbindung mit Taka Kudon her.« Die Holographie des Gehörnten erschien Lebensgroß vor dem Thron Leticrons. Der Dscherro wirkte leicht verwundert. Leticron sprach: »Taka Kudon, für Ihre Dscherro wird es Zeit, zu kämpfen!« 9. Gedanken vor dem Abflug Es waren nur noch wenige Tage bis zum Start der BAMBUS. Die Angestellten hatten inzwischen ihre Kabinen im Raumschiff bezogen. Das Gelände war noch immer bestens von Darvos Sicherheitskräften abgeriegelt und bewacht. Die Putzkolonnen arbeiteten Tag und Nacht in der BAMBUS. Alles sollte sauber sein und sehr pompös wirken. Es war bereits spät und die meisten Angestellten hatten sich schon schlafen gelegt. In einem Zimmer saßen allerdings noch die Tresenbedienungen und Servicemitglieder. Es waren Bienya, Krizoff, Kathy, Haggy, Stony, Yan Cruze, Vekner und DJ Abfallhaufen. Sie tranken einige Gläser Bier und lauschten der elektronischen Musik, die DJ Abfallhaufen Nils Hirseland selbst komponiert hatte, wenn man es so nennen konnte. »Ist meine Musik nicht cool?« stellte er fragend in den Raum. »So cool wie du es bist«, meinte Bienya strahlend. DJ Abfallhaufen, der mit wahrem Namen Khrizan Zhmitt hieß, fühlte sich in seiner Arbeit bestätigt. Er war schon früher auf der ARAKO sehr beliebt gewesen. Zhmitt war ein persönlicher Freund von Ferby H, was ihm einen besonderen Status in diesen Kreisen verlieh. Yan Cruze interessierte das weniger. Er sagte sowieso zu allen Vorgesetzten immer »ja«, damit er keine Schwierigkeiten bekam. Er stopfte sich gerade ein paar Burger einer bekannten Fast-Food-Kette, die auf Terra ihren Ursprung hatte, in den Rachen. Vekner starrte in den Ausschnitt von Kathy Scolar und überlegte, wie er sie davon überzeugen konnte, mit ihm zu schlafen. Kathy machte jedoch einen nachdenklichen Eindruck. »Vermißt ihr nicht auch die Erde?« »Etwas...« meinte Krizoff. DJ Abfallhaufen winkte ab. »Quatsch! Hier können wir ’ne Menge Kohle machen und richtig prominent werden. Na gut, ich bin’s schon, aber vielleicht bekommt ihr mal eine Chance.« Eine Weile schwiegen die Leute. Krizoff nahm ein paar Pillen zu sich, die ihn aufputschten. Seine Augen glänzten danach und in seinem Gesicht entstand ein permanentes Grinsen. »Krizoff ist jetzt schon in Partystimmung«, meinte Stony lachend. Der kleine Terraner schlug dem Olymper freundschaftlich auf die Schulter. Krizoff bewegte sich rhythmisch zu der Musik und grinste über beide Ohren. Die anderen mußten lachen. Diese jungen Terraner standen vor ihrem größten Abenteuer. Das ahnte jedoch keiner von ihnen. Niemand wußte, daß die BAMBUS in diesen Momenten zum Hauptbestandteil einer kosmischen Verschwörung werden sollte und sie nichts weiter als kleine unbedeutende Schachfiguren in dem Kampf zwischen MODROR und DORGON waren. Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N Kathy fröstelte es etwas. Sie fuhr sich durch die Haare, dann steckte sie sich eine Zigarette an. Krizoff lächelte sie charmant an. »Irgendwie möchte ich ins Bett«, meinte er zweideutig. »Oh ja, ich komme mit«, sagte Stony scherzhaft. Krizoff zog die Augenbraue hoch und gab Stony einen Luftkuß, der nur den Kopf schüttelte. Abfallhaufen stand auf und reckte sich. »Jungs und Mädels, morgen ist wieder ein langer Tag. Ich muß noch Soundchecks machen. Die Technosongs der Blues sind so schrill, daß ich da immer erst einmal herumprobieren muß, damit sich das nicht übertönt«, erklärte er und wünschte den anderen eine gute Nacht. »Na gut, dann gehe ich eben alleine ins Bett«, murmelte Krizoff und sah Kathy enttäuscht an, die ihn nur anlächelte. »Du wirst es überleben«, meinte sie und gab dem terranischen Kolonisten einen Kuß auf die Wange. Sie spielte ein wenig mit ihm. Außerdem war sie nicht in der richtigen Stimmung dafür. Vielleicht während der Feier. Es wäre nicht das erste Mal mit dem Olymper. »Vielleicht bevorzugst du ja mich?« mischte sich Cruze scherzhaft ein. Dabei platschte etwas von seinem Burger aus seinem Mund auf sein Hemd. »Ups«, machte er nur und wischte sich die Essensreste verlegen von der Brust. Kathy schüttelte nur lächelnd den Kopf. »Konzentriere du dich lieber auf deinen Tresenservice. Ich will, daß alles reibungslos klappt, sonst beschwere ich mich bei Reiko. Die Penner sollen arbeiten, bis sie umfallen«, wechselte Bienya Scolar das Thema. Cruze war dies etwas unangenehm. Doch er versicherte Bienya, daß seine Leute alles tun würden, was sie verlangte. Er hatte nicht genügend Courage, um sich mit dem blonden Gift, wie er sie still bezeichnete, anzulegen. * Kathy Scolar stand auf und verließ den Raum. Sie lief durch die Gänge und Korridore, 201 welche um diese Uhrzeit nur von schwachem Licht erhellt wurden. Einige Lampen funktionierten noch nicht. Das gefiel der jungen Terranerin nicht sonderlich, denn ihr wurde etwas mulmig in der Dunkelheit. Sie hoffte, daß Vekner ihr nicht gefolgt war und auf dumme Gedanken kommen würde. Sie mochte den Terraner zwar, fand ihn jedoch auf der anderen Seite ziemlich unattraktiv und naiv. Plötzlich hörte sie Schritte. »Wer ist da?« rief sie in die Dunkelheit. Niemand antwortete. Kathy atmete tief durch und beschloß, weiterzugehen. Wieder hörte sie Geräusche. Es war kein Widerhall ihrer Schritte, sondern eindeutig die eines anderen. »Hallo?« Wieder kam keine Antwort. Langsam ging sie weiter. Plötzlich wurde das Licht hell und jemand stand vor ihr. Kathy schrie laut und voller Entsetzen auf. Sie brauchte einige Sekunden, um sich zu beruhigen. Der Person vor ihr war eine alte Frau mit offenen blondweißen Haaren, einem feisten und aufgedunsenen Gesicht und starren Augen, in denen der Wahnsinn stand. Kathy wich ein paar Schritte zurück und versuchte sich von dem Schock zu erholen. Die andere Frau trug ein sehr antiquiertes Nachthemd. In ihrer Hand hielt sie eine Hundeleine. Am Ende der Leine hing ein Halsband, doch der Hund dazu fehlte. »Suchen Sie Ihren Hund?« fragte Kathy letztlich. »Nein, meinen Mann. Mein Hund ist doch hier. Mach Platz Bandit. Aus!« Kathy starrte mit geöffnetem Mund auf die Frau, die an der Leine zerrte und Befehle an den nicht vorhandenen Vierbeiner gab. Gott, die ist Irre! dachte die junge Terranerin. »Na, dann. Viel Spaß beim suchen«, wünschte Kathy und ging an ihr vorbei. Doch die alte Frau packte Kathy am Arm. »Du weißt wo er ist. Du hast ihn verführt, gib es zu!« schrie die Wahnsinnige. Kathy stieß sie von sich. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wer sind D O R G O N 202 Sie überhaupt? Da ist kein Hund und Sie haben wahrscheinlich auch keinen Mann«, brüllte Kathy wütend zurück. In diesem Moment schrie die alte Frau hysterisch auf und stürzte sich auf Kathy Scolar. Die junge Terranerin war von den Kräften der Frau überrascht und wurde zu Boden geworfen. Die alte Hexe würgte Kathy und schrie unverständliches Zeug. Plötzlich wurde sie losgerissen. »Inge! Es ist jetzt gut«, rief Ottilie Braunhauer. Katschmarek und Roehk zerrten sie von der erschöpften Terranerin herunter. Kathy war sichtlich aufgelöst und brauchte eine Weile, um sich wieder zu fassen. Sie zitterte am ganzen Körper. Darvos eilte herbei und half ihr hoch. »Alles in Ordnung?« fragte er schon fast besorgt. Kathy nickte schwach und faßte sich an die Kehle. »Sie hat Werner verführt und muß bestraft werden«, keifte Inge Bohmar. Ottilie lachte herzlich. »Nun beruhige dich doch mal wieder. Es ist ja alles gut. Das böse Mädchen wird dich nicht mehr belästigen«, erklärte Ottilie und brachte Inge wieder in ihr Zimmer. Das war also die besagte Cousine von KarlAdolf Braunhauer. Kathy schüttelte den Kopf und wurde von Darvos in ihr Zimmer begleitet. Erschöpft legte sie sich hin und schlief tief und fest ein. * Am nächsten Morgen regte sich Kathy Scolar noch über den Vorfall mit Inge Bohmar auf. Sie beschwerte sich bei Peter Roehk und Ferby. Doch die beiden versprachen ihr nur eine kleine, finanzielle Entschädigung für die Attacke. Damit war die Terranerin nicht sonderlich zufrieden und meckerte weiter herum, bis Niesewitz ihr klar und deutlich zu verstehen gab, daß Inge Bohmar wichtiger sei als sie! Kathy verstand die Drohung und beschloß, den Vorfall zu vergessen. Sie saß in der Cafeteria und trank einen Kaf- Nils Hirseland fee. Ihre Schwester bestückte bereits die Tresen, denn der Start der BAMBUS war in drei Tagen. Dabei keifte sie wieder die Tresenbedienungen an. »Was soll das?« meckerte sie. »Warum trägt jeder alleine einen Kasten? Könnt ihr nicht mehr schleppen? Habt ihr keinen Antigrav? Das kostet alles Zeit!« Die Tresenbedienungen, welche das Ziel des verbalen Angriffs gewesen waren, wechselten vielsagende Blicke miteinander und murmelten einige Verwünschungen über Bienya Scolar. Yan Cruze kam angerannt oder versuchte zumindest in einem für ihn schnellen Tempo den Tresen zu erreichen. »Ja ja, Bienya. Wir machen alles, was du sagst«, sagte er laut, um die ältere Scolar zufriedenzustellen. »Die Alte hat bestimmt wieder ihre Tage«, flüsterte er zu dem im am nächsten stehenden Kollegen, der nur bestätigend lächelte. Krizoff setzte sich zu Kathy Scolar und fragte sie nach gestern aus, doch Kathy schwieg lieber. Sie wollte ihre Stelle nicht gleich verlieren. »Es ist alles in Ordnung. Wir müssen Mitleid und Verständnis mit der armen Irren haben, hat Ferby gesagt«, erklärte sie verdrossen. Krizoff verzog seine Miene. »Das kann ja wohl nicht sein, daß eine Geisteskranke uns noch angreift.« Kathy nickte nur zustimmend. Dann rückte der Olymper näher an die Terranerin heran und flüsterte: »Die Typen sind hier sowieso seltsam. Dieser Niesewitz und sein Freund Katschmarek, genauso wie die Braunhauers. Die haben entweder einen Totalschaden oder verbergen etwas.« Kathy wußte nicht, was sie sagen sollte. Mißtrauisch blickte sie sich um. Es kam aber nur Jezzica Tazum in den Raum, die sich zu den beiden setzte. »Alles wieder in Ordnung bei dir?« erkundigte sie sich besorgt. »Ja, danke...« Jezzica nahm auch einen kräftigen Schluck Kaffee. Sie entzündete sich eine Zigarette und lehnte sich zurück. »Ich kann es immer noch nicht fassen! Da habe ich Jonathan erklärt, daß ich kein Aben- Die Ruhe vor dem Sturm D O R G O N teurerleben will und denke hier ist meine neue Zukunft und nun sind schon wieder diese Behämmerten hier. Wo die sind, gibt es bestimmt Ärger!« »Tolle Perspektiven«, meinte Krizoff ärgerlich. In diesem Moment kamen Niesewitz und Katschmarek gefolgt von den Braunhauers und Inge Bohmar in den Raum. Kathy wollte aufstehen und weggehen, doch Jezzica hielt sie fest und schüttelte leicht mit dem Kopf. Inge bemerkte Kathy sofort und ging zu ihr. »Liebe Frau Scolar, es tut mir leid. Werner hat mir erklärt, daß alles ein Mißverständnis war«, sagte sie aufrichtig. »Ich verstehe...« entgegnete Kathy leise. Es herrschte für eine Weile Stille. Dann wurde Inge Bohmar wieder ungehalten. »Warum antworten Sie Werner nicht?« Kathy verstand nicht. Es war kein anderer da. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte und blickte hilfesuchend zu Jezzica, die aufstand und Inge Bohmar zu den Braunhauers brachte. Sie entschuldigte sich für Kathys Verhalten und erklärte, daß die junge Terranerin etwas verwirrt sei. Inge verstand das und akzeptierte die Entschuldigung. Sie setzte sich zu Ottilie, die wie immer laut von ihrem Leid klagte. Karl-Adolf hingegen hatte sich Vekner geschnappt und befahl ihm, die Kantine sauber zu machen. Unter den Anweisungen des fähigsten Hausmeisters diesseits der Materiequellen mußte der Terraner mit einem Besen den Raum ausfegen. Er verfluchte Braunhauer, doch niemand wagte es, etwas gegen den persönlichen Freund der Teilhaber zu sagen. »So ein Leben als Abenteurerin ist doch auch nicht so schlecht. Und außerdem scheint dieser Jonathan Andrews ein netter Kerl zu sein nach deinen Schilderungen«, meinte Kathy zu Jezzica Tazum. Die lächelte nur kurz und stierte auf ihren Kaffee. »Es ist eben kein Leben für mich. Du mußt zu viele Entbehrungen in Kauf nehmen. Ich will auch feiern können, trinken und Spaß haben. Jonathan ist von dem Wunsch besessen Ritter der 203 Tiefe zu werden. Wenn sich der Dickkopf etwas vorgenommen hat, dann zieht er es auch durch. Ich glaube nicht, daß das mit ihm und mir klappen würde.« »Du solltest es zumindest versuchen«, riet Kathy. Jezzica schüttelte mit dem Kopf. »Er hat schon eine andere«, wehrte sie ab. »Und wie ich schon sagte, das wäre nicht mein Leben. Ich muß feiern können. Das gefällt mir. Das Leben ist so kurz. Man muß es in vollen Zügen genießen können...« Kathy gab es auf und sah lieber zu, wie Krizoff von Karl-Adolf Braunhauer durch den Raum gescheucht wurde. * Es waren nur noch drei Tage bis zum Start der BAMBUS. Ferby saß zusammen mit Roehk im Büro und ging die Gästeliste durch. »Sowohl Aurec als auch Nor’Citel haben zugesagt. Damit sind zwei Typen vom Paxus-Rat auf der Reise. Das nenne ich eine fette Bilanz«, meinte Ferby grinsend. Er glaubte, daß es dadurch noch mehr Rummel um die BAMBUS und seine Person geben würde. Diese Idee war doch besser als der langweilige Drogenhandel, der sowieso nicht mehr sonderlich florierte, denn die wenigsten in Cartwheel waren drogensüchtig. Jedoch konnte er sein altes Geschäft mit dem Neuen verbinden, denn viele Wesen brauchten auf Partys stimulierende Mittel. Auf diese Weise konnte Ferby einen netten Nebenverdienst einstecken. Roehk nickte zufrieden. »Auch Jonathan Andrews – Orbiter von Gal’Arn –, Mathew Wallace, Irwan Dove, Lorif, Remus und Uthe Scorbit haben sich angemeldet. Das sind schon einige Persönlichkeiten, die bestimmt auch für die Aufmerksamkeit der Presse sorgen werden«, erklärte der Inhaber der BAMBUS stolz. »Gut, daß dieses stinkende, zeckenzerfressene Vieh Gucky nicht mitgekommen ist. Er ist wohl in der Milchstraße und kehrt erst in wenigen Tagen zurück. Da sind wir schon weg«, sagte Ferby mit voller Abscheu vor dem niedli- D O R G O N 204 chen Mausbiber. Roehk lachte gepreßt. »Dieser Schnüffler hätte uns noch gefehlt«, stimmte er zu und widmete sich danach wieder seiner Arbeit. »Wir haben auch ein paar Spitzen-DJs eingeladen«, murmelte Ferby. Irgendwie störte es ihn fast, denn er wollte der größte Star sein. Noch mehr störte es aber DJ Abfallhaufen, denn gegen die Gast-DJs war er ein Weisenknabe. Einmal hatte Abfallhaufen sogar zu Ferby gesagt, er würde aussteigen, doch Krizan Zhmitt wußte genau, daß damit seine Karriere beendet war. Er mußte sich eben damit abfinden, daß er nicht die Nummer Eins war. Die Weichen waren gestellt. 5000 Passagiere aus allen Teilen Cartwheels. Ob Terraner, Arkoniden, Akonen, Springer, Blues, Topsider, Tefroder, Galornen, Zentrifaal, Oxtorner, Ertruser, Somer oder Pariczaner – alle wollten auf die BAMBUS, um etwas zu erleben, um sich zu amüsieren und vielleicht das eine oder andere Abenteuer zu erleben. Sie wollten abschalten und für eine Weile nicht an die drohende Gefahr durch MODROR denken. Sie wollten einfach feiern und ihr Leben genießen. Ferby wollte ihnen diese Möglichkeit geben. Sie sollten sich hemmungslos der Feier hingeben, vorausgesetzt sie hatten genügend Geld. Die Party des Jahrhunderts konnte beginnen! 10. Entscheidung über Leben und Tod Leticron saß auf seinem großen Thron und wartete auf die Ankunft des Dscherro Taka Kudon. Nils Hirseland In den letzten Stunden hatte der Corun von Paricza viel über die BAMBUS nachgedacht. Er hatte inzwischen eine komplette Gästeliste erhalten und war hoch erfreut, daß einige wichtige Kämpfer Rhodans und Aurecs an Bord waren. Gal’Arn hatte zwar abgesagt, doch noch immer waren Aurec selbst, Gal’Arns Orbiter und Ritterschüler Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Lorif und Irwan Dove an Bord. Sie würden alle – bis auf Aurec – sterben. Warum der Saggittone nun unbedingt dem Meister selbst vorgeführt werden mußte, verstand Leticron nicht, doch es war gleichbedeutend mit dem Tod des Saggittonen. 5000 Gäste waren insgesamt an Bord. Hinzu kamen knapp 300 Mitarbeiter. Eine Entführung würde die einzelnen Planetenregierungen in Aufregung versetzen. Da zumeist Jugendliche an Bord waren, würden die Eltern auf die Barrikaden steigen. Sicher würde sich jeder selbst die Schuld in die Schuhe schieben. Und dann kehrte die BAMBUS wieder zurück. Leticron sollte es dann zu verdanken sein, daß die meisten Wesen lebend zurückgebracht werden konnten. Nun galt es nur noch die willigen Werkzeuge für diese Entführung zu finden. Das Werkzeug selbst durfte nicht zu intelligent sein und bereit, für Geld alles zu tun. Leticron lachte als er dies gerade dachte und in demselben Moment Taka Kudon in den Saal hereinmarschiert kam. Er war sein Werkzeug. »Koscha!« brüllte der dicke Gehörnte und schlug sich auf die Brust. Leticron erhob kurz die Hand. »Taka Kudon. Es wird Zeit, daß deine Kämpfer etwas zu tun bekommen. Es wird Zeit zu brandschatzen, zu rauben und zu morden...« Heft 48 Die Party des Jahrhunderts Die Attraktion in Cartwheel - der Discoraumer BAMBUS von Nils Hirseland Titelbild von Klaus G. Schimanski Die Party des Jahrhunderts D O R G O N 1. In den Wäldern Saggittors Bäume, soweit das Auge reichte. Prächtige Nadelbäume und ebenso beeindruckende Laubbäume erstreckten sich über das hügelige Land. Aurec genoß dieses grandiose Panorama des neuen Saggittors in Cartwheel. Seit einigen Monaten schon bot dieser Planet eine neue Heimat für knapp zweieinhalb Milliarden Saggittonen. Die anderen achtzehneinhalb Milliarden Saggittonen, Holpigons, Trötter, Varnider und Multivons waren auf die restlichen neun Systeme mit insgesamt 17 bewohnbaren Welten verteilt. Auf dem neuen Planeten Saggittor sollten neben der Hauptstadt Saggittora nur kleine Siedlungen aufgebaut werden. Platz genug hatte man auf der 13.890 Kilometer durchmessenden Welt. Saggittora war ein Ballungsgebiet mit 400 Millionen Einwohnern, an das die Raumhäfen und Abwehranlagen grenzten. Die restlichen Bewohner des Planeten waren auf den fünf Kontinenten in einhundert Städten und Siedlungen verteilt. Sonst gab es nur noch Freizeit- und Erholungszentren sowie medizinische Einrichtungen. Der Rest des Planeten war freie, grüne Natur. Und gerade dieses Bild genoß der Kanzler der Saggittonen. Vor einigen Wochen hatte Aurec sich eine kleine Hütte in den Bergen eingerichtet. Von dort überblickte er ein großes und bewaldetes Tal. Irgendwo hinter den Bergen lag Saggittora. Nicht zu weit entfernt, um im Notfall schnell zum Regierungsgebäude zu gelangen, aber auch nicht zu nahe gelegen, damit er wirklich abschalten konnte. Die Sonne ging langsam unter und spendete ein rotes Licht. Entspannt saß Aurec auf der Veranda in einem Schaukelstuhl und genoß das Szenario. Nur das Zirpen der Grillen und die Laute einiger Tiere erfüllten die Ruhe mit Leben. Allein die Tatsache, daß er ohne Begleitung hier saß, trübte ihn etwas. Unfreiwillig mußte er in diesen Momenten an Shel Norkat und Ule- 207 sia denken. Beide waren tot, Shel Norkat vielleicht sogar zweimal gestorben. Der Gedanke an die Terranerin brachte ihn zurück ins Jahr 1285 NGZ. Vor elf Jahren hatte er Perry Rhodan kennengelernt und mit ihm ein großes Abenteuer erlebt. Der Preis jedoch war hoch gewesen, denn Rodrom, die Inkarnation MODRORs, ließ Aurecs Familie umbringen und vernichtete das Luxusraumschiff LONDON. Beim Untergang des Raumschiffes auf einer Wasserwelt waren über elftausend Passagiere und Besatzungsmitglieder gestorben. Darunter auch Shel Norkat. Ihr Bewußtsein wurde jedoch von der Superintelligenz Saggittors, SAGGITTORA, aufgenommen. Als SAGGITTORA jedoch in einem mentalen Zweikampf mit Rodrom so geschwächt wurde, daß sie in sie aufgegangene Intelligenzen nicht mehr halten konnte, »geisterte« Shel Norkat durch Saggittor und besuchte Aurec. Dieses Ereignis konnte er seinerzeit nur schwer verkraften, denn er litt immer noch unter dem Tod Ulesias, der jungen hübschen Dorgonin und Tochter des jetzigen Kaisers Uleman. Ulesia war von einem Verräter im Widerstand getötet worden und starb in Aurecs Armen. Auch Shel Norkat blieb nicht lange, denn das Konzept SAGGITORAs konnte sich nicht manifestieren und löste sich in nichts auf. Ihre Konstante wurde von DORGON übernommen. So war ihre Seele wenigstens in Sicherheit, doch Aurec war sicher, daß das Kapitel Shel Norkat zuende geschrieben war. Innerlich sehnte er sich jedoch sehr nach der Wärme einer Frau. Doch wie es den Anschein hatte, würde er noch lange darauf verzichten müssen. Aurec hatte nur vor wenigen Dingen Angst. Für ihn stand es außer Frage, sein Leben für andere zu geben, sich in jedes Abenteuer zu stürzen und heldenhaft für Gerechtigkeit und Frieden zu kämpfen. Das Herz einer Frau zu erobern, war für ihn jedoch ein wesentlich schwierigeres Unterfangen. Außer Shel Norkat und Ulesia hatte es noch keine Frauen in seinem Leben gegeben. Sicher war der Prinz Saggittors, wie er früher genannt wurde, sehr begehrt, doch er selbst setzte die Maßstäbe hoch. 208 D O R G O N Jede Frau mußte sich darüber im Klaren sein, daß eine Beziehung mit Aurec keine normale sein würde. Er mußte für das Wohl seines Volkes und anderer Völker kämpfen. Dazu war er moralisch verpflichtet. Aurec ermahnte sich, an etwas anderes zu denken. Es gab wichtigere Dinge als seine persönlichen Gefühle. Seine Gedanken streiften nun um Cau Thon. Zwar hatte sich Cartwheel unter Sams und seiner Führung gut entwickelt, woran auch der Marquese von Siniestro einen beträchtlichen Anteil hatte, doch was würde Cau Thon als nächstes tun? Viel wußte er nicht über Cau Thon. Fest stand, wo immer er auftauchte, verursachte er großes Unheil. Cau Thon schien ein wichtiger Diener MODRORs zu sein. In welcher Verbindung er mit Rodrom stand, der so offensichtlich mit der Vernichtung Saggittors in Verbindung stand, wußte er nicht. DORGON hatte jedoch davon gesprochen, daß MODROR der Initiator all diesen Terrors sei. Cau Thon sei einer seiner wichtigsten Handlanger. Doch auch Rodrom diente MODROR. Alles, was sie bisher wußten, war der Name. Was genau MODROR darstellte, wußte zum jetzigen Zeitpunkt niemand. Vermutungen gingen in die Richtung, daß es sich um einen Chaotarchen handelte. Der Saggittone schüttelte die Gedanken ab. Bei all den Problemen war es verständlich, wenn er sich nach der Wärme einer Frau sehnte, um auf andere Gedanken zu kommen und neue Kraft zu schöpfen. Dabei fiel ihm etwas ein. Er suchte in seiner Brusttasche nach etwas und wurde auch fündig. Es war eine Einladung zur Party des Jahrhunderts auf dem Disko-Raumschiff BAMBUS. Aurec lächelte kurz. Das Schiff würde wohl kaum der Platz sein, um eine würdige Gefährtin zu finden, trotzdem wollte er auf andere Gedanken kommen und sich in der Öffentlichkeit blicken lassen. So idyllisch seine Hütte und die Umgebung waren, so beklemmend wirkten sie auch auf ihn, denn er konnte diese romantische Atmosphäre mit niemandem teilen. Also entschloß er sich, an der Reise teilzunehmen. Es war eine ruhige Zeit. Serakan konn- Nils Hirseland te ebenso die Geschäfte führen. Schnell stand er auf und begab sich in den Transmitter, der ihn direkt zu seiner Villa in Saggittora brachte. * Aurec hatte gerade seine Koffer für die fünftägige Reise gepackt, als ihn Serakan und Nataly Jargon besuchten. Aurec hieß die beiden Gäste willkommen und bot ihnen einen Platz an. »Was führt euch zu mir?« erkundigte er sich. »Ich brauche noch ein paar Instruktionen während deiner Reise«, erklärte Serakan. »Deine Sekretärin Nataly habe ich gleich mitgebracht.« Aurec verzog kurz das Gesicht, während er noch die letzten Sachen einpackte. »Sekretärin klingt so abwertend. Sie ist meine PRManagerin und Assistentin.« Die Halblinguidin schmunzelte. »Außerdem bin ich doch nur fünf Tage weg«, fuhr Aurec fort. »Du kannst also unbesorgt sein und alles so laufen lassen, wie es im Moment ist. Falls es zu unerwarteten Komplikationen kommt, bin ich auch auf der BAMBUS erreichbar.« Serakan nickte kurz. Irgendwie hatte er ein ungutes Gefühl. So als ob er Aurec nie wieder sehen würde. Er mußte schon selbst über diesen Irrglauben lachen. Er benahm sich schon wie ein ängstliches Kind. »Ach, Nataly...« rief Aurec aus dem Nebenzimmer. »Ja, Aurec?« Der Saggittone kam mit einer kleinen Holzschachtel heraus. Daraus konnte Nataly ein leises Wimmern hören. »Als ich in meinem Waldhaus war, mußte ich feststellen, daß meine Hündin Rassori tatsächlich ein paar Welpen geworfen hat. Möchten Sie vielleicht eines der Tiere haben?« Nataly schaute in den Karton und war sofort von dem kleinen schwarzen Wollknäuel hingerissen. Sie lächelte Aurec an und nickte. »Es ist ein Weibchen«, erklärte er und gab Nataly Jargon behutsam die Schachtel, die sich für das Geschenk bedankte. »Wie nennen Sie es?« Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Jargon überlegte kurz. Dann sagte sie: »Tessa.« Aurec sah sie fragend an. »Das ist linguidisch und bedeutet süß«, erklärte sie. Aurec grinste. »Sie sind tessa!« Nataly mußte loslachen und auch Aurec grinste über beide Wangen aufgrund des Kompliments. Nur Serakan stand irgendwie unbeteiligt herum und überlegte, ob er die beiden bei ihrem Flirt nicht alleine lassen sollte. Doch Aurec war bereits in Aufbruchstimmung. Er verabschiedete sich von Nataly und seinem Stellvertreter und Freund Serakan. Der Saggittone blickte Aurec eine Weile hinterher. Das ungute Gefühl hatte er immer noch. Doch er wollte seinen Gefühlen diesmal keinen Glauben schenken. 2. Die Party des Jahrhunderts Es hatte fast den Anschein, als sei das Wetter am 17. November 1296 NGZ von NATHAN vorbereitet worden. Die Sonne schien über dem Raumhafen New Terranias, keine einzige Wolke am Himmel. Doch ein laues Lüftchen sorgte für etwas Erfrischung in der Hitze. Die BAMBUS stand startbereit und bunt geschmückt auf dem Landefeld. Menschenmassen hatten sich bereits zur »Preparty« eingefunden und feierten und tanzten zu lauter Musik, während die 5000 Passagiere der BAMBUS eincheckten. Yan Cruze stand an der Rampe und stopfte sich ein paar Hamburger in den Rachen. Dabei kleckerte er und sah aus wie ein kleines Ferkel. »Hey, du! Geh gefälligst vorsichtig mit dem Gepäck um. Das sind die Anziehsachen von Aurec, dem Prinzen Saggittors. Wenn der eine Falte in seiner Socke hat, kriege ich wieder eins mit der groben Kelle über den Kopf«, blubberte er unverständlich herum, da die Hälfte des Burgers noch in seinem Mund war. Reiko kam hinzu und blickte in den Himmel. Er sagte keinen Ton. Francy und Vel-Ali 209 bewachten den Transport. »Schönes Wetter. Würde lieber am Strand liegen und meinen Wanst bräunen«, erklärte Cruze. Reiko sah ihn mürrisch an. »Ich kann dir gerne deine Papiere geben, dann kannst du Fettwanst dich in der Sonne aalen.« Cruze blickte seinen Vorgesetzten entsetzt an. »So war das nicht gemeint, Chef!« »Gut!« Cruze nickte verlegen und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit. Am liebsten hätte er Reiko mal so richtig die Meinung gesagt, doch dazu hatte er nicht genügend Courage. Yan Cruze war ein Mitläufer, ein Mann, der sich nicht gegenüber Ranghöheren durchsetzen konnte. Vekkner kam ihm entgegen. Der große blonde Terraner hielt eine Flasche Bier in der Hand und machte einen vergnügten Eindruck. »Wo warst du? Muß ich hier alles alleine machen?« zeterte Cruze. »Sorry, Dicker! Der alte Braunhauer hatte mich zum Fegen verdonnert. Danach habe ich erst mal ein Bier getrunken und eine hübsche Stewardeß in einer der Kabinen vernascht.« Dieser Angeber, dachte Cruze. Er würde auch gerne mal eine oder ein paar mehr Damen beglücken, doch bei seiner Körperfülle wollte kaum eine etwas von ihm wissen. Da blieb ihm nur noch das Essen. Auf der anderen Seite, war das Essen auch der Grund für seine Misere. Cruze befand sich in einem Teufelskreis, doch er hatte nicht genügend Kraft, sich daraus zu befreien. Ferby H. und Dykker kamen auf die Beiden zugelaufen, während Reiko schon wieder in dem Hauptsaal war und letzte Vorbereitungen für die Eröffnungsshow traf. Ferby trug ein weißes Hemd, halb geöffnet, mit einem Drachen auf der Brust. Eine Sonnenbrille schützte seine empfindlichen Augen. »So, Leute! Es geht los. Die VIPs kommen«, erklärte Ferby H. und grinste, da er sich schon auf die Party freute. »Ich hoffe, ihr benehmt euch alle«, fügte Dykkar hinzu. »Und Cruze! Friß’ nicht soviel. Ich will nicht, daß du die Verantwortung für eine Hungersnot auf der BAMBUS trägst.« D O R G O N 210 Sehr witzig, dachte der korpulente Terraner, lachte aber über Dykkars Witz. Ferbys Blick fiel auf einige Gleiter, die ihren Weg durch die Massen bahnten. An dem LFT-Wappen an der Seite konnte er erkennen, daß es sich um wichtige Besucher handelte. Die Party konnte beginnen! * »Und du bist sicher, daß du nicht mitkommen willst?« Die Stimme von Jonathan Andrews klang etwas enttäuscht. »Ganz sicher, mein junger Freund. Ich mache mir nicht viel aus diesen Feiern. Meine Kraft ziehe ich aus Meditation und Ruhe«, erklärte der Ritter der Tiefe Gal’Arn. Der Elare hatte ebenfalls eine Einladung als Ehrengast bekommen, sie jedoch abgelehnt. In der Tat hatte Gal’Arn wenig für ausschweifende Feiern übrig und sah darin keine Erholung, sondern eher eine zusätzliche Belastung. Gal’Arn betrachtete den Raumer. In leuchtenden Buchstaben stand BAMBUS auf dem Schiff. Das ehemals triste Grau der Außenhülle war einer gelb-grünen Farbe gewichen und Unmengen von Fahnen schmückten das Schiff. »Ich wünsche euch eine angenehme Feier«, sagte Gal’Arn. Damit meinte er nicht nur Jonathan Andrews, sondern auch dessen Freundin Marya Jost, Remus und Uthe Scorbit, Jaquine, Anica, Yasmin Weydner und deren Freundin Ivon Abrinsky. »Dennoch, seid wachsam. Ich fühle gefährliche Schwingungen. Gebt auf euch acht«, fügte er ernst hinzu. Andrews nickte leicht. Er glaubte, daß sein Mentor diesmal etwas übertrieb. Was sollte hier schon passieren? »Komm! Laßt uns jetzt endlich auf das Schiff gehen«, drängelte Marya. Die junge Terranerin trug eine weiße Kombination aus einem rückenfreien Top und einem weißen, sehr knappen Rock. Sie trug schwarze Stiefel und bot mit diesem Outfit einen sehr attraktiven Eindruck. Gal’Arn verabschiedete sich von seinen Freunden und Gefährten. Als er sich umdrehte, kam ihm ein wankender Blue entgegen, der Gal’Arn an den Schultern packte und schüttelte. Nils Hirseland »Party Alarm! Party, Party, Party!« brüllte der Blue dem Ritter der Tiefe ins Gesicht. Gal’Arn stieß ihn von sich und schüttelte den Kopf. »Nehmt euch an dem kein Beispiel«, ermahnte er sie noch und verließ den Festplatz sehr schnell, denn er war froh, wenn er diese laute elektronische Musik nicht mehr hören mußte. Die anderen schauten ihm noch eine Weile hinterher. Uthe seufzte leise, denn diese Musik gefiel ihr auch nicht sonderlich. Sie wechselte mit Remus einen vielsagenden Blick und vergewisserte sich so, daß auch ihr Mann nicht auf diese Art von Klängen stand, zumindest nicht wenn er nüchtern war. Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky tanzten freudig zu der Musik, was jedoch bei der eher dicklichen Abrinsky etwas peinlich aussah. Jonathan Andrews schüttelte den Kopf. Im nächsten Moment spürte er die Lippen von Marya an seiner Wange. »Wollen wir jetzt rein? Ich will feiern. Am liebsten nur mit dir«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Andrews nickte unmerklich, nahm sie bei der Hand und ging mit den anderen in das Schiff. Sie wurden wenig höflich von den Security-Leuten Darvos’ empfangen. »Ausweise, Einladungen und Leibesvisitation!« brummte Vel-Ali, der die Ehrengäste nicht erkannte. Vel-Ali machte sich wenig aus Politik. Er wollte bloß ab und zu mal die Gelegenheit bekommen, jemanden zu verprügeln. Er ging zu Uthe Scorbit und tastete ihren ganzen Körper ab, wobei er sich an gewissen Stellen viel Zeit ließ. Remus wollte sich das nicht gefallen lassen und stupste den Wachmann an. »Würden Sie sofort aufhören, meine Frau so zu begrabschen!« forderte er. Ein Oxtorner kam hinzu, zog einen Schlagstock und schwang ihn bedrohlich vor Remus Nase. »So sind die Vorschriften. Wenn es dir nicht paßt, dann nimm deine Alte und verzieh’ dich«. Remus warf ihm einen bösen Blick zu. »Wissen Sie den nicht, wen Sie vor sich haben?« hörte er eine Stimme hinter sich fragen. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Sie gehörte Aurec. Er nahm Uthes Hand und küßte auf den Handrücken. Die anderen begrüßte er auch herzlich, bevor er sich dem Umweltangepaßten zuwandte. »Wir sind Ehrengäste. Wenn Sie nicht in Zukunft die Mülltransporte zu einem einsamen Asteroiden fliegen wollen, sollten Sie uns mit etwas mehr Respekt behandeln. Nein, das ist keine Bitte, sondern eine Warnung«, sprach Aurec und ging mit den anderen einfach weiter. Die beiden Sicherheitsmänner wagten es nicht, den Saggittonen aufzuhalten. Dazu hatten sie viel zu großen Respekt vor dem legendären Aurec. »Danke«, sagte Uthe. »Das war wirklich in letzter Sekunde. Wenn dieses Personal weiter so unfreundlich ist, steige ich beim ersten Zwischenstopp aus und fliege nach Hause!« Remus nahm sie in den Arm und versuchte sie wieder etwas aufzumuntern. »Master Aurec! Master Aurec«, hörte die Gruppe jemanden hinter sich rufen. Es war Lorif, der zusammen mit Mathew Wallace und Irwan Dove ebenfalls auf der BAMBUS mitflog. Der Posbi trippelte auf die Gruppe zu. »Sir, wie schön, daß Sie auch hier sind«, fing er an. »Ich persönlich weiß nicht genau, was ich hier soll, außer die Verhaltensweisen der Menschen und Extraterrestrier in ihrer Freizeit zu studieren, jedoch Mathew und Irwan wollen sich hier vergnügen. Wobei das nicht so ganz gelungen ist, denn dieser rüpelhafte Wachmann am Eingang hatte eine Meinungsverschiedenheit mit uns, die Irwan jedoch sehr überzeugend zu seinen Gunsten entscheiden konnte...« Aurec und die anderen sahen den breit grinsenden Oxtorner fragend an, der nur mit den Schultern zuckte. »Na ja, ich habe ihn zu Boden geworfen und gezeigt, wie man richtig kämpft.« Mathew Wallace begrüßte die anderen herzlich. Sein Augenmerk fiel besonders auf Jaquine und Yasmin Weydner. Seit Saraah hatte er an keine andere Frau mehr gedacht, doch diese beiden Mädchen gefielen ihm sehr. Insgeheim malte er sich Chancen bei einer von den beiden aus. »Nun, dann sind wir ja vollzählig. Am besten wir suchen direkt unsere Quartiere auf«, meinte 211 Aurec und deutete in Richtung Antigrav. Die anderen erklärten sich einverstanden und folgten dem Kanzler Saggittors, dessen Gedanken jedoch momentan um die vielen Milliarden Wesen kreisten, die in M 64 zurückgelassen wurden. DORGON hatte Aurec versprochen, sich um sie zu kümmern. Er hatte die Bewußtseine in sich aufgenommen. Sie sollten eine neue Bestimmung erfahren. Natürlich glaubte der Saggittone an das Versprechen der Entität, doch es war sein Volk! Es war nur natürlich, daß er sich Sorgen um ihren Verbleib machte. Diese Ungewißheit belastete ihn sehr. Er seufzte leise und begab sich zum Antigrav, dabei wurde er unsanft von einem hageren Terraner angestoßen, der sich nicht einmal entschuldigte. Neben ihm lief eine wunderschöne Terranerin mit langen blonden Haar und tiefblauen Augen, die Aurec in einer unbeschreiblichen Weise faszinierten. Dennoch beschloß er, den jungen Mann zu maßregeln, in dem er ihn am Arm festhielt und auf sich aufmerksam machte. »Es gehört zu den guten Manieren der Terraner sich zu entschuldigen«, sagte Aurec leicht gereizt. Der Terraner und seine weibliche Begleitung drehten sich um. Aurec schien für einen kurzen Moment in den wundervollen Augen der blonden Frau zu versinken. Für wenige Sekunden trat Unsicherheit in der Haltung des Saggittonen auf, doch er riß sich wieder zusammen und legte eine strenge Miene auf. »Nun?« Der Terraner machte einen genervten Eindruck. »Wofür soll ich mich entschuldigen, Alter?« »Dafür, daß Sie mich angerempelt haben. Ohne Zweifel ein Versehen. Dennoch gebietet es die Höflichkeit, sich zu entschuldigen«, erklärte Aurec. Sein Gegenüber schüttelte den Kopf und stellte sich provokativ vor den Saggittonen, der sich jedoch nicht einschüchtern ließ. »Ey, Mann! Ich bin Krizan ›The Bush‹ Bulrich! Und ich entschuldige mich nicht bei dir, okay? Und nun zieh’ Leine!« Seine Freundin schien mit den Worten des rüpelhaften Terraners nicht einverstanden zu 212 D O R G O N sein. Leicht beschämt blickte sie auf den Boden. »Soll ich ihm eine Lektion erteilen?« erkundigte sich Irwan Dove ungehalten. Aurec winkte jedoch ab. »Nein, danke! Mit dem werde ich auch alleine fertig.« Bulrich stemmte die Arme in die Hüften. Er schien grenzenloses Selbstvertrauen in seine eigenen Fähigkeiten zu haben oder konnte gut bluffen. »Nun entschuldige dich doch bei ihm. Was ist denn schon dabei?« drängte seine Freundin. »Habe ich dich gefragt? Mädchen halten die Klappe, wenn sich erwachsene Männer unterhalten, verstanden?« Nun wurde Aurec noch ungehaltener. »Anscheinend besitzen Sie außer schlechten Manieren auch keinen Respekt vor einer Dame«, stellte er fest. »Oh Mann, jetzt sind wieder alle gegen mich«, stöhnte Bulrich. »Ist ja auch kein Wunder, wie du dich wieder benimmst, Krizan«, rügte ihn seine Freundin. »Oh, Aurec! Welche Ehre dich hier bei uns vorzufinden tun«, hörten die Gruppe eine Stimme in falschem Interkosmo sagen. Sie gehörte Reinhard Katschmarek. Hinter ihm kamen Werner Niesewitz, Peter Roehk, Reiko, Dykkar und Ferby H, die den Ehrengast begrüßen wollten. »Aurec?« fragte Krizan Bulrich kleinlaut. Der Saggittone grinste nur und nickte. Der junge Terraner lief rot an und auch seine Freundin machte einen peinlich berührten Eindruck. Selbst Krizan Bulrich wußte, wer Aurec war. Bulrich stotterte etwas zusammen, woraus Aurec jedoch nicht sonderlich schlau wurde. Seine Freundin ergriff das Wort. »Das tut uns sehr leid, Sir, Mister Aurec, Majestät oder wie man Sie nennen soll.« »Meine Freunde nennen mich Aurec«, entgegnete der Saggittone freundlich. »Gehöre ich denn zu Ihren Freunden?« wollte sie wissen. »Es wäre mir eine Ehre, eine so bezaubernde Dame zu meinen Freunden zählen zu dürfen«, sagte Aurec charmant. »Übrigens, mein Name ist Anya Guuze.« Nils Hirseland Anya lächelte. Ein bezauberndes Lächeln, wie Aurec fand. Sein Herz schlug höher und für einen kleinen Moment schien er all die Sorgen und Probleme vergessen zu haben. Doch ein neues Problem machte gleich auf sich aufmerksam. »Hey, also das tut mir leid, aber meine Freundin wird in Ruhe gelassen, verstanden?« rief The Busch. »Vielleicht können wir uns ja mal bei einem Gläschen über Gleiter oder so unterhalten? Wenn Sie möchten, kann ich Ihnen günstig ein neues Gefährt besorgen. Ich kann Ihnen auch ein paar Rentenfonds anbieten...« »Ich komme vielleicht darauf zurück«, meinte Aurec und verabschiedete sich von Anya Guuze mit einem Lächeln. Dann wandte er sich, während die beiden in den Antigrav stiegen, den drei Inhabern und den beiden Geschäftsführern der BAMBUS zu. »Welche Ehre, daß du dich zu uns gesellst. Ach, und auch die Helden aus Zerachon sind hier. Sehr schön«, fand Werner Niesewitz in einem seltsamen Unterton. Weder Aurec, noch Andrews oder Wallace trauten diesem kleinen Burschen. Besonders Jonathan Andrews und die Scorbits hatten bereits unangenehme Erfahrungen mit ihm gemacht. Doch Aurec blieb trotz seiner persönlichen Abneigungen gegen diese drei Terraner höflich und korrekt. »Vielen Dank, meine Herren. Wir möchten nun zu unseren Quartieren«, erklärte Aurec. »Natürlich«, entgegnete Roehk und rief zwei Hostessen herbei, die die Gäste begleiten und ihr Gepäck tragen sollten. Lediglich Aurecs Gepäck wurde bereits in die Kabine gebracht. »Wer sind die anderen drei?« wollte Aurec noch wissen. »Ferby H«, antwortete der stille, hochgewachsene Terraner selbst. Er musterte Aurec und schien ihn nicht sonderlich zu mögen. »Das ist einer unsere beiden Geschäftsführer. Ferby H und seine rechte Hand Dykkar. Sie kommen aus der Szene. Der andere ist unser Organisator Reiko«, erklärte Niesewitz. Aurec nickte leicht. Dann wollte er zum Aufzug, als er die beiden Hostessen kommen sah. Eine der Hostessen ließ einen Koffer fallen. Sofort rannte der kräftig gebaute Reiko zu ihr Die Party des Jahrhunderts D O R G O N und packte die Frau unsanft am Arm. »Was fällt dir ein? Du kannst dir deine Papiere abholen«, brüllte er sie an. Die junge Terranerin fing an zu weinen, doch das scherte Reiko wenig. Er rief zwei Sicherheitskräfte, einen Topsider und einen japanischen Terraner, die die Frau in die Mitte nahmen und mit ihr verschwanden. Anschließend kamen zwei andere Sicherheitsleute, die sich um die Koffer kümmerten. Einer von ihnen, ein muskelbepackte Ertruser mit einem markanten Kinn stellte sich direkt vor Andrews. Provozierend sah er den Orbiter und Anwärter auf den Ritterstatus an. »Was?« fragte Andrews genervt. »Kannst du Verlierer deinen Koffer nicht alleine tragen?« »Nicht, solange es einen noch größeren Verlierer, wie du es einer bist, gibt«, konterte Andrews. Der Ertruser verzog keine Miene, dann fing er plötzlich an zu lachen und schlug Andrews in Freundschaft auf die Schulter. »Du hast Mut, Kleiner! Ich bin Franczy. Wenn du Hilfe brauchst, rufe mich!« sagte er und nahm den Koffer. Andrews merkte sich den Namen und bedankte sich für das Angebot. Sie machten sich auf den Weg in Richtung Antigravlift. Bevor sie jedoch dazu kamen, den Antigrav zu betreten, vernahm Aurec eine unangenehme Stimme hinter sich. »Sucht der Prinz Saggittors ebenfalls Zerstreuung?« Es war die Stimme Nor’Citels. Aurec drehte sich um und warf seinem Amtskollegen einen unfreundlichen Blick zu. Nor’Citel grinste überlegen und reichte Aurec die Hand, die der Saggittone zögernd annahm. »Was führt denn den ehrenwerten Corun von Paricza hierher?« erkundigte sich Aurec interessiert. »Ich habe die Einladung dieses gesellschaftlichen Ereignisses gerne angenommen und werde mich den Völkern Cartwheels auf diese Art als einen offenen und netten Corun präsentieren. Wie ich sehe, hegen Sie die gleiche Absicht.« 213 Nor’Citel, alias Leticron, schritt langsam auf Aurec zu. Mit seinen knapp zwei Metern war er eine eindrucksvolle Erscheinung, die Aurec um fast anderthalb Köpfe überragte. Für einen kurzen Moment herrschte eine gespenstische Stille. Aurec traute Nor’Citel nicht, doch er konnte beim besten Willen nicht ahnen, daß ihm Leticron, einer der grausamsten Widersacher Perry Rhodans, gegenüber stand. Noch weniger konnte er wissen, daß dieser Leticron nun ein Sohn des Chaos und Zellaktivatorträger war. »Dykkar, kümmere dich um Nor’Citel«, forderte Ferby, der selbst in die Haupthalle ging, um die letzten Soundchecks von DJ Abfallhaufen zu überwachen. »Klaro, Ferby. Na, dann komm mal mit, mein Großer«, sagte Dykkar. Dykkar redete den ganzen Weg über und versuchte mit ein paar Bemerkungen über die knapp bekleideten Hostessen Nor’Citel zum Lachen zu bringen. Als sie bei der Suite angekommen waren, warf Leticron dem Terraner noch einen üblen Blick zu. »Vielen Dank, Sir. Ich habe mich zwar schon mit besseren unterhalten, aber nicht mit vielen.« Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Dykkar von dem Pariczaner, der wortlos in seine Kabine ging. Reinhard Katschmarek, Werner Niesewitz und Peter Roehk führten nun die anderen Ehrengäste in ihre luxuriösen Suiten, wo sie bis zum Abend auch verweilten. Dann begann die Party des Jahrhunderts. * Langsam versammelten sich die Gäste in den vielen Sälen. Die Ehrengäste wurden natürlich in den Hauptsaal eingeladen. Yan Cruze, zuständig für die Bewirtung der Ehrengäste, hatte ein kaltes Buffet und unzählige Flaschen Sekt für den Empfang vorbereitet. Vekkner torkelte bereits durch den Raum und baggerte jede terranische Frau an. Reiko gab dem Tresenpersonal letzte Instruktionen und Bienya Scolar, die das Sagen über die Barbedienungen hatte, kontrollierte alle Tresen. D O R G O N 214 DJ Abfallhaufen stand an einem Tresen und trank ein Glas Sekt. Er reckte die Nase in die Höhe und fühlte sich wie ein Star. Ein paar Teenager baten ihn um ein Autogramm von Ferby H. Doch Junk schickte sie zornig weg. Er konnte es nicht leiden, wenn jemand besser oder beliebter war als er. Peter Roehk betrat den Raum und ging zu einem Podium. Neben ihm liefen Ferby H., Dykkar, Reiner Katschmarek und Werner Niesewitz. Das war das Zeichen für den Beginn der Party des Jahrhunderts. * »Ehrenwerte Gäste«, hallte es durch die Lautsprecher. Es war die Stimme von Peter Roehk, die überall auf der BAMBUS zu hören war. »Es ist soweit! Wir begrüßen euch zur Party des Jahrhunderts auf der BAMBUS. In zwanzig Areas werden euch Discjockeys, sexy Stripperinnen, freundliche Bedienungen, Schnaps, Alkohol und tolle Musik erwarten. Des weiteren stehen euch zehn Ruhezonen und fünf Restaurants zur Verfügung. Für euer Wohl ist also bestens gesorgt. Deshalb bleibt mir auch nur noch eines zu wünschen übrig: Habt Spaß, kippt euch was gewaltig hinter die Binden, treibt es was das Zeug hält und laßt viel Geld hier zurück!« Unter dem Jubel der Partygänger beendete Roehk seine Rede. Dann ergriff Ferby H. das Wort. »Grüße an alle BAMBUS-Freaks. Meine Freaks! Ich will nur eines von euch; saufen, rauchen, raven, und daß ihr es wild treibt!« rief der seltsame Terraner in das Mikrophon. Die Besucher applaudierten und jubelten ihm zu. Damit war der Startschuß zu Feier gefallen. Im Hauptsaal, der für etwa 500 Wesen ausgelegt war, lief die Eröffnungszeremonie an. Die Massen stürmten laut grölend in die einzelnen Räume. Eine ausgelassene Stimmung herrschte jetzt schon. Viele der Besucher wollten die bedrückenden Gedanken um Cau Thon und den Mächten des Chaos für die nächsten fünf Tage vergessen. Viele von ihnen hatten allerdings auch wenig Nils Hirseland mit DORGONs Projekt zu tun. Ihre Eltern waren es, die sich dafür entschieden hatten, nach Cartwheel aufzubrechen. Natürlich nahmen sie ihre Kinder mit, die jedoch oft noch keine feste Aufgabe in Cartwheel hatten und daher ihre Jugend auskosten konnten. Auch Jonathan Andrews und seine Freundin Marya Jost stürzten sich in das Getümmel. Ihnen folgten Remus und Uthe Scorbit, Anica, Jaquine und Aurec selbst. Der Saggittone sah sich in der dunklen Halle um. In der Mitte befand sich die Tanzfläche, an der Decke direkt darüber hingen vier Käfige, in denen sehr leicht bekleidete humanoide Frauen tanzten. Uthe Scorbit empfand dies als Erniedrigung für das weibliche Geschlecht, doch sie gehörte bedauerlicherweise zu den wenigen Menschen, die diese Tatsache aufregte. Hinter der Tanzfläche stand die Konsole für die Musiker, der Arbeitsplatz der DJs. Von dort aus produzierten sie mit Hilfe diverser Tonträger Musik. Ferby und DJ Abfallhaufen hüpften wild herum und sorgten für Stimmung. Die Anlage war sehr laut und brachte den gesamten Saal zum Beben. Auch Reinhard Katschmarek stand hinter dem Pult und trug ein altertümliches BaseballCappy auf dem Kopf. Er trug es so, daß der Schirm nach hinten zeigte. In lächerlich anmutenden Bewegungen tanzte er zu der Musik und schwenkte dabei seine Bierflasche hin und her. Aurec fragte sich für einige Sekunden, ob er zu spießig oder schon zu alt für solche Feiern war, da in ihm noch keine rechte Stimmung aufkam. Der Saggittone wußte diese Frage nicht genau zu beantworten. Aurec war die seltsamen Feiern der Terraner bereits gewöhnt. Lorif jedoch weniger. Der Posbi lief langsam durch den Saal und blieb vor Aurec stehen. Er musterte die jungen Terraner und Galaktiker die wild zu der Technomusik tanzten. »Sehr seltsame Feier, Sir.« »Na ja, typisch galaktisch würde ich sagen«, erwiderte Aurec. Lorif stimmte dem nicht ganz zu. »Eher terranisch, Sir«, erklärte er. »Im Laufe der Jahrtausende der menschlichen Evolution Die Party des Jahrhunderts D O R G O N hatten sich viele Formen von Zelebrationen angesammelt. Je nach Interesse der Besucher wurde eine dieser Formen gewählt.« Aurec seufzte innerlich, denn wenn Lorif erst einmal damit begann zu erzählen, wurden es sehr langwierige Analysen. »Es gab sehr würdevolle und disziplinierte Veranstaltungen, es gab welche, die schon spießig wirkten und es gab die sehr ausgelassenen. Doch auch dabei gab es einen Unterschied zwischen den fröhlich ausgelassenen Feiern und diesen, wo die Terraner einfach nur durchdrehten«, fuhr er fort. »In fast jedem dieser Fälle war jedoch Alkohol und das Werben um einen Partner ein wesentlicher Bestandteil. Besonders bei den modernen Parties scheint es der Fall zu sein, daß die Humanoiden sich betrinken, wie Geisteskranke tanzen, weitertrinken, sich ein Weibchen oder Männchen aussuchen, abermals weitertrinken, um in Stimmung zu sein, wenn sie mit dem Partner den Geschlechtsakt vollführen.« Aurec blickte den Posbi geistesabwesend an. Zwar hatte Lorif mit seinen Ansichten vollkommen recht, doch irgendwie war Aurec auch nicht danach, sich das jetzt anzuhören. Zudem bereitete die wummernde Musik ihm fast schon Kopfschmerzen. Trotzdem lächelte er dem Posbi zu und bedankte sich höflich bei ihm, bevor er zu einem Tresen ging. Lorif blickte irritiert hinterher und beschloß, sich weiterhin den Verhaltensweisen der Galaktiker beim Feiern zu widmen. * Jonathan Andrews war einigermaßen überrascht, als er Jezzica Tazum an einem Tresen erblickte. Die Terranerin schien in ihrer Arbeit aufzugehen. Sie trug ein für sie typisches knappes und enganliegendes Kleid und wirkte traumhaft in Andrews Augen. Jezzica tanzte rhythmisch zur Musik. Dieser Anblick versetzte Jonathan Andrews in den siebten Himmel. Jedoch nur solange, bis er die feuchten Lippen von Marya an seiner Wange spürte. »Bestellst du mir jetzt was zu trinken?« frag- 215 te sie mit ihrer hohen Stimme. »Ja, kleinen Moment«, erwiderte Andrews. Er wartete, bis Jezzica die anderen Gäste bedient hatte und sich zum ihm umdrehte. Für einen Moment blieb sie still stehen und wirkte sehr überrascht. Dann fing sie sich wieder ihm und schenkte dem Terraner ein warmes Lächeln. Tazum ging zu Andrews und küßte ihn auf die Wange. Sie wechselte einen flüchtigen Blick mit Marya, die ihr nur einen eiskalten und finsteren Blick zuwarf. »Was machst du denn hier?« wollte Jezzica wissen. »Das wollte ich eigentlich dich fragen? Wir wollen uns hier etwas erholen.« Jezzica lächelte wieder. Dieses Lächeln ließ Andrews Herz höher schlagen, doch er ließ sich nichts anmerken, denn Marya stand neben ihm und machte keinen glücklichen Eindruck. Jezzica steckte sich eine Zigarette an und erklärte: »Die bezahlen hier gutes Geld und das macht weitaus mehr Spaß als auf der THEBEN. Hier sind viele Besucher, man lernt neue Typen kennen, gute Musik wird gespielt und ständig ist Party. So stelle ich mir mein Leben vor.« Jonathan Andrews mußte lachen. Wenn Gal’Arn Jezzica gehört hätte, würde der Ritter der Tiefe sicher mit dem Kopf schütteln. Gal’Arn war pflichtbewußt, stets wachsam und jederzeit bereit für Frieden und Gerechtigkeit zu kämpfen. Der Shagoer hatte stets gemahnt, das Leben nicht als eine einzige Feier anzusehen, sondern Verantwortungsbewußtsein, Toleranz und Weitblick zu zeigen. Jezzica Tazum schien diesen Weitblick nicht zu haben. Zwar hatte sie sich recht gut auf der TERSAL und auch auf Zechon geschlagen, doch das abenteuerliche Leben mit all seinen Entbehrungen war nichts für sie gewesen. Das war auch der Grund für das frühe Ende der Beziehung zwischen Tazum und Andrews gewesen. Dennoch waren immer noch Gefühle im Spiel, zumindest bei Jonathan Andrews. Doch der junge Orbiter Gal’Arns ermahnte sich selbst, denn er hatte eine Freundin. Doch seine Gefühle für Marya Jost schwächten sich von D O R G O N 216 Tag zu Tag ab. Sie haßte sein abenteuerliches Leben und verhielt sich oft sehr egoistisch. Alles sollte sich um sie drehen, Andrews sollte, wenn möglich, jede Minute mit ihr verbringen. Das wollte und konnte er nicht. Er warf Jezzica wieder einen vielsagenden Blick zu, doch sie bemerkte ihn nicht, da sie damit beschäftigt war, einige Tabletten zu schlucken. Andrews schüttelte leicht den Kopf. Er wußte, daß es sich bei diesen Pillen um Psychopharmaka handelte, die Müdigkeit und Mattigkeit neutralisierten und die Kondition stärkten. Jedoch hatten sie auch den unangenehmen Nebengeschmack, daß Geist und Sinne verwirrt und enthemmter wurden und die regelmäßige Einnahme dieser Drogen süchtig machen konnte. Bevor er Jezzica darauf ansprechen konnte, zog ihn Marya am Arm und wollte mit ihm tanzen gehen. Widerwillig stimmte Andrews zu. * Remus und Uthe Scorbit standen an einem Tresen und warteten auf die Bedienung. Es war der Tresen von Krizoff, der mit Ottilie Braunhauer auf ihr Wohl anstieß. Der Olymper stand ebenfalls unter Drogen, wie man unschwer erkennen konnte. Er hüpfte zu der Musik herum und schwenkte heftig mit den Armen. Der Schweiß rann dem dicklichen Kolonisten von der Stirn. Freundlich begrüßte er Remus Scorbit und gab ihm gleich ein Getränk auf Kosten des Hauses aus. Die beiden verstanden sich auf Anhieb und Remus fand die offene und freundliche Art des Olympers sehr erfrischend. Uthe war gelangweilt. Die laute elektronische Musik gefiel ihr nur teilweise. Erst als Jaquine auftauchte, stieg auch Uthes Laune etwas. Remus bestellte sich ein Bier und trank es in einem Zug aus, um anschließend mit Krizoff einen Vurguzz in einem Zug zu trinken. Er bedauerte es, daß sein neuer Freund Helge von Hahn nicht dabei sein konnte, doch der junge Soldat hatte einen Übungseinsatz. Auch sein Bruder Jan Scorbit konnte nicht mitkommen, da er mit der Suche nach den letzten An- Nils Hirseland hängern des toten Sarons beschäftigt war. Uthe jedoch war ganz froh, daß Helge von Hahn nicht dabei war. Sie konnte von Hahn nicht leiden und fühlte sich in seiner Gegenwart unwohl. Schon oft hatte sich das Ehepaar über Helge von Hahn gestritten, da ihn Remus immer wieder verteidigte. Remus wollte heute gar nicht damit anfangen, denn er wollte sich nicht mit seiner geliebten Frau streiten. »Überraschung!« schrie ein kahlgeschorener Terraner. Uthe mußte beinahe brechen. Helge von Hahn stand vor dem Ehepaar und hob seine rechte Hand zu einem Gruß. Seine Augen leuchteten fanatisch, sein Atem stank nach Alkohol. »Helge!« rief Remus freudig. Die beiden umarmten sich. Dann wandte sich von Hahn zu Uthe und wollte sie umarmen, doch die Terranerin streckte ihm nur die Hand entgegen. Helge von Hahn hielt sich für unwiderstehlich. Er war der festen Überzeugung, daß Uthe eines Tages auch seinem Charme erlegen würde. Helge von Hahn tanzte der Musik nach, zumindest versuchte er es. »Warum bist du hier?« » Einsatz war ausgefallen. Was wollen wir trinken?« fragte er überschwenglich und fuchtelte mit den Armen umher. Remus überlegte einen Moment, dann bestellte er bei Krizoff zwei doppelte Vurguzz. Nachdem beide in einem Zug das grüne Getränk ausgetrunken hatten, gab von Hahn einen Laut des Wohlschmeckens aus. »Mehr davon«, meinte er. Dann legte er seinen Arm um Remus, dessen Laune auch stetig besser wurde. Uthe hingegen langweilte sich. Sie sah auf die Tanzfläche. Anica stand an dort und hüpfte in kurzen Intervallen zu der Musik, blieb dann wieder stehen und begann erneut dem Rhythmus der Klänge zu folgen. Jaquine sah Uthe an und fächelte sich mit einem BAMBUS-Flyer Luft zu. »Sieh mal den da«, meinte die Zechonin und deutete auf einen hochgewachsenen Terraner. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Er trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover und die Haare standen steil nach oben. Alles in allem machte er auf Uthe Scorbit eher einen abschreckenden Eindruck, doch Jaquine schien er zu gefallen. Jedoch war sie viel zu schüchtern, um ihn anzusprechen. So entschloß sie sich, ihn noch etwas länger zu beobachten. Anica kam auch zu den anderen und stellte sich neben Remus Scorbit und Helge von Hahn, die sich inzwischen ein Bier bestellt hatten. Anica sah Remus nur an und lächelte kurz. »Ich frage mich, wie du zu dieser Musik tanzen kannst«, meinte der Terraner. »Häh?« machte sie nur und strahlte ihn weiter an. Anscheinend bekam sie gar nicht mit, was er von ihr wollte. So winkte Scorbit nur ab und widmete sich seinem Bier. Helge lachte gemein. »Mit dem Feger kann man bestimmt eine heiße Nacht verbringen!« »Frag sie doch«, erwiderte Remus. »Das werde ich auch. Dann steche ich mich richtig durch«, brüllte Helge laut. Er blickte sich um und tanzte in seiner seltsamen Form weiter. Mit großem Entsetzen mußte Remus allerdings feststellen, daß Karl-Adolf Braunhauer in der Halle war. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schlurfte er zu seiner Frau, die gerade den nächsten Vurguzz leerte. Dann ereignete sich das, wovor Scorbit sich am meisten gefürchtet hatte. Die Braunhauers hatten ihn bemerkt und gingen auf ihn zu. »Ach, Herr Schorbus«, begrüßte ihn Ottilie Braunhauer mit lallender Stimme. Remus sagte nichts. »Diese blöde Untermenschenmusik! Meine Ohren!« seufzte Karl-Adolf und faßte sich abwechselnd an Herz, Rücken und Kopf, um demonstrativ zu zeigen, wie schlecht es ihm ging. »Vatichen geht es ja wieder so schlecht, wissen Sie? Das sieht man ja, nicht? Oder? Nun sagen Sie doch auch mal was!« forderte Ottilie giftig. Remus nickte nur. »Wir machen ja hier den... den, den Posten des Hausmeistermannes. Also, Vatichen macht das und ich unterstütze ihn. Wobei ja noch Böhmchen hier ist, um die wir uns kümmern. 217 Wissen Sie, Böhmchen ist ja eine so gute Freundin von uns, aber so krank«, erklärte die alte Terranerin, ohne daß es Scorbit interessierte. »Kennen Sie eigentlich die Geschichte von Weihnachten mit dem Grünkohl?« Innerlich schrie Remus Scorbit auf. Diese Geschichte mußte er sich bereits auf der LONDON II von der alten Frau anhören. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, begann sie bereits zu erzählen. »Wißt ihr, Weihnachten im Jahre 1144 war ja alles ganz anders als heute. Damals lag die Erde ja in Trümmern, wegen diesem, diesem... Stereo oder wie der hieß, oder Monoton oder so in der Art. Na auf jeden Fall hatte Oma Ella damals die Idee, Grünkohl zu Weihnachten zu machen. Das müßt ihr euch mal vorstellen, Grünkohl zu Weihnachten! Also wirklich, Grünkohl zu... zu... na diesem Feiertag eben.« Uthe bemerkte jetzt auch, daß die beiden alten Terraner anwesend waren. Entsetzt wandte sie sich wieder Jaquine zu, die an einem anderen Tresen Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky entdeckte. Obwohl sie sich im Moment nicht so gut verstanden, beschloß Uthe schnell zusammen mit ihrer zechonischen Freundin zu den beiden Mädchen zu gehen, sehr zum Bedauern von Remus, der jetzt den Anekdoten der Braunhauer völlig ausgeliefert war. Helge hatte es auch verstanden, sich etwas weiter weg zu setzen, um sich mit Krizoff zu unterhalten. »Na ja, dann kam die Inge Bohmar – unser Böhmchen, sehr fein angezogen, in diesem Kleid. Ich stand jedoch da mit der Küchenschürze, weil Oma Ella ja Grünkohl kochen wollte. Mir war das ja so peinlich, daß kann man sich gar nicht vorstellen! So etwas von peinlich!« erzählte sie ungehemmt weiter, bis sie ihr Mann anstieß. Mit weinerlichem Gesicht erzählte er, daß er sich in die Hosen gemacht hatte. Remus, der gerade ein Schluck von dem Bier genommen hatte, prustete die Flüssigkeit wieder aus und mußte sich zusammenreißen, um den alten Mann nicht auszulachen. »Ach Ottilie, ich will jetzt raus hier. Ich kann diese Affenmusik nicht ertragen!« brüllte Karl- 218 D O R G O N Adolf und legte dabei seine übliche Leidensmine auf. Ohne sich zu verabschieden, ging das Ehepaar Braunhauer aus der Halle, wobei Ottilie große Probleme hatte, gerade zu gehen. Erschöpft ließ sich Remus auf den Tresen sinken. Aurec kam hinzu und schlug seinem Freund leicht auf die Schulter. »Zum Glück waren die nicht auf der LONDON I«, sinnierte er mit einem sarkastischen Lächeln, das Remus nur mit einem genervten Kopfschütteln kommentierte und sich diesmal einen Vurguzz-Hyper bestellte. Hyper war ein blaues Energiegetränk, das in Mischung mit Vurguzz sehr gut schmeckte und den derben Geschmack des hochprozentigen Alkohols stark verbesserte. »Hey, wer ist das denn?« wollte Helge von Hahn wissen. »Das ist Aurec. Der Aurec!« erklärte Remus. Helge stand stramm und salutierte. »Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen, Sir!« brüllte er. »Mein Name ist Offiziersanwärter Helge von Hahn, 5. Raumschiffabwehrbatterie Mankind, 3. Regiment!« Aurec reichte ihm die Hand. »Wir sind hier in der Freizeit, wenn ich dich Helge nennen darf, lassen wir die Förmlichkeiten«, sagte Aurec freundlich. Helge von Hahn grinste breit und spendierte Aurec und Remus wieder einen Vurguzz-Hyper. Kathy Scolar kam in dem Moment an den Tresen. Sie wurde von Krizoff mit einem Kuß auf die Wange begrüßt. Kaum war sie dort, tauchte auch schon Vekkner auf, die heillos betrunken war. Er versuchte Kathy zu umarmen. Sie lächelte ihn an. »Hey, hast du Lust auf eine Nummer in der Kühlkammer?« lallte er. Kathy lachte und überlegte kurz, dann lehnte sie das Angebot ab. Sie hatte eher etwas für Krizoff übrig und hoffte, ihn irgendwie herumkriegen zu können, denn die Schönheit wollte diese aufregende Nacht nicht alleine beenden. Dann wandte sie sich Aurec zu und lächelte ihn freundlich an. »Hi«, sagte sie strahlend und fragte ihn, ob er etwas zu trinken haben wollte. Aurec war von dieser sympathischen Ausstrahlung ange- Nils Hirseland tan, lehnte jedoch ab, da er noch ein volles Glas hatte. Helge von Hahn blickte Kathy tief in die Augen. Jedoch entzückte die Terranerin das Starren von Helges Glubschaugen wenig. Sie lächelte zwar kurz freundlich, war jedoch schon nach wenigen Augenblicken von den Blicken Hahns genervt. Er trank schnell seinen Vurguzz aus und bestellte einen neuen. »Hey, Schnecke. Bring mir noch einen!« forderte er Kathy auf, die zu Krizoff sah. Der Olymper verstand schnell und servierte Helge den Vurguzz selbst. Ein Schrei ging durch die Massen, als ein bekanntes Lied gespielt wurde. Die Laserstrahlen wirbelten durch den Raum und Nebelschwaden wurden auf die Tanzfläche geschossen. Die Menschen und Extraterrestrier tanzten freudig durch die Gegend und feierten ausgelassen. Einige allerdings zu ausgelassen, wie Aurec fand. Die einzigen in dem Raum, die keinerlei Emotionen zeigten, waren die Sicherheitsleute, welche ihre Runden zogen. Yan Cruze machte kurz am Tresen halt und brachte einen Kübel mit neuem Eis für die Getränke. Dann holte er einen Hamburger aus seiner Tasche und stopfte sich genüßlich das Essen in den Mund. Reiko hatte das bemerkt und lief zu dem dicken Terraner. »Friß nicht, arbeite!« brüllte er. Cruze zuckte zusammen und lief sofort weiter, um ein paar leere Flaschen einzusammeln. Aurec blickte sich um und entdeckte zu seiner Freude Anya Guuze, die ihre Hüften zu den Tönen dieses Songs schwang. Aurec blieb bei diesem Anblick beinahe die Spucke weg, denn die terranische Schönheit trug schwarze, kniehohe Stiefel, einen sehr knapp gehaltenen schwarzen Rock und ein bauch- und rückenfreies weißes Top, das ihre graziöse Figur noch mehr hervorhob. Remus bemerkte, daß der Saggittone auf die junge Terranerin starrte und stieß ihn freundschaftlich an. »Hey, sind wir etwas verliebt?« Aurec lächelte verlegen. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N »Nein, nicht wirklich«, antwortete er. »Aber sie beeindruckt mich. Irgendetwas geht von ihr aus, was mich fasziniert.« Er trank schnell aus und bestellte neu. Kathy eilte herbei, um ihn zu bedienen. Auch der Anblick dieser terranischen Schönheit war nicht zu verachten. Aurec grinste frivol und fühlte sich richtig wohl. Wie aufs Stichwort kamen nun ein paar andere zu Anya. Es war ihr Freund Krizan Bulrich der scheinbar ziemlich betrunken war. Er sah Aurec und grüßte ihn. Wenige Sekunden später setzte er sich in Richtung Saggittone in Bewegung. Anja folgte. »Anscheinend hat er noch etwas auf dem Herzen, was den vorherigen Vorfall betrifft«, meinte Remus Scorbit. »Was? Was will der Typ?« rief Helge laut. Der Alkohol hatte seine Wirkung bei dem Unteroffiziersanwärter nicht verfehlt. »Wenn der Ärger macht, haue ich ihm eins aufs Maul!« Aurec winkte ab. »Hey, altes Haus. Na, alles gerade bei dir?« begann Krizan und reichte Aurec die Hand, die er kurz ergriff. Er warf Anya einen Blick zu und grüßte sie kurz. »Das ist der große Aurec, Leute!« schrie Bulrich durch den Saal. Er warf dabei einen kurzen Blick auf Kathy, die das Gespräch mitverfolgt hatte. Der Saggittone hätte jetzt gerne gewußt, was sie dachte. Gehörte sie auch zu dieser Sorte Frauen oder war sie, wie es Aurec bevorzugte, eine Dame? Aurec beschloß zu gehen. Als er sich umdrehte, stand jedoch Nor’Citel direkt hinter ihm. Für einen kurzen Moment schreckte der Saggittone hoch. Der Überschwere hingegen lächelte kühl. Für eine Weile blickten sich die beiden Männer an, niemand wollte dieses Duell verlieren, aber Aurec war doch der erste, der verlegen woanders hinsah. Er mißtraute diesem Überschweren. Etwas Geheimnisvolles und ebenso gefährliches ging von ihm aus. »Siddus!« rief Anya Guuze und lief zu ihm. Nor’Citel alias Leticron drehte sich verdutzt um und erkannte die junge Terranerin, die einst in Siddus Klasse war. »Was willst du?« herrschte er sie an. 219 Anya erschrak, überwand jedoch die anfängliche Angst und entgegnete barsch: »Entschuldige, wenn ich dich begrüßen wollte, du Penner!« Aurec hob verwundert die Augenbraue. »Ihr kennt euch?« wollte er wissen. »Flüchtig. Ehrenwerter Aurec, Sie wissen ja wie das ist. Überall um einen herum befindet sich ekliges Gewürm, das am Ruhm teilhaben möchte.« Anya Guuze kochte innerlich, doch viel konnte sie auch nicht ausrichten. Sie hatte die Szenen von der damaligen Party, als sich Siddus seltsame Wandlung vollzogen hatte, gut in Erinnerung. Dort küßte und berührte er sie an intimen Stellen vor den Augen ihres Freundes Krizan. Dieses Verhalten hatte zum damaligen Zeitpunkt nicht zu dem Siddus gepaßt, den sie kennengelernt hatte. Doch er hatte sich verändert. Sie konnte nicht ahnen, wie sehr er sich geändert hatte. Nor’Citel wandte sich von der Terranerin ab und sprach zu Aurec: »Genießen Sie diese Feier. Die Zeit läuft ab. Das fühle ich.« Bevor Aurec etwas erwidern konnte, verließ Leticron die Halle. Verdutzt blickte der Saggittone ihm hinterher. Anya sah Aurec vielsagend an. Ihr Schmollmund lud geradezu zu einem Kuß ein, doch der Prinz Saggittors wußte sich zu beherrschen. Vielmehr interessierte ihn im Moment, was Anya Guuze über Nor’Citel wußte. So fragte er die hinreißende Terranerin. »Er ging früher in unsere Berufsschulklasse«, berichtete sie. »Ebenso wie ich und die anderen hatte er Bürokommunikation studiert. Damals war er bei SHORNE INDUSTRY angestellt und galt als ein sehr ehrgeiziger Schüler.« Aurec hatte Mühe, Anya bei dem Lärm zu verstehen. Doch es gab auf dem Schiff kaum ein ruhiges Eck. »Man sieht ihm seinen Ehrgeiz an«, meinte Aurec. Anya schüttelte den Kopf. »Früher war er allerdings nicht so. Im Gegenteil. Er war eigentlich ein absolutes Weichei. Er traute sich kaum, mich anzusprechen oder sich gegen meinen Freund oder andere durchzusetzen, wenn D O R G O N 220 sie ihn ärgerten.« Aurec sah sie ungläubig an. »Das klingt nicht nach Nor’Citel.« »Bis zu seiner seltsamen Wandlung vor einigen Monaten. Wir waren auf einer Party, da drehte er plötzlich durch. Er berührte mich unsittlich, verletzte meinen Freund und sprach wirres Zeug« erklärte sie weiter. »Was für wirres Zeug?« wollte Aurec wissen. Sie gab zu, daß sie ihm nicht richtig zugehört hatte, wies den Saggittonen jedoch darauf hin, daß eine Klassenkameradin namens Neve Prometh näheres wüßte. Zu Aurecs Erleichterung war auch sie an Bord der BAMBUS. Aurec verabschiedete sich schweren Herzens von Anya, die sich wieder ihrem betrunkenen Freund widmete und beschloß mehr über Siddus alias Nor’Citel in Erfahrung zu bringen. * Mathew Wallace saß am Tresen von Jezzica Tazum und schaute ihr bei der Arbeit zu. Sein Freund Jonathan war mit seiner Freundin beschäftigt und Lorif und Dove konnte er nirgends ausfindig machen. So saß er alleine dort und mußte wieder an Saraah denken. Vielleicht hätte ich sie doch nach Dorgon begleiten sollen, dachte er. Yasmin Weydner und ihre Freundin Ivon Abrinsky unterbrachen den Schotten in seinen Gedankengängen. »Hey«, machte Yasmin höflich und umarmte Wallace, dem das sehr gefiel. In den letzten Wochen, seit Yasmin Weydner in Cartwheel war, hatten sich die beiden sehr gut verstanden. »Na, wie geht es meinen beiden neuen Freundinnen?« fragte Wallace strahlend. Seine depressive Phase war von einer Sekunde zur anderen verloschen. »Gut«, antworteten beide synchron und begannen zu lachen. Wallace bestellte drei kleine Vurguzz und stieß mit den beiden jungen Terranerinnen an. Ivon Abrinsky schien der Vurguzz nicht sonderlich gut zu bekommen, jedenfalls verzog sie das Nils Hirseland Gesicht, nachdem sie das Glas mit dem grünen Getränk geleert hatte. Wallace legte seinen Arm um Yasmin und sah ihr tief in die Augen. »Hast du eigentlich einen Freund?« Diese Anmache kam ihm selbst etwas dumm vor, doch ihm viel nichts anderes ein. Zu seiner Freude kam ein »Nein« als Antwort. Wieder strahlte Wallace. »Würdest du dann vielleicht einem Weltraumabenteurer wie mir eine Chance geben?« »Nein.« »Nein?« »Nein!« »Nein...« Wallace sank für einen kurzen Moment in sich zusammen. Was hatte er wohl falsch gemacht? War er zu plump herangegangen? Yasmin lächelte verständnisvoll und erklärte ihm, daß sie im Moment ungebunden sein wollte. Trotzdem bot sie Mathew eine enge Freundschaft an, die er natürlich nicht ablehnte. Der Space-Jet-Kommandant seufzte laut und drehte sich um. Da viel ihm gleich Jaquine auf. Vielleicht der nächste Versuch? Zu seinem Bedauern kam jedoch ein junger Terraner hinzu. Er trug weite Hosen, einen schlabberigen Pullover, gestylte Haare und etliche Piercings in der Nase, am Mund, an den Ohren und an der Stirn. Der Terraner umarmte Jaquine und küßte sie innig. Wallace wurde beinahe schlecht von diesem Anblick und wieder sehnte er sich nach seiner Saraah zurück – besonders in tatenlosen Zeiten. Wenn er eine Aufgabe hatte, dann wußte er sich zu beschäftigen und hatte ein Ziel, doch in seiner Freizeit war er schrecklich einsam. * Der Kapitän saß gelangweilt in seinem Kommandosessel und schlurfte ein Glas Vurguzz. Nichts passierte. Die Systeme des Schiffes funktionierten einwandfrei und auch die Route war gut gewählt. Plötzlich bekam er via Interkom die Anweisung von Niesewitz, den Kurs zu ändern. Die neuen Koordinaten lagen außerhalb von Cart- Die Party des Jahrhunderts D O R G O N wheel und der Ertruser wunderte sich, doch Niesewitz war der Chef. So befolgte Ervoz Wilbur die Befehle seines Chefs und steuerte die BAMBUS zu den befohlenen Koordinaten, die 500.000 Lichtjahre außerhalb von der Insel irgendwo im Nichts befanden. * Bienya Scolar war unzufrieden mit der Arbeit des Tresenservice. Ihrer Ansicht nach arbeitete er zu langsam und zu uneffektiv. Sie rief Reiko herbei. Der Plophoser verzog keine Miene und hörte Bienya zu, als sie sich beschwerte: »Ich brauche Nachschub und die blöden Säcke kommen nicht hinterher.« Reiko rief Cruze herbei. Der dicke Terraner rannte zum Tresen und wollte wissen, was los sei. »Was ist wohl los? Deine Jungs arbeiten zu langsam«, meckerte die ältere der ScolarSchwestern ungehalten. »Hast du mal gesehen, was hier los ist? Wir kommen nicht hinterher. Vielleicht solltest du auch nicht für alle fünf Tage gleich bestellen«, warf Cruze mutig entgegen. Bienya wurde sauer. »Friß weniger, dann kannst du auch schneller laufen!« Cruze wollte etwas entgegnen, doch Reiko mischte sich ein. »Sorge dafür, daß sie Nachschub bekommt, sonst fliegt ihr alle!« Cruze bebte innerlich, doch natürlich stimmte er Reiko zu. Er verneigte sich und ließ seinen Frust an den anderen Tresenserviceleuten aus. Leticron ging zu dem Tresen und musterte Reiko abfällig. Der Plophoser wagte es nicht, etwas zu sagen, da er keinesfalls den Corun von Paricza beleidigen wollte. Stattdessen verließ er den Tresen und wechselte zu dem Tresen von Jezzica Tazum und seiner Freundin Haggy. »Was soll’s sein?« wollte Bienya wissen. Leticron musterte auch sie. Er grinste leicht, dann bestellte er ein pariczanisches Getränk. »Das haben wir hier nicht«, entgegnete Bienya und wandte sich anderen Gästen zu. Sie hatte keinerlei Respekt vor den Ehrengästen. 221 Leticron packte sie am Arm und zog sie zu sich. Er sah ihr tief in die Augen und schüchterte dadurch die Terranerin bereits ein. »Dann einen terranischen Vurguzz, Barfrau!« Bienya riß sich los und goß Leticron ein Glas Vurguzz ein. Sie warf ihm einen bösen Blick zu, der jedoch den Corun von Paricza wenig beeindruckte. Stattdessen blickte er auf das Chronometer und lächelte überlegen. Sein Plan hatte die erste Phase erreicht. * Uthe und Remus hatten sich in ein Restaurant gesetzt. Dort wollten sie versuchen, etwas abzuschalten, was jedoch schwer war, da auch in diesem Etablissement überlaute Musik gespielt wurde. Das Ehepaar genoß es, eine Weile ungestört zu sein. Das änderte sich jedoch schon schnell, als Jaquine und ihr neuer Freund kamen. Die Zechonin bat ihre Freundin um etwas Geld. Sie selbst hatte noch kein Einkommen und ein Antrag auf Unterstützung durch den Staat lief noch. So gab Uthe ihr ein paar Galax. Was sie jedoch nicht ahnen konnte, war, daß dieses Geld von Jaquines Freund für Drogen gebraucht wurde. »Ey, danke, ey, Alte!« machte Nikto. Dabei schnaubte er so seltsam. Schweiß lief ihm von der Stirn, doch Remus nahm an, das kam vom Tanzen, denn sofort begann er wie wild mit den Armen herumzufuchteln und auf der Stelle herumzuhopsen. Jaquine strahlte über beide Wangen und bewegte sich mit. »Ich hole mir etwas zu essen«, sagte Uthe und stand auf. »Na ja, wir werden auch los, Alter. Will noch rummachen!« erklärte Nikto und packte Jaquines Arm, die sich bereitwillig wegziehen ließ. Remus musterte die beiden noch mit einem Kopfschütteln und schrak zusammen, als die Braunhauers mit einer älteren Frau auf den Tisch zusteuerten. Die Terranerin hatte dunkelblonde filzige Haare, ein aufgedunsenes Gesicht und viele Le- 222 D O R G O N berflecken auf der Haut. Ihre Augen waren seltsam. Sie starrten ins Leere. »Ach, da ist ja Herr Scheunemann«, begann Ottilie freudig und schwankte langsam zum Tisch. Sie hauchte Remus an und der Atem stank widerlich nach Vurguzz und anderen alkoholischen Getränken. Karl-Adolf setzte sich direkt neben Remus, wo vorher Uthe gesessen hatte. Die unbekannte Frau plazierte sich neben Ottilie und saß KarlAdolf gegenüber. »Das ist Böhmchen!« erklärte Ottilie. »Aus! Sei ruhig!« schrie Inge Boemahr auf und deutete mit dem Zeigefinger auf den Boden. Irritiert hob Remus die Tischdecke hoch und blickte auf den Boden, doch da war nichts. »Bandit! Hör’ endlich auf zu bellen. Du machst ja noch die ganzen Gäste sauer«, brüllte sie durch den Speissaal, so daß sich einige Leute in der Tat umdrehten und gestört fühlten. Remus starrte sie verwirrt an. »Mit wem reden Sie?« wollte er wissen. »Mit meinem Hund, junger Mann! Mit wem sonst?« Remus nickte und lächelte schwach. Die nächste Irre, dachte er. Doch es kam noch schlimmer. Plötzlich fing Inge Bohmar, die Cousine von Karl-Adolf Braunhauer, an zu kichern. Dann streichelte sie über die Stuhllehne ihres Nebenstuhls und umarmte ihn. Remus hielt für einen Moment den Atem an, denn das glaubte er nun wirklich nicht. Sie spitzte ihre Lippen und küßte in die Luft. Ein inniger und leidenschaftlicher Kuß! »Ach, mein kleiner Werner!« kicherte sie und gab der Luft noch einmal einen Schmatzer. Fragend blickte Remus zu Karl-Adolf, der jedoch apathisch neben ihm saß und ins Leere starrte. »Aber Ingechen, Werner ist doch schon seit zwanzig Jahren tot«, erzählte nun Ottilie. »Und Bandit ist seit fünfzehn Jahren tot.« Nun verstand Scorbit langsam. Die Frau hatte einen imaginären Ehemann und Hund. Anscheinend war Geisteskrankheit eine Voraussetzung für die Familie der Braunhauers. Inge Boehmar schien den letzten Satz von Nils Hirseland Ottilie Braunhauer überhört zu haben. Jedenfalls schimpfte sie weiter mit Bandit. Zu Remus Erleichterung kam Uthe mit einem Salatteller in der rechten und einem Glas Wasser in der linken Hand wieder zurück. Unmerklich verdrehte sie die Augen, als sie die drei Gestalten sah, grüßte sie jedoch freundlich. »Herr Braunhauer? Das war mein Platz. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn Sie sich vielleicht neben ihre Frau oder die andere Person dort setzen würden?« Karl-Adolf nickte leicht und stand auf. Er wirkte in letzter Zeit sehr erschöpft und geistesabwesend. Gut, das war er früher auch, jedoch jetzt noch viel schlimmer. Langsam schlurfte er zum Tischkopf. Uthe stellte ihren Teller und ihr Getränk ab und setzte sich hin. Plötzlich erstarrte sie. Sie hoffte, daß ihre Vermutung sich nicht bestätigen würde, doch als sie auf das Gesäß von Braunhauer blickte und die tropfende Hose sah, wußte sie, daß Karl-Adolf sich in die Hosen gemacht hatte und eine Lache seines Urins auf dem Stuhl hinterlassen hatte, auf dem Uthe Scorbit nun saß. Der üble Gestank drang nun auch in ihre Nase und nur mit eiserner Disziplin konnte sie den Brechreiz zurückhalten. »Vatichen, hast du wieder vergessen die Windeln anzuziehen?« rügte ihn Ottilie Braunhauer. »Was?« wollte Braunhauer wissen und starrte sie ungläubig an. »Du hast dir wieder in die Hosen gepullert«, erklärte seine Frau. »Oh, ja. Hach, es läuft halt immer wieder aus. Ich sterbe sowieso bald«, fing Karl-Adolf an zu stöhnen und begann zu weinen. Ottilie wollte ihren Mann zu trösten, doch schaffte es kaum noch aufzustehen. »Wir sterben ja beide bald. Und dann möchten wir ein Seebegräbnis haben. Ja, ja...« Uthe bebte innerlich. Langsam stand sie mit bleichem Gesicht auf und blickte hinter sich. Remus schmunzelte über diese peinliche Aktion, jedoch Uthe war nicht zum Lachen zumute. »Das finde ich nicht witzig«, stellte sie zähneknirschend fest. Remus mußte immer noch schmunzeln. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N »Ach, nun stellen Sie sich nicht so an, junges Fräulein!« meckerte Ottilie Braunhauer giftig. »Mein Karl-Adolf kann ja auch nichts dafür. Sie hätten eben besser aufpassen müssen!« Uthe warf ihr einen vielsagenden Blick zu, nahm den Salat und warf ihn Ottilie in Gesicht. Danach drehte sie sich um und verließ den Raum. Remus lief ihr hinterher, zurück blieben die drei seltsamen Gestalten. Ottilie nahm einen kräftigen Schluck aus dem Wasserglas, um den Schock erst einmal zu überwinden, danach fing sie an zu schreien und stellte sich somit wieder in den Mittelpunkt. Karl-Adolf Braunhauer ermahnte seine Frau, endlich ruhig zu sein, leider nur mit wenig Erfolg. Er hielt sich die Ohren zu und rief, daß er am liebsten gleich sterben würde. Nur Inge Boehmar sah den Scorbits mit einem eiskalten Blick hinterher und sagte: »Noch so eine. Dieses Flittchen hat Werner die ganze Zeit schöne Augen gemacht. Das werde ich ihr heimzahlen...« * Aurec suchte Neve Prometh. Eine Aufgabe, die nicht sonderlich leicht zu bewerkstelligen war, angesichts der knapp 5000 Passagiere, die ausgelassen in jeder Ecke des Raumers feierten. Aurec hatte Mühe, sich an den teilweise rücksichtslos tanzenden Wesen vorbeizuschieben. Anya Guuze folgte ihm zusammen mit ihrem Freund Krizan. Sie war letztlich diejenige, die Neve ausfindig machte und Aurec vorstellte. Der Saggittone war auch von dieser Terranerin recht angetan. Die Erde mußte gute Jahre gehabt haben, als diese drei Frauen zur Welt kamen, dachte sich der Prinz von Saggittor in Anspielung auf Anya Guuze, Neve Prometh sowie Kathy Scolar und lächelte charmant der brünetten Terranerin zu. Als er jedoch an den Grund des Gesprächs denken mußte, wurde er wieder von einem Moment zum anderen völlig ernst. Er bat Neve Prometh, ihn in seine Kabine zu begleiten, wo er mehr über Siddus in Erfahrung bringen wollte. Zuerst zögerte die Terranerin, dann beschloß sie Aurec zu vertrauen und folgte 223 ihm. Kaum in der Kabine angekommen, mußte Aurec erst einmal durchatmen und für einige Sekunden die Ruhe genießen. Er bot Neve Prometh einen Platz und etwas zu trinken an. Beides schlug sie nicht aus. »Anya Guuze erzählte mir, daß Sie mehr über Siddus wissen«, begann Aurec ruhig aber zielstrebig. »Viel weiß ich nicht über ihn«, erklärte Neve zu Aurecs Bedauern. »Ich kam sehr spät in diese Klasse. Zu der Zeit war Siddus ein sympathischer, aber sehr ängstlicher und verstörter Überschwerer. Das änderte sich jedoch schlagartig an einem Abend.« Die letzten Worte sprach sie fast schon flüsternd. Nun wurde Aurec hellhörig. »Berichten Sie mir von diesem Ereignis! Siddus ist Nor’Citel, der Anführer der Pariczaner in Cartwheel. Die Schilderungen von Siddus, die ich von Ihnen und Anya Guuze bekam, passen nicht zu dem selbstbewußten und starken Nor’Citel. Etwas muß vorgefallen sein, was ihn völlig veränderte. Anya meinte, Sie hätten eine Erklärung.« Die beiden blickten sich tief in die Augen. Aurec empfand Neves Augen als sehr schön, aber ebenso unergründlich und geheimnisvoll. Er konnte diese Terranerin nicht richtig einschätzen. Einerseits faszinierte ihn das, auf der anderen Seite beunruhigte ihn diese Tatsache auch ein wenig. Neve lächelte schwach. Mehr ein Ausdruck von Verlegenheit, als von Freude. In der Tat hatte sie bemerkt, daß sich Siddus während der Feier damals abnormal verhalten hatte, doch weiter waren ihre Beobachtungen auch nicht gegangen. »Er verhielt sich anfangs normal, war zurückhaltend, schüchtern und wirkte irgendwie weltfremd. Dann hatte Anya Guuze eine ziemlich gemeine Bemerkung gemacht und Siddus lief weinend weg. Als er wiederkam, war er völlig verändert«, versuchte sich die junge Terranerin zu erinnern. »Weiter«, forderte sie Aurec auf. »Er wurde aggressiv, küßte Anya und berührte ihre Brüste.« 224 D O R G O N Aurec zog eine Augenbraue hoch. Neve ließ diese Regung unkommentiert und fuhr fort: »Dann verprügelte er Krizan Bulrich und wetterte gegen Perry Rhodan, was aber keinen auf der Party sonderlich zu interessieren schien.« »Was hat er genau über Perry gesagt?« wollte Aurec wissen. Er spürte, daß eine Gefahr von Nor’Citel ausging. Ebenfalls fühlte er, daß er der Lösung ein ganzes Stück nähergerückt war. Neve Prometh konnte sich noch genau an die Worte Siddus erinnern, die er über Perry Rhodan sprach: »Soso, der große Perry Rhodan ist immer noch der Held des Universums und seiner Menschheit. Eines Tages wird jemand kommen, der Rhodan vor euren Augen zerbrechen wird! Das verspreche ich dir!« Aurec blickte Neve mit versteinerter Miene an. »Dann fragte ich, ob das ein Wunschtraum sei, doch er meinte, es wäre die Zukunft. Das war alles, was er gesagt hat.« Für eine Weile herrschte Stille. Siddus/Nor’Citel war eine Gefahr für jedes zivilisierte, demokratische Lebewesen. Sobald die BAMBUS wieder auf Mankind war, mußte er eine Konferenz mit Sam, Joak Cascal und dem Marquese von Siniestro einberufen. Es war unabdinglich, sie über Siddus/Nor’Citel zu informieren. Auch Perry Rhodan sollte Bescheid wissen. Was konnte Aurec dem Überschweren jedoch nachweisen? Nichts! Gar nichts! Er besaß gute Anwälte und die Chancen standen gut, daß die Richter für den Überschweren entscheiden würden. Es war schon immer politisch geschickter gewesen, einem berühmten Politiker zu glauben, anstelle einer einfachen Kadettin. Die Medien würden sicher versuchen, die Story aufzubauschen und Nor’Citel keinen Glauben schenken, doch das würde politisch keine positiven Konsequenzen nach sich ziehen. Im Gegenteil, die Pariczaner könnten sich durch die Presse angegriffen fühlen und sich hinter Nor’Citel stellen, der aus irgend einem Grund Perry Rhodan vernichten wollte. Doch warum? Aurec wußte noch nicht so viel über die Pariczaner. Sie waren umweltangepaßte Springer, die schon oft für Unruhe gesorgt hatten. Zu Zeiten der Dritten Macht mußte sich Perry Rho- Nils Hirseland dan gegen den gefährlichen Topthor durchsetzen, doch der Höhepunkt der Geschichte der Überschweren war der Aufstieg des ebenso legendären wie gefürchteten Leticrons zum Ersten Hetran der Milchstraße. Nach dem Verrat an Leticron und dessen mysteriösen Tod wurde Maylpancer neuer Hetran der Milchstraße, doch auch er verlor schnell sein Leben und nach der Befreiung der Milchstraße, verloren die Überschweren an Bedeutung und mußten sich mit der Rolle der Verlierer begnügen. Es gab auch gute Überschwere. So zum Beispiel Aktet Pfest, der während der MonosDiktatur eine wertvolle Hilfe für WIDDER war. Die Überschweren versuchten damals ihr schlechtes Ansehen wieder reinzuwaschen. Erst die wahnsinnige Paylaczer hatte die Überschweren wieder negativ ins Rampenlicht gestellt, als sie mit den linguidischen Friedensstiftern verbündete und Rhodan das Leben schwer machte. Doch Icho Tolot bezwang das überschwere Monstrum in einem Zweikampf. Danach wurden viele Überschwere verbannt und hatten es somit noch schwerer. Von da an waren sie in der Verbrecherorganisation Galactic Guardians vermehrt anzutreffen, doch sie spielten keine kosmische Rolle mehr. Nor’Citel hatte das schlagartig geändert. Der ehemalige Bürokommunikant Siddus änderte seinen Namen und seine Einstellung grundlegend. Auf seltsame Art und Weise übernahm er die Macht über die Überschweren auf der Insel, nannte sie von da an nur noch Pariczaner und wurde in den Paxus-Rat gewählt, was einer Sensation gleichkam. Bis jetzt hielt sich der unsympathische Pariczaner zurück, doch schon immer hatte Aurec gespürt, daß Gefahr von diesem Galaktiker ausging. Seine schier grenzenlose Überheblichkeit und das Vertrauen in seine Fähigkeiten ließen nichts Gutes für die Zukunft erwarten. Dieser Mann war von sich selbst überzeugt und von seiner Mission, welche immer das auch war. * Aurec und Neve Prometh verließen die Kabine und wollten mit Reini Katschmarek, Werner Niesewitz und Peter Roehk sprechen. Er Die Party des Jahrhunderts D O R G O N wollte den drei Inhabern der BAMBUS raten, Nor’Citel mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Sie gingen den Korridor entlang und sprachen kein Wort. Aurec warf der Terranerin ab und zu einen flüchtigen Blick zu, die seine Blicke ebenso flüchtig, fast schon schüchtern, erwiderte. Plötzlich hörten sie Schreie. Hastig lief Aurec in Richtung der Hilferufe und konnte kaum glauben, was er sah. Zwei Oxtorner aus Darvos Sicherheitsdienst prügelten auf einen Blue ein, der bereits blutend in der Ecke lag. »Sofort aufhören!« brüllte Aurec, doch zum Dank schlug ihn einer der grimmigen Kahlköpfe ins Gesicht. Der Saggittone taumelte zu Boden und blutete an der Lippe. Er konnte froh sein, daß der Oxtorner ihn nur »gestreichelt« hatte. Während des Falls hatte Aurec jedoch sofort einen Knopf auf seinem Minikom gedrückt. Neve Prometh gab einen Laut des Entsetzens von sich, als sie Aurec benommen auf den Boden liegen sah. Sofort beugte sie sich über ihn und versorgte ihn. Aurec konnte der Situation in diesem Moment sogar etwas Gutes abgewinnen. Der Blue winselte vor Schmerzen. Endlich ließen die beiden Sicherheitsleute von dem Apaser ab. Dem Blue fiel ein Päckchen mit blauem Pulver aus der linken Hand. Der Inhalt bestand ohne Zweifel aus Drogen. »Was ist hier los?« hörte Aurec eine bekannte Stimme. Sie gehörte Irwan Dove, der wütend anstampfte. Ihm folgten Lorif und Mathew Wallace, der sich nur widerwillig von Yasmin Weydner losgerissen hatte. »He, du Penner, hau ab, sonst werfe ich dich aus der Schleuse, wegen Sex auf der Toilette«, brüllte einer der Wächter. Dove und Wallace blickten sich nur fragend an, während Lorif diesen Ausspruch natürlich nicht unkommentiert lassen konnte. »Entschuldigen Sie, Sir! Laut der galaktischen Verfassung, die noch immer seit Gründung der GAVÖK gilt, haben Sie nicht das Recht, jemanden aufgrund von Geschlechtsverkehr auf einer Sanitäranlage zu töten, was dem Wurf aus der Raumschleuse gleichkom- 225 men würde. Vielmehr haben Sie sich zweier Verbrechen schuldig gemacht. Zum einen haben sie eine Morddrohung ausgesprochen, zum anderen verbürge ich mich für Irwan Doves Integrität. Sehen Sie sich diesen Mann doch an, er hatte bestimmt keinen Sex!« Dove blickte Lorif grimmig an, während Wallace laut loslachen mußte und selbst die Wächter sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnten. Lorif ahnte nicht, wie peinlich Dove dieser Ausspruch war. Doch schnell wurde die Lage wieder ernst, als die beiden Wächter zu ihren Elektrostöcken griffen. »Hört zu, ihr komischen Vögel! Wir machen hier unsere Arbeit. Der Blauscheißer hatte Drogen, die haben wir ihm abgenommen. Er hat uns bedroht und wir mußten uns wehren«, erklärte einer der Wächter. »Soso, zwei Oxtorner gegen einen unter Drogen stehenden ausgemergelten Apaser. Das klingt ja sehr glaubwürdig«, meinte Wallace. Langsam raffte sich Aurec wieder auf. Die Blutung an seiner Lippe hatte aufgehört, die Schmerzen im Kinnbereich jedoch noch nicht. »Des weiteren haben Sie mich niedergeschlagen, weil ich diesem Blue helfen wollte«, stellte Aurec fest. »Selbst schuld. He, Alter, nimm deine Schnecke mal richtig durch, dann geht es dir wieder besser.« Neve wußte nicht, was sie sagen sollte. Am liebsten hätte sie dem Sicherheitsmann einen Schlag ins Gesicht verpaßt, doch Aurec antwortete bereits. »Diese Schnecke ist eine Dame, ich erwarte eine Entschuldigung. Außerdem dürfte Sie die Tatsache interessieren, daß ich Aurec bin, der Regent Saggittors und Mitglied des PaxusRates.« Einer der Wächter wußte nicht, wovon Aurec sprach, bis der andere ihn aufklärte. Er zuckte zusammen und stammelte unverständliche Worte der Entschuldigung. Nun kamen auch Darvos, Niesewitz und Katschmarek hinzu. »Meine Güte, was ist denn hier los?« wollte Reini wissen. D O R G O N 226 Lorif schilderte den beiden Geldgebern des BAMBUS-Projektes die Situation. Mit gespielter Anteilnahme beteuerten sie Aurec und dem Blue ihr Bedauern. »Bringt den armen, kranken Apaser sofort in die Medostation«, bestimmte Niesewitz. »Und was euch zwei Vollidioten angeht. Euch wird das Gehalt um zwanzig Prozent gestrichen!« Fragend und wütend zugleich blickten die beiden Oxtorner ihren Anführer Darvos an, der nur schwach mit dem Kopf nickte. Ohne ein Wort zu sagen, verließen die beiden Oxtorner den Korridor. »Ich bin sehr verstimmt, Niesewitz! Ich dachte, die Kontrollen würden Drogen lokalisieren können?« sprach Aurec ernst. »Und von ihren Schlägertypen brauche ich wohl gar nicht erst anzufangen!« Reini und Werner blickten sich hilflos an. »Nun, wir...« begann Reini, brach dann jedoch ab, da er nicht wußte, was er sagen sollte. »Wir entschuldigen uns für diesen Fauxpas und bitten dich, edler Aurec, über diesen Vorfall hinwegzusehen«, fügte Niesewitz nun hinzu. Aurec schüttelte den Kopf. »Nein! Ich werde selbstverständlich beim Aufsichtsamt Beschwerde einreichen und dafür sorgen, daß solche Fehler nicht noch einmal passieren werden«, antwortete er ließ die beiden Deutschen im Korridor stehen. Neve Prometh und das Trio der IVANHOE folgten dem Saggittonen. Nur Lorif hatte ein freundliches »Auf Wiedersehen, Sir« für Katschmarek und Niesewitz übrig, die wie begossene Pudel im Gang standen. * Auf der BAMBUS gab es weder Tag noch Nacht. Rund um die Uhr waren die Tanzsäle, Restaurants, Spielhallen und Kneipen geöffnet. Das Raumschiff und die an Bord befindlichen 5000 Passagiere hatten inzwischen knapp 37 Stunden »Party« hinter sich. Aurec hatte sich zu einem kleinen Nickerchen hingelegt und auch die Scorbits hatten es vorgezogen, sich etwas auszuruhen. In einigen Restaurants servierte man tatsächlich Frühstück. Remus hatte den Saggitto- Nils Hirseland nen gebeten, mit ihm und seiner Frau zu frühstücken. Aurec hatte nichts dagegen und war sogar angenehm überrascht. Ein ruhiges Essen bei Brötchen, Ei und Tee würde ihm ganz gut tun. Auch Helge von Hahn war anwesend. Er hing jedoch wie ein nasser Sack über dem Tisch und versuchte seine Innereien bei sich zu behalten. »Was hast du eigentlich den ganzen Abend über gemacht?« wollte Remus Scorbit wissen. »Oh, ich habe mich ein wenig über Nor’Citel erkundigt und geriet in eine kleine Auseinandersetzung mit zwei oxtornischen Sicherheitsleuten«, erklärte er und deutete dabei auf die Wunde an seiner Unterlippe. Uthe verzog mitfühlend das Gesicht, doch Aurec meinte, es sei halb so schlimm. »Die Informationen, die ich über Nor’Citel herausbekommen habe, waren äußerst aufschlußreich, aber auch sehr beunruhigend. Dieser Mann könnte eine große Gefahr werden«, erzählte der Prinz Saggittors weiter. Kathy Scolar kam auch in die Cafeteria. Sie wurde von ihrer Schwester Bienya, ihrem Chef Ferby, dessen rechte Hand Dykkar und DJ Abfallhaufen begleitet. Das Gespann setzte sich an den selben Tisch. »Hey, Aurec, alles im Lot? Schon ein paar Pillen geschmissen und dich so richtig besoffen?« fragte Dykkar neckisch. Der Terraner hatte ein sehr loses Mundwerk. »Wissen Sie, Dykkar. Selbst wenn alle anderen Feiern, muß ich arbeiten«, erklärte Aurec und wechselte einen flüchtigen Blick mit Kathy, die ihn anlächelte, doch seltsam abwesend wirkte. Ihre Schwester Bienya machte einen weniger freundlichen Eindruck. Sie tuschelte etwas mit Ferby. »Alle BAMBUS-Freaks müssen Party machen, auch hohe BAMBUS-Freaks«, meinte Ferby mit dem Ansatz eines Lächelns. Aurec räusperte sich. »Ich bezeichne mich nicht als Freak. Dieses Privileg überlasse ich ihnen«, entgegnete der Saggittone leicht provozierend. Das Lächeln auf Ferbys Lippen erstarb. Er Die Party des Jahrhunderts D O R G O N ließ jedoch Aurecs verbale Attacke unkommentiert und widmete sich lieber seinem Frühstück. »Ein Krach ist das hier!« hörte Aurec eine Stimme hinter sich laut brüllen. Sie gehörte niemand anderes als Karl-Adolf Braunhauer, der herrisch durch die Cafeteria lief, gefolgt von seiner hörigen Frau Ottilie und seiner Cousine Inge Bomahr, die ihren imaginären Hund an der Leine führte. Braunhauer war gelb im Gesicht und an den Händen, was auf eine alte terranische Krankheit, der Hepatitis, zurückzuführen war. Eine sehr ungewöhnliche und seltene Krankheit in diesem Jahrhundert der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, doch Karl-Adolf Braunhauer war nicht mehr der Jüngste und im Alter konnten seltsame Krankheiten auftauchen. Während Ottilie nach den ID-Karten suchte, herrschte Karl-Adolf zwei Jugendliche an, die verschwitzt und tanzend aus einem Saal kamen, um sich zu erfrischen. Braunhauer rief Vel-Ali und Franczy, die die beiden sehr schnell einschüchterte. Keiner von beiden bemerkte Aurec oder die Scorbits. Nur Inge Bohmar warf Uthe einen bösen Blick zu und ging zu dem Tisch, an dem die drei saßen. Die gestörte Frau trug einen dicken Pelzmantel, eine Federboa, schwarze Handschuhe, die ihr bis zu den Ellenbogen reichten und hielt in der rechten Hand eine Leine, die schlaff zum Boden herunterhing. Remus mußte sich ein Lachen verkneifen, als er diese lächerliche Frau vor sich sah, die ihn jedoch gar nicht beachtete. Statt dessen stützte sie sich auf dem Tisch ab und beugte sich zu Uthe Scorbit. »Ich weiß genau, was Sie wollen«, flüsterte sie leise. Uthe blickte in ihre Augen, in der die geistige Verwirrtheit stand. »Sie wollen meinen Mann Werner! Doch das wird Ihnen nicht gelingen, Sie dreckige Schlampe!« Die Stimme von Inge überschlug sich und die übrigen Gäste der Cafeteria verstummten und blickten zum Tisch der Scorbits und Aurecs. Kathy fühlte mit Uthe mit. Sie hatte noch vor wenigen Tagen schmerzhaft miterleben müs- 227 sen, wie wahnsinnig diese Frau war, als Inge Boehmar glaubte, Kathy hätte ihren imaginären Mann Werner verführt. Die junge Terranerin hoffte, daß Boehmar sie nicht bemerkte. »Sind Sie völlig hirnlos?« fragte Uthe nur geschockt. »Ich bin glücklich mit Remus verheiratet und will bestimmt nicht Ihren Werner.« Doch Inge glaubte ihr nicht. »Sollten Sie sich noch einmal an Werner heranmachen, töte ich Sie!« versprach sie eiskalt und ohne Skrupel. Uthe erschrak, als sie in die dunklen Augen von Inge Bohmar sah, denn sie wußte, daß die Boehmar es ernst meinte. Inge verließ den Tisch und zog ihren imaginären Hund Bandit hinterher. Bienya Scolar und DJ Abfallhaufen schienen sich sehr über diese Aktion zu freuen. Beide grinsten breit. »Ich werde gleich nachher mit dem Arzt sprechen. Die Frau gehört in Quarantäne«, erklärte Aurec und wollte Scorbit beruhigen. Uthe blickte ihr noch eine Weile nach. Es fröstelte ihr leicht angesichts dieser Drohung. 3. Party, Party, Party Werner Niesewitz und Reini Katschmarek saßen zusammen mit Peter Roehk, Darvos und Reiko an ihrem Lieblingstresen. An diesem arbeitete Jezzica Tazum. Unterstützt wurde sie von der Freundin Reikos, Haggy, und dem Olymper Krizoff. Ferby H und DJ Abfallhaufen standen wieder hinter dem DJ-Pult und sorgten für die laute Musik. Auch Jonathan Andrews saß an dem Tresen und beobachtete Jezzica Tazum bei der Arbeit. Zu seiner Erleichterung hatte er seit einigen Stunden nichts mehr von seiner Freundin Marya Jost gesehen. Er war ganz froh über die kurze Erholungsphase, da sie furchtbar neidisch und eifersüchtig auf Jezzica reagierte. Die beiden Deutschen und ihr neuer Freund Peter schunkelten und sangen: »Trink, trink, Brüderlein, trink!« Krizoff tanzte zur Musik von DJ Abfallhaufen, der die Boxen der Musikanlage bis zum 228 D O R G O N Äußersten reizte. Haggy arbeitete gewissenhaft, während Reiko, der Personalchef des BAMBUS, mürrisch am Tresen stand und sein Vurguzz trank. Ein Mitarbeiter kam vorbei und machte eine Zigarettenpause. Reiko riß ihm die Zigarette aus dem Mund und warf sie auf den Boden. »Du blödes Arsch, mach sofort, daß du wieder an die Arbeit kommst!« herrschte er ihn an. Verängstigt lief der junge Blue sofort zum nächsten Tresen und sammelte leere Gläser und Flaschen ein. Reini und Werner lachten herzlich. »Dem hast du es aber gezeigt, Reiko!« lobten sie ihren Mitarbeiter, der jetzt auch einmal grinste. »Kotzbrocken«, flüsterte Jonathan Andrews Jezzica zu, die leicht nickte. Sie beugte sich zu ihm. »Sie sind alle Kotzbrocken. Katschmarek, Roehk, Niesewitz und Reiko sind eine gefährliche Mischung. Denen sollte man sich besser nicht in den Weg stellen«, flüsterte sie ihm zu. Andrews Gerechtigkeitssinn und Stolz waren jedoch wie immer größer als seine Vernunft. Er wollte diesen Typen eine Lektion erteilen. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, kam Marya an und küßte ihn leidenschaftlich auf die Lippen. Jezzica wandte sich angeekelt ab und unterhielt sich mit Krizoff. »Wo sind eigentlich unsere Ehrengäste?« wollte Werner wissen. »Wen tust du meinen?« fragte Reini. »Nor’Citel und Aurec«, antwortete Werner Niesewitz knapp und trank noch einen Vurguzz. »Keine Ahnung. Ich glaube Aurec ist mit diesen Scorbits unterwegs. Nor’Citel habe ich nicht gesehen«, erklärte Peter Roehk. »He, Werner«, rief Haggy. »Der Kapitän will dich sprechen.« Sie reichte das Interkomgerät an den alten Hamburger weiter. »Was wollen Sie?« Wilbur machte einen gelangweilten Eindruck und kratzte sich am Kinn. »Wir sind jetzt 500.000 Lichtjahre von Cartwheel entfernt, wie Sie befohlen haben. Was nun?« »Bist du besoffen, du Penner? Ich habe nichts befohlen«, meckerte Niesewitz den Kommandanten der BAMBUS an. Nils Hirseland »Ich bin doch von Ihnen benachrichtigt worden, Sir. Wenn nicht Sie mir den Befehl erteilt haben, wer dann?« * Während Werner Niesewitz weiter mit dem Kommandanten darüber diskutierte, wollten Reini und Peter ihre Ehrengäste einmal durch den Hauptsaal führen. In diesem Moment waren nur Jonathan Andrews und Nor’Citel anwesend. Roehk bat die beiden, sich ihm anzuschließen. Krizoff folgte ihnen. Der untersetzte Olymper tanzte freudig durch die Gegend und lächelte Andrews an. »Na, wie gefällt dir die Feier?« »Recht gut, tolle Stimmung hier«, antwortete der Orbiter Gal’Arns ehrlich. »Woher kennst du denn Jezzica?« wollte Krizoff neugierig wissen. Andrews hatte nichts dagegen, es dem freundlichen und sympathischen Kolonisten zu erzählen. »Ich unterbreche nur zu gern diese stumpfsinnige Unterhaltung, doch frage ich mich, warum Gal’Arn nicht hier ist?« unterbrach Leticron das Gespräch. »He, wir unterhalten uns«, konterte Krizoff. Leticron warf ihm einen vernichtenden Blick zu, der den Tresenmann sofort einschüchterte. Krizoff beschloß wieder zu seinem Tresen zu gehen. Andrews antwortete: »Gal’Arn macht sich nichts aus diesen Feiern, deshalb ist er nicht hier.« Nun wandte sich Peter Roehk an die beiden, als sie das DJ-Pult erreicht hatten. »Wir haben fünf Tresen hier. Der eine wird von Jezzica bedient, wie du sicherlich mitbekommen hast, Jonathan. Die anderen von Krizoff, Bienya, ihrer jüngeren Schwester Kathy und dem smarten Stony, der die Cocktails mischt«, erklärte Peter Roehk und zeigte auf die jeweiligen Tresen. Sie gingen direkt zu den DJs. Abfallhaufen schwenkte seine Flasche Bier umher und schlug auf sein altertümliches CDLaufwerk. Dadurch gab es immer wieder einen Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Sprung. Was in Leticrons Ohren grausam anzuhören war, nannte sich Springbeat und war eine absolut neue Musikrichtung, die bei der Jugend ankam. Ferby begrüßte die beiden Ehrengäste mit einem Kopfnicken. Jonathan Andrews konnte er nicht sonderlich leiden, doch vor Nor’Citel hatte er Respekt. »Das hier ist die Lichtanlage. Sonden und Laser, die eine tolle Show bieten«, erklärte Ferby stolz. »Darf ich mal ran?« erkundigte sich Andrews. Ferby Hatte nichts dagegen und der junge Terraner spielte etwas an den Lichteinstellungen herum und versuchte synchron zur Musik die Laser einzusetzen. Es machte ihm Spaß und war eine angenehme Abwechslung. Ferby nickte wohlwollend. »So gut bekommen das nicht mal Profis hin. Aber das macht uns jetzt nicht zu Freunden«, meinte Ferby. Andrews nickte schwach. Er hatte sich so etwas schon gedacht. »Ich habe Durst, gehen wir zur Theke«, beschloß Leticron gelangweilt. Er blickte auf sein Chronometer und lächelte innerlich. Der Countdown lief... * Am Tresen angekommen, bestellte Leticron einen Vurguzz und leerte das Glas in einem Zug. Für einen Pariczaner war ein Glas Vurguzz leicht zu verdauen. Bienya blickte Reini verächtlich an. Doch sie mußte freundlich zu dem Deutschen sein, er zahlte schließlich ihr Gehalt. »Du, Terranerin«, begann Leticron unhöflich. »Was?« entgegnete die kühle Blonde ebenso unfreundlich. »Macht dir diese Aufgabe Spaß?« »Ja, ist eine tolle Party«, erklärte sie und tanzte zu der Musik. Leticron lächelte abfällig. »Soso, ich dachte die Terraner würden lieber durch das Universum reisen, fremde Völ- 229 ker kennenlernen und die galaktische Feuerwehr spielen.« Bienya verstand nicht so recht, was er meinte. Leticron blickte wieder auf seinen Chronometer. Es war Zeit, daß er sich in seine Kabine zurückzog. »Entschuldigt mich. Ich bin müde und möchte mich vor dem großen Höhepunkt etwas ausruhen«, verabschiedete er sich. Andrews, Roehk und Katschmarek gingen wieder zu Jezzica Tazums Tresen, während Leticron sich noch einmal an Bienya wandte. »Leb wohl, Terranerin. Genieße dein Leben, solange du es noch kannst.« Mit diesen Worten verließ er den Saal. Beinahe hätte er noch Kathy umgestoßen, die kurz mit ihrer Schwester reden wollte. »Was wollte der denn?« fragte sie nach. »Ich weiß es nicht genau«, erklärte Bienya verunsichert. Nor´Citel war ihr unheimlich. Kathy winkte ab. »Hast du was für mich bekommen?« Bienya verstand zunächst nicht, doch dann nickte sie. »Ja klar, hier!« Kathy nahm das kleine Tütchen entgegen, bedankte sich und ging zu ihrer Theke zurück. Dort angekommen, öffnete sie das Mitbringsel in einem unbeobachteten Moment. Schnell steckte sie sich einige Pillen in den Mund. * Vekkner war auch an diesem Abend betrunken. Er hockte an Bienyas Tresen, die sich immer noch über Nor’Citel aufregte. Sie war so wütend, daß Kathy sie erst einmal ablösen mußte. Sauer stapfte sie aus der Halle, um sich etwas abzukühlen. Vekkner starrte Kathy Scolar wieder an und rechnete sich immer noch Chancen aus. In dem Moment kamen Sylke Stabum und Sonya Morrat hinzu. Morrat machte sich sofort an Vekkner heran. »Hey, Großer. Ist alles an dir so gewaltig?« Vekkner grinste. »Soll ich es dir zeigen?« »Ja!« Sonya Morrat freute sich, wieder einen Mann zu spüren. Sie küßte ihn leidenschaftlich und steckte ihre Zunge tief in seinen Mund. D O R G O N 230 Dann verließen sie engumschlungen die Halle. Sylke brauchte auch nicht lange, um sich einen neuen Mann zu angeln. Derweil lief Bienya durch die Korridore und begegnete Leticron. Der Corun von Paricza betrachtete sie abfällig und stellte sich vor ihr. »Du versperrst mir den Weg«, bemerkte Bienya ungehalten. »Dann gehe um mich herum«, forderte Leticron sie auf, doch die Terranerin erwiderte seine Bemerkung mit einer schallenden Ohrfeige. Leticron wurde wütend und zog sie in eine Kammer. Dort warf er sie gegen die Wand. Bienya schrie laut auf und meckerte herum. »Das schlimmste an dir ist dein loses Mundwerk«, erklärte Leticron. Er zog die attraktive Terranerin an sich heran und fuhr mit seiner Zunge über ihre Lippen. Sie versuchte angewidert den Kopf wegzudrehen. Leticron lachte. »Dann eben nicht. Wird Zeit, daß du endlich das Maul hältst!« Er setzte seine Psi-Fähigkeiten ein und verschmolz die beiden Lippen Bienya Scolars. Die Terranerin gab Laute des Schmerzes vor sich, doch wo vor einer Minute noch ihr Mund war, war nun eine zusammengeschmolzene Fleischmasse. Tränenüberströmt lief die Terranerin aus dem Raum. Leticron verfolgte dieses Schauspiel mit Genugtuung. Wieder blickte er auf den Chronometer. Nur noch wenige Minuten... 4. Liebe und Tod Sonya Morrat torkelte völlig betrunken durch den Korridor. Sie wurde von Vekkner gestützt. Plötzlich blieben beide in einer dunklen Ecke stehen und küßten sich wild. »Diese Ecke ist dunkel und genau richtig für uns«, erklärte Vekkner. Sie riß ihm das Hemd vom Körper und öffnete seine Hose. Im Gegenzug fuhr er mit seinen Händen unter ihre Bluse und massierte ihre Brüste. Sonya gab einen Laut der Wollust von sich. Nils Hirseland Heißkalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Langsam öffnete Vekkner ihre Bluse und entblößte ihre Brüste, die er mit der Zunge berührte. Die laute Partymusik im Hintergrund machte ihren Ausdruck der Wollust für die Menge nicht hörbar. Sonya klammerte sich fest an den Körper des Ferronen und genoß jede einzelne Sekunde. Sie küßten sich leidenschaftlich. Dann fuhr sie mit ihrer Zunge seine Brust hinunter bis zu seinen Genitalien. Vekkner gab einen Laut der Lust von sich, während Sonya Morrat ihn befriedigte. Dann riß er ihre Hose herunter und küßte ihren Intimbereich. Mit seinen Händen massierte er ihre Brüste und brachte Sonya in Extase. Er packte sie am Po und hob sie etwas hoch. Dann drang er in sie ein und schraubte ihre Gefühle mit heftigen Stößen höher. Lustvoll schrie sie auf und preßte ihre Schenkel um seine Hüften. Die Beine umschlagen seine Leiste und drückten seinen Körper fest an den ihren. Schweiß rann über ihre Stirn und ihren Körper. Seine Brust berührte ihre harten Brustwarzen und gab ihr ein stimulierendes Gefühl. Sonya Morrat schrie laut auf und forderte Vekkner heftiger zu stoßen. Da spürte sie auf einmal nichts mehr. Ihr Partner erschlaffte, sein Kopf lag regungslos auf ihrer Schulter. »Na toll! Daß ihr blöden Männer nicht abwarten könnt, bis wir Frauen fertig sind«, meckerte sie und wollte ihn wegstoßen. Da erst bemerkte sie, daß sie blutverschmiert war. Doch es war nicht ihr Blut, sondern Vekkners. Aus seinem Mund floß die rote Flüssigkeit auf ihren Körper. Schreiend stieß sie ihn zurück. Der Tote taumelte nach hinten und sackte in sich zusammen. Nun sah Sonya den Mörder. Er stand mit einer großen Axt vor ihr und blickte ihr in die Augen. Die schwarzen Augen des grünen Wesens drangen durch sie hindurch. Sein 60 Zentimeter langes Horn blitzte im Schein der Lampen auf. Sonya wagte nicht zu atmen, nicht zu schreien. Sie stand regungslos da und blickte dem Monster in die Augen. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Es hob die Axt, schwang sie durch die Luft und schlug der Terranerin ein Bein ab. Jetzt schrie Sonya laut auf. Sie bekam keine Luft mehr als sie ihr abgetrenntes Glied neben sich liegen sah. Ihr Blut spritzte überall hin. Es schien endlos gegen die Wand und gegen den Angreifer zu schießen. Stockend atmete sie und plötzlich überkam sie ein Brechreiz. Sie erbrach sich, das Erbrochene floß über ihr Gesicht und auf ihre Brust. Das Ungetüm hatte noch nicht genug. Mit seinem langen Horn stieß es in ihre Bauchdecke. Blut spritzte aus ihrem Leib und quoll aus dem Mund hervor. Sonya schrie, daß es endlich vorbei sein sollte. Doch das Wesen kannte kein Erbarmen. Er holte den Dickdarm heraus und stopfte es sadistisch Sonya Morrat in den Rachen. Dann holte es wieder mit der Axt aus und spaltete ihren Schädel in zwei Teile. Da stand das grüne, 1,60 Meter große Wesen blutverschmiert auf und schrie: »Koscha, Dscherro, Koscha!« 5. Wenige Momente vorher Evros Wilbur ließ auf Befehl von Werner Niesewitz sofort das Schiff stoppen und blieb im Leerraum zwischen Cartwheel und den nächstgelegenen unbekannten Galaxien liegen. Ein seltsames Gefühl erfaßte den Kommandanten der BAMBUS. Zur Sicherheit wies er seinen Dritten Offizier an, einen Ortungsscan in einem Umkreis von 10 Lichtjahren durchzuführen. Der müde wirkende Topsider kratzte sich am Gesäß, nahm einen kräftigen Schluck Vurguzz, spuckte einen Teil des Getränkes auf den Boden und rülpste danach. Erst danach befolgte er dem Befehl seines Kapitäns. Es dauerte nicht lange, dann hatte er das gesamte Terrain abgetastet. Das Echsenwesen schob sich eine Zigarre zwischen die Zähne und brummelte: »Nichts besonderes, Zehn Schiffe sind etwa eine Million Kilometer von uns entfernt.« »Was?« brüllte Wilbur. Er rannte zu der Konsole, um sich selbst davon zu überzeugen. 231 Zuerst verspürte er Erleichterung, als er die Schiffstypen sah. Der Syntron identifizierte sie eindeutig als Dscherro-Raumer. Doch was machten diese Schiffe hier? Irgendetwas stimmte mit ihnen nicht, denn so weit von Cartwheel entfernt, hatte sich in den wenigen Monaten kein Schiff herausgetraut. Ein Gefühl von Angst überkam den Ertruser. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Die Dscherroschiffe näherten sich der BAMBUS. »Was sollen wir tun?« wollte der Funker, ein Blue, wissen. »Ich weiß es nicht«, gestand Wilbur ein. Dann informierte er Werner Niesewitz über die Dscherro-Raumer. »Fragen Sie die Dscherro, was sie so weit von Cartwheel entfernt machen. Aktivieren Sie den Schutzschirm und kehren Sie zu Ihrer ursprünglichen Route zurück«, befahl Niesewitz, der sichtlich ungehalten über die ganze Aktion war. »Das wird noch ein Nachspiel haben, Wilbur!« drohte der kleine Terraner und beendete die Funkverbindung. Damit spielte er natürlich auf das Verlassen des geplanten Kurses an. Die Dscherro nahmen als erste Funkverbindung auf. Das Gesicht von Taka Kudon höchstpersönlich erschien auf dem großen Monitor der Kommandozentrale. »Seid gegrüßt, Cartwheeler«, begann er ausgesprochen höflich. »Ich bin Ervos Wilbur, Kommandant des Vergnügungsraumer BAMBUS. Wir... wir haben uns verirrt und wollen wissen, was ihr hier macht?« Der Taka lachte schallend. »Wir sind hier, um euch zu töten!« »Was?« Wilbur glaubte, sich verhört zu haben. Er wies seinen ersten Offizier an, sofort den Schutzschirm zu aktivieren, da wurde auch schon wie von Geisterhand der Transmitter aktiviert und vier Dscherro materialisierten in der Kommandozentrale. Sie machten kurzen Prozess mit der Besatzung und töteten sie schnell und erbarmungslos. Nur Wilbur wehrte sich. Der kräftige Ertruser konnte einen Dscherro niederringen und brach ihm das Genick. Jedoch konnte er sich 232 D O R G O N nicht lange über diesen Sieg erfreuen, denn der nächste Dscherro rammte Wilbur sein Horn in den Magen. Schnell zog er es wieder heraus und warf Wilbur zur Seite. Dann stieß der Grünhäutige mit einem lauten Schrei seine Krallen in den Hals des Ertrusers, der verzweifelt um sein Leben gekämpft, jedoch verloren hatte. Als die Kraft aus den Armen von Wilbur wich und er schon längst tot war, schnaubte der Dscherro immer noch heftig und hatte die Krallen in der Halsschlagader seines Opfers gebohrt. Die dunklen Augen starrten auf die Leiche. Der Dscherro konnte sich von diesem Anblick nicht losreißen. Erst als ihn einer seiner Artgenossen darauf aufmerksam machte, ließ er ab. »Vendor! Der Taka kommt«, ermahnte ihn ein Soldat. Der junge Dscherro riß die Krallen aus dem Hals des Leblosen und salutierte vor Taka Kudon, der gerade durch den Transmitter kam. Ohne eine Miene zu verziehen, musterte er die Leichen und seine Leute. Ein zufriedenes Lächeln huschte für wenige Hunderstelsekunden über seine Lippen, dann wandte er sich seinem Stellvertreter zu. »Machmor, sorge dafür, daß das Schiff schnell übernommen wird. Zuerst der Hangar, damit unsere Fähren landen können, dann die Wachen ausschalten und zuletzt die Passagiere gefangennehmen«, befahl er. Unverzüglich machte sich der dicke Machmor auf den Weg. Vendor begleitete ihn auf dem Weg zum Hangar. Dabei entdeckte er in einer dunklen Ecke zwei Terraner, die über sich herfielen und den Geschlechtsakt vollführten. Vendor überkam wieder ein Rausch und er stach den männlichen Terraner nieder. Das Weibchen murmelte erst etwas, schrie dann auf, als sie den Tod ihres Geliebten bemerkte. Ihr Atem stockte, als sie Vendor erblickte. Der Dscherro genoß diesen Moment. Er hatte ihr Leben in der Hand, konnte sie töten, wann immer er wollte. Das war Macht! Sie hoffte, daß er sie verschonen würde. Fast amüsierte Vendor dieser Gedanke, dann spürte er, wie seine Adern dicker wurden, der Blutrausch ihn wieder überkam. Heißkalte Schauer jagten über Nils Hirseland seinen Rücken, dann schlug er ihr mit einem lauten Schrei ein Bein ab. Er genoß diese Augenblicke so sehr! Doch sie lebte noch. Er rammte sein Horn in ihren Magen, doch sie atmete noch immer. Sie mußte so sehr leiden, dachte sich Vendor und erfreute sich dieser Tatsache. Er riß ihre Gedärme heraus und stopfte sie in ihren Mund. Dann schlug er ihr mit einem lauten Gebrüll seine Axt in den Kopf. Jetzt war sie tot. Er hatte ein Leben vernichtet, er besaß Macht! »Koscha Dscherro, Koscha!« rief er berauscht. Machmor riß ihn aus seiner Extase. »Reiß dich zusammen, junger Dscherro! Wir haben einen Auftrag!« erinnerte er Vendor. Machmor legte, genauso wie Taka Kudon, Wert auf Disziplin. Die 20 Dscherro stürmten den Hangar und konnten das überraschte Wartungspersonal mühelos überwältigen. Wieder wurden keine Gefangenen gemacht. Fünf Galaktiker fanden den Tod, kein Dscherro vergoß auch nur eine Schweißperle. Dann öffneten sich die Schotts und neun Fähren landeten auf der BAMBUS. Je einhundert Dscherro pro Fähre, bis an die Zähne bewaffnet und zu allem entschlossen, stürmten aus dem Hangar, doch Machmor hielt sie für einen Moment zurück. »Dscherro! Heute ist ein großer Tag, denn wir werden diesen arroganten und überheblichen Galaktikern zeigen, daß die Dscherro ein stolzes Kämpfervolk sind, die niemand besiegen kann«, rief er. Anschließend brüllten die knapp tausend Gehörnten »Koscha Dscherro, Koscha« und marschierten los. Ihre ersten Ziele waren die Tanzsäle. * »Partyalarm!« brüllte ein jugendlicher Terraner durch die Gegend. Er war am ganzen Körper gepierct, trug weiße Handschuhe und einen leuchtendes Gebiß. Der Terraner hoppelte wie wild vor einem Notausgang und schrie den Text der elektronischen Musik. Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Aurec lief ohne Begleitung durch den großen Saal und stellte sich an einen Tresen. Er musterte seine Gegenüber. Zwei Akonen mit nacktem Oberkörper unterhielten sich über ihre jüngsten Eroberungen, womit sie zwei Dorgoninnen meinten, die auf der Tanzfläche standen. Die Bedienung an diesem Tresen war Kathy. Sie lächelte Aurec freundlich an, als sie ihm nach seinem Wunschgetränk fragte. Er bestellte einen Vurguzz-Cola und gab der hübschen Brünetten reichlich Trinkgeld. An einem anderen Tresen entdeckte er Jonathan Andrews, seine Freundin Marya, Niesewitz und die anderen. Anya Guuze und Sylke Stabum kamen zu dem Saggittonen, der vor allem nach Nor´Citel Ausschau hielt, ihn jedoch nirgends entdecken konnte. »Hey Mister Aurec«, begann Sylke freundlich. Sie schwankte von einer Seite zur anderen und machte auf Aurec nicht nur einen betrunkenen, sondern auch unter Drogen stehenden Eindruck. »Wollen wir es mal machen?« fragte sie. Anya kicherte laut. Auch sie war reichlich angetrunken. Aurec beschloß über diese Tatsachen hinwegzusehen. »Ich danke für dein reizendes Angebot«, erklärte der Saggittone, »jedoch muß ich es ablehnen, so schwer es mir auch fällt«, fügte er diplomatisch hinzu. Sylke grinste nur debil und verstand eigentlich kein Wort von dem, was er sagte. Anya saugte genüßlich an dem Strohhalm ihres Cocktails und blickte Aurec tief in die Augen. Für einen Moment wurde der Saggittone beim Anblick dieser Traumfrau schwach. »Wo ist dein Freund?« wollte er wissen. »Och, der treibt sich irgendwo herum«, erklärte sie pikiert. »Der treibt es eher mit einer, wolltest du wohl sagen«, neckte Sylke ihre beste Freundin, die das weniger spaßig fand. Aurec wußte nicht, was er sagen sollte. Der Saggittone hatte einen bissigen Kommentar auf der Zunge, hielt sich jedoch zurück. Die beiden verabschiedeten sich und ent- 233 schlossen sich zum weiterzugehen, um Cattrin Adamz zu suchen. Aurec stellte sich wieder an den Tresen und beobachtete Kathy. Die Terraner waren schon ein seltsames Volk, dachte er bei sich. Sie waren so unterschiedlich in ihrem Benehmen und doch wieder gleich. Dieses Volk war ein einziger Widerspruch und doch folgten sie einer bestimmten Linie, die dem Wohle aller diente. Stony und DJ Abfallhaufen kamen zum Tresen. Einer der Tresen-Service Leute rempelte dabei aus Versehen die Freundin von Zchmitt an. Sofort packte Abfallhaufen seinen Untergebenen. »Du Penner hast meine Freundin angestoßen«, rief er aggressiv. Der blonde Terraner mit der modischen Brille entschuldigte sich sofort, doch das war Abfallhaufen nicht genug. Er mußte sich wieder in Szene setzen und allen zeigen, was für ein toller Kerl er doch war. »Davon kriege ich so einen dicken Hals, mein Junge. Das nächste Mal fliegst du, und zwar aus der Schleuse!« brüllte der kleine Terraner herum. Der Tresen-Service nickte hastig und ging eilig davon. Aurec schüttelte nur angewidert den Kopf. Er wandte sich zu Stony, der Kathy am Tresen etwas unterstützen sollte. »Dieser DJ Abfallhaufen sorgt bestimmt für ein schlechtes Betriebsklima«, meinte der Saggittone sarkastisch. Stony sah ihn verwundert an. »Er ist in Ordnung. Manchmal vielleicht etwas exzentrisch, doch alles in allem ist Krizan ein guter Kumpel und ein klasse DJ«, erklärte Stony. Aurec nickte nur schwach und ließ diesen Satz unkommentiert. Stony verließ wieder den Tresen, um zu seinen eigenen zu gehen. Auch Abfallhaufen mußte wieder an die Arbeit. Dabei traf er auf Reiko und schilderte ihm die Sache von dem Tresen-Service. Reiko griff sich den Terraner und schrie ihn vor aller Augen an. Aurec wäre am liebsten zu diesem widerwärtigen Plophoser gegangen und hätte ihm einen 234 D O R G O N Kinnhaken verpaßt, doch das war wohl etwas unter der Würde eines Regenten. Das Resultat war ein weinender junger Terraner, der gerade herausgeworfen wurde. Er bat Reiko förmlich auf Knien den Posten zu behalten, doch der bärtige Organisator spuckte seinem Gegenüber nur ins Gesicht und ließ ihn von einer Security-Wache hinausschaffen. Aurec wechselte einen kurzen Blick mit Kathy und schüttelte den Kopf. Er fand diese Party, wie auch das ganze Schiff, als wenig anziehend. Dann wurde er auf einen schreienden Terraner aufmerksam, der wie wild herumsprang. Der Schweiß rann ihm von der Stirn. Er faßte sich mit beiden Händen an den Schädel, so als ob er Kopfschmerzen hätte, doch das gehörte wohl zum Tanz. Die Augen starrten ins Leere und das starre Lächeln deutete darauf hin, daß er nicht Herr seiner Sinne war. An dem muß wohl die Evolution vorbeigegangen sein, dachte sich Aurec mit einem Schmunzeln. Da brach die Tür plötzlich mit einem lauten Knall auf und die Musik verstummte unverzüglich. Der junge Terraner wurde von der aufspringenden Metalltür getötet. Energieblitze zischten durch den Raum, die Wesen fingen an zu schreien als sie die grünhäutigen Dscherro sahen, die brüllend durch den Saal rannten und wild in die Menge schossen. Aurec sprang sofort hinter den Tresen und stieß Kathy zu Boden, womit er ihr das Leben rettete, denn ein Energiestrahl schlug dort ein, wo sie vorher gestanden hatten und durchtrennte eine Säule des Tresendaches. »Hast du eine Waffe hier?« wollte Aurec wissen. »Was?« fragte sie irritiert. Er schüttelte mit dem Kopf. Wo waren die Sicherheitsmänner von Darvos? Einer rannte schreiend zum Ausgang, kam jedoch nicht weit, da ein Dscherro ihm seine Axt in den Rücken warf. Bienya rannte zum Tresen. Sie stand unter Schock. Ihr Mund war zugewachsen. Ein Energiestrahl traf sie ins Gesicht, bevor sie ihre Schwester erreichen konnte. Bienya brach zusammen und blieb regungslos auf den Boden Nils Hirseland liegen. Kathy begann zu schreien und zu weinen. Der Saggittone versuchte sie zu beruhigen, jedoch war er ebenfalls bemüht, irgendwoher eine Waffe zu organisieren. Er robbte zum Ende des Tresens und packte Bienyas Hand. Er spürte keinen Puls. Sie war tot! Am Tresen von Jezzica brach auch das Chaos aus. Dutzende von Energiesalven durchsiebten den Tresen regelrecht. Jezzica sprang geistesgegenwärtig über den Tresen und suchte hinter einer Wand Deckung. Andrews packte Marya und warf sie zu Boden. Vor ihm lief einer der Sicherheitsbeamten, der seinen Schlagstock zog und auf einen Dscherro einprügelte. Der Oxtorner gewann das Duell, wurde jedoch von drei anderen Dscherros regelrecht zerhackt. Andrews zog derweil die Energiewaffe des toten Dscherros und schoß die anderen drei nieder. »Laßt mich leben! Ich bin unschuldig!« schrie Krizoff laut. Tränen liefen ihm über das Gesicht. Jonathan Andrews packte ihn am Arm und zog ihn zu Jezzica, die zusammen mit Marya hinter der Wand Deckung gefunden hatte. Auch Niesewitz, Katschmarek und Roehk verschanzten sich dort und flehten um ihr Leben. Roehk schrie laut und schrill, solange, bis es Jezzica reichte und die resolute Terranerin ihn einfach niederschlug. Reiko rannte zu den anderen. Er packte Haggy und wollte sie mitziehen. Plötzlich tauchte ein Dscherro auf und schoß. Geistesgegenwärtig und nur auf sein eigenes Leben bedacht, zog Reiko seine Freundin Haggy zu sich, so daß sie die tödliche Salve abbekam. Sie brach leblos zusammen und Reiko rettete sich, indem er sich hinter einer Wand versteckte. Jonathan Andrews war davon angewidert, doch er mußte sich auf die Verteidigung konzentrieren. Aber das war ein sinnloses Unterfangen. Innerhalb weniger Minuten hatten die Dscherro knapp vierzig Wesen grausam getötet und den Rest zusammengetrieben. Einige Wachen leisteten noch Widerstand und auch einige Passagiere versuchten sich mit Die Party des Jahrhunderts D O R G O N bloßen Fäusten gegen die Dscherro zu erwehren, doch die meisten waren wie paralysiert und standen unter Schock. Vel-Ali wurde von zwei Dscherro niedergestochen. Franczy wollte ihm zu Hilfe eilen und überwältigte die beiden Gehörnten. Jede Hilfe kam jedoch für Vel-Ali zu spät. Aurec hatte sich immer noch hinter dem Tresen verschanzt und versuchte die Terranerin Kathy zu beruhigen, die einen Schock erlitten hatte. Einer der Sicherheitsleute fiel über den Tresen, krachte auf den Tisch mit den Getränken und blieb regungslos liegen. Kathy schrie auf, jedoch ging dieser Schrei in der Masse unter. Aurec entdeckte sofort den Thermostrahler und bewaffnete sich. Ohne auch nur eine Sekunde zu verlieren, packte er Kathy an der Hand und rannte aus dem Tresen. Zwei Dscherro, die auf ihn feuern wollten, wurden von Aurec niedergeschossen. Es bot sich ihm ein Bild des Schreckens, als er sah, wie Hunderte von Wesen verzweifelt versuchten, sich gegen die brutalen Aggressoren zu wehren. Der Saggittone versuchte angestrengt zu Jonathan Andrews zu gelangen, der sich mit ein paar anderen Leuten hinter einer Treppe verschanzt hatte. Auch Yan Cruze gehörte dazu. Er saß wimmernd in einer Ecke und hielt sich die Ohren zu. Darvos kämpfte kurz vor Andrews mit einem Dscherro und konnte ihn erledigen, dann sprang er in Deckung und kroch auf Andrews zu. Aurec und Kathy liefen zu ihnen hin, dabei wurde die Terranerin am Oberschenkel getroffen. Schreiend fiel sie zu Boden und ließ Aurecs Hand los. Sofort drehte sich der Saggittone um und blickte einem Dscherro in die Augen, der Aurec hart mit seiner Faust traf. Andrews konnte nicht schießen, ohne zu riskieren, Aurec zu treffen. »Darvos, hilf ihm!« forderte der Orbiter Gal’Arns den grimmigen Anführer der Sicherheitsleute auf. »Ich bin doch nicht blöd!« schnauzte der ihn an. »Verdammt!« rief Andrews und versuchte auf den Dscherro zu zielen. Er schoß, traf da- 235 bei jedoch beinahe Aurec. Andrews verwünschte diese Aktion und überlegte weiter, wie er dem Saggittonen helfen konnte. Kathy robbte langsam zu den anderen, jedoch stand sie immer noch unter Schock und schien nicht recht zu wissen, wo sie hin wollte. Jezzica beschloß, ihrer Freundin zu helfen und lief aus der sicheren Deckung. Die Dscherro bemerkten sie in dem Tumult nicht und so schnell sie konnte, rannte sie zu ihrer Freundin und Kollegin. »Komm schnell!« Im nächsten Moment sah sie die Faust eines Dscherro auf sie zuschnellen. Sie traf sie auf die Brust. Keuchend flog Tazum zu Boden und krümmte sich vor Schmerzen. Andrews war unterdessen zusammen mit Darvos und Krizoff damit beschäftigt, zwei Dscherro aus ihrem Versteck zu locken. Marya beobachtete das Szenario um Jezzica und Kathy. Sie hielt einen Strahler in der Hand und hätte jederzeit den Dscherro erschießen oder paralysieren können. Doch sie unternahm nichts. Gelassen und kalt sah sie zu, wie der Gehörnte auf Jezzica Tazum eintrat. Ein Lächeln huschte über die Lippen von Andrews Freundin, denn eine ungeliebte Rivalin wurde gerade ausgeschaltet. Aurec hatte keine Chance mehr gegen den Dscherro und sank in die Knie. Das Ungetüm nahm eine Axt und wollte Aurecs Kopf abschlagen, doch ein Energiestrahl trennte seine Hand ab. Ein zweiter Strahl traf den Dscherro in die Brust. Aurec blickte sich verwundert um und erkannte Lorif, Wallace und Dove. Der Schuß kam von dem Schotten und hatte dem Saggittonen das Leben gerettet. Dove reagierte blitzschnell und nahm den zweiten Dscherro in den Würgegriff. Wallace, Aurec und Lorif kümmerten sich um die beiden schwer mitgenommenen Frauen und trugen sie zu dem Versteck. Jezzica blutete aus dem Mund und an dem Kopf. Geschockt lief Andrews zu ihr und streichelte behutsam ihr Haar. Entsetzt und den Tränen nahe blickte er Aurec an. Jezzica war bewußtlos und atmete nur D O R G O N 236 schwach. Marya ging zu ihrem Freund und umarmte ihn. Sie konnte es nicht sehen, daß er sich um Jezzica sorgte. Andrews schob Marya jedoch behutsam weg und kümmerte sich weiter um Jezzica Tazum. »Lorif, kümmere dich um die Verletzten!« befahl Aurec. Es hatte keinen Sinn mehr. Die Gruppe war zurückgetrieben worden und konnte gegen die bewaffneten Dscherro nichts ausrichten. Langsam wurde es ruhiger in dem Saal. Man gab den Widerstand auf. Sie hatten eingesehen, daß sie chancenlos waren. »Wir geben auf«, sprach Aurec mit gebrochener Stimme und warf die Waffe weg. Andrews und die anderen überlegten kurz, dann taten sie es ihm gleich. * Das Licht erhellte sich und blendete zuerst in den Augen der meisten. Rauch stieg auf. Die Dscherro hatten die Passagiere in den Sälen zusammengetrieben. Eine Kolonne Dscherro jagte durch die BAMBUS und durchsuchte jedes Zimmer. Auch Vendor leitete eine Gruppe. Er stürmte in das Zimmer der Scorbits, schlug Remus nieder und ließ beide sofort aus dem Zimmer zerren. Remus und Uthe wußten gar nicht, wie ihnen geschah, da waren sie bereits im Hauptsaal und wurden zu den anderen gebracht. Remus war benommen und hatte für einen kurzen Moment die Orientierung verloren. Uthe versuchte mit einem Taschentuch seine Kopfwunde provisorisch zu verbinden. »Uthe!« hörte sie eine Stimme hinter sich schreien. Sie drehte sich um und sah Anica und Jaquine. Uthe fiel ein Stein vom Herzen. Sie umarmte die beiden Zechoninnen, die völlig verstört waren. Beide weinten und standen unter einem Schock. Jaquines Freund Nikto war auch da. Er zitterte am ganzen Körper und war bleich im Gesicht. »Alles in Ordnung?« wollte Uthe besorgt von ihm wissen. Nils Hirseland »Kümmere dich um deinen eigenen Dreck«, herrschte Nikto sie an. Vendor kam zurück in den Saal und brachte etwa fünfzig weitere Galaktiker. Darunter waren auch Yasmin Weydner, Ivon Abrinsky, Inge Bohmar und die Braunhauers. Zu Remus und Uthes Erleichterung wurden die Braunhauers mit ihrer seltsamen Freundin, die immer wieder nach Werner schrie, in den gegenüberliegenden Teil des Saales gebracht. Vendor stieß einige Leute zur Seite und schob sich so durch die Menge. Sein Blick fiel auf Jaquine, die ihn seiner Ansicht nach seltsam ansah. Er packte sie an ihren Haaren und drückte ihr Gesicht an seine Brust. »Du minderwertiges terranisches Häufchen Elend. Ich könnte dich jetzt ersticken«, flüsterte er. Schaum und Speichel rannen ihm aus dem Mund und tropften zum Teil auch auf Jaquines Kopf. Uthe hielt den Atem an und sah entsetzt und gelähmt dem Schauspiel zu. Nikto zitterte noch immer und hüpfte von einer Seite zur anderen. Unfreiwillig machte er Vendor so auf sich aufmerksam, der Jaquine von sich stieß. Die Zechonin landete in Uthes Armen und weinte bitterlich. »Was hampelst du hier herum, du Dreck?« »Ich brauche Stoff, Mann!« Schweiß lief Nikto von der Stirn und er biß sich solange auf die Lippen, bis sie anfingen zu bluten. Vendor verstand nicht. Er entblößte seine Zähne und fauchte wie ein Gorilla. Entsetzt wich Nikto zurück, doch auch hinter ihm stand ein Dscherro. »Ich brauche Drogen, Alter.« Jetzt verstand der Dscherro. Er hielt für einen Moment inne, dann grinste er breit und machte Nikto Platz. »Hole es dir. Los, lauf los und suche dir deinen Stoff«, bot der Dscherro dem Terraner an. Nikto wußte nicht, was er sagen sollte. Der Dscherro hinter ihm, stieß ihn an, doch Nikto stolperte über seine eigenen Beine und fiel zu Boden. Langsam rappelte er sich auf und lief los. Zuerst zögerlich, dann immer schneller, bis er zum Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Schluß aus dem Saal rannte. Vendor lachte diabolisch, gab zwei Dscherro ein Zeichen, dann liefen alle drei los und jagten den Terraner. Jaquine bat Uthe um Hilfe, doch Scorbit konnte nichts mehr für Nikto tun. Die Dscherro hetzten ihn, solange bis er entkräftet zusammenbrach. Dann stopften sie ihn mit Medikamenten und Drogen voll, bis er daran erstickte. Uthe verwünschte diese brutalen Bestien. »Achtung!« schrie ein anderer Dscherro und selbst Vendor nahm Haltung an. Machmor und Taka Kudon betraten, von zwanzig Dscherros eskortiert, den Saal. Vendor trat vor und erstattete Bericht. »Wir haben jeden Raum durchsucht und die etwa 5000 restlichen Geiseln in sieben Hallen untergebracht. 215 haben wir während des Kampfes getötet, 85 Verletzte haben wir nach dem Kampf in den Konverter geworfen«, erklärte er so laut, daß jeder es verstehen konnte. »Die BAMBUS ist in unserer Hand, großer Taka!« * Jonathan Andrews interessierte sich wenig für die Reden der Dscherro. Er kümmerte sich rührend um Jezzica Tazum, die inzwischen auch wieder bei Bewußtsein war. Die Terranerin hatte sich einige Rippen gebrochen und etliche Prellungen zugezogen. »Hat es geklappt?« fragte sie mit schwacher Stimme. »Ja. Kathy hat zwar einen gegrillten Oberschenkel und einen schweren Schock, sonst geht es ihr aber gut«, flüsterte Jonathan mit einem leichten Lächeln. Er wollte Jezzica aufheitern, was ihm auch für einen Moment lang gelang, jedoch war die Situation zu Ernst, um darüber Scherze zu machen. Das wußte Andrews nur zu genau und in diesem Moment wünschte er sich, daß Gal’Arn bei ihm wäre. Aurec hörte den Dscherro genau zu. Er hatte bereits herausgefunden, daß der besonders brutale Gehörnte Vendor hieß. Sein Vorgesetzter Machmor und Taka Kudon selbst kannte er bereits von vielen politischen Treffen. 237 Nun hatten die Dscherro also ihr wahres Gesicht gezeigt und waren nicht das arg gebeutelte Volk, das um Wiedergutmachung kämpfte, sondern die grausamen Plünderer, die Taka Fellok und seinem Clan in nichts nachstanden. Aurec mußte sich jetzt um die 5000 Lebewesen kümmern. An ihm lag es, mit Taka Kudon zu verhandeln. Er sagte Dove und Wallace Bescheid. Danach versuchte er sich durch die Masse zu kämpfen. Dabei traf er auf Anya Guuze, die ihn verängstigt ansah. Neben ihr standen Roppert Nakkhole und Sylke Stabum. »Sie haben Sonya und Cattrin umgebracht!« flüsterte Anya betroffen. Aurec sprach ihnen sein Beileid aus und erklärte, daß er mit Taka Kudon sprechen wollte. »Was wollen die von uns?« wollte Anya wissen. »Ich kann es noch nicht beantworten«, mußte Aurec eingestehen. »Toller Supermann bist du, Alter! Das könnte ich ja noch besser machen«, gab Krizan Bulrich von sich, wurde jedoch im nächsten Moment von Anya zum Schweigen gebracht. Aurec beschloß, erst einmal weiterzugehen. Er fragte sich, wo Neve Prometh geblieben war. Hatte sie überlebt oder war sie unter den 300 Toten? Auf dem Weg zu Kudon traf er auch die Scorbits und zeigte ihnen, wo Andrews und die anderen waren. Sofort machten sie sich auf den Weg. Aurec wollte seine Gefährten zusammen wissen. Dann war es leichter, einen Ausbruch zu starten und er mußte sich keine unnötigen Sorgen um ihren Verbleib machen. Als er endlich Taka Kudon erreicht hatte, stand bereits Nor’Citel mit dem Dscherroanführer zusammen. Die Dscherro erkannten den Prinzen Saggittors und brachten ihn zum Taka, der überlegen grinste. »Ah, zwei einflußreiche Politiker stehen wie Bettler vor mir, und wollen um das Leben der Kreaturen winseln«, sprach er voller Hohn. »Laßt sie gehen«, bat Nor’Citel. Aurec glaubte für einen Moment, daß er sich in dem Pariczaner getäuscht hätte. Jetzt setzte er sich für die Geiseln ein. Trotzdem stimmte etwas nicht mit ihm. Er wurde dieses seltsame Gefühl nicht los, daß Nor’Citel eine größere 238 D O R G O N Gefahr als die Dscherro war. »Nor’Citel hat recht. Was bezweckt Ihr mit dieser Aktion? Ihr wißt genau, daß die Dscherro aus Cartwheel verbannt werden, wenn das hier bekannt wird«, erklärte Aurec energisch. Wieder lachte Taka Kudon. »Wenn!« betonte er. »Wir werden eine reiche Beute machen. Die Besucher haben Geld, Schmuck und der Lösegeldanteil dürfte beträchtlich sein. Natürlich wird die BAMBUS nach Zahlung des Lösegeldes explodieren.« Ein Raunen ging durch die Halle. Eine Panik brach aus, doch die Dscherro hatten alles unter Kontrolle. Aurec verstand den Sinn dieser Entführung nicht. »Warum? Welchen Vorteil konnte diese Aktion den Dscherro schon bringen?« Kudon spuckte dem Saggittonen ins Gesicht. »Ihr Saggittonen seid bald aus Cartwheel vertilgt. Uns ist dieses ganze Kräftemessen zwischen DORGON und MODROR egal. Wir stehen auf der Seite desjenigen, der am besten bezahlt und das ist im Moment nicht DORGON.« Langsam verstand Aurec. Die Dscherro handelten nicht aus eigener Motivation, sondern wurden mit einer hohen Entlohnung geködert. »Machmor, fliege jetzt die vereinbarten Koordinaten an, damit wir unseren Auftraggeber treffen können«, befahl der Taka. Er machte keinerlei Anstalten, irgendetwas vor Aurec und Nor’Citel zu verheimlichen. Langsam wandte er sich wieder an den Saggittonen. »Werft ein Auge auf ihn, denn mein Auftraggeber will ihn lebend haben«, erklärte Kudon seinen Untergebenen und blickte Vendor streng an, der am liebsten alle Geiseln sofort getötet hätte. »Egal, was er geboten hat. Ich biete mehr! Eine Million Galax pro Geisel!« Für einen Moment dachte Taka Kudon ernsthaft über dieses Angebot nach. Fünf Milliarden Galax waren eine ganze Menge. Dann blickte er zu Nor’Citel, der keine Miene verzog, doch Taka Kudon wußte genau, was er dachte. »Nein!« entgegnete er nur und wies Vendor an, Aurec wieder zu den anderen zu bringen. Während Aurec zu der Gruppe gebracht wurde, packten drei Dscherro Nor’Citel. Aurec blieb Nils Hirseland überrascht stehen. »Was soll das?« wollte Nor’Citel wissen. »Der Taka hat mit dir etwas besonderes vor, Überschwerenschwein!« Nor’Citel wehrte sich heftig, doch die Dscherro schienen stärker zu sein. Vendor trat gegen das Schienbein des Pariczaners, so daß er zusammenbrach. Dann schlugen die Dscherro solange auf ihn ein, bis er sich wehrlos davon schleifen ließ. Aurec blickte besorgt hinter Citel her. Diesmal saßen sie im selben Boot und der Saggittone hoffte, daß dem Überschweren nichts passieren würde. * Die Dscherro warfen den Pariczaner auf den Boden, wo er sich langsam wieder aufrappelte. Taka Kudon, Machmor und Vendor stellten sich vor ihn. Leticron stand auf und blickte die Dscherro wütend an. Im nächsten Moment packte er eine der Wachen und brach ihm den Arm. Der brüllende Dscherro wollte zur Waffe greifen, doch Leticron war schneller. Er brach ihm auch die Hand des anderen Armes. Den zweiten Dscherro stieß an die Wand und schlug mehrmals mit der Faust in dessen Magengegend. Der Gehörnte sank bewußtlos zusammen. Die dritte Wache wirkte verunsichert und ging ein paar Schritte rückwärts. Der Pariczaner blickte ihn haßerfüllt an und stürzte sich wie ein Raubtier auf den Grünhäutigen. Er warf ihn mit einem Schulterwurf zu Boden und nahm ihn in den Schwitzkasten. Leticron rammte den Schädel des Dscherro gegen die Wand. Sein Horn durchstieß das leichte Metall und der Dscherro blieb stecken. Leticron nahm all seine Kraft zusammen und schlug mit seinem Ellenbogen gegen das Horn, so daß es abbrach. Schreiend, schon fast weinend über diese Demütigung brach der Dscherro zusammen. Taka Kudon, Machmor und Vendor sahen dem Schauspiel gelassen zu. Leticron stürmte auf Vendor zu und verpaßte ihm einen rechten Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Kinnhaken. Der Dscherro taumelte zurück, zog seine Axt und wollte Leticron angreifen. »Genug!« fauchte Taka Kudon und sofort hielt Vendor inne. Leticron machte jetzt wieder einen gefaßten Eindruck und atmete tief durch. »Ihr habt das Schauspiel zu realistisch aussehen lassen«, erklärte er zähneknirschend und stellte sich bedrohlich vor Vendor, der wild schnaubte. »Verzeiht uns, Leticron«, entschuldigte sich Taka Kudon unterwürfig. Vendor gefiel das nicht. Ein Dscherro entschuldigte sich bei niemandem! Doch auch er mußte einsehen, daß Leticron ihr Auftraggeber war und ihnen eine Menge Geld bringen würde. »Dreihundert Tote! Konntet ihr Bestien euch nicht etwas zurückhalten?« »Aber Leticron! Wir sind Kämpfer. Ich und meine Leute konnten endlich wieder töten. Unser Leben hat wieder einen Sinn!« sprach Kudon mit geschwellter Brust. Der Sohn des Chaos schüttelte nur den Kopf. »Diese Leben bedeuten mir nichts, aber ich wünsche als ihr Retter nach Cartwheel zurückzukehren, um von den Medien gefeiert zu werden«, erklärte er. Er grinste diabolisch. »Allerdings ohne Aurec und seine Brut...« Leticron ging ein paar Schritte weiter. Taka Kudon folgte dem Unsterblichen, ebenso wie Machmor und Vendor, jedoch mit gebührendem Abstand. »Fliegt die BAMBUS zu den von mir angegebenen Koordinaten. Dort werden euch zwei meiner Brüder erwarten. Ihnen übergebt ihr Aurec und die anderen Veteranen aus Dorgon und die Helden der TERSAL. Ohne diese lästigen Kreaturen können wir unsere Ziele in Cartwheel schneller erreichen«, sagte Leticron kühl. Taka Kudon nickte nur. Politik und Taktik waren nicht seine Stärken. Das erkannte auch Leticron. Die Dscherro waren nur dazu zu gebrauchen, mit brachialer Gewalt etwas zu erreichen. So auch diese Entführung. Natürlich hätten der Pariczaner diese Sache auch selbst übernehmen können, doch niemand sollte im Falle eines Scheiterns auf die Idee kommen, daß Leticron für die Entführung verantwortlich zu machen war. Die Dscherro konn- 239 te man schnell und glaubwürdig zu Sündenböcken deklarieren. Es war ein habgieriges und stupides Volk, das nicht sonderlich hoch angesehen in Cartwheel war, nicht zuletzt durch ihre Aktionen in der Milchstraße. Leticron hatte vor, Taka Kudon und seinen Mannen eine hohe Subventionssumme von 50 Milliarden Galax zu zahlen. Er sollte als großer Vermittler auftreten und die Dscherro davon überzeugen, die Geiseln wieder freizulassen. Leticron wollte die Entführung als einen Aufschrei der Dscherro darstellen, die so auf ihre wirtschaftliche Not aufmerksam machen wollten. Der Tod von bis jetzt 300 Passagieren war hierbei wenig förderlich. Sollte es weiterhin Schwierigkeiten geben, würden sich die Völker Cartwheels sicher nicht mit dieser Ausrede zufrieden geben. Sollte dieser Fall eintreten, mußten Taka Kudon und seine Vertrauten sterben, denn niemand durfte Leticrons wahre Identität und Motivation erfahren. Was aus Kudon und den Dscherro wurde, war dem Sohn des Chaos völlig gleichgültig. Er wollte Aurec und seine Freunde loswerden, die ihm sein Handeln auf der Insel erschwerten. Natürlich würden dann noch weitere unangenehme Personen, wie Gal’Arn, Sam und Joak Cascal übrigbleiben, doch mit Aurec wäre ein wichtiger Widersacher aus dem Weg geräumt. Zu diesem Zweck hatte sich Cau Thon mit ihm in Verbindung gesetzt, den er in einem entlegenen Sonnensystem außerhalb von Cartwheel treffen wollte. Cau Thon hatte auf diesen Treffpunkt bestanden. Warum, konnte sich Leticron nicht erklären. Auf jeden Fall sollten die BAMBUS und KARAN in den nächsten Stunden aufeinander treffen. Leticron würde Aurec und die anderen seinen Brüdern des Chaos übergeben und dann mit der BAMBUS unter dem Vorwand, er hätte Kudon zum Einlenken bewegt, zurück nach Cartwheel fliegen. Ein klug durchdachter Plan, lobte sich der Zellaktivatorträger selbst. Leticron war der festen Überzeugung, daß er nichts von seiner Genialität verloren hatte. D O R G O N 240 Nach einer kurzen Ruhepause wurde er von Vendor wieder zu den Gefangenen gebracht, doch diesmal wagte es der Dscherro nicht, Hand an Leticron zu legen. * Nor’Citel machte einen angegriffenen Eindruck. Niemand ahnte, daß er das nur vorheuchelte. Taumelnd begab er sich zu Aurec und ließ sich stöhnend auf den Boden nieder. »Sie haben mich etwas aufgemischt, da ich nicht mit ihnen kooperieren wollte. Sie haben verlangt, ich soll ihnen Unterschlupf gewähren. Diese primitiven Bestien!« Leticron spielte seine Rolle gut. Jedenfalls schenkte Aurec ihm Glauben. Der Saggittone war beinahe soweit, zu glauben, daß er sich in Nor’Citel getäuscht hatte. Dennoch existierte noch immer die Ungereimtheit um seinen jähen Charakterwechsel. Der Saggittone wollte das so schnell wie möglich aufklären, doch jetzt war der falsche Zeitpunkt dafür. »Ein Ausbruch scheint im Moment aussichtslos zu sein«, stellte Aurec bitter fest. »In der Tat«, stimmte ihm Nor’Citel zu. »Ich bin erschöpft und brauche etwas Schlaf. Weckt mich wenn etwas passieren sollte.« Er gähnte und schloß bereits im nächsten Moment die Augen. Leticron konnte auch gelassen schlafen, denn ihm würde nichts passieren. Alles lief nach Plan – nach seinem Plan! * »Alles Mist!« fluchte Reini Katschmarek. Niesewitz und Roehk pflichteten ihrem Freund und Teilhaber bei. Auch Ferby und Reiko waren nicht sonderlich gut gelaunt. Ein Traum war zerstört worden. Die Party vorbei. Die Feier wurde zu einem Horror. Die Entführung der BAMBUS würde sicher nicht zu ihrem Vorteil sein. Viele der Passagiere würden Schmerzensgeld verlangen, vielleicht unangenehme Fragen über den Mangel an Sicherheit stellen und die Angehörigen der Nils Hirseland Toten würden die Inhaber und Geschäftsführer vielleicht sogar verklagen. »Wir brauchen gute Anwälte, die alles den Dscherro in die Schuhe schieben«, meinte Werner zu den beiden anderen. »Ich kenne ein paar gerissene Leute«, sagte Ferby. »Das werden wir schon wieder hinbekommen. Vielleicht könnt ihr noch euren Freund, den Marquese von Siniestro um Hilfe bitten.« Reini schüttelte nur den Kopf und fluchte weiter. Er ging zu dem Tresen, der nur noch ein einziges Trümmerfeld war. Doch ein Kühlschrank war noch unbeschädigt. Der Terraner holte fünf Bierflaschen heraus und stieß mit seinen Kumpanen erst einmal auf diese Misere an. »Schuld an allem sind die Außerirdischen, sage ich euch«, fing er an zu erzählen und nahm einen kräftigen Schluck. Die anderen beiden nickten nur zustimmend. »Die Dscherro, die kapitalistischen Springer, dieses Ungeziefer der Blues«, schimpfte er weiter. »All diese schrecklichen Außerirdischen, die uns armen Terranern auf der Tasche liegen. Die werden doch viel besser behandelt als unsere Artgenossen.« »Ja, Reini, du hast recht! Ich träume auch von einer Erde ohne diesem ganzen extraterrestrischen Abschaum. Aber es liegt nicht in unserer Macht, dies zu ändern«, meinte Werner Niesewitz. »Vielleicht nicht auf der Erde, aber vielleicht auf der Insel?« stellte Reini in den Raum. Die beiden dachten kurz darüber nach. Es war so, als hätten sie eine gefährliche Vision gehabt. Sie prosteten sich zu und schienen wieder bei wesentlich besserer Laune zu sein als noch vor ein paar Minuten. * Jonathan Andrews hatte bei der Verteilung des Essens nur einen Teller bekommen, obwohl er für Jezzica Tazum auch einen haben wollte. Doch die Dscherro legten keinen Wert darauf, die Verletzten zu versorgen. Die Notdurft mußte ebenfalls in einer Ecke getätigt werden. Alle Versuche von Aurec, die Dscherro zu einer humaneren Behandlung der Die Party des Jahrhunderts D O R G O N Gefangenen zu drängen, blieben fruchtlos. Bis jetzt waren sie fünf Stunden in Gefangenschaft und niemand wußte, wie lange es noch dauern würde. Viele der jungen Geiseln waren mit den Nerven am Ende und mußten beruhigt werden. Doch wer sollte das übernehmen? Die Sicherheitsleute waren überfordert und mußten selbst mit ihren Ängsten kämpfen. Niesewitz, Katschmarek und Roehk hatten keine Sicherheitsleute engagiert, sondern selbstherrliche Schläger, die sich nur gegen Unbewaffnete durchsetzen konnten. Die Hälfte der Sicherheitskräfte hatte im Kampf gegen die Dscherro ihr Leben gelassen. Die andere hatte sich um Darvos versammelt. Dieser hielt sich bei Roehk, Niesewitz, Katschmarek, Ferby, Abfallhaufen, Dykkar und Reiko auf, um für ihren Schutz zu sorgen. Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove waren nun gefragt. Sie mußten versuchen, Ruhe in die Masse zu bringen, was ihnen nicht leichtfiel. Doch die Waffenpräsenz der Dscherro und der Wille zu Überleben, ließ die Wesen etwas ruhiger und besonnener reagieren. Man konnte auch sagen, daß die Angst sie lähmte. Kathy kauerte in einer Ecke und beobachtete die drei Inhaber der BAMBUS, die ihr Bier tranken. In der jungen Terranerin sah es nicht so heiter aus. Sie trauerte um den Tod ihrer Schwester Bienya und litt unter starken Schmerzen, die durch ihre Wunde am Oberschenkel verursacht wurden. Die Dscherro verweigerten jede medizinische Hilfe. Die meisten Verwundeten wurden einfach in den Konverter geworfen, doch Andrews hatte es verstanden, Kathy und Jezzica recht gesund aussehen zu lassen, zumindest für den kurzen Moment, als die Dscherro an ihnen vorbeikamen. Inzwischen hatten die Dscherro ihre Einstellung auch etwas geändert, es wurden keine Verwundeten mehr getötet. Sie wurden aber nach wie vor nicht versorgt. Kathy beobachtete Reiko, der ebenfalls Bier trank. Flüchtig warf er einen Blick in die Ecke, wo man die Leichen aufgebahrt hatte. Dort lag auch seine Haggy, doch der Plophoser schien 241 nicht sonderlich um sie zu trauern. Die junge Terranerin war angewidert und schloß die Augen. Sie mußte erst mal versuchen, mit sich selbst ins Reine zu kommen. * Jezzica Tazum blickte an die Decke und dachte über ihre Situation nach. Eigentlich wollte sie kein Abenteuer mehr erleben, sondern das Leben als einzige Party genießen. So langsam bekam sie allerdings Zweifel, ob das ihr Schicksal war. Vielleicht war sie von jemanden dazu ausersehen worden, diese Abenteuer zu erleben? Sie wußte es nicht. Im Moment war die junge Terranerin nur verwirrt und litt ebenfalls unter starken Schmerzen. Ihr Blick fiel auf Marya. Jonathans Freundin musterte sie abfällig. Jezzica verstand diese Abneigung nicht, doch Marya war ihr nicht geheuer. Ihre Augen strahlten Kälte und Berechenbarkeit aus. Einerseits konnte sie das niedliche Mädchen von nebenan sein, im nächsten Moment eine gefährliche Furie. Andrews kam zurück und stellte den Teller mit der Suppe neben Jezzica. Er half ihr behutsam hoch. »Warte, ich helfe dir«, sagte Marya und stürmte heran. Sie spielte die Ungeschickte und stieß dabei den Teller mit der Suppe um, der zu Boden fiel und zerbrach. »Du dumme Kuh«, fauchte Jezzica. Auch Jonathan Andrews war nicht sonderlich begeistert. »Was sollte das? Das war doch Absicht!« »Ich würde so etwas Gemeines nie tun. Aber anscheinend hast du sowieso nur noch Augen für deine Jezzica«, schrie Marya und lief weinend davon. Andrews setzte sich genervt hin und vergrub das Gesicht zwischen den Händen. Dann sah er zu Jezzica. »Lauf ihr hinterher«, sagte sie allen ernstes. Andrews sah sie entgeistert an. »Sie ist deine Freundin und fühlt sich von dir alleingelassen. Sie braucht dich jetzt mehr als ich dich«, erklärte Tazum. Andrews nickte schwach und folgte Marya. Sie stand in einer Ecke und weinte bitterlich. Er D O R G O N 242 schloß sie in die Arme und tröstete. Und Jezzica konnte nicht glauben, daß sie das eben gesagt hatte. * Karl-Adolf Braunhauer lag erschöpft auf einer Couch und wirkte sichtlich angegriffen. Sein ganzer Körper war gelb und er hatte eine Herzattacke nach all der Aufregung bekommen. Medizinische Hilfe wäre wichtig für die Rettung seines Lebens gewesen, doch die Dscherro unternahmen nichts. Ottilie Braunhauer weinte unentwegt. Sie war einem Nervenzusammenbruch nahe und nur eine Flasche Vurguzz konnte ihr weiterhelfen. Inge Bohmar suchte immer noch nach ihrem Werner. Sie glaubte, ihn irgendwo in der Menge verloren zu haben. Sie waren nur drei von 5000 Gefangenen auf der BAMBUS, die auf ihr ungewisses Schicksal warteten. Plötzlich brach unter den Dscherro ein Tumult aus. Hastig und aufgeregt diskutierten sie, dann betraten Vendor und Machmor den Raum. Sie bahnten sich ihren Weg durch die Menge und stießen die Wesen rücksichtslos zur Seite. Als sie bei Aurec und Nor’Citel angekommen waren, forderten sie die beiden Vertreter des Paxus-Rates auf, mit ihnen zu kommen. Beide akzeptierten ohne Widerspruch. Aurec warf Andrews einen letzten Blick zu und legte ihm die Verantwortung für die Geiseln in diesem Raum in die Hände. Eine Bürde, die für Jonathan Andrews nicht leicht zu nehmen war, doch mit Hilfe von Lorif, Dove, Wallace und den Scorbits konnte er schon etwas besser auf die Geiseln aufpassen und ihnen gut zureden. Vendor und Machmor brachten sie in die Kommandozentrale der BAMBUS. Auf dem Fußboden konnte Aurec noch die Blutspuren sehen, die offensichtlich von der Besatzung stammten. Der Saggittone machte sich keine Illusionen. Wilbur und seine Leute waren tot. Die BAMBUS war aus dem Hyperraum in den Leerraum eingetaucht. Die zehn Schlachtschiffe der Dscherro hatten sie begleitet. Sie hatten ein seltsames Sonnensystem. Das Nils Hirseland System bestand aus einer blauen und einer roten Sonne. Sie wurden von zwei Planeten umkreist. Einer der Planeten war nur 700.000 Kilometer von ihrem jetzigen Standpunkt entfernt und wirkte auf den ersten Blick erdähnlich. Aurec und Nor’Citel wurden jedoch auf eine andere Naturerscheinung aufmerksam. Sie mußte einige Lichtjahre von ihnen entfernt sein, strahlte allerdings so hell, daß es einen gewaltigen Durchmesser haben mußte. Die helle runde Erscheinung kam Aurec bekannt vor. Schon oft hatte er darüber gelesen. Nach einer Weile fiel ihm auch ein, worum es sich dabei handeln könnte. Für eine Galaxis war es zu nahe, denn die Orter ergaben, daß dieses Gebilde nur 2,89 Lichtjahre von dem System entfernt war. »Ein Kosmonukleotid«, stellte Aurec leise fest. Nor’Citel blickte ihn fragend an. Auch er hatte durch seine Hypnoschulung von dem Moralischen Kode gehört. »Sicher?« fragte er. »Nein, aber für eine Galaxis ist das Ding zu nahe dran. Die Abtastung ergab, daß es knapp ein Lichtjahr durchmessend ist. Alles spricht für ein Kosmonukleotid«, erklärte der Saggittone. Die Dscherro standen anteilnahmslos herum. Dieses Kosmonukleotid bereitete ihnen Angst. So etwas Gewaltiges hatten sie noch nie gesehen. »Dieser Ort ist verhext«, meinte Machmor mit gebrochener Stimme. Leticron verstand jetzt, warum Cau Thon sich unbedingt mit ihm bei diesen Koordinaten treffen wollte. Sicherlich sollte dieses Kosmonukleotid eine Rolle in den zukünftigen Plänen von MODROR spielen. »Eine Meldung kommt herein«, rief einer der Dscherro. »Sicherlich unser Auftraggeber«, sagte Taka Kudon überzeugt. Der Funkspruch wurde auf die Lautsprecher gestellt. Die Stimme klang metallisch und sie war in einer fremden Sprache. Die Translatoren konnten sie jedoch als Sprache der Sieben Mächtigen identifizieren. »Eindringlinge! Verlaßt sofort das System, oder ihr werdet ohne weitere Vorwarnung ver- Die Party des Jahrhunderts D O R G O N nichtet. Dies ist die letzte Warnung! Verlaßt den Bereich von TRIICLE-3 oder sterbt!« »Das war euer Auftraggeber?« fragte Aurec zynisch. Taka Kudon schüttelte mit dem Kopf. Er verstand das nicht. Auch Leticron schien beunruhigt zu sein. Diese Stimme gehörte nicht Cau Thon. »Es ist besser, wir kehren um, Taka Kudon! Ich beschwöre euch«, sagte Aurec ernst. Auch Nor’Citel alias Leticron war dafür. Etwas lief nicht nach seinem Plan und er hielt es für besser, diese Warnung ernst zu nehmen. Taka Kudon wußte nicht, was er tun sollte. Er war sichtlich überfordert und schien auf Befehle von Leticron zu warten, doch dieser wollte seine Identität nicht preisgeben. Plötzlich explodierten zwei Dscherroraumer. Dann weitere zwei, gefolgt von einem fünften. Wie aus dem nichts, trat ein diskusförmiges Raumschiff in das System ein und schoß auf die übrigen Schiffe. Taka Kudon versuchte von der BAMBUS 243 aus, Befehle zu erteilen, doch wieder wurde ein Raumer zerstört. Panik brach unter den Besatzungen aus. »Fliegt zum Planeten!« befahl Leticron. »Vielleicht sind wir in seinem Orbit sicher.« Kudon folgte dem Befehl. Als sie den Orbit erreicht hatten, hatten ihre zehn Begleitschiffe aufgehört zu existieren. Innerhalb von nur drei Minuten waren die zehn Raumschiffe der Dscherro vollständig vernichtet worden. Plötzlich tauchte das fremde Schiff auch vor der BAMBUS auf. Die Energiestrahlen schwächten den Schutzschirm und nach vier Salven brach dieser zusammen. Die BAMBUS steuerte auf den Planeten zu, doch die Stabilisatoren und der Antrieb wurden schwer getroffen. Wie ein Stein schmierte die BAMBUS ab und schlug auf den Planeten auf. Der fremde Raumer hatte seine Arbeit erledigt. Das kybernetische Wesen an Bord war zufrieden. Evspor hatte alle Eindringlinge vernichtet. 244 D O R G O N Nils Hirseland Heft 49 Auf Leben und Tod Gestrandet im Nirgendwo - der aussichtslose Kampf von 5000 Lebewesen von Nils Hirseland Titelbild von Stefan Lechner Auf Leben und Tod D O R G O N 1. Der Absturz Der Planet Xamour war seit Jahrtausenden verlassen. Kein Intelligenzwesen wohnte auf der idyllischen Welt. Seit vielen Jahrtausenden schon nicht mehr. Nur Ruinen in der Wüste zeugten von der Kultur, die einst diesen Himmelskörper bevölkerte. Primitive Eingeborene und Tiere waren nun die Herrscher der Wüstenwelt, die mit vielen Oasen auf den 12 Kontinenten beschenkt wurde. Affenähnliche Tiere schwangen sich von Ast zu Ast, auf der Suche nach ein paar Früchten, um ihren morgendlichen Hunger zu stillen. Ein primitiver Jäger von humanoider Gestalt schlich durch ein Gebüsch und nahm die Fährte eines Gusur auf. Gusuren waren antilopenähnliche Tiere mit sehr zartem Fleisch. Der Primat Qwert hatte die Witterung aufgenommen und suchte Deckung vor den Augen des Gusur. Er nahm sein Speer und zielte genau. Innerlich freute er sich schon auf den wohlschmeckenden Braten und dem Respekt, den ihm sein Stamm entgegenbringen würde, wenn er die Beute ins Lager brachte. Qwert war noch jung und unerfahren. Es war seine erste große Prüfung. Das Gusur stand an einem Bach, um seinen Durst zu löschen. Plötzlich schreckte es hoch, denn die Erde fing an zu erzittern. Die Tiere am Bach wurden unruhig und liefen davon. Qwert schrie vor Wut laut auf, denn das Gusur war ihm entkommen. Er kam aus seinem Versteck hervor und rannte ebenfalls los, denn er bekam Angst, daß er von einem umfallenden Baum erschlagen wurde. Qwert blickte in den Himmel und schrie vor Angst. Die Sonne verfinsterte sich. Das riesige runde Monster fiel vom Himmel und brauste über ihn hinweg. Bei dem Anblick erstarrte Qwert in seiner Bewegung. War es ein Gott? Ein Drache? Die Furcht vor dem Koloß war so gewaltig, daß er ohnmächtig wurde. Der stählerne Gigant wurde für einen kurz- 247 en Moment langsamer, gewann wieder etwas an Höhe, dann schmierte er vollends ab. Auf dem Boden angekommen, rutschte die Kugel weiter und zog eine gewaltige Spur hinter sich. Sie kam erst zum Stehen, als sie gegen einen Berg rammte. Eine Lawine aus Geröll und Schutt prasselte auf den stählernen Koloß. Eine riesige Rauch- und Staubschwade erreichte das kleine Wäldchen und verursachte einen Sandsturm, der die Flora und Fauna des Planeten in Aufruhr versetzte. Nur langsam kehrte wieder Ruhe auf den Planeten ein. 2. Tote und Überlebende Alles ging so schrecklich schnell. Vor ein paar Minuten hatte sich Jonathan Andrews noch Sorgen um den Streit zwischen seiner Freundin Marya Jost und Jezzica Tazum gemacht. Im nächsten Moment waren diese Probleme unwichtig, denn das Schiff wurde kräftig durchgeschüttelt und Panik brach an Bord aus. Man spürte förmlich, wie die BAMBUS in den Orbit des Planeten eintrat, die Stabilisatoren ausfielen und das Schiff wie ein Stein abschmierte. Andrews schrie die Leute an, sich irgendwo festzuhalten. Die Frage, warum es zu dieser Katastrophe kam, brannte in seinem Kopf, doch zuerst galt es zu überleben. Das Zittern des Schiffes während des Absturzes, die Minuten in Angst und die Gewißheit, daß jeden Moment alles vorbei sein konnte, lähmte viele der Geiseln und Dscherro in der großen Halle. Marya schrie immer wieder, sie wolle noch nicht sterben und gab Jonathan die Schuld für das ganze Desaster, da er sie mitgeschleppt hatte. Andrews hörte nicht auf die verletzenden Worte, sondern versuchte seine Freundin zu beschützen, genauso wie Jezzica Tazum und alle anderen Lebewesen in der Halle. Eine weitere Explosion erschütterte das Schiff. Einige der Gäste fingen zu schreien an. Andrews klammerte sich an einem Geländer fest und umarmte Marya. Ein Blick nach hin- D O R G O N 248 ten gab ihm Gewißheit, daß sich auch Jezzica am Geländer festhielt. Er betete, daß der Horror bald vorbei sein würde. Remus umklammerte Uthe und blickte besorgt zur wackelnden Decke. Der Druck im Magen wurde stärker und unerträglicher. Ein kurzes Stoppen der BAMBUS ließ die Gäste abermals aufschreien und einige durch den Raum fliegen. Anscheinend hatten die Antigravfelder den Absturz etwas abgefedert. Doch dann schlug die BAMBUS auf! Die Decke gab teilweise nach und begrub viele unter sich. Die Lichtanlage krachte laut zu Boden und erschlug einige Lebewesen. Menschen, Blues, Topsider und Dscherro flogen wie Federbälle durch den Raum. Überall wurden die Kreaturen gegeneinander geschleudert. Ein lautes Krachen der Gläser und des Geschirrs, das Geräusch des Umknickens der Holzsäulen der Tresen und die verzweifelten Schreie der Lebewesen verliehen der Szene einen gespenstischen Ton. Für einen kurzen Moment kehrte Ruhe ein, dann stoppte die BAMBUS mit einem heftigen Knall. Wieder flogen lebende Geschosse durch die Gegend und prallten an die gegenüberliegende Wand. Dann war der Horror vorbei. Es kehrte eine düstere Stille ein, die nur durch schwaches Keuchen, Husten und Stöhnen der Überlebenden unterbrochen wurde. 3. Die Minuten nach dem Absturz Als Aurec die Augen öffnete, sah er einige Blitze, die aus einer offenen Energieleitung zuckten. Eine rote Notbeleuchtung war aktiviert und etliche Warnlampen blinkten auf den Schaltkonsolen und an der Kontrollwand. Bei dem Versuch aufzustehen, verspürte der Saggittone einen stechenden Schmerz in der Brust. Wahrscheinlich hatte er sich einige Rippen gebrochen. Doch er konnte sich glücklich schätzen, daß sie überhaupt noch am Leben waren. Nils Hirseland Nur durch das rechtzeitige Aktivieren der Antigravfelder, die den Aufprall gedämpft hatten, war der Tod der 5000 Geiseln und 900 Dscherro an Bord verhindert worden. Dennoch, wie viele den Tod gefunden hatten, vermochte Aurec nicht zu sagen. Zuerst blickte er sich in der Kommandozentrale um. Nor’Citel kam gerade zu sich und blickte sich etwas verwirrt um. Aurec kümmerte sich um den orientierungslos wirkenden Pariczaner, der jedoch schnell wieder wußte, wo er war und was passiert war. Taka Kudon blutete am Arm, war aber sonst unversehrt. Auch Vendor, der eine Wunde an der Schläfe hatte, war am Leben. »Machmor?« rief Kudon den Namen seines Stellvertreters in den Raum. Doch er bekam keine Antwort. Machmor lag tot in einer Ecke. Sein Genick war gebrochen. Und er war nicht der einzige Verlust. Zwei weitere Dscherros hatten in der Kommandozentrale den Tod gefunden. Sofort griff Vendor nach einem Strahler und zielte auf Aurec. »Wir sollten uns jetzt nicht bekriegen, sondern zusammenarbeiten«, erklärte Aurec energisch. »Wir wissen nicht, wer uns angegriffen hat, doch eines steht fest! Der Angreifer hat zehn eurer Schiffe ausradiert und auch dieses Schiff attackiert. Er sieht in uns beiden Feinde.« »Auch ich bin dafür, daß wir die Waffen niederlegen und zusammenarbeiten«, warf Nor’Citel ein. »Du hast uns gar nichts zu sagen«, brüllte Vendor den Überschweren an, der nicht glauben konnte, daß der Dscherro sich ihm widersetzte. Entweder war Vendor so klug, daß er Leticron nicht enttarnen wollte, oder er hatte wirklich den Respekt vor dem Corun von Paricza verloren. Taka Kudon überlegte eine Weile. Er dachte nach, dies fiel dem Gehörnten nicht sonderlich leicht. »Vendor, Aurec und Nor’Citel werden uns unterstützen«, sprach der Anführer der Dscherro bedacht. »Vorläufig müssen wir zusammenarbeiten, um zu überleben. Zuerst finden wir heraus, wer uns angegriffen hat, dann warten wir auf Cau Thon.« D O R G O N Auf Leben und Tod Vendor gefiel das nicht sonderlich, doch er beugte sich dem Befehl. Hätte er nicht gehorcht, hätte Leticron die Initiative übernommen und den Dscherro suggestiv beeinflußt. »Du suchst zuerst das Schiff nach Überlebenden ab. Mache jedoch den Galaktikern und anderen Völkern klar, daß sie uns unter dem Kommando der Dscherro zu helfen haben, verstanden?« »Verstanden!« rief Vendor seinem Taka zu. Die letzten Worte hatten den Dscherro wieder versöhnlicher gestimmt, denn er würde mit Freude den anderen Wesen zeigen, daß die Dscherro die Herren waren. Vendor nahm vier Dscherro mit sich und verließ die Kommandozentrale. Aurec bat, mitkommen zu dürfen, Kudon gestattete es ihm und Leticron. Der Taka selbst blieb in der Kommandozentrale und verabschiedete sich von seinem loyalen Freund Machmor. * Ein Loch war in der Decke, durch das Licht und Sauerstoff eindrangen. Immerhin wußten die Überlebenden nun, daß es eine Welt mit atembarer Atmosphäre war und eine blaue sowie eine rote Sonne besaß, die Licht spendeten. Jonathan Andrews spürte einen leichten Schmerz im Knie. Ansonsten schienen seine restlichen Körperteile noch intakt zu sein. Erleichtert atmete er auf und versuchte aufzustehen. Neben ihm lag Marya und regte sich nicht. Besorgt beugte er sich über sie herüber und rüttelte sie wach. Die junge Terranerin war ziemlich benommen und blutete an der Stirn. »Alles in Ordnung, Schatz?« fragte Jonathan seine Freundin leise. »Ja...« murmelte sie. Behutsam half er ihr hoch und sah sich ihr Wunde an der Stirn an, die jedoch nicht gefährlich zu sein schien. »Master Mathew, lebst du noch?« hörte Andrews die Stimme des Posbis Lorif, der ebenfalls noch funktionierte. »Ich kann so langsam diese blöde Frage von dir nicht mehr hören. Es ist doch nicht unser er- 249 ster Absturz, oder?« raunte Wallace den Posbi an, der eingeschnappt schwieg. Auch Irwan Dove war wohl auf. Er hatte sich zwar einen Arm angebrochen, doch der Oxtorner war hart im Nehmen. Andrews sah sich um. Unzählige Leichen lagen zerschmettert in den Ecken oder unter Trümmern. »Jezzica!« rief er aufgeregt, als er sah, wie Kathy versuchte, einer blonde Terranerin hoch zu helfen. Es war in der Tat Jezzica. Sie war einige Meter weit gegen den Tresen geschleudert worden und fühlte sich dementsprechend. Andrews lief zu ihr, legte ihren Arm um seine Schulter und half Tazum zum nächsten Sitzplatz. Marya verschränkte die Arme und schüttelte nur mit dem Kopf. Lorif und Wallace stellten sich neben ihr. »Ach, Mathew! Ich bin ja so froh, daß du lebst«, sagte sie überschwenglich und umarmte den Space-Jet Kommandanten, der gar nicht wußte, wie ihm geschah. »Jonathan ist ein Mistkerl, oder?« fragte sie ihn. »Ähm, also, na ja...« stotterte Wallace, der von dieser Frage ebenso überrascht war wie von der Umarmung. »Seine Freundin, die er angeblich liebt, kann ja verrecken. Hauptsache dieses blonde Gift in ihren kurzen Klamotten«, fauchte die junge Terranerin eifersüchtig. »Die beiden sind Freunde, und er kümmert sich um alle Verletzten. Bei Jezzica macht er keine Ausnahme«, wandte Wallace zur Verteidigung seines Freundes ein. »Doch, sie behandelt er bevorzugt. Ich würde sie am liebsten den Dscherro übergeben, damit sie sie in Stücke hacken«, zeterte Marya wütend und lief dann weg, da sie den Anblick ihres Freundes nicht mehr ertragen konnte. * Remus Scorbit erkundigte sich besorgt um das Wohlergehen seiner Freundin. Ihr ging es soweit gut. Auch Yasmin Weydner, Jaquine und Anica waren noch am Leben. Jedoch kam jede 250 D O R G O N Hilfe für Yasmins Freundin Ivon Abrinsky zu spät. Die kleine, dickliche Terranerin war von der Lichtanlage erschlagen worden. Ein grausamer Anblick bot sich Yasmin, die weinend zusammenbrach. Uthe kümmerte sich sofort um ihre Freundin. »Warum liegen denn die vielen Leute da herum? Und warum haben die denn alle Tomatensauce auf den Köpfen?« wollte Anica wissen. Sie schien den Ernst der Lage nicht recht zu verstehen. Jaquine wollte es ihr auch nicht erklären. Sie litt noch unter Verlust von ihrem Freund Nikto, der brutal von den Dscherro zu Tode gequält wurde. »Sie sind tot, Anica! Verstehst du? Sie sind alle tot«, entgegnete Remus ruhig und besonnen. Sicherlich war die Wahl seiner Worte nicht taktvoll, doch sie waren für Anica verständlich. Sie fing sofort an zu weinen. Remus drückte die kleine Zechonin an sich und versuchte sie zu trösten. Diese bedrückende Stimmung fand sich in der ganzen Halle. Jeder hatte Angst und trauerte um die Toten. Die jugendlichen Partygänger mußten mit einem Schlag erwachsen werden und der Gefahr ins Auge blicken. Viele konnten das nicht, denn sie waren in einer relativ friedlichen Zeit aufgewachsen und wirkten auf Remus schon fast dekadent. Trotzdem mußte man ihnen gerade in dieser Situation helfen, ermahnte er sich selbst. Zuerst versuchte Scorbit sich einen Überblick über die Verluste zu machen, doch das war schier unmöglich. Es mußten hunderte sein, die während des Absturzes ihr Leben ließen. Alleine in dieser Halle waren die Verluste sehr hoch, er wußte nicht, wieviel Tote es auf dem ganzen Schiff gab. »Vatichen«, schrie eine alte Frau aufgeregt. Natürlich erkannte Remus die Stimme sofort. Er drückte Anica behutsam von sich und gab ihr ein Taschentuch. Er mußte sie wie ein kleines Kind behandeln. Neugierig blickte er zu den Braunhauers. Karl-Adolf lag auf einer Trage. Die Dscherro Nils Hirseland hatten den Galaktikern endlich gestattet, sich nun medizinisch zu versorgen. Langsam ging Remus zu den Braunhauers. Auch Inge Bohmar war dort. Sie sprach mit ihrem imaginären Hund Bandit. Scorbit erschrak, als er Karl-Adolf sah. Er war völlig gelb im Gesicht und wirkte eingefallen und ausgemergelt. Seine Augen starrten an die Decke und sein Atem ging schwer. Braunhauer hatte zwar den Absturz überlebt, doch er war schwer verwundet. Die Hepatitis mußte schleunigst behandelt werden, was im Normalfall auch kein Problem darstellte, doch die medizinischen Voraussetzungen auf dem Wrack waren nicht sonderlich gut. »Vatichen, was guckst du denn so dumm?« wollte Ottilie wissen und spielte damit auf seinen starren Blick an. Remus fand diese Bemerkung taktlos. Anscheinend bemerkte sie nicht, wie schlecht es ihrem Ehemann ging. Zwar konnte Remus die Braunhauers nicht sonderlich leiden, doch er hatte ihnen nie den Tod gewünscht. Zumindest nie ernsthaft. 4. Was nun? Nach etwa zwei Stunden ließ sich das Ausmaß der Katastrophe etwas genauer bestimmen. Aurec und Nor’Citel hatten sich um die Zählungen gekümmert. Es war katastrophal. Zwei untere Decks waren förmlich weggesprengt. Dort fanden die Rettungsteams nur noch zerschmolzenes Metall und verkohlte Leichen. Die Anzahl der Opfer mußte bei 600 Passagieren und etwa 400 Dscherro liegen. Demnach lebten noch 4500 der Passagiere und knapp 500 Dscherro. Ein ungleiches Verhältnis, doch die Dscherro hatten immer noch die Waffengewalt und zeigten deutlich, daß sie die Herren waren. Aurec, Jonathan Andrews und Nor’Citel wurden als Sprecher für die Geiseln eingesetzt. Vendor wurde als neuer Stellvertreter von Taka Kudon ernannt. Auf Leben und Tod D O R G O N Die fünf saßen in einem Besprechungsraum und debattierten über ihre weitere Vorgehensweise. Lorif wurde als technischer Berater eingeladen. »Nun, abschließend möchte ich noch einmal zusammenfassend sagen, daß die BAMBUS unter keinen Umständen mehr starten kann. Der Metagravantrieb ist nicht mehr zu reparieren. Die Hyperfunkanlage ist noch zu benutzen, jedoch stellt sich die Frage, ob es ratsam ist, sie in Anbetracht eines unbekannten Gegners, der sich sicher immer noch in diesem System aufhält, zu benutzen. Des weiteren möchte ich Sie über den inneren Zustand des Schiffes informieren. Die einzige Medostation ist vollständig zerstört. Nur wenige Medikamente und Verbandsmittel konnten gerettet werden. Ein Großteil der Vorräte ist ebenfalls vernichtet. Ich empfehle, die BAMBUS zu evakuiert, da defekte Schaltkreise noch immer zu Bränden führen könnten. Danke, meine Herren!« Jeder ließ die Worte Lorifs auf sich wirken. Vendor verstand sie sowieso nicht, dafür Leticron, der indirekt Taka Kudon lenkte. »Danke Lorif«, begann Aurec. »Wir sollten ein Lager bauen. Ihre Erkundungstrupps, Taka, haben herausgefunden, daß hinter dem Gebirge ein Urwald ist. Dort könnten wir Nahrung und Wasser besorgen. Das Camp sollten wir zwischen dem Wrack der BAMBUS und dem Berg aufschlagen, es dürfte so einen guten Schutz bieten.« Der Anführer der Dscherro blickte Leticron fragend an, der zustimmend nickte. Dann hielt er Augenkontakt zu Vendor, dessen Mundwinkel vor Erregung zuckten. »Was meinst du, mein Stellvertreter?« fragte Kudon unsicher nach. »Ich halte nichts davon, daß Menschen uns Ratschläge oder Befehle erteilen. Doch ihre Worte sind nicht dumm. Wir sollten die restlichen 4500 zum Bau des Lagers einsetzen, bewacht vom Großteil der Dscherro, während der Rest von uns auf die Jagd nach Fleisch gehen.« Kudon stimmte den Worten Vendors zu. »Das heißt, die Dscherro drehen Däumchen, während die Geiseln schuften?« wollte An- 251 drews wütend wissen. »Bitte bedenkt, daß von den überlebenden Passagieren etwa ein Drittel verletzt ist«, wandte Aurec ruhig ein. Leticron hielt sich zurück. Die Situation war ihm etwas aus der Hand geraten. Schuld war der unbekannte Angreifer. Sicherlich war dieser ominöse Aggressor nicht Cau Thon. Das machte die Situation gefährlicher. Die Terraner waren gute Kämpfer und zur Not mußte sich Leticron des Saggittonen Aurec bedienen, um mit heiler Haut wieder nach Cartwheel zurückkehren zu können. Taka Kudon dachte jedoch nicht soweit. »Wer verletzt ist, verrichtet leicht Arbeiten. Der Aufbau des Lagers soll sofort beginnen«, erklang die kräftige Stimme des Takas. »Vendor, du wirst die Dscherro auswählen, welche die Bewachung übernehmen«, befahl er. »Urucks wird die Aufsicht übernehmen, während du mit deinen Leuten auf die Jagd gehst.« »Nein, Herr. Ich bin ein besserer Aufseher und würde lieber das Lager aufbauen, als harmlose Tiere zu jagen. Die Ungehörnten sind gefährlich, auch in Gefangenschaft! Man muß auf sie aufpassen, sonst werden sie uns vernichten«, erklärte Vendor und widersprach damit seinem Taka, der jedoch diese Anmaßung durchgehen ließ. »So sei es!« sprach er. Vendor machte sich sofort an die Arbeit. Zusammen mit Taka Kudon verließ er den Konferenzraum. Aurec, Andrews und Nor’Citel blickten sich schweigend an. Jeder von ihnen wußte, daß sie sich in einer schwierigen Situation befanden. Doch nur Leticron mußte die Dscherro nicht fürchten und hatte die Hoffnung, daß Cau Thon bald erscheinen würde. * »Los, raus hier!« brüllten die Dscherro und scheuchten die Gefangenen wie Vieh aus den Hallen. Auf die Verletzten wurde wenig Rücksicht genommen. Sie wurden mitgestoßen. Wer nicht spurte, bekam Schläge mit einer Energiepeitsche. 252 D O R G O N Vendor genoß die neue Macht, die er jetzt hatte. Er war der Herr über Leben und Tod. Ein wunderbares Gefühl. »Herr, einige alte Menschen und Verwundete weigern sich«, sagte ein Soldat. Der Gehörnte brachte seinen Vorgesetzten sofort zu der Stelle. Dort standen Werner Niesewitz, Reinhard Katschmarek und Peter Roehk. Hinter ihnen standen Ferby H., Reiko, Dykkar, Darvors, Krizoff und DJ Abfallhaufen. »Wir protestieren!« rief Werner Niesewitz und hob bedrohlich den Arm. Vendor mußte bei dem Anblick lachen. »Wir sind sehr wichtige Persönlichkeiten und die Besitzer dieses Raumschiffes. Wir verlangen eine bessere Behandlung, genauso wie Aurec«, forderte Peter Roehk. Vendor sah sich die Gestalten an. »Aurec wird auch mitarbeiten«, antwortete er knapp. Dann blickte er Darvos an und war von dem Körperbau sehr angetan. Es würde sicherlich einer Herausforderung sein, gegen ihn anzutreten. »Außerdem bin ich verwundet«, erklärte Dykkar und zeigte eine Fleischwunde am Arm. Nun kamen auch Jezzica Tazum, Kathy, Yan Cruze, Francy und der Tresenmann Stony hinzu. Auch Jonathan Andrews war nicht weit und beobachtete mit Interesse den Versuch des BAMBUS-Teams, sich vor der Arbeit zu drücken. Er hoffte wenigstens, daß die Alten und Verwundeten wirklich verschont blieben. »Hey Mann, es ist uncool zu arbeiten. Ich bin ein Spitzendiscjockey im Universum. Da kannst du fetter Eber nicht einfach so kommen und mir etwas sagen«, wandte DJ Abfallhaufen ein. Vendor musterte ihn. Dann fing er an zu schreien. DJ Abfallhaufen hatte den Dscherro provoziert und damit einen schweren Fehler begangen. Vendor packte Abfallhaufen am Hals und hob ihn hoch. Der Terraner strampelte wild mit den Beinen und versuchte sich aus der Umklammerung zu befreien. Darvos wollte eingreifen, doch die Dscherro richteten die Waffen auf ihn. Schaum und Speichel lief aus Vendors Nils Hirseland Mund. Die Muskeln und Nerven zuckten auf dem angespannten Körper. »Hey du Freak, laß unseren Kumpel los«, forderte Dykkar. Er ging zu Vendor und legte seine Hand auf dessen Schulter. »Junge, laß uns einen Trinken, eine Frau mißbrauchen und unseren Spaß haben, okay?« versuchte Dykkar den Gehörnten zu besänftigen, doch Vendor hielt Krizan Zchmitt immer noch hoch und drückte ihm die Luft ab. Dykkar lief der Schweiß von der Stirn. »Okay, keine Frauen. Wie sieht es mit Kühen, toten Hunden oder Mistkäfern aus? Hey, egal mit wem du es machen willst, ich besorge es dir. Laß nur den Kleinen los...« Endlich ließ Vendor den Terraner los. Dykkar atmete erleichtert auf und schlug freundschaftlich auf Vendors Schulter, der wie ein wilder Stier schnaubte. »Ich glaube, wir können noch Freunde werden, Junge«, sagte Dykkar freundlich und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Doch plötzlich schwang der Dscherro seine Axt und schlug Dykkar den Arm ab. Andrews konnte nicht fassen, was dort passierte. Er rannte zu dem schreienden Terraner und trat gegen Vendors Axt, als dieser ein zweites Mal ausholen wollte. Ferby H. und Reiko taten nichts. Ihr eigenes Leben war ihnen offensichtlich wichtiger als das ihres Freundes Dykkar. Darvos wollte wieder eingreifen, doch einige andere Dscherro machten ihm unmißverständlich klar, daß er sterben würde, sollte er sich einmischen. Wütend schlug der Dscherro auf Andrews ein, der nach drei Hieben zusammenbrach. Jezzica stürmte zu ihm und warf sich schützend vor ihn. Vendor ließ von Andrews und Jezzica ab. Statt dessen holte er erneut aus und enthauptete Dykkar. Er hob seinen Kopf hoch und schrie laut: »Koscha Dscherro!« Wieder hatte er dieses Gefühl der Macht. Ein Adrenalinstoß durchschoß seinen Körper, der ihn in eine Extase versetzte. D O R G O N Auf Leben und Tod Er wollte mehr töten. Mehr Leben beherrschen. Jezzica Tazum und Andrews schenkte er das Leben, dafür tötete er Dykkar. Das war für Vendor Macht! Kathy Scolar wurde bleich und mußte sich übergeben. DJ Abfallhaufen kroch hinter Darvos und suchte Schutz. Verächtlich blickte Franczy zu dem DJ, der in seinen Augen ein Feigling war. Francy mußte sich zusammenreißen, um nicht auf Vendor loszugehen, doch seine Chancen mit einem Sieg davonzukommen, waren gering. Langsam beruhigte sich Vendor wieder. Der Gehörnte schnaubte laut, Schweißperlen rannen ihm von der Stirn, und der Speichel lief dem Dscherro über das Kinn. »So behandeln wir alle Verwundeten, die nicht arbeiten wollen«, sprach Vendor langsam und deutlich, so daß jeder es verstand. Die schwarzen Augen des Dscherro starrten in die blauen Augen von Jonathan Andrews, der den sinnlosen Tod von Dykkar nicht fassen konnte. Mehr und mehr entwickelte sich diese Entführung zu einem der schlimmsten Horrortrips, gegen den selbst der Kampf gegen den Zweitkonditionierten auf der Asteroidenstation ein angenehmes Abenteuer gewesen war. Vendor ging langsam wieder zu den anderen Dscherro und trieb die Passagiere nach draußen, um mit dem Bau des Lagers zu beginnen. Katschmarek, Niesewitz und Roehk sahen sich entgeistert an und beschlossen, lieber den Befehlen der Dscherro Folge zu leisten, da sie nicht wie Dykkar enden wollten. »Darvos, du bleibst immer in unserer Nähe, verstanden?« »Ja, Werner.« * Neve Prometh kümmerte sich um den verletzten Roppert Nakkhole, der sich das Knie ausgerenkt hatte. Zusammen mit Anya Guuze, Krizan Bulrich und Sylke Stabum bildeten sie eine kleine Gruppe. Sylke und Anya wurden von den Dscherro zum Kochen eingeteilt, während Neve die Krankenpflege übernehmen sollte. Krizan Bul- 253 rich und Roppert Nakkhole – sobald er wieder arbeitsfähig war – sollten bei der Errichtung des Lagers helfen. »Ich verstehe das alles nicht, warum tun die das?« wollte Roppert wissen. »Leider weiß ich auch keine Antwort darauf«, gestand Neve ein. Immer wieder versuchte sie, Aurec irgendwo zu entdecken. Allerdings waren ihre Bemühungen bisher vergeblich. Sie hatte Angst, daß ihm etwas zugestoßen war. So sehr hatte sie ihn während der kurzen Zeit bereits ins Herz geschlossen. Sie mußte kurz bitter auflachen. Ihr war die Zuneigung Aurecs gegenüber Anya nicht entgangen, doch die arrogante Schönheit hatte nur Augen für ihren Raumhafenpenner Krizan Bulrich gehabt. Sie hatte das Verhalten von Aurec nicht bemerkt, oder wenn sie es registriert hatte, dann wollte sie es ignorieren. Neve würde nicht so handeln. Aurec war in ihren Augen ein Ehrenmann, der tapfer, mutig, charmant, witzig, intelligent und dazu noch gutaussehend war. Neve war sich gar nicht bewußt, wie sehr sie von dem Saggittonen schwärmte. Sie hörte nicht einmal mehr Roppert zu. Erst als sie glaubte das Wort Aurec zu hören, blickte sie fragend Nakkhole an. »Hast du was von Aurec gesagt?« »Ja, er ist da hinten«, erklärte Roppert Nakkhole und deutete auf eine kleine Traube von Menschen. Sie erkannte dort zwei Dscherro, Siddus und Aurec. Er lebt, schoß es ihr erleichtert durch den Kopf. »Warte hier«, sagte sie zu Roppert, der sowieso nicht weglaufen konnte und eilte zu dem Saggittonen. Er stand vor Taka Kudon, hatte die Arme vor dem Bauch verschränkt und verhandelte über eine bessere Behandlung der Arbeiter. »Hallo«, sagte sie kleinlaut. Die vier drehten sich um. Aurec schenkte Neve Prometh ein Lächeln. Leticron verzog keine Miene. Natürlich konnte er sich an Neve Prometh erinnern. Sie hatte ihm damals unangenehme Fragen gestellt. 254 D O R G O N »Hallo Neve, ich bin froh, zu sehen daß es Ihnen gut geht«, sprach Aurec mit einem Lächeln, das Neves Herz höher schlagen ließ. »Danke«, brachte sie nur hervor. »Wir sind nicht hier, um einen Kaffeeklatsch abzuhalten. Was willst du?« herrschte Leticron sie an. »Wie immer sehr charmant, Siddus!« konterte Neve. »Jedoch kannst du mich nicht einschüchtern. Wir sitzen alle im selben Boot. Auch du hast keine besseren Karten.« Leticron lachte innerlich. Wenn sie wüßte, wie unrecht sie doch hatte. Doch er spielte das Spiel mit. »Nun, wo sind Sie, oder darf ich du sagen?« wollte Aurec wissen. »Ja!« »Na gut, wo bist du untergebracht? Wirst du gut versorgt?« Neve schüttelte den Kopf. »Ich bin im Krankenlager. Die Zustände sind katastrophal. Wir haben quasi keine Medikamente und auch kaum Verbandsmaterial. Doch im Gegenzug gibt es knapp dreihundert Schwerverletzte, die dringend medizinische Versorgung benötigen. Die Dscherro geben uns auch kaum Essen und Wasser. Nicht einmal Alkohol, um Wunden zu desinfizieren«, erklärte die Terranerin, die mit Medizin eigentlich wenig am Hut hatte, doch der gesunde Menschenverstand sagte ihr, was die Kranken dringend benötigten. Fragend blickte Aurec Taka Kudon an. »Verwundete sind keine Hilfe, sondern nur eine Belastung. Je eher sie sterben, desto besser«, antwortete er gleichgültig. »Die Tatsache, daß Sie ein Mörder sind, scheint Ihnen wenig auszumachen«, konterte Aurec. »Jedoch läßt die Motivation der Geiseln nach, wenn ihre Angehörigen sterben. So haben wir keine Chance, zu überleben.« »Die Motivation für die Arbeiter wird ihr Leben sein. Denn wer nicht arbeitet, wird erschossen!« brüllte Taka Kudon aufgeregt. »Und bei ihr fangen wir an«, fauchte Vendor und packte Neve Prometh am Arm, die schreiend versuchte, sich zu wehren. Der Dscherro nahm einen Dolch und hielt ihn ihr an die Kehle. Nils Hirseland »Nein!« schrie Aurec und warf sich auf den Dscherro, der den Dolch fallen ließ. Wütend schlug Vendor auf Aurec ein, bis Taka Kudon einschritt. »Es reicht, macht euch wieder an die Arbeit«, befahl der Anführer der Dscherro und verließ den Ort des Geschehens. Zurück blieb ein wütender Vendor, dem wieder Schaum vor dem Mund hing. »Dich werde ich auch noch töten«, sagte er zu Aurec, der benommen am Boden lag. Neve beugte sich über ihn und nahm seinen Kopf auf ihren Schoß. Behutsam streichelte sie seinen Kopf. Tränen flossen ihr über das Gesicht, ihre Angst vor Vendor war unbeschreiblich. »Ich töte euch! Ich töte euch alle! Habt ihr das gehört? Ihr seid alle tot! Tot!!!« brüllte der Dscherro in die Menge. Leticron schüttelte den Kopf. Er wußte nicht, wie lange es noch dauern würde, bis diese tickende Dscherrobombe explodieren würde. Vendor war für alle gefährlich, selbst für Leticron, denn dieser Dscherro hatte vor nichts und niemand Respekt. Er war eine einzige primitive Tötungsmaschine. Verächtlich blickte Leticron zu Aurec, der von Neve versorgt wurde. »So können sie die Dscherro wirklich beeindrucken, Aurec«, sprach Leticron voller Spott und blickte Neve Prometh kalt an. »Ich hätte nicht gedacht, daß wir uns noch einmal wiedertreffen. Wo ist denn Anya Guuze abgeblieben? Die große Flamme meines alten Egos?« »In der Küche. Sie und Sylke sollen für die Dscherro kochen.« »Schade, ich dachte, sie seien schon tot«, entgegnete Leticron kühl. Aurec war noch immer benommen und bekam das Gespräch gar nicht richtig mit. »Bist du immer noch darauf aus, Perry Rhodan zu vernichten?« wollte Neve wissen. Leticron lächelte. »Aber, aber. Wann soll ich denn so etwas gesagt haben? Du mußt auf der Feier betrunken gewesen sein und dir das eingebildet haben. Perry und ich sind alte Freunde. Sehr alte Freunde.« D O R G O N Auf Leben und Tod Mit diesen Worte verabschiedete sich Leticron von den beiden. Er beschloß, in das Wrack zu gehen, um sich etwas auszuruhen. Keiner der Dscherro wagte es, ihn aufzuhalten. Neve fuhr sanft durch Aurecs Haare, der langsam wieder zu Besinnung kam. Ganz so unwohl fühlte er sich in der Position nicht, doch im Moment mußte er sich um das Wohl der Geiseln kümmern. Langsam rappelte er sich auf. Neve half ihm dabei so gut es ging. Als der Saggittone wieder fest mit beiden Beinen auf dem Boden stand, blickten die Zwei sich für einen Moment tief in die Augen. »Danke«, sagte Aurec. »Ich danke auch.« Plötzlich brach ein Tumult aus. Die Dscherro starrten fassungslos in den Himmel und auch die Geiseln sahen staunend nach oben. Ein Raumschiff! Es war diskusförmig und verschwand hinter dem Dschungel. Aurec erkannte das Raumschiff. Es gehörte dem unbekannten Angreifer. So schnell er konnte, rannte er zu Taka Kudon. Plötzlich stoppte er und sah zu Neve zurück. »Gehe zu Jonathan Andrews oder Mathew Wallace. Ich möchte, daß du nicht schutzlos hier bist«, bat er sie. Es war jedoch mehr ein Befehl als eine Bitte, denn der Saggittone war um das Wohlergehen der Terranerin besorgt. * »Habt Ihr das Schiff gesehen?« Aurec war außer Atem. So schnell ihn seine Beine getragen hatten, war er zu Taka Kudon geeilt, der auch den Diskusraumer gesehen hatte. »Ja, der Feind!« stellte er bitter fest und brüllte: »Vendor! Die Jäger sollen ausschwärmen und nach dem Raumschiff suchen. Ich will den Feind tot sehen!« Seiner rechten Hand war es ein Vergnügen, den Befehl auszuführen. Zweihundert Dscherro machten sich zu einer groß angelegten Suche bereit. Sie bewaffneten sich und nahm einige Geiseln als Köder für den Aggressor. Aurec konnte nichts machen. Er flehte Ta- 255 ka Kudon an, sie zu verschonen, doch Gnade war dem habgierigen und brutalen Gehörnten ein Fremdwort. Urucks hatte den Befehl über die Einheiten, die sich aufteilten, um den Dschungel zu durchkämmen. Aurec atmete tief durch und bedauerte das Schicksal der 50 Terraner. Er hoffte, sie würden lebendig wieder in das Lager zurückkehren, das immer mehr Form annahm. 5. Das Lager Die Errichtung des Lagers kam gut voran. Die Dscherro gaben dem Wort Sklaventreiber eine neue Definition. Die gesunden Geiseln mußten Tag und Nacht schuften bis das Grundgerüst des Camps stand. Das Wrack der BAMBUS wurde vollständig ausgeschlachtet, um das Lager zu errichten. Ein Graben wurde ausgehoben und ein energetischer Zaun wurde um das knapp neunhundert Meter durchmessende Lager errichtet. Dann kamen sporadische Wachtürme, die Unterkünfte der Dscherros, Stromgeneratoren, Funkanlage, eine Medo- und Wissenschaftsstation und –nochmals eingezäunt – die Unterkünfte der Geiseln. Aurec ging in die Wissenschaftsstation, um mit Lorif Kontakt aufzunehmen. Der Posbi saß mit Wallace und Dove unter Aufsicht der Dscherro an den Hyperkomanlagen und versuchte, sie zu reparieren. »Erfolge?« wollte der Saggittone wissen. »Nein, die Hyperkomanlage ist vollständig zerstört. Ich hatte mich geirrt, sie ist nicht mehr zu reparieren«, erläuterte der Posbi. Dabei fuhr er immer ein Augenlied herunter, was reichlich komisch aussah. Aurec wußte es nicht richtig zu deuten. »Am liebsten würde ich Mankind eine Nachricht schicken, aber das ist unmöglich«, meinte Lorif und zwinkerte wieder mit dem Auge beziehungsweise fuhr das elektronische Augenlid herunter und wieder hoch. »Stimmt was nicht mit der Optik?« fragte Aurec verwirrt. D O R G O N 256 »Doch, doch alles in Ordnung, Sir. Das Hyperkomgerät ist defekt.« »Das sagtest du schon.« »Ich muß mal eine Rauchen. Komm mal bitte mit«, forderte Mathew Wallace den Saggittonen auf, der noch immer nicht ganz den Sinn von Lorifs Gebärden verstanden hatte. An der frischen Luft waren sie ungestört und unbeobachtet. »Lorif wollte dir zuzwinkern«, erklärte Wallace. »Der Posbi hat wirklich einen Schaden«, meinte Aurec nur. »Das Hyperkomgerät funktioniert. Wir wollen lediglich den Dscherro das Gegenteil einreden. Wir haben bereits einen Funkspruch mit unseren Koordinaten losgeschickt. Hoffentlich hört ihn jemand.« Aurec nickte erleichtert. Dann begriff er, daß sie vielleicht einen Fehler gemacht hatten. »Mit dem Funkspruch habt ihr auch unseren Angreifer angelockt«, vermutete der Saggittone ernst. »Wir hatten keine andere Wahl«, versuchte sich Wallace zu verteidigen. »Ich weiß. Die Dscherro bringen uns noch alle um. Wir müssen etwas unternehmen. Die Chancen stehen nicht sonderlich gut. Wir müssen hoffen, daß unsere Freunde vor Kudons Auftraggeber hier sind. Bis dahin müssen wir uns vor den Dscherro und dem unbekannten Angreifer schützen.« Wallace nahm einen kräftigen Zug an der Zigarette. »Wenn es weiter nichts ist...« * Darvos erledigte die Arbeit für fünf Personen. Nicht nur seine eigene, sondern auch die von Roehk, Niesewitz, Ferby und Katschmarek, die so taten, als würden sie den Aufbau organisieren, die naiven Dscherro kauften ihnen das sogar ab. Taka Kudon ernannte die drei ehemaligen Inhaber der BAMBUS neben Aurec zu den Organisatoren auf der Seite der Geiseln. Nils Hirseland Als ihre Stellvertreter wurden Ferby und Reiko genannt. Sie sollten für den ordentlichen Ablauf der Arbeit sowie für eine Motivation der Gefangenen sorgen. Reiko scheuchte die Geiseln durch die Gegend und benahm sich besonders unfreundlich. Auf dieser Weise versuchte der Plophoser bei den Dscherros Eindruck zu schinden. Damit verband er die Hoffnung, von ihnen verschont zu werden. »Nun mach’ mal etwas schneller, Darvos!« befahl Reini. »Sonst werden die Dscherro nicht mehr so gut auf uns zu sprechen sein.« Yan Cruze war eine Art persönlicher Diener der drei Inhaber. Er begleitete sie auf Schritt und Tritt und erfüllte ihnen ihre Wünsche. Cruze litt unter dem Mangel an Essen. Er was ausgehungert und unausstehlich. Er traute sich allerdings nicht, etwas zu sagen. Lieber akzeptierte er sein Los. Dumm war Cruze nicht, denn bei der Nahrungsausgabe brachte er das Essen zu den Kranken. Dabei aß er von deren Rationen, so daß diese weniger hatten und er einen vollen Bauch. Jetzt war er beschäftigt, Reini Katschmarek eine Flasche Bier zu öffnen. Katschmarek beobachtete Darvos beim Aufbauen der Hauswand. »Ich bin schließlich Maurer und weiß, wie man so ein Lager baut«, sagte er erklärend und nahm einen kräftigen Schluck von dem blonden Getränk. Anschließend rülpste er herzhaft und seufzte danach. Peter Roehk war mehr damit beschäftigt, Kathy Scolar anzustarren. Die brütende Hitze des Planeten und die harte Arbeit brachten die junge Terranerin zum Schwitzen, so daß sie sich etwas frei machte. Genügend körperbetonte und knappe Sachen hatten die Tresendamen der BAMBUS ja gehabt, denn auch in den Hallen waren die Temperaturen sehr hoch gewesen. Die rotblauen Sonnenstrahlen glühten regelrecht auf der Haut eines Menschen. Peter Roehk starrte auf das Gesäß und die Brüste der Brünetten und stellte sich in seiner schmutzigen Phantasie eine heiße Nacht mit ihr vor. Werner Niesewitz hingegen spielte wirklich den Aufseher und gab überall Anweisungen, Auf Leben und Tod D O R G O N um die Arbeit zu forcieren. Kathy war noch reichlich angeschlagen, da ihr Oberschenkel aufgrund der Verbrennungen noch immer schmerzte. Die Dscherro hatten ihr gestattet, ein Schmerzmittel zu nehmen und immerhin war die Wunde desinfiziert, jedoch nicht fachgerecht behandelt worden. Sie hoffte, daß keine Narben zurückbleiben würden. Peter ging zu Reini und flüsterte ihm etwas ins Ohr. »Hey, Kathy! Da unten liegt etwas«, rief er seiner ehemaligen Angestellten zu und deutete mit dem Finger auf den Boden. Sie bückte sich und wühlte im Sand nach dem, was Roehk meinte. Dort war jedoch nichts. Vielmehr gewährte sie so unfreiwillig einen größeren Einblick in ihren Ausschnitt, sehr zur Freude von Reini Katschmarek und Peter Roehk, die amüsiert kicherten und ihre Biere leerten. Kathy warf ihnen einen finsteren Blick, entschied sich jedoch nichts zu unternehmen, da sie kein Aufsehen erregen wollte. Sie seufzte laut und machte sich wieder daran, ihren Teil des Zaunes fertig zu stellen. Plötzlich stand eine alte Frau mit aufgedunsenem Gesicht vor ihr. Kathy bekam einen Schreck und schrie kurz auf. »Haben Sie Werner gesehen?« fragte die Frau. »Dort«, sagte Kathy und zeigte auf Niesewitz. »Nicht der Werner. Mein Werner«, entgegnete die Frau giftig. Kathy wußte nun, was Bohmar meinte. Sie hatte den Vorfall kurz vor dem Start der BAMBUS nicht vergessen. Anscheinend hatte es Inge Bohmar selbst wohl vergessen, da sie ziemlich freundlich zu Kathy war. »Ähm, nein. Ich habe ihren Werner nicht gesehen. Entschuldigung«, meinte Kathy und wollte weiter arbeiten. Inge Bohmar packte sie an der Hand. »Das tut weh«, beschwerte sich Kathy mit schmerzverzerrtem Gesicht. Die alte Terranerin war noch ziemlich rüstig. »Junges Fräulein, ich war in der Bund der Mädel für die Herren der Straße«, fletschte Inge Bohmar. »Mit mir treibt man besser keine Spä- 257 ße. Du weißt doch wo Werner ist. Gibt es zu, du hast ihn verführt!« Mist, sie weiß es doch, dachte Kathy belustigt. Langsam bekam die Terranerin es allerdings doch mit der Angst zu tun. Sie wußte nicht, wie sie mit der Geisteskranken umgehen sollte. »Nein, habe ich nicht«, versuchte sie sich zu verteidigen. Inge blickte ihr tief in die Augen. Kathy erkannte darin Wahnsinn und Bösartigkeit. Dann ließ die Terranerin plötzlich los und stapfte davon. Kathy sank geschockt auf den Boden und vergrub das Gesicht zwischen ihre Hände. * »Hunger... Hunger... Hunger...« Das waren die schwachen Worte von KarlAdolf Braunhauer, der im Feldlazarett auf einer Bahre lag und vor sich hin vegetierte. Die Gelbsucht hatte sich noch verschlimmert und sein körperlicher Zustand verschlechterte sich zusehends. Lorif kümmerte sich um die Verwundeten. Es gab keinen Arzt auf der BAMBUS mehr. Der Posbi hatte Karl-Adolf untersucht und war zu einem unerfreulichen Befund gekommen. Ottilie Braunhauer, Inge Bohmar, Reinhard Katschmarek und Werner Niesewitz hatten sich versammelt, um zu hören, was mit Karl-Adolf nicht stimmte. »Na, was hat mein liebes Männlein denn?« wollte Ottilie wissen. »Halt die Klappe und laß den Doktor ausreden, du blöde Kuh«, herrschte Karl-Adolf, der trotz seiner Krankheit immer noch seinen spröden Charme besaß. »Nun, es tut mir leid, aber ihr Mann leidet an Leberkrebs, Lernerzerrose, Hepatitis und Nierenkrebs. Zudem kommen zwei Herzattacken, diverse Knochenbrüche und ein Virus, den er sich hier eingefangen hat, hinzu. Bei den momentanen medizinischen Möglichkeiten, wird er wahrscheinlich innerhalb der nächsten Tage sterben.« Ottilie Braunhauer fing an zu schreien. Auch Karl-Adolf konnte nicht glauben, was Lorif da D O R G O N 258 eben gesagt hatte. Er fing bitterlich an zu weinen. »Wie kannst du nur so schonungslos sein, du Blechhaufen«, herrschte Ottilie den Posbi an, der jedoch gelassen blieb. »Die Eigenart der Menschen, um den heißen Brei zu reden, ändert nichts an der Tatsache«, erklärte Lorif. »In einem modernen Krankenhaus könnten wir sein Leben retten. In dieser Wildnis wird er sterben.« »Ach Quatsch!« meinte Ottilie. »Er wird wieder gesund werden, nicht mein Vatichen?« Die alte Terranerin nahm einen Monitor und streichelte ihn. »Heile, heile Segen. Morgen gibt es Regen und der Vati wird nicht sterben, von wegen!« Lorif starrte die Frau irritiert an. »Okkulte Rituale werden ihn auch nicht wieder gesund machen. Bereiten sie ihn auf einen würdevollen Abgang vor und gestalten ihm die letzten Tage so angenehm wie möglich«, sagte der Posbi und verließ die Runde. Karl-Adolf starrte ins Leere. Diese Nachricht hatte ihm die letzte Kraft geraubt. War er nun am Ende seines langen Weges? Er konnte es nicht glauben. Er war notwendig für das Universum. Karl-Adolf Braunhauer durfte nicht sterben. Es wäre ein zu großer Verlust für das zivilisierte Universum gewesen. Karl-Adolf schüttelte schwach den Kopf. Er mußte sterben und solche Nichtsnutze wie Perry Rhodan durften leben. In seinen Augen stank diese Ungerechtigkeit zum Himmel. * »Los beeilt euch!« schrie ein Dscherro und trieb die Gefangenen an. Etliche Baracken waren in den letzten vier Tagen errichtet worden. Hinzu kamen eine Krankenstation, eine Forschungs- und Technikstation sowie etliche Wachtürme und Lagerhallen für Nahrungsmittel. Auf den ersten Blick klang dies sehr gut, doch die Wahrheit war, daß das Lager eine heruntergekommene Befestigung aus Schlamm, Dreck, Holz und alten Metall war. Es gab so gut wie keine Waffen, außer den, die die Dscher- Nils Hirseland ro bei sich trugen. Die Nahrungsmittel waren knapp und die Bezeichnung Forschungsstation war geschmeichelt, denn dort saß Lorif und versuchte, beschädigte Apparate der BAMBUS zu reparieren. Die Medostation verdiente diesen Namen nicht, denn es gab dort kaum Medikamente und Instrumente für Operationen. Dieser Mißstand war auch ein Versäumnis von Roehk, Niesewitz und Katschmarek, denn die drei Inhaber der BAMBUS hatten nur einen Arzt und zwei Sanitäter für die Reise eingestellt, die wiederum kaum Medikamente mitgenommen hatten, da man nicht davon ausgegangen war, daß es in den fünf Tagen zu ernsthaften Verletzungen kommen würde. Weder der Arzt noch die Sanitäter hatten den Absturz überlebt und nur wenige Überlebende der BAMBUS besaßen eine Ausbildung als Sanitäter. Diese Tatsachen kamen einem Todesurteil für viele der Schwerverletzten gleich. Einer von ihnen war Karl-Adolf Braunhauer. Er lag immer noch auf seiner Liege und wurde zusehends schwächer. Das Essen, Trinken und Aufstehen fiel ihm immer schwerer. Neve Prometh und Uthe Scorbit waren eingeteilt worden, um sich heute um die Kranken und Verwundeten zu kümmern. Uthe überkam sogar etwas Mitleid, als sie Braunhauer dort liegen sah. Er war zwar immer ein unausstehlicher, spießiger und gefühlsloser Bürokrat gewesen, doch dieses Ende gönnte sie ihm auch nicht. Fern ab von jeder Zivilisation und fern ab von seinem Zuhause. Werner Niesewitz und Reinhard Katschmarek hielten einen Besuch ab. Braunhauer registrierte sie kaum noch. Er starrte nur in die Luft und schien auf sein Ende zu warten. Die Sanitäter konnten nichts mehr für ihn tun. »Mensch, Karl-Adolf! Was machste bloß für Sachen. Vor ein paar Wochen haben wir doch noch gemeinsam einen gehoben«, meinte Reini traurig. Jetzt kamen wieder langsam Regungen in den scheinbar absterbenden Körper des alten Terraners, der schon in der WIDDER gedient hatte. Sichtlich angestrengt versuchte er ein Auf Leben und Tod D O R G O N paar Worte zu sagen. Speichel lief ihm dabei aus den Mundwinkeln. Mißtrauisch blickte er zu Neve und Uthe, die das natürlich bemerkten und so taten, als würden sie ihm nicht zuhören. »Ich werde sterben«, flüsterte er leise. »Aber nicht doch, Karl-Adolf. Du wirst gesund werden und wir können wieder saufen«, versuchte Reini ihn aufzubauen. Niesewitz sagte nichts. Karl-Adolf schüttelte den Kopf. »Ich werde sterben. Nichts kann mich jetzt noch davor bewahren. Doch was soll jetzt aus dieser Welt werden, wenn ich nicht mehr da bin?« Niesewitz wußte nicht, was er von dem Geschwätz des Sterbenden halten sollte. »Was meinst du damit?« wollte er nun wissen. »Diese Welt ist schlecht. All dieser intergalaktische Abschaum, wie die Blues, Topsider, Maahks und Dscherro. Ich wünschte ich wäre in einer Welt gestorben, wo die Herrenrasse, der Mensch, über die Unterwesen regiert hätte.« Ein Hustenanfall überkam Karl-Adolf. Schaum bildete sich vor seinem Mund. Uthe und Neve eilten herbei, um dem alten Mann zu helfen. Erschöpft sank er wieder in sein Bett. »Er braucht jetzt Ruhe, bitte geht!« forderte Uthe Scorbit die beiden ungeliebten Besucher auf, doch keiner hörte auf sie. Werner dachte über die Worte Karl-Adolfs nach. Und er pflichtete ihnen bei. Er war in einer Zeit aufgewachsen, als die vermeintliche Herrenrasse über Teile Terras regiert hatten. Schon oft hatte er den Gedanken gehabt, auch hier ähnliche Bestrebungen kund zu tun. Nicht zuletzt durch die Idee von Peter Roehk. Oder sollte man es vielmehr eine Vision nennen? »Karl-Adolf, wir versprechen dir hoch und heilig, daß dein Wunsch erfüllt wird«, sagte Niesewitz in einem Tonfall, der Uthe erschrecken ließ. Dann verließen beide das Krankenlager und ließen den schweratmenden Braunhauer zurück. Niesewitz und Katschmarek beschlich das Gefühl, ihn nie wieder lebendig zu sehen. 259 * Taka Kudon, Vendor, Nor’Citel und Aurec saßen in einem Zelt und berieten über die Zukunft der Geiseln und der Dscherro. Es regnete. Für viele eine angenehme Erholung nach den vier letzten sehr heißen Tagen, die sie bereits auf dem Planeten waren. »Das Schiff beunruhigt mich«, erklärte Leticron. Er wußte genau, daß es sich dabei nicht um die KARAN handelte. »Vermutlich der fremde Angreifer«, meinte Aurec. Er hatte jedoch auch andere Probleme, die ihm auf dem Herzen lagen. »Was wird jetzt aus uns? Die BAMBUS ist ein Wrack. Wir müssen einen Funkspruch absenden und hoffen, daß er in Cartwheel gehört wird. Bis dahin sollten die Dscherro und die restlichen Intelligenzwesen zusammenarbeiten.« »Nein!« brüllte Taka Kudon. »Ihr seid nur Abschaum, der für uns arbeitet. Ihr werdet die BAMBUS reparieren. Noch heute fangt ihr damit an!« »Das ist unmöglich«, sagte Aurec energisch. »Ich werde ich jede Stunde 10 Geiseln erschießen lassen, solange bis es möglich sein wird!« Aurec erkannte immer mehr, daß man mit den Dscherro nicht verhandeln konnte. Sie waren so einfältig, daß sie nicht einmal erkannten, wann es für sie gefährlich wurde. Sollte der fremde Aggressor wirklich angreifen, mußten sie zusammenhalten, doch Taka Kudon verstand dies scheinbar nicht. »Ihr ladet die Toten aus und dürft sie auch begraben. Dann beginnt ihr mit der Reparatur der BAMBUS«, erklärte der Taka nun mit ruhiger Stimme. Aurec wußte, daß Widerspruch nichts nützen würde. Er mußte auf eine bessere Gelegenheit warten. »Dieser fremde Feind wird uns nichts tun, seit Tagen hat er nichts getan«, meinte Vendor. »Urucks Leute sind heil wieder aus dem Dschungel gekommen. Ich glaube nicht, daß er uns angreifen wird.« Aurec verkniff sich einen Kommentar. Er blickte zu Nor’Citel, der resignierend auf den D O R G O N 260 Boden schaute. Auch er konnte nichts gegen die Sturheit der Dscherro ausrichten. Taka Kudon und Vendor wurden immer eigenwilliger, je länger Cau Thon auf sich warten ließ. »Macht euch jetzt an die Arbeit«, befahl Kudon und stand auf. Er gab Vendor ein Zeichen und dieser brachte Aurec und Nor’Citel zum Ausgang der Zeltes. Es regnete noch immer. Die Lichter wurden angeschaltet, Schreie waren zu hören und das Brüllen der Dscherro, die die Geiseln zusammentrieben. Sie fingen an, Gräber auszuheben, während andere in das Wrack gingen, um die Leichen zu bergen, die seit vier Tagen dort lagen. Aurec atmete tief durch, er brauchte jetzt alle Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte. * Ein übler Gestank drang in Aurecs Nase. Da nutzte auch das Mundtuch nicht viel. Durch die Hitze waren die Körper schon am Verwesen. Hiesige Tiere hatten sich bereits an den Leichen zu schaffen gemacht. Aurec warf einen Blick auf Andrews, Wallace, Scorbit und Dove, die neben ihm standen. Mit einem schwachen Nicken, signalisierte er, daß man beginnen sollte. Dove nahm gleich mehrere Leichen. Je schneller sie diesen Horror hinter sich gebracht hatten, desto besser. Aurec bemerkte, daß sich zwei der Geiseln übergaben. Offensichtlich hatte ihnen der Anblick zugesetzt. Die Dscherro hätten sogar die Frauen hereingeschickt, doch Aurec konnte dies gerade noch verhindern. Sie mußten jedoch die Gräber ausheben. Eine Aufgabe, die ebenso unschön war. Der Saggittone begab sich in die Halle und sah viele verstümmelte Leichen. Sie waren Opfer der Dscherro geworden. Die Brutalität, mit welcher diese Bestien vorgegangen waren, ließ Aurec erschaudern. Haß und Wut stiegen in ihm auf. Er entdeckte einige Waffen der Dscherro und der toten Sicherheitsbeamten. Bevor er sie aufheben konnte, hielt jemand seinen Arm fest. Erschreckt Nils Hirseland blickte Aurec hoch. Zu seiner Verwunderung stand dort Darvos. Die riesige Oxtorner mit der versteinerten Miene blickte ihn ernst an, dann sagte er: »Die kannst du nicht alleine tragen, laß dir helfen.« Aurec nickte nur. Daraufhin sammelten sie die Waffen ein und versteckten sie gut in den Lagerräumen der BAMBUS. Kurz danach machten die beiden sich wieder daran, die Leichen aus den Räumen zu schaffen. Aurec stand an dem Tresen, wo alles anfing. Als er dort stand, explodierte die Tür und die Gehörnten stürmten brüllend herein. Dann fiel ihm wieder Kathy ein. Und ihre Schwester! Ihr toter Körper lag vor dem Tresen. Aurec wurde schlecht, als er in ihr Gesicht sah. Die Augen waren noch weit geöffnet, doch die Verwesung war stark vorangeschritten. Wo einst der Mund war, befand sich ein verkohltes Loch. Als Aurec sie anhob, ließ er sie fallen, als er bemerkte, daß sich madenähnliche Tiere in ihrem Rücken eingenistet hatten. Er nahm alle Selbstbeherrschung zusammen und trug den Leichnam aus der BAMBUS, direkt bis zum Grab. Der Regen fiel in Strömen und erschwerte die Arbeit. Alles war matschig und schlammig. Der Saggittone hatte Mühe, voran zu kommen. Massengräber waren ausgehoben worden. Welch ein unwürdiger Abschied von den Toten. Er wollte die Leiche in ein Grab legen, da stand Kathy vor ihm. Für einen kurzen Moment erschrak er. Sie war, wie auch er, völlig durchnäßt und er konnte nicht erkennen, ob ihr Regentropfen vom Gesicht perlten oder ob es Tränen waren. Jonathan Andrews kam auch hinzu und legte die Leiche eines hageren Blues in das Grab. Mit traurigem Gesicht bemerkte er, daß Aurec die Leiche von Kathys Schwester auf dem Arm trug. »Kümmere dich um Kathy«, sagte Aurec. Andrews nickte und nahm Kathys Hand, die wie angewurzelt stehenblieb. Behutsam zog er sie weg. Sie sollte sich das nicht mit ansehen. Aurec legte die Leiche so sanft wie möglich in das Grab. Dann blickte er auf die anderen Toten, welche schon dort lagen. Knapp sechshundert Wesen waren bei dem Angriff der Dscherro Auf Leben und Tod D O R G O N und dem Absturz gestorben. Junge Wesen, die ihre Familien nie wiedersehen würden. Der Saggittone drehte sich um und suchte Kathy, die auf einem Stein saß und bitterlich weinte. Sie war nur eine von vielen, deren Leben zerstört war. Die Toten hatten es hinter sich gebracht, doch die Überlebenden mußten weiter durch die Hölle gehen und Aurec hoffte, daß er ihnen helfen konnte, heil aus diesem Schrecken herauszukommen. Er ging zu Kathy und legte seine Hand um ihre Schulter. Das war etwas, was Aurec eigentlich sehr selten machte. Doch die Menschen und Außerirdischen brauchten seine Hilfe. Er mußte ihnen Mut und Hoffnung. Kathy legte ihren Kopf an seine Schulter und weinte. Aurec blickte auf die Gräber und entdeckte Vendor, der an einem Grab stand und dort hinein urinierte. Dafür werde ich dich töten, schwor sich Aurec. 6. Evspor, der Kyberklon Der Regen prasselte auf die Außenhülle des Diskusraumers. Nur ein kleines blinkendes Lämpchen in der Mitte deutete auf Leben in dem Raumschiff hin. Eine kleine Luke öffnete sich und vier kugelförmige, fußballgroße Robotsonden flogen aus der Öffnungen. Sie hatten zum Ziel, nach Leben auf dem Planeten zu suchen. Leben, das nicht auf Xamour gehörte. Im Inneren des Schiffes befand sich nur ein Lebewesen. Es war Kommandant und Besatzung zugleich. Das Licht in dem spartanisch eingerichteten Raumer war grünlich und spendete eigentlich nur wenig Helligkeit. Doch das brauchte er nicht. Der Name des Kommandanten war Evspor. Evspor, der Kyberklon! Evspor gab den Befehl an seine Sonden, das Gebiet um die Gebirge zu erkunden und Fallen im Dschungel aufzubauen. Evspor hatte das Lager der Fremden schon bei seiner Landung entdeckt. Er wollte sie vor- 261 erst nur beobachten, um herauszufinden, was sie vorhatten. Waren die elf Raumschiffe nur eine Vorhut gewesen? Agierten sie im Auftrag der Chaotarchen oder waren es lediglich Piraten? Diese Fragen wollte Evspor klären. Der Kyberklon, ein Geschöpf der Kosmokraten, war völlig in schwarz und besaß anstelle von Füßen Wadenblöcke. Ein spartanischer Helm mit zwei Augen und einer Sprachöffnung bildete sein Gesicht. Alles in allem wirkte das künstliche Wesen furchteinflößend. Es hatte den Auftrag, das Kosmonukleotid TRIICLE-3 vor Eindringlingen zu schützen. Sein Befehl lautete, alles zu vernichten, was nicht auf der Seite der Kosmokraten stand. Diese Wesen waren ihm unbekannt und wirkten auf ihn nicht wie ein Hilfsvolk seiner Herren und Meister. Deshalb hatte er den Entschluß gefaßt, sie vollständig zu vernichten. Die ersten zehn Schiffe stellten keine Herausforderung für ihn dar. Durch einen Fehler in der Steuerung seines Schiffes hatte er das elfte Schiff der Eindringlinge vor seinem Absturz nicht mehr zerstören können. Er hatte gehofft, daß die Besatzung des Schiffes den Absturz nicht überleben würde. Bedauerlicherweise war dies nicht geschehen. Sie hatten auf Xamour landen können, der alten verbotenen Welt. Eine Welt, die Evspor eigentlich meiden sollte, denn sie beherbergte ein dunkles Kapitel der Kosmokraten, doch er hatte keine andere Wahl. Nur so konnte er die Eindringlinge und potentielle Feinde vernichten. Selbst wenn sie keine Abgesandten des Chaos waren, so mußte er sicher gehen, daß sie keine Gefahr darstellten. Und tote Wesen stellten keine Gefahr dar. 7. Auf der Suche nach der BAMBUS Vier Tage zuvor. Jan Scorbit wußte nicht, warum er so früh morgens bereits zum Regierungsgebäude auf Paxus kommen mußte. 262 D O R G O N Die Stimme von Joak Cascal klang ernst. Sonst war er eigentlich selten so ernst und Jan kannte Joak als lustigen Draufgänger mit dem er so manche Nacht durchgefeiert hatte, seitdem sie auf der Insel waren. Eigentlich wäre er viel lieber auf der BAMBUS gewesen, doch durch den Wegfall von Chris Japar und Sam Tyler mußte er die Niederlassung der Neuen USO auf der Insel umstrukturieren. Japar war von dem Pterus Saron getötet worden. Tyler hatte sich revanchiert, indem er Saron ermordet hatte. Wegen dieses Vergehens mußte Tyler sich nun vor Gericht verantworten. Hastig eilte er zu dem Konferenzgebäude, nachdem er aus dem Transmitter gestiegen war. Auf dem Weg dorthin traf er Will Dean, den er freundlich begrüßte. »Weißt du, was los ist?« erkundigte sich der Afroterraner. »Nein, keine Ahnung. Cascal klang sehr beunruhigt«, erklärte Scorbit. »Dann wollen wir mal hoffen, daß Jenmuhs nicht wieder einen epileptischen Anfall bekommen hat und die Insel ausradieren will«, meinte Dean zynisch. Beide liefen eilig durch den pompösen Korridor des Regierungsgebäudes, dann erreichten sie den großen Saal. Zwei Sicherheitskräfte versperrten den beiden den Weg und gaben ihn erst frei, nachdem sie sich ausgewiesen hatten. Die Tür öffnete sich leise und einige Anwesende starrten die zwei Agenten an. In dem Raum befanden sich Sam, Joak Cascal, Gal’Arn und Gucky. »Guten Morgen, meine Herren!« begrüßte sie Sam höflich und bot ihnen mit einer Geste einen Platz an. Sofort kamen zwei Servoroboter, die ihnen Frühstück servierten. »Weshalb sind wir hier?« wollte nun Dean wissen. »Es ist etwas unerfreuliches passiert«, begann der Somer Sam, der gleichzeitig auch oberster Politiker in Cartwheel war. »Das will ich doch hoffen, ich verpasse gerade ein tolles Tische-Stühle-Konverter-Match bei der Galaxy Wrestling Federation. Läuft gerade im Trivid. Der Fels gegen Asteroiden- Nils Hirseland Kalt!« erklärte Gucky und fing sich dafür einige böse Blicke ein. »Sorry...« Cascal schüttelte den Kopf, dann begann er zu erklären, warum diese Konferenz einberufen wurde. »Ich mache es kurz und knapp. Die BAMBUS ist verschwunden!« Besonders Gal’Arn und Jan Scorbit waren über diese Nachricht betroffen. Sie wechselten einen kurzen Blick, dann fragte der Ritter der Tiefe: »Was genau ist passiert?« »Die BAMBUS ist nicht an ihren geplanten Zwischenstation aufgetaucht. Sie ist nicht nach Mankind zurückgekehrt und niemand weiß, wo sie ist.« »Was soll das heißen? So einfach kann doch kein Schiff verschwinden? Da sind fünftausend Lebewesen drauf«, wandte Scorbit erregt ein. Er machte sich verständlicherweise Sorgen um seinen Bruder, seine Schwägerin und um seine Freunde. »Es ist so. Wir haben immerhin die Koordinaten ihres letzten bekannten Aufenthaltsortes. Von dort aus werden wir eine großangelegte Suchaktion mit allem starten, was uns zur Verfügung gestellt wird. Zweitausend Schiffe«, erklärte Joak Cascal weiter. Dean stieß einen Pfiff aus. »Ganz schön viel. Und die kriegen wir die so schnell zusammen?« »Das ist kein Problem«, meinte Sam. »Der Marquese verhandelt zur Zeit gerade mit den Regierungsführern. Es liegt im Interesse aller, die BAMBUS so schnell wie möglich wiederzufinden.« In diesem Moment kam eine Nachricht des Marquese an. Er berichtete, daß die Saggittonen, Dorgonen, Akonen, Blues und Pariczaner sich bereit erklärt haben, an der Suche zu beteiligen. Serakan versprach sogar, die SAGRITON sofort loszuschicken. Selbst die Pariczaner wollten unbedingt ihren Corun Nor’Citel wiederfinden. »Nur die Arkoniden haben abgelehnt«, berichtete der Marquese mit belegter Stimme. »Unser allseits geschätzter Uwahn Jenmuhs ließ verlauten, daß sich die Arkoniden nicht an dieser Suche beteiligen, da es wohl eher ein terranisches Problem zu sein scheint.« »Er wies dennoch darauf hin, daß er die Auf Leben und Tod D O R G O N Suchaktion mit großem Interesse beobachte, da sich einige Arkoniden an Bord befinden. Er fühlt sich an die Situation der LONDON I und II erinnert, bei dem auch viele ehrenwerte Arkoniden starben und sieht eine Verschärfung der politischen Lage, sollten die an Bord befindlichen Arkoniden tatsächlich tot sein.« Für eine Weile herrschte Ruhe im Raum. Dann entbrannte eine heftige Diskussion über den Grund des Verschwindens. Gucky ging sogar soweit, zu glauben, Uwahn Jenmuhs hätte die BAMBUS entführt, um den Grund für einen Krieg zu haben. »Das bringt uns jetzt nicht weiter«, stellte Gal’Arn fest. »Wir müssen unverzüglich mit der Suche beginnen. Jaktar und ich werden sofort mit der TERSAL losfliegen. Wenn wir etwas gefunden haben, informieren wir euch.« »Ich komme mit!« rief Gucky. »Ich auch«, meinte Jan Scorbit. Gal’Arn nickte kurz, dann stand er auf und verließ den Raum. Gucky und Scorbit folgten ihm. Cascal informierte die Kommandanten der IVANHOE und TAKVORIAN II über den Vorfall und befahl ihnen, die Schiffe sofort startbereit zu machen. Die TERSAL stand auf einer Landeplattform des Regierungsgebäudes. Jaktar wartete bereits und lief ungeduldig auf und ab. »Was ist mit Johnny Andrews?« fragte er ernst. »Er und 5000 andere Intelligenzwesen sind verschwunden«, sagte Gal’Arn ernst. »Vermutlich wurden sie entführt oder das Raumschiff ist einfach explodiert.« »Das sind ja tolle Aussichten«, meinte der Ghannakke und öffnete das Schott der TERSAL. Gucky und Scorbit eilten hinterher und schon nach wenigen Momenten hob das Schiff des Ritters der Tiefe ab und stieg in den Himmel auf. »Wir haben Flugerlaubnis und verlassen den Orbit in vier Minuten«, berichtete Jaktar, während er einige Schaltungen vornahm. »Danach gehen wir auf Überlichtgeschwindigkeit und steuern direkt zu den letzten Koordinaten der BAMBUS«, befahl Gal’Arn. 263 Die Suche mußte schnell beginnen und wenn möglich ebenso schnell mit Erfolg gekrönt sein, doch keiner der Beteiligten ahnte, wie weit die BAMBUS entfernt war. * Die TERSAL durchkämmte jeden Kilometer der letzten bekannten Koordinaten. Ergebnislos! Niemand an Bord des Schiffes sprach ein Wort. Selbst Gucky war still und versuchte Gedankenimpulse der Verschollenen aufzuspüren. Natürlich ohne jeden Erfolg, denn über eine Distanz von Tausenden von Lichtjahren konnte der Mausbiber nicht espern. »Hier finden wir nichts«, gestand Jaktar sich selbst und den anderen ein. Gal’Arn schüttelte den Kopf und blickte verdrossen auf die Anzeigen. »Die BAMBUS ist nicht mehr in dieser Region. Es gibt hier keinerlei Hinweise auf das Schiff«, erklärte der Ritter der Tiefe mit belegter Stimme. Wieder kehrte Schweigen in die Runde ein. Plötzlich summte ein Interkom auf. Gal’Arn aktivierte die Verbindung und das Gesicht von Will Dean erschien auf dem Bildschirm. »Auch keine Spur?« fragte er, als ob er die Antwort bereits wüßte. »Nein.« »Verstehe...« »Weshalb kontaktierst du uns?« wollte der Ritter der Tiefe wissen, der sich große Sorgen um Jonathan Andrews und seine Freunde machte. »Ich wollte Jan darüber informieren, daß ein großer Pulk Dscherroraumer mit unbekanntem Ziel die Galaxis verlassen hat.« Jan Scorbit wurde sofort hellhörig. »Hat der TLD schon etwas unternommen?« wollte der Terraner wissen, doch Will Dean verneinte das. Gucky grübelte über diesen Bericht. »Warum verlassen die Dscherro plötzlich die Galaxis? Das stimmt etwas nicht. Dem sollten wir nachgehen«, meinte der Mausbiber. D O R G O N 264 Doch Jaktar lehnte ab. »Wir sollen nach der BAMBUS suchen. Ich lasse Johnny Andrews nicht im Stich!« »Hier können wir ihnen nicht helfen. Irgend etwas sagt mir, daß das Verschwinden der BAMBUS etwas mit den Dscherro zu tun hat. Darauf verwette ich meinen Nagezahn!« »Dann wollen wir hoffen, daß du nicht bald nur noch Suppe zu dir nehmen kannst«, entgegnete Gal’Arn und ließ sich die Koordinaten der Dscherroraumschiffe übermitteln. Dann tauchte die TERSAL in den Hyperraum mit dem Ziel ein, die Schiffe der Gehörnten zu observieren. 8. Die Jagd nach dem Unbekannten Jonathan Andrews hatte den Sicherheitsmann Franczy wiedergetroffen. Der Ertruser gehörte zu den wenigen normalen Männern in Darvos Truppe. Sie unterhielten sich eine Weile über alle Möglichen Dinge, insbesondere, wie man ausbrechen könnte. Auch Yan Cruze gesellte sich zu ihnen. »Ich habe so einen schrecklichen Hunger«, verkündete er den beiden. »Andere haben gar nichts zu essen. Wir müssen durchhalten«, ermahnte Andrews den korpulenten Terraner. »Ja, ja! Immer die anderen. Wer denkt denn mal an mich, häh? Niemand! Ich bin immer nur der blöde dicke Cruze mit dem man es machen kann? Wer gibt mir mal mehr Gehalt? Wer gibt mir was zu essen? Welche Frau schläft mit mir? Häh? Immer denken alle nur an sich...« brummelte Cruze und trottete weg. Franczy und Andrews sahen ihm irritiert hinterher. Das Lager war soweit fertiggestellt und die Gefangenen vegetierten von nun an vor sich hin. * Nils Hirseland »Los, los«, brüllten die Dscherro am frühen Morgen und trieben einige Terraner zusammen. Vendor und Urucks hatten den Oberbefehl über diese Aktion. Die Dscherro wollten wieder auf die Jagd gehen. Sie wollten nicht nur Wild erlegen, sondern auch nach dem feindlichen Aggressor suchen. Taka Kudon glaubte nun doch, daß der Feind bald zuschlagen würde. Fünf Tage waren sie jetzt auf diesem Planeten. Vor vier Tagen war das fremde Schiff tief dem Dschungel gelandet. Kudon nahm an, daß sie beobachtet wurden, deshalb gab er den Befehl, den Fremden zu suchen und zu vernichten. »Urucks, wir teilen uns in vier Gruppen auf«, erklärte Vendor. »Je fünfzig Dscherro und fünfzehn Geiseln als Schutzschild und Köder für den Fremden. Wir durchkämmen den Dschungel auf einer Linie mit jeweils zwei Kilometer Abstand zu den anderen Gruppen.« »Ja, Vendor!« schrie Urucks und schlug sich auf die Brust. »Koscha!« bestätigte Vendor und hastete mit den anderen los. Aurec bekam erst spät mit, daß wieder Geiseln für die Jagd mißbraucht wurden. Die 60 Geiseln waren bereits ausgesucht und wurden mitgeschleppt. Wer sich weigerte, wurde zusammengeschlagen. Aurec fand Jonathan Andrews, der besorgt den Geiseln hinterher blickte. »Was haben die vor?« wollte der Saggittone wissen. »Sie wollen nach dem Angreifer suchen und den gesamten Dschungel durchkämmen. Die Geiseln sollen ihnen als Schutzschilde und Köder dienen«, sagte er mit belegter Stimme. »Wer?« Andrews blickte Aurec ernst an »Jugendliche, meist Terraner, drei oder vier Blues, zwei Topsider und...« »Und?« »Franczy, Stony und Kathy!« * Urucks hatte 50 Soldaten um sich gruppiert. Dazu kamen die fünfzehn Geiseln, die einige Auf Leben und Tod D O R G O N Meter vor den Dscherro liefen. Drei weitere Gruppen von Dscherros hatten sich in einem Radius von fünf Kilometern verteilt und durchkämmten auf einer Linie den Dschungel. Urucks war ein sehr schlanker Dscherro, der sein Horn bei einem Zweikampf verloren hatte. Und vor dem nächsten Daschkar würde auch kein Neues mehr wachsen. Der Dschungel war dicht und es war schwer, sich durch die Büsche zu kämpfen. Die Dscherro besaßen lange Vibrationsschwerter mit denen man leicht das Geäst abholzen konnte, doch für die Terraner war es um so schwieriger, denn man hatte sie nicht mit Waffen ausgerüstet. »Weiter!« brüllte Urucks die Terraner an. Kathy, Franczy und Stony waren in einer Gruppe. Immerhin eine kleine Erleichterung. Kathy hatte Vertrauen in den starken Franczy und hoffte, er konnte sie beschützen. Stony hatte weniger Vertrauen in die Fähigkeiten des Ertrusers. Er wußte genau, daß er nichts gegen die Dscherro ausrichten konnte. Langsam gingen sie durch das Dickicht. Schweiß lief ihnen von der Stirn, das Herz schlug schneller und die Furcht war ihr ständiger Begleiter. Kathy lief direkt hinter Franczy, der sich mühelos durch den dichten Dschungel vorkämpfen konnte. Stony lief direkt hinter ihr. Die Luft war feucht und die Temperatur hoch. Kathy wurde schwindlig und wäre beinahe hingefallen, doch Stony hielt sie. »Halte durch«, ermahnte er sie. Die Terranerin riß sich zusammen und schleppte sich weiter. Stony war zufrieden, daß er ihr geholfen hatte, plötzlich packten ihn zwei Hände am Kopf und zogen ihn hoch. Er strampelte, schrie und versuchte sich zu wehren. »Stony!« hörte er Kathy schreien und die Dscherro schossen sofort auf ihn. Die Schüsse galten jedoch vielmehr seinem Entführer. Dieser hatte ein Antigrav und schoß durch den dichten Dschungel, so daß die Dscherro ihn verfehlten. Dann landete er auf einem Baum und warf Stony auf einen Ast. Der Terraner versuchte sofort, sich zu wehren, doch der Gegner brach Stony mit einem gezielten Schlag das Rückgrat. 265 Dann packte er ihn. »Sag mir, in wessen Auftrag seid ihr unterwegs?« Stony verstand nicht, was der Kyberklon meinte. Das war ihm auch relativ egal, denn die Schmerzen waren zu groß. Er verlor das Bewußtsein. Wie Müll warf Evspor den Terraner vom Ast und besiegelte sein Schicksal. Plötzlich summte sein Sender auf. Die Fremden bewegten sich auf sein Schiff zu! * »Sie müssen hier irgendwo sein«, kreischte Urucks und nahm Funkkontakt mit Vendor auf. Er informierte ihn über den Verlust des Terraners. »Gebt acht, er muß hier irgendwo sein«, meinte Vendor und beendete die Funkverbindung. Urucks entsicherte sein Thermogewehr und trieb die restlichen Geiseln an. Kathy hatte große Angst. Sie konnte den Tod von Stony nicht fassen. Es war für die Terranerin, als sei sie in einem Horrorfilm, der nicht enden wollte. Von Franczy konnte sie keine tröstenden Worte erwarten. Er konzentrierte sich vielmehr auf das, was noch kam. Plötzlich zischte ein Energieblitz auf und durchbohrte Urucks. Er war sofort tot und brach zusammen. Die anderen Dscherro waren verwirrt und schossen wild um sich. Weitere Energieblitze zischten aus dem Dickicht und jeder Schuß traf einen Dscherro. Doch auch die Geiseln blieben nicht verschont. Franczy warf sich zu Boden und riß Kathy mit sich. Damit rettete der Ertruser ihr das Leben. Die anderen Terraner, Arkoniden, Blues und Topsider wurden niedergemetzelt. Innerhalb weniger Minuten waren sie alle tot. Die restlichen Dscherro flüchteten so schnell sie konnten. Hinter ihnen tauchten etwa fünf Zentimeter große Kugelsonden auf. Sie hefteten sich an die Körper der flüchtenden Gehörnten und explodierten. D O R G O N 266 * Eine gewaltige Explosion ließ den Kyberklon kurz aufhorchen. Er blickte auf sein Chronometer. Unzufrieden stellte er fest, daß die Sonden viel zu lange gebraucht hatten. In seiner schweren Rüstung kam Evspor nur schwer voran, doch aufgrund seines gewaltigen Arsenals an technischen Waffen und Fortbewegungsmitteln war er ein behender Gegner. Er ging wieder zum Schiff und aktivierte den Orter. Knapp hundertachzig Wesen trieben sich noch im Wald herum. Vorher waren es zweihundertdreißig gewesen! Eine weitere Explosion ließ ihn aufhorchen. Sofort warf er einen Blick auf seinen Taster. Wieder fünfzig Gegner, stellte er zufrieden fest. Die Übriggebliebenen zogen sich jedoch wieder aus dem Dschungel zurück. Nun war es an der Zeit, daß Evspor selbst eingriff. Auf seinem Rücken trug er ein Antigrav, den er startete. So schwebte der Kyberklon über den Dschungel hinweg und suchte die Feinde. Etwa zwanzig von ihnen entdeckte er auf einer Lichtung. Sofort entsicherte er seinen Thermostrahler und schoß mit sieben Schüssen acht der Feinde nieder. Die anderen hatten sich schnell ins Dickicht geflüchtet, konnten jedoch nichts gegen Evspors Taster unternehmen. Er lokalisierte sie und warf eine Brandgranate in den Wald. Das Holz fing sofort Feuer und rasend breitete sich das vernichtende Inferno aus. Die Fauna des Planeten flüchtete so schnell es ging, um den Flammen zu entgehen, doch nur die wenigsten schafften es. Zusammen mit den feindlichen Eindringlingen starben sie einen qualvollen Tod. Das Ergebnis schien in Evspors Augen jedoch diese Greueltat zu rechtfertigen. Nur ein Drittel der intergalaktischen Feinde konnte lebend den in Flammen stehenden Dschungel verlassen. Eine gute Ausbeute, fand der Kyberklon, der wieder in sein Lager zurückkehrte, um sich dort auf den Angriff auf das Lager vorzubereiten. * Nils Hirseland Vendor konnte nicht glauben, was eben passiert war. Knapp hundertfünfzig Dscherro wurden innerhalb weniger Minuten getötet! Die Gehörnten hatten nicht den Hauch einer Chance gegen die fremden Angreifer gehabt. Urucks war tot, daran bestand kein Zweifel. Der gesamte Dschungel stand in Flammen. Niemand konnte noch lebend aus diesem Flammenmeer entkommen sein. Gebrochen kehrten die 50 Dscherro und fünf Terraner zur Station zurück. Taka Kudon erwartete seinen Stellvertreter und schlug ihm ins Gesicht. »Was ist passiert, du Vollidiot?« brüllte Taka Kudon aufgeregt. Vendor schilderte die Lage. Kudon war wütend und ängstlich zugleich. Er befahl, sofort die Wachen zu verstärken und sich auf einen Angriff des Feindes vorzubereiten. Aurec rannte zu den Überlebenden und stellte mit Erschrecken fest, daß Kathy nicht dabei war. Auch Franczy und Stony waren nicht unter den Überlebenden. Traurig blickte der Saggittone zu dem in Flammen stehenden Dschungel und nahm Abschied von der sympathischen Terranerin, die er doch unbedingt beschützen wollte. Er hatte es nicht geschafft! * Jonathan Andrews lag auf einem kleinen grünen Hügel und starrte in den Himmel. Neben ihm lag Marya. »Liebst du mich?« wollte sie wissen. Er blickte Marya ernst an. »Ich kann dir diese Frage nicht beantworten. In den letzten Tagen ist viel passiert. Ich habe Charaktereigenschaften an dir entdeckt, die mich erschreckt haben«, erklärte er ehrlich und direkt. Vielleicht zu direkt, überlegte er sich. Marya stand auf und schlug Andrews ins Gesicht. »Was fällt dir eigentlich ein? Du flirtest doch ständig mit diesem blonden Gift. Da soll ich mich nicht aufregen? Wir wurden von den D O R G O N Auf Leben und Tod Dscherro überfallen, sind auf diesem Planeten gestrandet und du bist mein einziger Bezugspunkt so weit weg von meiner Heimat. Hast du dir mal Gedanken gemacht, wie ich mich fühle? Ziemlich einsam!« Marya fing an zu weinen. Das wollte Jonathan natürlich nicht. Er bekam ein schlechtes Gewissen und entschuldigte sich bei seiner Freundin. * An anderer Stelle saß Aurec auf einem Stein und beobachtete den Dschungel, der fast vollständig niedergebrannt war. Er dachte an Kathy. Er hatte sie kaum gekannt. Sie hatte ihm jedoch auf der BAMBUS immer ein herzliches Lächeln geschenkt. Dann war eine Welt für sie zusammengebrochen, ihre Schwester war gestorben und sie war relativ allein. Aurec wollte sie beschützen und ihr helfen, doch er hatte versagt! Der Saggittone machte sich schreckliche Vorwürfe und gab sich die Schuld für ihren Tod. Eine Leere überkam ihn. Fast den Tränen nahe versuchte er, sich abzulenken und sich nicht seinen Selbstvorwürfen hinzugeben. 9. Abschied von einem alten Mann Ottilie Braunhauer torkelte durch die Gegend. Sie war wieder alkoholisiert. Inzwischen war es ein Dauerzustand für die Terranerin, da sie mit der Tatsache, daß ihr Mann bald sterben würde, nicht zurecht kam. Uthe Scorbit und Neve Prometh hatten an diesem Morgen wieder Dienst. Sie unterhielten sich über den fremden Angreifer. »Ich mache mir auch Sorgen um Aurec«, gestand Neve. »Warum? Er ist unsere größte Hoffnung.« »Mag sein, doch er macht sich Vorwürfe, weil so viele Gefangenen gestorben sind und noch immer sterben und er nichts dagegen tun kann.« 267 Plötzlich kam Ottlie Braunhauer in das Zelt und fiel beinahe hin. Neve und Uthe wußten sofort, daß sie völlig betrunken war. »Ich will zu meinem Vatichen«, erklärte die alte Frau lallend und versuchte zu ihrem Mann zu gehen, mußte jedoch von Neve gestützt werden. Ottilie warf sich auf eine Liege, die neben der ihres Mannes stand, und fing an zu schluchzen. Neve sah Uthe bedrückt an, die jedoch immer weniger Mitleid für Ottilie empfinden konnte. Sie hatte ihre giftige und arrogante Art nicht vergessen. Dennoch war sie kein Unmensch, ganz im Gegenteil. Sie setzte sich neben Ottilie und nahm sie in den Arm. Karl-Adolf schlief noch. »Wie kann er mir das antun? Dieser blöde Kerl! Was soll denn jetzt aus mir werden?« schimpfte sie über ihren eigenen Mann. Uthe überhörte diese Verwünschungen. »Ach, Vatichen. Er war immer so ein gütiger und netter Mensch. Es ist so eine Ungerechtigkeit. Am liebsten würde ich mit ihm gehen. Wir beide wollen ja auf See beerdigt werden. Und zwar Zuhause auf der Erde. Nicht hier. Hier soll mein Vatichen nicht für immer ruhen...« Neve und Uthe schwiegen. Karl-Adolf wurde wach. Wieder starrte er nur vor sich hin. Seit zwei Tagen hatte er nicht gesprochen. Seit sieben Tagen waren sie nun schon auf dieser Welt. Plötzlich stand Ottilie auf und wühlte in den Taschen ihres Mannes. Sie durchstöberte seine Brieftasche und entdeckte einige hundert Galax. »Oh, wie schön. Da habe ich noch etwas Geld. Das ist ja schön. Vatichen braucht die ja nicht mehr«, sagte sie freudestrahlend. Neve und Uthe sahen sich ratlos an. Diese Frau war ihnen ein Rätsel. Erst bekam man mit ihr Mitleid, im nächsten Moment betrieb sie an den Sachen ihres Mannes Leichenfledderei, bevor dieser überhaupt tot war. »Guck mal, Vatichen«, meinte sie. Doch sie bekam keine Antwort. Der starre Blick von Karl-Adolf war auf seine Frau gerichtet. Die blauen Augen sahen sie leblos an. »Was siehst du mich denn so blöde an?« meckerte sie. D O R G O N 268 Uthe erschrak, als sie den Blick Braunhauers sah. Langsam ging sie zu Karl-Adolf Braunhauer hin. Seine Augen starrten ins Leere, sein Blick war glasig. Sie fühlte seinen Puls, doch da war nichts mehr. Sein Herz schlug nicht mehr. Karl-Adolf Braunhauer war tot! 10. Der Beginn einer dunklen Epoche Aurec lief die Zeit weg, denn Taka Kudon berichtete, daß sich Dscherroraumer auf den Weg hierher befanden. Er hatte seinen Flottenadmiral Kullok angewiesen, nach einer Woche nach den Dscherro zu suchen. Kudon hatte ein gesundes Mißtrauen gegenüber allen Kreaturen. Das schien auch seine Auftraggeber einzuschließen. Damit war die Hoffnung, zuerst von Terranern oder Saggittonen gefunden zu werden, zunichte gemacht. Der fremde Angreifer hatte sich seit zwei Tagen nicht mehr gemeldet. Seit seinem Angriff auf die Dscherro im Dschungel. Warum setzte er nicht sofort nach? Warum wartete er erst ab? Auf diese Fragen hatten die Gestrandeten keine Antwort. Doch es würde noch schlimmer für sie kommen, denn ein weiteres Schiff befand sich auf den Weg nach Xamour. Die KARAN! * Kathy und Franczy hatten es rechtzeitig aus dem Dschungel geschafft. Sie waren in die entgegengesetzte Richtung gelaufen. Völlig außer Atem erreichten sie eine Lichtung. »Machen wir eine kurze Pause«, bat Kathy. Sie ließ sich auf einen Holzstamm nieder und atmete tief durch. Die beiden waren seit Stunden unterwegs und hatten die Orientierung verloren. Hinter ihnen lag der rauchende Dschungel, vor ihnen ei- Nils Hirseland ne schroffe Steinwüste. Ihr Ziel war jedoch das Gebirge, was auf der anderen Seite des brennenden Dschungels lag. Sie mußten also einen Umweg machen, doch sie hatten sich in der Steinwüste verirrt. Jetzt hatten sie eine kleine Oase erreicht, mit einigen Bäumen und einem kleinen Bach. Franczy lief unruhig umher und stellte sicher, daß sie alleine waren. Kathy beobachtete den Ertruser und sah in ihm immer noch eine Art Retter, der sie beschützen würde. Dann fiel ihr Augenmerk auf etwas Schimmerndes hinter den Bäumen. »Sieh mal«, sagte sie und deutete in die Richtung. »Was?« wollte Franczy wissen, da sah er auch, daß irgend etwas die Sonne reflektierte. Der Umweltangepaßte war unbewaffnet. Eine Tatsache, die ihm nicht sonderlich gefiel. Er nahm einen dicken Ast und ging langsam zu den Bäumen um herauszufinden, was da die Sonne reflektierte. Es war ein Raumschiff! * Kathy und Franczy beschlossen, sich das Raumschiff näher anzusehen. Es war hinter den Bäumen versteckt und besaß die Form eines Diskus’. »Wem gehört das Schiff?« fragte sich Kathy. Franczy schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht genau beantworten. Kathy beschlich ein komisches Gefühl, daß irgend etwas nicht stimmte. Kein Tier gab einen Laut von sich und die feuchte, stickige Luft machte ihr zu schaffen. Franczy suchte eine Einstiegsluke, fand jedoch nichts. »Laß uns lieber gehen und nach den anderen suchen«, schlug die Terranerin vor. »Nein, ich will wissen, wessen Schiff das ist!« meinte Franczy neugierig. Kathy schüttelte nur den Kopf und lief unruhig auf und ab. Sie traute sich nicht näher an das Schiff heran. Im Gegenteil, sie ging Schritt für Schritt zurück. Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Entsetzt drehte sie sich um. Auf Leben und Tod D O R G O N »Franczy!« schrie sie aufgeregt. Aus dem Gebüsch kam eine schwarze Gestalt. Sie blieb für einen Moment stehen, als sie die beiden Eindringlinge sah. Dann ging Evspor langsam auf Kathy zu, die jedoch weglief. Franczy brach einen armdicken Ast vom Baum, rannte brüllend zu dem Kyberklon und schlug mit dem Ast auf ihn ein. Evspor wand Franczy den Ast aus den Händen und zerbrach ihn wie ein Streichholz. Franczy stürzte sich auf die schwarze Kreatur und versuchte sie zu erwürgen. Ein sinnloses Unterfangen, denn der Kyberklon war kräftiger als der auch nicht gerade schwache Ertruser. Er stieß ihn mühelos zu Boden. Eine Hand des Schwarzen verformte sich zu einem Greifhaken. Mit diesem holte er zum Schlag auf Franczy aus, doch der wich aus und versetzte dem Kyberklon einen Tritt, der ihn ebenfalls zu Boden schickte. Franczy sprang auf und hieb mit dem Ellbogen auf Evspors Brust. Dessen Schutzpanzer verhinderte allerdings eine direkte Trefferwirkung. Evspor schlug er mit dem Haken in Franczy Rücken. Der Ertruser schrie laut auf und versuchte sich loszureißen. Es gelang ihm auch, doch Evspor setzte nach und schlug mit seinem Greifhaken in den Magen des Umweltangepaßten. Dieser sackte zusammen und fiel auf die Knie. Blut floß aus seinem Mund, doch er richtete sich wieder auf und kämpfte weiter. Er packte die Hand des Kyberklon und brach den Greifhaken ab. Nun besaß er eine Waffe und setzte damit Evspor zu. Kathy verfolgte entsetzt den Kampf und betete, daß Franczy gewinnen würde. Doch der hünenhafte terranische Kolonist besaß keine reale Chance gegen den Kyberklon. Evspor aktivierte seinen Antigrav und schwebte einen Meter über Franczy, der wie wild mit dem Greifhaken herumfuchtelte. Langsam verließen ihn die Kräfte. Schweiß rann ihm über die Stirn und seine Verwundungen machten ihm schwer zu schaffen. Evspor wartete auf seine Gelegenheit. Als Franczy einen Moment unaufmerksam war, schlug dieser zu. Er stürzte mit seinen Beinen 269 auf den Ertruser und warf ihn zu Boden. Seine andere Hand verformte sich zu einer neuen Waffe, einen Vibrationsmesser. Er rammte es Franczy in die Brust und durchbohrte ihn damit. Der Ertruser hatte den Kampf verloren. Sein Leben wurde von dem Kyberklon beendet. Kathy sah entsetzt dem Schauspiel zu und versuchte davonzulaufen, doch Evspor war mit seinem Antigrav schneller. Er landete direkt vor der jungen Terranerin, die unsanft gegen ihn prallte und zu Boden fiel. »Was willst du von mir? Laß mich in Ruhe. Ich habe dir doch nichts getan!« schrie Kathy voller Angst. »Gib mir Informationen über dein Volk und ich werde dich vielleicht verschonen«, entgegnete Evspor in Interkosmo. Er hatte inzwischen genügend Zeit gehabt, die Sprache zu studieren. »Was willst du wissen?« Kathy strömten die Tränen über das Gesicht. Sie hatte große Angst um ihr Leben und konnte kaum mehr einen klaren Gedanken fassen. »Wessen Anhänger des Chaos dient ihr? Xpomol? Dem Dekalog der Elemente? Oder gar MODROR? Sprich!« »Ich kenne keinen einzigen von den Typen«, antwortete Kathy wahrheitsgemäß. »Wessen Allianz gehört ihr an? Rede!« forderte Evspor barsch. Kathy hatte große Angst und konnte sich kaum mehr beruhigen. Weinend und hastig atmend versuchte sie trotzdem, die Fragen des Kyberklon zu beantworten. »Wir sind Terraner... und gehören der Koalition Thoregon an... Wir kamen in die Galaxis Cartwheel, um in Auftrag der Superintelligenz DORGON gegen die Armeen von Cau Thon und seinem Meister zu kämpfen«, berichtete sie. Sie war erleichtert, daß sie all das zusammenbekommen hatte. Evspor schien für eine Weile zu überlegen. »Cau Thon...« Er legte eine seltsame Betonung in diesen Namen. »Wir haben dir nichts getan. Laß uns doch endlich in Ruhe«, flüsterte sie und weinte bitterlich. Evspor blieb jedoch unbarmherzig. D O R G O N 270 »Ihr Terraner seid in das Hoheitsgebiet des Kosmonukleotid TRIICLE-3 eingedrungen. Ihr habt meine Warnungen mißachtet. Dafür werdet ihr den Zorn der Kosmokraten zu spüren bekommen.« * Einige Tage verstrichen. Seit zwölf Tagen nun verweilten die Gestrandeten auf der seltsamen Welt, die so unterschiedliche Kontraste bot. Aurec lief unruhig an der Umzäunung für die Gefangenen entlang. Er gehörte zu den privilegierten Geiseln, die sich frei bewegen durften. Sie sollten wichtige Arbeiten für die Dscherro erledigen, die auf die Ankunft ihrer Artgenossen warteten. Wo sollten die Terraner, Saggittonen und Galaktiker auch hin fliehen? Aurec beobachtete den Dschungel. Alles Leben war aus den Wäldern gewichen, doch der mysteriöse Angreifer hatte seit Tagen nichts mehr von sich hören oder sehen lassen. Bis jetzt hatte ihn auch niemand zu Gesicht bekommen. Er tötete schnell und präzise. Aurec fühlte sich seitdem leer. Er gestand es sich erst jetzt ein, doch die hübsche Terranerin hatte ihn in ihren Bann gezogen. Ihr sympathisches Lächeln, ihr attraktives Äußeres. Mehr hatte er kaum von ihr kennengelernt. Mehr Zeit war nicht gewesen. Er hatte ihr versprochen, sich um sie zu kümmern, doch er hatte versagt. Nicht nur bei ihr, bei allen. Er hatte den Tod der unzähligen Cartwheelern nicht verhindern können. Er gestand sich selbst ein, versagt zu haben. Hätte Perry Rhodan es anders gemacht? Was wäre ihm eingefallen, um sie zu retten? Aurec zweifelte an sich selbst, denn er wußte nicht, ob das ganze Projekt auf der Insel nicht eine Nummer zu groß für ihn war. Er hatte auch die Vernichtung Saggittors nicht verhindern und nur einen Bruchteil seines Volkes mit nach Cartwheel nehmen können. Die Mehrzahl der Saggittonen war zurückgeblieben. Ihnen sollte von DORGON geholfen werden. Nur mit diesem Versprechen hatte Aurec sie zurück gelassen. Er hatte gehofft, die richtige Entscheidung Nils Hirseland getroffen zu haben. »Aurec?« fragte eine weibliche Stimme hinter ihm. Es war Neve Prometh. »Neve...« Sie ging zu ihm und beobachtete die Sterne. Sie wußte, daß Aurec sich selbst Vorwürfe machte. Doch sie wußte nicht, wie sie ihm helfen konnte. Auch wenn der Saggittone mehr an die Terranerin Kathy dachte, so hatte Neve Gefühle für ihn entwickelt. Doch sie ermahnte sich selbst, nicht an so etwas zu denken. Aurec besaß ebenfalls Gefühle für Neve. Um es genau zu nehmen, fühlte er sich sowohl zu Neve, Kathy als auch Anya Guuze hingezogen. Doch er konnte sich für keine entscheiden und wollte es ehrlich gesagt auch nicht, da seine größte Sorge den Überlebenden galt. Er mußte sie irgendwie retten. Doch wie? Seine Gefühle waren dabei eigentlich nur hinderlich, doch Aurec war keine Maschine. Er mußte damit leben, auch wenn seine Gefühle in einem sehr ungünstigen Moment kamen. »Wie wird es weitergehen?« wollte Neve wissen. »Ich weiß es nicht. Wir können nur abwarten. Die Dscherro haben noch knapp 220 Männer. Sie zu überwältigen, dürfte uns schwerfallen und würde zu viele Leben kosten. Dieses Risiko will ich nicht eingehen. Es sind schon jetzt zu viele gestorben.« Ein bitterer Unterton lag in Aurecs Stimme. Neve wußte, wen er damit speziell meinte. »Es war nicht deine Schuld. Du konntest nichts dagegen tun«, versuchte sie ihn zu trösten. Der Saggittone überhörte sie einfach und blickte weiter in die Ferne. Neve merkte, daß er sich vor ihr verschlossen hatte. Bedrückt und wortlos verließ sie den Prinzen Saggittors, der sich selbst verwünschte. Traurig vergrub er das Gesicht zwischen die Hände. Er hörte aus der Ferne einen Streit zwischen zwei Terranern. Langsam wurden die Stimmen lauter. »Ich habe keine Schminke hier. Ich werde noch sterben«, zeterte Anya Guuze. Ihr Freund Krizan Bulrich beschwerte sich darüber, daß sie ohne Make-Up nicht mehr so hübsch aussah. Deshalb entbrannte ein Streit. Auf Leben und Tod D O R G O N Aurec schüttelte den Kopf. Anya Guuze paßte nicht zu ihm. Sie war ein einfaches und engstirniges Mädchen, das nur in ihrer kleinen Welt leben konnte. In Gefahrensituationen wie dieser machte sie sich noch um ihr Aussehen Gedanken. Ein krachendes Geräusch ließ sie hochschrecken. Aurec blickte in den Himmel. Ein helles Licht wurde immer größer bis es eine Kontur annahm. Es war ein H-förmiges Raumschiff. »Andrews!« brüllte der Saggittone. Jonathan Andrews kam, so schnell er konnte, angerannt und beobachtete ebenfalls das Raumschiff. Aurec blickte ihn fragend an. Völlig außer Atem kam Andrews zum Stehen. Er fixierte das Objekt am Himmel und nickte unmerklich mit dem Kopf. »Die KARAN.« Er blickte Aurec ernst an. »Cau Thons Schiff!« 11. Ankunft der Söhne des Chaos Die KARAN machte keine großen Anstalten, unentdeckt zu bleiben. Das Schiff Cau Thons landete direkt vor dem Lager. Die Dscherro stürmten aus ihren Zelten. Leticron ging zu Taka Kudon und informierte ihn, daß nun sein Auftraggeber angekommen war. Leticron hielt sich zurück. Keiner der Anwesenden durfte vorzeitig herausfinden, daß er ebenfalls ein Sohn des Chaos war. Die KARAN hatte ihr Landemanöver beendet. Als die Luke aufging, schien ein rotes Leuchten aus dem Schleusenraum des Raumers. Zehn Kreaturen traten in zwei Reihen aus dem Raumschiff. Sie waren alle in eine schwarze Rüstung gekleidet und ihr Kopf glich dem Schädel eines Skeletts. Es war nicht festzustellen, ob es lediglich ein Helm oder tatsächlich der Kopf der Kreaturen war. Sie bildeten eine Gasse und salutierten. Dann kamen die beiden Söhne des Chaos aus der KARAN. 271 Zuerst Goshkan. Bei seinem Anblick kehrten in Andrews Wut und Haß zurück. Er hatte die schrecklichen Augenblicke in der Galaxis Zerachon nicht vergessen, an denen Goshkan die Schuld trug. »War das nicht der Kerl, der dein Bauernmädchen umgelegt hat?« erkundigte sich Marya taktlos. Andrews wären beinahe die Tränen gekommen, denn er hatte die schrecklichen Bilder von Jerates Leichnam immer noch vor Augen. Hinter Goshkan kam dann der Meister selbst – Cau Thon! Langsam und bedrohlich schritt er den ausgefahrenen Laufsteg hinunter. Er trug seine schwarze Montur und hielt den Caritstab in der rechten Hand. Bei jedem zweiten Schritt stieß er damit auf den Boden auf, was ein häßliches Geräusch machte. Er hielt vor Taka Kudon und Vendor an. Sein Blick schien die zwei Dscherro zu durchdringen. Eine Weile starrten sich beide Parteien nur an, dann endlich verbeugte sich Taka Kudon und zollte damit dem Sohn des Chaos den gebührenden Respekt. »Berichte, Dscherro!« »Wir haben etwa viertausendfünfhundert Gefangene, darunter auch zwei Mitglieder des Paxusrates – Nor’Citel und Aurec. Ebenfalls unter unseren Gefangenen sind Jonathan Andrews, Remus und Uthe Scorbit, Mathew Wallace, Irwan Dove und der Posbi Lorif.« Taka Kudons Brust schwellte vor Stolz an. Cau Thon blieb unbeeindruckt. »Wo sind eure Schiffe und warum seid ihr hier gestrandet?« Taka Kudon wußte nicht, was er sagen sollte. Er gab einen Grunzlaut von sich und redete etwas unverständliches. Cau Thons Blick schien ihn zu durchdringen. Der Dscherro hatte große Angst vor der Präsenz des Sohnes des Chaos. »Wir... wir wurden angegriffen«, erklärte er leise. »Von wem?« »Keine Ahnung.« »Ist das Problem beseitigt?« »Nein.« Cau Thons Miene verfinsterte zusehends. 272 D O R G O N »Ihr scheint wenig zu wissen, ihr gehörnten Narren! Goshkan, du kümmerst dich um das Problem. Ich gehe in die Wüste und will ungestört bleiben. Berichte mir erst, wenn die Störung beseitigt ist.« Goshkan bestätigte die Befehle seines Meisters und Bruders des Chaos, der sich umdrehte und einen einsitzigen Fluggleiter betrat. Cau Thon aktivierte die Triebwerke und flog mit einem ohrenbetäubenden Lärm davon. Goshkan wandte sich den Dscherro und den Gefangenen zu. Er schien diesen Augenblick zu genießen. Jezzica Tazum bekam es mit der Angst zu tun. Sie suchte Jonathan Andrews Nähe, was Marya wenig erfreute. Aurec musterte den Katronen. Bis jetzt kannte er Goshkan und Cau Thon nur vom Hörensagen. Nun stand er ihnen gegenüber. Außer der Besatzung der TERSAL hatte kein menschliches Wesen jemals Kontakt mit Cau Thon gehabt. Der Saggittone wußte nicht, wie sehr er sich irrte, denn Cauthon Despair, seine Eltern sowie die Wissenschaftler der HAWKING und natürlich Leticron waren Cau Thon bereits begegnet. Der rote Sohn des Chaos hatte Aurec und die anderen nicht sonderlich beachtet. Ihn schien vielmehr etwas anderes zu interessieren. Irgend etwas auf diesem Planeten. »Soso, Jonathan Andrews ist auch hier«, sprach Goshkan überlegen. Er stemmte seine kräftigen Hände in seine stark gebauten Hüften. Andrews ermahnte sich selbst, die Ruhe zu bewahren. So hatte es Gal’Arn ihn in den wenigen Monaten gelehrt. Er war noch lange nicht reif, ein Ritter der Tiefe zu werden. Dessen war sich Jonathan durchaus bewußt, doch jetzt mußte er zeigen, was in ihm steckte. Goshkan ging langsam zu dem Orbiter Gal’Arns und musterte ihn abfällig von oben bis unten. Die spitzen Stoßzähne drangen beinahe in das Fleisch des Terraners ein und der üble Gestank von Goshkans Atem drang in Jonathans Nase. »Sie hat fürchterlich geschrieen, als ich ihr die Gedärme herausschnitt«, flüsterte das diabolische Wesen in Anspielung auf Jereta, dem Bauernmädchen in der Galaxis Zerachon. Er wollte Andrews provozieren. »Weißt du, es ist Nils Hirseland manchmal ziemlich anstrengend, das Chaos zu vertreten. Viele Entbehrungen und Pflichten. Zuweilen jedoch ist es das reinste Vergnügen.« Andrews bebte innerlich, doch er dachte immer wieder an Gal’Arn, der in dieser Situation bestimmt die Kontrolle über sich behalten würde. Goshkan blickte nach links und rechts. Dort entdeckte er Marya und Jezzica. Er grinste satanisch und ging auf Marya zu. »Wer ist denn jetzt dein Weibchen? Sie?« Marya zitterte vor Angst und traute sich nicht einmal zu atmen. Andrews schüttelte nur den Kopf. »Ich habe keine Freundin, Goshkan.« Der Riese nickte schwach mit dem Kopf. Er hielt Marya die Klinge an die Kehle. Andrews war sofort bereit dazwischen zu springen. Die Atmosphäre war geladen. Tränen strömten über Maryas Gesicht. Sie hatte große Angst, jetzt zu sterben und machte einen verhängnisvollen Fehler. »Jonathan, hilf mir doch. Ich will nicht sterben. Liebst du mich denn nicht?« Goshkan lachte über die Naivität der jungen Terranerin. »Keine Freundin? So? Dann wird es dir wohl nichts ausmachen, wenn ich ihre Kehle durchschneide?« »Nein!« rief Andrews und stellte sich schützend vor seine Freundin. Jezzica beobachtete das Schauspiel ruhig. Im Gegensatz zu Marya wünschte sie ihrer Rivalin nicht den Tod. Goshkan ließ von den beiden ab und lief zu Taka Kudon. »Berichte über den fremden Feind?« Taka Kudon erzählte, was er wußte, es war aber nicht sonderlich viel. Goshkan zuckte vor Wut zusammen, als er hörte, daß die Dscherro bis jetzt zehn Raumschiffe und knapp zweihundert Mann auf diesem Planeten verloren hatten. Goshkan hatte nur etwa hundert Soldaten auf der KARAN. Er beschloß, den fremden Feind außer Acht zu lassen, und lief mit dem Anführer der Dscherro alleine durch das Lager. »Ich will Aurec, Andrews, die Scorbits, Wallace, Lorif und Dove gesondert sehen. Sie ste- Auf Leben und Tod D O R G O N hen ab sofort unter strengster Bewachung. Cau Thon wird sich ihrer persönlich annehmen«, erklärte Goshkan. Taka Kudon nickte unterwürfig. »Was wird aus den restlichen Geiseln?« Goshkan grinste. »Du sagtest, Hilfe sei im Anflug?« sprach der Katrone. »Bringe sie wieder zurück nach Cartwheel. Dort wird Nor’Citel als gefeierter Held die Rettung der Wesen bekanntgeben. Du wirst dich offiziell entschuldigen und von deinem Amt zurücktreten.« Kudon war damit nicht einverstanden. »Aber was soll dann aus mir werden?« »Du kannst ja weiterhin regieren. Jedoch aus lediglich aus der hinteren Reihe. Eine fürstliche Belohnung wartet ebenfalls auf dich und deine Artgenossen.« Diesmal hatte Kudon nichts mehr einzuwenden. Er glaubte dem Sohn des Chaos. Doch die Brüder des Chaos hatten andere Pläne mit Taka Kudon. Sowohl er als auch seine eingeweihten Untergebenen würden Cartwheel niemals mehr lebend betreten. 12. Evspors Angriff Die Dscherro selektierten die Gefangenen. Sicherheitsbeamte, Besatzungsmitglieder der BAMBUS und die Helden aus Dorgon und Zerachon wurden in ein Extralager gesteckt, während die normalen Geiseln weiter in die dafür vorgesehenen Baracken untergebracht wurden. Goshkan hatte alle Dscherro angewiesen, kein Blut mehr zu vergießen. Ein Befehl, der dem Katronen selbst schwergefallen war, doch sein Meister Cau Thon hatte es ihm befohlen. In den letzten Monaten hatte Goshkan viel Disziplin und Selbstbeherrschung aufbringen müssen. Doch diese hinzugewonnenen Attribute machten ihn um so gefährlicher. Vendor sollte die besonderen Gefangenen bewachen. Grimmig musterte er sie und hätte sie sofort getötet, doch er durfte sich nicht den Befehlen widersetzen. Dove, Wallace und Lorif kauerten in einer Ecke und überlegten, wie sie entkommen konn- 273 ten. Selbst der sonst so geschwätzige Posbis enthielt sich. Jonathan Andrews tröstete Marya und Remus Scorbit kümmerte sich um seine Frau. Yasmin Weydner kauerte bei den Scorbits und trauerte um den Tod ihrer Freundin. Sie hatte sich völlig zurückgehalten und wirkte fast apathisch. Remus konnte nicht beantworten, wo Anica und Jaquine waren. Auch Helge von Hahn hatte er aus den Augen verloren. Jezzica Tazum saß mit Krizoff, Ferby, Abfallhaufen, Darvos, Katschmarek, Reiko, Roehk und Niesewitz am anderen Ende des Raumes. Aurec lief unruhig umher und blickte auf den abgebrannten Dschungel. Noch immer loderten einzelne Brände, und ein schwarzer Rauch zog über den einstigen Hort des Lebens. Plötzlich tauchte eine humanoide Gestalt aus dem Dschungel auf. Sie lief hastig in Richtung Camp. »Seht mal«, rief Aurec. Sofort rannten einige zum Fenster und entdeckten ebenso schnell die junge Frau, die immer näher kam. Sie trug eine weiße Flagge mit sich und hielt sie hoch. Damit symbolisierte sie, daß sie in Frieden kam. »Kathy«, sagte Krizoff. Aurec glaubte nicht daran. Doch es war tatsächlich Kathy Scolar. Sie lebte! Zuerst wollte er die Wachen rufen, doch als er Vendor sah, schwieg er lieber. In diesem Moment brachte Goshkan, von zwei der mysteriösen Skelettsoldaten eskortiert, Nor’Citel von einem »Verhör« zurück. Tatsächlich hatten die beiden Söhne des Chaos ihre weitere Vorgehensweise besprochen. Leticron spielte den Erschöpften und warf sich auf eine Liege, die beinahe unter dem Druck zusammenbrach. »Goshkan!« rief Taka Kudon aufgeregt und eilte zu dem Katronen. »Was gibt es?« »Eine Terranerin mit weißer Flagge ist aus dem Dschungel aufgetaucht. Sie sagt, sie kommt in Frieden und im Auftrag des fremden Angreifers«, erklärte der Dscherro hastig. Goshkan musterte die Terranerin, die erschöpft auf den Boden sank und beinahe das Bewußtsein verlor. 274 D O R G O N »Bringt sie her!« befahl er. Zwei Dscherro packten Kathy und schleppten sie zum Zellentrakt. Aurec war erleichtert sie wiederzusehen. Für einen kurzen Moment wechselten sie einen Blick. Krizoff versuchte, sie zu erreichen. »Kathy, alles in Ordnung?« »Schweig!« brüllte Vendor und schlug dem Olymper ins Gesicht. Schreiend fiel Krizoff auf den Rücken und hielt sich die blutende Nase. »Sprich«, forderte Goshkan Kathy auf, doch sie atmete nur schwer und versuchte die Erlebnisse zu verarbeiten. »Rede!« rief Goshkan lauter und trat sie zu Boden. Er zog einen Dolch und hielt ihn ihr an die Halsschlagader. »Hör auf!« forderte Aurec. Sofort ließ Goshkan Kathy los und packte den Saggittonen. »So, der große Aurec hat das erste Mal mit mir gesprochen. Ich habe schon viel von dir gehört und es wäre mir eine Ehre, dich sofort zu töten«, schnaubte der Katrone. Aurec blieb gelassen. »Du benimmst dich wie ein Elefant im Porzellanladen. Laß mich mit ihr reden«, meinte Aurec besonnen. Goshkan dachte kurz nach, dann wies er Vendor an, die Stahlgittertür zu öffnen. Der Dscherro tat dies nur widerwillig. Er bebte innerlich und konnte sich nicht mehr lange zurückhalten. Vendor war eine tickende Zeitbombe. Wann würde sie detonieren? Aurec ging langsam aus der Zelle hinaus und beugte sich über Kathy. Behutsam streichelte er ihr über das Haar und half ihr auf. Sie weinte bitterlich. »Ganz ruhig. Alles ist gut. Du bist jetzt wieder bei uns«, flüsterte Aurec beruhigend. Er setzte sich mit ihr auf eine Liege und hielt sie in den Armen. Goshkan widerte dieses Bild an. Er verabscheute die Schwäche dieser Wesen. Sie nannten es Liebe, Freundschaft und Zuneigung. Goshkan kannte diese Tugenden nicht und war stolz darauf. Als sich Kathy langsam beruhigt hatte, begann sie zu erzählen: »Stony und Franczy sind tot. Dieser Evspor hat sie getötet.« Nils Hirseland »Wer ist Evspor?« forschte Aurec nach. »Er ist der Angreifer. Ein künstliches Wesen in einer schwarzen Rüstung, soweit ich das sehen konnte. Ich soll euch folgende Nachricht von ihm ausrichten: Evspor ist der Wächter des Kosmonukleotids TRIICLE-3. Er fordert euch auf, sofort die Welt zu verlassen. Ansonsten wird euch der Tod ereilen«, gab sie mit belegter Stimme wieder. Aurec blickte zu Goshkan, der überlegen lachte. »Ein Wesen gegen eine Horde Dscherro und meine Elitesoldaten. Ein ungleicher Kampf, fürchte ich. Hackt der Terranerin den Kopf ab und schreibt mit Blut ›nein‹ auf ihre Stirn«, befahl Goshkan. »Niemals!« rief Aurec und stellte sich schützend vor Kathy. »Du hast Mut, Aurec! Doch der wird dir auch nichts mehr nützen«, brüllte Goshkan und zog seinen Caritsäbel. Bevor er jedoch zuschlagen konnte, erschien eine Holographie von Cau Thon direkt vor seinem Bruder des Chaos. »Halt ein, Goshkan. Unser Meister wünscht Aurec lebendig zu besitzen. Das Weibchen kann leben. Bringe Aurec und die anderen zu der Ruinenstadt. Dort soll die KARAN auf mich warten«, sprach Cau Thon. Es erschien eine Karte mit den Koordinaten der Stadt, dann wurde die Verbindung von Thon unterbrochen. Goshkan steckte den Säbel wieder in seine Halterung und brummte unzufrieden. Er befahl Vendor Aurec und die anderen zur KARAN zu bringen. Er nahm sich vor, dieser Kathy Scolar bei nächster Gelegenheit eigenhändig die Haut vom Körper abzuziehen. * Kathy wurde zu den anderen gebracht, während Aurec, die Scorbits, Weydner, Andrews, Wallace, Dove und Lorif von Vendor aus der Zelle gebracht wurden. Der Saggittone wunderte sich, warum Nor’Citel nicht mitgenommen wurde. Der Pa- Auf Leben und Tod D O R G O N riczaner lag immer noch auf der Liege und tat so, als ob er schlief. Vendor grunzte und schnaubte. Sabber floß aus seinem Mund, die Augen waren blutunterlaufen. »Geht zur KARAN. Ich kümmere mich derweilen um die anderen«, sprach er und befahl zwei Dscherros die Geiseln zu Cau Thons Schiff zu bringen. Als die Dscherro gegangen waren, zog er seine Axt und öffnete die Zellentür. Er ging zu Jezzica Tazum, die ängstlich aufschrie. Gerade, als er zuschlagen wollte, erschütterte eine Detonation das Gebäude. Weitere Explosionen folgten. Aurec und die anderen nutzten die Gelegenheit, um die beiden Dscherro unschädlich zu machen. Wallace blickte in den Himmel. Dort flog der Diskusraumer und bombardierte das Lager. Das mußte Evspor sein. Anscheinend hatte er geahnt, daß die Dscherro nicht abziehen würden. »Los, raus hier!« rief Aurec den anderen in der Zelle zu. Vendor drehte sich um und rannte schreiend auf den Saggittonen zu, der dem tödlichen Schlag mit der Axt auswich. Dann packten Darvos und Dove den wilden Dscherro und konnten der Bestie die Axt entreißen. Sie schlugen ihn nieder und schlossen ihn in der Zelle ein. Vendor sprang auf und rüttelte wie ein wildgewordener Gorilla an den Stäben. »Ihr kommt nicht weit. Ich finde euch und werde euch töten! Ihr seid tot. Tot! Tot! Tot!« Aurec hörte dem Dscherro schon gar nicht mehr zu. Sie versuchten, irgendwo Schutz vor den Bomben des Raumers zu finden. Zuerst beschoß Evspor nur die Dscherro, doch dann schoß er auch auf die Gefangenen im Lager. Die KARAN stieg auf und beschoß den Diskusraumer, der an Höhe gewann und den Angriff auf das Lager einstellte. Goshkan und Evspor lieferten sich eine atemberaubende Verfolgungsjagd quer über den Planeten. »Los jetzt«, rief Aurec und rannte mit den anderen zu den Baracken. Sie erbeuteten ein paar Waffen von toten Dscherros. Dann stoppte Aurec und ging zu Darvos. 275 »Hol die Waffen aus dem Versteck in der BAMBUS.« Der Oxtorner nickte und lief mit Wallace, Dove und Lorif los. Andrews und Aurec öffneten die Zellentüren. Drei Dscherro kamen angelaufen, doch der Terraner und der Saggittone waren schneller. Mit den erbeuteten Waffen schossen sie die drei Gehörnten nieder und befreiten dann die Geiseln. »Lauft zur BAMBUS und bewaffnet euch«, befahl Aurec, doch da kamen bereits die Skelettsoldaten und umzingelten zusammen mit den Dscherro die Cartwheeler. Aurec erkannte, daß die Lage für sie momentan aussichtslos war. Er ließ seine Waffe fallen, die anderen taten es ihm gleich. Der Ausbruchsversuch war fehlgeschlagen. »Unsere Brüder!« rief Taka Kudon. Plötzlich tauchten zwanzig Dscherroraumer im Orbit von Xamour auf. Aurec senkte den Kopf. Die Schlacht war verloren. Nun hatten sie keine Chance mehr. Vendor kam angerannt und stieß Aurec zu Boden. Er schlug wie wild auf ihn ein. Kathy warf sich dazwischen und versuchte die Bestie davon abzuhalten, doch sie wurde mit einem Schlag ebenfalls zu Boden geworfen. Jetzt griff auch Andrews ein, doch die anderen Dscherro hielten ihn zurück. Vendor nahm seine Axt und hielt sie direkt über Aurecs Kopf. »Jetzt stirbst du, du mieser dreckiger Saggittone. Stirb!« brüllte Vendor. Seine Stimme überschlug sich, sein Körper vibrierte und Speichel rann über sein Kinn. * Aurecs sah sein Ende gekommen. Er blickte auf die spitze Klinge der Axt und schloß mit seinem Leben ab. Plötzlich explodierte eines der Dscherroraumer. Ein lautes Aufschreien ging durch die Massen. Was war nun passiert? Ein Kugelraumer wurde sichtbar. Es war ein terranischer Raumer. Auf dem Ringwulst stand TAKVORIAN II. Jubel ging durch die Reihen der Geiseln. Plötzlich tauchten immer mehr terranische 276 D O R G O N Space-Jets und Raumer auf. Doch auch saggittonische Schiffe und Adlerschiffe der Dorgonen waren dabei. Sie jagten die Dscherroraumer im Orbit und lieferten sich eine Schlacht mit ihnen. Die TERSAL und einige Space-Jets steuerten auf das Lager zu. Die Dscherro waren wie gelähmt. Einige Schourchten landeten ebenfalls und verstärkten die Truppen Taka Kudons. »Sofort angreifen!« rief der Taka. Er konnte nicht verstehen, was passiert war. Die Situation war seit dem Angriff Evspors außer Kontrolle geraten. Seine Dscherro wußten die Koordinaten des Systems, wo er sich mit Cau Thon treffen sollte. Deshalb waren sie als Sicherheit gefolgt. Doch warum wußten die Terraner davon? »Feuer!« brüllte Dove und Wallace, Darvos und Lorif schossen auf die Wachen um Aurec und die anderen. Zwei Space-Jets der Terraner und drei saggittonische und dorgonische Fähren landeten. Etliche Soldaten stürmten heraus und begannen sofort auf die Dscherro und Skeletteinheiten zu feuern. Die TERSAL landete direkt neben dem Schlachtfeld. Andrews lächelte erleichtert. Er stürmte zu dem Schiff, aus dem sofort Gal’Arn, Jaktar, Gucky und Jan Scorbit stürmten. Einige Dscherro hielten auf sie zu, doch Gucky wischte sie mit einem telekinetischen Impuls einfach weg. Gal’Arn zog sein Caritschwert und stürzte sich in das Getümmel. Andrews rannte zu ihm, wollte ihn umarmen, doch ein paar Dscherro störten die Begrüßung. Problemlos konnte Gal’Arn sie bezwingen. »Ich freue mich, dich lebend wiederzusehen«, sagte Gal’Arn völlig außer Atem. »Wie habt ihr uns gefunden?« wollte Andrews wissen. »Ein Leichtes. Die Dscherro hatten den Fehler gemacht, ihren Nachschub zu offensichtlich gemacht. Wir haben dies entdeckt, durch Gucky den Kommandanten überprüfen lassen und sind ihnen hierher gefolgt.« Die Dscherro wurden aus dem Bereich des Lagers zurückgedrängt. So entstand für eine Weile eine Ruhepause. Aurec zeigte sich erfreut, Gal’Arn und Nils Hirseland Gucky zu sehen. Der Mausbiber ging zu Kathy, da er spürte, wie angeschlagen sie war. »Hey, Kleines! Aufgepaßt, denn hier kommt nicht der Terminator, auch nicht der Herminator oder Nominator, sondern der Guckynator, der Retter des Universums, der Überall-ZugleichTöter, kurzum Lt. Guck meldet sich zu Stelle«, sagte Gucky und salutierte kurz. Kathy mußte lachen. Damit hatte der Ilt sein Ziel erreicht. »Jetzt wo ich dich gerettet habe, kannst du mich ruhig etwas hinter den Ohren kraulen«, meinte der kleine pelzige Unsterbliche und setzte sich auf den Schoß der Terranerin. Kathy ließ sich dies nicht zweimal sagen. Jan Scorbit begrüßte seinen Bruder und seine Schwägerin mit einer Umarmung. »Wo sind Anica und Jaquine?« wollte er wissen. »Keine Ahnung«, gestand Remus ein. Sie blickten sich um. Da kamen die beiden. Sie waren jedoch in Begleitung von Ottilie Braunhauer und Inge Bohmar. »Komm’, Bandit«, sagte Anica. Remus starrte sie ungläubig an. »Seht mal, die Tante hat einen unsichtbaren Hund«, meinte Anica. Remus schüttelte den Kopf. Yasmin Weydner kam angestürmt und fiel mehrmals auf den Boden. Jan rannte zu ihr und half ihr hoch. Er befahl, sie und die beiden Zechonninen sofort in Sicherheit zu bringen. Zwei Soldaten brachten sie zu einer Space-Jet. Plötzlich landeten weitere Fähren der Dscherro im Lager. Bis an die Zähne bewaffnete Soldaten stürmten heraus und verwandelten das Lager erneut in ein Schlachtfeld. »Bringt die Geiseln in Sicherheit, ich werde Cau Thon suchen«, erklärte Aurec. Er rannte zu einem Gleiter und stieg ein. Er kannte zwar die Koordinaten, doch der Saggittone wußte nicht, was ihn dort erwarten würde. 13. Die Schlacht um Xamour Gal’Arn wies sofort an, die Geiseln in Gleiter und Space-Jets zu bringen. Auf Leben und Tod D O R G O N »Einige der Leute sollen die Gleiter benutzen. Die TAKVORIAN wird hier landen und sie dann aufnehmen«, rief Gal’Arn. Yan Cruze lief ihnen hinterher. Doch der schwergewichtige Terraner stolperte über seine eigenen Füße. Ein Dscherro flog auf ihn zu und Cruze schrie vor Angst. Gucky erkannte das und rettete den Mann in letzter Sekunde. »Ich will nicht sterben!« jammerte er. »Wow. Ich kann Bully nicht länger Dicker nennen, wenn ich dich so sehe, mein Schwabbeliger«, scherzte Gucky und richtete Cruze telekinetisch auf. »Sehr witzig, du Maus!« meckerte Cruze abfällig. »Na warte! So was wird mit zwanzig Jahren Diät bestraft«, konterte Gucky. Dann hob er Cruze hoch und schob ihn zur nächsten Space-Jet. Jedoch ließ er ihn direkt vor einem Schlammloch fallen. Völlig verdreckt rappelte sich Cruze hoch und stieg in das sichere Raumschiff. Gucky lachte herzhaft. Dann machte sich der Ilt daran, so viele Menschen und Wesen wie möglich in die Space-Jets zu transportieren, während die Cartwheeler sich ein erbittertes Duell mit den Dscherro lieferten. Remus Scorbit hatte sich mit Mathew Wallace und Jonathan Andrews hinter einem Haus verschanzt. Einige Geiseln rannten in ihre Richtung. Remus geleitete sie zu einem der Raumer. Er erkannte unter den Geiseln auch Helge von Hahn. »Hey, mein Freund«, rief von Hahn. Remus war froh, daß er noch lebte. »Gib mir eine Waffe«, forderte Helge. Remus kam dem Wunsch nach. Ein seltsames Leuchten bemerkte er in Helges Augen als er die Waffe entsicherte. Dann schoß er los und streckte drei Dscherro nieder. »Ja!« brüllte Hahn voller Freude. Ferby und Reiko sicherten sich einen Gleiter. Sie riefen Krizoff, Kathy, Jezzica und DJ Abfallhaufen zu sich. »In dem Ding sind wir sicher«, erklärte er. Auch Darvos lief zu dem Gleiter. Damit war die verbliebe BAMBUS-Crew komplett. Doch viele ihrer Freunde hatten bereits ihr Leben gelassen. Kathys Schwester Bienya, Reikos 277 Freundin Haggy, Stony, Franczy und unzählige andere. Sie waren alle mit großen Träumen zur BAMBUS gekommen. Jeder hatte eine unvergeßliche Party, viel Geld und vielleicht ein sexuelles Abenteuer erwartet. Niemand hatte geahnt, daß sich der Flug der BAMBUS zu einem Höllentrip entwickeln würde. Und es war noch nicht vorbei. Plötzlich stürmte Vendor in den Gleiter. Er schlug Krizoff bewußtlos und stach mit seinem Horn in Darvos Schulter. Danach bedrohte er sie mit einer Waffe. »Folgt Aurecs Gleiter!« befahl er. Ferby hörte auf den wildgewordenen Dscherro. Jedes falsche Wort konnte das letzte sein. Er startete den Gleiter und nahm die Verfolgung auf. Vendor packte Kathy. »Ich werde zuerst deinen geliebten Aurec umbringen und dich dann langsam zerstückeln«, versprach Vendor haßerfüllt. * Die Schlacht tobte weiter. Die TAKVORIAN II hatte jedoch alles unter Kontrolle. Die zweihundertzwanzig Dscherroschiffe hatten keine große Chance gegen die überlegene Technik der Terraner, Saggittonen und Dorgonen. Die ersten zwanzig Schiffe der Dscherro, die Taka Kudon zu Hilfe kommen wollten, wurden auf Anhieb vernichtet. Cascal stand gespannt auf der Kommandobrücke der TAKVORIAN II und beobachtete die Schlacht. »Wir haben zwei Raumer verloren, Sir! Meldete Coreene Quon, sein Erster Offizier. Die rotblonde Plophoserin war bereits auf der ersten TAKVORIAN dabei gewesen, wie der Großteil der Besatzung auch. Dank Cascals rechtzeitiger Evakuierung beim Angriff der Adlerschiffe hatte er die Besatzung retten können. Deshalb dienten sie mit Stolz unter dem Veteran aus Zeiten des Solaren Imperium, der ein ausgezeichneter Kommandant war. »Das sind jetzt sieben Schiffe, die wir verloren haben. Die Dscherro hingegen haben sieb- D O R G O N 278 zig eingebüßt. Der Kampf dürfte nicht mehr lange dauern«, meinte Cascal. Er lief zu Coreene Quon und lehnte sich an ihr Pult. »Fragt die Dscherro erneut, ob sie kapitulieren wollen. Wir können dann endlich dieses sinnlose Morden beenden«, erklärte er. Die arrogante Antwort der Dscherro war ein »Nein«. Sie kam von Taka Kudon persönlich, der inzwischen auf eines der Raumschiffe gewechselt war. »Gut, daß sie ihre Burg nicht hier haben«, murmelte Cascal und studierte die Kontrollen. Auf dem Radar konnte er verfolgen, daß sich etwa zehn Dscherroraumer absetzten und wieder den Planeten anflogen. »Sie wollen wieder Geiseln nehmen«, vermutete Cascal überrascht. Er befahl Coreene Quon, die Schiffen sofort zu verfolgen. Serakan übernahm jetzt mit der SAGRITON das Kommando über die Streitkräfte. Die Dscherro hatten die Schlacht verloren, doch sie wollten so viele Gegner wie möglich mit in den Tod nehmen. 14. Die alte Stadt Aurec hatte die Ruinenstadt erreicht. Er hielt den Gleiter an und sah sich um. Eine gespenstische Stille beherrschte diesen Ort. Die Trümmer lagen in einer schroffen Sandwüste. Die Bauten erinnerten den Saggittonen an terranische Architektur. Viele Hochhäuser und Wolkenkratzer, Transitbahnen und Pilzhäuser. Vielmehr ihre Ruinen. Langsam stieg er aus und ging los. Das Laufen fiel ihm schwer, denn überall lag Geröll. Kaum Pflanzenbewuchs war zu sehen, nicht einmal Unkraut. Ferby, Kathy, Jezzica, Abfallhaufen, Krizoff, Darvos und Reiko entstiegen nun ebenfalls den Gleiter, um sich umzusehen. Aurec kam dieser Ort sehr unheimlich vor. Die blaue Sonne verschwand hinter dem Horizont und die rote Sonne beherrschte nun das Licht. Es wurde plötzlich sehr dunkel. Nils Hirseland Sie aktivierten ihre Lampe, die sie wohlweislich aus dem Gleiter mitgenommen hatten. Was mochte wohl hier passiert sein? überlegte Aurec. Die Ruinen zeugten von einer längst vergangenen Kultur. Was hatte Cau Thon damit zu tun? Warum wollte er unbedingt hierher? Aurec nahm sich vor, es herausfinden. Doch dazu mußte er erst einmal Cau Thon finden. Das dürfte sicherlich nicht einfach sein. Langsam wanderte die Gruppe durch die Ruinen und suchte nach einem Eingang oder eine Höhle. Bisher fanden sie nichts, aber auch nichts, was auf die Art der Kultur deutete. Diese Ruinen mochten bereits seit vielen Jahrtausenden hier stehen, vieles schien vom Wind und Regen vernichtet worden zu sein. Für einen kurzen Moment hatte Aurec das Gefühl, als hätte er einen kalten Windzug gespürt, der an ihm vorbeihuschte. War das Cau Thon? Ein Gleiter kam in Sichtweite, hielt auf die Gruppe zu und stoppte dann. Aus dem Gefährt sprang Vendor. Der Dscherro brüllte »Koscha« und rannte, seine Axt schwingend auf die Gruppe zu. Aurec zog seinen Thermostrahler und schoß damit auf den Dscherro, doch dieser wich gekonnt aus und zerrte Kathy zu sich. Aurec schoß erneut, traf jedoch den Gleiter. Als er realisierte, daß er so Kathys Leben in Gefahr brachte, warf er die Waffe weg. Vendor grinste breit. Er ließ die Terranerin los, so daß sie auf den Boden fiel und nahm seine Axt in beide Hände. »Jetzt zerfetze ich dich«, schrie der wahnsinnige Dscherro und schwang die Waffe durch die Luft. »Lauft weg«, rief Aurec zu den anderen, die sofort den Anweisungen folgten. Ferby, Kathy, Jezzica, Abfallhaufen, Krizoff, Darvos und Reiko flohen in eine der Ruinen, während Aurec seiner bis dato größten Herausforderung gegenüberstand. * Auf Leben und Tod D O R G O N Die TAKVORIAN II konnte einige der Raumer abfangen, die auf das Lager zusteuerten. Doch drei von ihnen brachen durch und flogen so tief, daß man sie nicht beschießen konnte, ohne die Geiseln zu gefährden. »Verdammt!« knirschte Cascal. Er nahm sofort Funkverbindung mit Gal’Arn auf. »Wie viele sind noch unten?« »Zu viele. Wir haben erst knapp die Hälfte evakuieren können«, erklärte der Ritter der Tiefe. »Ihr dürft unter keinen Umständen schießen. Die Lage hier unten ist soweit unter Kontrolle. Die Dscherro haben sich ergeben oder sind ins Gebirge geflohen. Die Skelettsoldaten Cau Thons kämpfen aber noch immer.« Gucky brachte gerade Anica, Jaquine, Yasmin Weydner, Ottilie Braunhauer und Inge Bohmar in eine Space-Jet. Andrews begleitete Marya dorthin. »Wo ist Jezzica?« fragte er. Wallace konnte ihm diese Frage auch nicht beantworten. »Keine Ahnung, die gesamte Crew der BAMBUS ist verschwunden.« Besorgt blickte sich Andrews um. »Was willst du denn mit der Zicke? Du hast doch mich«, zeterte Marya herum. Andrews hatte jetzt genug. »Falsch! Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben. Du widerst mich mit deiner arroganten Art an«, sagte er wütend und lief weg. Damit hatte er einen Schlußstrich gezogen. Marya blickte ihm empört hinterher. Dann stieg sie in die wartende Space-Jet. »Johnny!« rief Gucky und teleportierte direkt neben den Terraner. »Sie sind wohl in der Ruinenstadt in der Wüste«, erklärte der Ilt. »Von dort empfange ich einige Impulse. Jedoch sehr vage.« »Bringe mich dorthin«, forderte Andrews. »Das geht nicht. Ich muß die Leute in Sicherheit bringen, bevor die Dscherro hier alles zusammenschießen«, antwortete Gucky. Andrews verstand und machte sich selbst auf den Weg. Er nahm einen Gleiter und flog so schnell es ging zu den Koordinaten in der Wüste. Gal’Arn bemerkte das Verschwinden seines zweiten Orbiters und Ritterschülers Jona- 279 than Andrews zu spät. * Vendor stürzte sich auf Aurec und prügelte auf ihn ein. Aurec konnte sich kurz befreien und rannte um sein Leben. Dies taten auch die anderen. Sie folgten Ferby durch die dunklen Gänge. Jezzica rutschte auf dem Geröll aus und fiel unsanft auf den Boden. Krizoff half ihr hoch. »Wo sind wir hier?« fragte Reiko. Langsam bekam er es mit der Angst zu tun. Warum war er überhaupt hier? Er wollte noch nicht sterben. »Ich weiß es nicht, aber wir müssen Aurec helfen«, entgegnete Kathy. »Du spinnst wohl! Ich riskiere nicht mein Leben für diesen Kerl«, antwortete Reiko barsch. Es entbrannte eine unschöne Diskussion, da auch Darvos und Jezzica dafür waren, dem Saggittonen zu helfen. »Seid ruhig«, forderte Ferby. »Seht euch das an!« Sie gingen eine Treppe hinunter und befanden sich in einer Gruft. Überall lagen Knochen und Totenschädel. Kathy schrie entsetzt auf. Die etwas nervenstärkere Jezzica versuchte ihre Freundin zu beruhigen. Sie hoffte, daß Kathy nicht durchdrehte, nach all dem, was sie durchgemacht hatte. Jezzica belastete diese Ereignisse zwar auch, doch so langsam bekam sie etwa Routine in der Angelegenheit. Krizoff konnte sich das ebenso nicht mit ansehen. Ihm wurde übel und er erbrach sich. Danach zog er aus seiner Tasche eine Pille mit Drogen, um seine Nerven zu beruhigen. Er hatte diese Mittel seit der Entführung zu sich genommen, um den Horror ertragen zu können. Ferby, Reiko und Zchmitt waren weniger zart besaitet. »Eine Gruft mit lauter Gebeinen«, stellte Abfallhaufen fest. »Cool«, meinte Ferby. »Vielleicht kann man hier noch was wertvolles finden?« überlegte Reiko. D O R G O N 280 Krizoff war das hier alles unheimlich. Er wollte lieber wieder an die frische Luft. Der muffige Gestank des Todes füllte diesen Raum. »Dort steht ein besonders verzierter Sarg. Er sieht noch ziemlich neu aus«, stellte Ferby fest. Langsam gingen sie auf die letzte Ruhestätte eines Toten zu. »Der ist mit Edelmetallen verziert. Sieht ziemlich wertvoll aus.« Sie starrten gierig auf den Schatz aus längst vergangenen Tagen. Ferby beschloß, den Sarg zu öffnen. * Joak Cascal waren die Hände gebunden. Er konnte die drei durchgebrochenen Dscherroschiffe nicht angreifen, solange noch Geiseln auf dem Planeten waren. Die Dscherro harrten der Dinge und wußten, daß sie nichts mehr zu verlieren hatten. Insgesamt hundertdreißig Raumschiffe hatten sie bis jetzt verloren. Im Gegenzug hatten die Cartwheeler nur neun Raumschiffe Verlust. Die meisten waren Wracks und die Besatzungen konnten evakuiert werden. Die Anzahl an Toten hielt sich in Grenzen. Dennoch mußte das Töten ein Ende haben. Joak Cascal wies Coreen Quon an, eine Verbindung mit Taka Kudon herzustellen. Das Hologramm des dicken Dscherro erschien. Schweiß rann von seiner Stirn. Ein direktes Anzeichen für seine Verunsicherung. Der Taka war am Ende. Er hatte verloren und war sich dessen bewußt. »Kudon, Ihr habt keine Chance. Ergebt euch und stoppt das sinnlose Morden«, fordert Cascal ihn auf. Für eine Weile schien der Dscherro tatsächlich darüber nachzudenken, doch dann schlug er sich auf die Brust und brüllte den Schlachtruf der Dscherro. »Wir ergeben uns niemals. Eher sterben wir!« »Also gut, Ihr habt gewonnen. Ich gewähre Euch freien Abzug. Fliegt mit Euren beiden Schiffen fort.« Taka Kudon musterte Cascal mißtrauisch. »Einfach so?« fragte er. Nils Hirseland »Nein«, grinste der Terraner. »Nicht einfach so. Ihr laßt die Geiseln in Ruhe. Damit Ihr mir auch vertrauen könnt, werde ich mich mit einer Space-Jet in Ihre Obhut geben, nachdem beide Schiffe den Orbit verlassen haben und mit den anderen Schiffen wegfliegen. Ich bleibe in der Space-Jet bis Ihr für einen Hyperraumsprung bereit seid, dann verlasse ich Ihr Schiff und Sie können hinfliegen, wo der Pfeffer wächst.« Coreene Quon und die anderen Besatzungsmitglieder blickten Cascal ungläubig an. Es glich Selbstmord, was er da plante. Kudon willigte ein. »Einverstanden. Ich befehle, daß nicht mehr gefeuert wird.« Sofort verstummten die Kanonen der Dscherroraumschiffe und auch die Saggittonen, Dorgonen und Cartwheeler taten es gleich. »Also gut«, sagte Cascal und wartete gespannt auf den zweiten Teil der Abmachung. Kudon nickte einem Soldaten zu. Kurz danach starteten die beiden Schiffe und verließen den Orbit. Sie schlossen sich dem Dscherroverband an und warteten. »Jetzt seid ihr dran, Terraner«, forderte Kudon. Cascal nickte nur kurz und verzog keine Miene. Er verließ die Kommandostation und ging in den Hangar. Dort wartete bereits der Schiffsingenieur, Bernhard Kranigge auf ihn. »Sir, die Space-Jet steht bereit. Mit den gewünschten Modifizierungen«, berichtete der hochgewachsene Terraner. »Sehr gut, dann wollen wir mal...« Joak Cascal bestieg die Space-Jet und aktivierte die Geräte. Kurz danach startete er den Antigravantrieb, ließ die Jet aus der Schleuse schweben und nahm Kurs auf das Schiff von Taka Kudon. Langsam flog das kleine Schiff in den gewaltigen Hangar des Dscherroschiffes. Cascal aktivierte ein Terminal des Syntrons und studierte die Konstruktionspläne des Dscherroraumers, der in diesem Moment startete. Langsam verließ das Schlachtschiff den Orbit Xamours. Die Space-Jet war weiterhin in Schwebeposition. D O R G O N Auf Leben und Tod Einige Dscherro versammelten sich um das Schiff. Cascal war erleichtert, daß Kudon bis jetzt sein Versprechen einhielt. Da plötzlich kehrte das Schiff zurück und machte die Waffen scharf. Das Hologramm von Kudon erschien im kleinen Raum der Space-Jet. Der Dscherro grinste überlegen. »Du Narr. Zuerst lege ich deine Geiseln um, dann verschwinde ich mit dir als Geisel und zu guter Letzt bist du dran!« triumphierte der Dscherro. »Das hatte ich mir doch gedacht«, meinte Cascal und startete die Triebwerke. Die Flammen verbrannten in kürzester Zeit die herumstehenden Dscherro. Cascal aktivierte ein paar Raketen und schoß sie in den hinteren Teil des Hangars. Laut Konstruktionsplänen befanden sich dort die Waffenlager und Hauptenergieleitungen. Eine gewaltige Explosion ließ das Schiff erzittern. Cascal sah eine lodernde Flammenwelle auf sich zurasen. Er beschleunigte die Space-Jet und raste durch den Hangar. Die Flammen kamen immer näher. Laut Syntron war der Schutzschirm durch die inneren Schäden zusammengebrochen. Jetzt mußte er noch das Hangarschott wegschießen. Mit allem was er hatte, feuerte Cascal auf die Schotts, die verglühten. Die Flammen hatten ihn schon fast eingeholt, als er noch rechtzeitig aus dem Schiff kam. Jubelnd blickte er zurück und sah wie der Dscherroraumer explodierte und Taka Kudon mit in den Tod nahm. * Ein Aufschrei ging durch die Massen auf Xamour. Die Dscherro legten sofort ihre Waffen nieder und ergaben sich. Serakan teilte über Funk mit, daß die übriggebliebenen Dscherroschiffe die Flucht antraten. Die Gefahr war vorbei! Erleichtert schlug Gal’Arn seinem Orbiter Jaktar auf die Schulter. »Dieses Mal ging es noch gut aus«, meinte er. 281 »Das wird es immer. Aber wo ist Johnny?« wollte der Ghanakke wissen. Verwundert blickte sich der Ritter der Tiefe um, konnte aber Andrews nirgendwo finden. »Jan, weißt du, wo Andrews ist?« Auch Jan Scorbit konnte keine Antwort geben. Der Spezialist der neuen USO versorgte einige Verwundete. Er besaß eine Sanitäterausbildung und war daher kompetent in diesen Sachen. Helge von Hahn hatte sich im Kampf verwundet. Er berichtete jedoch stolz, daß er sieben Dscherro getötet hatte. »Ich weiß es«, berichtete Gucky. * Der ungleiche Kampf zwischen dem Dscherro und dem Saggittonen dauerte noch immer an. Aurec versuchte verzweifelt Vendor abzuhängen, der mit einem unbeschreiblichen Fanatismus sein Opfer jagte. Aurec kletterte eine Leiter hoch und gelangte auf das Dach eines Gebäudes. Er schoß einige Sprossen durch, doch Vendor konnte er damit nicht aufhalten. Der Dscherro kletterte auch auf das Dach und stürzte sich auf den Saggittonen. Vendor schlug Aurec die Waffe aus der Hand. Der Schlag war jedoch so wuchtig, daß sie über die Kante rutschte und in den Abgrund fiel. Vendor schlug Aurec mit beiden Fäusten ins Gesicht. Blut strömte aus der Nase des Saggittonen, der nicht mehr lange durchhalten konnte. »Du wirst jetzt sterben. Und danach schlitze ich deine terranische Hure auf.« »Nein!« Aurec nahm alle Kraft zusammen und konnte dem Dscherro einige Boxhiebe in die Rippen verpassen. Für einen kurzen Moment raubte es Vendor die Kraft und Aurec konnte sich losreißen. Er wollte wieder herunterklettern, doch Vendor fuchtelte bereits mit der Axt umher. Er warf sie auf Aurec, doch der Saggittone wich aus, so daß das Beil ins Leere flog und dann in die Tiefe fiel. D O R G O N 282 »Meine Krallen werden mir den gleichen Dienst erweisen«, fauchte der Dscherro und rannte schreiend auf Aurec zu. In dem Moment sausten die KARAN und Evspors Raumschiff über die Stadt hinweg. Der laute Schall und der Windzug ließen das Gebäude erzittern. Eine Spalte öffnete sich, in die Aurec beinahe hereingefallen wäre. Die KARAN machte eine Drehung und gelangte hinter Evspors Schiff. Goshkan feuerte in das Heck seines gegnerischen Schiffes. Die nächste Salve ließ Evspors Schiff abschmieren und gegen ein Gebäude krachen. Eine Flammenwelle brauste durch die toten Straßen und wieder erzitterte das Haus, auf dem Aurec und Vendor standen. Eine zweite Spalte öffnete sich und brachte Vendor aus dem Gleichgewicht. Er fiel nach hinten, konnte sich aber noch festhalten. Aurec griff nach seiner Hand und zog ihn mit aller Kraft hoch. Da bohrte Vendor seine Krallen in Aurecs Bein. »Ich töte dich! Ich töte euch alle!« schrie der geisteskranke und gefährliche Dscherro immer wieder. Aurec versuchte, die Schmerzen zu kontrollieren. Er griff in Vendors Ärmeltasche und holte ein Vibratormesser heraus. Damit schnitt er dem Dscherro die Hand ab. Langsam rutschte Vendor ab. »Du wirst langsam lästig!« brachte Aurec unter Schmerzen hervor und verpaßte dem Dscherro einen Tritt, der ihn in die Tiefe schickte. Vendor fiel in den Abgrund und fand sein Ende. * »Los, anheben«, riefen die drei gemeinsam und versuchten den schweren Deckel des Sarges zu öffnen. »Hilf uns Darvos«, forderte Ferby seinen Sicherheitschef auf, doch der lehnte ab. »Ich helfe nicht dabei, Gräber zu schänden«, erklärte er. Krizoff blickte zu Jezzica und Kathy, die unruhig umher liefen. Jezzica faßte den Entschluß, Aurec zu suchen. Kathy schloß sich dem an. »Wartet!« rief Ferby. Nils Hirseland Sie hatten es geschafft, den Sarg zu öffnen. In ihm lag ein humanoides Skelett. Es war mumifiziert, braunrote Fleisch- und Hautreste waren noch deutlich zu sehen. Genauso wie schwarze, verdorrte Haare. Die Augenhöhlen waren leer und starrten an die Decke. »Mir ist schlecht«, sagte Kathy und drehte sich um. Jezzica schüttelte den Kopf als sie die grausige Leiche sah. Sie war mit viel Gold, Perlen und Edelsteinen geschmückt. »Das nehmen wir mit«, erklärte Reiko und sammelte die Kostbarkeiten ein. Da fingen die drei sich an zu streiten. »Hey, das war mein Diamant«, beschwerte sich DJ Abfallhaufen. »Pech gehabt«, konterte Reiko. Die beiden bekamen sich in die Haare und fingen beinahe an, sich zu prügeln, doch Ferby konnte schlichten. »Leute, da ist genügend für uns alle da.« Die beiden beruhigten sich wieder. Jezzica konnte das nicht mehr mit ansehen. Da summte plötzlich ihr Minikom auf. Jonathan Andrews war dran. »Wo seid ihr?« wollte er wissen. »In dem Gebäude neben dem Gleiterwrack«, erklärte sie. Andrews fand die angegebene Stelle sehr schnell. »Ich bin gleich da.« Jezzica beendete die Verbindung und stellte sich wieder zu Krizoff und Kathy. Darvos sah gelangweilt den drei habgierigen Terraner zu, die in dem Brustkorb der Leiche wühlten, um noch einen Edelstein mehr zu ergattern. »Das reicht jetzt. Wir müssen wieder zurück«, meinte Ferby und steckte sich ein Diadem in die Hosentasche. Krizan Zchmitt alias DJ Abfallhaufen blickte sich die Leiche noch einmal genau an. Er nahm den Arm der Toten und fuchtelte damit hin und her. »Hey, gebt mir meinen Schmuck wieder, sonst sehe ich so häßlich aus«, sagte er und spielte damit die Leiche. Die anderen lachten. »Du siehst auch so schon häßlich aus«, meinte Abfallhaufen und drückte das Gesicht Auf Leben und Tod D O R G O N des Skelettes ein, das wie Pappe war. Plötzlich stand jemand am Eingang. Jezzica schrie erschreckt auf und wich sofort zurück, als sie die Gestalt Cau Thons erblickte. Wut und Haß standen in seinen brennenden roten Augen. Er sah die Terraner verachtend an und zog seinen Caritstab. Mit einem lauten Schrei stürzte er sich auf sie. Zuerst stellte sich Darvos ihn in dem Weg. Er versuchte Cau Thon niederzuschlagen, doch der Sohn des Chaos schlug dem Oxtorner beide Hände ab. Dann stieß er mit seiner Caritwaffe in den Kiefer von Darvos, der leblos zusammenbrach. Kathy und Jezzica versuchten zu entkommen, doch Thon schlug sie nieder. Krizoff bettelte um sein Leben. »Ich habe mit denen nichts...« Weiter kam er nicht, denn Cau Thon stieß dem Olymper mit dem Stab in den Magen. Blut floß aus Krizoffs Mund und spritzte aus seiner Bauchdecke. Schnell zog Cau Thon seine Waffe wieder heraus und überließ den Sterbenden sich selbst, der zusammensank und zuckte, bis er sein Leben verlor. DJ Abfallhaufen hatte noch den Arm des Skelettes in seiner Hand. Cau Thon starrte wütend auf dieses Bild. Dann sprang er mit beiden Beinen voran, direkt gegen die Brust von Zchmitt. Der prallte gegen die Wand. Bevor er wußte, was los war, hatte Cau Thon schon einen Dolch gezogen und stach ihm nacheinander die Augen aus. Dann ließ er von ihm ab. Er packte Reiko, der voller Panik schrie. Mit dem Dolch stieß Cau Thon mehrmals in Reikos Genick und durchbohrte sein Fleisch noch, als er schon längst tot war. »Meine Augen!« schrie DJ Abfallhaufen und tastete sich voran. Ferby stieß ihn weg und wollte aus der Gruft rennen, doch Cau Thon hatte seinen Caritstab wieder an sich genommen und schleuderte ihn auf den Terraner. Die Klinge drang in den Rücken ein und kam vorne wieder heraus. Ferby schrie laut auf, sank auf die Knie und brach leblos zusammen. Die Glieder zuckten noch etwas, bevor sie erschlafften. 283 Alles passierte sehr schnell. Jezzica rappelte sich wieder auf und versuchte Kathy wieder zu Bewußtsein zu bekommen. Cau Thon trat ihr in die Hüften. Jezzica brach hustend zusammen. Dann packte er sie an der Kehle und zog sie nach oben. Tazum versuchte Luft zu bekommen. Er drückte sie an die Wand und zog einen anderen Dolch. Langsam fuhr er damit über ihre Kehle. »Jezzica«, hörte er eine Stimme aus der Ferne. Es war Jonathan Andrews. »Hilfe!« röchelte Abfallhaufen und krabbelte auf dem Boden herum. Cau Thon ließ Jezzica los, packte ihn und zog den Terraner hoch. Lässig warf er ihn gegen eine Wand. Abfallhaufen platsche zu Boden und tastete sich an der Wand entlang. Der Sohn des Chaos betrachtete die entstellte Leiche. Er hielt einen kurzen Moment inne, dann packte er Zchmitt am Hinterkopf und schlug ihn mit der Nase gegen die Wand. Der Terraner schrie laut auf. Doch er lebte noch. Cau Thon schlug den Schädel des DJs immer wieder gegen die Mauer. Blut spritzte aus allen Öffnungen des Kopfes. Immer wieder und in schnelleren Intervallen ließ Cau Thon den Schädel gegen die Wand prallen, bis dieser wie ein Luftballon zerplatzte. Das war das Ende von DJ Abfallhaufen alias Krizan Zchmitt. Nun waren nur noch Kathy und Jezzica am Leben. Cau Thon wandte sich wieder Jezzica Tazum zu, die versuchte, sich wieder aufzurappeln. Kathy half ihr dabei, doch Thon packte sie nur und streckte sie mit einem Faustschlag ins Gesicht zu Boden. Er hob Kathy Scolar wieder hoch und schleuderte sie gegen die Wand. Völlig erschöpft blieb sie gegen die Wand gelehnt, doch Cau Thon trat ihr in die Magengrube. Hustend und schreiend brach sie zusammen. Thon zog an ihren Haaren. Dann umfaßte er ihren Oberkörper, als sie nach vorne gebeugt war, hob sie hoch und schleuderte Kathy mit den Rücken voran auf den Boden. Dann packte er wieder Tazum. Jonathan Andrews rannte die Treppen entlang und gelangte in die Gruft. Cau Thon wollte gerade die Kehle Jezzicas durchschneiden, da 284 D O R G O N warf sich Andrews dazwischen. Er lieferte sich ein kurzes Duell mit Cau Thon, doch der Sohn des Chaos war ihm überlegen. Er zog sein Caritstab aus der Leiche von Ferby heraus und verwundete Andrews an den Beinen und Armen. Geschwächt brach er zusammen. Damit war der Kampf vorbei. Cau Thon lief wie ein unruhiger Tiger umher und beobachtete seine drei Opfer. Kathy weinte und hatte schreckliche Angst. Jezzica versuchte wieder zu Luft zu kommen und Andrews schaffte es nicht, sich aufzurappeln. Cau Thon blickte die alte Leiche an und schüttelte den Kopf. Andrews glaubte Trauer bei dem Sohn des Chaos zu bemerken. Er beugte sich über das Grab und streichelte sanft über den eingedrückten Kopf der Toten. Ohne ein Wort zu sagen, hatte er Ferby, Reiko, Zchmitt, Krizoff und Darvos hingerichtet. Nun sollten auch Andrews, Tazum und Scolar folgen. Es gab keinen Ausweg mehr. Cau Thon lief umher und musterte die drei Terraner. Er überlegte, wen er als erstes töten würde. Er schnappte sich Jezzica und stach ihr mit dem Dolch in die Schulter. Die blonde Terranerin schrie auf. Er zog die Waffe wieder heraus und stach in die andere Schulter. Langsam drehte er das Messer und beobachtete genau, wie sehr Jezzica unter den Schmerzen litt. Andrews schaffte es noch immer nicht, sich aufzurappeln, während Kathy gelähmt vor Angst war. Langsam kroch er zu Cau Thon, doch dieser trat ihn wie Abfall beiseite. Er zog den Dolch aus der Schulter und schnitt ihr ins Gesicht. Tränen strömten Jezzica Tazum über das blutverschmierte Gesicht. Dann schnitt er ihr Wunden in die Brust und in den Bauch. Er wollte sie langsam und qualvoll sterben lassen. Da plötzlich materialisierte Gucky mit Gal’Arn und Aurec in der Gruft. Cau Thon griff telekinetisch zu seinem Stab, um den Hieb des Ritters der Tiefe ausweichen zu können. Er parierte die Schläge, wurde jedoch in die Enge getrieben. Nils Hirseland Gucky brachte noch Dove, Lorif, Wallace, Jan Scorbit und einige Soldaten in den Raum. Sie kümmerten sich sofort um Jezzica Tazum, Kathy Scolar und Jonathan Andrews. Cau Thon war in die Ecke getrieben. »Gib auf!« forderte Gal’Arn. Cau Thon stand direkt neben dem Grab. Er warf seinen Caritstab weg und holte aus seiner Tasche etwas hervor. Er ging ein paar Schritte zurück. Gal’Arn beobachtete jede Bewegung. Die Soldaten hatten die Waffen auf den Sohn des Chaos gerichtet. Er saß in der Falle. Cau Thon sprach: »Ancasuna, yer hebit ach dormon.« Dann warf er eine Kapsel in den Sarg, der kurz aufflammte und desintegrierte. »Nicht schießen!« befahl Aurec. Cau Thon beendete jeden Widerstand. Sie legten ihm Energiefesseln an und führten ihn heraus. »Wow, wir haben Cau Thon gefangen!« jubelte Gucky. Gal’Arn nickte zufrieden. Aurec blickte sich um. Ein Bild des Schreckens bot sich ihm. Die Leichen waren übel zugerichtet. »Warum hatte Cau Thon so einen Haß auf diese armen Teufel?« fragte sich Aurec. Gucky schüttelte auch nur den Kopf. »Vielleicht hatte es irgend etwas mit dem Sarg dort zu tun.« Die beiden blickten auf die Überreste des desintegrierten Sarges. Dann brachte einer der Soldaten die völlig verstörte Kathy Scolar zu Aurec. Aurec schloß sie in die Arme und versuchte sie zu trösten. Doch die Erlebnisse waren einfach zuviel für sie gewesen. »Kehren wir wieder zurück zum Lager«, meinte Aurec. Behutsam legte er seinen Arm um Kathy Scolar und versuchte ihr Wärme zu geben. Auf Leben und Tod D O R G O N Epilog. Aus den Erzählungen von Jaaron Jargon, Chronist der Insel So ging die erste Epoche für die Insel Cartwheel zu ende. Mit viel Blut und vielen Verlusten hatte man die Gefangennahme Cau Thons bezahlen müssen. Es starben 739 Passagiere und Besatzungsmitglieder der BAMBUS, Tausende von Dscherro und 167 Soldaten aus Cartwheel während der Entführung und Befreiung der BAMBUS-Passagiere. Einige Passagiere wurden sofort nach Cartwheel gebracht, während ein anderer Teil erst einmal auf den Schiffen im Orbit um die Welt Xamour blieb, da Aurec diese noch erforschen wollte. Es gab kein Überlebenszeichen vom Kyberklon Evspor, dessen Schiff über der Ruinenstadt abstürzte. Die KARAN und Goshkan waren verschwunden. Taka Kudon tot, genauso wie sein Raubtier Vendor. Nur Cau Thon war übrig. Doch dieser sagte 285 nichts. Er schwieg einfach und schien abzuwarten. Aurec kümmerte sich am nächsten Tag rührend um Kathy Scolar und gestand sich selbst langsam ein, etwas für sie zu empfinden. Neve Prometh hatte, wie auch Anya Guuze und ihre Freunde Sylke Stabum, Krizan Bulrich und Roppert Nakkhole, die Entführung überlebt. Sie war enttäuscht über die offensichtliche Zuneigung Aurecs zu der ehemaligen Bardame der BAMBUS und kehrte sofort nach Cartwheel zurück. Der Leichnam von Karl-Adolf Braunhauer wurde gefunden und eingeäschert. Seine Witwe Ottilie war am Boden zerstört und ihre Freundin Inge Bohmar glaubte immer noch, daß ihr Mann und ihr Hund leben würden. Zwei Tage danach brach Cau Thon während eines Gespräches mit Aurec und Gal’Arn sein Schweigen. »Ihr wollt wissen, was besonders an diesem Planeten ist? Nun gut, ich will es euch sagen. Ich will euch die Geschichte vom Planeten Xamour und den Xamouri erzählen. Es ist keine schöne Gesichte und sie wird euch zeigen, wie brutal die Kosmokraten sein können...« E N D E Mit diesem Roman endet der dritte Teilzyklus. Im nächsten DORGON-Band – dem VI. Buch – startet der vierte Zyklus »Söhne des Chaos«. Alexander Nofftz ist Autor des Jubiläumsheftes 50. Es trägt den Titel Der Xamouri und schildert die Geschichte Cau Thons und seines Volkes. Der größte PERRY RHODAN Internet Club! TERRACOM Das monatliche eZine PRSAMMEL.de Das Perry Rhodan Sammelforum PROC STORIES Das Kurzgeschichten-Archiv P Kostenlose Mitgliedschaft P Alle oben genannten Publikationen umsonst P Multilingual in Deutsch, Englisch und Portugiesisch P Club CD-ROM P Chats im IRC und Mailinglisten P Homepage mit über 1000 Seiten Kontaktadresse: Nils Hirseland Präsident Redder 15, 23730 Sierksdorf Tel: 04563/7470 E-Mail: N.Hirseland@proc.org Anmeldung unter http://www.proc.org oder der oben angegebenen Adresse!