Abstracts und Bio im Format

Transcription

Abstracts und Bio im Format
Institut für Musik und Musikwissenschaft
Symposium und Research Performances
Popular Orientalism(s).
In Erinnerung an Edward Said als Musikkritiker
07. - 09. November 2013, Universität Hildesheim
Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Abstracts
Birgit Abels
Attraktion und Repulsion im Elfenbeinturm. Edward Said und “die Musik”
Until you make the unconscious
conscious,
it will direct your life and you will call
it fate.
(C.G. Jung)
Apparently the existence of harmony
was the measure by which James
Burney determined the worth or
sophistication of the respective
1
musics of the islands.
Wenn große Namen der nordatlantischen Geistesgeschichte über Musik schreiben, dann
verrät das Ergebnis nicht selten etwas über Denkstrukturen, die in ihrer Urheber übrigem
Œuvre weniger transparent zutage liegen: Ludwig Wittgenstein und Roland Barthes sind
bekannte Beispiele hierfür, und auch auf Edward Said trifft dies zu.
Die post-colonial studies sind nicht denkbar ohne die wegbereitenden Arbeiten
Edward Saids, in denen Said unter anderem das Sprechen über kulturelle Praktiken als
diskursive Stellschraube in hochkomplexen Machtgefügen demaskiert. Doch erscheint Saids
analytischer Scharfblick in seinen Texten zur Musik plötzlich sehr viel weniger potent – mehr
noch, der vergleichsweise enge Horizont dieser Schriften steht in krassem Gegensatz zu Saids
übrigen Arbeiten. Über Musik schreibend ist Said plötzlich selbst hegemonialen, vielleicht gar
kolonialen Denkstrukturen verhaftet. Dies stellt die Frage nach den Möglichkeiten und
Limitationen einer postkolonial informierten Musikwissenschaft auf sehr schmerzhafte
Weise, denn es macht einmal mehr deutlich: indem wir über Musik sprechen, verhandeln wir
Weltordnung und damit Macht. Indem Said Mehrstimmigkeit sagt und eine Handvoll
europäischer Komponisten meint, kartographiert er einen plötzlich sehr diffusen
Kulturbegriff, und zwar auf eine Art, die völlig aus seinem übrigen Denken herauszustechen
scheint.
Was
können
wir
hieraus
lernen
mit
Blick
auf
unser
alltägliches
musikwissenschaftliches Sprechen und die Bedeutung, die Kritik (im Sinne der
philosophischen Tradition) in einer postkolonialen Musikwissenschaft einnehmen kann oder
gar muss?
1
David Irving, “The Pacific in the Minds and Music of Enlightenment Europe”, in: Eighteenth-Century Music 2/2
(2005), S. 210.
Birgit Abels ist Professorin am Musikwissenschaftlichen Seminar der Georg-AugustUniversität Göttingen, Bereich Kulturelle Musikwissenschaft. Ihre geographischen Foci
schließen die Musik der pazifischen Inseln, Nordindiens und der südostasiatische Inselwelt
ein. Sie ist Chef-Herausgeberin der Zeitschrift the world of music (new series).
Stefanie Alisch
Of worldliness and post-colonial schizophonia – Angolan kuduro in Lisbon
Said uses pianist Glenn Gould's decision to stop performing live as a starting point to reflect
on the worldliness of text and music (Said 1975). Gould's withdrawal from the concert stage
is motivated by his desire to disarticulate the rendition of musical repertoire from any
reaction of the audience. For Said this project of detachment is futile as any text or music is
situated in worldly circumstances - and thus power relations.
Kuduro is very wordly. Djs, MCs and dancers of the Angolan electronic music aim at
producing the utmost spectacle for and engagement with their audience. Kuduro emanates
a sense of urgency, immediacy, closeness to the quotedian (Moorman 2008).
Kuduro's second center is Lisbon (Siegert 2007), or rather the African immigrant
communities of the peripheral neighbourhoods. Lisbon produced kuduro, afro-house or
tarraxinha circulate outside mainstream distribution: on mobile phones, on-line, at dance
battles organized by immigrant associations in churches or schools. These sounds only very
rarely make it to Lisbon's fancy African discoteques downtown, where the very same
immigrant communities dance the latest kuduro moves from Luanda or wind to r&b and
reggeatón from the US. While Lisbon's African kuduro artists are struggling to access a
broader and viable music market, more successful actors use their sounds as raw materials.
Steven Feld picks up Murray Schafer's concept of schizophonia - „the splitting of
sounds from their original contexts“ (Schafer 1977, p.88) – to develop a model for a
globalized music industry that feeds on sounds that are produced in contexts geographically
and socially remote from their consumption. The post-colonial schizophonia in Lisboa points
to musical separation that runs through the immigrant communities of a city that is a
supposed musical melting pot.
In this paper I discuss the relationship of worldliness and post-colonial schizophonia
in Angolan kuduro in Lisboa.
References
Keil, Charles; Feld, Steven (2005): Music grooves. Essays and dialogues. 2. Aufl. Tucson, Ariz: Fenestra.
Moorman, Marissa Jean (2008): Intonations. A social history of music and nation in Luanda, Angola, from 1945 to recent
times. Athens, Ohio: Ohio University Press (New African histories series).
Schafer, R. Murray (1977): The tuning of the world. Toronto: McClelland and Stewart.
Said, Edward W. (1975): The Text, the World, the Critic. In: The Bulletin of the Midwest Modern Language Association 8 (2),
S. p 1-23.
Siegert, Nadine (2008), Kuduru – Musikmachen ohne Führerschein. In: EthnoScripts, Bd. 10 (2008), 1, S.102-124.
Stefanie Alisch is a musicologist and DJ from Berlin. She studied musicology, Portuguese and
English in Berlin and Salvador da Bahia (Brazil). Research, teaching, publications and creative
projects on kuduro, groove, broken beat, music and bodily-performative practices in the
Black Altantic, female hip hop, radio, farsi pop, global and local dj culture, cultural transfer in
the lusophonic realm, transcultural music mediation. As a junior fellow of the Bayreuth
International Graduate School of African Studies Alisch works on a PhD exploring the
"carga"-concept in kuduro. She is a fellow of the Bayreuth Academy of Advanced African
Studies.
Susanne Binas-Preisendörfer
Sonische Fundstücke (meines) orientalischen Begehrens
Entlang der eigenen musikalischen Biographie/Sozialisation fragt der Beitrag nach
persönlichen Impulsen von Hörlust und Aneignung "orientaler" Klangmotive. Trotz des
Wissens um die Bedeutung von Stereotypen und Klischees in der Produktion populärer
Sounds und der (postkolonialen) Kritik daran, ist es (empirisch) bisher weitestgehend
ungeklärt, welche Bedeutungsbildenden Prozesse in der Wahrnehmung und Aneignung des
Klanglichen stattfinden. Sound Studies und Popular Music Studies weisen hier in interessante
Richtungen.
Susanne Binas-Preisendörfer, Prof. Dr. phil., lehrt und forscht seit 2005 als Professorin für
Musik und Medien an der Universität Oldenburg, Schwerpunkte: Theorie und Geschichte
mediatisierter Musik- bzw. Kulturformen, Musik und Globalisierung, Transkulturalität,
Musik- und Kreativwirtschaft, Jugendkulturen und populäre Musik, Kultur- und Musikpolitik.
Sie war aktive Musikerin im Ost-Berliner off-ground (der expander des fortschritts) und
initiierte in den 1990er Jahren Kultur- und Kunst Projekte in Berlin (u.a. singuhr-hoergalerie,
Club-Commission). Seit Mai 2013 Präsidentin des deutschsprachiges Zweiges der IASPM –
International Association for the Study of Popular Music.
Jochen Bonz
Popmusikalische Identifikationsdynamiken jenseits von 'Identität' und 'Othering'
In der Folge vielbeachteter Konzeptualisierungen des Anderen – von denen Saids
Beschreibung des Orientalismus eine besonders einflussreiche ist, ebenso wie auch Jacques
Lacans Diktum, das Begehren des Menschen sei das Begehren des Anderen – ist das
Verhältnis von Selbst und Anderem seit den 1970er Jahren für die kulturwissenschaftliche
Forschung adressierbar geworden. Dieser bislang weder als Paradigmenwechsel noch als
turn
beschriebene
geisteswissenschaftliche
Erkenntnisfortschritt
ist
in
den
Kulturwissenschaften in vielfältiger Weise produktiv geworden. Aus dieser Vielfalt
präsentiert der Vortrag einen Ausschnitt.
Anstatt mich hierbei mit einer Verkürzung des Verhältnisses Selbst/Anderer auf
Phänomene der Identitätsstiftung mittels Konstruktion und Ausschluss des Fremden (wie sie
in der Folge Saids vielfach vorkommt) zufrieden zu geben, möchte ich in meinem Beitrag
einige Beispiele dafür präsentieren, wie das Andere in jüngeren Studien als ein gerade nicht
essentialisierbares und darüber hinaus sogar kaum repräsentierbares Bezugsobjekt
aufgefasst
wird.
Als
solches
führt
es
das
Subjekt
in
eine
unabschließbare
Identifikationsdynamik – einen Prozess der Veranderung.
Ausgehend von Angela McMcRobbies Reflexionen über die Bedeutung des Tanzens
für junge Frauen aus der britischen Arbeiterklasse als Möglichkeiten leiblich zu erfahren, wie
frau sein könnte, stelle ich drei exemplarische Studien respektive Forschungsansätze vor.
1) In der zeitgenössischen Fankulturforschung findet sich eine Konzeptualisierung des
Gegenstandes der Begeisterung als eines Übergangsobjektes im psychoanalytischen Sinne.
Die Funktion des Objektes besteht darin, eine lebendige Beziehung zwischen Selbst und
Umwelt zu gewährleisten. Als ein spezifisches Anderes ermöglicht es die Öffnung des
Subjekts gegenüber Anderem.
2) In der von mir ethnografisch untersuchten Subkultur rund um House Music und Techno in
den 1990er Jahren ereignet sich in einer Situation eines relativen Aufgelöstseins alltäglicher
Kategorien
des
Wahrnehmens
im
Tanzen
das
Sich-Aufbauen
einer
Welt
aus
unterscheidbaren Elementen (den Bestandteilen des Tracks), die dem rezipierenden Subjekt
zunächst als isolierte Identifikationsgegenstände begegnen, um sich später als Assoziation zu
erweisen (nach dem Modell der Signifikanten einer Signifikantenkette). Aus der
Identifikation mit etwas Anderem ergibt sich so eine Veranderung des Selbst, die im
Anderssein des Kontextes besteht, in dem es steht. Dieser Vorgang ist spielerisch und ist
möglicherweise eher als eine Metapher zu begreifen denn als Tatsache. Aber in
mikroskopischer Weise veranschaulicht er die Veranderung des Selbst als einen
wesentlichen Zug dieser Subkultur.
3) Gerry Bloustiens ethnografische Mädchenkulturstudie 'Girl Making' beschreibt Grenzen
der Selbst-Veranderung. Sie bestehen zum einen in der Überstrapazierung der
Selbtveranderung im mimetischen Exzess und zum anderen in habituellen Grenzen der von
ihr beobachteten mimetischen Identifikationen, den Grenzen des 'serious play': Mimetische
Identifikation und mimetischer Exzess in Gerry Bloustiens Mädchenkulturforschung .
Jochen Bonz ist Privatdozent am Institut für Ethnologie und Kulturwissenschaft der
Universität Bremen. Als freiberuflicher Dozent unterrichtete er u.a. an Universitäten und
Hochschulen in Basel, Bern und Wien. Am Institut für Volkskunde und Kulturanthropologie
der Karl-Franzens-Universität Graz leitet er eine ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt.
Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen in der Kulturtheorie und in der Fankulturforschung.
Veröffentlichungen (Auswahl): Das Kulturelle, Paderborn u. München: Fink 2011;
Subjekte des Tracks – Ethnografie einer postmodernen / anderen Subkultur, Berlin: Kadmos
2008; Lass uns von der Hamburger Schule reden – Eine Kulturgeschichte aus der Sicht
beteiligter Frauen, Mainz: Ventil 2011 (hg. gemeinsam mit Johannes Springer und Juliane
Rytz).
www.jochenbonz.de
Wouter Capitain
Edward Said beyond Counterpoint: Musical Performance and Cultural Theory
The extent to which Edward Said’s thoughts on music are related to his writings on cultural
theory primarily originates from his use of the concept counterpoint. The problem of
applying this musical concept within postcolonial theory, however, is twofold. First, the
focus on counterpoint excludes many musical traditions and styles. Second, although
counterpoint might reflect equality between different voices when considered from a
formalistic perspective, in reality this practice is highly disciplinary. The Eurocentric nature of
this musical concept is in particular notable considering Said’s fierce critique of orientalism
and his frequently repeated desire to find alternatives to Eurocentrism.
One alternative to this approach can be found in Said’s conception of musical
performance. The potential of performance as a concept is its explicit use of multiple media
in creating meaning, therewith being ‘worldly’ and moving beyond formalistic conceptions of
music. Although Said uses this concept exclusively in relation to composed music, his
understanding of musical performance can potentially be productive in considerations of
different repertoires.
While Said elaborates on the worldliness of Glenn Gould’s recordings as musical
performance at its limits, I will aim to move beyond Said’s repertoire and consider the
collaboration between the rappers Salome and Shirali as an extreme. Because this music is
mainly digitally produced and manipulated, and different tracks are recorded in different
places in the world (Tehran and Mainz) before being exchanged, put together and
distributed over the internet – thereby existing solely through and in this medium – it is
essentially placeless. Yet because of the music’s interaction with other media, both
linguistically and visual, its worldliness is explicitly evoked. Therewith, it is not musical voices
as from a formalistic perspective but the multiple media that are counterpointed in musical
performance, thereby placing it in the world.
Wouter Capitain studied Musicology and Art Studies at the University of Amsterdam (UvA),
where he graduated in August 2013 with a thesis titled ‘Performing the Orient: Edward
Said’s (and Giuseppe Verdi’s) Aida’. As from September 2013, he is an external PhD
candidate at the Amsterdam School for Cultural Analysis, with research on Edward Said’s
publications on music. He worked as student-assistant at the Institute for Musicology at the
UvA from November 2011 to July 2013, and since August 2013 he is research- and teaching
assistant at the same institute.
Burnt Friedman
und Saam Schlamminger
Installational Sound Performance:
Repetition:Takes:Place in Actuality
Repetition: “[…] is actuality, […] is activity, […] is knowledge” (Edward Said). In das
Tohuwabohu hinein, werden kulturelle Pattern gegeben. Saam Schlamminger (aka
Chronomad), erlernte zahlreiche Spieltechniken auf Rahmentrommeln, auf Langhalslauten
aus verschiedenen Regionen der Welt. Ein Experte auch für aus den musikalischen
Gedächtnissen verschwindende Spielweisen, Stimmungen und Experte für repetitive
zeitgenössische Electronic Dance Music...
Takes: … gerade und ungerade, die interessiert auch Nonplace Label Betreiber und
Produzent Burnt Friedman. Gemeinsam schaffen und sezieren sie Takes akustischer
Erinnerung, inszenieren Resonanzräume, Urgeknister. Ursprünge sind Trommeln, Flöten und
Echos. Sie spielen in der Tradition der Veränderung.
Place in Actuality: … in einer live dubbing Installation, in der sonischen Berührung
durch die dynamischen Identitäten der Verstärker, wird ein Zustand des „Out of Place“
erlebbar.
Saam Schlamminger was born in Istanbul and lived in Iran until the age of 12 years. Since
then he is based in Munich. He specializes in the Persian instruments Zarb and Daf which he
alienates electronically. He has collaborated and performed with a great number of artists of
different styles worldwide; e.g. Parisa, Susan Deyhim and the Notwist. His albums include
Sokut and Sayeh (released as Chronomad, 2004, 2010), Sehe Dich Istanbul, Meine Augen
Geschlossen (I see you Istanbul, with my eyes closed, 2008), Aus der Heimat (2011) He
composed film scores (Fatima Geza Abdollahyan’s: Freedom Bus; with Notwist for Lichter;
and for John Bocks Film Milchfieber). Together with Jens Thomas, he performs as the duo
Lunarplexus.
Burnt Friedman is a German musician and producer who works under a variety of project
names in the fields of Electronica, Dub and Jazz. Friedmann studied painting, performance
and video art at the Kunsthochschule Kassel. His music defies easy categorisation. His
instruments include ambient noise and speech samples, diverse percussion instruments,
analogue synthesizers and organs, as well as toy piano, steeldrum, kalimba, vibraphone or
melodica. Over the years his trademark sound became easily recognizable even in his remix
work for other artists. Since 2000 Friedmann runs his own “nonplace” label. He lives in
Berlin.
Curated by Johannes Ismaiel-Wendt, University of Hildesheim
M. J. Grant
Die “Türkische Musik”: Popular Orientalisms in der Militärmusik des 18. und 19.
Jahrhunderts
In the eighteenth and nineteenth centuries, military bands played a central role in the
musical life of both urban and rural communities across Europe. Apart from their role in
literally drumming up recruits for the armed forces, and the many uses of military music in
ceremonial contexts, performances by military bands of a wide repertoire at public concerts
attracted often large audiences and played an important role in the dissemination of music
at this time.
In the earlier part of this period in particular, public interest in military music was
aroused not least by the formations that came to be known colloquially as “Turkish music”. A
direct reference to the adoption and influence of certain instruments and styles from the
Ottoman tradition of mehter, it was also common to have some darker-skinned musicians in
appropriately “oriental” dress in the bands. The craze for “Turkish music” and the orientalist
use of dark-skinned and turban-clad men in military bands is however only one aspect of a
much more fundamental influence played by Turkish and Arabic traditions of martial music.
As well as the significant impact on the development of military music in western Europe
and north America, this also extends further into what are now accepted to be local and
“folk” traditions. In this way, the example of “Turkish music” presents us with a perfect
opportunity to reflect again on the phenomenon of musical “migration”. It also provides a
chance to reflect on the role of military music in processes of popularisation, and to discuss
the restrictive way in which military music and other traditions derived from this model have
been marginalised in musicological discourse.
M. J. Grant (b. 1972 in Scotland) is Junior Professor of Social Musicology at the University of
Göttingen in Germany, where she leads the research group “Music, Conflict and the State”.
She has written extensively on the role of music in armed conflict and on music and violence.
Her other research interests include the theory and aesthetics of new and experimental
music, the social functions of song and singing, and music in Scotland. Her first book, Serial
Music, Serial Aesthetics: Compositional Theory in Post-war Europe was published by
Cambridge University Press in 2001; a second book, Auld Lang Syne: A Song and Its Culture,
is awaiting publication. A third monograph on the social musicology of war is in the early
stages of planning.
Thomas R. Hilder
Sámi Popular Music and Postcolonial Cosmopolitanisms
My paper explores the politics of cosmopolitanism in the popular musical performance of
the Sámi of northern Europe. Through a post-WWII political and cultural movement, the
Sámi have highlighted their history of Christianisation, land dispossession and cultural
assimilation, whilst working towards Sámi political self-determination within and across the
Nordic states and Russian Kola Peninsula. Participation by Sámi activists, academics and
artists at international indigenous meetings since the 1970s not only helped strengthen
articulations of indigeneity at home, but also led to the Sámi playing an important role in
campaigning for global indigenous rights (Minde 2008, 1996). Significant to this Sámi
movement was the emergence of Sámi popular music scene, today represented by a
plethora of musicians, performing in a range of genres, and supported by numerous cultural
institutions. Often drawing on the distinct unaccompanied vocal practice of joik, Sámi
popular music has strengthened Sámi political articulations, assisted wider Sámi cultural
revival, as well as facilitated inter-indigenous cultural and political exchange.
Based on multi-sited ethnographic research, I will explore the challenges, potentials
and contradictions of Sámi musical cosmopolitanism in resisting the nation-state as the
ubiquitous political institution of global modernity. Firstly, I investigate the participation by
Sámi joikers at international indigenous meetings and the impact of these inter-indigenous
encounters on Sámi popular music. I then analyse the Sámi singer Mari Boine to unearth the
ways in which aesthetic and political indigenous solidarity has been articulated. Finally, I
examine the role of the Riddu Riđđu Indigenous Peoples’ Festival in forging a global
indigenous network. By drawing on political and postcolonial theory (Ivison, Patton &
Sanders 2000), and the literature of cosmopolitanism (Appiah 2006; Calhoun 2007; Hannerz
1996) I ask: how might Sámi popular music propose alternative models for transnational
collaboration and geo-political organisation?
Thomas Hilder is currently a postdoctoral researcher at the Center for World Music,
University of Hildesheim, after having completed his PhD in ethnomusicology at Royal
Holloway, University of London in 2010. His main research area is the popular music of the
Sámi, of northern Europe, with a particular interest in postcolonialism, digital media and
transnationalism. He is author of the forthcoming monograph Sámi Musical Performance
and the Politics of Indigeneity in Northern Europe (Scarecrow Press), and is lead editor of the
book project Music, Indigeneity, Digital Media. In addition, he teaches courses on Nordic
music and music and gender at the University of Hildesheim and Humboldt University,
Berlin, he co-organises the annual doctoral workshop in ethnomusicology at the Center for
World Music, and co-runs the Berlin ethnomusicology research group BEAM.
Julio Mendívil
Orientalismus andersrum: Die Repräsentation deutscher Hörer und Hörerinnen als Andere
Der Begriff Orientalismus bezeichnet in der Regel Repräsentationen nicht-westlicher
Gesellschaften.
Aber
was
passiert,
wenn
man
das
„Westliche“
mittels
einer
methodologischen Exotisierung verfremdet? In meinem Vortrag möchte thematisieren, wie
Hörer und Hörerinnen des deutschen Schlagers ein ethnisiertes Bild des Deutschen
konstruieren. Dabei möchte ich auf die epistemologischen Probleme eingehen, die so eine
Repräsentation mit sich bringt.
Julio Mendívil wurde in Lima/Peru geboren. Jahrelang arbeitete er als Musiker traditioneller
Musik der peruanischen Anden, bevor er sich der Ethnologie zuwandte. In Köln studierte er
Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Musikethnologie. Promovierte 2007 an der Universität
zu Köln und habilitierte 2010 an der Hochschule für Musik und Theater Hannover. 2008-2012
war er Vertretungsprofessor für Musikethnologie am Musikwissenschaftlichen Institut der
Universität zu Köln. Zurzeit ist er Privatdozent der Hochschule für Musik, Theater und
Medien Hannover, Chair der International Association for the Study of Popular Music – Latin
America, Sprecher der Fachgruppe Musikethnologie der Gesellschaft für Musikforschung
sowie Direktor des Center for World Music der Stiftung Universität Hildesheim.
Carla Müller-Schulzke
(Neo-)Orientalismus versus Afro-Futurismus: Transkulturelle Sound Praktiken Hören
Kann Musik gesellschaftliche Veränderungen vorwegnehmen, und lässt sich eine Sensibilität
dafür entwickeln, auf welche Weise Klänge auf Imaginationen von Zukunft verweisen?
Anstatt mit vorgefertigten Konzepten Musik zu erklären, lädt dieser performative Vortrag
dazu ein, sich in deep listening (Bull 2004), in eindringlichem Hören zu üben.
Einen Modus des Hörens, der sich auf die Korrespondenzen zwischen individueller
und kollektiver Hörerfahrung und deren jeweiligen kulturellen und gesellschaftspolitischen
Implikationen einlässt, gilt es hier im Hinblick auf Musik der postkolonialen afrikanischen
und indischen Diaspora zu entwickeln.
Edward Saids Kritik des Orientalismus westlichen Denkens (Said 1978) lässt sich heute
bezüglich der popkulturellen Diskurse über transkulturelle elektronische Musikstile
aktualisieren, die häufig mit essentialistischen Zuweisungen von Musik zu einer in der
Vergangenheit verwurzelten ethnischen Herkunft konfrontiert werden.
Dabei entziehen sich basslastiger Dub, verstärkte Sitarklänge, rhythmische Brüche im
Gesang und funkige gepitchte Breaks, sowie audiovisuelle Bezüge zu Science Fiction-Filmen
und Literatur (neo-)orientalistischen Zuschreibungen und kreieren ganz eigene Versionen
der Vergangenheit und Utopien der Zukunft (.
Bands und Künstler_innen wie Sun Ra, King Britt, Asian Dub Foundation, Nathan
‚Flutebox’ Lee, Just A Band, Janelle Monáe oder M.I.A., lassen sich nicht entlang klassischer
musiktheoretischer oder traditioneller musikethnologischer Ansätze analysieren – vielmehr
rücken beim Hören die konkreten Sound Praktiken des cutting, looping, und layering in den
Vordergrund: die Intensität einer Basslinie, die mit einem Bollywood-Sample korrespondiert,
eine Beatboxing-Technik, die das klangliche Repertoire der Querflöte neu auslotet, der
Autotune-Effekt, der eine Stimme futuristisch verfremdet. Zu diskutieren wäre, in wiefern
Rokus de Groots (2009) an Said (2008) angelehnte Idee des „polyphonic listening“ im
Hinblick auf transkulturelle Sound Praktiken produktiv gemacht werden können.
Referenzen:
Bull, Michael and Les Back (eds.), The Auditory Culture Reader. Oxford: Berg. 2004.
De Groot, Rokus. “Music at the Limits: Edward Said’s Musical Elaborations.” This text is partly based on the
Edward Said memorial lecture 2009, delivered (by Rokus de Groot) at the American University of Cairo,
Oktober 2009.
Dery, Mark. “Black to the Future.” Ed. Mark Dery. Flame Wars: The Discourse of Cyberculture. Duke University
Press, 1994.
Eshun, Kodwo. More Brilliant Than The Sun: Adventures in Sonic Fiction. Quartet, 1998.
Said, Edward W. Orientalism: Western Conceptions of the Orient. New York: Routledge, 1978.
---. Music at the Limits. New York. Columbia University Press. 2008.
Dr. des. Carla Müller-Schulzke hat an der Goethe-Universität Frankfurt/Main zum Thema
"Transcultural Sound Practices: Urban Dance Music in the UK" promoviert. Sie ist
wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Projekt Sound "Studies Lab: Funktionale Klänge"
sowie im Basisprojekt "Analogspeicher" am Exzellenzcluster Bild Wissen Gestaltung an der
Humboldt-Universität zu Berlin.
Sie ist Mitglied im internationalen DFG-Forschungsnetzwerk Sound in Media Culture (20102014).
Markus Schmitz
Musikalische Korrelationen und emanzipierte Dissonanzen in zeitgenössischen anglophonarabischen Repräsentationen
Der Vortrag betritt ausgehend von Edward Saids Entwurf kontrapunktischer Kulturkritik
einen ebenso jungen wie spannenden Sektor der globalisierten Kulturindustrie. Anhand
ausgewählter literarischer und audio-visueller Werke anglophoner-arabischer Intellektueller
wie Rabih Alameddine oder Larissa Sansour wird nach den gegen-archivischen und produktiv
de(s)orient(alis)ierenden Qualitäten ihrer kreativen Arbeiten gefahndet. Dabei richtet sich
das besondere Augenmerk auf die Repräsentation von Musik und divergierenden
Musikkulturen sowie auf die gezielte Adaption und Transformation musikalischer Werke als
Strategien kultureller Dezentrierung.
Was passiert, wenn sich nicht nur Texte und Bilder, sondern auch Werke der Musik
aus ihrem unmittelbaren Entstehungskontext lösen und über die Kluft vormals getrennter
kultureller Aussagesysteme reisen, um neue Strategien widerständiger Identifikationen
hervorzubringen?
Welche
Funktion
erhält
etwa
in
Alameddines
literarischen
Fiktionalisierung des Sterbens während des libanesischen Bürgerkrieges (Koolaids, 1998) der
Beatles-Song “Revolution“? Welchen Subtext evoziert in seinem Roman The Hakawati (2008)
die Nebengeschichte einer gescheiterten Aussöhnung zwischen dem Musizieren auf der
arabischen Oud und dem Spielen der E-Gitarre? Wie avanciert in Sansours MultimediaInstallation A Space Exodus (2009) die neo-arabeske Variation von Richard Strauss‘
Tondichtung Also sprach Zarathustra zum widerständigen Soundtrack einer exterritorialen
palästinensischen Dystopie?
Die diskutierten Arbeiten bringen nicht nur neue literarische Darstellungsformen und
alternative künstlerische Räume zum Verhandeln cross-kultureller Verstehensprobleme
hervor, sondern laden gleichsam dazu ein, auch jenseits einer an der musikalischen
Harmonielehre geschulten metaphorischen Indienstnahme der Polyphonie-Idee über die
emanzipatorischen
Potenziale
sich
widersprechender
kultureller
Äußerungsformen
nachzudenken, in denen das Dissonante mehr als ein lediglich vorübergehendes Moment
darstellt,
das in eine höhere Ordnung zu integrieren ist. Kann es sein, dass sich die
postkoloniale Artikulation selbstbewusster Dissonanz eher mit Theodor W. Adornos
kritischen Theorie der Suspension ästhetischer Harmonie als mit Saids humanistischen
Entwurf einer komparatistischen Kontrapunktik fassen lässt?
Markus Schmitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Englischen Seminar der Universität
Münster, Lehrstuhl für English, Postcolonial & Media Studies. 2008 ist von ihm bei transcript
Kulturkritik ohne Zentrum: Edward W. Said die Kontrapunkte kritischer Dekolonisation
erschienen. Er ist Mitherausgeber des jüngst erschienenen Sammelbandes Postcolonial
Translocations. Cultural Representation and Critical Spatial Thinking (Rodopi, 2013). Zu
seinen Forschungsschwerpunkten zählen: (anglophone) arabische Repräsentationen und
vergleichende Kulturtheorie, die interdependenten Geschichten von Orientalismus und
Okzidentalismus, kritische Raumstudien und Psychoanalyse. Sein aktuelles Projekt behandelt
ausgewählte literarische, audio-visuelle und theoretische Positionen anglophon-arabischer
TransmigrantInnen.
Alexander G. Weheliye
Allochronic Technologies: Coloniality and Popular Music
My paper will investigate how western popular music and the discourses around it
(journalistic and scholarly) continue to position non-western musics as ‘naturally expressive,’
and therefore anti-technological. This positioning occurs despite the increasing
democratization of sound technologies, whether in production and distribution, across the
globe since the late 1970s. Nevertheless, the ethnographic gaze by and large defines how
non-western musics are consumed, appropriated, and curated by and for western
audiences. I am particularly interested in the ways popular music and its attendant
technologies persistently locate the ‘Orient’ beyond the borders of German national space in
much the same way that coloniality structures political and economic spheres.
In order to illustrate this point, I will analyze some pivotal moments in the specifically
German variant of popular musical orientalism since the late 1970s, discussing Euro-Disco
(Arabesque, Dschinghis Khan, etc.), Hip-Hop (e.g. Cartel, Islamic Force), and RnBesk
(Muhabbet). In each of these cases advances in sound technologies are domesticated by the
addition of seemingly ‘natural’ sounds and images associated with the global south,
especially the ‘Orient.’ Overall, my talk highlights how the intersection of technology and
popular music serves as one of the central arenas for enforcing the coloniality of being in the
contemporary world.
Alexander G. Weheliye is associate professor of African American Studies at Northwestern
University where he teaches black literature and culture, critical theory, social technologies,
and popular culture. He is the author of Phonographies: Grooves in Sonic Afro-Modernity
(Duke University Press, 2005) and Habeas Viscus: Racializing Assemblages, Biopolitics, and
Black Feminist Theories of the Human (Duke University Press, 2014).
Currently, he is working on Modernity Hesitant: The Civilizational Diagnostics of
W.E.B. Du Bois and Walter Benjamin, which tracks the different ways in which these thinkers
imagine the ‘marginal’ as central to the workings of modern civilization. His work has been
published and is forthcoming in American Literary History, boundary 2, Criticism, CR: The
New Centennial Review, The Journal of Visual Culture, Public Culture, Social Text, and the
anthologies Black Europe and the African Diaspora, The Oxford Handbook of Mobile Music
Studies, The Contemporary African American Novel, Wie Rassismus aus Wörtern spricht:
(K)erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache, Remapping Black Germany,
and re/visionen: Postkoloniale Perspektiven von People of Color auf Rassismus, Kulturpolitik
und Widerstand in Deutschland.
Markus Henrik Wyrwich
Orientalism and Popular Music - Textual analyses of “Beatiful Liar” and “Shiver”
The incorporation of orientalist music elements in numerous pop songs, released by
transnationally operating labels of the Western music industry, has become a noticeable
phenomenon not only since the turn of the millennium. However, the paper will analyse two
contemporary examples “Beautiful Liar” (2007) by Shakira & Beyoncé and “Shiver” (2006) by
Maroon 5 with the purpose of problematizing their exotic dimensions. Rather than
concentrating solely on the musical text, the research will be based on a more
comprehensive approach including issues of performances (live or in music videos) and
marketing strategies by the record labels.
For a critical examination of the obtained results, theses by Edward Said’s study
Orientalism and subsequent partly opposed works will be considered. By overviewing
researches concerning orientalism and popular music, it becomes evident that apart from
Olivia Bloechl’s work on Sting’s single “Desert Rose” (2005) the important subject has not
been taken up sufficiently within academic studies.
The paper intents to focus on following questions: On which referential system do
certain orientalist popular music devices depend? Is it possible and reasonable to draw a line
between almost unfiltered applications of non-Western musical elements and a profoundly
modified Western idea of it? Which western ideologies precede and uphold the increasing
phenomenon of orientalism in contemporary popular music? And finally, it will be debated
in how far sound concepts of orientalist popular music convey ideas of ethnicity and gender
otherness.
Markus Henrik Wyrwich studied Popular Music and Media (BA) at the University of
Paderborn and the Music Academy of Detmold from 2002 to 2005. For half a year he had
been a visiting student at the University of Salford to take part in the degree programme
Popular Music and Recording. In 2006, he received his MA in Popular Music Studies from the
University of Liverpool. Since summer 2007 he is doing his. In summer 2012, Markus Henrik
successfully completed his PhD project. PhD at the Humboldt-Univeristy of Berlin. Markus
Wyrwich's research focuses on Orientalism in contemporary popular music. He is especially
interested in questions of sound politics, ideologies and musical exoticism.
Beyond giving media and music seminars at Humboldt-University, he is working as a film
director, composer and novel author in Berlin.