Das Ernst‐Abbe‐Sportfeld in Jena beheimatet den Spitzenreiter der
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Das Ernst‐Abbe‐Sportfeld in Jena beheimatet den Spitzenreiter der
11 FREUNDE #87: Artikel zum Stadionposter Jena Das Ernst‐Abbe‐Sportfeld in Jena beheimatet den Spitzenreiter der ewigen DDR‐ Oberliga‐Tabelle und hat große Europapokalnächte erlebt. Inzwischen aber ist das mehrfach umgebaute Stadion in die Jahre gekommen – und es beherbergt nur noch einen Drittligisten. Die Fans kämpfen trotzdem für ein reines Fußballstadion Text Christoph Muxfeldt Dass im Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger im Jahr 1962 zwischen Jena und Atlético Madrid 11 500 Zuschauer mehr ins Ernst‐Abbe‐Sportfeld strömten, als eigentlich hineinpassten, war eine Sensation. Der Rekord für die Ewigkeit war möglich, da zusätzliche Sitzbänke auf die Laufbahn gestellt wurden und die Fans – vom Stadionsprecher pausenlos dazu aufgefordert – noch ein Stückchen näher zusammenrückten. Viel näher. Sie hockten praktisch überall: auf den Dächern, auf der Anzeigetafel und ein paar hingen in den Bäumen hinter der Südkurve. Udo Gräfe, Chronist und Ehrenratsvorsitzender des FC Carl Zeiss Jena, erinnert sich, dass er schon vier Stunden vor Spielbeginn auf seinem Platz stand. »Auf jeder der 50 Zentimeter schmalen Traversen standen mindestens zwei Menschenreihen. Du konntest dich nicht mehr umdrehen, die Zeit bis zum Anpfiff verging quälend langsam.« Leider hatte sich das Warten nicht wirklich gelohnt, die überlegenen Spanier und späteren Titelträger besiegten den Verein mit 1:0, der damals noch SC Motor Jena hieß. Die vielen Namensänderungen des Klubs beeinflussten das altehrwürdige Ernst‐Abbe‐Sportfeld kaum. Die Kult‐ Spielstätte hatte zunächst den FC Carl Zeiss, dann den 1. SV, die SG Ernst‐Abbe, die SG Stadion, die BSG Carl Zeiss, die BSG Mechanik, die BSG Motor, den SC Motor und seit 1966 wieder den FC Carl Zeiss Jena erlebt. Seinen heutigen Namen erhielt das Stadion, als die Carl‐Zeiss‐Stiftung das Areal 1939 aufkaufte. Gewürdigt wurde damit Ernst Abbe, der Jenaer Physiker, Sozialreformer und Begründer eben jener Stiftung. Errichtet wurde das Stadion »1. SV Jena«, wie es zunächst hieß, aber bereits 1924 von einer privaten Stadionbaugenossenschaft. Als Ernst‐Abbe‐Sportfeld wird bis heute das gesamte Stadionareal, inklusive verschiedener Nebenplätze, Leichtathletikanlagen und Nutzgebäude, bezeichnet. Die Anlagen wurden 50 Jahre lang nur sporadisch erweitert, auch weil sie den Zweiten Weltkrieg bis auf zwei Bombenkrater, die den Rasen ruinierten, unbeschadet überstanden. Die ersten großen Umbauarbeiten begannen, als in den Siebziger Jahren die 74 Meter hohen Flutlichtmasten (echte Wertarbeit, die rostfreien Rohre mussten bis heute kein zweites Mal gestrichen werden) aufgestellt wurden. Ihre Kronen mit den markanten je neun sprungbrettartigen Betonbühnen sind aus der Stadt‐Silhouette nicht mehr wegzudenken. 1978 wurde zwischen den Masten auf der Südseite die erste elektronische Anzeigetafel der DDR in Betrieb genommen. Der Riesenkasten ungarischer Bauart nebst hochmoderner Lochkartenlesemaschine tat seinen Dienst bis 2006, ehe ein Blitzschlag für sein kurzfristiges Ende sorgte. In das Gehäuse wurde eine kleinere Videowand eingebaut, die nach Beendigung des WM‐Fan‐Fests in Nürnberg nicht mehr gebraucht wurde. Rund zehn Jahre zuvor geschah die bedeutendste Veränderung am Ernst Abbe‐Sportfeld. Die kleine und beinahe antike Holztribüne aus dem Jahr 1924 wurde abgerissen und durch die neue Haupttribüne mit über 4000 Sitzplätzen ersetzt. Dies dürfte vor allem die Raucher unter den Jenaer Fans gefreut haben, schließlich war das Qualmen unter dem alten Bretter‐Dach bis dahin verboten, was von einer Feuerwehrkolonne bei jedem Spiel streng überwacht wurde. 2007 hat der Verein eine Reihe weiterer kostspieliger Umbauarbeiten vorgenommen, überwiegend um DFL‐Auflagen zu erfüllen. Derzeit wird der Umbau der Spielstätte in ein reines Fußballstadion in Jena debattiert. Ein erster Entwurf wurde in Auftrag gegeben, im Frühjahr erwartet der Klub erste architektonische Vorschläge. Dabei ist fraglich, ob die von den Fans energisch geforderten Maßnahmen angesichts eigener Drittligazugehörigkeit, Verpflichtungen gegenüber den Leichtathleten und knapper Kassen realistisch sind. Dass die Stadt das Ganze finanziert, ist unwahrscheinlich. »Da müsste schon irgendein Verrückter aus Brüssel kommen«, so Gräfe, der das Engagement der Fans, die eigens die Bürgerinitiative »Pro Stadion« gegründet haben und Spenden für die notwendige Totalüberholung sammeln, zu schätzen, aber auch einzuschätzen weiß. Der Spendenstand betrug Anfang des Jahres allerdings erst 4625,07 Euro. Anschrift: Oberaue 3, 07745 Jena Baujahr: 1924 Eintrittspreise: 6 bis 23 Euro Fassungsvermögen: 15 610 Plätze Größte dokumentierte Zuschauerzahl: 27 500 am 28. März 1962 gegen Atlético Madrid Im Netz: www.fc‐carlzeiss‐jena.de