Produktionscluster in Ostdeutschland

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Produktionscluster in Ostdeutschland
Stefan Krätke, Christoph Scheuplein
Produktionscluster in Ostdeutschland:
Methoden der Identifizierung und Analyse
- Kurzfassung Eine Studie im Auftrag der Otto Brenner Stiftung
Berlin, März 2001
Otto
Brenner
Stiftung
Herausgeber:
Otto Brenner Stiftung
Heike Kauls
Alte Jakobstraße 149
10969 Berlin
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Krätke
Euorpa-Universität Viadrina
Postfach 1786
15207 Frankfurt/Oder
Tel. 030-25 39 60 10
Fax: 030-25 39 60 11
email:Heike.Kauls@igmetall.de
07071-29 74506
07071-29 2417
zieger@euv-frankfurt-o.de
www.otto-brenner-stiftung.de
www.viadrina.euv-frankfurt.o.de/~wisogeo/
Identifizierung und Analyse von Clustern
Inhaltsverzeichnis
-2-
Seite:
1. Neue Wege der regionalen Strukturpolitik ....................
3
2. Wertschöpfungsketten ..................................................
5
3. Wie weit hilft die amtliche Statistik? ..............................
7
4. Rekonstruktion der regionalen Wertschöpfung ...........
11
5. Funktionsanalyse ........................................................
13
6. Netzwerkanalyse .........................................................
15
7. Darstellung der räumlichen Struktur ...........................
19
8. Nutzung in der Strukturpolitik ......................................
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Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
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1. Neue Wege der regionalen Strukturpolitik
Neuorientierung der
Strukturpolitik
Hinwendung zu regionalen
Wertschöpfungszusammenhängen
Problem: Cluster
auswählen
Cluster, Kompetenzzentren, regionale Innovationszentren –
mit diesen Schlagworten kann man ein wesentliches
Handlungsfeld der bundesdeutschen Strukturpolitik in den
neunziger Jahre benennen. Es ergab sich durch die
Veränderungen sowohl in der sektoralen wie der regionalen
Strukturpolitik. Zum einen wurde in der sektoralen
Dimension festgestellt, daß die Prosperität und
Innovationskraft von Branchen häufig von regionalen
Konzentrationen von Unternehmen und Institutionen
ausgeht. Aus diesem Grund wurde die Förderung auf
unternehmerische Netzwerke in Städten oder Regionen
ausgerichtet. Zum anderen mußte in der Regionalpolitik
konstatiert werden, daß die Regionalisierung von
Fördermitteln und die Stärkung der Eigenkräfte der Region,
wie sie seit den achtziger Jahren empfohlen worden war,
Schwächen aufwies. Zwar wurde das Wissen der
regionalen
Akteure
besser
genutzt
und
die
strukturpolitischen Hilfen konnten angemessener auf die
örtlichen Probleme zugeschnitten werden. Letztlich blieben
die Ansätze aber einer infrastrukturellen Angebotspolitik
verhaftet. Auch wenn man jetzt weniger auf Neuansiedlung
und stärker auf die Entwicklung des Unternehmensbestandes setzte, lösten diese Angebote keine regionale
Eigendynamik aus. Erfolgreiche Beispiele gab es dort, wo
die Infrastrukturen bestimmte Wertschöpfungszusammenhänge der Unternehmen unterstützten.
Die konkreten regionalen Wertschöpfungszusammenhänge
wurden damit zum entscheidenden Ansatzpunkt der
Strukturpolitik. Das bekannteste Beispiel, bei dem auf die
Bildung und Ausweitung von regionalen Netzwerken gesetzt
wird, ist sicherlich der Innoregio-Wettbewerb in
Ostdeutschland. Verschiedene Ansätze einer solchen
Cluster-Politik, wie sie auch genannt werden kann, wurden
inzwischen auch mit Unterstützung der IG Metall initiiert.
Dazu zählen etwa das Projekt „Regionalwirtschaftliche
Kooperation und arbeitsorientierte Strukturpolitik in
Nordrhein-Westfalen“
und
das
„Aktionsprogramm
Brandenburg“. Inzwischen sind verschiedene Modelle der
Umsetzung dieses Politikansatzes entstanden. Hierbei geht
es um dauerhafte Kooperationen regional ansässiger
Unternehmen, um die Zusammenführung von privaten und
öffentlichen Akteuren und um die Integration verschiedener
Politikfeldert, etwa der Technologie- und Strukturpolitik.
Weniger geklärt ist dagegen die vorgelagerte Phase der
Auswahl von Clustern. Meistens besteht die Begründung
eines Clusters aus einer Zusammenstellung von regionalen
Unternehmen und Institutionen, zwischen denen man
wirtschaftliche Beziehungen vermutet oder sich wünscht.
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Effizienz und Legitimation
sichern
Vorschlag für ein
Berichtssystem
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Diese erfahrungsgeleitete Entscheidungsfindung kann sehr
zügig und unkompliziert angewandt werden, sie weist
jedoch einige Gefahren auf. So können sich beispielsweise
die „Platzhirsche“ einer regionalen Ökonomie leicht die
Aufmerksamkeit der wirtschaftspolitischen Akteure sichern,
während neuartige und kleine, aber wachstumsintensive
Produktfelder nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Gleichzeitig
orientieren
sich
die
regionalen
Entscheidungsträger häufig an denselben populären
Trends, so daß sich Städte und Regionen gleich
dutzendweise zu Kompetenzzentren für Biotechnologie,
Umwelttechnik oder I&K-Technologien erklären. Dies
belastet clusterbezogene Politikansätze mit Effizienz- und
Legitimationsproblemen. Generell geht es bei der ClusterAuswahl um zwei miteinander verbundene Fragen:
•
Sind die wichtigen Wertschöpfungszusammenhänge
einer Region bekannt?
•
Wie
können
Wertschöpfungszusammenhänge
miteinander
verglichen
werden,
so
daß
die
Ansatzpunkte, Erfolgsaussichten und der Aufwand einer
clusterorientierten Strukturpolitik abschätzbar werden?
Für diese Aufgabe der Identifizierung und Analyse von
Clustern soll hier ein Vorschlag unterbreitet werden.
Erforderlich ist ein Berichtssystem, das eine einheitliche
Datenbasis herstellt und Kriterien anbietet, die entscheiden
helfen, ob und welche regionalpolitische Maßnahmen
angemessen sein können. Dieses Instrumentarium sollte in
der Lage sein,
•
Cluster sachlich und räumlich abzugrenzen,
•
die interne Verflechtung der Akteure aufzuzeigen und
•
einen Vergleich
ermöglichen.
(regionsintern
oder
überregional)
Dies sollte regionalpolitisch arbeitende Institutionen in den
Stand versetzten, sich bei einem vertretbaren Zeit- und
Kostenaufwand einen Überblick über die regionalwirtschaftlichen Strukturen zu verschaffen.
Von besonderer Relevanz ist dieser Ansatz in Ostdeutschland, wo nach 1989 die bestehenden Unternehmensbeziehungen aufgelöst und die Forschungsinfrastrukturen
komplett neu geordnet wurden. Im Vergleich zu Westdeutschland muß davon ausgegangen werden, daß die
Markt- und Unternehmensstrukturen noch immer wenig
regional verdichtet sind und die Zahl und das Niveau der
ostdeutschen Cluster deutlich unterentwickelt sind.
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Identifizierung und Analyse von Clustern
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2. Wertschöpfungsketten
Wie kann man regionale wirtschaftliche Verflechtungen –
beispielsweise den Automobil- und Maschinenbau im Raum
Stuttgart oder den Bankensektor in Frankfurt/Main –
beschreiben? Einen guten analytischen Zugang bietet der
Begriff der Wertschöpfungskette, der vor allem von Michael
Porter entwickelt und im deutschen Sprachraum von Dieter
Rehfeld für strukturpolitisch ausgerichtete Untersuchungen
genutzt wurde. Eine Wertschöpfungskette beschreibt einen
branchenübergreifenden Produktions-, Dienstleistungs- und
Distributions-Zusammenhangs von Unternehmen. Eine
vollständige Wertschöpfungskette umfaßt
Elemente einer
Wertschöpfungskette
(1) den Bereich Produktions-Vorbereitung bzw. ProduktEntwicklung, wozu man u.a. Forschung und Entwicklung,
Konstruktion, Design usw. rechnen kann,
(2) den Bereich der Produktion/Leistungserstellung (und
ihre Vorprodukte), wozu man (a) die Beschaffung von
Maschinen, Werkzeugen, EDV-Anlagen, ferner Vorprodukte
und Einbauteile, sowie die Beschaffung von Rohstoffen und
Materialien, (b) die Produktion im engeren Sinne, d.h. Herstellung eines Produkts bzw. einer Produktgruppe (oder
auch einer Dienstleistung) einschließlich der produktionsbezogenen technischen Dienste (z.B. Wartung und Reparatur) zählen kann,
(3) den Bereich Vermarktung bzw. Distribution, wozu
Marketing/Werbung, Vertrieb, Groß- und Einzelhandelsfunktionen für das betreffende Produkt gehören können.
Die Wertschöpfungskette kann in ihren verschiedenen
Elementen/Funktionen über eine Vielzahl von Unternehmen
verteilt sein (d.h. auch ein mehr oder weniger komplexes
Muster der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung aufweisen).
Elemente einer branchenübergreifenden Wertschöpfungskette
Produktions -Vorbereitung:
Produkt- Entwicklung
Test- und
Prüfeinrichtungen
Produktion / Leistungserstellung
(und ihre Vorprodukte)
Beschaffung
Produktion i.e.S.
Maschinenbau,
Werkzeugbau,
EDV-Anlagen
Marketing
Werbung
PRODUKT
Forschung und
Entwicklung
Konstruktion
(Ingenieurbüros)
Vermarktung
(Distribution)
oder
Produktgruppe
Vorprodukte,
Einbauteile
Vertrieb
Großhandel
Software
Design
Rohstoffe,
Materialien
Technische Dienste:
Wartung und
Reparatur
Einzelhandel
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Unterschiedliche
Aggregationsniveaus
Produktionscluster
Ökonomische Verflechtung
Kernkompetenzen
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Die Festlegung der Anfangs- und Endpunkte einer Wertschöpfungskette ist fallbezogen zu treffen. Das höchste
Aggregationsniveau stellen Versorgungsfunktionen dar, z.B.
Mobilität. Auf der mittleren Ebene bieten sich Branchen im
traditionellen Sinne von 2- oder 3-Stellern der Wirtschaftszweigsystematik an, z.B. die Automobilindustrie. Schließlich
können auch einzelne Systeme oder Komponenten gewählt
werden, z.B. Bremssysteme. Je niedriger das Aggregationsniveau ausfällt, desto detaillierter wird die Wertschöpfungskette zu skizzieren sein und desto präziser
werden Unternehmen den Wertschöpfungskettenglieder
zugeordnet werden können.
Sofern relevante Funktionen einer Wertschöpfungskette in
einer Region versammelt sind und die Akteure Austauschund Kommunikationsbeziehungen unterhalten, liegt ein
Produktionscluster vor. (Von Produktionscluster wird hier
gesprochen, um den Begriff von seiner Verwendung in der
Mathematik und Chemie abzusetzten. Wie oben erwähnt
sind jeweils sämtliche ökonomische Aktivitäten gemeint.
Insbesondere viele der Dienstleistungen sind anfällig für
räumliche Clusterung.) Wo die Schwellenwerte für die wirtschaftliche, institutionelle und geographische Verdichtung
zu einem Produktionscluster liegen, hängt von der jeweiligen Wertschöpfungskette und dem gewählten Bezugsraum
ab.
Das Instrument der Wertschöpfungskette ist nun nicht als
bloße Auflistung der Bearbeitungsstufen eines Produktes zu
verstehen. Neben der Verdeutlichung der stofflich-technologischen Zusammenhänge ist es auch geeignet, die wirtschaftlichen Zusammenhänge anzuzeigen. Zuerst bedeutet
dies, einen „Cluster-Kern“ zu identifizieren. Dieser wird etwa
im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes im Bereich der
Finalproduzenten, bei denen die Fäden der Zulieferer
zusammenlaufen, sowie bei wichtigen Zulieferern und
Vertriebsunternehmen liegen. Davon wäre ein „ClusterUmfeld“ mit eher nachgeordneten Kettengliedern zu unterscheiden. Dies kann z.B. Kettengliedern mit sehr
beschränkten oder seltenen Kontakten zu den anderen
Kettengliedern umfassen.
Weitergehend kann an das betriebswirtschaftliche Konzept
der Kernkompetenzen angeknüpft werden, das die
strategischen Schlüsselakteure und Hierarchieverhältnisse
einer Wertschöpfungskette beschreiben soll. Unter
Kernkompetenzen versteht Gary Hamel, der diesen Begriff
wesentlich geprägt hat, Fähigkeiten, mit denen sich
Unternehmen
entscheidende
Wettbewerbsvorteile
erarbeiten. Kernkompetenzen sind dabei nicht mit einzelnen
Endprodukten oder Geschäftseinheiten gleichzusetzen,
sondern verkörpern eine generalisierte Fertigkeit, mit deren
Hilfe verschiedene Endprodukte hergestellt werden können.
Kernkompetenzen sind nicht auf die Beherrschung von
Technologien beschränkt, sie können auch in den
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Eigenschaften einer
Kernkompetenz
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Technologien beschränkt, sie können auch in den
Humanressourcen oder in der Unternehmensstruktur bzw.
Unternehmensstrategie liegen. Um zum Kern zu gehören,
sollte eine Kompetenz
•
ein Spektrum von Anwendungsmöglichkeiten eröffnen,
•
einen erheblichen Beitrag zum Wettbewerbsvorteil der
Produkte leisten,
•
schwer imitierbar und substituierbar sein (aufgrund ihrer
Exklusivität, dem zeitlichen oder sachlichen Aufwand
ihrer Generierung, ihrer ursächlichen Unbestimmtheit).
Eine darüber hinaus reichende Systematisierung erscheint
angesichts
der
Vielzahl
von
unterschiedlichen
Kernkompetenzen, die bereits in empirischen Studien
identifiziert wurden, als wenig aussagekräftig.
Einzigartigkeit einer
Verknüpfung von
Fähigkeiten
Diese betriebsbezogene Betrachtung kann sehr sinnvoll auf
Produktionscluster ausgedehnt werden, da sich ihre
Wettbewerbsvorteile gerade durch die schwer imitierbaren
und substituierbaren räumlichen Beziehungssysteme von
Unternehmen konstituieren. Somit tritt noch die Dimension
der zwischen- und überbetrieblichen Generierung von
Kernkompetenzen hinzu. Generell ist bei einem
funktionierenden Produktionscluster davon auszugehen,
daß die spezifische Verknüpfung mehrerer (möglicherweise
in vielen Gegenden anzutreffenden) Fähigkeiten den
entscheidenden Vorteil ausmacht. Dabei kann die
Kernkompetenz z.B. horizontal bei mehreren Unternehmen
eines Wertschöpfungskettengliedes liegen. Zudem ist die
Betrachtung über den Unternehmenssektor hinaus zu
öffnen, da die Kompetenz auch in der Verknüpfung zu
öffentlichen Institutionen liegen kann.
3. Wie weit hilft die amtliche Statistik?
Produktionscluster in der
amtlichen Statistik?
Bekanntlich werden in traditionellen Branchenuntersuchungen die sektoralen Zusammenhänge abgebildet, in dem
eine bestimmte Gliederungsebene der amtlichen Wirtschaftszweigsystematik (z.B. die Wirtschaftsabteilungen des
Verarbeitenden Gewerbes) für eine bestimmte Raumkategorie (z.B. Kreise) dargestellt werden. Dagegen können die
funktionalen Beziehungen von Produktionsclustern der
amtlichen Statistik nicht unmittelbar entnommen werden.
Dennoch bleibt die amtliche Klassifikation der Wirtschaftszweige eine der wesentlichen Datengrundlagen. Aus
diesem Grund sollen hier kurz die Ordnungsprinzipien der
amtlichen Statistik in Erinnerung gerufen und aufgezeigt
werden, inwiefern mit ihr einige für Cluster wesentliche
Funktionalbeziehungen abgebildet werden können.
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Systematik der
Wirtschaftszweige
„Abschnitte“
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In der aktuellen Wirtschaftszweigsystematik (WZ 93) der
amtlichen
Statistik
werden
alle
Ebenen
der
Wirtschaftszweigklassifikation nach den charakteristischen
Waren und Dienstleistungen sortiert. Dabei stützt sich die
Einteilung im wesentlichen auf eine Güterklassifikation.
Zugleich ist jedoch die Tätigkeit zu berücksichtigen, denn
teilweise ist auch das Herstellungsverfahren oder der
eingesetzte Rohstoff entscheidend. Die statistischen
Einheiten (z.B. Unternehmen oder örtliche Betriebe) werden
dann nach ihrer wirtschaftlichen Haupttätigkeit in dieses
Kategorienraster eingeteilt. Eine wirtschaftliche Tätigkeit ist
durch „einen Input von Erzeugnissen (Waren und
Dienstleistungen), einen Produktionsprozeß und die
produzierten Erzeugnisse gekennzeichnet“, wie das
Statistische Bundesamt erläutert. Die Haupttätigkeit
bestimmt sich über die Tätigkeit, die den größten Beitrag
zur Wertschöpfung der Einheit leistet, bzw. deren
Wertschöpfung größer als der jeder anderen Einheit ist. Die
Einheiten werden nach der top-down-Methode eingeordnet,
d.h. beginnend auf der obersten Ebene mit der Einordnung
in den zugehörigen Abschnitt. Diese Ebene der „Abschnitte“
ist geordnet nach der Stellung im gesamtwirtschaftlichen
Produktionsprozeß, wobei die Abschnitte A-C die
Urproduktion, die Abschnitte D-F die Warenherstellung und
die Abschnitte G-Q die Warenvermittlung und andere
Dienstleistungen enthalten. Mit den Abschnitten L
(Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung),
P (Private Haushalte) und Q (Exterritoriale Organisationen
und Körperschaften) wird auch die Stellung zum
Marktprozeß berücksichtigt. Auf der zweiten Ebene, der
detaillierten Gliederung der Abschnitte C (Bergbau und
Gliederung der Wirtschaftszweigsystematik
Ebene
Code
Beispiel
Kriterium
Abschnitt
Buchstaben A – Q
D: Verarbeitendes
Gewerbe
Stellung im gesamtwirtschaftlichen Produktionsprozeß;
institutionelle
Zuordnung
31
Unterabschnitt
DB: Textil- u. Bekleidungsgewerbe
Output
60
Abteilung
17: Textilgewerbe
222
Gruppe
503
Klasse
Zweistellige
Buchstabenfolge
AA – QA
Zweistelliger Code
01-99
Dreistelliger Code
01.1 – 99.0
Vierstelliger Code
01.11 – 99.00
Fünfstelliger Code
01.11.1 – 99.00.3
Output, Input und
technische oder
organisatorische
Ähnlichkeit des
Produktionsprozesses
Zahl
17
Bezeichnun
g
1.062 Unterklasse
17.2 Weberei
17.21 Baumwollweberei
17.21.3 Gardinenstoffweberei
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Identifizierung und Analyse von Clustern
„Unterabschnitte“
„Abteilungen“
Beispiele für funktionale
Beziehungen
Leicht identifizierbare
Produktionscluster
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Gewinnung von Steinen und Erden) und D (Verarbeitendes
Gewerbe) in „Unterabschnitte“ sind diese nach dem Output
geordnet. So wird die Herstellung von Lederbekleidung und
Schuhen nicht dem Unterabschnitt DC (Ledergewerbe)
zugeordnet, sondern dem Unterabschnitt DB (Textil- und
Bekleidungsgewerbe).
Ab der nächsten Gliederungsstufe der „Abteilungen“ werden
zusätzlich
die
Kriterien
des
Inputs
und
des
Produktionsprozesses angewandt. Dabei bezieht sich das
Kriterium des Produktionsprozesses nicht nur auf
technische Verfahren, sondern auch auf organisatorisch
ähnliche Produktionsabläufe. So ist die Zusammenfassung
von Druckereien und Vervielfältigern von Compact Discs in
der Abteilung 22 „Verlagsgewerbe, Druckgewerbe,
Vervielfältigung
von
bespielten
Ton-,
Bildund
Datenträgern“ durch eine verwandte Organisation des
Produktionsprozesses (Fixierung von Medieninhalten auf
einem materiellen Träger) gerechtfertigt. Betrachtet man die
Drei- bis Fünfsteller der Wirtschaftszweigsystematik, dann
werden einige für die Cluster-Identifizierung nutzbare
funktionale Zusammenhänge deutlich. Der Dreisteller 27.5
„Gießereiindustrie“ ist z.B. über eine Tätigkeit bzw.
Produktionsstufe definiert, die mit den zu ihr gehörenden
Vierstellern, z.B. die Klasse 27.53 „Leichtmetallgießerei“,
genauer beschrieben wird. Unternehmen in einer so
definierten Klasse konkurrieren vermutlich, aber nicht
notwendig miteinander. Zumindestens haben sie jedoch
über ihre Beschaffungsmärkte, über ihren Arbeitskräftepool,
über Forschungsinstitutionen und über Wirtschaftsverbände
gemeinsame Schnittmengen. Andere Gruppen sind über
Konsumprodukte definiert (wobei allerdings nicht davon
ausgegangen werden kann, daß alle genannten Betriebe
das Endprodukt fertigen). Ein Beispiel ist der Viersteller
36.13 „Herstellung von Küchenmöbeln“. Hier wird - einmal
abgesehen von einer Marketing- und Preisdifferenzierung die parallele Wettbewerbssituation der Unternehmen noch
deutlicher. Es gelten wiederum die anderen oben erwähnten
Schnittmengen. Zusätzlich muß die für einzelne
Wirtschaftszweige
unterschiedliche
Abbildung
von
Verflechtungszusammenhängen berücksichtigt werden.
Teilweise können sie durchaus als Ganzes oder über ihre
Teilbereiche in der Statistik gefunden werden. Als
Faustregel gilt, daß ein Produktionscluster desto genauer
der Statistik entnommen werden kann, je historisch älter
eine Wertschöpfungskette existiert (und von den Statistikern
berücksichtigt werden konnte), je geringer sein Wertschöpfungsanteil der Dienstleistungen ausfällt und je ausschließlicher es sich einem Output-Faktor zuordnen läßt. So
können etwa Cluster der Automobilindustrie noch ganz
leidlich über die Statistik eruiert werden – erst neuere Entwicklungen wie die Schnittstellen zur Telematik und die Integration von Verkehrssystemen werfen Probleme auf.
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Grenzen aus der
Perspektive von ClusterAnsätzen
Ungenügende
Spezifizierung
„Verteilte“ Produktionscluster
Unsichtbarer
Strukturwandel ...
... und unsichtbares Milieu
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Damit kommen auch die Grenzen der Wirtschaftszweigsystematik in den Blick. Jede Gliederung nach der Tätigkeit,
die wiederum über den Output, den Produktionsprozeß und
den Input beschrieben wird, muß zwangsläufig einen Teil
der ökonomischen Zusammenhänge ausblenden. So kann
es zum einen geschehen, daß ein spezifischer Wertschöpfungszusammenhang auf der Aggregationsebene der
amtlichen Statistik nicht erfaßt wird. Der Cluster-Kern geht
dann auf in zu weit gefaßte Kategorien der amtlichen Statistik. So können regionale Spezialisierungsmuster in der
Informations- und Telekommunikationsbranche nur sehr
grob nachgewiesen werden. Ein weiteres Hindernis liegt
darin, daß die Unternehmen eines Produktionscluster auf
verschiedene statistische Gliederungen verteilt sein können,
so daß sich die Produktionsverflechtung mit einer statistischen Analyse nicht nachweisen läßt. Das Produktionscluster als systemischer Zusammenhang verschwindet
gewissermaßen im Raster der zugelieferten Vorprodukte
und Dienstleistungen. Die Umweltschutzwirtschaft beispielsweise kann als ein sich formierendes Cluster in einigen Regionen gesehen werden, das aber mit der Betrachtung der
Abteilung 90 „Abfall- und Abwasserbeseitigung“ und der
Abteilung 37 „Recycling“ nur ausschnittsweise erfaßt ist.
Weitere clusterrelevante Unternehmen finden sich in der
amtlichen Statistik in ganz unterschiedlichen Branchen wie
dem Maschinenbau, der Meß- und Regelungstechnik, der
Technischen Beratung und Planung, dem Handel und der
Chemie.
Ein weiteres Überdecken ökonomischer Verflechtungen tritt
im Zeitablauf ein. Je länger der Strukturwandel andauert
und neue Produkte entstehen bzw. alte Produkte mit
anderen Inputs und Produktionsverfahren hergestellt
werden, desto häufiger verbergen sich hinter alten
Gliederungstiteln ganz neue Produkte, bzw. der technischorganisatorische Zusammenhang eines Produkts ist auf
verschiedene Gliederungen verteilt. So ist etwa die Softwareentwicklung (Fünfsteller 72.20.2) nicht weiter untergliedert, obwohl hier bereits eine breite Auffächerung von
Produkten bzw. Märkten eingetreten ist. Seit langem
bekannt (und durch die Einführung der WZ 93 nur teilweise
gemildert) ist dieses Problem der ungenügenden Differenzierung bei den Dienstleistungen. Vollständig verschwinden
darüber hinaus die institutionellen und sozio-kulturellen
Momente des Clusters. Der wirtschaftliche Nutzen, den ein
regionales Kooperations- und Innovationsmilieu stiftet,
richtet sich natürlich nicht nach den Einteilungen der
amtlichen Statistik. Insbesondere Cluster in den Bereichen
der
Hochtechnologie
und
der
höherwertigen
Dienstleistungen sind häufig „milieu-basiert“ und werden
angetrieben durch die Wechselwirkungen zwischen getrennt
voneinander entwickelten Technologien und Produkten.
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Identifizierung und Analyse von Clustern
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4. Regionale Wertschöpfung identifizieren
Nach diesen methodischen Vorüberlegungen kann jetzt
eine Methodik zur Identifizierung und Beschreibung von
Produktionsclustern vorgeschlagen werden: Erstens werden
Anhaltspunkte für Produktionscluster gesammelt und die
spezifische regionale Wertschöpfung rekonstruiert, zweitens
die konkreten Akteure in der Region identifiziert und befragt
und drittens diese Datenbasis ausgewertet.
Untersuchungsprogramm
Identifizierung und Analyse von Produktionsclustern
ClusterVermutung
prüfen
1. regionalstatistische Analyse
und Expertenbefragungen
2. Rekonstruktion von
Wertschöpfungsketten
ClusterAkteure
befragen
1. Unternehmen
identifizieren
2. Befragung
Qualtitätsanalyse
1. Funktionsanalyse
der Wertschöpfungskette
2. Netzwerkanalyse
3. Kartographie
Strukturpolitische
Empfehlungen
Erste Anhaltspunkte über Produktionscluster werden häufig
schon durch die vorhandenen regionalwirtschaftlichen
Kenntnisse vorliegen. Man kann sie auch durch gezielte
Befragungen von regionalen Entscheidungsträgern aufspüren. Ein systematischer Weg besteht in der Auswertung
der Industrie- oder Umsatzsteuerstatistik eines Untersuchungsraumes (möglichst auf der Basis der 4- oder 5Steller der Wirtschaftszweigsystematik) mit regionalstatistischen Methoden. Hierzu zählt beispielsweise die absolute
Konzentration, die angibt, mit welchem Anteil eine
wirtschaftliche Aktivität in einem Untersuchungsraum (z.B.
einem Kreis oder Bundesland) zu einem Bezugsraum (z.B.
Deutschland) vertreten ist. Aussagekräftig ist auch der
Lokalisationsquotient, mit dem man das Vorhandensein
einer wirtschaftlichen Aktivität in einem Untersuchungsraum
im Verhältnis zum Anteil dieser Aktivität in einem
Bezugsraum mißt. Zeichnet sich eine deutliche
Konzentration einer wirtschaftlichen Aktivität ab, dann
werden im nächsten Schritt davon ausgehend mögliche
Wertschöpfungsketten (unter Rückgriff auf entsprechendes
Expertenwissen) rekonstruiert. Häufig kann man solchen
Wertschöpfungsketten dann einzelne Kategorien der Wirtschaftszweigsystematik zuordnen und auf dieser Basis die
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Identifizierung und Analyse von Clustern
Wertschöpfungskette
Zeitungen/Zeitschriften
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schaftszweigsystematik zuordnen und auf dieser Basis die
Berechnung von Konzentrationsmaßen auf Basis von Wertschöpfungsketten wiederholen. Als Beispiel sei hier die
Wertschöpfungskette Zeitungen/Zeitschriften angeführt.
Wertschöpfungskette „Zeitungen/Zeitschriften“
Produktions-Vorbereitg.
bzw. Inhalts-Produktion
Hinweise auf räumliche
Konzentration
Materielle Produktion
(und ihre Vorprodukte)
Presseagenturen
Papier,
Druckmaterialien
Zeitungsverlag,
Zeitungsredaktion
Druckvorbereitung:
Grafiker.
Lithographen,
Fotographen, etc.
Freie Mitarbeiter
Druckmaschinen
Vermarktung/Vertrieb
(Distribution)
Zeitungs-Kioske
Zeitungs-Druckerei
Direktzustellung
Zeitschriftenhandel,
Buchhandel
K
O
N
S
U
M
E
N
T
E
N
Eine regionalstatistische Analyse der Umsatzsteuerstatistik
zeigt etwa eine hohe absolute Konzentration von Umsätzen
bei den Zeitschriftenverlagen (19,84 %) und von Unternehmen bei Korespondenz- und Nachrichtenbüros (6,24%).
Dies kann den Anstoß geben, die entsprechende Wertschöpfungskette möglichst detailliert darzustellen und entsprechende Kategorien der amtlichen Statistik zuzuordnen
(siehe folgende Tabelle).
Nimmt man an, daß die zentrale Kompetenz in der InhaltsProduktionscluster "Printmedien":
Zeitschriften- u. Zeitungsproduktion in Berlin 1997*
Cluster"Kern"
Nr. WZ
93:
Aktivitätszweig:
21.12
H.v.Papier,Karton
u.Pappe
Zeitungsverlag
Zeitschriftenverlag
Zeitungsdruckerei
Satzherstellung
u.Reproduktion
H.v.Masch.f.d.
Druckgewerbe
Korrespondenzu.Nachrichtenbüros
Selbst.Journalisten
u.Pressefotografen
Eh.m.Unterhaltungszeitschriften u.
Zeitungen
22.12
22.13
22.21
22.24
29.56.1
92.40.1
Cluster- 92.40.2
"Umfeld"
52.47.3
Insgesamt:
darunter: Cluster-"Kern":
*Datenquelle: Umsatzsteuerstatistik
Unternehmen
Anzahl
13
Lokalisationsquotient
UnterUmsätze
nehmen
0,52
0,15
16
53
5
146
0,72
0,73
0,32
1,78
0,73
6,86
0,01
2,21
11
0,89
0,28
39
1,70
1,27
878
2,50
2,37
410
4,14
3,72
1.571
283
2,23
1,12
2,11
2,07
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Identifizierung und Analyse von Clustern
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produktion (Verlage und ihre Redaktionen) sowie in der
materiellen Umsetzung liegt, dann kommt man für Berlin auf
rund 283 Unternehmen und eine absolute Konzentration
entsprechender Unternehmen von 4,1 % aller Unternehmen
in Deutschland. Der regionale Anteil dieses Clusters an
allen Umsätzen im Bundesland Berlin liegt – wie der Lokalisationsquotient in der obigen Tabelle angibt – bei rund 2 %.
Insgesamt scheint die Zeitungs- und Zeitschriftenproduktion
einen klaren Schwerpunkt in Berlin zu haben, wobei sie in
der Regionalökonomie nicht allzu stark ins Gewicht fällt.
Unternehmensbefragung
Funktionsanalyse &
Netzwerkanalyse &
räumliche Darstellung
Auf der Basis dieser quantitativen Einschätzung kann im
nächsten Schritt eine Identifizierung konkreter ClusterAkteure (Unternehmen und Institutionen) und deren Befragung angegangen werden. Die Unternehmensadressen
können mit den einschlägigen Unternehmensdatenbanken
und Branchenverzeichnissen beschafft werden. Einige Experteninterviews und die Auswertung von Sekundärmaterialien können gewährleisten, daß der Fragebogen auf den
spezifischen regionalen Wertschöpfungszusammenhang
zielt. Erfragt werden sollten
• allgemeine Strukturmerkmale der Unternehmen,
• das Produkt-/Leistungsspektrums,
• Formen der Kooperation bzw. institutionellen Einbindung
sowie die
• Transaktions- und Kommunikationsbeziehungen der
Unternehmen und Institutionen.
Mit den Transaktionsbeziehungen ist der Austausch von
Produkten oder Diensten zwischen Unternehmen gemeint,
mit den Kommunikationsbeziehungen sind die informellen
Beziehungen zu anderen Unternehmen oder Institutionen
angesprochen. Mit diesen Abfragen sollen die regionale
Verflechtung und die überregionale Einbindung ermittelt
werden. Die Auswertung erfolgt in drei Schritten: Zuerst wird
erhoben, wie stark die einzelnen Funktionen der Wertschöpfungskette abgedeckt sind, anschließend wird eine
Netzwerkanalyse der Transaktions- und Kommunikationsbeziehungen erstellt und zuletzt kann eine Darstellung der
Raumstrukturen erfolgen.
5. Funktionsanalyse
Darstellung der
funktionalen Beziehungen
Mit dem Instrument der Wertschöpfungskette können die
funktionalen Beziehungen von Unternehmen dargestellt
werden. Über ihre Angaben zum Produkt- und
Leistungsspektrum können die befragten Unternehmen
diesen Funktionen der Wertschöpfungskette zugeordnet
werden. Damit können folgende Aussagen getroffen
werden:
•
Der
Besatz
der
einzelnen
Funktionen
der
Wertschöpfungskette kann dargestellt werden. Wurden
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Identifizierung und Analyse von Clustern
zahlreiche Unternehmen einbezogen, können einzelne
Strukturmerkmale
aufgezeigt
werden,
z.B.
Unternehmensgrößenklassen, Eigentumsverhältnisse,
Innovationskapazitäten etc..
Strukturmerkmale
einzelner Glieder der
Wertschöpfungskette
•
Regionale Spezialisierung
Stärken und Lücken der
Potsdamer Filmwirtschaft
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Die Befragungsergebnisse ergeben zusammen mit der
regionalstatistischen Analyse und den Experteninterviews ein genaueres Bild des spezifischen regionalen
Profils der Wertschöpfungskette, das mit dem Profil
anderer gleichartiger Produktionscluster verglichen
werden kann. Auf diese Weise können die besonderen
Stärken und Schwächen (eventuell das Fehlen wichtiger
Glieder der Wertschöpfungskette in der Region) konturiert werden.
In der folgenden Tabelle sind die entsprechenden Ergebnisse aus einer Studie über die Filmwirtschaft am
Standort Potsdam-Babelsberg zusammengefaßt. Es konnte
gezeigt werden, daß die Region weitgehend ein filmwirtschaftliches „Vollsortiment“ anbieten kann. Ein dünner
Besatz ergab sich allerdings bei den letzten Schritten der
filmischen Nachbereitung (Synchronisation, Kopieren) und
bei den Auftraggebern für Filmproduktionen. In beiden
Feldern existieren enge Verknüpfungen nach Berlin, so daß
man von einer innerregionalen Arbeitsteilung sprechen
kann. Gleichzeitig existieren Verknüpfungen auch in andere
Regionen, so daß vor allem im Bereich der Auftragsvergabe
eine starke externe Fremdsteuerung der Region vorzuliegen
scheint. In der Kombination von Unternehmensbefragung
und qualitativen Aussagen regionaler Entscheidungsträger
konnte dabei das Profil der Potsdamer Filmwirtschaft
detailliert eingeschätzt werden.
Funktionen der Filmwirtschaft Potsdam-Babelsberg Tätigkeitsbereich
Anteil im
Sample
Bewertung
des
Standorts
Potsdam
Filmproduktion
50,0 %
Postproduktion: Animation, Effekte
13,2 %
Film- u. TV-Studio
10,0 %
Film- u. Studio-Dienstleistungen
13,2 %
++
+
+
+
3,3 %
k.A.
Filmkopien, Synchronisierung
3,3 %
TV-Sender/Filmverleih
6,6 %
Sonstige
N = 30 Unternehmen
Ausprägung:
stark:
++
mittel:
+
Schwach:
-
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 15 -
6. Netzwerkanalyse
Transaktionsnetz
Kommunikationsnetz
Eine Netzwerkanalyse kann unter anderem für die
folgenden beiden Interaktionstypen erarbeitet werden:
• Ein Transaktionsnetz beinhaltet reale wirtschaftliche
Austausch- bzw. Geschäftsbeziehungen, die sowohl
horizontale als auch vertikale Verbindungen von
Unternehmen umfassen. Es wird ermittelt, indem die
Unternehmen nach ihren wichtigsten Lieferanten und
Kunden gefragt werden.
• Ein Kommunikationsnetz umfaßt die Kommunikationsbeziehungen zwischen Firmen und regionalen
Institutionen, die nicht mit monetären Flüssen verbunden sind. Es wird ermittelt, indem die Unternehmen
ihre Kontaktpartner benennen (und möglicherweise die
Intensität der Kontakte bewerten).
Transaktionsnetz im regionalen Cluster Filmwirtschaft Potsdam-Babelsberg
A52
A53
Transaktionsnetz der
Filmwirtschaft in Potsdam
A60
A59
Legende
A57
A63
A33
A34
A78
befragte
regionale
Unternehmen
An
A36
A19
A42
A71
A73
A81
A3
A23
A18
A26
A24
An
über Befragung
erfasste regionale
Unternehmen
A17
A22
Transaktion
A61
A37
A16
A84
A10
A51
A38
A7
A40
A2
A14
A83
A31
A15
A13
A82
A12
A21
A8
A32
A30
A28
A11
A56
Mit diesen Angaben können Matrizen aus den Beziehungen
zwischen sämtlichen Akteuren erstellt und diese graphisch
und rechnerisch ausgedrückt werden. Eine graphische
Darstellung des Transaktionsnetzes für das bereits
erwähnte Beispiel der Filmwirtschaft Potsdam/Babelsberg
zeigt ein relativ dicht verflochtenes Ensemble von
unternehmerischen Akteuren ("visuelle" Dichte). Die
grafische Rekonstruktion des Netzes kann nicht nur
hinsichtlich der Dichte, sondern auch hinsichtlich der
Kohäsion des Netzes und der Zentralität bestimmter
Akteure oder Akteurs-Gruppen im Netz interpretiert werden:
das Beziehungsnetz im Cluster Potsdam/Babelsberg weist
praktisch keine Lücken und auch keine insularen Teilnetze
ohne Verbindung untereinander auf, so daß von einer
erkennbaren Kohäsion des Beziehungsnetzes gesprochen
werden kann.
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 16 -
Übrigens haben die Abstände der Akteure im zweidimensionalen Bild keine geographische Dimension, sondern entsprechen der transaktionsbezogenen "Nähe" jedes Akteurs
zu allen anderen.
Grad der Verbundenheit
Die Netzwerkstrukturen können auch mit Hilfe von
Kennziffern ausgedrückt werden. So gibt der Grad der
Verbundenheit ("degree") die Dichte des Beziehungsnetzes
im Produktionscluster an. Er sagt aus, welchen Prozentsatz
die realisierten Verbindungen an der Gesamtzahl der
potentiellen Verbindungen des Netzes erreichen. In dem
Beispiel des Film-Clusters Potsdam/ Babelsberg mit 55
erfaßten Akteuren beträgt der Grad der Verbundenheit
0,157 (bzw. annähernd 16%), was als relativ hoher Wert
gelten kann.
Die weiteren Schritte der Netzwerkanalyse sollen hier kurz
angedeutet werden:
Gruppenbildung
Zentralität von
Unternehmen
Vor- und Nachteile von
Zentralisierung
1. Die Unternehmen können nach verschiedenen Merkmalen, z.B. den Funktionen der Wertschöpfungskette, nach
Größenklassen oder etwa der Beschäftigtenentwicklung in
Gruppen eingeteilt werden. Anschließend können für diese
Gruppen (und auch für einzelne Unternehmen) Netzwerk"Positionen" berechnet werden.
Geeignete Kennziffern zur Beschreibung der Netzwerkposititonen sind der Einbindungsgrad ("Degree") eines
Akteurs, mit dem der Grad seiner Einbindung in das Gesamtnetz, d.h. die Zentralität seiner Netzwerkposition bestimmt wird. Auf Basis der Degree-Werte aller Akteure kann
die Zentralisierung des Gesamtnetzes bestimmt werden.
Die Interpretation eines hohen Zentralisierungsgrades bleibt
allerdings ambivalent: sie läßt sich einerseits positiv interpretieren in dem Sinne, daß Akteure mit hoher Zentralität in
Beziehungsnetzen aus ihrer Position heraus z.B. Zugang zu
vielen spezialisierten Leistungen und Informationsquellen
gewinnen und dadurch "Innovationen" im weitesten Sinne
generieren bzw. deren Ausbreitung im Netzwerk aktiv
beeinflussen können. Andererseits kann die starke Netzwerkzentralisierung ein Produktionscluster auch „störanfälliger“ machen, wenn nämlich der zentrale Akteur in Schwierigkeiten gerät und diese Entwicklung auf die vielen mit ihm
verbundenen Cluster-Firmen durchschlägt. Eine solche
Störanfälligkeit wurde etwa im Produktionscluster Potsdam/
Babelsberg im Frühjahr 2000 deutlich, als der größte
Studiobetrieb - aufgrund eines Wechsels von Führungskräften und eines gleichzeitig angekündigten Strategiewechsels – unter den Firmen im Cluster-Kern große Verunsicherung hinsichtlich der weiteren Entwicklung der Filmwirtschaft in Potsdam/Babelsberg aufkommen ließ.
Eine zweite Kennziffer der Netzwerkpositionen ist der Grad
der "Betweenness" eines Akteurs. Betweenness ist ein Maß
für die potentielle Informationszentralisierung im Netzwerk,
oder ein Maß für die potentielle Kontrolle des BeJanuar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
Unternehmen als
Informationsvermittler
Analyse des Kommunikationsnetzwerkes
Überregionale Einbindung
Kriterien zum Vergleich
von Cluster-Qualitäten
- 17 -
oder ein Maß für die potentielle Kontrolle des Beziehungsnetzes durch jene Akteure, die eine "Mittlerposition" im Netz einnehmen. Akteure mit hohen Werten der
Betweenness nehmen im Beziehungsnetz eine starke
Mittlerposition ein, im Sinne einer Netzposition, in der Informationen über Leistungsspektrum, Angebote und Geschäftsbeziehungen im Kreise der Cluster-Firmen zusammenkommen. So kann die Stärke der Mittlerposition auch
die Stellung von Unternehmen deutlich machen, die wie
eine „Spinne“ ein Netz beherrschen.
2. Eine ähnliche Darstellung der Netzwerkdichte und der
Netzwerkpositionen einzelner Gruppen mit Grafiken und
Kennziffern kann auch für das Kommunikationsnetzwerk
angefertigt werden. Dabei interessiert vor allem die regionalwirtschaftliche Einbindung verschiedener Institutionen.
So zeigt eine Untersuchung zur Holzwirtschaft im Land
Brandenburg, daß zu einigen Institutionen häufige Kontakte
von vielen Unternehmen bestehen. Dabei handelt es sich
jedoch ausschließlich über die branchenübergreifenden Institutionen (Arbeitsamt, Handelskammer, Handwerkskammer), während die Kontakte zu Institutionen eines möglichen clusterspezifischen Kooperationsumfeldes (Forschungseinrichtungen und Verbände der Holzwirtschaft)
kaum ausgeprägt sind.
3. Nach dieser Betrachtung der cluster-internen Verflechtung können im nächsten Schritt die überregionalen
Beziehungen der Unternehmen dargestellt werden – soweit
sie von Unternehmen benannt wurden. Auf diese Weise
können wesentliche Ziel- und Ausgangsregionen für
Warenlieferungen sowiie die besonderen Arten von
Warenströmen aufgezeigt werden. Auch diese nationale
oder internationale Betrachtungsebene kann wiederum
nach Funktionsgruppen differenziert werden.
Innerhalb der jetzt vorgestellten Funktionsanalyse von
Wertschöpfungsketten sowie der Netzwerkanalyse wurden
verschiedene Kriterien zur Beschreibung von Produktionsclustern entwickelt. Diese sollen abschließend zusammengestellt werden:
•
Ausmaß der Funktionsdifferenzierung (Darstellung des
funktionalen Profils einer Wertschöpfungskette; eventuell im Vergleich mit anderen Regionen);
•
Netzwerk-Dichte (ermittelt über den Grad der Verbundenheit zwischen Cluster-Akteuren);
•
Netzwerk-Kohäsion (Gliederung des Produktionsclusters
in isolierte Komponenten oder Zusammenahng als
Gesamtnetz);
•
Netzwerk-Zentralisierung (Stärke der Verbindung eines
Akteurs oder einer Gruppe mit allen anderen Akteuren);
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 18 -
•
Überregionale Transaktionsbeziehungen (Umfang und
Art der Beziehungen, Charakterisierung der Bezugsregionen);
•
Räumliche Verdichtung der Unternehmen (innerhalb der
Untersuchungsregion);
•
Qualität der institutionellen Infrastruktur (Vielseitigkeit,
Spezifik und Nutzungsgrad von Institutionen).
Man kann den Vergleich von Produktionsclustern im Prinzip
auch hinsichtlich der „Erfolgsgrößen“ einer Clusterformation
ergänzen, z.B. um die Beschäftigungs- und Umsatzentwicklung, um die Neugründungen und Neuansiedlungen.
Vergleich von ClusterProfilen
Auf der Basis dieser Kriterien können unterschiedliche
Profile von Clusterformationen unterschieden werden. So
zeigt die Zusammenstellung für die bereits zitierten Fallbeispiele der Filmwirtschaft in Potsdam und der Holzwirtschaft im Land Brandenburg zwei klar unterschiedliche
Cluster-Profile.
Cluster-Profile im Vergleich
Kriterien
1. Funktionsdifferenzierung
2. Netzwerk-Dichte (a)
3. Netzwerk-Kohäsion
(b)
4. NetzwerkZentralisierung
5. überregionale Transaktionsbeziehungen
Cluster Filmwirtschaft Cluster Holzwirtschaft
Potsdam/Babelsberg
Brandenburg
Vergleichswert
Bewertu
ng
Vergleichswert
Bewert
ung
Leistungsspektrum
der Cluster-Firmen
l
Leistungsspektrum
der Cluster-Firmen
l
16 %
l
4%
¡
1
l
14
¡
49 %
l
5%
¡
Nennungen überregionaler Partner,
räuml. Verteilung
6. Geographische VerKartographie des
dichtung
Standortmusters,
evtl. Gini-Koeffiz.
7. Qualität der
Bewertung
institutionellen
regionaler
Infrastruktur (c)
Institutionen
l = hoch, stark
¡ = niedrig,
Nennungen überregionaler Partner,
räuml. Verteilung
Kartographie des
l
Standortmusters,
evtl. Gini-Koeffiz.
Bewertung
l
regionaler
Institutionen
schwach
l
¡
¡
l
(a) Realistischer Wertebereich: 0 bis max. 40 %
(b) Vergleichswert: Zahl der unverbundenen Netz -Komponenten
(c) Bewertung hinsichtlich Vielseitigkeit und Spezifik
Profil der Filmwirtschaft in
Potsdam
Das Profil des Clusters Filmwirtschaft Potsdam/Babelsberg
entspricht weitgehend der "Idealvorstellung" eines funktionsfähigen Produktionsclusters. Diese Clusterformation ist
gekennzeichnet durch eine ausgeprägte interne Funktions-
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 19 -
differenzierung und vielseitige intensive Transaktions- und
Kommunikationsbeziehungen. D.h. es liegt insbesondere
eine hohe Netzwerkdichte und –Kohäsion hinsichtlich der
Transaktionsbeziehungen im Cluster-Kern vor. Zugleich ist
eine starke überregionale Einbindung festzustellen, d.h. es
liegen zahlreiche Transaktionsbeziehungen mit filmwirtschaftlichen Unternehmen in anderen Medienstandorten auf
nationaler und internationaler Ebene vor. Die institutionelle
Infrastruktur des Clusters ist funktional vielseitig, wobei die
cluster-spezifischen „innovationsrelevanten“ Institutionen im
Kommunikationsnetz die höchste Zentralität haben. Die Beschäftigungs- und Umsatzentwicklung der Cluster-Firmen ist
im Durchschnitt aller befragten Firmen positiv.
Profil der Holzwirtschaft in
Brandenburg
Demgegenüber ist das Profil des Clusters Holzwirtschaft
Brandenburg gekennzeichnet durch Strukturmerkmale, die
dem Cluster Filmwirtschaft extrem entgegengesetzt sind:
zwar gibt es eine deutliche Funktionsdifferenzierung im
Kreise der Cluster-Firmen (die im Vergleich zur Filmwirtschaft eine stärkere „Verzweigung“ der Leistungsbereiche/
Funktionsgruppen beinhaltet). Das Haupt-Charakteristikum
ist aber ein stark fragmentiertes Beziehungsnetz zwischen
den regionalen Unternehmen der Holzwirtschaft: Die Unternehmensbeziehungen im Cluster Holzwirtschaft Brandenburg weisen insgesamt eine sehr geringe VernetzungsDichte auf, und das Beziehungsnetz ist durch eine äußerst
schwache Kohäsion gekennzeichnet, bei gleichzeitig
schwachen überregionalen Verflechtungsbeziehungen. Das
regionale Beziehungsnetz zerfällt in eine Vielzahl von
unverbundenen Teilnetzen, so daß wir ein deutlich fragmentiertes Gefüge von Cluster-Bausteinen vor uns haben.
Die institutionelle Infrastruktur des Clusters ist zwar funktional vielseitig, doch erreichen die cluster-unspezifischen
regionalen Institutionen im Kommunikationsnetz die höchste
Zentralität, während die cluster-spezifischen technologieund innovationsrelevanten Einrichtungen „untergenutzt“
erscheinen. So zeigt diese Clusterformation erhebliche
Schwächen, welche die Entwicklungsmöglichkeiten der
Cluster-Firmen auf Dauer beeinträchtigen können. Die
Beschäftigungsentwicklung der Cluster-Firmen ist gleichwohl im Durchschnitt aller befragten Firmen positiv: 19971999 zeigt die Beschäftigtenzahl insgesamt einen leichten
Anstieg, die Umsatzentwicklung der Cluster-Firmen war im
gleichen Zeitraum eher uneinheitlich.
7. Darstellung der räumlichen Struktur
Räumlich kann zum einen die Verteilung der Unternehmen
und Institutionen eines Produktionscluster innerhalb eines
Untersuchungsgebiets aufgezeigt werden. Zum anderen
kann die Lage des gesamten Produktionsclusters innerhalb
einer größeren Raumeinheit (z.B. Deutschlands) sinnvoll
sein. Zur Darstellung der Raumstrukturen eines Produktionsclusters können erstens die Maße zur räumlichen
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
Räumliche Konzentrationsmaße
Kartierung
- 20 -
duktionsclusters können erstens die Maße zur räumlichen
Konzentration verwandt werden. So zeigt der sogenannte
GINI-Koeffizient an, wie stark eine Branche oder ein
Cluster-Zusammenhang innerhalb eines Untersuchungsraumes räumlich konzentriert ist. Die relativen Konzentrationsmaße zeigen an, wie stark ein Cluster-Zusammenhang
innerhalb eines Teilraumes im Vergleich zu einem übergeordneten Bezugsraum vertreten ist. Zweitens können konkrete Unternehmen kartiert werden. Die kartographische
Erfassung dürfte auch die anschaulichste Darstellungsweise
sein. Zusätzlich können auch die Transaktions- und
Kommunikationsbeziehungen innerhalb des Produktionsclusters in seiner konkreten räumlichen Dimension in eine
Karte eingetragen werden. Letzteres kann etwa die regionalen Lieferungsverflechtungen oder die überregionalen
Warenströme umfassen.
8. Nutzung in der Strukturpolitik
Alle Ansätze über räumliche Konzentrationen von
Unternehmen haben gemeinsam, daß sie die jeweilige
Eigenart
der
ökonomischen
Zusammenhänge
in
verschiedenen Städten und Regionen betonen. An dieser
Stelle wurde ein Vorschlag vorgestellt, wie diese
individuellen Cluster-Zusammenhänge identifiziert und
analysiert werden können.
„Kritische Masse“ an
Unternehmen vorhanden?
Zentral für eine strukturpolitische Praxis ist nun die Frage,
ob man bei einer vermuteten regionalen Konzentration von
Unternehmen tatsächlich von einem Produktionscluster
sprechen kann. Oder anders formuliert: Ist die Ansammlung
von Unternehmen und Institutionen so bedeutend, daß sie
sich im Wettbewerb der Standorte behaupten kann – etwa
in Form eines Umsatz- und Beschäftigungswachstums der
vorhandenen Unternehmen oder Anziehung weiterer
Unternehmen? Es wird offensichtlich eine Einschätzung
benötigt, ob die regionale Unternehmenskonzentration
bereits eine „kritische Masse“ darstellt (oder erreichen
könnte), an die strukturpolitische Strategien sinnvoll
anknüpfen können. Wir möchten diese Einschätzung in drei
Entscheidungsfragen zerlegen, die mit den oben erläuterten
Kriterien
zum
Vergleich
von
Produktionsclustern
beantwortbar sind. Dabei ist natürlich zu beachten, daß die
Förderung von Produktionsclustern stets eine starke
politische Dimension besitzt. So wäre im Jahr 1990 eine
Cluster-Analyse über die Mikroelektronik im Raum Dresden
sicherlich sehr zwiespältig ausgefallen. Durch die finanzielle
Unterstützungen in Milliardenhöhe wurde in diesem Fall die
„kritische Masse“ eines Produktionclusters erst initiiert.
Erstes Frage: funktionale
Struktur
Der erste Schritt für die Bestimmung eines Schwellenwertes
besteht darin, die interne funktionale Struktur eines
Produktionsclusters zum Kriterium zu machen. Dieses
Kriterium kann angewandt werden, indem man eine
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 21 -
Kriterium kann angewandt werden, indem man eine
möglichst vollständige „ideale“ Wertschöpfungskette mit
dem Bestand einer Region vergleicht. Weiterhin wäre dann
das Vorhandensein der zentral wichtigen Glieder einer
Wertschöpfungskette („Kernkompetenzen“) abzufragen. Die
Cluster-Vermutung sollte als falsifiziert gelten, wenn
• die regionalen Unternehmen weder horizontale noch
vertikale Nachbarn in der Wertschöpfungskette sind,
d.h. der regionale Wertschöpfungszusammenhang fraglich bleibt;
• keine Kernkompetenz identifizierbar ist, um die herum
die regionalen Unternehmen gruppiert sind (oder
gruppiert werden könnten).
Zweite Frage: Qualität
regionaler Vernetzung
In einem zweiten Schritt kann die Struktur der regionalen
Vernetzung als Schwellenwert genommen werden. Anhand
der Kriterien der Netzwerkanalyse (Dichte, Kohäsion,
Zentralisierung) wird die Intensität und Effektivität der
Unternehmens- und Institutionenbeziehungen verdeutlicht.
Dritte Frage: Verhältnis
von regionaler zu
überregionaler Einbindung
In einem dritten Schritt kann das Verhältnis von regionaler
zu überregionaler Vernetzung bestimmt werden. Dabei
würde eine starke Einbindung in andere Regionen
keinesfalls gegen die Existenz eines regionalen Clusters
sprechen. Entscheidend ist die Art der Beziehungen
zwischen Unternehmen und Institutionen sowie das
Ausmaß, mit dem die Erträge dieser externen Beziehungen
wiederum in den regionalen Zusammenhang eingespeist
(und dort als Ressource genutzt) werden. Wickeln etwa die
regionalen Unternehmen ihre zentralen F&E-Aktivitäten
unabhängig voneinander mit Akteuren in verschiedenen
Regionen ab, dann kann dies sehr positive Effekte für ein
Produktionscluster
haben,
wenn
gleichzeitig
eine
Verbindung zum regionalen Informationsfluß besteht. Stellt
sich heraus, daß die überregionalen Beziehungen
quantitativ und qualitativ erheblich bedeutender als die
innerregionalen ausfallen bzw. sie nicht örtlich produktiv
genutzt werden, dann müssen (mindestens) die räumlichen
Grenzen eines Clusters weiter gezogen werden. Jede
weitere Einschätzung der „kritischen Masse“ sollte im
spezifischen Rahmen vorgenommen werden. Es kommt
dann darauf an, wie bekannt und etabliert der fragliche
Wertschöpfungszusammenhang ist, ob er regional durch
komplementäre Produktionscluster gestützt wird, in welcher
überregionalen Konkurrenz er steht u.s.w.. Die Aussagen zu
allen drei „Entscheidungsfragen“ können zudem
an
Präzision erheblich gewinnen, wenn Angaben über
gleichartige Produktionscluster in anderen Regionen
vorliegen. Damit wäre eine methodische Legitimation für
einen Vergleich der quantitativen Größen gegeben. Auf
dieser
Entscheidungsgrundlage
können
dann
Empfehlungen für strukturpolitische Strategien getroffen
werden.
Nutzen interregionaler
Vergleiche
Januar 2001
Identifizierung und Analyse von Clustern
- 22 -
Abschließend sollen hier die zwei zentralen Bezüge für
Empfehlungen angeführt werden:
•
Bezug auf die funktionale Struktur: Hieraus folgen vor
allem Empfehlungen für die Akquitsitionsstrategien regionaler Wirtschaftsförderung. Während Lücken oder
schwach besetzte Glieder der Wertschöpfungskette
darauf hinweisen, daß eine darauf focussierte
Akquisition von Unternehmen die Vielfalt des
Produktionsclusters erhöht, könnte ein starker Besatz
bei einem Wertschöpfungskettenglied als Beleg genommen werden, daß man nicht „Mehr vom Gleichen“
anzuwerben braucht. Sofern die Funktionsanalyse
darauf hindeutet, daß die Kernkompetenzen einer
Wertschöpfungskette schwach ausgeprägt oder etwa
bedroht sind, im Strukturwandel entwertet zu werden,
kann dies entweder als ein Stopsignal für jede weitere
Förderung interpretiert werden. Oder es wird als Aufforderung genommen, eine Erweiterung bzw. Umprofilierung von Kernkompetenzen vorzunehmen. Dies
könnte durch die Reorganisation von Beschaffungs- und
Vermarktungsstrukturen der Unternehmen, eine Veränderung der unterstützenden Infrastruktur (z.B. Forschungskapazitäten), Qualifizierungsprogramme oder
Hilfen bei der Produkt- und Prozeßinnovation bewerkstelligt werden. Insgesamt geht es bei dieser Art von
Clusterpolitik darum, bekannte Bausteine strukturpolitischer Unterstützung auf die konkreten Bedürfnisse des
Wertschöpfungszusammenhangs abzustimmen.
•
Dies sollte in Bezug auf die Vernetzungsqualität fortgesetzt werden. Hier können eventuell Schwächen der
innerregionalen Transaktion und Kommunikation offengelegt werden, z.B. das Fehlen von regionalen Informationsvermittlern, die hohe Abhängigkeit eines gesamten
Produktionscluster von einem oder von wenigen Akteuren, die Ungleichgewichte zwischen regionalen und
überregionalen Beziehungen u.s.w.. In diesem Handlungsfeld muß die Art und Intensität der Beziehungen
verändert werden, sei es durch das Anstoßen konkreter
Kooperationsprozesse, die Gründung von moderierenden Institutionen oder die Verbesserung der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur.
Clustergerechte
Akquisitionspolitik
Umprofilierungsstrategien
Vernetzung als Prozeßziel
Literatur:
Stefan Krätke, Christoph Scheuplein:
Produktionscluster in Ostdeutschland. Methoden der
Identifizierung und Analyse (im Erscheinen Mai 2001)
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Identifizierung und Analyse von Clustern
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