Vortrag Wolfgang Wöller
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Vortrag Wolfgang Wöller
Trauma und Persönlichkeitsstörungen Wolfgang Wöller Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Rhein-Klinik Bad Honnef Krankenhaus für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Rhein-Klinik Bad Honnef Krankenhaus für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Traumafolgestörungen • • • • • • • • Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) depressive Symptome dissoziative Symptome Somatisierungsstörungen Angsterkrankungen Essstörungen Substanzabhängigkeit schwere Persönlichkeitsstörungen (Herman 1992, Brown u. Finkelhor 1986, Felitti et al. 2002). Rhein-Klinik Bad Honnef Typologie von Persönlichkeitsstörungen nach ICD-10 • • • • • • • • • Emotional instabile (Borderline-) PS (F60.31) [Narzisstische PS (F60.8)] Histrionische PS (F 60.4) Abhängige (asthenische) PS (F 60.7) Dissoziale PS (F60.2) Paranoide PS (F60.0) Schizoide PS (F60.1) Anankastische (zwanghafte) PS (F 60.5) Ängstliche (vermeidende) PS (F 60.6) Rhein-Klinik Bad Honnef Emotional instabile (Borderline)Persönlichkeitsstörung • • • • • • rasche und unvorhersagbare Wechsel der Stimmungslage ohne erkennbaren Grund überschwemmt von Zuständen der Ohnmacht, Angst, Wut, Leere ausgeprägte Angst vor dem Verlassenwerden impulsives Handeln zahlreiche Beziehungsabbrüche tiefgreifende Identitätsunsicherheit Rhein-Klinik Bad Honnef Traumatische Belastung bei schweren Persönlichkeitsstörungen • Physische, sexuelle oder emotionale Misshandlung bei bis zu 75 % der Patienten mit Borderline-PS • alle Formen der Kindesmisshandlung (Herman et al. 1989, Yen 2003, Zanarini et al. 2002) • • • • • insbes. emotionale Misshandlung (Allen 2009, Kaehler u. Freyd 2009, Lobbestael et al. 2010, Widom et al. 2009) Dissoziale PS (Gao et al. 2010, Nederlof et al. 2010) Paranoide PS (Lobbestael et al. 2010) Schizoide PS (Yen et al. 2003, Lobbestael et al. 2010) Ängstlich-vermeidende PS (Lobbestael et al. 2010) Rhein-Klinik Bad Honnef Traumatisierungen und genetische Faktoren • • Komplexe Interaktionen (bindungs-)traumatischer Einflüsse mit genetischen Faktoren • • Zwillingsstudien (Bornovalova et al. 2009, Distel et al. 2008) Gen-Umwelt-Interaktionen (z.B. Ni et al. 2006) Weitgehendes Ignorieren der traumatischen Einflüsse bei der therapeutischen Konzeptbildung bis vor 20 Jahren • Z.B. „genetisch determiniertes hohes Aggressionsniveau bei der Borderline-Störung“ (Kernberg 1974) Rhein-Klinik Bad Honnef Einfluss von Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen Ein emotional vernachlässigendes oder verwirrendes familiäres Umfeld • • • • unzuverlässige Präsenz der Bindungspersonen Brüche von Bindungsbeziehungen Trennung von den Eltern elterliche Psychopathologie prädiziert unabhängig von Misshandlung und Missbrauch das spätere Auftreten einer Borderline-Störung. (Bandelow et al. 2005, Bradley et al. 2005, Carlson et al. 2009, Sroufe et al. 2005). Rhein-Klinik Bad Honnef Traumatisierungsmuster bei schweren Persönlichkeitsstörungen • • • • Bindungs- und Beziehungstraumatisierungen Misshandlungs- und Missbrauchstraumen der Kindheit Traumatisierungen im Erwachsenenalter (Retraumatisierungsneigung!) Alltagsbelastungen mit traumawertigem subjektivem Belastungsgrad als Folge der persönlichkeitsspezifischen Vulnerabilität Rhein-Klinik Bad Honnef Persönlichkeitsstörungen als Bindungsstörungen • Borderline-PS • unsicher-ambivalente Bindungsstile (Buchheim 2011; Fonagy et al. 1996; Levy et al. 2006, 2011; Timmerman u. Emmelkamp 2006) • unsicher-desorganisierte Bindungsmuster („unresolved“) (Agrawal et al., 2004, Fonagy et al., 1996, 2000; Patrick et al. 1994) • Übrige Persönlichkeitsstörungen • • dissoziale PS: überwiegend unsicher-distanzierte Bindungsstile (Timmerman u. Emmelkamp 2006). Clusters C-PS: überwiegend unsicher-ambivalente Bindungsmuster (Rosenstein & Horowitz 1996, West u. Sheldon 1988). Rhein-Klinik Bad Honnef Neurobiologische Befunde bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung • präfrontale Dysfunktion beim Anhören persönlicher Scripts von Verlassenheit und Misshandlung (Schmahl et al., 2003, 2004, Silbersweig et al. 2007) • Neutrale Gesichter werden als bedrohlich erlebt (Donegan et al., 2003) Verstärktes Bedrohungserleben Rhein-Klinik Bad Honnef Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen auf der Ebene defizitärer Ich-Funktionen • • • Störung der Emotionsregulierung Störungen der Fähigkeit zur Mentalisierung, Impulskontrolle, Selbst-Objekt-Differenzierung, Objektkonstanz, kognitive Defizite Unzureichende Integration der Persönlichkeit (Identitätsstörung, Identitätsdiffusion, Ego-State-Disorder) maladaptive Verhaltens- und Beziehungsmuster Rhein-Klinik Bad Honnef Traumatische Affekte Verlassensein Leere Verzweiflung Scham Ohnmacht Schuldgefühle Rhein-Klinik Bad Honnef Wut Selbstschädigende Verhaltensweisen zur Kompensation der gestörten Emotionsregulierung Fressattacken und selbstindiziertes Erbrechen Risikoverhalten (schnelles Autofahren) Rhein-Klinik Bad Honnef Substanzmissbrauch (Alkohol, Drogen) Selbstverletzendes Verhalten Schädigende Verhaltensmuster als Ausdruck komplexer traumabedingter Funktionsdefizite • Gefahren nicht antizipieren (können) • nicht für sich sorgen können (können) • sich nicht abgrenzen (können) • sich nicht schützen (können) • hilflos sein, nicht handeln (können) • erneuter Opferstatus (Reviktimisierungsneigung) Rhein-Klinik Bad Honnef Interpersonelle schädigende Verhaltensweisen • zum Schutz vor Kränkungen, Verletzungen und Ohnmachtserleben • • • • • entwerten Aufmerksamkeit oder Zuwendung erzwingen unter Druck setzen, erpressen drohen, beschuldigen, entwerten sich unangemessen verführerisch verhalten Rhein-Klinik Bad Honnef Problembereiche bei Persönlichkeitsstörungen • Maladaptive Verhaltensmuster erfassen die therapeutische Beziehung („schwierige Patienten“) • Problematische Beziehungsgestaltung mit rascher und heftiger Übertragungsentwicklung • Feindselig-entwertende-vorwurfsvolle Beziehungsgestaltung: Gefahr des Beziehungsoder Therapieabbruchs • Abhängig-idealisierende Beziehungsgestaltung: Gefahr der malignen Abhängigkeitsentwicklung Rhein-Klinik Bad Honnef Ressourcenbasierte Pychodynamische Therapie (RPT) zur Behandlung von Patienten mit traumaassoziierten Persönlichkeitsstörungen Rhein-Klinik Bad Honnef Zielgruppen des Konzepts • Primäre Zielgruppe: Persönlichkeitsstörungen mit Komorbidität • einer Posttraumatischen Belastungsstörung (i. S. d. ICD-10) und/oder • einer dissoziativen Störung • in zweiter Linie: • Persönlichkeitsstörung ohne komorbide Posttraumatische Belastungsstörung oder dissoziative Störung Rhein-Klinik Bad Honnef Phasen des Therapiekonzepts bei traumabedingten Persönlichkeitsstörungen 1. 2. 3. 4. 5. Sicherheit, Halt und die Stärkung der Bewältigungskompetenz Emotionsregulierung und Selbstfürsorge Mentalisierung und die Entwicklung stabiler Repräsentanzen Schonende Traumabearbeitung Konfliktorientiertes Arbeiten Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 1: Sicherheit, Halt und Stärkung der Bewältigungskompetenz Externe Emotionsregulierung zur Reduktion des erhöhten Bedrohungserlebens: Maximaler Kontrast zur traumatischen Situation Traumatische Situation Therapeutische Situation Bedrohung, Unsicherheit Kontrollverlust Verwirrung, Intransparenz Gefühl des Alleingelassenseins Sicherheit Kontrolle Aufklärung, Transparenz reale Präsenz Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 1: Therapeutische Haltung • • • Stärkung der Eigenverantwortung der Patienten Frühzeitiges Ansprechen von Retter- oder Täterübertragungen Regeln, Vereinbarungen, Verträge • Rhein-Klinik Bad Honnef zum Schutz der Patientin, der Therapeutin und der Therapie vor destruktiven Persönlichkeitsanteilen Phase 1: Ressourcenaktivierung • Aktivierung bisheriger Bewältigungsformen • Aktives Herbeiführen von State-Wechseln im Sinne positiver emotionaler Zustände durch • positive Aktivitäten • Aktivierung positiver Erinnerungsbilder • imaginative Techniken Rhein-Klinik Bad Honnef Als Ressource kann alles genutzt werden, was, ohne (selbst)schädigend zu sein, einen positiven Körperstate hervorruft! Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 2: Emotionsregulierung und Selbstfürsorge • Distanzierungstechniken (Ablenkungstechniken, Aufmerksamkeitsumfokussierung) • Förderung der Affektwahrnehmung und Affektdifferenzierung • • Rhein-Klinik Bad Honnef Differenzierung von Vergangenheits- und Gegenwartsanteilen undifferenzierter Affektzustände Imaginatives „Wegpacken“ der Vergangenheitsanteile Förderung der Selbstfürsorge • • • • • Arbeit an verinnerlichten Verboten Bestätigung, dass Selbstfürsorge erlaubt ist Mahnung, dass Selbstfürsorge geboten ist Hilfe beim Einüben („was tut Ihnen gut?“) Konkrete Möglichkeiten selbstfürsorglichen Umgangs nennen Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 3: Aufbau defizitärer Ich-Funktionen mit Hilfe ressourcenaktivierender Techniken • Imaginative Techniken zur Mobilisierung von Bewältigungskompetenzen • Wann in Ihrem Leben stand Ihnen diese Kompetenz zur Verfügung? Rhein-Klinik Bad Honnef Mentalisierungsfähigkeit fördern • • • • zur Selbstbeobachtung und Reflexionsfähigkeit anleiten subjektive Bedeutung der Phänomene klären anregen, Hypothesen zu Befindlichkeiten und Motivationen anderer Menschen zu bilden anregen, mehrere Perspektiven zu sehen Rhein-Klinik Bad Honnef Arbeit mit dem „Inneren Kind“ • Mitarbeit der akzeptierenden und nicht verurteilenden Erwachsenenanteile gewinnen • Mit dem „inneren Kind“ in Kontakt treten • ressourcenreiche Seiten des „Kindes“ nutzen • Ängste vor den negativen Seiten „Kindes“ bearbeiten • die erwachsene Person auffordern, dem „Kind“ das zu geben, was es braucht Rhein-Klinik Bad Honnef Reden über traumatische Erfahrungen? „Normale“ Informationsverarbeitung mit hoher Stressbelastung entlastende Wirkung „Traumatische“ Informationsverarbeitung mit hoher Stressbelastung Aktivierung weiterer Traumanetzwerke Verschlechterung Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 4: Schonende Traumabearbeitung • Ausgiebige Ressourcenaktivierung im Wechsel mit ultrakurzer Traumaexposition • Pendeltechniken (Fine u. Berkowitz 2001; Levine • 1998) CIPOS (Constant Installation of of Present Orientation and Safety) (Knipe 2011) Rhein-Klinik Bad Honnef Phase 5: Konfliktorientierte Arbeit • • • • • Arbeit an unbewussten Konflikten Klarifizierung, Konfrontation, Deutung von unbewussten Inszenierungen zur Abwehr früher Ängste Analyse früher Abwehrmechanismen thematische Fokussierung von Identität und Intimität ggf. therapeutische Nutzung von Übertragungsphänomenen Rhein-Klinik Bad Honnef