Ein Interview mit Helme Heine Herr Heine, was ist für Sie

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Ein Interview mit Helme Heine Herr Heine, was ist für Sie
Ein Interview mit Helme Heine
Herr Heine, was ist für Sie Freundschaft?
Freundschaft ist ein kostbares Gut, so wundervoll und rätselhaft wie die Liebe. Selbst im Tierreich gibt es sie.
Die drei Freunde sind der lebende Beweis dafür und ihr Fahrrad, mit dem sie durch meine Bücher und Filme
radeln, ist das Symbol für ihre unzertrennliche Freundschaft. Keiner der drei könnte alleine davonradeln. So sitzt
Franz von Hahn auf der Lenkstange und lenkt, der dicke Waldemar steht als Motor auf einer Pedale; und Johnny
Mauser hockt auf der anderen - er sorgt für das Gleichgewicht.
Ermöglicht Ihnen die Tierwelt einen leichteren, fröhlicheren Umgang mit den durchaus tiefgründigen
Themen wie Liebe, Freundschaft, Eifersucht und Angst?
Ja! Ich glaube, dass Kinder in ihrem frühen Entwicklungsstadium dem Tier sehr nahe sind. Sie nehmen die Welt
viel instinktiver wahr als wir, sie sind noch nicht so kopfbestimmt. Nie sind Mensch und Tier sich so nahe wie
in der Kindheit. Die Märchen- und Mythenerzähler nutzen diese Tatsache. Und so sprechen die Tiere plötzlich
unsere Sprache und wir verstehen sie, sogar die Kinder, die noch nicht lesen können, denn jedem Tier wohnt
eine bestimmte Symbolik inne. Der Frosch, der die Metamorphose vom Kiemen- zum Lungenatmer durchlebt,
kann sich deshalb auch in einen Prinzen verwandeln. Der Fuchs, dem keine Schonzeit in unserem Lande
gewährt wird, überlebt nur durch seine Schlauheit. Das „Wissen“ um diese Tatsachen existiert weltweit.
Wie kamen Sie auf die Kombination Maus, Hahn und Schwein?
Ich wollte sehr konträre Typen schaffen, wie Don Quijote und Sancho Pansa, Dick und Doof, David und Goliath.
So befreundete sich der etwas tumbe, dicke Waldemar mit dem schönen, modisch interessierten Franz von
Hahn, den vieles so aufregt, dass er ständig abheben möchte, aber den die Schwerkraft immer wieder auf die
Erde zurückholt. Der dritte im Bunde ist der blitzgescheite Johnny Mauser, der nur die Dummheit und die Katze
hasst.
Zu Schweinen haben Sie angeblich eine ganz besondere Beziehung
Ich habe zwölf Jahre in Afrika gelebt. Im Busch von Botswana rettete ich einem Wildschwein-Ferkel das Leben,
nahm es mit nach Hause und zog es groß wie einen Hund. So entdeckte ich meine Liebe zu den Schweinen, die
ja bekanntlich einen sehr schlechten Ruf haben. Sie seien dumm, faul und dreckig. Das Gegenteil ist der Fall.
Es sind intelligente Freunde, die ihr Leben in vollen Zügen genießen und noch essen können, ohne an Diät zu
denken. Und sollte es Probleme geben, die Schweine nicht mit dem Kopf zu lösen vermögen, dann setzen sie
ihre ungeheuren Muskelmassen ein. Trotzdem besitzen sie ein zart fühlendes Herz und sind so empfindsam und
dünnhäutig wie wir.
Sie haben einmal gesagt: „Ich hatte das Glück, die ersten 35 Jahre meines Lebens nicht fernzusehen. Ich
durfte ungestört meine eigenen Fantasien und Bildwelten entfalten.“ Welchen positiven Wert kann Ihre
Serie im Rahmen der „Sendung mit der Maus“ darstellen?
Wir drohen heute in einer Sintflut von Filmen und Video-Spielen zu ertrinken, bei denen es ausschließlich auf die
Action ankommt. Ich versuche, durch eine kleine Geschichte die Herzen der Zuschauer zu bewegen.
Wie kam es dazu, dass es „Ein Fall für Freunde“ jetzt als Zeichentrickserie gibt? Im Gegensatz zu den
Bilderbüchern sind die „Ein Fall für Freunde“-Geschichten kleine Krimis.
Die „Sendung mit der Maus“ sprach mich an, ob ich mir vorstellen könnte, eine Zeichentrickserie mit den drei
Freunden zu entwickeln. Sie sollte spannend sein, Erwachsene und Kinder unterhalten und die Freundschaft
sollte nicht zu kurz kommen. Es entstand die Idee einer Krimi-Serie, die im Hühnerstall stattfindet. Um mit
Adalbert Stifter zu sprechen Das Große im Kleinen. Zusammen mit Gisela von Radowitz schrieb ich 26
Drehbücher. Ab 9. Oktober 2005 lösen die drei Freunde knifflige Fälle, verfolgen die diebischen Elstern,
schauen den schwarzen Schafen auf die Finger, bekämpfen den Wolf im Schafspelz, stärken die Angsthasen
und besiegen den inneren Schweinehund. Johnny Mauser ist der Sherlock Holmes, der die Dinge mit Witz,
Überlegung und Lupe löst. Franz von Hahn fährt die beiden Freunde mit dem Fahrrad zum Tatort, er ist der Typ:
„Harryholmaldasauto“ Und der dicke Waldemar ist der starke Arm des Gesetzes. Er verhaftet die Übeltäter.
Die „Freunde“-Geschichten haben insbesondere auch unter Erwachsenen viele Freunde. Wie schaffen
Sie es, Kinder und Erwachsene gleichermaßen anzusprechen?
Indem ich elementare Geschichten erzähle über Freundschaft, Liebe und Tod. Über alle Facetten des Lebens.
Das versteht man in Brasilien genauso wie in Japan und in Korea. Überall. Und sie müssen in einer wahrhaftigen
Sprache erzählt werden. Nicht kindisch, höchstens kindlich. Viele glauben, um für Kinder schreiben zu können,
müsse man Pädagoge sein oder selber viele Kinder haben. Das ist natürlich Unsinn, denn man kann ja auch
über das andere Geschlecht schreiben, ohne Hormontabletten zu futtern. Ich halte eine humanistische Bildung
für einen Autor hilfreicher als Marktforschung zu betreiben, was unsere „Kids“ „geil“ finden.
Also ist Wahrhaftigkeit das Schlüsselwort in Ihrer Arbeit?
Ich scheue mich davor, Fragen zu beantworten. Das überlasse ich den Schulbüchern und den Politikern. Ich
will kein Tendenzautor sein, der Lebenshilfe gibt. Davon gibt es genug. Mir geht es viel mehr darum, die ewigen
Fragen immer wieder in neuem Gewand zu präsentieren. Die Antworten müssen im Kopf oder im Herz oder im
Bauch des Lesers und Zuschauers gefunden werden. Dann haben Geschichten einen langen Atem und sind
zeitlos, denn die Antworten ändern sich alle paar Jahre. Die Fragen aber sind und bleiben immer die gleichen.
Die Neandertaler haben sich sicherlich schon die gleichen Fragen gestellt wie wir. Nur die Antworten waren
etwas anders.
Mit Helme Heine sprach Ute Wegmann.