Droht eine neue Finanzkrise?
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Droht eine neue Finanzkrise?
Das Boss-Interview Hier spricht unser Wirtschafts-Ressortleiter Thilo Boss jede Woche mit einem Boss aus der Wirtschaft So erreichen Sie Thilo Boss E E-MAIL: wirtschaft@superillu.de E TELEFON: 030/75 44 30 63 00 Droht eine neue Finanzkrise? Bankenpräsident Jürgen Fitschen sprach mit SUPERillu über die hohen Dispo-Zinsen, über Geldinstitute im Stresstest und das Wachstum in Ostdeutschland B P Müssen die Sparer um ihr Geld undesverbraucherminister Heiko Maas, SPD, will die Banken per Gesetz verpflichten, ihre Dispozinssätze online zu veröffentlichen. Über eine höhere Transparenz will er den Wettbewerb anheizen, was zu sinkenden Zinsen führen soll. Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Jürgen Fitschen, 66, hält die öffentliche Diskussion für überzogen - und fordert eine Besinnung auf das Wesentliche. bangen? Nein, die Sicherungsmechanismen greifen ja bereits. Die europäischen Sparer können ruhig schlafen. Denn wir haben ein international einmaliges und sehr leistungsfähiges Sicherungssystem. Und selbst wenn eine Bank den Stresstest nicht bestehen sollte, gibt es keinen Grund zur Aufregung. Die Kriterien, die die EZB an den Stresstest angelegt hat, sind so hart, dass ein solches Risikoszenario nur mit äußerst geringer Wahrscheinlichkeit jemals eintreten wird. Worauf es nun ankommt, ist, dass die Ergebnisse intelligent kommuniziert und als glaubwürdig anerkannt werden, damit die Finanzmärkte nicht verunsichert werden. P Herr Fitschen, die Politik macht ernst. Demnächst müssen die Banken Dispozinsen transparent ausweisen ... ... was unsere Mitgliedsinstitute ja längst tun. Der Wettbewerb funktioniert wunderbar, die Transparenz ist da. Und die Zinssätze sind in den vergangenen Jahren bereits mehrfach angepasst worden. P Etwa den Stresstest für die Banken? Die EZB will die Ergeb- Bankenpräsident Jürgen Fitschen ist auch Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen und Thilo Boss beim Interview nisse demnächst vorlegen. Was erwarten Sie? Der Bankensektor ist heute stabiler denn je. Die meisten Institute haben gerade mit Blick auf den Stresstest ihre Hausaufgaben gemacht. Vieles, was erst durch das Ergebnis erzwungen worden wäre, ist schon im Vorfeld erledigt worden. Die Banken haben mehr Eigenkapital als je zuvor, haben ihr Risikomanagement verbessert, ihre Bilanzen und ihren Personalapparat verschlankt. Deswegen können wir dem Ergebnis ohne Nervosität entgegensehen. Das Ziel des Stresstests ist die Rückkehr des Vertrauens in einen stabilen Bankensektor, der seiner Aufgabe in der Realwirtschaft gerecht werden kann. P DIW-Chef Marcel Fratzscher erwartet, dass Banken ge- schlossen werden müssen. Ist das Panikmache? So würde ich das nicht bezeichnen. Die Bankenunion wird dazu beitragen, dass im europäischen Bankensektor eine Stabilisierung eintritt. Das ist eine gute Nachricht für alle Beteiligten. Die Gefahr, dass der Staat und damit auch der Steuerzahler wieder als Retter einspringen müssen, hat sich erheblich verringert. Der Steuerzahler ist viel besser geschützt. Aber es stimmt auch, dass der Konsolidierungsprozess auf dem europäischen Bankensektor im Gegensatz zu den USA noch nicht abgeschlossen ist. Die Ertragskraft der europäischen Banken ist im Vergleich zu den amerikanischen gering. Deswegen kann es sicherlich dazu kommen, dass in der Eurozone noch die eine oder andere Bank in Schwierigkeiten gerät oder bei einem schlagkräftigeren Institut andocken muss. Die EZB hat mit ihrer lockeren Geldpolitik Zeit erkauft. Nun müssen die Staaten ihre Reformvorhaben konsequent umsetzen. Denn nur Reformen werden helfen, das Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen. Die Zeit drängt, inzwischen reagieren die Marktteilnehmer teilweise gar nicht mehr auf das billige Geld. 25 Jahre nach dem Mauerfall gibt es eine Wachstumsdebatte in Ostdeutschland. Der Angleichungsprozess stockt ... Nur sehr wenige ostdeutsche Unternehmen haben bislang den Weg auf die Weltmärkte geschafft. Das ist sicherlich noch ein Handicap. Aber ich glaube, wir können in Deutschland recht zufrieden auf das wirtschaftliche Zusammenwachsen von Ost und West blicken. Der Angleichungsprozess braucht Zeit, dies wurde vielleicht anfangs unterschätzt. P Apropos Zeit. Die Münchner Staatsanwaltschaft hat Sie im Verfahren um Leo Kirch angeklagt. Belastet das Ihr Amt als Bankenpräsident? Ich weiß den Bankenverband hinter mir. Der Rückhalt motiviert mich. Und ich werde mich natürlich weiterhin mit aller Kraft für unsere Branche einsetzen. Nr. 00/2014 SUPERillu | 9 FOTOS: Tim Wegner/SUPERillu P Die Banken verdienen kräftig. Sie leihen sich das Geld praktisch zum Nulltarif und kassieren im Schnitt über zehn Prozent. Das ist Abzocke. Oder? Der Dispokredit ist für die Banken kein lukratives Geschäft. Er erfordert einen hohen Verwaltungsaufwand, weil die Institute die Kontobewegungen laufend überwachen und auf sie reagieren müssen. Man muss sich den Sinn des Dispo vor Augen halten: Er ist so angelegt, dass er bei einem kurzfristigen Bedarf als Überbrückung in Anspruch genommen werden soll. Wer sein Konto zum Beispiel mit 1 000 Euro für eine Woche überzieht, zahlt bei einem angenommenen Dispozins von 12 Prozent knapp 2,50 Euro. Für jemanden, der nachhaltigen Finanzierungsbedarf hat, haben die Banken bessere, auf Dauer günstigere Angebote. Entscheidend ist es also, den Kunden hier eine gute Beratung anzubieten. Da ist die öffentliche Diskussion leider etwas aus dem Ruder gelaufen. Wir haben sicher andere Probleme, denen wir mehr Aufmerksamkeit schenken sollten. P Droht eine neue Finanzkrise?