Stralsunder Zeitung - bei Björn Casapietra

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Stralsunder Zeitung - bei Björn Casapietra
Stralsunder Zeitung
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Montag, 13. September 2010
9
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www.karls.de
präsentiert
DAS LOKALE WETTER
vormittags
nachmittags
Regen
wolkig
Bis kurz vor der Übergabe eines riesigen
Graffito-Gemäldes
am Bahnhofsgebäude war der Stralsunder Sprayer Marcel
Kutz mit letzten Details beschäftigt.
Dem 31-jährigen
Grafffiti-Künstler haben die Regenfälle
der letzten Tage einen Strich durch seine Planungen gemacht. Doch die
neue Traditionswand
der Eisenbahner, die
zum Tag des offenen
Denkmals übergeben
wurde, kam bei Fachleuten und Gästen
gut an.
Niederschlagsrisiko
70%
Wind
30%
3
3
19
km/h
19
km/h
Temperaturen
Höchsttemperatur: 18°
Tiefsttemperatur: 11°
Sonne & Mond
Aufgang
Untergang
6.37
19.30
Morgen
13.51
21.09
Daten:
Fotos: C. Rödel (1),
Miriam Weber (3)
Regen , 18°
Guten Tag, liebe Leser!
Eine Geschwindigkeitskontrolle muss für
Polizisten nicht langweilig sein. Das stellten
Beamte fest, die beim Lasern an der Zufahrt
zum Fischland mit einer Gruppe Touristen
hoch zu Ross ins Gespräch kamen. Wie Uwe
Werner, Stralsunder Polizeisprecher, berichtet, wollten die Reiter wissen, ob sich die Geschwindigkeit eines Pferdes messen lasse.
Für die Polizisten sollte das kein Problem
sein, allerdings müsste nur ein Tier samt Reiter in Richtung Laser traben. Einer wollte
ganz pfiffig sein und bot einer blonden Polizistin sein Pferd für den Test an. Die Oberkommissarin schwang sich sofort auf und
ritt los. Was der Mann nicht wissen konnte.
Die 26-Jährige hatte jahrelang Reitsport betrieben und machte eine gute Figur auf dem
Zossen. Die Reitersleute waren mächtig beeindruckt. Wie schnell die reitende Polizistin war, musste laut Uwe Werner offen bleiben, weil die Kollegen vor Erstaunen vergessen hatten, aufs Knöpfchen zu drücken. Fahren Sie, liebe Leser, stets vorsichtig, nicht immer verläuft eine Geschwindigkeitskontrolle so entspannt.
Ihr Jörg Mattern
u
CDU will Beschluss zur
Kreisfreiheit aufgeben
Stralsund. Die CDU der Hansestadt fasste
auf ihrem Kreisparteitag am Freitagabend
den Beschluss, die CDU/FDP-Fraktion der
Bürgerschaft aufzufordern, sich für die Aufhebung ihres Beschlusses zum Erhalt der
Kreisfreiheit Stralsunds einzusetzen. „Keinem von uns fällt der Schritt leicht, aber wir
müssen die Rechtslage anerkennen“, so der
stellvertretende Kreisvorsitzende, Detlef
Lindner, mit Blick auf die Kreisgebietsrefom. Ferner will sich Stralsunds CDU für
den Erhalt des HST-Kennzeichens als lokalem Identifikationssymbol einsetzen. Gäste
der Veranstaltung waren CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel und Nordvorpommerns Landrat Ralf Drescher.
Mit Kokain hinterm
Lenkrad erwischt
Stralsund. Die Einnahme von Drogen vermuteten Polizisten bei einem Kraftfahrer,
der Freitagabend auf dem Carl-Heydemann-Ring kontrolliert wurde. Dabei fuhr
der 22-Jährige unvermittelt mit seinem
BMW los und schleifte einen Beamten mit,
der dabei leicht verletzt wurde. Das Auto
landete in einem Zaun. Nach Flucht zu Fuß,
setzten Polizisten den Verkehrsrowdy fest,
der dann Kokain-Konsum einräumte.
Große Neugier auf Denkmale
Zum Tag des offenen
Denkmals gab es
vielfache
Möglichkeiten
besondere Einblicke
in Gebäude und
Stadt zu erhalten.
Von MIRIAM WEBER
und CHRISTIAN RÖDEL
Stralsund. „Die ersten Besucher
waren schon am Samstag hier“, erzählt Philipp Benz. Der angehende
Tourismus-Kaufmann arbeitet im
Younior-Hotel und stand gestern
Neugierigen Rede und Antwort,
die zum Tag des offenen Denkmals
ins einstige Reichsbahnverwaltungsgebäude kamen. 1893 erbaut, besticht es heute durch den
Mix aus Moderne und Historie und
ist jungen Menschen Herberge, die
zu Gast in der Welterbestadt sind.
Gert Boden kennt das Haus von
früher. „Das große Eingangsportal.
Die Fliesen. Alles ist noch da“, so
der einstige Stralsunder, der heute
in der Lüneburger Heide lebt. Mit
seiner Frau Roswitha kam er zum
Denkmaltag in die alte Heimat, um
zu sehen, was sich verändert hat.
Junge Leute waren auch das
Stichwort in der Marienkirche.
Dort wurde gestern die Ausstel-
lung „10 Jahre Jugendbauhütten
der Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ eröffnet. Die Wanderausstellung, die bis zum 8. Oktober zu
sehen sein wird, porträtiert die
zwölf deutschen Jugendbauhütten, darunter auch die 2003 gegründete Hütte Stralsund/Szczecin.
„155 junge Leute, davon über 50
aus Polen, arbeiteten in den letzten
Jahren in verschiedenen Bereichen der Denkmalpflege“, erklärt
Jana Rozwandowicz, Leiterin der
deutsch-polnischen Jugendbauhütte. Ziel der Stiftung sei die Bewusstseinsbildung für Denkmalpflege in
der Bevölkerung, aber besonders
bei jungen Leuten, sagte Marianne
Eine der deutschen Jugendbauhütten ist das Stralsund-Szczeciner Gemeinschaftsprojekt. In der Marienkirche wurde eine Ausstellung darüber eröffnet.
würde“, findet Kirstin Gessert, die
sich im einstigen Pumpenhaus auf
dem Ippenkai umschaute. „Das ist
für Stralsunder wie eine Entdeckungsreise durch ihre Stadt.“
Bis kurz vor der Übergabe hatte
gestern der Stralsunder Marcel
Kutz an den letzten Details zu einem riesigen Graffito-Gemälde an
der Wand des Bahnhofsgebäudes
gearbeitet. Dem 31-jährigen Graffiti-Künstler haben die jüngsten Regentage einen Strich durch die Planungen gemacht. Doch schon kurz
vor der Vollendung zeigten sich
die Einweihungsgäste begeistert
von dem Wandgemälde. „Das ist ja
einwandfrei geworden – sieht aus
wie fotografiert“, stellte der ehemalige Eisenbahnmitarbeiter Dietrich
Zühlsdorff fest, als er das Kunstwerk in Augenschein nahm.
„Wir sind sehr zufrieden mit der
Umsetzung der Eisenbahn-Motive“, sagte Peter Haase, Ortsvorsitzender des Bahnsozialwerks, des
Auftraggebers für die Traditionswand. Ihn freute vor allem, dass diese rechtzeitig zum Tag des offenen
Denkmals fertig wurde, denn dessen Motto lautete diesmal „Kultur
in Bewegung – Reisen, Handel und
Verkehr“. Klar, dass dazu auch die
Eisenbahner ihren Beitrag leisten
wollten. Im nahen Intercity-Hotel,
zeigten sie in einer Ausstellung
Schautafeln und Modelle zur Geschichte des Stralsunder Bahnhofs
sowie historischer Lokomotiven.
Der Frauenchor der Deutschen
Reichsbahn rundete die Ausstellungseröffnung musikalisch ab.
Im alten Pumpenhaus war zu erfahren,wie daraus einmal das Restaurant eines Hotels wird.
Blick aus der Tür des Younior-Hotels. Wo einst die Bahn verwaltet
wurde, übernachten Jugendliche.
Zwei Konzerte ließen das Publikum begeistert ausrasten
Stralsund. Das waren gleich
zwei Konzerte, die nicht nur
unter „klassisch“ einzuordnen sind, an diesem Wochenende. Björn Casapietra, Tenor der Herzen, besonders
der weiblichen, gab es
selbst zu, nein so richtig klassisch im Sinne, Tenor hin
oder her, sind seine Konzerte nicht. Er drängte am Frei-
tagabend Hundertwasser in
der Jakobikirche schlichtweg an den Rand.
Auch das Konzert der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am Samstag im
Theater hat klanglich den
klassischen Rahmen verlassen. Fanden zumindest die
Zuschauer, die dem zweiten
Teil ungläubig folgten. Da-
STRALSUND VOR 100 JAHREN
Tornado über der Stadt
Die „Stralsundische Zeitung“ berichtete am
13. September 1910: „Am Sonntag Nachmittag zog sich am Osthimmel eine Wetterwolke zusammen, welche in Stralsund nur wenige Regentropfen fallen ließ. Dennoch verursachte diese eine strake Windhose, so daß
die Nebelwolken einen langen Wolkentrichter bildeten, der sich zur Erde hinab senkte.
Gegen 3 Uhr war der Wirbelwind unter der
Wolke verschwunden.“
Störmer von der Stiftung für Denkmalpflege bei der Eröffnung. Viele
weitere Orte lockten gestern Einheimische und Gäste, hinter die Kulissen zu schauen.
„Der Tag des offenen Denkmals
ist eine Gelegenheit, zu schauen,
was sich in der Stadt getan hat“,
hatte Oberbürgermeister Alexander Badrow bei der offiziellen Eröffnung in der Neuen Semlower Straße erklärt. „Stralsund lebt vom
Welterbe und den Denkmälern.“
Immerhin gab es 14 Stationen, an
denen sich diese Aussage überprüfen ließ. „Schön an diesem Tag ist
doch, dass ich in Gebäude schauen
kann, die ich sonst so nicht sehen
Auf der Bühne im Theater: Zwei Steinways samt gewaltigem
Schlagwerk – viel Klingklong mit Gesang.
Fotos (2): J. Voigt
bei hatte Daniel Hope, Initiator dieses Konzertes der
Chamber Music Society of
Lincoln Center New York,
unbescheiden ein „abgefahrenes Werk“ angekündigt.
Und
meinte
George
Crumb’s „Music for summer
evening“ für zwei Klaviere
und Percussion.
Die Pianistinnen Anne-Marie McDermott und
Wu Han benutzten Tasten
und Innenleben ihrer Steinways, die sich in der Bühnenmitte gegenüberstanden.
Alexej Gerassimez und Simon Klavzar bedienten das
Schlagwerk, das beinah die
andere Hälfte der Bühne einnahm. Über allem lag ein
fast unmerkliches, quälendes Tinitus-Piepen, als hätte
in der Kantine jemand den
Wasserkessel auf dem Herd
vergessen.
Instrumentell
aber ließ das unglaubliche
Ensemble abwechselnd den
Mörder kommen oder öffnete die Himmelstüren, besser
noch, die Tore zu allen asiati-
schen Himmeln, mit großem
Gong, Glocken, Klingklong
und Gesängen. Die Percussionisten bedienten auch
den Gesangspart. Und stöhnten lustvoll nach Noten, was
in den oberen Rängen für
Heiterkeit sorgte.
Dabei hatte das Konzert,
das die New Yorker mit
Preisträgern der Festspiele
Mecklenburg-Vorpommern
gaben, in gewohntem Preisträger-Perfektionismus mit
Mozarts „Kegelstatt-Trio“
begonnen. Schon bei Schönfield, war aus den Musikern
Arnaud Sussmann (Violine),
Matthias Schorn (Klarinette)
und der McDermott am Flügel ein total verrücktes, ein
fantastisch verrücktes Klesmer-Trio geworden.
Björn Casapietra hatte
sich nach seinen Steine erweichenden
Celtic-Prayer-Songs, mit „You raise me
up“, „Hallelujah“ und „Stella’s Song“, im zweiten Teil
ebenfalls verwandelt. „Wir
machen jetzt Party“, heizte
er das Publikum an. „Klatschen Sie mit! Wenn ich den
Einsatz gebe“ befahl er,
„dann rasten Sie aus!“ Und
sie rasteten aus. Die Stimmung kochte von Beginn an
über, durch einen sagenhaften Fan-Club vorne rechts.
Dagegen ist Robby Williams
ein Langweiler. Casapietra
bezauberte durch Stimme,
die man, in den höchsten Tönen zu loben geneigt ist,
durch einen besonderen
Glanz, der ihn umgibt wie einen glücklichen Buddha, ja
Kitsch im süßesten Sinne sowie durch fröhliches Entertainment. Beide Konzerte
wurden begeistert, tobend,
ja frenetisch, gefeiert.
JULIANE VOIGT
Björn Casapietra in der Jacobikirche: Kitsch im süßesten Sinne
und durchaus fröhliches Entertainment.