Stralsunder Zeitung - bei Björn Casapietra
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Stralsunder Zeitung - bei Björn Casapietra
Stralsunder Zeitung OZ-Lokalzeitung für die Hansestadt und Umgebung Redaktion: 03 831 - 206 756 Leserservice: 01 802 - 381 365 Anzeigenannahme: 01 802 - 381 366 Montag, 13. September 2010 9 - Anzeige - www.karls.de präsentiert DAS LOKALE WETTER vormittags nachmittags Regen wolkig Bis kurz vor der Übergabe eines riesigen Graffito-Gemäldes am Bahnhofsgebäude war der Stralsunder Sprayer Marcel Kutz mit letzten Details beschäftigt. Dem 31-jährigen Grafffiti-Künstler haben die Regenfälle der letzten Tage einen Strich durch seine Planungen gemacht. Doch die neue Traditionswand der Eisenbahner, die zum Tag des offenen Denkmals übergeben wurde, kam bei Fachleuten und Gästen gut an. Niederschlagsrisiko 70% Wind 30% 3 3 19 km/h 19 km/h Temperaturen Höchsttemperatur: 18° Tiefsttemperatur: 11° Sonne & Mond Aufgang Untergang 6.37 19.30 Morgen 13.51 21.09 Daten: Fotos: C. Rödel (1), Miriam Weber (3) Regen , 18° Guten Tag, liebe Leser! Eine Geschwindigkeitskontrolle muss für Polizisten nicht langweilig sein. Das stellten Beamte fest, die beim Lasern an der Zufahrt zum Fischland mit einer Gruppe Touristen hoch zu Ross ins Gespräch kamen. Wie Uwe Werner, Stralsunder Polizeisprecher, berichtet, wollten die Reiter wissen, ob sich die Geschwindigkeit eines Pferdes messen lasse. Für die Polizisten sollte das kein Problem sein, allerdings müsste nur ein Tier samt Reiter in Richtung Laser traben. Einer wollte ganz pfiffig sein und bot einer blonden Polizistin sein Pferd für den Test an. Die Oberkommissarin schwang sich sofort auf und ritt los. Was der Mann nicht wissen konnte. Die 26-Jährige hatte jahrelang Reitsport betrieben und machte eine gute Figur auf dem Zossen. Die Reitersleute waren mächtig beeindruckt. Wie schnell die reitende Polizistin war, musste laut Uwe Werner offen bleiben, weil die Kollegen vor Erstaunen vergessen hatten, aufs Knöpfchen zu drücken. Fahren Sie, liebe Leser, stets vorsichtig, nicht immer verläuft eine Geschwindigkeitskontrolle so entspannt. Ihr Jörg Mattern u CDU will Beschluss zur Kreisfreiheit aufgeben Stralsund. Die CDU der Hansestadt fasste auf ihrem Kreisparteitag am Freitagabend den Beschluss, die CDU/FDP-Fraktion der Bürgerschaft aufzufordern, sich für die Aufhebung ihres Beschlusses zum Erhalt der Kreisfreiheit Stralsunds einzusetzen. „Keinem von uns fällt der Schritt leicht, aber wir müssen die Rechtslage anerkennen“, so der stellvertretende Kreisvorsitzende, Detlef Lindner, mit Blick auf die Kreisgebietsrefom. Ferner will sich Stralsunds CDU für den Erhalt des HST-Kennzeichens als lokalem Identifikationssymbol einsetzen. Gäste der Veranstaltung waren CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel und Nordvorpommerns Landrat Ralf Drescher. Mit Kokain hinterm Lenkrad erwischt Stralsund. Die Einnahme von Drogen vermuteten Polizisten bei einem Kraftfahrer, der Freitagabend auf dem Carl-Heydemann-Ring kontrolliert wurde. Dabei fuhr der 22-Jährige unvermittelt mit seinem BMW los und schleifte einen Beamten mit, der dabei leicht verletzt wurde. Das Auto landete in einem Zaun. Nach Flucht zu Fuß, setzten Polizisten den Verkehrsrowdy fest, der dann Kokain-Konsum einräumte. Große Neugier auf Denkmale Zum Tag des offenen Denkmals gab es vielfache Möglichkeiten besondere Einblicke in Gebäude und Stadt zu erhalten. Von MIRIAM WEBER und CHRISTIAN RÖDEL Stralsund. „Die ersten Besucher waren schon am Samstag hier“, erzählt Philipp Benz. Der angehende Tourismus-Kaufmann arbeitet im Younior-Hotel und stand gestern Neugierigen Rede und Antwort, die zum Tag des offenen Denkmals ins einstige Reichsbahnverwaltungsgebäude kamen. 1893 erbaut, besticht es heute durch den Mix aus Moderne und Historie und ist jungen Menschen Herberge, die zu Gast in der Welterbestadt sind. Gert Boden kennt das Haus von früher. „Das große Eingangsportal. Die Fliesen. Alles ist noch da“, so der einstige Stralsunder, der heute in der Lüneburger Heide lebt. Mit seiner Frau Roswitha kam er zum Denkmaltag in die alte Heimat, um zu sehen, was sich verändert hat. Junge Leute waren auch das Stichwort in der Marienkirche. Dort wurde gestern die Ausstel- lung „10 Jahre Jugendbauhütten der Deutschen Stiftung Denkmalschutz“ eröffnet. Die Wanderausstellung, die bis zum 8. Oktober zu sehen sein wird, porträtiert die zwölf deutschen Jugendbauhütten, darunter auch die 2003 gegründete Hütte Stralsund/Szczecin. „155 junge Leute, davon über 50 aus Polen, arbeiteten in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen der Denkmalpflege“, erklärt Jana Rozwandowicz, Leiterin der deutsch-polnischen Jugendbauhütte. Ziel der Stiftung sei die Bewusstseinsbildung für Denkmalpflege in der Bevölkerung, aber besonders bei jungen Leuten, sagte Marianne Eine der deutschen Jugendbauhütten ist das Stralsund-Szczeciner Gemeinschaftsprojekt. In der Marienkirche wurde eine Ausstellung darüber eröffnet. würde“, findet Kirstin Gessert, die sich im einstigen Pumpenhaus auf dem Ippenkai umschaute. „Das ist für Stralsunder wie eine Entdeckungsreise durch ihre Stadt.“ Bis kurz vor der Übergabe hatte gestern der Stralsunder Marcel Kutz an den letzten Details zu einem riesigen Graffito-Gemälde an der Wand des Bahnhofsgebäudes gearbeitet. Dem 31-jährigen Graffiti-Künstler haben die jüngsten Regentage einen Strich durch die Planungen gemacht. Doch schon kurz vor der Vollendung zeigten sich die Einweihungsgäste begeistert von dem Wandgemälde. „Das ist ja einwandfrei geworden – sieht aus wie fotografiert“, stellte der ehemalige Eisenbahnmitarbeiter Dietrich Zühlsdorff fest, als er das Kunstwerk in Augenschein nahm. „Wir sind sehr zufrieden mit der Umsetzung der Eisenbahn-Motive“, sagte Peter Haase, Ortsvorsitzender des Bahnsozialwerks, des Auftraggebers für die Traditionswand. Ihn freute vor allem, dass diese rechtzeitig zum Tag des offenen Denkmals fertig wurde, denn dessen Motto lautete diesmal „Kultur in Bewegung – Reisen, Handel und Verkehr“. Klar, dass dazu auch die Eisenbahner ihren Beitrag leisten wollten. Im nahen Intercity-Hotel, zeigten sie in einer Ausstellung Schautafeln und Modelle zur Geschichte des Stralsunder Bahnhofs sowie historischer Lokomotiven. Der Frauenchor der Deutschen Reichsbahn rundete die Ausstellungseröffnung musikalisch ab. Im alten Pumpenhaus war zu erfahren,wie daraus einmal das Restaurant eines Hotels wird. Blick aus der Tür des Younior-Hotels. Wo einst die Bahn verwaltet wurde, übernachten Jugendliche. Zwei Konzerte ließen das Publikum begeistert ausrasten Stralsund. Das waren gleich zwei Konzerte, die nicht nur unter „klassisch“ einzuordnen sind, an diesem Wochenende. Björn Casapietra, Tenor der Herzen, besonders der weiblichen, gab es selbst zu, nein so richtig klassisch im Sinne, Tenor hin oder her, sind seine Konzerte nicht. Er drängte am Frei- tagabend Hundertwasser in der Jakobikirche schlichtweg an den Rand. Auch das Konzert der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern am Samstag im Theater hat klanglich den klassischen Rahmen verlassen. Fanden zumindest die Zuschauer, die dem zweiten Teil ungläubig folgten. Da- STRALSUND VOR 100 JAHREN Tornado über der Stadt Die „Stralsundische Zeitung“ berichtete am 13. September 1910: „Am Sonntag Nachmittag zog sich am Osthimmel eine Wetterwolke zusammen, welche in Stralsund nur wenige Regentropfen fallen ließ. Dennoch verursachte diese eine strake Windhose, so daß die Nebelwolken einen langen Wolkentrichter bildeten, der sich zur Erde hinab senkte. Gegen 3 Uhr war der Wirbelwind unter der Wolke verschwunden.“ Störmer von der Stiftung für Denkmalpflege bei der Eröffnung. Viele weitere Orte lockten gestern Einheimische und Gäste, hinter die Kulissen zu schauen. „Der Tag des offenen Denkmals ist eine Gelegenheit, zu schauen, was sich in der Stadt getan hat“, hatte Oberbürgermeister Alexander Badrow bei der offiziellen Eröffnung in der Neuen Semlower Straße erklärt. „Stralsund lebt vom Welterbe und den Denkmälern.“ Immerhin gab es 14 Stationen, an denen sich diese Aussage überprüfen ließ. „Schön an diesem Tag ist doch, dass ich in Gebäude schauen kann, die ich sonst so nicht sehen Auf der Bühne im Theater: Zwei Steinways samt gewaltigem Schlagwerk – viel Klingklong mit Gesang. Fotos (2): J. Voigt bei hatte Daniel Hope, Initiator dieses Konzertes der Chamber Music Society of Lincoln Center New York, unbescheiden ein „abgefahrenes Werk“ angekündigt. Und meinte George Crumb’s „Music for summer evening“ für zwei Klaviere und Percussion. Die Pianistinnen Anne-Marie McDermott und Wu Han benutzten Tasten und Innenleben ihrer Steinways, die sich in der Bühnenmitte gegenüberstanden. Alexej Gerassimez und Simon Klavzar bedienten das Schlagwerk, das beinah die andere Hälfte der Bühne einnahm. Über allem lag ein fast unmerkliches, quälendes Tinitus-Piepen, als hätte in der Kantine jemand den Wasserkessel auf dem Herd vergessen. Instrumentell aber ließ das unglaubliche Ensemble abwechselnd den Mörder kommen oder öffnete die Himmelstüren, besser noch, die Tore zu allen asiati- schen Himmeln, mit großem Gong, Glocken, Klingklong und Gesängen. Die Percussionisten bedienten auch den Gesangspart. Und stöhnten lustvoll nach Noten, was in den oberen Rängen für Heiterkeit sorgte. Dabei hatte das Konzert, das die New Yorker mit Preisträgern der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern gaben, in gewohntem Preisträger-Perfektionismus mit Mozarts „Kegelstatt-Trio“ begonnen. Schon bei Schönfield, war aus den Musikern Arnaud Sussmann (Violine), Matthias Schorn (Klarinette) und der McDermott am Flügel ein total verrücktes, ein fantastisch verrücktes Klesmer-Trio geworden. Björn Casapietra hatte sich nach seinen Steine erweichenden Celtic-Prayer-Songs, mit „You raise me up“, „Hallelujah“ und „Stella’s Song“, im zweiten Teil ebenfalls verwandelt. „Wir machen jetzt Party“, heizte er das Publikum an. „Klatschen Sie mit! Wenn ich den Einsatz gebe“ befahl er, „dann rasten Sie aus!“ Und sie rasteten aus. Die Stimmung kochte von Beginn an über, durch einen sagenhaften Fan-Club vorne rechts. Dagegen ist Robby Williams ein Langweiler. Casapietra bezauberte durch Stimme, die man, in den höchsten Tönen zu loben geneigt ist, durch einen besonderen Glanz, der ihn umgibt wie einen glücklichen Buddha, ja Kitsch im süßesten Sinne sowie durch fröhliches Entertainment. Beide Konzerte wurden begeistert, tobend, ja frenetisch, gefeiert. JULIANE VOIGT Björn Casapietra in der Jacobikirche: Kitsch im süßesten Sinne und durchaus fröhliches Entertainment.