Dienstpflichten und disziplinarrechtliche Verantwortung des
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Dienstpflichten und disziplinarrechtliche Verantwortung des
98 Abhandlungen ÖZK 2012 / 3 Dienstpflichten und disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten bei Submissionskartellen Für die Teilnahme an Submissionskartellen können die rechtswidrig handelnden Unternehmen und deren Mitarbeiter nach unterschiedlichen Normen, zum Teil auch nach jenen des Strafgesetzbuches, zur Verantwortung gezogen werden. Eine Seite des Ausschreibungsverfahrens ist damit abgedeckt. Was ist aber mit den ausschreibenden Stellen und deren Mitarbeitern, den Beamten? Sind letztere in seltenen Fällen eventuell (in-)direkt involviert, haben Kenntnis von den Bieter-Absprachen oder hätten diese zumindest erkennen müssen, waren zB die gelegten Anbote zu offensichtlich über den Marktpreisen und wurde dennoch der Zuschlag erteilt, verletzten sie also ihre Dienstpflichten, greift unter Umständen die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten. Vergabeverfahren; Submissionskartell; Disziplinarrecht; Beamter; Ausschreibung; Auftraggeber; Submittenten; Disziplinarverfahren; Disziplinarerkenntnis; Disziplinarstrafen; Disziplinarbehörden; Disziplinar senat; Disziplinaranwalt; Dienstpflichten; Dienstpflichtverletzungen; Disziplinarkommission; Disziplinaroberkommission; Berufungskommission; Dienstvorgesetzter; Dienstbehörde; Selbstanzeige; Suspendierung; disziplinärer Überhang; subsidiär; Subsidiarität; Doppelbestrafung; Strafverfahren; Strafrecht; Wirtschaftsstrafrecht; Betrug; Amtsgeheimnis; Amtsmissbrauch; Amtsdelikte; Verbandsverantwortlichkeit; Vorsatz; Fahrlässigkeit; Wettbewerbsbeschränkung; Bieterabsprachen; Kollusion; kollusive; Preis; Mißbrauch; Bundeswettbewerbsbehörde; Bundesvergabeamt; BWB; BVA Art 101 AEUV; Art 102 AEUV; § 1 KartG; § 5 KartG; § 29 KartG; § 1 UWG; § 1311 ABGB; § 21 BVergG; § 78 StPO; § 168b StGB; § 302 StGB; § 303 StGB; § 304 StGB; § 310 StGB; § 311 StGB; § 312 StGB; § 313 StGB; § 41a BDG; § 41d BDG; § 43 BDG; §§ 43a–47 BDG; §§ 47a–51 BDG; § 54 BDG; § 91 BDG; § 92 BDG; § 93 BDG; § 94 BDG; § 95 BDG; § 96 BDG; § 97 BDG; § 98 BDG; § 99 BDG; § 102 BDG; § 103 BDG; § 106 BDG; § 109 BDG; § 110 BDG; § 111 BDG; § 112 BDG; § 115 BDG; § 118 BDG; § 123 BDG; § 124 BDG; § 126 BDG; § 131 BDG; § 132 BDG; § 278 BDG Von Eduard Paulus* I. Submissionskartelle Kartelle sind verbotene Absprachen zwischen Unternehmen, zumeist über den Ankaufs-/Verkaufspreis oder über die Absatzgebiete, die den Wettbewerb untereinander beschränken (sollen). Demgemäß normiert auch § 1 Abs 1 KartG 2005: „Verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmern, Beschlüsse von Unternehmervereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle).“ Auf Anordnung des Abs 3 leg cit gilt zudem: „Die nach Abs 1 verbotenen Vereinbarungen und Beschlüsse sind nichtig.“ Ähnlich die Regelung auf Europäischer Ebene nach Art 101 AEUV: „Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, (…). Weiters positiviert Abs 2 leg cit: „Die nach diesem Artikel verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse sind nichtig.“ Submissionskartelle sind eine besondere Variante des Preiskartells, hier sprechen sich Wettbewerber im Zuge eines (öffentlichen) Ausschreibungsverfahrens1 mit dem Ziel ab, den Zuschlag zu steuern, dh wer von den am Kartell beteiligten Unternehmen in der konkreten Ausschreibung das Projekt bekommen soll, und eventuell zu welchem Preis (über dem Marktpreis).2 Hiezu muss nur im Vorhinein zwischen den kartellierenden Submittenten vereinbart werden, wer ein Anbot legt und zu welchem Preis. Am einfachsten ist dies, wenn sich alle relevanten Markteilnehmer, die die ausgeschriebene Leistung anbieten können, am Submissionskartell beteiligen und die Märkte hochkonzentriert sind. II. Rechtsfolgen für kartellierende Unternehmen und deren Mitarbeiter 2.1 Kartellierende Unternehmen Die sich an kartellrechtswidrigen Absprachen (auch im Zuge von Submissionen) beteiligenden Unternehmen 1 2 *Langjähriger Mitarbeiter der Bundeswettbewerbsbehörde; derzeit Dienstzuteilung zum VwGH. Die in diesem Beitrag geäußerten Ansichten sind die des Autors und nicht notwendigerweise jene einer Behörde. Zur Anzahl der behördlich überprüften Vergabeverfahren vgl Kro negger/Sachs, Vergaberechtsschutz in Österreich, ZVB 2010/5, 16. Zur Abgrenzung zw Kartell- u Vergaberecht vgl Thanner, Kartellu Vergaberecht – Abgrenzungsfragen, in Gruber/Gruber/Sachs, Vergaberecht – Jahrbuch 2009, nwV (2009), S 177 ff. Zum unterschiedlichen Verfahren vor BWB u BVA vgl insb Sachs/Thanner, Verfahren vor Sonderbehörden, Manz 2006. ÖZK 2012 / 3 Abhandlungen haben unterschiedliche Folgen ihres Handelns zu gegenwärtigen: Zum einen sind die den Verstoß beinhaltenden Verträge entsprechend der zuvor zitierten Normen nichtig, und zwar ex tunc. Die Nichtigkeitssanktion bezieht sich allerdings „nach der Rechtsprechung des EuGH nicht automatisch auf die gesamte Vereinbarung, sondern nur auf den wettbewerbs-beschränkenden Teil. Wenn sich aber der wettbewerbswidrige Bestandteil vom restlichen Vertrag nicht trennen lässt, tritt Gesamtnichtigkeit ein“ (vgl die rezente Rsp, OGH 13.03.2012, 10 Ob 10/12 m sowie dazu Gruber, Rsp-Übersicht im vorliegenden Heft3). Zum anderen können über kartellierende Unternehmen bei Verletzung nationaler oder europäischer Wettbewerbsvorschriften gemäß § 29 KartG Geldbußen bis zu einem Höchstbetrag von 10% des von ihnen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes verhängt werden. Weiters soll das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz hier nicht unerwähnt bleiben. Schließlich ziehen Kartellrechtsverstöße unter Umständen Unterlassungs- sowie Schadenersatzansprüche nach sich. Erstere können – auch bei Verstoß gegen die europäischen Wettbewerbsregeln4 – auf § 1 UWG5 gestützt werden. Bei Erhebung einer Schadenersatzklage dürfen sich die Kläger in Österreich andererseits direkt auf Art 101 u Art 102 AEUV bzw § 1 u § 5 KartG berufen, weil jene nach hA Schutzgesetze iSd § 1311 ABGB mit der Rechtsfolge der Beweislastumkehr sind. Im Übrigen ist zu etwaigen Schadenersatzansprüchen auf das derzeitige Projekt der Europäischen Kommission, Europaweite Sammelklagen bei Verstößen gegen EU-Kartellrecht einzuführen, sowie das zugehörige Weißbuch6 hinzuweisen. 2.2 „Kartellierende“ Mitarbeiter Mitarbeiter, die an einem Submissionskartell mitwirken, unterliegen grundsätzlich dem Tatbestand des § 168b StGB7. Nach dessen Abs 1 ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen, wer bei einem Vergabeverfah- 3 Vgl weiters Gruber, Kartellrecht (2008), § 1 KartG 2005, S 37 ff. 4 Vgl dazu insb Schröter, in Schröter/Jakob/Mederer, Kommentar zum europäischen Wettbewerbsrecht, Art 81 Abs 3 Rn 273 f. 5 Vgl zu § 1 UWG insb Heidinger in Wiebe/G. Kodek, Kommentar zum UWG (2009) § 1 Rz 1 ff. 6 Vgl dazu insb Paulus, Das Weißbuch der Europäischen Kommis sion, Teil I: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (Private Enforcement), OZK 2008, 43; weiters Paulus, Das Weißbuch der Europäischen Kommission, Teil II: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (Private Enforcement), OZK 2008, 83; sowie schließlich Paulus, Das Weißbuch der Europäischen Kommission, Teil III: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (Sammelklagen), OZK 2008, 123. 7 Zur Subsidiarität des § 168b StGB gg § 146 StGB (Betrug) vgl Fabrizy, StGB, 9. Aufl, § 168b Rz 3. 99 ren einen Teilnahmeantrag stellt, ein Angebot legt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen. Nach dessen Abs 2 ist allerdings nicht zu bestrafen, wer freiwillig verhindert, dass der Auftraggeber das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Falls ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Auftraggebers nicht erbracht wird, bleibt ebenso straflos, wer sich freiwillig und ernsthaft bemüht hat, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern. Bei grenzüberschreitenden Ausschreibungen (Kartellen) darf jedenfalls auch die Möglichkeit der Auslieferung an einen anderen Staat zur strafgerichtlichen Verfolgung nicht unbeachtet bleiben. Arbeitsrechtlich drohen dem kartellierenden Mitarbeiter die Entlassung und der Verfall etwaiger Abfindungsansprüche sowie zivilrechtlich Schadenersatzansprüche bzw Regressansprüche, insbesondere durch seinen Arbeitgeber als (ebenfalls) geschädigtes Unternehmen8. III. Dienstpflichten und disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten Der Rechtsträger, dem die ausschreibende Stelle organisatorisch zugeordnet ist, haftet – auf Grundlage des Amtshaftungsgesetzes – nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen oder an der Person, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben sowie die Organe selbst diesem Rechtsträger bei Erfüllung der Voraussetzungen des Organhaftpflichtgesetzes. Schwerpunkt des vorliegenden Aufsatzes ist allerdings die disziplinarrechtliche Verantwortung des handelnden Beamten. Deren Grundlagen werden nachstehend erläutert, um darauf aufbauend die Haftungsfragen zu erörtern: Gemäß § 91 BDG ist der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, zur Verantwortung zu ziehen. Mit dieser Formulierung werden nicht alle „Deliktselemente“, wie aus dem gerichtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren bekannt, gesetzlich definiert. Die Rsp des VwGH9, der Meinung von Kucsko-Stadl- 8 Vgl dazu EuGH vom 20.9.2001, Rs C-453/99, Courage vs Crehan; siehe dazu auch Bespr von Paulus, Das Weißbuch der Europäischen Kommission, Teil I: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (Private Enforcement), OZK 2008, 43 sowie Paulus, Das Weißbuch der Europäischen Kommission, Teil II: Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts (Private Enforcement), OZK 2008, 83. 9 Vgl VwGH vom 8.8.2008, Zl 2006/09/0131. 100 Abhandlungen mayer10 folgend, sieht allerdings auch im Disziplinarrecht die Grundzüge des strafrechtlichen Deliktsbegriffes nach dem StGB anwendbar und führt dazu Nachstehendes aus: „Mangels erkennbarer Abweichung knüpft das BDG 1979 bei den von ihm nicht definierten Deliktselementen (tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten) am Begriffsverständnis des Allgemeinen Teils des StGB an (…). Unter Schuld ist dabei die „Vorwerfbarkeit der Tat mit Rücksicht auf die darin liegende zu missbilligende Gesinnung des Täters“ zu verstehen, die drei Komponenten umfasst: a) das biologische Schuldelement, d.h. der Täter muss voll zurechnungsfähig sein; b) das psychologische Schuldelement, d.h. der Täter muss vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben und c) das normative Schuldelement, d.h. dem Täter muss zugemutet werden können, dass er sich rechtmäßig verhält (…). Diese angeführten Elemente sind Voraussetzung für eine disziplinäre Strafbarkeit eines Verhaltens; fehlt auch nur eines dieser Elemente, so darf eine Strafe nicht verhängt werden. Liegt etwa ein (sachlicher oder persönlicher) Strafausschließungsgrund vor, hat die Tat bzw. der Täter straflos zu bleiben (…).“ Bestraft wird sohin im Beamten-Disziplinarrecht ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes menschliches Verhalten. Der Begriff „menschliches Verhalten“ ist selbsterklärend, das „schuldhafte Verhalten“ erschließt sich aus obigem Satz für die Zwecke des vorliegenden Aufsatzes zur Genüge und soll hier nicht weiter vertieft werden11. Daher ist nachstehend auf das tatbestandsmäßige und rechtswidrige Verhalten näher einzugehen: 3.1 Dienstpflichten des Beamten (Tatbestände) Die §§ 43 bis 61 BDG regeln die grundsätzlichen12 Dienstpflichten des Beamten, wobei § 43 Abs 1 u Abs 2 leg cit die allgemeinen, subsidiären Dienstpflichten normieren, die nachfolgenden §§ 44 bis 61 BDG hingegen die besonderen umschreiben. Nach Rsp des VwGH besteht zwischen den allgemeinen (subsidiären) und den besonderen Dienstpflichten eine Idealkonkurrenz.13 10 Vgl dazu Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Aufl, S 27 ff. 11 Zur ausführlichen Definition der Schuld im Disziplinarrecht siehe Kucsko-Stadlmayer aaO, S 37 ff. 12 Weitere Dienstpflichten sind zB § 107 Abs 5, § 109 sowie § 128 BDG; vgl dazu auch Kucsko-Stadlmayer aaO, S 30. 13 Zur Subsidiarität der allgemeinen Dienstpflichten siehe Pleyer/ Loibl-van Husen/Horvat/Ritter, Beamtendienstrechtsgesetz, Kommentar, Linde, S 79 f; vgl auch Kucsko-Stadlmayer aaO, S 103 f. ÖZK 2012 / 3 a) Allgemeine Dienstpflichten § 43 BDG lautet: (1) Der Beamte ist nach § 43 BDG verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben14 unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung15 treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. (2) Er hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. (3) Der Beamte hat die Parteien, soweit es mit den Interessen des Dienstes und dem Gebot der Unparteilichkeit der Amtsführung vereinbar ist, im Rahmen seiner dienstlichen Aufgaben zu unterstützen und zu informieren. b) Besondere Dienstpflichten Hierzu zählt insb nach dem ersten Unterabschnitt des Abschnittes 5 des BDG (§§ 43a bis 47 leg cit) die Pflicht • zum achtungsvollen Umgang (Mobbingverbot) der Staatsdiener untereinander (§ 43a BDG), • zur Unterstützung und Beachtung der Weisungen des Vorgesetzten (§ 44 BDG), • zur Wahrnehmung der Dienst- und Fachaufsicht durch den Vorgesetzten (§ 45 BDG), • zum Führen von Mitarbeitergesprächen und Teamarbeitsbesprechungen (§ 45a u § 45b BDG), • zur Beachtung der Amtsverschwiegenheit (§ 46 BDG), • zur Beachtung der Befangenheit (§ 47 BDG). Der zweite Unterabschnitt (§§ 47a bis 51 BDG) regelt zum größten Teil in Umsetzung der Arbeitszeit-Richtlinie die Dienstzeit der Beamten16 und ist hier nicht einschlägig. Der dritte Unterabschnitt beinhaltet die sonstigen Dienstpflichten. Zu diesen zählt die Pflicht zur • ärztlichen Untersuchung (§ 52 BDG) • Einhaltung der Meldepflichten (§ 53 BDG) • Einhaltung des Dienstweges (§ 54 BDG) • Wahl eines geeigneten Wohnsitzes (§ 55 BDG) • Meldung von Nebenbeschäftigungen (§ 56 BDG) • Erstellung von Gutachten nur bei Genehmigung der Dienstbehörde (§ 57 BDG) • Aus- und Fortbildung (§ 58 BDG) • Beachtung des Verbotes der Geschenkannahme (§ 59 BDG) • Verwendung von Dienstkleidung, Dienstausweis u sonstigen Sachbehelfen (§ 60 BDG) • Einhaltung der Ruhestandspflichten (§ 61 BDG) 14 Vgl § 36 BDG. 15 Beachte insb den 22. Abschnitt des StGB; siehe dazu auch Pleyer/ Loibl-van Husen/Horvat/Ritter aaO, S 80. 16 Vgl Richtlinie 2003/88/EG vom 4.11.2003; siehe dazu Pleyer/ Loibl-van Husen/Horvat/Ritter aaO, S 89 f. ÖZK 2012 / 3 Abhandlungen 101 3.2 Rechtswidrigkeit17 3.5 Disziplinarstrafen Tatbestandmäßiges Handeln indiziert seine Rechtswidrigkeit, im Ausnahmefall können jedoch Rechtfertigungsgründe greifen:18 Notwehr iSd Strafrechtsdogmatik kann nur einen Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers rechtfertigen, ist sohin niemals ein Rechtfertigungsgrund im Disziplinarrecht, Notstand hingegen als Rechtfertigungsgrund, in fremde Güter einzugreifen, um ein höherwertigeres Gut zu schützen, schon, wobei als höherwertiges Gut nur „persönliche Rechtsgüter“ wie Leben, Gesundheit und körperliche Unversehrtheit in Betracht kommen, was auch der VwGH19 so sieht.20 Eine Einwilligung des Verletzten kommt im Disziplinarrecht ebenso wenig wie die Notwehr in Betracht, ist das dienstliche Interesse doch als öffentliches Interesse und Rechtsgut der Allgemeinheit keinesfalls verzichtbar. Nach § 92 Abs 1 BDG sind Disziplinarstrafen24 1. der Verweis, 2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges, 3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen, 4. die Entlassung. (Abs 2 leg cit regelt die Berechnung des Monatsbezuges.) 3.6 Disziplinarbehörden Ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten kann dennoch unbestraft bleiben, so ua aus mangelnder Strafwürdigkeit, auf Grund des Doppelbestrafungsverbots sowie wegen Vorliegens der Strafaufhebungsgründe der Verfolgungs- oder Strafbarkeitsverjährung (siehe dazu im Detail unten: „Gang des Disziplinarverfahrens“). Die organisatorischen Bestimmungen zum Disziplinarrecht des BDG finden sich in den §§ 96 bis 104 ff leg cit. Nach § 96 BDG sind Disziplinarbehörden: • die Dienstbehörden, • die Disziplinarkommissionen (bei jeder obersten Dienstbehörde eine), • die Disziplinaroberkommission (beim Bundeskanzleramt) und • die Berufungskommission (beim Bundeskanzleramt). Sohin wird in der taxativen Aufzählung der Vorgesetzte nicht genannt, obwohl er nach § 109 BDG disziplinäre Befugnisse im weitesten Sinne übertragen bekommt (siehe dazu unten). Hierbei handelt es sich allerdings um Weisungen iSd § 45 Abs 1 BDG, sodass er vom Gesetz nicht als Disziplinarbehörde gewürdigt wird.25 3.4 Erscheinungsformen der Dienstpflichtverletzung21 a) Disziplinarkommissionen Im strafgerichtlichen wie im verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren sind nicht nur der Haupttäter bzw Mittäter, sondern auch die zur Tat anstiftende oder Beihilfe leistende Person sowie der Versuch zur Tatvollendung strafbar. Das BDG als auch die Materialien zu diesem enthalten keine vergleichbaren Bestimmungen. In Zusammenschau mit Art 7 EMRK („nulla poene sine lege“) ist nach in der Lehre22 vertretener Meinung richtigerweise davon auszugehen, dass im Disziplinarstrafrecht nur der Haupt- sowie der Mittäter zur Verantwortung gezogen werden kann und bloß die Tatvollendung strafbar ist. Allerdings wird die Anstiftung sowie die Beihilfe zumeist selbst eine eigenständige Dienstpflichtverletzung23 sein. Dies wird unter Umständen auch für den Versuch, insb über § 43 Abs 2 BDG, gelten. Nach § 98 Abs 1 BDG ist bei jeder obersten Dienstbehörde26 eine Disziplinarkommission einzurichten. Als oberste Dienstbehörde kommen im unmittelbaren Anwendungsbereich des BDG die Zentralstellen nach § 278 Abs 2 BDG in Betracht, also: das Bundeskanzleramt, die Bundesministerien und jene Dienststellen, die keinem Bundesministerium nachgeordnet sind, das sind die Präsidentschaftskanzlei, die Parlamentsdirektion, der Rechnungshof, die Volksanwaltschaft sowie der Verwaltungsgerichtshof und der Verfassungsgerichtshof, wobei im Verwaltungsgerichtshof die Vollversammlung das Disziplinargericht bildet27 und im Verfassungs- 3.3 Strafausschluss 17 18 19 20 21 22 23 Vgl insb Kucsko-Stadlmayer aaO, S 31 ff. Vgl dazu eingehend Kucsko-Stadlmayer aaO, S 31 ff. Vgl VwGH vom 3.4.2008, Zl 2006/09/0002. Vgl Kucsko-Stadlmayer aaO, S 31. Vgl dazu näher Kucsko-Stadlmayer aaO, S 75 ff. Vgl dazu Kucsko-Stadlmayer aaO, S 76 f. Vgl § 43 BDG. 24 Zu Disziplinarstrafen in Zusammenhang mit beleidigenden Gerichtsschriftsätzen siehe Paulus, Verfassungskonforme Verhängung einer Disziplinarstrafe wegen beleidigender und verunglimpfender Formulierungen in einer Berufungsschrift, ÖZK 2012, 41. 25 Vgl dazu Kucsko-Stadlmayer aaO, S 392. 26 Zu den Dienstbehörden siehe § 2 DVG sowie zur Systematik desselben und insb zur Frage nach den Dienstbehörden der Organe des Kartellrechtsvollzuges, auch nach dem RStDG, vgl Paulus, Entbindung von der Amtsverschwiegenheit vor einem Schiedsgericht?, ÖZK 2012, 18. 27 Vgl § 7 Abs 2 VwGG. 102 Abhandlungen gerichtshof der Gerichtshofs selbst hiefür zuständig ist28.29 Die Mitglieder der Disziplinarkommissionen sind gemäß § 98 Abs 3 BDG auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen, wobei nach Abs 2 leg cit nur der Vorsitzende und seine Stellvertreter, nicht aber die anderen Mitglieder bzw der Schriftführer, rechtskundig sein müssen. b) Disziplinaroberkommission Beim Bundeskanzleramt ist gemäß § 99 BDG die Disziplinaroberkommission eingerichtet. Sie besteht aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern, die für die Dauer von fünf Jahren zu bestellen sind und – alle, auch der Schriftführer – rechtskundig sein müssen.30 Den bei jeder obersten Dienstbehörde eingerichteten Disziplinarkommissionen steht somit nur eine einzige Disziplinaroberkommission gegenüber. c) Entscheidungsfindung in Disziplinarsenaten Nach § 101 Abs 1 BDG haben die Disziplinarkommissionen und die Disziplinaroberkommission in „Dreiersenaten“ (Vorsitzender oder Stellvertreter als Senatsvorsitzender und zwei weitere Mitglieder) zu entscheiden, wobei jedes Kommissionsmitglied mehreren Senaten angehören darf. Nach § 102 BDG hat der Senat mit Stimmenmehrheit zu entscheiden. Die Disziplinarstrafe der Entlassung darf im Verfahren vor der Disziplinarkommission nur einstimmig verhängt werden. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Der Vorsitzende hat seine Stimme zuletzt abzugeben. Die Mitglieder der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission sind entsprechend § 102 Abs 2 BDG in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig.31 ÖZK 2012 / 3 kundige Bundesbeamte sein, die je zur Hälfte Vertreter des Dienstgebers und der Dienstnehmer sind. Die Mitglieder der Berufungskommission sind gemäß § 41d Abs 2 BDG in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig. Die Berufungskommission hat in Senaten zu entscheiden. Die Senate haben aus dem Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter als Senatsvorsitzendem und je einem Vertreter des Dienstgebers und der Dienstnehmer als weiteren Mitgliedern zu bestehen. Jedes Kommissionsmitglied darf mehreren Senaten angehören.32 Der Senat ist beschlussfähig, wenn alle Senatsmitglieder anwesend sind. Der Senat hat mit Stimmenmehrheit zu entscheiden. Eine Stimmenthaltung ist unzulässig. Der Vorsitzende hat seine Stimme zuletzt abzugeben.33 e) Disziplinaranwalt Neben den Disziplinarbehörden gibt es die Disziplinaranwälte. Diese und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern sind von den Leitern der Zentralstellen zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren gemäß § 103 BDG zu bestellen, wobei jener bei der Disziplinaroberkommission rechtskundig zu sein hat. Dem Disziplinaranwalt kommt allerdings nach VwGHRsp keine dem Staatsanwalt ähnliche Rechtsstellung als Ankläger (kein Anklagegrundsatz) zu.34 Der Disziplinaranwalt hat nämlich nach § 106 BDG „lediglich“ – neben dem Beschuldigten – Parteistellung im Disziplinarverfahren. Auch ist der Disziplinaranwalt im Gegensatz zu den Mitgliedern der Disziplinar(ober)kommission35 nicht weisungsfrei gestellt, sondern unterliegt dem Weisungsrecht des ihn zum Disziplinaranwalt berufenden Leiters der Zentralstelle36. 3.7 „Gang des Disziplinarverfahrens“ a) Der Dienstvorgesetzte d) Berufungskommission Beim Bundeskanzleramt ist nach § 41a BDG eine Berufungskommission einzurichten, die aus dem Vorsitzenden, den erforderlichen Stellvertretern und weiteren Mitgliedern besteht. Der Vorsitzende und dessen Stellvertreter müssen Richter, die weiteren Mitglieder rechts- 28 Siehe § 10 Abs 2 VfGG. 29 Vgl dazu Kucsko-Stadlmayer, aaO, S 394; siehe auch Pleyer/Loiblvan Husen/Horvat/Ritter aaO, S 190 u S 433. 30 Vgl neben § 99 BDG auch Pleyer/Loibl-van Husen/Horvat/Ritter aaO, S 192. 31 Vgl aber das Unterrichtungsrecht der Dienstbehörde bzw BReg nach § 102 Abs 2 BDG. Nach § 109 BDG hat der unmittelbar oder mittelbar zur Führung der Dienstaufsicht berufene Vorgesetzte (Dienstvorgesetzte) bei jedem begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen37 zu 32 Vgl § 41c BDG. 33 Vgl § 41d BDG. 34 Vgl VwGH vom 15.12.1989, Zl 89/09/0092, sowie Kucsko-Stadlmayer aaO, S 443. 35 Vgl § 102 Abs 2 BDG. 36 Vgl zu Stellung des Disziplinaranwaltes ausführlich Kucsko-Stadlmayer aaO, S 449; siehe auch Pleyer/Loibl-van Husen/Horvat/ Ritter aaO, S 198. 37Ohne Ermittlungsverfahren und ohne Parteiengehör. ÖZK 2012 / 3 Abhandlungen pflegen und kann je nach festgestelltem Sachverhalt sodann drei unterschiedliche Wege beschreiten: 1.) Er kann es bei einer Belehrung oder Ermahnung des Beamten belassen (mangelnde Strafwürdigkeit); dies ist dem Beamten nachweislich mitzuteilen, 2.) der Dienstvorgesetzte erstattet an die Dienstbehörde Bericht oder 3.) an dieselbe Disziplinaranzeige. b) Die Dienstbehörde Die Dienstbehörde hat sodann, hier gemäß § 110 BDG, grundsätzlich ebenso drei Möglichkeiten: Die Dienstbehörde kann 1.) von einer Verfolgung absehen, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind (mangelnde Strafwürdigkeit) und hat auf Verlangen des Beamten diesen hiervon formlos zu verständigen. 2.) Sie kann bei Vorliegen ua eines Geständnisses des beschuldigten Beamten, wenn die Dienstpflichtverletzung aufgrund eindeutiger Aktenlage als erwiesen anzunehmen ist oder der beschuldigte Beamte wegen des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes rechtskräftig durch ein Strafgericht oder durch einen unabhängigen Verwaltungssenat bestraft wurde, schriftlich eine Disziplinarverfügung (im abgekürzten Verfahren) erlassen, oder 3.) eine Disziplinaranzeige an den Vorsitzenden der (zuständigen) Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterleiten. Das abgekürzte Verfahren zur Erlassung einer Disziplinarverfügung iSd § 131 BDG ist der Strafverfügung des VStG (§ 47ff leg cit) nachgebildet und ein Bescheid.38 In der Disziplinarverfügung darf nur der Verweis ausgesprochen oder eine Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges, auf den der Beamte im Zeitpunkt der Erlassung der Disziplinarverfügung Anspruch hat, verhängt werden. Die Disziplinarverfügung ist auch dem Disziplinaranwalt zuzustellen. Nach § 132 BDG können der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt gegen die Disziplinarverfügung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch erheben. Der rechtzeitige Einspruch setzt die Disziplinarverfügung außer Kraft; die Disziplinarkommission hat nun, wie bei der von der Dienstbehörde an sie erstatteten Disziplinaranzeige, zu entscheiden, ob ein (ordentliches) Disziplinarverfahren einzuleiten ist. 103 behörde) den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind hiebei von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden zu tätigen. Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss, ein Bescheid39, dem Beschuldigten, dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Mit dem Zeitpunkt der Zustellung kommen nach § 106 BDG dem Beschuldigten und dem Disziplinaranwalt die Stellung einer Partei – im nun eröffneten Disziplinarverfahren – zu. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben. Ist die Schuld des Beschuldigten allerdings gering und hat die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen (mangelnde Strafwürdigkeit), hat die Disziplinarkommission40 nach § 118 Abs 1 Z 4 BDG das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn eine Bestrafung aus spezial- und generalpräventiven Gründen nicht geboten ist. (Bei generalpräventiver Notwendigkeit einer Bestrafung käme die Verhängung eines Schuldspruches ohne Strafe iSd § 115 BDG in Frage.) Gegen den Beschluss, ein Disziplinarverfahren einzuleiten, nicht einzuleiten oder einzustellen (§ 118), ist die Berufung an die Berufungskommission zulässig. Die Disziplinarkommission hat nach § 124 BDG eine grundsätzlich öffentliche mündliche Verhandlung durch zuführen. Nach Schluß derselben zieht sich der Senat zur Beratung zurück. Die Beratungen und Abstimmungen des Senates sind vertraulich. Unmittelbar nach dem Beschluß des Senates ist das Erkenntnis samt den wesentlichen Gründen mündlich zu verkünden. Das Disziplinarerkenntnis hat nach § 126 BDG auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 115 BDG41 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen. d) Disziplinaroberkommission Gemäß § 97 BDG ist die Disziplinaroberkommission zur Entscheidung über Berufungen gegen Erkenntnisse der Disziplinarkommission zuständig. c) Die (zuständige) Disziplinarkommission Gemäß § 123 BDG hat der Senatsvorsitzende nach Einlangen der Disziplinaranzeige (genauso wie nach dem Einspruch gegen einen Disziplinarverfügung der Dienst- 38 Vgl Pleyer/Loibl-van Husen/Horvat/Ritter aaO, S 227. 39 Vgl Pleyer/Loibl-van Husen/Horvat/Ritter aaO, S 214. 40Die EB (500 BlgNR, 14. GP, 88) zu dieser Bestimmung machen klar, diese wendet sich nur an die Disziplinarkommission, vgl auch Kucsko-Stadlmayer aaO, S 57, mit näheren Ausführungen. 41 Wenn ua angenommen werden kann, der Schuldspruch werde allein genügen, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten. 104 Abhandlungen ÖZK 2012 / 3 e) VwGH und VfGH h) „Sonderfall“ der gerichtlich strafbaren Handlung Der für die Disziplinaroberkommission zuständige rechtskundige Disziplinaranwalt kann gegen Entscheidungen derselben Beschwerde an den VwGH gemäß Art 131 Abs 2 B-VG erheben. Nach § 54 Abs 3 Z 4 BDG kann der Beamte in Diszi plinarrechtsangelegenheiten Beschwerden an den Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes ohne Einhaltung des Dienstweges einbringen. Die Bescheide der Berufungskommission unterliegen gemäß § 41a Abs 5 BDG nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungswege. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist in diesen Angelegenheiten ausgeschlossen. Erweckt der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung auch den Verdacht einer von Amts wegen zu verfolgenden gerichtlich strafbaren Handlung, so hat sich der Dienstvorgesetzte in dieser Eigenschaft gemäß § 109 BDG jeder Erhebung zu enthalten und sofort der Dienstbehörde zu berichten. Diese hat gemäß § 78 StPO (Anzeigepflicht an Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft) vorzugehen. Dieselbe Dienstpflicht trifft den Leiter einer Dienststelle.43 Kommt die Disziplinarbehörde während des Disziplinarverfahrens zur Ansicht, dass eine von Amts wegen zu verfolgende gerichtlich strafbare Handlung vorliegt, so hat auch sie gemäß § 78 StPO vorzugehen. Hat sie Anzeige erstattet oder sonst Kenntnis von einem anhängigen Strafverfahren nach der StPO oder verwaltungsbehördlichen Strafverfahren, so wird dadurch das Disziplinarverfahren unterbrochen. Die Parteien sind vom Eintritt der Unterbrechung zu verständigen. Ungeachtet der Unterbrechung des Disziplinarverfahrens ist ein Beschluss, ein Disziplinarverfahren durchzuführen (§ 123 BDG), zulässig. Das Disziplinarverfahren ist weiterzuführen und in erster Instanz binnen sechs Monaten abzuschließen, nachdem 1.) die Mitteilung der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens oder über den (vorläufigen) Rücktritt von der Verfolgung, oder der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens bei der Disziplinarbehörde eingelangt ist, oder 2.) das Strafverfahren nach der StPO oder das verwaltungsbehördliche Strafverfahren rechtskräftig abgeschlossen oder, wenn auch nur vorläufig, eingestellt worden ist. f) „Sonderfall“ Selbstanzeige Jeder Beamte hat nach § 111 BDG das Recht, bei seiner Dienstbehörde schriftlich die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen sich selbst zu beantragen. Diese hat wie bei der Übermittlung eines Berichtes oder einer Disziplinaranzeige des Dienstvorgesetzten vorzugehen, nämlich von der Verfolgung abzusehen, selbst eine Disziplinarverfügung (im abgekürzten Verfahren) zu erlassen, oder die Disziplinar(selbst)anzeige an den Vorsitzenden der Disziplinarkommission und an den Disziplinaranwalt weiterzuleiten. Auf Verlangen des Beamten ist allerdings sein Antrag auf Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn selbst unverzüglich dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission und dem Disziplinaranwalt zu übermitteln. g) „Sonderfall“ Suspendierung i) Doppelbestrafung Suspendierungen sind nicht Teil oder gar Ausfluss des Disziplinarverfahrens, sie können eigenständig über einen Beamten verhängt werden, wobei zwischen vorläufiger Suspendierung durch die Dienstbehörde (noch kein Disziplinarverfahren anhängig) und Suspendierungen durch die Disziplinar(ober)kommission zu differenzieren ist. Der „Instanzenzug“ geht bei der vorläufigen Suspendierung von der Dienstbehörde über die Disziplinarkommission an die Berufungskommission sowie bei der anlässlich eines bereits anhängigen Disziplinarverfahrens von der Disziplinarkommission bzw Disziplinaroberkommission verhängten Suspendierung ebenso an die Berufungskommission.42 42 Vgl insb § 112 BDG sowie § 97 BDG. Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt – die Dienstbehörde ist in beiden Fällen an die dem rechtskräftigen Spruch44 zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung gebunden – und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist gemäß § 95 Abs 1 BDG von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Er- 43 Keine Pflicht zur Meldung besteht nach § 45 Abs 3 BDG, wenn diese eine amtliche Tätigkeit beeinträchtigen würde, deren Wirksamkeit eines persönlichen Vertrauensverhältnisses bedarf, oder wenn und solange hinreichende Gründe für die Annahme vorliegen, die Strafbarkeit der Tat werde binnen kurzem durch schadensbereinigende Maßnahmen entfallen. 44Auch an rk Freisprüche; vgl dazu Fellner, BDG – Beamtendienstrecht, Manz, § 95 E 4a. ÖZK 2012 / 3 Abhandlungen 105 hang immer dann vorliegt, wenn die Anwendung des § 43 Abs 2 BDG in Betracht kommt.45 schöpft sich die Dienstpflichtverletzung jedoch nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 BDG eine (Disziplinar-) Strafe additional zuzumessen. Bei Idealkonkurrenz der gerichtlichen bzw verwaltungsbehördlichen strafbaren Handlung und der in Frage kommenden Dienstpflichtverletzung fehlt allerdings ein (zu bestrafender) disziplinärer Überhang. Nur bei Realkonkurrenz kann ein solcher vorliegen.45 Bei unechten Amtsdelikten (strengere Bestrafung von Beamten bei Begehung allgemein strafbarer Vorsatzdelikte unter Ausnutzung ihrer Amtsstellung nach § 313 StGB) kommt hier als Dienstpflichtverletzung § 43 Abs 2 BDG (Verletzung des Vertrauens der Allgemeinheit) in Betracht. Bei echten Amtsdelikten wird der entsprechende „Spiegelbildtatbestand“ des BDG bereits mitabgedeckt sein, so zB § 46 BDG durch § 310 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses), sodass hier wiederum der (subsidiäre) § 43 Abs 2 BDG heranzuziehen ist. Damit ist bei Realkonkurrenz einer gerichtlichen bzw verwaltungsbehördlichen strafbaren Handlung und einem echten oder unechten Amtsdelikt immer § 43 Abs 2 BDG (Verletzung des Vertrauens der Allgemeinheit) zu prüfen, wobei nach VwGH-Rsp ein disziplinärer Über- Der Beamte darf gemäß § 94 Abs 1 BDG wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden (Verfolgungsverjährung), wenn gegen ihn nicht 1.) innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder 2.) innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung, eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Disziplinarkommission eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Disziplinarkommission notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs 1 zweiter Satz), verlängert sich die 6-monatige Frist um weitere 6 Monate. § 94 Abs 1a BDG normiert eine Strafbarkeitsverjährung insofern, als drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden darf. 45 Vgl Fellner aaO, § 95 E 2a, mwN. 46 Vgl Fellner aaO, § 95 E 3. j) Verfolgungs- oder Strafbarkeitsverjährung Ergebnis Menschliches (Fehl-)Verhalten ist mannigfaltig und oft in all seinen Facetten generalisierend schwer fassbar, sowohl für den abstrahierenden Gesetzgeber als auch für den Rechtsanwender. Fallgruppenbildung ist hilfreich, aber häufig nur kursorisch. Eine Lösung für vorliegende Untersuchung der „Schnittstelle“ zwischen Kartell-, Vergabe-, Straf- und Disziplinarrecht bietet einerseits das BDG selbst, welches zwischen reinen Dienstpflichtverletzungen und solchen, die zugleich Tatbestände des Strafrechts erfüllen, unterscheidet, andererseits die gedankliche Abstraktion denkmöglicher (rechtswidriger) Handlungen, über drei sich an der subjektiven Vorwerfbarkeit orientierenden Fallgruppen, die zum selben Ansatz führen: 1.) Der Beamte koordiniert selbst die Kollusion der Submittenten oder ermöglicht durch seine Handlung vorsätzlich die Koordinierung der- selben, handelt also wissentlich, absichtlich oder mit dolus eventualis; er verrät zB unter Verletzung des Amtsgeheimnisses47 an einen der potentiellen Anbotsleger Anzahl und Namen der in einem nicht offenen Vergabeverfahren nach § 21 BVergG zur Angebotsabgabe eingeladenen Unternehmer, woraufhin diese sich absprechen48. 2.) Der Beamte ermöglicht die Kollusion durch eine fahrlässige Verhaltensweise. 3.) Dem Beamten ist subjektiv nichts vorwerfbar. Im Ergebnis unterliegt der beschuldigte Beamte bei vorsätzlicher Handlung (Fallgruppe 1) den echten und unechten Amtsdelikten 47 Zur Entbindung vom Amtsgeheimnis, auch für Organe des Kartellrechtsvollzuges, vgl insb Paulus, Entbindung von der Amtsverschwiegenheit vor einem Schiedsgericht?, ÖZK 2012, 18. 48 Vgl nur OGH vom 16.3.1999, 14 Os 155/98. 106 Abhandlungen/Entscheidungen des StGB und ist hier grundsätzlich „nur noch“ der disziplinare Überhang nach § 43 Abs 2 BDG im Disziplinarverfahren additional ahndbar. Der disziplinäre Überhang iS einer Vertrauenserschütterung hinsichtlich des Funktionierens der Verwaltung, letzteres sieht auch der VwGH als wesentlichen Gesichtspunkt der disziplinären Verfolgung, wird einzelfallbezogen zu bewerten und insb bei großer medialer Berichterstattung, bei entsprechender Sensibilität der Öffentlichkeit für den die Pflichtverletzung zuzurechnenden Themenkreis, bei entsprechender Schwere der Dienstpflichtverletzung oder Stellung des beschuldigten Beamten49, zB einem Staatsanwalt, zu bejahen sein. ÖZK Bei fahrlässiger Verhaltensweise (Fallgruppe 2) greifen die (un-)echten Amtsdelikte mangels Vorsatzes, bis auf den hier wohl un beachtlichen § 303 StGB, nicht. Somit sind in dieser zweiten Fallgruppe die einzelnen Dienstpflichtverletzungen, die ja auch fahrlässig begangen werden können, gesondert zu prüfen; auf einen disziplinären Überhang kommt es nicht an. In der dritten Gruppe (kein Fehlverhalten des Beamten) scheidet jedwede Bestrafung ohnehin aus. 49 Siehe zB Disziplinaroberkommission (DOK) vom 12.1.2001, 73-6-DOK/01; oder DOK vom 17.7.200, 53/6-DOK/00. 2012 / 3