Raumstruktur : In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie bauliche
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Raumstruktur : In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie bauliche
Raumstruktur : In diesem Abschnitt wird beschrieben, wie bauliche und strukturelle Elemente den Raum organisieren, hierarchisieren, funktionalisieren und mit Bedeutung behaften. Akteure der baulichen Raumgestaltung: Die Akteure der baulichen Raumgestaltung sind vor allem die Stadtplaner und Architekten sowie deren Auftraggeber. Ebenso liegt die bauliche Struktur des Raumes in der Geschichte des Viertels sowie in der Geschichte von Paris begründet. Grenzelemente : Die zentralen Achsen und Grenzelemente im Sinne der Stadtkonzeption Kevin Lynchs sind der Boulevard de Rochechouart sowie der Boulevard de Clichy. Sie trennen nicht nur Arrondissements sondern ebenso Bedeutungsräume voneinander. Gestaltung der Boulevards und Funktion des Mittelstreifens : Die Ausgestaltung der Boulevards verstärkt einerseits deren Grenzfunktion. Andererseits ermöglichen sieht diese spezielle Nutzungsräume vor und legt räumliche Verhaltensweisen der Raumteilnehmer nahe. Lage und Umgebung der Metrostationen: Die Metrostationen befinden sich an strategischen Knotenpunkten im Viertel (im Sinne Kevin Lynchs “nodes” ) und tragen somit zu einer bestimmten Hierarchisierung des Raumes bei . Geschäfte und Sehenswürdigkeiten als Landmarken: Tati, Elysée Montmartre, Moulin Rouge etc. Trennung der Verkehrswege und Schutzmaßnahmen: Sowohl bildliche als auch bauliche Maßnahmen sehen bestimmte Nutzungsräume vor und zielen darauf ab, Raumverhalten zu organisieren. Der Hügel Montmartre als Strukturierungselement: Auch die geografische Beschaffenheit bzw. Topografie des Viertels verleiht dem Raum eine Struktur. Architektur und Fassaden als Kontrastelemente: Die Kontinuität oder Diskontinuität der Gestaltung von Fassaden kann zur Raumstrukturierung beitragen. Darüber hinaus sind die Fassaden semiotisch-soziologische “Hinweise”. Gestaltung der Eingänge der Metrostationen: Auch die stadtplanerische Gestaltung von Metrostationen kann eine Hierarchisierung des Raumes sowie die Konstruktion von imaginären Räumen bewirken. Heterotopien: Der Analyseraum ist von vielerlei Heterotopien durchzogen. Auch das Metrosystem, welches das Viertel auf einer unterirdischen, „ anderen“ Ebene durchzieht hat Eigenschaften einer Heterotopie im Foucault‘schen Sinne sowie Charakteristiken eines „Nicht-Ortes“ nach Marc Augé. Heterotopien sind zudem eine Art Grenzphänomen zwischen baulicher Struktur und praktiziertem Raum. Sie dienen somit als Übergang zum nächsten Kapitel über Raumaneignung durch Raumteilnehmer. 3.1. Raumstruktur In diesem Kapitel soll anhand einiger Beispiele verdeutlicht werden, wie das Quartier Barbès durch seine bauliche Gestaltung und räumliche Strukturierung produziert bzw. verhandelt wird. Insbesondere Elemente, die Räume oder Orte voneinander trennen, sollen betrachtet werden. Ebenso sollen Elemente, die Räume hierarchisieren oder funktionalisieren, besprochen werden. Auch Elemente, die im Sinne Kevin Lynchs lediglich der Orientierung der Raumteilnehmer dienen, werden Thema dieses Abschnittes sein. Da der Analyseraum trotz der bereits vorgenommen Eingrenzung relativ groß ist, kann nicht auf jedes raumstrukturierende Element eingegangen werden. Es werden nur ausgewählte Beispiele vorgestellt, mit Hilfe derer die Dynamiken der Produktion und Verhandlung von Raum veranschaulicht werden können. 3.2.1. Akteure der baulichen Raumgestaltung: Die Akteure der baulichen Raumgestaltung des Quartiers Barbès sind vor allem die Stadtplaner, Architekten sowie deren Auftraggeber (der Staat bzw. die Stadt). Sie besitzen die meiste Macht, wenn es darum geht, den öffentlichen Raum mit starren Elementen zu strukturieren sowie zu verzieren. Darüber hinaus haben die Besitzer der an den öffentlichen Raum grenzenden Privaträume einen gewissen Spielraum, innerhalb dessen sie an der baulichen Gestaltung des öffentlichen Raumes teilnehmen können. Dieser Spielraum wird jedoch durch rechtliche Maßgaben eingeschränkt. Ein Großteil der baulichen Struktur des Analyseraumes liegt darüber hinaus, wie bereits in Kapitel 2.1. besprochen, in der Geschichte des Viertels begründet und wird heute geschützt. Nennenswert sind dabei vor allem die Gestaltungselemente, die durch Georges-Eugène Haussmann in den Raum eingefügt wurden. 3.2.2. Grenzelemente: Zwei wichtige Elemente, welche dem Gesamtanalyseraum eine Struktur verleihen, sind der Boulevard de Rochechouart und der Boulevard de Clichy in ihrer derzeitigen Gestaltung. Diese beiden Boulevards bilden die Grenze zwischen dem 18. Arrondissement und dem 10. Arrondissement (im Osten) sowie dem 9. Arrondissement (im Westen). Ihre Breite sowie ihre intensive Ausgestaltung betont die Grenzfunktion der Boulevards. Ebenso wird die Grenzsituation durch die höher gelegene, überirdische Metrostation Barbès-Rochechouart verstärkt. Diese fungiert nach Kevin Lynchs Definition als Grenze bzw. Kante (edge) im Stadtraum. 1 Kreuzung Boulevard Barbès, Boulevard de Rochechouart ; Metrostation Barbès-Rochechouart Es soll nur am Rande erwähnt werden, dass das 10. und 9. Arrondissements sich stark vom 18. Arrondissement unterscheiden. Diese Unterscheidung betrifft deren Ruf, deren Funktion und deren „Inhalt“. Vor allem das 9. Arrondissement gilt dabei im Kontrast zum 18. als reicher und edler Raum. Dort befinden sich beispielsweise einige der berühmten „Grand Boulevards“ (Boulevard des Capucines, Boulevard Poissonière), luxuriöse Kaufhäuser wie die Galeries Lafayette und die Opéra Garnier. 3.2.3. Gestaltung der Boulevards und Funktion des Mittelstreifens Die beiden Boulevards sind zweispurig. In der Mitte befindet sich eine Insel, die die beiden entgegengesetzten Fahrbahnen voneinander trennt und für Raumteilnehmer begehbar ist. Während die eine Fahrspur, die an das 9. und 10. Arrondissement grenzt (und in ihrer Richtung vom Place de Clichy zur Metrostation Barbès-Rochechouart führt) an ihrer Bürgersteigsseite nur einige Geschäfte und Cafés hat, ist die entgegengesetzte Fahrbahn am Fuß des Hügels Montmartre mit Imbissen und Geschäften unterschiedlichster Art überfüllt. Die Insel in der Mitte der Boulevards bildet die Grenze zwischen zwei unterschiedlichen (Nutzungs-) Räumen. Der Mittelstreifen ist ein Teil des Raumes, der fast ausschließlich von der Stadt gestaltet wurde. Er ist entsprechend bestimmter städtischer Absichten an verschiedenen Stellen unterschiedlich ausgestattet. Auf diese Weise werden ebenfalls verschiedene Raumfunktionen voneinander getrennt. Während der Mittelstreifen der beiden Boulevards an manchen Stellen begrünt und mit Bänken ausgestattet ist, ist er wiederum an anderen Stellen nur mit Bänken 1 Google Maps. Online verfügbar unter http://maps.google.de/, zuletzt geprüft am 20.06.2009. ausgestattet oder unbebaut. Die begrünte Gestaltung macht den Mittelstreifen zu einem Aufenthaltsraum, einer Art Oase, um sich von dem umliegenden Treiben zu distanzieren. Die Begrünung an den äußeren Rändern des Mittelstreifens fungiert dabei als Sicht- und Lärmschutz. An anderen Stellen ist der Mittelstreifen unbegrünt und bietet eine Art Aussichtspunkt, von dem aus der umliegende Raum beobachtet werden kann. Auf strategische Weise wurden diese Freistellen vor den touristischen Sehenswürdigkeiten des Analyseraumes angelegt. Beispielsweise ist der Mittelstreifen um die Metrostation Anvers unbegrünt und liefert so eine Aussicht, die zwischen den Häuserblöcken einen Blick auf die Basilique du Sacré-Cœur erlaubt. Die Aufenthalts- und Aussichtsfunktion dieses Ortes wird dadurch verstärkt, dass sich auf der anderen (nicht am Fuß des Hügels Montmartre gelegenen) Straßenseite ein kleiner Park befindet. Ebenso ist die Fläche vor dem berühmten Moulin Rouge unbegrünt und erlaubt den Touristen eine freie Sicht, die insbesondere genutzt wird, um zu fotografieren. Durch die begrünten Abschnitte des Mittelstreifens wird eine Art Flucht vor dem thematischen Umfeld (reges kommerzielles Treiben, Erotikgewerbe, Tourismusanhäufung etc.) ermöglicht. Gleichzeitig sollte jedoch betont werden, dass auch an den begrünten Abschnitten, dem Raumteilnehmer nicht komplett die Aussicht versperrt wird. Trotz gefühlter Abschottung, kann er an den Sträuchern und Bäumen vorbei sein Umfeld beobachten. Ebenso sind alle Metrostationen (Blanche, Pigalle, Anvers, Barbès-Rochechouart), deren Eingänge sich immer auf dem Mittelstreifen der Boulevards befinden, freigelegt, damit sie für den Raumteilnehmer gut sichtbar sind. Der Mittelstreifen wird nur an einer Stelle als Marktraum genutzt. Um die Metrostation Anvers herum gruppieren sich einige Stände, die Souvenirartikel verkaufen. An dieser Stelle befindet sich auch die Touristikinformation. Es handelt sich anscheinend um eine Stelle im Raum, an welcher der Tourismus von der Stadt gefördert wird. Wie schon im Kapitel 2.3. erwähnt wird die Metrostation Anvers durch die Rue de Steinkerque direkt mit der Parkanlage um die Basilique du Sacré-Cœur verbunden. Die Boulevards de Clichy und de Rochechouart bilden außerdem insgesamt eine sehr wichtige lineare Struktur im Analyseraum. Entlang dieser Straßen gruppieren sich verschiedene thematische Konzentrationen, wie beispielsweise der touristische Subraum, das Rotlichtviertel, oder der Marktraum um das Warenhaus Tati. 3.2.4. Lage und Umgebung der Metrostationen Alle Metrostationen befinden sich an strategischen Punkten im Raum. Sie liegen immer in der Nähe von großen Kreuzungen, an denen sowohl vom Hügel Montmartre ausgehend als auch auf der Seite des 9. und 10. Arrondissements Straßen in die Boulevards münden. Dabei münden an der nicht am Fuße des Montmartre gelegenen Seite die Straßen an drei Stellen (an der Metrostationen Pigalle und Blanche sowie an der Kreuzung zwischen Boulevard de Rochechouart und Rue de Clignancourt) zunächst in eine Straße, die einen Halbkreis bildet. Erst von dieser Sammelstraße aus gelangen die Raumteilnehmer in die Boulevards. Die an dieser Halbkreisstraße liegenden Häuser sind ebenfalls in einem Halbkreis gebaut. Diese Tatsache spricht dafür, dass die Häuser mit einem hohen Maß an stadtplanerischer Intention angelegt wurden. Auf der anderen Straßenseite sind solche Anordnungen nicht vorhanden. Kreiskonstruktionen, auf die Straßen sternförmig hinzulaufen, sind für Zentralparis sehr typisch. Das beste Beispiel dafür ist natürlich der Place de l´Étoile. Es spricht einiges dafür, die Plätze, die durch solche Kreiskonstruktionen geschaffen werden, als Knotenpunkte (node) zu bezeichnen. Hier kreuzen sich vielerlei verschiedene Straße und zusätzlich die unterirdischen Bahnen des Metronetzes. Es laufen demnach verschiedene Ströme zusammen. Generell lässt sich behaupten, dass im Analyseraum jede Metrostation an einem Knotenpunkt angesiedelt ist bzw. selbst den Knotenpunkt bildet. 2 Place Pigalle Darüber hinaus können gerade die Metrostationen auf dem Boulevard de Clichy sowie de Rochechouart als Landmarken bezeichnet werden. In regelmäßigen Abständen strukturieren sie den Raum und bedeuten den Raumteilnehmern ihre Position im Gesamtstadtraum Paris. 2 Ebd. 3.2.5. Geschäfte und Sehenswürdigkeiten als Landmarken: Neben den Metrostationen dienen auch bekannte Geschäfte und Sehenswürdigkeiten als Landmarken. Die Orientierung des Raumteilnehmers verläuft entlang auffälliger Elemente wie beispielsweise dem Discount-Warenhaus Tati, der Fassade des Veranstaltungssaals Elysée Montmartre, des Brunnens an der Metrostation Pigalle oder des Moulin Rouge. 3.2.6. Trennung der Verkehrswege und Schutzmaßnahmen: Eine weitere von Stadtbauern geschaffene Maßnahme, um den Raum zu strukturieren, sind kleine Verkehrsinseln sowie Pfeiler und Zäune, die verschiedene Fahrbahnen voneinander trennen und somit den Fluss der verschiedenen Raumteilnehmer versuchen voneinander zu trennen. Auf dem Beispielbild weiter unten kann man beispielsweise erkennen, dass durch eine schmale Verkehrsinsel die Busspur von der PKW-Fahrbahn abgegrenzt wird. Ebenso grenzen Pfeiler den ohnehin höher gelegenen Bürgersteig von der Fahrbahn ab. Es handelt sich um eine Konstruktion, die auf die normalerweise dichte Bevölkerung des Bürgersteigs vor dem Discount-Warenhaus Tati reagiert. Um die Raumteilnehmer davon abzuhalten, auf die Fahrbahn zu treten, wurden die Pfeiler angebracht. An der Kreuzung von Boulevard Barbès und Boulevard de Rochechouart befinden sich sogar Zäune. An dieser Stelle häuft sich das Personen- sowie Verkehrsaufkommen noch mehr. 3 Boulevard de Rochechouart 4 Es sollte also festgehalten werden, dass nicht nur Raumteilnehmer auf die Struktur des Raumes reagieren, sondern auch die Raumstruktur Raumkonstrukteure) auf das Verhalten der Raumteilnehmer. 3 Ebd. (bzw. das Verhalten der 3.2.7. Der Hügel Montmartre als Strukturierungselement: Der Hügel Montmartre bildet durch seine Steigung ebenfalls ein natürliches den Raum strukturierendes Element, da sich sowohl die Bebauung (Boulevards, die den Bergfuß umranden) als auch die Bevölkerung des Raumes (mehr Durchgangsverkehr um den Berg herum, mehr Touristenaufkommen auf dem Hügel) an dieser Erhebung orientieren. Auf diese Weise grenzt der Raum auch zwei verschiedene Nutzungsräume (Tourismusraum, Marktraum) voneinander ab. Mit seiner durch die Basilique du Sacré-Cœur gekrönten Spitze ist er zudem eine Landmarke. 3.2.8. Architektur und Fassaden als Kontrastelemente: Auch die Architektur bzw. Fassadengestalt hat eine raumstrukturierende Funktion. Sie trägt beispielsweise zur Differenz zwischen bzw. Hierarchisierung von Boulevards und Nebenstraßen bei. Dies ist besonders im Osten des Analyseraums, dem offiziellen Viertel Goutte d´Or, der Fall. Hier unterscheiden sich in vielen Fällen die Nebenstraßen (z.B. Rue des Poissonniers, Rue Polonceau, Rue Myrha, etc.) von den Boulevards durch die Architektur der anliegenden Häuser sowie deren Fassaden. Es fällt auf, dass die Fassaden der an die Boulevards grenzenden Häuser viele Steinelemente und Verzierungen haben. Darüber hinaus verfügen sie oft über kleine, gusseiserne Balkone und große, hölzerne Türen und Tore. Die Dächer sind häufig aus Schiefer und schmuckvoll gewölbt. Die Dachfenster schauen dabei leicht hervor. Die Anordnung der einzelnen Elemente (Fenster, Balkone, Verzierungen) ist regelmäßig und bildet eine Art Muster. Manchmal befinden sich ebenso besondere Verzierungselemente wie kleine Statuen oder mit Stein aufgearbeitete Initialen auf den Fassaden. Darüber hinaus befinden sich in regelmäßigen Abständen angelegte Bäume auf den Boulevards. Insgesamt herrscht eine starke Kontinuität. Die Häuserstil der Nebenstraßen ähnelt dem de Boulevards. Häufig haben auch diese Häuser eine regelmäßige, ein Muster bildende Fensterstruktur. Jedoch sind die Baumaterialien unterschiedlicher. Oft sind die Häuser normal verputzt. Ihre Fensterläden sind zum Teil aus abgenutztem Holz. Sie haben nicht so häufig Balkone. Die Häuser und Dächer sind seltener schmuckvoll gewölbt. Darüber hinaus haben die einzelnen Bauten wesentlich seltener die gleiche Höhe oder einen sehr ähnlichen Stil. Sie unterscheiden sich wesentlich mehr voneinander als die Bauten auf den Boulevards. Insgesamt bemerkt man, dass hinter ihrer Konstruktion kein einheitliches stadtplanerisches Konzept stand (wie beispielsweise das Konzept Haussmanns). 4 Rue des Poissonniers, Mündung in Boulevard Barbès Dennoch trifft es auch auf die Nebenstraßen zu, dass sich der gesamte Baustil nicht dem Pariser Gesamtbild bzw. Gesamtstil entzieht. Der Kontrast zwischen Boulevards und Nebenstraßen bezieht sich vor allem auf Material und Einheitlichkeit. Ebenso ist, wie schon erwähnt, der Kontrast zwischen Boulevards und Nebenstraßen im Osten des Analyseraumes wesentlich stärker als im Westen. 3.2.9. Gestaltung der Eingänge der Metrostationen: Die Gestaltung der Metrostationen kann als Hinweis auf die Raumbeschaffenheit oder konstruierte Raumatmosphäre verstanden werden. Die Metrostation Chateau Rouge befindet sich beispielsweise in dem mit dem Namen „îlot sensible“ betitelten sowie von mehrheitlich immigrierten Raumteilnehmen bevölkerten östlichen Subgebiet des Analyseraumes. Diese Metrostation ist durch ein Leuchtschild gekennzeichnet. Eine eher unauffällige, eingezäunte Treppe führt in das Metrosystem. Der Name der Metrostation steht auf einem simplen Schild daneben. Die Metrostationen Anvers oder Blanche hingegen sind sehr auffällig gestaltet. Der Eingang ist mit einem geschwungenen Zaun sowie mit einem Rundbogen umgeben. Diesen Rundbogen schmücken zwei Laternen. In der Mitte des Rundbogens befindet sich in ein Schild, auf dem in geschwungener Schrift „Metropolitain“ steht. In gleicher Weise ragt der Namen der Metrostation auf einem schmuckvoll eingerahmten Schild über der Metrostation. 4 Ebd. Insgesamt ist die Gestaltung der Stationen Anvers und Blanche wesentlich aufwendiger und nostalgischer. Diese Gestaltung passt, wie in einem späteren Kapitel noch gezeigt werden soll, zur Raumnarration bzw. zum Raumbild dieses Subgebiets des Analyseraumes. Zwar könnte sich der stilistische Unterschied auch dadurch ergeben haben, dass die Station Chateau Rouge sechs Jahre später gebaut wurde (1908) als die anderen beiden Stationen. Allerdings unterschied sich damals das Viertel Goutte d´Or bereits vom Boulevard de Clichy sowie vom westlichen Teil des Boulevard de Rochechouart. Der stilistische Unterschied ist vermutlich sowohl ein Ergebnis stadtplanersicher Entscheidungen, die darauf abzielten, Konstruktionen der Funktion ihrer Umgebung anzupassen. Zum anderen ist der Unterschied durch unterschiedliche Baujahre begründet. Heute trägt er zur gebauten Differenz zweier verschiedener Subräume im Quartier Barbès bei. Darüber hinaus ist es interessant zu beobachten, dass sich die kleineren Zeitungskioske, die in ganz Paris einheitlich gebaut wurden, oft in der Nähe der Metrostationen befinden. Auch hier handelt es sich um ein Ergebnis stadtplanerischer Entscheidung, die auf die alltägliche Praxis des Lesens während der Metrofahrt reagiert bzw. den Fahrgästen diese Praxis nahe legt. Metrostation Chateau Rouge Metrostation Anvers 3.2.10. Heterotopien: Wie jeder kulturelle Raum ist auch das Quartier Barbès von qualitativ unterschiedlichen Räumen durchzogen. Michel Foucault beschreibt in seinem Aufsatz „Andere Räume“ den modernen Raum als offenen Raum. Er stellt den mittelalterlichen Raum als einen durch eine kosmologische Theorie hierarchisierten Raum, einen „Ortungsraum“ 5 , dar. Durch die kopernikanische Wende brach diese Hierarchie auf und veränderte den Raum so, dass wir ihn heute als offenen Raum erleben. Dieser offene Raum wird durch Lagerungsbeziehungen geformt. Nachbarschaftsbeziehungen oder funktionale Raumbeziehungen (Halteplätze vs. 5 Vgl. Foucault, Michel: Andere Räume, in: Barck, Karlheinz (1990): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik ; Essais. Leipzig: Reclam, S. 36 Fortbewegungsräume, Freizeiträume vs. Arbeitsräume etc.) zählen zu diesen Lagerungsbeziehungen. Auch die Zeit versteht Foucault in der „Epoche des Raumes“ 6 als eine bloße Lagerungsbeziehung. Er zählt jedoch zwei besondere Raumarten auf, die besondere Lagerungsbeziehungen aufweisen, da sie mit allen anderen Räumen in Verbindung stehen, während sie ihnen gleichzeitig widersprechen: Utopien und Heterotopien Während Utopien als Perfektionierungen oder Kehrseiten einer Gesellschaft unwirkliche Räume sind, gibt es Heterotopien tatsächlich. Bei Heterotopien handelt es sich laut Foucault um „wirksame Orte, die in die Einrichtung der Gesellschaft hineingezeichnet sind, sozusagen Gegenplatzierungen oder Widerlager“ 7 . Foucault zählt anhand verschiedener Beispiele die Grundeigenschaften von Heterotopien auf. Seiner Auffassung nach etablieren alle Kulturen diese Räume. Heterotopien funktionieren dabei auf bestimmte Weise innerhalb der jeweiligen Gesellschaften: Heterotopien können an einem Ort mehrere Orte zusammenlegen. Sie sind häufig an Zeitabschnitte gebunden und brechen mit der herkömmlichen Zeit. Dabei können sie sowohl die Zeit akkumulieren (Museen, Bibliotheken) als auch an flüchtige Zeitabschnitte gebunden sein (Feste, Feriendörfer). Heterotopien setzen des weiteren ein System von Öffnungen und Schließungen voraus (Gefängnis). Der letzte Grundsatz von Heterotopien besteht darin, dass sie gegenüber dem herkömmlichen Raum eine Funktion haben. 8 Auch wenn es in diesem Zusammenhang interessant wäre, Foucaults Konzept der Heterotopien genauer zu besprechen, soll sich nun wieder dem Analyseraum gewidmet werden. Dieser birgt ebenfalls mehrere Heterotopien in sich (Friedhöfe, ein Hammam, eine Moschée, eine Synagoge, Bordelle, Theater etc.) . Auf eine Heterotopie, die vom öffentlichen Raum in regelmäßigen räumlichen Abständen zugänglich ist, soll jedoch kurz näher eingegangen werden: Das Metrosystem. Das Metrosystem von Paris hat dem herkömmlichen Raum gegenüber hauptsächlich eine Transportfunktion. Die Raumteilnehmer können schneller von einem Ort zu einem anderen gelangen. Nach Foucaults Definition könnte man sagen, sie brechen mit der Zeit. Der Gesamtraum wird somit verdichtet, denn die räumlichen Abstände werden praktisch, jedoch nicht geografisch verkürzt. Einmal in das Netz eingetreten befindet sich der Raumteilnehmer 6 Vgl. ebd., S. 34 Ebd. S. 39 8 Vgl. ebd., S. 40-46 7 in einem Zwischenraum, der eine Reihe von wichtigen Orten im Stadtraum miteinander verbindet. Nach Marc Augés Definition könnte man gleichsam sagen, dass es sich beim Metrosystem um einen Nicht-Ort handelt. Sein Hauptsinn besteht in der Verknüpfung von Orten miteinander. Ohne diese Funktion wäre der Raum unnötig. „Si un lieu peut se définir comme identitaire, relationnel et historique, un espace qui ne peut se définir ni comme identitaire, ni comme relationnel, ni comme historique définira un non-lieu.“ 9 In purer Form, so gibt Marc Augé zu bedenken, existierten jedoch weder Orte, noch NichtOrte. 10 Die Entscheidung, welche Orte innerhalb dieses Stadtraumes ausreichend wichtig sind, um eine eigene Metrostation zu erhalten, wurde von den Planern des Metronetzes gefällt. Durch eine Metrostation wird somit einem Ort im herkömmlichen Raum eine zusätzliche Prominenz verliehen. Ähnlich Foucaults Beschreibung von Zügen ist die Metro selbst ein räumliches „Beziehungsbündel“. „er [der Zug] ist etwas, was man durchquert, etwas, womit man von einem Punkt zum anderen gelangen kann, und etwas, was selber passiert“ 11 Der Zutritt zur Heterotopie des Metrosystems wird durch klare Eingangs- und Ausgangspforten reguliert. Die Nutzer müssen sich mit einem System von Schranken und Türen, die durch entsprechende Tickets geöffnet werden können, auseinandersetzen. Die Nutzung des Raumes ist auf die Zeit zwischen ca. 5 Uhr morgens und 1 Uhr nachts begrenzt. Innerhalb des Metrosystems kommt es oft zu einer eigentümlichen räumlichen Praxis der Raumteilnehmer. Warteräume befinden sich direkt neben Durchlaufzonen. Einander fremde Raumteilnehmer werden insbesondere in den kleinen Abteilen der Metro zu körperlicher Nähe gezwungen. Die Anhäufung von Menschen im vergleichsweise engen Raum des Metrosystems wird wiederum genutzt, um zu verkaufen (kleine Stände, Automaten) sowie zu repräsentieren (Musikdarbietungen, Plakatwände etc.). Beim Metrosystem handelt es sich folglich um einen größtenteils unterirdischen Parallelraum, der abweichend vom überirdischen Raum praktiziert wird. 9 Augé, Marc (1992): Non-Lieux. Introduction à une anthropologie de la surmodernité. Paris: Ed. du Seuil, S.100 Vgl. ebd., S. 101 11 Foucault, Michel: Andere Räume, in: Barck, Karlheinz (1990): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik ; Essais. Leipzig: Reclam, S. 38 10 Das Metrosystem, welches im Quartier Barbés verläuft, bildet ebenso einen Parallelraum. Dieser bezieht sich auf den herkömmlichen Raum durch Symbole und Repräsentationen. Bilder und Texte wie z. B. „Anvers-Sacré-Cœur“ oder Werbeplakate, die für Restaurants und Museen in der Nähe werben, stellen eine imaginäre Verbindung zwischen überirdischem und unterirdischem Raum her. Das Metrosystem ist also als Teil des Gesamtanalyseraumes zu verstehen. Die Heterotopie des Metrosystems wurde am Ende dieses Kapitels vorgestellt, da es sich um eine Mischform des gebauten und praktizierten Raumes handelt. Als Heterotopie macht das Metrosystem nur Sinn, weil es einerseits in bestimmter Weise vorkonstruiert ist (Eingänge, Ausgänge, Netzform) und andererseits auf bestimmte Weise genutzt wird. Im folgenden Kapitel soll nun gezeigt werden, dass dies auch für den gebauten Raum gilt. Durch die bauliche Struktur, so sollte in diesem Kapitel gezeigt werden, legt der Raum den Raumteilnehmern ein bestimmtes Verhalten (Aufenthalt, Transit, Aussichtsplatz) nahe. Ebenso behaftet die bauliche Struktur eines Raumes den Raum selbst bzw. seine einzelnen Subräume mit einer bestimmten Bedeutung oder Atmosphäre (klassizistischer Baustil, nostalgisch verzierte Metrostationen). Es handelt sich hierbei jedoch nur um Vorgaben. Diese werden im Sinne Michel de Certeaus jedoch von den Raumteilnehmern angeeignet und umgewertet. Der praktizierte Raum verhandelt sozusagen mit dem gebauten Raum. Dieser Prozess soll nun betrachtet werden.