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Qualitätsnachbearbeitung in der Produktion von Lebensmitteln
Gezielte Bearbeitung von Schadstellen am Beispiel der Kartoffelverarbeitung
Michael Weyrich, Jens Winkel, Yongheng Wang, Philipp Klein
(Universität Siegen)
Universität Siegen - Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung
Paul-Bonatz-Straße 9-11; 57068 Siegen
Tel.: 0271/740-3414; Fax: 0271/740-2542
E-Mail: jens.winkel@uni-siegen.de
Abstract
Bei der industriellen Verarbeitung von Lebensmitteln spielt die Qualität der jeweiligen
Erzeugnisse eine erfolgsentscheidende Rolle. Dabei stellen die natürlichen Schwankungen der
Produkte eine große Herausforderung für die Produktion qualitativ hochwertiger und
fehlerfreier Produkte dar. Die steigenden Kundenanforderungen beziehen sich dabei nicht nur
auf die gesundheitlichen und geschmacklichen Aspekte des Produktes – die Optik und auch
die Herstellung rücken immer mehr in den Fokus. Daraus ergibt sich die Forderung in der
Lebensmittel verarbeitenden Industrie, die eingesetzten Ressourcen möglichst effizient zu
nutzen und gleichzeitig die hohen Qualitätsstandards zu erfüllen oder zu verbessern. Aus
dieser Forderung resultiert die Entwicklung einer gezielten Qualitätsnachbearbeitung für die
industrielle Produktion. Im Rahmen eines durchgeführten Projektes wurde eine Systemanlage
entwickelt und in Betrieb genommen, die durch eine Kombination aus Bildverarbeitung und
nachgeschalteter Bearbeitungseinheit die Qualität der Endprodukte verbessert und den Anteil
an Abfall begrenzt. Im Folgenden Beitrag soll die entwickelte Systemanlage vorgestellt
sowie die Möglichkeiten für die Fehlstellendetektion im Rahmen der Qualitätskontrolle
landwirtschaftlicher Objekte beschrieben und diskutiert werden.
Stand der Technik
Zur Sicherstellung gleichbleibender Qualität und Optik und gleichzeitig eingesetzte
Ressourcen effizient zu bearbeiten, wird vor allem in der industriellen Verarbeitung eine
automatische Prüfung und Bearbeitung der Ausgangsprodukte benötigt. [Sun (et al.), 2008]
Als Prüfmethode findet auch die Bildverarbeitung immer häufiger Einsatz. Die zurzeit auf
dem Markt erhältlichen Systeme zur automatischen Inspektion sind zwar in der Lage
schadhafte Objekte zu erkennen, sortieren diese jedoch ganz aus. Diese Produkte werden
anschließend entsorgt oder zu qualitativ minderwertigen Produkten weiterverarbeitet.
Alternativ können diese aussortierten Produkte derzeit lediglich aufwendig manuell
nachbearbeitet werden. [Weyrich (et al.), 2012]
In bisher eingesetzten Anlagen gehen durch das Aussortieren ganzer Objekte also auch solche
Agrarprodukte komplett verloren, die durch eine Nachbearbeitung zurückgewonnen werden
könnten. Diese Anlagen bestehen in der Regel aus einem Förderband, einer
Bildverarbeitungseinheit sowie einer Sortiereinheit [Noordam (et al.), 2000]. Dabei werden
meist auch landwirtschaftliche Erzeugnisse aussortiert, die mittels geeigneter
Nachbearbeitung zu einem verwertbaren Produkt führen könnten. Die Vermeidung dieser
Verschwendung der eingesetzten Produkte bietet für die Lebensmittel verarbeitende Industrie
ein großes Einsparpotential. Die besondere Herausforderung der Entwicklung eines Systems
zur gezielten, automatischen Nachbearbeitung liegt dabei in den hohen Stückzahlen, dem
Produktionsumfeld in Bezug auf Hygiene, Klima, etc. und den natürlichen Schwankungen in
Form, Farbe und Qualität der Agrarprodukte. Die Einbindung von Sensor- und
Kameratechnik für die Qualitätssicherung in der Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte
hat ein hohes Potential, insbesondere in Bezug auf automatisierte Prozessabläufe [Brosnan (et
al.), 2002]. In den letzten Jahren wurde die Technologie des Hochdruckwasserstrahls zum
Schneiden landwirtschaftlicher Produkte in vielen wissenschaftlichen Abhandlungen
beschrieben.
Grundsätzlich
ist
jedes
landwirtschaftliche
Produkt
mittels
Hochdruckwasserstrahl schneid- bzw. bearbeitbar, wobei durch den Wasserstrahl
unterschiedliche Werkzeugeigenschaften zur Verfügung gestellt werden, um diese nach
Vorgabe konstruktiver wie auch betrieblicher Parameter entsprechend anzupassen [Ligocki,
2005]. Die Kombination aus dem Einsatz der Hochwasserstrahltechnik mit Bildverarbeitung
bzw. Sensorik zu Qualitätssichernden Maßnahmen stellt nicht nur in Bezug auf
Nachhaltigkeit und sinnvollen Umgang mit Naturprodukten ein großes Potential für
Entwicklungen dar [Weyrich (et al.), 2011]. Aus diesem Grund widmet sich das vorgestellte
Projekt dieser Aufgabenstellung.
Systemanlage und Datenkommunikation
Durch die Entwicklung des Systems werden die eingesetzten Agrarprodukte effizienter
genutzt. So können durch ein gezieltes Wegschneiden der Fehlstellen Teile der aussortierten
Produkte zu Endprodukten verarbeitet werden. Bild 1 zeigt schematisch den Aufbau der
entwickelten Anlage. Diese besteht aus einem Transportband, einer Kamerabrücke zur
Inspektion der Produkte und einer Schneidbrücke zur gezielten Bearbeitung der detektierten
Schadstellen.
Bild 1: Konzept einer automatisierten Nachbearbeitung für Kartoffelprodukte
Das entwickelte Nachbearbeitungssystem ist auf Grund der Hygiene-gerechten Ausführung
der Komponenten für den Einsatz in der Lebensmittel verarbeitenden Industrie nach
Schutzklasse IP69k konzipiert. Durch den modularen Aufbau des Systems können
verschiedene Bearbeitungsmengen realisiert werden. Entsprechende Änderungen im
Bildverarbeitungs- und Schneidsystem erlauben die Anpassung der Nachbearbeitung an neue
Produkte.
Das Herz der Anlage besteht aus einer Kamerabrücke, die alle detektierten Informationen der
geförderten landwirtschaftlichen Produkte in ein Labview basiertes, selbst entwickeltes
Bildverarbeitungsprogramm überträgt. Das Anlagenkonzept mit der zugehörigen
Datenkommunikation ist in Bild 2 veranschaulicht. Sowohl die Bildverarbeitung (PC-IBV)
als auch die Bearbeitungseinheit (PC-BP) werden durch separate Rechner betrieben, die in
IP69k basierten Schaltschränken untergebracht sind.
Bild 2: Anlagenkonzept mit zugehöriger Datenkommunikation
Um eine gewünschte Schnittführung durch die nachgeschaltete Bearbeitungseinheit zu
realisieren wurde ein spezielles Motion Control Programm entwickelt und implementiert.
Dieses Steuerungsprogramm ist in der Lage, durch die mittels Ads.dll-Protokoll von Labview
übertragenen Geometrieinformationen so zu verarbeiten, dass eine gerade Schnittführung
realisiert wird. Dabei wird das Förderband mit Hilfe von Drehgebertaktinformationen als
virtuelle Encoderachse in das Steuerungsprogramm eingebunden, damit die
Bearbeitungsachse direkt auf die Bewegung des Förderbandes aufsynchronisiert werden kann.
Da sowohl die Bildverarbeitung als auch die Steuerung die gleichen Drehgeberinformationen
verwenden, entsteht auf diese Art und Weise eine leistungsfähige und aufeinander
abgestimmte Datenkommunikation. Die detektierten Fehlstelleninformationen werden auf
wenige relevante Faktoren reduziert und diese nacheinander in ein Schieberegister in dem
erstellten Steuerungsprogramm geschrieben. Innerhalb des Steuerungsprogramms werden die
jeweiligen Werte nacheinander abgearbeitet und die gewünschten Koordinaten zum richtigen
Zeitpunkt angefahren, um die Fehlstelle zu entfernen.
Bearbeitungseinheit
Des Weiteren stellt die Auswahl einer geeigneten Bearbeitungseinheit für die gegebene
Problemstellung eine große Herausforderung dar. Zur Materialbearbeitung sollte ein
effizientes, schnelles und lebensmitteltaugliches System gefunden werden. Die entwickelte
Bearbeitungseinheit besteht demnach aus einem Wasserstrahlschneidkopf, der auf einer High
Speed Linearachse mit bis zu 15 G Beschleunigung angebracht ist. Zur Aufnahme der
Komponenten und zur Aufnahme der auftretenden Betriebskräfte wurde ein spezielles IP69k
gerechtes Edelstahlgestell konzipiert und in die Systemanlage mit eingebunden. Die
Linearachse ist, wie aus Bild 3 ersichtlich, senkrecht zum Förderband angebracht, sodass eine
ebene Schnittbewegung für die Bearbeitung realisiert werden kann.
Bild 3: Hochgeschwindigkeitslinearachse zur Bearbeitung scheibenförmiger Produkte
Dabei wurde der Tool Center Point des Wasserstrahls genau auf den Koordinatennullpunkt
des Bildverarbeitungssystems ausgerichtet, um die übergebenen Hilfspunktkoordinaten für
die gewünschte Schnittbahn direkt verarbeiten zu können.
Im Rahmen mehrerer Versuchsreihen wurde sich mit der Entwicklung einer übergeordneten
Bearbeitungsstrategie beschäftigt. Diese führten zu dem Ergebnis, dass für die gegebene
Problemstellung eine direkte Bearbeitungsstrategie anzuwenden ist, bei der die Bahnplanung
für den Online Bearbeitungsprozess bereits in der Bildverarbeitung in Labview erfolgt.
Aufgrund des hohen Gewichts des Schneidkopfes sind der Bearbeitungsgeschwindigkeit bzw.
der maximalen Achsbeschleunigung Grenzen gesetzt, die ebenfalls in einer Versuchsreihe
ermittelt wurden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass mit maximaler
Achsbeschleunigung ein minimaler Schnittwinkel α realisiert werden kann, dessen Wert in
den Bildverarbeitungsalgorithmus integriert wurde. Bild 4 zeigt dazu die Prinzipskizze einer
direkten Bahnplanung mittels Labview.
Bild 4: Bearbeitungsstrategie zur gezielten Entfernung der Fehlstellen
Die vorgestellte Bearbeitungsstrategie von Scheibenprodukten kann durch den modularen
Aufbau der Systemanlage einfach auf knollenförmige Objekte angepasst werden, siehe Bild 5.
Zur Führung des Schneidkopfes ist dazu eine mehrachsige Roboterkinematik notwendig.
Bild 5: Bearbeitung von flachen (links) und dreidimensionalen Produkten (rechts)
Für die Bearbeitung knollenförmiger Produkte ist allerdings eine entsprechende 3D-fähige
Bildverarbeitungseinheit einzusetzen, die im Folgenden näher vorgestellt wird.
Automatisierung der Optischen Inspektion
In der Lebensmittelindustrie werden die Produkte im Rahmen der Qualitätskontrolle nach
ihren Eigenschaften und Merkmalen in verschiedene Qualitätsklassen eingeteilt. Produkte in
niedrigen Qualitätsklassen müssen in der Regel entsorgt oder durch entsprechenden
Preisnachlass veräußert werden. Im Vergleich zu technischen Erzeugnissen können
Nahrungsmittel während des Produktionsprozesses auf einfache Weise verarbeitet werden,
was für die Qualitätskontrolle von großem Vorteil ist. Beispielsweise können Kartoffeln bei
der Herstellung von Kartoffelsalat bei Überschreiten einer festgelegten Größe direkt auf
einem Förderband in kleine Stücke geschnitten werden. Aus diesem Grund richtet sich das
Interesse der Lebensmittelindustrie zunehmend von der Aussortierung fehlerbehafteter
Erzeugnisse hin zu einer korrigierenden Verarbeitung defekter Produkte. Auf diese Weise
kann das Aufkommen an Abfall reduziert und somit Kostensenkungen und
Produktivitätssteigerungen erzielt werden.
Eine Methodik basierend auf dem Einsatz einer optischen Inspektions- und einer
Verarbeitungseinheit zur Qualitätskontrolle von Lebensmitteln ist vorgestellt worden
[Weyrich (et al.), 2012]. Diesem System werden Lebensmittel kontinuierlich über ein
Förderband zugeführt und durch ein Bildaufnahmesystem erfasst. Die Bilddaten werden
schließlich mit Hilfe eines Bildverarbeitungsalgorithmus nach Bild 6 analysiert.
Bild 6: Schematische Darstellung des Arbeitsablaufes
Die Datenauswertung erfolgt dabei folgendermaßen:
Vorverarbeitung (Bildrauschunterdrückung und Kontrastverbesserung), Segmentierung
(Isolierung der Produkte vom Hintergrund), Fehlererkennung (Position, Orientierung, Größe
etc.), Merkmalsextrahierung (Extrahierung der Fehlereigenschaften) und Klassifikation
(Produkt- und Fehlerbewertung). Entsprechend des Fehlertyps, der Position, Orientierung und
Verteilung werden die Lebensmittel auf dem Förderband in drei Klassen eingeteilt: (1)
einwandfreie Produkte, (2) bearbeitbare und (3) nicht bearbeitbare Fehlprodukte. Während
einwandfreie Produkte die Produktionslinie passieren, ist bei fehlerbehafteten Erzeugnissen
ein automatisiertes Eingreifen notwendig. Ist ein mit Mängeln behaftetes Produkt bearbeitbar,
wird es durch bestimmte Verarbeitungsstrategien bearbeitet. Ist die Verarbeitung des
Fehlprodukts nicht möglich, wird es aussortiert.
Herausforderung der Qualitätskontrolle bei Lebensmitteln
Bei technischen Erzeugnissen handelt es sich oftmals um industrielle Produkte (vor allem
Massen- und Serienprodukte), deren Geometrie, Oberflächen und entsprechende Toleranzen
durch die Konstruktion festgelegt werden. Folglich weisen diese Erzeugnisse idealerweise
eine vergleichbare geometrische Form und Oberflächenstruktur auf. Die Hauptaufgabe einer
auf Bildverarbeitung basierenden Qualitätskontrolle für technische Produkte besteht demnach
darin, Abweichungen der Geometrie oder der Oberfläche von einem vorgegebenen Sollwert
zu detektieren. Wird eine signifikante Abweichung bei einem Produkt festgestellt, ist dieses
auszusortieren.
Im Gegensatz dazu sind Lebensmittel (insbesondere Agrarprodukte, z.B. Obst und Gemüse)
inhomogen und werden stark von den äußeren Wachstumsbedingungen geprägt. Im Vergleich
zu technischen Produkten sind Lebensmittel durch die folgenden Eigenschaften maßgebend
gekennzeichnet:

Kein geometrisches Muster (siehe Bild 7a)
Die Geometrie der Agrarprodukte ist u.a. von den Wachstumsbedingungen geprägt
und kaum beeinflussbar. Daher ist die Form in vielen Fällen kein geeignetes Kriterium
zur Qualitätskontrolle von Lebensmitteln.

Kein Farbmuster (siehe Bild 7b)
Die Farbe eines Agrarprodukts ist wesentlich von der Wachstumsphase
(Luftfeuchtigkeit, -temperatur, Intensität der Sonnenstrahlung, etc.) abhängig. Daher
ist das Farbmuster oftmals ebenfalls nicht zur Qualitätsbeurteilung geeignet.

Unregelmäßige Größe (siehe Bild 7c)
Die Größe von Agrarprodukten unterliegt erheblichen Schwankungen. Die
Einflussfaktoren sind nur teilweise beeinflussbar, so dass sogar Erzeugnisse derselben
Pflanze unterschiedliche Größen aufweisen können.

Große Vielfalt an Fehlertypen (siehe Bild 7d)
Durch
die
unüberschaubare
Anzahl
an
Einflussfaktoren
auf
die
Wachstumsbedingungen kann bei Agrarprodukten eine Vielzahl verschiedener
Fehlertypen auftreten.
Bild 7: Landwirtschaftliche Produkte mit unterschiedlichen Farben, Formen und Fehlern
Aufgrund dieser Eigenschaften sind die Anforderungen an das Bildverarbeitungssystem eine
Herausforderung.
Fehlertyp und Messgröße
Bei der Produktinspektion mittels Bildverarbeitung sind ausschließlich äußere Defekte
relevant (da innere Defekte nicht detektiert werden können). Diese äußeren Defekte können
weiterhin in geometrische und oberflächliche Defekte unterteilt werden (s. Tab. 1). Fehler in
der Geometrie eines Produktes umfassen Volumenfehler (z.B. eine Gurke, deren Länge,
Breite oder Dicke als zu groß detektiert wird) und Formfehler (z.B. eine Kartoffel mit stark
konkaver Form). Zu den Oberflächenfehlern gehören Farbfehler (z.B. Schimmel auf einer
Orange) und Texturfehler (z.B. eine zerquetsche Erdbeere). Die dazugehörigen Messgrößen
für die jeweiligen Fehlertypen sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Tab. 1: Klassifikation von externen Defekten und deren zugehörigen Messmethoden
Kamera- und Sensortechnik
Eine Zusammenfassung der verfügbaren Sensortypen zur Detektion verschiedener
Fehlertypen für scheibenförmige (z.B. Kartoffelscheiben, Schinkenscheiben, Fischfilet,
Rindsteak, etc.) und knollenförmige (z.B. Orange, Apfel, Kuchen, etc.) Produkte ist Tab. 1 zu
entnehmen. Die verschiedenen Sensortypen können u.a. nach der Dimension des detektierten
Signals in 1D-, 2D- und 3D-Sensoren klassifiziert werden. Laserabstandssensoren erfassen
ein eindimensionales optisches Signal, das zur Abstandsmessung von Objekten eingesetzt
werden kann. Zu den zweidimensionalen Sensortypen gehören v.a. Flächenkameras. Dieser
Gruppe können auch Zeilenkameras zugeordnet werden, da deren Videosignal zu einem
zweidimensionalen Bildsignal zusammengesetzt wird. Dreidimensionale Sensortypen, wie sie
beispielsweise in Stereo- und PMD-Kameras eingesetzt werden, sind darüber hinaus auch in
der Lage Tiefeninformationen zu erfassen. Im Fall von scheibenförmigen Produkten genügt
eine 2D-Kamera zur Detektion sowohl der Geometrie- als auch der Oberflächenfehler. Durch
eine Vorrichtung zur Positionierung der Produkte können u.U. auch 1D-Sensoren zur
Detektion von geometrischen Fehlern verwendet werden. Für den kamerabasierten Ansatz ist
neben dem Sensor auch ein Beleuchtungssystem mit geeignetem Lichtspektrum zur
Hervorhebung der Defekte erforderlich. Das Thema wurde bereits in Lu (et al.), 2008;
Michelsburg (et al.), 2010; Weyrich (et al.), 2010; und Weyrich (et al.), 2011 ausführlich
diskutiert.
Ein Beispiel zur Detektion von Fehlstellen auf Kartoffelscheiben ist [Weyrich (et al.), 2012]
zu entnehmen. Hierbei wird ein Kamerasystem mit unterschiedlichen Spektralbereichen
(sichtbares Licht und Infrarotstrahlung) eingesetzt. Das Kamerasystem ist senkrecht zum
Förderband montiert. Zwei Auflicht-Beleuchtungen werden, wie in Bild 8 visualisiert,
zwischen Kamera und Förderband angebracht.
Bild 8: Detektion von Fehlstellen auf Scheibenförmigen Produkt ist [Weyrich (et al.), 2012]
Ein Infrarot-Durchlichtstrahler wird unter dem Förderband befestigt. Diese
Beleuchtungsanordnung ermöglicht eine optimale Konturdetektion, womit die Isolierung des
Messobjekts vom strukturierten Förderbandhintergrund realisiert werden kann. Die
vollständige Hintergrundsegmentierung wird durch die Kombination aus Auflicht- und
Durchlicht-Beleuchtung erreicht. Dies stellt jedoch ausschließlich einen fallspezifischen
Vorschlag dar. Für abweichende Produkte oder Fehlertypen sind alternative Kamera- und
Beleuchtungssysteme zu untersuchen.
Im Fall von knollenförmigen Produkten wird zur Detektion von geometrischen Defekten
normalerweise, wie in Bild 9 gezeigt, ein 3D-Kamerasystem verwendet, wohingegen
Oberflächenfehler zumeist mit 2D-Kamerasystemen detektiert werden.
Bild 9: Detektion von Fehlstellen auf knollenförmigen Produkten
Die gängigen Technologien zur dreidimensionalen Erfassung von Objekten sind Time-ofFlight, Stereokameras und strukturierte Beleuchtungen. Die Konfiguration der Kamera und
der Beleuchtung ist abhängig von der geometrischen Form der zu kontrollierenden Produkte
und der Messaufgabe. Wenn das Produkt durch eine Vorrichtung positioniert wird, können
u.U. auch 2D-Kameras zur Detektion von geometrischen Fehlern verwendet werden. Von
dem Beitrag [Laurowski (et al.), 2011] zur dreidimensionalen Erfassung von
rotationsymmetrischen Objekten kann man sich inspirieren lassen. In [Wilson (et al.), 2011]
wird ein Lasertriangulationssystem zur Vermessung von Lebensmitteln vorgestellt. Zur
Erstellung eines 3D-Models von Fleischprodukten (s. Bild 10) werden drei LaserlinienEmitter jeweils um 120° versetzt auf einem Gerüst angeordnet. Auf diese Weise wird die
Oberfläche des Messobjekts vollständig beleuchtet. Zur Bildaufnahme werden drei Kameras
ebenfalls jeweils um 120° versetzt auf dem Gerüst montiert. Mit Hilfe eines Host-PCs werden
die Signale der drei Kameras zur Generierung eines genauen 3D-Models des Fleischprodukts
zusammengefasst.
Bild 10: Generierung eines 3D-Models mit Hilfe eines Lasertriangulationssystems
[Wilson (et al.), 2011]
Zusammenfassung und Ausblick
In Zusammenarbeit mit den beteiligten Projektpartnern wurde eine Systemanlage entwickelt
und als Prototyp in Betrieb genommen, die es ermöglicht, Fehlstellen auf landwirtschaftlichen
Produkten zu erkennen und diese gezielt zu bearbeiten. Natürlich bedingte Schwankungen
sorgen für das Auftreten verschiedener Fehlstellen und stellten eine maßgebende
Herausforderung an die Auslegung der Anlage dar. Die Betrachtung der zyklischen
Schwankungen über ein ganzes Jahr gesehen ergeben nicht nur Schwankungen in der
Fehlerhäufigkeit, sondern auch in Form von Fehlerarten sowie der Qualität der jeweiligen
Produkte. Demzufolge lag das Ziel darin, Bildverarbeitung und die relevante
Bearbeitungsstrategie so aufeinander anzupassen, dass ein möglichst zuverlässiger Betrieb des
Systems gewährleistet ist, um den Rückgewinnungsgrad zu steigern bzw. zu optimieren.
Das entwickelte System für die Nachbearbeitung von Lebensmitteln durch Einsatz eines
Hochdruckwasserstrahl ermöglicht es, die eingesetzten Ressourcen effizient zu nutzen.
Fehlerbehafte Produkte können durch optische Bewertung und ein nachgeschaltetes, gezieltes
Bearbeiten für eine Weiterverarbeitung zu hochwertigen Endprodukten zurückgewonnen
werden. Zudem kann auf die natürlichen Schwankungen der Ausgangsprodukte durch eine
Anpassung der Bewertung reagiert werden. Somit ist auch bei Unterschieden in den
Ausgangsprodukten eine gleichbleibend hohe Qualität der gewünschten Endprodukte
gewährleistet. Des Weiteren bietet die Bildauswertungssoftware der Universität Siegen die
Möglichkeit, mittels integrierter Statistikfunktionen relevante Informationen über die Qualität
der Produkte auszuwerten und dem Produzenten in geeigneter Form jederzeit zur Verfügung
zu stellen.
Das Nachbearbeitungssystem, wie es in Bild 11 dargestellt ist, ist auf Grund der Hygienegerechten Ausführung der Komponenten für den Einsatz in der Lebensmittel verarbeitenden
Industrie konzipiert.
Bild 11: Nachbearbeitungssystem
Durch den modularen Aufbau des Systems können verschiedene Bearbeitungsmengen
realisiert werden. Entsprechende Änderungen im Bildverarbeitungs- und Schneidsystem
erlauben die Anpassung der Nachbearbeitung an neue Produkte. Die Kombination aus einer
Bildverarbeitung sowie einem Bearbeitungssystem stellt eine effiziente und variable
Möglichkeit dar, um die Qualität der erzeugten Produkte zu verbessern bei gleichzeitiger
Ressourcenschonung. Im Rahmen der Qualitätssicherrung während der Verarbeitung
unterschiedlichster landwirtschaftlicher Produkte bietet sich somit eine Vielzahl von
Anwendungspotentialen, die von Form und Farbe der verarbeiteten Produkte unabhängig
sind.
Danksagung
Das durchgeführte Projekt (NA01-035) Optimierung der landwirtschaftlichen
Produktionskette (O-L-Pro-Ket), mit dem Forschungszentrum Jülich (ETN) als Projektträger,
wurde durch die Landesregierung Nordrheinwestfalens und der EU im Rahmen des NRW
Ziel2-Programmes gefördert. Die Forschungsstelle bedankt sich für die Förderung sowie die
Unterstützung durch die beteiligten Projektpartner.
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