16. Nov. Jakob Senn
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16. Nov. Jakob Senn
Geboren als Söhne eines Kleinbauern in der Zürcher Oberländer Gemeinde Fischenthal entwickelten die Brüder Jakob und Heinrich Senn ein ganz ungewöhnliches Interesse für die Welt der Bücher. Mit seinem Roman «Hans Grünauer» hat der dichterisch ambitionierte Jakob Senn (1824–1879) ein bis heute gültiges Stück Literatur geschaffen. Sein Bruder Heinrich Senn (1827–1915) hat sich seinerseits in einem ausführlichen Tagebuch als Chronist seiner Zeit betätigt. Im Zentrum des Theaterabends steht Jakob Senn. Anhand von Auszügen aus dem Roman und aus den Aufzeichnungen seines Bruders Heinrich wird sein exemplarisches Schicksal als Autodidakt geschildert, der mit der literarischen Sichtung seines Lebens den Höhepunkt seines Schaffens erreichte. Der Abend erzählt aber auch von den Schattenseiten dieses Lebens, von der Niederlassung als Wirt in St.Gallen und der Auswanderung nach Südamerika, von der desillusionierten Rückkehr nach Zürich und dem bitteren Tod im März 1879 in der Limmat. Gleichzeitig wird auch das Schicksal Heinrich Senns greifbar, der den elterlichen Hof übernahm, eine Familie gründete und mit sechzehn Kindern «gesegnet» war. Das Textmaterial eröffnet einen ganz unverstellten Blick auf das 19. Jahrhundert, die Zeit der florierenden Heimindustrie, der Schulreformen, der schrittweisen Industrialisierung, der letzten Hungersnot sowie der Auswanderung nach Übersee. Im Mikrokosmos des Zürcher Oberlandes spiegelt sich ganz klar die Entwicklung vieler ländlicher Gebiete der Schweiz. Jakob Senn – der «Grüne Heinrich» von Fischenthal Freitag, 16. November, 20 Uhr Gemeinschaft Hard, Winterthur Wülflingen Eintritt 25.–/15.– Mit Matthias Peter (Spiel) Christine Lather (Gesang) Bruno Brandenberger (Bass) Regie: Daniel Pfister Eine Co-Produktion von der Kellerbühne St. Gallen und dem sogar theater Zürich in Zusammenarbeit mit dem Limmatverlag. Organisation: Elsa Bösch Vom Weber zum Schriftsteller: Ein Erzähltheater mit Musik bietet einen unvergesslichen Einblick ins 19. Jahrhundert. Der Schauspieler Matthias Peter, der abwechselnd in die Rollen von Jakob und Heinrich Senn sowie der literarischen Figur Hans Grünauer schlüpft, stösst ein Fenster zu einer faszinierenden, fremden und doch gar nicht so fernen Welt auf. Den Liedern, welche die Geschichte kommentieren und vorwärtstreiben, liegen zum grössten Teil Gedichte Jakob Senns zugrunde, die von der Sängerin Christine Lather und dem Musiker Bruno Brandenberger eigens vertont wurden. Pressestimmen «Und wie das lebt!» (St.Galler Tagblatt) «Stoff für die Bretter, die die Welt bedeuten.» (NZZ) «Ein emotional ganz tief zu Herzen gehender Abend.» (Thurgauer Zeitung) Literaturangaben Jakob Senn: Hans Grünauer Grünauer, Roman, Limmat Verlag, Zürich 2006, ISBN 3-85791-5072 Matthias Peter: Jakob und Heinrich Senn – Zeitbilder der Schweiz aus dem 19. Jahrhundert, NZZ, Zürich 2004, ISBN 3-03823-118-5 Die Mitwirkenden Matthias Peter (Konzept, Textbuch, Spiel) Künstlerischer Leiter der Kellerbühne St.Gallen, Schauspieler, Regisseur und freier Publizist. Engagements: Stadttheater Luzern und St. Gallen. Freie Theaterarbeit. Bücher: St.Galler Krimi-Trilogie Sechs Schüsse, Tötende Töne und Spreng Sätze, Verlag Ivo Ledergerber, 2000-2002. Jakob und Heinrich Senn – Zeitbilder der Schweiz aus dem 19. Jahrhundert, NZZ-Verlag, 2004. Jüngste Theaterarbeiten: Maquillage von Giuseppe Giorgio Englert, Schweizer Erstaufführung, Regie, Bern, 2002. Rainer Maria Rilke: Briefe an einen jungen Dichter und Les quatrains valaisannes, Konzept und Spiel, Rilke-Festival, Sierre, 2003; Da erfand er einen Rausch, Einakter von Jean-Pierre Gos und Jean Giono, Co-Produktion von Kellerbühne und Theater parfin de siècle, Regie, Spiel, 2004; Jon Fosse: Winter, Co-Produktion von Kellerbühne und off-bühne st.gallen, Spiel, 2006; Roland Schimmelpfennig: Push up 1-3, Co-Produktion von Kellerbühne und off-bühne st.gallen, Spiel, 2007. Christine Lather (Gesang, Komposition, Produktionsleitung) Die Zürcher Sängerin bewegt sich vorzugsweise im Bereich zwischen Musik und Theater. Ihre grosse Liebe gilt der Interpretation des Schweizer und des Deutschen Chansons. Sie erarbeitete in den letzten 15 Jahren verschiedene eigene thematische Liederabende. Wichtigste Produktionen: Heut abend lad ich mir die Liebe ein (Liederabend mit deutschen Chansons), Uf eimal wird druus Röschti (Schweizer Chansonabend), Männerlieder (Theatralischer Liederabend mit Sergej Simbirev), Lieber en Maa im Huus als gar kei Ärger – Ein Stück Margrit Rainer (mit Patricia Draeger), Liebes Leben – Lieder für den Tod (mit Sergej Simbirev, Dani Häusler), Musical über die Geschwister Schmid (Produktion Casino Winterthur). CD und Tournée Achter Himmel (Chansons mit Roger Girod, Dani Häusler, Andrei Ichtchenko, Werner Broger) Bruno Brandenberger (Kontrabass, Komposition) Kontrabassausbildung am Konservatorium Winterthur und an der Jazz-Schule Luzern. Zusammenarbeit mit dem Schweizer Jugend-Sinfonie-Orchester, Häns‘che Weiss, Toni Vescoli, Hannes Wader, Hardy Hepp, Corin Curschellas, Christoph Marthaler u.a. Diverse Einspielungen. Auszeichnungen: 1. Preis am Jazzfestival Zürich, 1977; 2. Preis am Jazzfestival Montreux,1978; als Mitglied der Gruppe Mad Dodo, Deutscher Kleinkunstpreis und Salzburger Stier, 1982. Seit 1989 Mitglied des Zürcher Kur- und Badorchesters. Seit 1995 Regie, künstlerische oder musikalische Beratung bei Musique Simili und Alex Porter (beide Träger des Schweizer Kleinkunstpreises), Dodo Hug, Linard Bardill etc. Daniel Pfister (Konzeptionelle Mitarbeit, Regie) Leiter der Musikschule Appenzeller Vorderland und freier Musiker. Ist spartenübergreifend im Bereich Musik, Schrift und Theater tätig. Mitglied des Flötenensembles Joueurs de flûte und des edes-Ensemble. Co-Autor der St.Galler Krimi-Trilogie Sechs Schüsse, Tötende Töne und Spreng Sätze und musikalischer Leiter der jeweiligen szenischen Lesungen mit dem Theater parfin de siècle. Rezension aus der Neuen Zürcher Zeitung vom 08.12.2006 Buch des Lebens Jakob Senns Roman «Hans Grünauer»: Neuauflage und Erzähltheater Jakob im Glück! 32 harte Jahre lang ist er ein Gefangener von FischenthaI. Er, der leidenschaftliche Leser und Literat, sieht sich wehrlos der Bauernfron und Webstuhlplackerei ausgeliefert. Da offeriert man ihm im Jahr 1856 eine Stelle im Antiquariat von Johann Jakob Siegfried in Zürich. «Jetzt soll er ganz in sein Element kommen, recht aus dem Trockenen ins Meer», notiert dazu Jakobs Bruder Heinrich. Aber Jakob Senn ist kein Fisch, der sich wendig in den Wogen des Lebens bewegt: Jakob im Unglück. «Da lag die Stadt, die mir eine neue Heimat werden sollte, und sie hatte trotz der vielen Rauchsäulen, die von den wirtlichen Dächern aufstiegen, ein überaus frostiges Aussehen», heisst es in seinem Lebens-Roman. 1862 gibt Senn unzufrieden die Stelle auf; doch die eigene Buchhandlung im Seefeld floriert nicht. Später findet der Dichter weder in St. Gallen noch in Südamerika sein Auskommen. Nach Zürich zurückgekehrt, sucht er 1879 in der Limmat den Tod. Erst postum, 1888, erscheint sein grosser Roman, «Hans Grünauer», der um 1863 entstand; erst postum erhält der Fischenthaler die ersehnte Anerkennung und seinen Platz in jener Ära der Schweizer Literaturgeschichte, die mit drei Namen überschrieben ist: Jeremias Gotthelf, Gottfried Keller und Conrad Ferdinand Meyer. Jakob Senns eigener steht für eine Vita wie ein Roman - eine Vita für einen Roman. Nun hat der Limmat-Verlag dem Buch zur vierten Neuauflage verholfen. «Hans Grünauer» - den Titel will Senn als Reverenz vor dem «Grünen Heinrich» verstanden wissen, und als Schutzumschlag hat der Verlag ein Bild von Kellers Hand gewählt - ist autobiografisch grundiert, literarisch gestaltet und weit mehr als ein bloss volkskundlich interessanter Rückblick. Sie ist zum Greifen, diese gut gewobene Geschichte vom wissbegierigen, Wort-ergebenen Webstuhl-Flüchtling, der nirgends hineinpasst, wenn er sich selbst nicht untreu werden will: eine formal zwar nicht vollendete, aber farbige, fühlbare Chronik. Stoff für die Bretter, die die Welt bedeuten. Alexandra Kedves Jakob Senn: Hans Grünauer. Roman. Mit einem aufschlussreichen Nachwort von Matthias Peter. LimmatVerlag, Zürich 2006. 320 SFr. 38.50. Derzeit läuft ein Erzähltheater zur Roman-Neuauflage mit Matthias Peter (Spiel), Christine Lather (Gesang), Bruno Brandenberger (Kontrabass). Zürich, Sogar-Theater, 8./10. Dezember.