Prof. Dr. Osterheider.ppt (Schreibgeschützt)
Transcription
Prof. Dr. Osterheider.ppt (Schreibgeschützt)
Sexueller Sadismus Diagnostik und Verlauf Prof. Dr.med. M.Osterheider Abteilung für forensische Psychiatrie und Psychotherapie Universität Regensburg Internationales Symposium Forensische Psychiatrie World Trade Center Zürich 08. – 10. Juni 2011 Einleitung • Was ist Sexueller Sadismus? – Der Begriff „Sadismus wird häufig in Zusammenhang mit einer sadistischen Persönlichkeitsstörung (SPD) genannt – Der sexuelle Sadismus ist mit SPD assoziiert, wird als Paraphilie klassifiziert und ist somit eine Störung der sexuellen Präferenz 2 Paraphilie - Kriterien • „...wiederkehrende intensive sexuell erregende Fantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die sich im allgemeinen auf • 1. nichtmenschliche Objekte, • 2. das Leiden oder die Demütigung von sich selbst oder seines Partners oder • 3. Kinder oder andere nicht einwilligende oder einwilligungsfähige Personen beziehen und die über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten auftreten... (APA, 1998) 3 Definition • Sexueller Sadismus – Das paraphile Hauptinteresse beim Sexuellen Sadismus beinhaltet (reale, nicht simulierte) Handlungen, welche für die Person durch physisches und psychisches Leiden des Opfers (einschließlich Demütigung) sexuell erregend sind – Die ICD-10 (WHO,2005) definiert Sadismus als „Präferenz für sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln 4 Definitionen ICD vs. DSM • ICD 10 F 65.5 – SADOMASOCHISMUS • ...sexuelle Aktivitäten mit Zufügung von Schmerzen, Erniedrigung oder Fesseln...mit Empfinden sexueller Erregung • ...als hauptsächliche Quelle der Erregung oder für sexuelle Befriedigung unerläßlich • ...Qualen zur Stimulation erotischer Gefühle • DSM IV 302.84 – SEXUELLER SADISMUS • ...intensive sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse / Verhaltensweisen / Handlungen bei denen das Leiden des Opfers (Demütigung) sexuell erregend ist • ...Phantasien und Verhaltensweisen verursachen klinisch bedeutsame Beeinträchtigungen 5 Sadistische Persönlichkeitsstörung Charaktersadismus (DSM- III R) • Anwendung körperlicher Grausamkeit, um sich in Beziehungen durchzusetzen • Erniedrigt und beschämt Leute in Gegenwart Dritter • Hat jemanden, der in seiner Macht stand (z.B. Kind, Gefangener) ungewöhnlich hart behandelt oder bestraft • Amüsiert sich an seelischen oder körperlichen Leiden Anderer • Hat gelogen in der Absicht Anderen zu schaden oder Schmerz zuzufügen • Bringt Andere dazu, das zu tun, was er will (indem er ihnen Furcht einflößt) • Beschneidet die Freiheit von Menschen, mit denen er eine enge Beziehung unterhält • Ist fasziniert von Gewalt, Waffen, Kampfsportarten, Verletzung oder Folter 6 Einvernehmlicher Sadomasochismus • BDSM: Bondage & Discipline/Dominance & Submission/ Sadism & Masochism • Wechsel zwischen submissiven und dominanten Rollen (bei männl. Sadomasochisten), jedoch geringe Wechselquote bei sadomasochistischen Straftätern • Kaum Überschneidungen zwischen SM-Subkultur und forensisch-relevantem Sexualsadismus • Jedoch nicht selten „compliante Opfer 7 Sexueller Sadismus Klassifikation nach Krafft-Ebing (1886) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. Lust-murder (Lustmord): Fallkonstellationen, in denen ein Zusammenhang zwischen sexueller Erregung und Töten bestand (Übergang > Kannibalismus) Leichenschändung / Nekrophilie Körperliche Angriffe auf Frauen (Einstechen, Auspeitschen etc.) „Schändung von Frauen Andere Angriffe auf Frauen (symbolischer Sadismus, wobei –z.B.- der Täter dem Opfer die Haare abschneidet statt es direkt zu verletzen) Simulierter Sadismus oder sadistische Fantasien ohne jegliche Handlungen Sadismus an anderen Personen (z.B. Jungen) Sadistische Handlungen mit Tieren 8 Sexueller Sadismus Prävalenz • Methodische Probleme bei Erhebung der Prävalenz • Fehlende „self reports ! – Prävalenz sadomasochistischen Verhaltens bei Männern 10 – 20%, bei Frauen 3 – 12% (Kinsey et al., 1953) – Hunt (1974): ca. 5% von Männern und 2% Frauen berichteten über sexuelle Erregung / Bedürfnisbefriedigung durch Zufügen von Schmerzen – Crepault & Couture (1980): 14.9% Inzidenz bezüglich Fantasien, Frauen zu erniedrigen und 10.7% Frauen zu schlagen („Gruppe von Männern in der Allgemeinbevölkerung ) – Forensische Auftretenswahrscheinlichkeit im einstelligen Bereich 9 Demographie und Entwicklung • Sexueller Sadismus vornehmlich bei Männern, üblicherweise mit Beginn in der Pubertät - obwohl auch sadistische Verhaltensweisen bereits in der Kindheit beobachtet werden • Bei Männern durchgängig auffällig ab später Jugend (17.-21. Lj.) • Es beginnt in der Regel mit Fantasien, die – in einigen Fällen – eventuell niemals ausgelebt werden oder in milder Form im Rahmen konsensueller Partnerschaften • In nicht-konsensuellen Fällen schreitet das Verhalten fort und eskaliert im weiteren Verlauf, weil der Täter ein Bedürfnis nach gesteigerter Gewalttätigkeit verspürt, um sein sexuelles Bedürfnis zu stimulieren 10 Entwicklung II • Früh-Identifikation von „gefährlichem oder „gewalttätigem Sadismus ist oft schwierig : – Einige Vergewaltiger beginnen ihre „Karriere mit scheinbar nicht-sexuellen Delikten ( Einbrüche, Diebstähle, Ressler&Douglas,1983), zeigen aber im Verlauf einen manifesten, ausgeprägten gewalttätigen Sadismus – Einigen Vergewaltigungsdelikten geht initial ein Muster sadistisch getönten Verhaltens voraus – Gefährlicher oder gewalttätiger Sadismus schließt auch „Piqueurismus ein (wobei der Angreifer auf ein Opfer einsticht und dann flieht) – In engem Bezug stehen Nekrophilie und „lust-murder 11 Komorbidität • Sadismus tritt regelhaft in Verbindung mit anderen Paraphilien auf • Abel et al.,1988: Studie zu multiplen Paraphilien zeigte, das im Durchschnitt Paraphiliker mit einer Hauptdiagnose zusätzlich 2 –3 andere Diagnosen aufweisen: – 18% der Sadisten waren ebenso masochistisch, 46% vergewaltigten, 21% exhibitionierten sich, 25% zeigten sowohl voyeuristische als auch frotteuristische Paraphilien und 33% pädophile Neigungen • Andere Autoren fanden eine Überlappung zwischen Sadismus, Masochismus, Fetischismus und Transvestismus. • Unter den gefährlichen sadistischen Tätern waren transvestitische und fetischistische Paraphilien überrepräsentiert (Dietz et al.,1990; Prentky et al.,1985) 12 SEXUELLER SADISMUS Paraphiles Spektrum • DEFINITION (Kriterium A nach DSM-IV): • wiederkehrende intensive sexuell erregende Phantasien, sexuell dranghafte Bedürfnisse oder Verhaltensweisen, die sich auf • nicht-menschliche Objekte • das Leiden oder die Demütigung von sich selbst oder seines Partners • oder Kinder oder andere nicht einwilligende oder nicht einwilligungsfähige Personen beziehen und die – über einen Zeitraum von mind. 6 Monaten auftreten • Dazu gehörige Störungen: • • • • • • • • Fetischismus Voyeurismus Frotteurismus Transvestismus Exhibitionismus Pädophilie Masochismus Sadismus 13 Diagnostik • Sadistische Fantasien und der Drang, diese auszuleben, sind schwierig zu explorieren • Fokussierung auf objektive Tatmerkmale (im Sinne einer forensisch-psychiatrischen Tatortanalyse) 14 SEXUELLER SADISMUS Diagnostische Beurteilung und Entwicklung • Operationalisierte diagnostische Kriterien unzureichend • „Klinische Erfahrungen (standardisierte Untersuchungen, Kasuistiken) richtungsweisend • Holmes & Holmes (1994) – „several elements of sadistic sexual homicide : – „fantasy – „symbolism – „ritualism – „compulsion 15 Holmes & Holmes (1994): „several elements of sadistic homicide I • FANTASY – Visualisierung und kognitive Integration / Repetition von Handlungen, die jemand erleben möchte – Inklusive: Fesselung, Folter, Verletzungen, Demütigung – „we have found that in every case the killers attempted to carry out their fantasies on their victims • SYMBOLISM – „fetishes : sexuelle Anziehung zu Objekten (Schuhe,Kleidung...) – „partialism : sexuelles Bedürfnis fokussiert auf Körperteile/-regionen des Opfers 16 Holmes & Holmes (1994): „several elements of sadistic homicide II • RITUALISM – (sexuelle) Handlungen, die durch ermöglichte Realisierung fortlaufend wiederholt, weiter entwickelt sowie ausgestaltet und verändert werden können – sadistische Rituale zielen auf die Erniedrigung und das Quälen des Opfers • COMPULSION – „the sole common element in all the sexual murderers we have studied – „strong internal drive - mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen-, um Phantasien umzusetzen und sadistische Handlungen auszuführen 17 Entwicklungsstadien • Inklinierender sexueller Sadismus: – Konsens, oft in Interaktion mit masochistischem Partner, keine oder geringe soziale Beeinträchtigungen • Periculärer sexueller Sadismus: – Bizarre Ausgestaltung, Luststeigerung auf eigene Person ausgerichtet • Sadistisch motivierte Vergewaltigungen: – i.d.R. Gewalt nicht nur in die Sexualität integriert, sondern auch in die Persönlichkeit 18 Diagnostische Indikatoren Klinischer Eindruck versus operationalisierte Kriterien • „Key points for assessment (...to look for…and to do…) – sexuelle Fantasien, die um das Bedürfnis nach Hinzufügung von Schmerzen bei einem Opfer kreisen – ein Bedürfnis, diese Fantasien in die Tat umzusetzen – Analyse und Interpretation des Tatgeschehens – klinisch relevante Beeinträchtigungen auf sexueller, sozialer und beruflicher Funktionsebene (Hucker, 1997, 2006) 19 Severe Sexual Sadism Scale (Nitschke, Osterheider, Mokros, 2009b) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. Ausüben exzessiver Gewalt Ausüben von Macht/Kontrolle/Dominanz Erniedrigung des Opfers Sexuelle Erregung durch die Tathandlungen Quälen des Opfers Ritualisiertes Verhalten während der Tat Entführen oder Einsperren des Opfers Einführen von Objekten in Körperöffnungen Verstümmeln der Genitalien des Opfers Verstümmeln anderer Körperteile Behalten von Trophäen 20 Rating Scales / Questionnaires • Aggressive Sexual Behavior Inventory – (Mosher,1988; Mosher & Anderson, 1986) • Coercive Sexual Fantasies Questionnaire – (Greendlinger & Byrne,1987) • Sexual Arousability Inventory – (Chambles & Lifshitz,1984) • Multidimensional Assessment of Sex and Aggression (MASA) – (Knight, Prentky and Cerce,1997, rev. 2001) 21 Tatortanalyse und Forensische Psychiatrie • • • • • • Forschung bei Sexualdelinquenz Klassifikation des Deliktes und Beurteilung Identifikation von Tätertypologien Begutachtung und Therapieplanung Bedeutung sexueller Fantasien Kenntnis unterschiedlicher Interviewtechniken 22 Sexuelle Phantasien • Phantasie als „Motivator • Frühe deviante Phantasien bilden die Grundlage („road map ) für spätere gewalttätige und serielle sexuelle Delinquenz (u.U. bedeutsam für Therapierbarkeit!) • Die Entwicklung bizarrer und gewalttätiger Phantasien in ihrem Verlauf drückt sich im Tatverhalten aus und spiegelt sich am Tatort wider („Verhalten ist bedürfnisorientiert ) 23 Prognose • Inklinierender Typus: eher günstig • Periculärer Typus: – zunehmende Ausdifferenzierung – Andere Störungen der Sexualpräferenz erzielen keine ausreichende Befriedigung mehr – Sozialer Rückzug bis hin zur Isolation – Zwanghafte Beschäftigung mit den Fantasien (Grenzen fließend) – Zunehmender Konsum von Gewalt- und pornografischen Filmen 24 Therapie • Kognitiv – behavioral: – Veränderung sexueller Erregungsmuster – Verbesserung der Opferempathie – Behandlung komorbider Störungsbilder (andere Paraphilien, Persönlichkeitsstörungen, affektive Symptome, Sucht) • Psychopharmakotherapie • Antiandrogentherapie 25 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! michael.osterheider@medbo.de 26