pdf-Datei - Nationalatlas
Transcription
pdf-Datei - Nationalatlas
„Ein bisschen Frieden“ für Europa Christoph Waack unter Mitarbeit von Kai Uhlig © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 Seit 1956 veranstaltet die European Broadcasting Union (EBU) im europäischen Fernsehen jährlich einen Wettbewerb der Nationen: den Eurovision Song Contest (ESC), früher auch Concours Eurovision de la Chanson und Grandprix d‘Eurovision de la Chanson genannt Von langjährigen Beobachtern wird behauptet, dass nicht nur die Qualität der vorgetragenen Musiktitel, sondern auch nationale Präferenzen der Teilnehmerländer untereinander die Wertung beeinflussen. Auffällig sind in der Tat die häufigen gegenseitigen Stimmenvergaben im skandinavischen Raum (seit 1994 inkl. Baltikum) und im ehemaligen Jugoslawien (sog. BalkanConnection). Kann für Deutschland ein ähnliches Cluster im Abstimmungsver- Länderranking (RL) = wie viele Punkte hat ein Land von Deutschland insgesamt erhalten (Pges) und wie oft hat das Land am ESC teilgenommen (NESC). Länder, die erst einmal teilgenommen haben, wurden aus dem Ranking herausgenommen. Für die Punkte, die Deutschland erhielt, wurde die Formel analog eingesetzt. 122 Wertungen aus Deutschland In den 1970er und 80er Jahren waren die Favoriten der deutschen Jury meist die britischen, irischen oder oft auch die israelischen Interpreten . Die grundlegende Veränderung der Punktevergabe vom Juryprinzip hin zur Wahl durch das Publikum via Televoting sowie das Hinzukommen neuer Länder aus dem östlichen Europa haben zu deutlichen Verschiebungen in der Bewertungspräferenz geführt. Im Vergleich der Rankings, die sich aus den Jurybewertungen (bis 1995) resp. dem Televoting ergaben, konnte sich nur Polen unter den ersten drei behaupten, während Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Leben in Deutschland Europäisches Nordmeer ATLANTISCHER Durchschnittlich von Deutschland vergebene Punkte N o r d - VEREINIGTES IRLAND KÖNIGREICH s e e DÄNEMARK NL OZEAN B L FRANKREICH O AND s * 1996 nahm Deutschland nicht am ESC teil LETTLAND LITAUEN i FÖDERATION P O L E N U K R A I N E SLOWAKEI V SPANIEN RUSSISCHE WEISSRUSSLAND CZ A FL SCHWEIZ MC M 4,0 - 6,5 2,0 - 4,0 0,7 - 2,0 0,0 Staaten, die am ESC nicht teilnehmen ESTLAND SLO HR RSM E MOLDAWIEN UNGARN RUMÄNIEN BIH SCG BULGARIEN Sc hw arz es Meer MK I RL = Pges / NESC ISLAND L Das Gesamtranking für alle 30 Jahrgänge wurde nach folgender Formel ermittelt: Von Deutschland vergebene Punkte 1975 - 2005 * A Das Ranking wurde für die 30 Jahre ermittelt, in denen Deutschland seit 1975 an dem Wettbewerb teilgenommen hat. Die Jahre davor wurden aufgrund der häufigen Verfahrensänderungen nicht berücksichtigt. Für jedes Jahr wurden die zehn besten Titel mit den Punktzahlen von 1 bis 12 bewertet, wobei die zwei besten Titel einen Bonus von ein bzw. zwei Punkten erhielten (10 und 12 Punkte). de la Chanson) I T Methodik Deutschland im Eurovision Song Contest (Grand Prix dEurovision F I N N L A N D Platz e e 30. Teilnehmerzahl N letzter Platz 30 s 1996 ohne Deutschland 6,5 5,8 5,2 4,6 4,6 4,1 4,1 4,0 4,0 4,0 3,6 3,5 3,3 3,2 3,1 2002, Türkei: 2003, Ukraine: 2004). Anstelle von Großbritannien und Irland stehen nun die Türkei und Serbien-Montenegro an der Spitze der Tabelle . Es dürfte kein Zufall sein, dass – im Gegensatz zu den Juryentscheidungen – beim E Platz Großbritannien in der Gunst des Publikums verlor. Im Televoting-Ranking ist eine deutliche Ostverschiebung erkennbar, die sich als Tendenz auch bei den Gesamtsiegern des Wettbewerbs der letzten Jahre zeigte (Estland: 2001, Lettland: N erster Platz 25. Serbien-Monte. Polen Lettland Großbritannien Monaco Irland Israel Estland Türkei Schweden Frankreich Dänemark Malta Italien Schweiz t Platzierung Deutschlands G 25 E Teilnehmer 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 9,4 6,5 6,0 5,2 5,0 4,6 4,6 4,0 4,0 3,4 3,4 2,5 2,3 2,0 1,8 * Zahl der Veranstaltungen; 1975-1995 Jurybewertung; 1997-2005 Televoting E 20. W 20 R 15. Türkei Serbien-Monte. Polen Lettland Dänemark Estland Griechenland Italien Kroatien Malta Israel Albanien Großbritannien Ukraine Schweden S C H W E D 15 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 5,6 5,3 5,0 5,0 4,6 4,6 4,4 3,7 3,6 3,5 3,4 3,2 3,1 3,1 3,0 N O 10. Großbritannien Irland Polen Schweden Frankreich Monaco Israel Niederlande Schweiz Ungarn Norwegen Malta Spanien Italien Russland ND 10 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 LA 5. Zum ersten Concours Eurovision de la Chanson trafen sich am 24. Mai 1956 Interpreten aus sieben Ländern in Lugano. Der 50. Wettbewerb fand am 21. Mai 2005 mit 24 Teilnehmerländern im ukrainischen Kiew statt. Die Veranstaltung findet zumeist im Land des letztjährigen Gewinners statt. Nach der Aufnahme der OIRT, des osteuropäischen Fernsehverbunds, in die EBU (1993) wurde die kritische Grenze der Durchführbarkeit erreicht und die Teilnehmerzahl auf 25 begrenzt. So fand 1993 im slowenischen Ljubljana erstmals eine Vorauswahl statt; 1997 wurde ein neues Qualifikationsverfahren eingeführt, das die erreichte Punktzahl der letzten fünf Jahre berücksichtigt. Nur Deutschland, Großbritannien, Spanien und Frankreich als bevölkerungsreichste Länder Europas sind immer dabei. Diese Regel wurde 1996 eingeführt, als Deutschland bereits in der Vorrunde ausgeschieden war. Seit 2004 dürfen alle Länder, auch die im Vorentscheid ausgeschiedenen, im Finale per Televoting abstimmen. In der 50-jährigen Geschichte des ESC haben 44 Länder an dem Wettbewerb teilgenommen , Deutschland war dabei bis auf das Jahr 1996 immer vertreten. Tschechien wollte als einziges europäisches Land nie teilnehmen, das Fürstentum Liechtenstein darf es nicht, da es keine eigene Fernsehanstalt hat. Das Wertungsverfahren wurde im Laufe der Jahre mehrfach geändert. Bis 1995 wurden die Bewertungen durch Jurys vorgenommen, danach wurde sukzessive in den einzelnen Ländern das Televoting-Verfahren eingeführt, bei dem die Zuschauer direkt über das Telefon die Entscheidung herbeiführen können. Seit 2004 ist das Juryprinzip vollständig durch Televoting abgelöst worden. 1975-1995 (21)* 1997-2005 (9)* 1975-2005 (30)* Punkte Rang Land Punkte Rang Land Punkte Rang Land SCH 5 50 Jahre ESC DEUT 1. Eurovision Song Contest 1975-2005 Durchschnittliche Punktevergabe Deutschlands und Rangfolge der begünstigten Länder L 0 GA Jahr 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 halten festgestellt werden? Welche Präferenzen hat Deutschland, bzw. wie stehen die anderen Teilnehmerländer zu Deutschland? TU Teilnehmerzahl und Platzierung Deutschlands im Eurovision Song Contest 1957-2005 POR AL N T Ü R K t M DZ © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 TN I SYR t MAROKKO E GRIECHENLAND e ZYPERN l m Autor: C. Waack e e RL r ISRAEL Maßstab 1 : 40 000 000 ges Mal (1982) mit der Sängerin Nicole und dem Titel „Ein bisschen Frieden“ gewinnen . Aber auch bei insgesamt weniger erfolgreichen Titeln erhielt Deutschland aus bestimmten Ländern immer hohe Punktzahlen. Eine gute Wertung gab es oft von Spanien und Portugal, und auch die direkten Nachbarn Dänemark, Belgien, Polen und die Niederlande vergaben auffällig viele Punkte an Deutschland . Eine Erklärung könnte sein, dass Spanien und Portugal zu beliebten Wohnsitzen von deutschen Ruheständlern zählen und die Nachbarländer oft von deutschen Touristen aufgesucht werden. Die Wertungen lassen zudem eine gewisse Symmetrie der gegenseitigen Sympathien erkennen. Sowohl bei den Rankings der von Deutschland vergebenen Punkte, wie Televoting solche Länder gute Ergebnisse erzielen konnten, die einen hohen Anteil der in Deutschland lebenden Ausländer stellen (Türken, Serben, Polen, Griechen, Italiener). Beim ESC können sie ihre Heimatverbundenheit durch eine aktive Teilnahme am Televoting zum Ausdruck bringen. Wertungen für Deutschland Im Wettstreit um das schönste Lied Europas konnte Deutschland nur ein einzi- In der Vergabe seiner Punkte folgt auch Deutschland dem seit Öffnung des ESC für osteuropäische Länder zu beobachtenden Trend, hohe Punktzahlen an die Neueinsteiger zu vergeben. Von Beobachtern des ESC wird dieses Abstimmungsverhalten als „ein Zeichen europäischer Liebe zur abseitigen Region“ (FEDDERSEN 2005) tituliert. Der ESC verdient daher auch die Bezeichnung als „das einzige Stück Europa, das ohne politische Einigung funktioniert“ (nach FEDDERSEN 2002, S. 274).웇 auch der an Deutschland vergebenen sind Polen, Großbritannien, Irland und Monaco unter den ersten zehn Plätzen zu finden. Hier scheint zwischen diesen Ländern und Deutschland zumindest im Musikgeschmack eine gegenseitige Affinität zu existieren. Eine Bevorzugung der deutschsprachigen Länder (Deutschland, Schweiz und Österreich) untereinander konnte dagegen nicht festgestellt werden. Gesamtbewertung Deutschlands Position im ESC ist ausgesprochen mittelmäßig. In der Zusammenfassung der 48 Wettbewerbe von 1957-2005 belegt Deutschland den 9. Platz bei durchschnittlich 19 Teilnehmerländern. Zwei letzte Plätze stehen einem ersten Platz, vier zweiten und fünf dritten Plätzen gegenüber . Deutschland im Eurovision Song Contest (Grand Prix dEurovision de la Chanson) Punktevergabe 1975 - 2005 Island 80 90 Norwegen 80 2000 90 2000 Schweden 80 90 2000 Finnland 80 90 Dänemark 2000 80 90 Niederlande 2000 80 90 Luxemburg 2000 80 90 Belgien 2000 80 90 Schweiz 2000 80 90 Österreich 2000 80 90 Lettland 2000 80 Großbritannien 2000 N D L N I N E O 2000 90 2000 90 GB 2000 OZEAN 90 2000 zu RUSS. WEISSRUSSLAND L GA TU POR M S i DZ MAROKKO 2000 80 90 2000 Russland 90 2000 80 90 2000 Rumänien 80 90 2000 80 90 2000 K A S A C H S T A N Ungarn Jahr der Ausrichtung 2003 KZ Bulgarien USBEKISTAN P O L E N 80 90 2000 80 90 2000 Kiew 2005 U K R A I N E Moldawien Ukraine TURKMENISTAN 80 GE 90 2000 80 90 2000 AZ ASERBAIDSCHAN ARM Griechenland E I 80 GRIECHENLAND t SYR t 90 2000 Zypern EN Madrid 1969 S P A N I E N Portugal 80 2000 Weißrussland Slowakei LI 2000 80 90 6 4 2 1 ITA 90 s FÖDERATION LETTLAND Riga 2003 LITAUEN Paris 1978 Spanien 80 O EST 90 80 Polen Ausrichtungsorte und -häufigkeit 1956 - 2005 Tallinn 2002 CZ Luxemburg 1962 SLOWAKEI 1966 MOLDAWIEN 1973 Wien München 1984 FL 1967 1983 A FRANKREICH SCHWEIZ UNGARN Lausanne SLO RUMÄNIEN Lugano 1989 1956 Zagreb s Meer HR 1990 arze hw RSM SERBIEN c BIH MC S UND AND Cannes MONTENEGRO BULGARIEN 1959 1961 V Rom MK Istanbul 1991 2004 T Ü R K AL Napoli 1965 Andorra 80 s e e DÄNEMARK Kopenhagen 1964 Malmö 2001 1992 Harrogate Birmingham 1982 Millstreet 1998 1993 Amsterdam Den Haag 1970 London 1976 1960 Hilversum 1980 NL 1958 DEUTSCH1963 LAND 1968 Brighton Brüssel 1974 1977 Frankfurt B 1987 1957 L Monaco 80 Stockholm 1975 2000 Göteborg 1985 N o r d Edinburgh 1972 s e e 80 Dublin 1971 1981 1988 1994 1995 1997 IRLAND Oslo 1996 t ATLANTISCHER RUSSISCHE H Bergen 1986 C Frankreich F W N 90 D R E W Nordmeer N E Europäisches Irland 80 4,00 - 5,3 2,00 - 4,0 0,83 - 2,0 0,0 10 (bei einmaliger Teilnahme) Staaten, die am ESC nicht teilnehmen A G E ISLAND 80 Durchschnittlich an Deutschland vergebene Punkte N 90 2000 Litauen An Deutschland vergebene Punkte 1975 - 2005 * 80 90 Estland ZYPERN MALTA TN e l Maßstab 1 : 30 000 000 e e m ISRAEL R A 90 N 2000 80 Israel I R A K 90 2000 Türkei RL KUWAIT JOR r I Jerusalem 1979 1999 80 90 2000 80 90 2000 KSA JORDANIEN Marokko 80 E W90 S TS Italien A R HA 2000 Malta Jugoslawien A¹ M A U 80 R E T A90N I E2000 N 80 90 2000 80 90 2000 Serbien und Montenegro 80 90 2000 Slowenien Kroatien Mazedonien Bosnien u. H. Albanien Punkte für Deutschland von ... 12 S A U D I 8 80 90 I 2000 L B Y E80 N 90 2000 80 90 Ä G Y P T E N 2000 80 A 90 2000 80 90 R A 2000 4 B 0 4 8 12 © Leibniz-Institut für Länderkunde 2006 Autor: C. Waack I E 80 am ESC teilgenommen N 90 2000 Jahr im Halbfinale ausgeschieden Punkte von Deutschland für ... * 1996 nahm Deutschland nicht am ESC teil „Ein bisschen Frieden“ für Europa 123