Erfahrungsbericht Erasmus an der Universidad de Cádiz
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Erfahrungsbericht Erasmus an der Universidad de Cádiz
SS 2015 Erfahrungsbericht Erasmus an der Universidad de Cádiz Julius-Maximilians-Universität Würzburg SS 2015 Vorbereitung Aufmerksam geworden bin ich auf einem Informationsabend zum Thema “Studieren im Ausland” am Wittelsbacherplatz. Ich hatte schon nach dem Abitur mit dem Gedanken gespielt vor Beginn meines Studiums ein halbes Jahr ins Ausland zu gehen, fühlte mich damals aber noch nicht bereit dazu. Da ich unbedingt mein Spanisch verbessern wollte und ich mich auch schon immer zu dieser Sprache und Kultur hingezogen fühlte, kam für mich von Anfang an eigentlich nur ein spanisch sprachiges Land in Frage. Somit war die Entscheidung schnell getroffen, dass ich mich für ein Erasmussemester an der Universität in Cádiz bewerben werde. Mein Motivationsschreiben zusammen mit einem Einstufungstest über meine Sprachkenntnisse und einen Auszug über meine bestandenen Module und Teilmodule reichte ich bei dem für Sonderpädagogik zuständigen Dozenten Herrn Christoph Ratz ein. Schon im Vorfeld informierte ich mich auf der Homepage der Universität Cádiz über Seminare und Vorlesungen, die dort angeboten werden. Sonderpädagogik an sich kann man in Cádiz leider nicht studieren, trotzdem gibt es einige Seminare (z.B. zu Inklusion oder aus dem Bereich Psychologie), die äußerst interessant für Studierende der Sonderpädagogik sind und in Cádiz sogar verpflichtend für Grundschul- und Vorschulpädagogik sind. Eine Übersicht sowie eine Beschreibung der Seminare und Vorlesungen findet man unter Grado en Educación Primaria: http://asignaturas.uca.es/wuca_fichasig1415_asignaturas_xtitulacion?titul=41119 Grado en Eduación Infantil: http://asignaturas.uca.es/wuca_fichasig1415_asignaturas_xtitulacion?titul=41118 Ich kann es jedem auch nur empfehlen sich auch über das Angebot anderer Studiengänge zu informieren. Dort findet man bestimmt etwas, was man sich für die Didaktikfächer anrechnen lassen kann. Aber auch aus reinem Interesse lohnt es sich in andere Bereiche hinein zu schnuppern. Ich habe z.B. einen Kurs über Mythen und Sagen aus dem alten Griechenland und einen Arabischkurs belegt. Nach Absprache mit dem Betreuer Paco Zayas, der bei dem jeweiligen Lehrstuhl ein „okay“ einholt, ist das alles auch kein Problem. Eine Übersicht über alle angebotenen Studiengänge an der UCA (Universidad de Cádiz) findet man auf dieser Webseite: Planes de Estudio: http://asignaturas.uca.es/wuca_fichasig1415_titulaciones Wohnungssuche Die meisten Erasmusstudenten suchen sich ein Zimmer in einer WG direkt vor Ort und verbringen die Zeit bis dahin in einem Hostel. Mir war es wichtig mit Spaniern zusammenzuwohnen, da ich Angst davor hatte, dass man mit anderen Erasmusstudenten nur Englisch reden würde. Die einzige WG ohne Erasmusstudenten fand ich in Rio San Pedro, 10 Gehminuten vom Campus in Puerto Real entfernt, auf dem sich auch die Fakultät für Erziehungswissenschaften (Facultad de Ciencias de la Educación) befindet. Ich habe mein Zimmer über die Seite der UCA (http://alojamiento.uca.es/) gefunden. Da Rio San Pedro – abgesehen von dem idyllischen Naturpark am Flussdelta- ein ziemlich hässliches Viertel ist und meine beiden Mitbewohnerinnen leider mehr Zeit in der Bibliothek und an den Wochenenden und Ferien bei ihren Familien verbrachten, hab ich mir nach einem Monat eine andere Wohnung im Zentrum Cádiz‘ gesucht. Das restliche Semester verbrachte ich somit in einer 5er-WG mit zwei Französinnen und zwei Italienerinnen. Und gegen meine Erwartungen haben wir wirklich nur Spanisch gesprochen. Die meisten Spanier, Italiener und Franzosen sprechen nur gebrochenes Englisch. Ganz ohne Spanischkenntnisse sollte man also nicht nach Spanien gehen. Neben dem oficina de alojamiento der UCA werden auch in diversen facebook-Gruppen WG-Zimmer angeboten. Außerdem findet man zahlreiche Aushänge in der Uni. Man findet also auch weit nach Semesterbeginn noch eine Wohnung. Die Wohnungen sind in der Regel komplett Möbliert und es ist von Küchenutensilien bis hin zur Bettwäsche alles vorhanden. Auch mit den Vermietern habe ich nur positive Erfahrungen gemacht. Die Universität Die Fakultät für Erziehungswissenschaften (Facultad de Ciencias de la Educación) befindet sich am Campus in Puerto Real, etwa 20 Minuten außerhalb von Cádiz und ist mit dem Bus gut zu erreichen. Dort befindet sich auch das Sekretariat, wo man sich für die Kurse, die man belegen will, einschreiben muss. Dazu hat man ca. zwei Wochen nach Semesterbeginn Zeit. In dieser Zeit kann man sich verschiedene Kurse anschauen und dann entscheiden, welche man davon wirklich belegen will. Leider waren bei mir ausgerechnet in den ersten zwei Wochen Streiks angesagt, weshalb einige Vorlesungen nicht stattfanden. Wie bereits erwähnt, kann man auch Veranstaltungen anderer Fakultäten belegen, allerdings sollte man das vorher mit den zuständigen Personen absprechen. Am Campus in Puerto Real befindet sich auch ein Sportzentrum, wo man z.B. Schwimmen oder Fitness machen kann. Des Weiteren gibt es eine große, schön eingerichtete Bibliothek. Anders als in Würzburg darf man seine Taschen und Jacken mit in den Lesensaal nehmen. Der Studentenausweis, den man in der blauen Mappe vom Oficina de Relaciones Internacionales, erhält, ist zugleich auch Bibliotheksausweis. Die Bücher dort sind es wirklich Wert gelesen zu werden! Sprachkurse werden vom cslm (Centro Superior de Lenguas Modernas) angeboten und finden in den Räumen der UCA in der Altstadt statt. Neben Intensivkursen gibt es auch semesterbegleitende Kurse. Anmelden kann man sich direkt vor Ort oder auch übers Internet. Die Kosten für Erasmusstudenten betragen 150€. Der Spanischkurs half mir mich zum einen sprachlich zu verbessern und zum anderen neue Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturen kennenzulernen. Die Spanischlehrer waren sehr darum bemüht Kontakt zwischen den Studierenden aus den verschiedenen Ländern herzustellen. So sahen sie es ungern, wenn in der Muttersprache geredet wurde oder wenn man sich immer nur neben seinen „Landsmann“ setzte. Es ist schon interessant zu sehen, wie hoch dennoch die Tendenz ist, sich doch immer neben die Leute zu setzen, die aus dem gleichen Land kommen, neben die Menschen, die man ohnehin schon kennt. Nach einer Weile lösten sich jedoch diese Strukturen und ich kann auch jeden nur dazu ermuntern offen zu sein und auf andere zuzugehen. Wozu denn ins Ausland gehen, wenn man mit der Freundin aus der gleichen Uni zusammenzieht, die gleichen Kurse belegt und nie alleine aus dem Haus geht und im Alltag mehr Deutsch als Spanisch spricht? Neben dem Spanischkurs belegte ich eine Veranstaltung zur Inklusion (Educación Inclusiva), ein Sportseminar (Juegos y actividades deportivas), einen Arabischkurs(Textos literarios árabes modernos), und zwei Kurse aus dem Bereich Literatur (Teoría de la literatura und Mitología y literatura clásica). Allerdings erbrachte ich nur in den ersten beiden Fächern eine Prüfungsleistung. Die Seminare und Vorlesungen sind zum Teil sehr unterschiedlich gestaltet. Vom langweiligen Vortrag über spannende Diskussionen und Gruppenarbeiten habe ich alles erlebt. Vor allem in den Lehramtskursen wird sehr viel Wert auf Gruppenarbeiten und Förderung der Sozialkompetenz gelegt. Am interessantesten und gewinnbringendsten war für mich Educación Inclusiva. Dieses Modul bestand aus einer Vorlesung und einem Seminar. Dem Dozenten war es wichtig die Studierenden so viel wie möglich miteinzubinden und ihnen Freiraum für eigene Meinung und Nachforschungen zu geben. Bewertet wurde am Ende nicht nur die Abschlussprüfung sondern auch ein Portfolio, das gemeinsam in Gruppen von vier bis sechs Studenten erstellt wurde, sowie die Mitarbeit während Seminar und Vorlesung und sogenannte „prácticas“ –Gruppenarbeiten, die während des Seminars bearbeitet wurden. Für jede Sitzung musste ein auf campusvirtual online gestellter Text gelesen werden. Diese Texte waren wichtig, um dem Inhalt der Vorlesung folgen zu können und um die Gruppenarbeiten bearbeiten zu können. Insgesamt war dieses Fach zwar mit viel Arbeitsaufwand verbunden, ich hab aber auch am meisten davon mitgenommen. Ich fand es schön auch mal die Meinung anderer Autoren zum Thema Inklusion kennenzulernen, als die unserer deutschen Autoren und dass man auch ermuntert wurde eigene Nachforschungen zu stellen und diese ins Seminar miteinzubringen. Für uns Erasmusstudenten (wir waren insgesamt drei) machte der Dozent sogar- um uns entgegenzukommen- eine mündliche Prüfung am Schluss, welche wir alle drei mit sehr gut bestanden. Anders war es mit Juegos y actividades deportivas. Eine Sitzung fand in der Turnhalle statt, die andere im Vorlesungssaal. Jeweils bei zwei unterschiedlichen Dozenten. Die Praxisstunde in der Turnhalle sollte dazu dienen das in der Theoriestunde Gelernte praktisch anzuwenden. Die ersten Stunden wurden vom Dozenten gestaltet, später mussten die Studierenden in Fünfergruppen die Seminargestaltung übernehmen und den anderen eine alternative Sportart beibringen und eine Ausarbeitung dazu anfertigen. In der Turnhalle war es ständig laut, sodass ich die Anweisungen des Dozenten akustisch nur schwer verstehen konnte und meine Kommilitonen fragen musste, was zu tun sei. Der Dozent der Theoriestunde legte viel Wert auf Auswendiglernen von irgendwelchen Details, was dann auch in der Prüfung ersichtlich wurde. Auch wenn dieses Fach sehr praxisorientiert ausgelegt war, konnte ich hier nur wenig Nützliches für meinen zukünftigen Lehrerberuf mitnehmen. Dafür hab ich erfahren, was wirklich „Teamwork“ bedeutet. Meine spanischen Kommilitonen erledigten fast alles immer erst in der letzten Minute. Allerdings unterstützten sie sich gegenseitig so viel es nur ging. Sogar das Diario de reflexión, eine Art Tagebuch über jede einzelne Sitzung, das jeder einzeln anfertigen musste, war am Ende eigentlich eher eine Gruppenarbeit, da jeder seine Mitschriften den anderen zur Verfügung stellte und somit jeder ein gutes Ergebnis erzielen konnte. Auch zur Prüfungsvorbereitung wurden die wichtigsten Fragen in Whatsapp-Gruppen diskutiert und sich gegenseitig bei Fragen weitergeholfen. Sozialkompetenz und Hilfsbereitschaft: Note 1! Kulturelle Aktivitäten An der UCA werden viele kulturelle Aktivitäten angeboten, über die man in einem Newsletter, den man an seine webmerlin-Adresse zugeschickt bekommt, informiert wird. Es gibt z.B. Kinoabende oder verschiedene Ausflüge. Daneben gibt es ESN (European Student Network), das Reisen, Sprachaustausch und Partys organisiert. Im ESN-Büro, das sich in den Räumen der medizinischen Fakultät befindet, kann man sich eine Mitgliedskarte ausstellen lassen, die Voraussetzung ist, um z.B. an den Reisen teilnehmen zu können. Diese Karte kostet einmalig 5€. Außerdem benötigt man ein Passfoto. Die Reisen sind gut organisiert und sehr kostengünstig. Ein Wochenende nach Lissabon mit Busfahrt, Übernachtung und Discobesuch kostete z.B. nur 90€. Natürlich hat auch Cádiz selbst als älteste Stadt Europas einiges an Kultur zu bieten. Was man sich auf jeden Fall anschauen sollte, ist das Museum am Plaza Mina, das sogar kostenlos ist. Darin erfährt man Interessantes über die Geschichte Cádiz angefangen bei ersten Funden aus der Steinzeit bis zur Moderne. In den oberen Stockwerken befindet sich darüber hinaus eine Kunstausstellung. Auch die Kathedrale sowie die vielen anderen Kirchen lohnt es sich zu sehen. Der Torre Tavira mit seiner Camera obscura ist ebenso eine beliebte Sehenswürdigkeit. Es lohnt sich auch einen Abstecher in Dörfer um Cádiz herum zu machen. Weitere kulturelle Highlights sind Karneval und die Prozessionen an Ostern (Semana Santa). Während diesen Festlichkeiten steht die Stadt still. Einkäufe und alles Weitere sollte man wenn möglich schon vorher erledigen, da man während einer Prozession oder einem Umzug möglicherweise nicht einmal das Haus verlassen kann, da die Straßen so voller Menschen sind. Außerdem finden während dieser Zeit keine Vorlesungen statt. Party und Freizeit Die „Partyzeit“ beginnt in Cádiz etwas später als in Deutschland. Bis ca. 3 Uhr trifft man sich am Strand, im Park oder in Bars zum Vortrinken. Danach geht es dann weiter zur „Punta“, der Discomeile Cádiz‘. Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit ist zwar eigentlich verboten, trotzdem macht es jeder. Mittwochs gibt’s im Woodstock Intercambio. Das ist auch sehr beliebt bei Erasmusstudenten und wird bei einigen schnell zur Stammkneipe. Ziel des „Sprachaustauschs“ ist es andere Leute kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Doch nicht nur von Erasmusstudenten ist die Kneipe gern gesehen. Auch Spanier nutzen die Gelegenheit dort z.B. ihre Englischkenntnisse zu verbessern. Ich persönlich habe vor allem viel Zeit am Strand verbracht. Während der Prüfungszeit haben wir immer in der Bibliothek der Facultad de Filosofia y Letras gelernt und haben dann unsere Mittagspause am Strand La Caleta oder gegenüber im Parque Genoves verbracht. Besonders schön waren die Abende, an denen wir gemeinsam am Strand Gitarre gespielt und den Sonnenuntergang beobachtet haben. Wer sportbegeistert ist, findet in den zahlreichen Fitnessstudios bestimmt was Passendes. Ansonsten kann man Joggen gehen oder Surfen. Fazit Ein Studium im Ausland ist eine tolle Möglichkeit um neues zu erfahren und über sich selbst hinauszuwachsen. Nicht nur sprachlich kann man sich um einiges verbessern, sondern auch kulturell kann man viel dazulernen. Natürlich hängt es dabei von jedem einzelnen ab, wie man seinen Auslandaufenthalt gestaltet und wo man seine Schwerpunkte setzt. Offen zu sein für Neues ist manchmal leichter gesagt, als getan aber es lohnt sich in jedem Fall! Für mich war es das Schönste nicht nur die spanische Mentalität mit ihrer Herzlichkeit und Nähe kennenzulernen, sondern auch enge Kontakte zu Menschen anderer Nationalitäten zu knüpfen, darunter Marokkaner, Jordanierinnen, Amerikaner, Chinesen... Man kann so viel mitnehmen! Niemals hätte ich gedacht, dass ich in Spanien eine so schöne Zeit verbringen werde.