über Mastdarmrupturen bei Stuten - Pferdeheilkunde Equine Medicine

Transcription

über Mastdarmrupturen bei Stuten - Pferdeheilkunde Equine Medicine
H.Merkt 325
Pferdeheilkunde 2 (1986) 6 (November) 325-330
Zusammenfassung
Zwei Gutachten
über Mastdarmrupturen
bei Stuten
H. Merkt
Klinik für Andrologie und Besamungder Haustiere
Tierärztliche Hochschule Hannover
Vorsteher:Prof. Dr. Dr. h. c. mult. H. Merkt
Im Enddarm der Stute entdeckten Scbönbauerund Oberlojer einen
Locus minoris resistentiae.Zwei Schadensfälle.die mit Mastdarmperforation bei Zuchtstuten einhergingen,wurden im Lichte der
neuen Erkenntnisse beurteilt. In einem Falle kam der Gutachter zu
der Überzeugung, daß nicht der Tierarzt, sondern mit hoher Vahrscheinlichkeit eine im Mastdarm befindliche Luftblase. die der in die
Scheideeindringende Penis des Hengstes komprimierte, zur Perforation führte. Im zweiten Falle wurde die Perforation vermutlich
durch die palpierendeHand hervorgerufen, wobei der untersuchende Tierarzt die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt vor allem
vermissenließ. In der Einleitung wird
nach der Schadensentstehung
ferner darauf hingewiesen,daß man zur temporären Peristaltikhemmung beim Pferd geeignetePropanthinbromide vorsorglich stets
mitführen sollte.
2 Forensic Reports on Rectal Tears in the Mare
Einleitung
Oberlojer(1934)sowie Schönbauerund Oberlojer(1985) haben im Enddarm desPferdeseinen von ihnen so genannren
Locus minoris resistentiaeentdeckt, der einen neuen Gesichtspunkt bei der Entstehung von Mastdarmperforationen beim Pferd eröffnet und frühere Beobachtungen,z. B.
von Götzehinsichtlich Spontanrupturenüber der geschlossenenHand des Llntersuchers,erklären hilft.
Im folgenden werden zwei Gutachten über perforierende
Mastdarmverletzungen vorgestellt. LInter Berücksichtigung der neuen Erkenntnissevon Oberlojer und Schönbauer
erfuhren die beidenSchadensfälle
eine gegensätzliche
Beurteilung bezüglichder tierärztlichen Haftpflicht.
In diesemZusammenhangerscheinteserwähnenswert,daß
die rektalePalpationder inneren Geschlechtsorgane
alswesentlicher Bestandteilder gynäkologischenUntersuchung
in der Pferdezuchtzunehmendeingesetztwird. Mit diesem
Eingriff geht ein Perforationsrisiko einher, daswir zwar geringer als 1 : 10000 einschätzen,auf das der gewissenhafte
IJntersucheraber stetsvorbereitet sein sollte. Die Rettung
einesderart geschädigtenTieres ist nämlich nur möglich,
wenn der Verschluß der perforierenden Verletzung herbeigeführt werden kann, bevor die lebensgefährlicheKotverschmutzung des Bauchfells eingetreten ist (Merkt, 1977;
Merkt et a1.,1979).Da man beim Pferd in etwa zweistündigem Abstand mit Kotabsatz und entsprechendeiner Kotfüllung der Ampulle desMastdarmsrechnenmuß, kann dabei eine temporäre und zuverlässigePeristaltikhemmung
hilfreich sein, wenn z.B. ein Transport in eine Klinik erforderlich wird o. ä. Das von Arnold et al. (1978)hierfür
empfohlene Pro-Banthine for injectionR",ein Parasympathikolytikum (vgl. Merkt et al., 1979),ist in Deutschland
nicht mehr erhältlich. Auf Empfehlung von Buntenkötter
(persönl.Mitteilung) haben wir es durch den in jeder Apotheke erhältlichen Wirkstoff Propanthinbromid ersetzt,
von dem man 30 mg in Trockensubstanzmitführen kann.
Zur intravenösenInjektion wird diese in 10 ml steriler
physiologischerKochsalzlösunggelöst.
Scbönbauerand Oberlojer found a so called "locus minoris resistentiae" in the rectum of the horse.Perforationsof the rectum of two
brood mares were reconsideredunder this new aspect.In one case
the expert was of the opinion, that an air bubble in the rectum was
in all probability the causeof the rupture for being compressedby
the stallions penis during mating. In the other case it is to be assumed, that the palpating hand of the veterinarian perforated the
wall of the rectum. In this casethe veterinarian showed negligence
particularly after the injury had taken place. Furthermore it is considered of importance, that a conscious veterinarian should always
have probanthine bromide with him, becausethis can, in such situation, temporarily stop peristalticsin the horse for few hours.
This facilitates a successfuloperation or a safe transpon of the iniured animal.
Gutachten 1
Sacbaerhalt
Die Warmblutstute L (gez. 1981)wurde am 27.4. L984 auf
der Deckstellein A. zum ersten Mal in ihrem Leben gedeckt, und zwar durch den Hengst P (Stockmaß 167 cm).
Der Bedeckungging gegen 11 Uhr eine Follikelkontrolle
durch den Bkl. Tierarzt Dr. Y unmittelbar voraus.
Nach der Paarungwurde die Stute zu einer Weide des Klägerstransportiert.Der Transport dauerteetwa 15 Minuten.
Dort wurde sie gegen 15 Uhr mit ,,hängendemKopf und
aufgedunsenemBauch" angetroffen. Dabei zeigte das Tier
müden Gang, und die rechteBauchseieinen schleppenden,
te war aufgebläht. Darmgeräusche waren weder rechts
noch links zu hören. E,ine tierärztliche lJntersuchung
durch Dr. T ergab ,,etwa25 bis 30 cm vom Darmausgang
entfernt ein darmähnlichesGebilde von etwa 4 bis 5 cm
Durchmesser,im Lumen desRektums querliegend".Es erfolgte Überweisungder Stute in die Tierklinik B. Aus dem
Bericht der Klinik geht hervor, daß das Tier sich bei der
Einlieferungin einem fortgeschrittenenSchockzustandbefand. Bei der rektalen tJntersuchung wurde dorsal eine ca.
15 cm lange perforierende Mastdarmverletzlrng
Üb.."tn
festgestellt.Da die Bauchhöhgangzum Colon descendens
le offenbarschon mit erheblichenKotmengen verunreinigt
war, erfolgte sofort die Nottötung.
Aufgrund des Beweisbeschlusses
soll Beweis erhoben werden
P ferdeh ei l k unde2
326
Gutachtenüber Mastdarmruoturen
1. über die Behauptungdes Klägers(Kl.), der Tod der im
Streit befindlichen Stute sei auf einen Kunstfehler des Beklagten (Bkl.) zurückzuführen;
über die BehauptungdesBkl., die Mast2. gegenbeweislich
darmruptur der Stute müsse auf eine Deckverletzung zurückgeführt werden, was nicht in den Verantwortungsbereich desBkl. falle.
Gutachten
Zu l. Ein vertretbarerFehler (Kunstfehler)seitensdesBkl.
ist nach dem Standeder Akten nicht zu erkennen.
Zu 2. Die BehauptungdesBkl., die Mastdarmruptur müsse
im Zusammenhangmit der Paarung entstandensein, ist
demgegenüber- insbesondereaufgrund neuerer wissenschaftlicherErkenntnisse- keineswegsvon der Hand zu
weisen.
Begründung
Zt l. Die rektale Llntersuchung durch den Bkl. verlief
nach dem Stande der Akten offenbar unauffällig. Weder
waren Abwehrbewegungen des Tieres, wie erhebliches
Drängen oder Pressen,bemerkt worden, noch wurden
Blutspuren am hellgrünen zrLr LJntersuchung benutzten
Plastikhandschuhfestgestellt.Hätte der Bkl., der 1984 im
in A. tätig wurde,
Rahmen des Stutengesundheitsdienstes
die Mastdarmruptur verursacht, dann hätte man Unleidlichkeiten des Tieres wahrnehmen und,/oder Blutspuren
am Handschuh erwarten müssen.Eine 15 cm langeVerletzung muß zu deutlichem Blutaustritt führen, der auch bei
mäßigerAufmerksamkeit nicht hätte verheimlicht werden
können. Ferner hatten uns bekanntgewordeneRupturen,
die durch die Hand eines lJntersuchers hervorgerufen waren, jedenfallssofort nach ihrer Entstehungkeine Ausdehnung von etwa 15 cm, sondern erlaubten gerade den
Durchtritt einesHühnereiesoder einesKotballens.Durch
einen 15 cm langen Riß passenaber mehrere Hühnereier
oder Kotballen gleichzeitig.Mitunter kann ein ursprünglich kleinerer Riß gelegentlicheiner orientierendenNachuntersuchung durch eine erneute Preßwelle vergrößert
werden (Merkt, 1977). Von einer solchen Nachuntersuchung ist im vorliegendenFalle aber keine Rede. An der
Größe desRissesbestehennach dem Standeder Akten keine Zwerfel.Auch die Tatsache,daß Dr. T bei seinerUntersuchung offenbar Darmschlingen in der Ampulle des Rektums antraf, weist auf die erhebliche Dimension der Zusammenhangstrennunghin. Zusammenfassendsei nochmals herausgestellt:
Es ist in hohem Grade unwahrscheinlich, daß ein 15 cm langerDarmriß bei einer äußerlichvöllig unauffälligen Rektaluntersuchung und ohne augenfällientsteht.
ge Blutspuren am Llntersuchungshandschuh
Zu 2. Der Bkl. macht geltend, nach einer Rektaluntersuchung könnte die Mastdarmampullestark luftgefüllt sein.
Durch den Deckakt könne es zu einer erheblichenKompressiondieserLuft kommen. Ein solcher Hergang ist tatsächlich denkbar und kann im vorliegenden Falle keineswerden.
wegs mit Sicherheit ausgeschlossen
Eine Fehlbedeckungdurch den Hengst direkt in den Mastdarm hinein, die auch zu einer solchen Schädigunghätte
führen können, ist demgegenüber
nach dem Standeder AkPf erdeheilk u n d e2
ten auszuschließen.
Der Peniswurde unter manuellerKontrolle eineserfahrenenGestütsmannes
unzweifelhaft in die
Scheideeingeführt.
Die Eichel desHengstesvergrößert sich nach dem Einführen sehr rasch zu einer sog. Scheibeund kann dabei einen
Durchmesservon t5, ja sogar20 cm erreichen.Abb. I zeigt
den Penis einesim Verhältnis zu P kleinen Vollbluthengstes(Stockmaßknapp 160cm) unmittelbar nach dem Herausgleitenausder Scheideder Stute.Dabei ist nicht einmal
sicher,ob diesnoch die maximaleDilatation der Eichel darstellt. Ereignetsich die maximaleErweiterung alsbaldnach
dem Eindringen des Penis in die Scheide- was von außen
im Regelfallnicht erkennbarist -, dann könnte diesvor allem bei einer jungen und daher im Scheidenbereichnoch
engen Stute zu einer Tamponade des Beckenraumesführen, die eine Luft- oder Gasblase,die sich zufällig im Rektum befindet,mit erheblichemDruck vor sich her zu pressen vermag.Die Vehemenz des Eindringens darf man bei
einem Hengst nicht unterschätzen.Gelegentlich der Samenentnahmemit Hilfe der künstlichen Scheidekann man
sich davon leicht überzeugen.
Allerdings würde dies allein noch kein zwingenderGrund
für eine Ruptur sein, da der gasförmigeInhalt der Ampulle
womöglich in den kranial anschließendenDarmteil, das
Colon descendens,
ausweichenkönnte. Dieser auch kleines
Kolon genannteDarmteil hat ein Lumen, das etwa dem
Durchmesser eines Kotballens entspricht. Hier erfolgt
nämlich die Rückresorption des'Sü'assers
aus dem Darminhalt und die Formung der Kotballen, die später im Mastwerden.
darm zusammengeschoben
'Wenn aber eine zulälligdem Druck der Eichel entgegenlaufendePeristaltikwelleim kleinen Kolon einen oder mehrere Kotballen vor sich her schiebt, dann kann dies einem
vorübergehendenDarmverschluß gleichkommen und der
komprimierten Luftblasekurzfristig einen'$Tiderstand
entgegensetzen,
der zur Ruptur des Darmes an seiner dort befindlichen Schwachstelleausreichendürfte. Es wäre auch
denkbar, daß keine Peristaltikwelle,sondern ein Abknikken einer Kolonschlinge dem Entweichen der Luft in die
vorderen Darmteile den verhängnisvollenWiderstand entgegengesetzthäff.e.Bei Geburten kann es z. B. dazu kommen, daß Darmschlingensich über die Gebärmutter schiewerden.
ben und dann dort zusammengepreßt
(Oberlojer,
t984; Scbönbauer
Nach neueren Feststellungen
und Oberlojer, 1985)gibt es im Enddarm des Pferdes eine
Schwachstelle,die von den Autoren als ausgesprochener
Locus minoris resistentiaebezeichnetwird. Es handelt sich
um einen als deltoidförmig bezeichnetenBezirk dorsal am
Es werden
Üb.rgang desRektums zum Colon descendens.
dabei zwei Mastdarmtypen unterschieden, und zwar ein
,,formstabilerund muskelstarker" und ein ,,formlabiler und
muskelarmer Typ" (Abb. 2). Von 17 Pferden wurden 9
dem formstabilen und damit resistenterenund 5 dem formlabilen und damit leichter verletzlichen Typ zugeordnet;
3 stellten eine Übergangsformdar. Eine Zusammenhangstrennung in dem deltoidförmigen Bereich kann nach Anwerden. 17
sicht der Autoren als Spontanrupturangesehen
Pferdestellen zwar eine kleineZahldar, wenn unter diesen
aber bereits 5 ,,formlabile", also besondersschwache,auf-
H. Merkt 327
traten, dann kann dieserZustand nicht allzu seltensein.Bei
1. von 15 Tieren wurde an der schwächstenStelle eine
\Wanddickedes Rektums von nur 0,6 mm gemessen,
während rechts und links davon die \üanddicken mit 1,3 bzw.
1,4mm mehr alsdoppelt so stark waren. DieseMittelwerte
stellen den Durchschnitt aus insgesamt44 Meßpunkten
dar.
Zwar wurde bei der Stute L post mortem keine Dickenmessung der Darmwand im Rupturbereich ausgeführt.
Auch könnte eine \üundschwellungdie'Werte verfälschen.
Die Tatsacheder Lokalisierungder Ruptur bei L an dieser
Stelleläßt einen solchenHergangaber alsglaubhafterscheinen.
Die Ursache einer Luftfüllung kann durchausin der voraufgegangenenrektalen Untersuchung gelegenhaben. Mitunter reagiert der Darm auf die Betastungbei der rektalen
Untersuchung mit sog. Ballonieren. L war noch nicht an
rektale untersuchungengewöhnt. Es handeltesich um den
ersten derartigen Eingriff in ihrem Leben. Die Möglichkeit
einer solchenReaktion ist daher besondersnaheliegend.Da
die Stute unmittelbar nach dem rektalen Eingriff gedeckt
wurde, konnte eine solcheLuftfüllung noch bestehen,zumal durch die beteiligtenPersonenkein Geräuschvon ausströmenderLuft wahrgenommenwurde.
Auch eine Füllung der Ampulle mit Darmgasenwäre denkbar, erscheint dem Gutachter in diesem Zusammenhang
aber weniger wahrscheinlich.Das hier zu vermutendeEreignisist ohne Zweifel selten.Mehrere Zufälligkeiten müssen zusammentreffen,wie z. B. momentane Au{blähung
der Ampulle des Rektums und gegenlaufigePeristaltik im
Augenblick der Einführung desPenis in die Scheide.Es ist
u. W. auch noch nicht beschriebenworden. Darum wird
man dem Bkl. auch nicht den Vorwurf machenkönnen, er
hätte diesemögliche Komplikation bedenkenmüssenund
Pauseoder zwischenzeitlidie Stuteerst nach angemessener
chem Longieren o. ä. äecken lassendürfen, wie wir dieszuktinftig aufgrund dieser Erfahrung empfehlen werden.
Auf jeden Fall hat nach dem Standeder Akten und den
neueren Erkenntnissen der \Wiener Schule diese Vermutung eine höhere'Wahrscheinlichkeitalsdie Möglichkeit einer Perforationvon 15 cm Länge,die dem lJntersucherunbemerkt von der Umgebung unterlaufenwäre.
Gutachten 2
Sachzterhalt
Zu ,,Zuchtzwecken" befand sich die 8jährige Hannovera'Sü
ner Stute
des Kläger (Kl.) seit dem 12.2. t984 bei dem
Zichter A. Sie wurde in der Paarungssaisonmehrfach gedeckt, zuletzt am 26.5. 1984.Am 27.5. t984 wurde der Beklagte (Bkl.) zugezogen,um bei der Stute auf rektalem'Wege eine sog.Follikelkontrolle auszuführen.Dazu wurde die
Stute in der Boxe rückwärts vor die etwa 1 m hohe Boxentüre gestelltund am Kopf durch den ZeugenA mit Hilfe einer sog. Nasenbremse gesichert, während eine andere
männliche Person sich links desTieres befand.
,,Als der Bkl. sich mit seinem Arm im Enddarm befand,
schlugdie Stute nach vorne, spranghoch, schlugnach hin-
ten ausund war im Begriff, sich fallen zu lassen."An anderer Stelleder Akten heißt es,daß die Stute dabei ,,nicht zu
Boden gegangenist", sondern nur zur Seite sprang. Der
Bkl. bleibt indessenbei seinemSachvortrag,die Stute habe
sich seitlich hingeworfen.
Nach Angaben des Kl. trat schon bald nach der Untersuchung ein schlechterAllgemeinzustandein. So heißt es:
,,Am nächstenVormittag merkten wir beim Füttern, daß
die Stute sehr schwitzte und Schmerzenhatte." Der Bekl.
wurde wiederum zu der Stute gerufen und wies sie am
28.5.1984in die Tierklinik von Dr. B ein. Er selbstwill sie
vorher wieder rektalisiert haben. Ein Befund ist jedoch
Demgegenübersagtder Zeuge A: ,,Ohne
nicht angegeben.
daß er auf die Stutenoch einmal hinaufgelangthat, d. h. sie
rektal untersucht hat, hat er die Einweisung in die Pferdeklinik angeordnet."
Unmittelbar nach der heftigen Reaktion der Stute am
27.5. L984 hat der Bkl. die Hand nochmals in den Mastdarm der Stute eingeführt. Ein Bericht über den bei dieser
Untersuchung erhobenen exakten Befund ist aus den Akten nicht ersichtlich.Es heißt nur, die Stute könne in zwei
Tagen gedecktwerden. Auch wird angegeben,daß Blumpuren nicht am LJntersuchungshandschuhgesehenwurden.
Näheresüber die Eindringtiefe desArmes oder über die Beschaffenheit (Spannungszustand)des Darmes oder Größe
und Funktionszustand der inneren Geschlechtsorgane(Eierstöcke,Gebärmutter) wird nicht ausgesagt.
Nach der Einlieferung in die Klinik wurde ein hochgradiger Schockzustanddiagnostiziert. Rektal wurde in ca. Armestiefeim rechten unteren Quadranten (bei 4 h) eine Zusammenhangstrennungim Enddarm festgestellt.Da das
Bauchhöhlenpunktat auf eine bereits fortgeschrittene
Bauchfellentzündung(Peritonitis) schließen ließ, erfolgte
eine sofortige Notschlachtung. Post mortem wurde die Zuin der Darmwand als kreisrund mit
sammenhangstrennung
einem Durchmesser von ca.2 cm angesprochen.In der gesamtenBauchhöhlebefandensich ca. 10 I einer mit grünen
Bestandteilendurchsetztendunkelroten Flüssigkeit.Auf allen Bauchorganenfanden sich schmutzig-graugrüneAuflagerungen.
Der Bkl. macht geltend,die Stute sei 2 \Wochenzuvor von
einem anderenTierarzt rektal untersucht worden, und läßt
anklingen,daß dieseUntersuchungfür die spätereGesundheitsbeeinträchtigungder Stute ursächlich gewesen sein
könnte. Einen diesenVerdacht bestätigendenBefund vermißt man indessenin den Akten. Er selbsthatte das Tier
am 1.3.t984 und am 20.3.1984unter den gl ei chenVor wie am 27.5.1984untersucht,wobei es
sichtsmaßnahmen
zu keinem Zwischenfall gekommen war.
Aufgrund des Beweisbeschlusses
soll Beweis erhoben werden über:
1. die Behauptungdes Klägers,
a) ursächlichfür den Zustand der Stute am 28.5. 1984 sei
die am Tag zuvor vom Beklagten nicht fachgerecht
durchgeführteTrächtigkeitsuntersuchung,
b) da der Beklagtevom nervigen Charakter des Pferdesgewußt habe, sei es seinetierärzdiche Pflicht gewesen,das
Tier vor der Llntersuchung zu sedieren,anstatt es durch
zu führen,
eine ,,Nasenbremse"
P ferdehei l k unde2
328
Gutachtenüber Mastdarmruoturen
Abb. 1: PeniseinesHengstesmit dilatierterEichelgelegentlich
einer
Ejaculatio
retardata.
(1984)sowieSchönbauer
und Oberlojer
Abb. 2: Die von Oberlojer
(1985)beschriebene
dorsalam Uberdeltoidförmige
Schwachstelle
gangdesColondescendens
zumRektum
beimPferd.
c) bei einer legeartis durchgeführten Trächtigkeitsuntersuchung sei selbst bei unkontrollierten Bewegungendes
Tierkörpers eine Darmperforation vom Tierarzt zlr vermeiden,
d) bei einer sofortigen operativen Versorgung des Pferdes
hätte diesesmit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gerettet werden können,
e) bei einer Mastdarmperforation trete innerhalb von maximal 24 Stunden der Tod ein, wenn nicht sofort eine
Behandlung stattfinde;
2. die BehauptungendesBeklaSen,
a) er habe sich gemäß den Regeln der Tiermedizin verhalten,
und wahrscheinlich,daß eine
b) es sei nicht auszuschließen
zwei'$?'ochenzuvor durchgeführteTrächtigkeitsuntersuchung für den Zustand des Tieres am 28.5.1984 ursächlichsei.
Gutachtm:
Zu l .
a) Nach dem Sachverhalt erscheint ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der lJntersuchung vom
27.5.1984 und der zur Nottötung am 28.5.1984führenden Bauchfellentzündung sehr naheliegend. InsbeP f erdehei l k u n d e2
sondereenthalten die Akten keinen anderen plausiblen
Anhaltspunkt für die Entstehung einer Mastdarmperforation.
b) Es bestehtkeine ,,tierärzrlichePflicht", Pferde mir ,,nervigem Charakter" grundsätzlich vor einer Rektaluntersuchungzu sedieren.Zuweilen kann sogar eine solche
Sedierungdie sachgerechteLJntersuchungbeeinträchtigen, indem sie womöglich zum trommelartigen Aufblähen des Enddarmes führt, das die lJntersuchung erschweren kann. Bei Trächtigkeitsuntersuchungen(hier
nicht der Fall) kann die Sedierungu. U. sogar den Befund verfälschendurch Erschlaffung der Gebärmutter,
zu deren charakteristischen Frühträchtigkeitssymptomen eine erhöhte Kontraktionsbereitschaft des Organs
gehört. Ferner muß einem sediertenTier bis zum Abklingen der Einwirkung desMedikaments erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden. So soll es z. B. keine
Gelegenheit zur Futteraufnahme haben, um nicht die
Gefahr einer Schluckpneumonie herbeizuführen, die
auftreten kann, wenn Futterpartikel in die Lunge geraten, die infolge der Sedierungnicht ausgehustetwerden.
Demgegenüberist das Anlegen einer Nasenbremseeine
korrekte Maßnahme und mindestens als erster Schritt
bei einem ,,nervigen"Tier üblich. Nach neuerenAngaben aus dem Schrifttum soll die Nasenbremseeinen der
Akupunktur vergleichbaren Effekt (Freisetzung von
sog. Endorphinen) auf das Pferd ausüben. Hinzu
kommt, daß bei der Stute V die vorausgegangenen
tJntersuchungenvom 1. und 20.5.1984durch den Bkl. bei
gleichem Vorgehen offenbar unauffällig verliefen.
Schließlichist eine Sute in Rossemeist toleranter als außerhalb derselben.
An Sedierungwäre allerdings zu denken gewesen,um
die Möglichkeit einer exakten Nachuntersuchungherbeizuführen,wie sie nach der beschriebenenReaktion
des Tieres angezeigcwar. Immerhin hätte der lJntersucher daran denken müssen, daß die plötzliche Heftigkeit desTieres auch durch seineManipulation im Darm
hätte hervorgerufen sein können.
c) Heftige und plötzliche Bewegungender Stute - wie hier
beschrieben beinhalten durchaus das Risiko einer
Darmperforation, auch ohne daß der l-Jntersucherfahrlässig gehandelt haben muß. Nach neueren l-Jntersuchungen (Scbönbauerund Oberlojer, 1984) ist sogar ein
Locus minoris resistentiaeim Pferdedarm beschrieben
worden, und zwar oben im Rektum unmittelbar hinter
dem Übergang vom vorhergehenden Darmteil, dem
kleinen Kolon, zum Enddarm. Im vorliegenden Falle
entstand die Verletzlrng allerdings nicht in diesem Bereich, sondern im unteren rechten Quadranten desDarmes.
d) Bei einer sofortigen operativen Versorgung einer frischenMastdarmverletzung(sofort heißt dabei, bevor es
ztrr lebensgefährlichen Verschmutzung der freien
Bauchhöhle mit Darminhalt kommen kann) hätte zwar
keine Sicherheit,aber eine Chance bestanden,das Tier
zu retten und womöglich sogar seine Zuchttauglichkeit
zu erhalten. Diese Chance veranschlagenwir aufgrund
unserer Erfahrungen (Afierlet,L977; Merkt et al., 1979)
n. Merkt 329
mit etwa 50 o/o;Arnold et al. (L978)schätzenbei ihrem
Material 55 o/o.
e) Eine durch Kotverschmutzung hervorgerufenehochgradige Bauchfellentzündungist unheilbar. Hilfeleisrungen
sind nur erfolgversprechend,wenn sie rechtzeitig vor
der Generalisierung der Peritonitis zum Tragen ko-men. Ob der Tod innerhalb von 24 Stunden einsetzt
oder später, ist belanglos. Die Zeitdauer hängt vom
Grad der Verschmutzung ab. Zum natürlichen Tod
kommt es nur in Ausnahmefällen. Normalerweise erfolgt aus Tierschutzgründen - da Bauchhöhlenentzündungen meist mit erheblichen Schmerzeneinhergeheneine Nottötung, bevor der spontane Exitus einsetzt.
Zu 2.
a) Der Bkl. hat sich insofern nicht nach den Regeln der
tierärztlichen \Wissenschaftverhalten, als er offenbar
nicht mit genügenderGründlichkeit die Kontrolluntersuchungnach der heftigen Reaktion der Stute ausführte.
Zumindest hätte er, wenn er schon bei der Nachuntersuchung ohne sedierung keine Perforationsstelle oder
Blutspuren fand, das Augenmerk der Betreuer auf das
Tier lenken müssen,um rechtzeitig zu erkennen, ob es
einen gespannrenLeib zeigte oder sonstige Anzeichen
auf eine drohende Peritonitis schließenließen.
b) Nach dem Standeder Akten kann mit Sicherheit ausgeschlossenwerden, daß eine zwei Vochen zuvor ausgefrihrte (Jntersuchung für den Zustand des Tieres am
28.5. 1984ursächlichwar.
Zusammenfassendsei herausgestellt:Kommt es bei einer
Stute zur Mastdarmperforation durch den untersuchenden
Tierarzt, dann handelt es sich keineswegseo ipso um einen
sorgfaltsfehler.So kann es insbesonderebei nervösen Tieren zu plötzlichen Darmkontraktionen kommen, bei denen der Untersucher - je nach Reaktionsvermögen- nicht
mehr rasch genug ausweichenkann, um einen Schadenzu
verhüten.stuten sind - wie R. Götze,einerder wegbereiter
der Rektaluntersuchungbeim Pferd, bereits vor fast a0 Jahren herausstellte- in der Lage, sich über der geschlossenen,
aber nicht rechtzeitig zurückgezogenenFaust des lJntersuchers selbst den Darm durch eine starke Kontraktion zu
zerreißen. schönbauer und oberlojer (1984) und oberlojer
(1984) haben die in diesem Zusammenhang interessante
Feststellungeines Locus minoris resistentiaeim Enddarm
der Stute gemacht.Ist das Tier besondersungebärdig,dann
ist die Gefahr einer Verletzung ohne schuldhaftesVerhalten des Tierarztes sogar erhöht. Ruckartige und heftige Bewegungen,die für den untersucher nicht vorhersehbarwaren, können die unrersuchende Hand in einer für den
Darm gefährlichen Position (..8. abgespreizterFinger
oder DauTen) überraschen.Hierfür spricht im vorliegenden Falle der sachverhalt, denn zur Perforation der Daimwand führte eine nur für einen Finger passierbar.öfftrrrt g
(2 cm Durchmesser). Dabei muß es nach Lage der Dinge
dahingestelltbleiben, ob die Ljntersuchung einen Schmeiz
und damit die Reaktion der Stute auslösteoder ob die Bewegung desTieres zur Perforation fühne. Daß die perfora-
Fürdie Pferdeproxis
bietenwir on:
Einreibungen zul, Etzeugung
einer öillichen llyperämie
Embroccflon
Für fferde, Schweineund Hunde
Linimentzum Einreiben
Zusommcnlclzuno!
WirksomeBestondteilEin I
Compher
If;ffi;';g;*'"'n'
Methylsolicylot
Allylsenföl
Essigsöure96%
19,2mg
251,2m9
77,1mg
3,85 mg
1,95mg
50,fi) mg
Anwendungsgebiete:
Verren
kunqen,Verslouchunoen.
Quefschunlen,
Geschirrunä
Sotteldruck,
Rheumotismus
Wariezel?:
EßboresGewebe
Hondelsform:
Flosche
mil200ml
3 Toge
fodlwlno
rur I tere
Lösungzum Einreiben
Zuromncntclzung:
WirksomeBestondteiläin I ml:
Jod
Compher
Terpentinö1,
gereinigt
Ammonioklösungkonz.
Recflfuflcnrfiuld
FürTiere
Wößrige Lösungzum Einreiben
42,5m9
35 mo
35 mä
27,5ni
Anwendungsgeblete:
Akuteundchronische
Entzündunosprozesse,
insbesondere
derSehrün
undSehnenscheiden,
Dislorsionen.
Wortezelt:
Eßbores
Gewebe
3Toge
Hondelsform!
Flosche
mit100ml
Flosche
mitI Liter
Zusommcnccilzung:
WirksomeBestondteiliin I ml:
Allylsenfiil
Methylsolicylol
Ammonioklösungl07o
Arnikolinktur
Sponischpfeffertinktur
2.g
1 mä
80 mä
44 nä
22 ni
Anwendungsgebiete:
Lohmheilen,
Sehnenentzündunqen,
Verslouchungen,
rheumotischJ
Erkronkungen
Wortezelt:
Eßbores
Gewebe
3 Toge
Hondelsform
Ffoschemit250ml
Flosche
mitI Liler
Wirtschoftsgenossenschqft deulscher Tie_rörzte eG, Dreyerstro ße g- | 2,
3OOOHonnover l, Tel. (05 | l) I St 43-46JRh.
R'
330
Gutachtenüber Mastdarmruoturen
tion im Zusammenhangmit der [Jntersuchungsteht, ist jedoch nach dem Standeder Akten anzunehmen.Ein Hinweis auf eine andere naheliegendeMöglichkeit für die Entstehung einer Darmverletzung ist nicht gegeben.Dabei
würde man in erster Linie an Sadismusdenken (Einführung etwa eines Stockesin den Mastdarm).
Die Beschaffenheit des Bauchpunktates sowie die Postmortem-Befundeder Bauchhohlesind derart, daß sie zu einem Prozeß passen,der mindestens10 bis 12 Stunden alt
ist. Andererseits kann der Schadennicht vor der Ljntersuchung durch den Bkl. am 27.5.t984 bestandenhaben,da
diesem sonst schwerwiegendeSymptcme hätten auffallen
müssen.
Der sorgfältigeTierarzt fiJ,hrtnach einem solchen Ereignis
zur Wahrung der Schadenminderungspflicht
eine eingehende Nachuntersuchungdurch, um sich davon zu überzeugen, ob ein Schadenam Darm entstandenist und welches
Ausmaß dieserggf. hat. Die hier aktenkundigeNachuntersuchung kann nach dem Eindruck des Gutachters nur
oberflächlichgewesensein,da sie nicht zur Erkennung des
Schadensftihrte. Rupturen, die stark bluten, wie sie etwa
über der geschlossenen
Faust entstehen,sind meist doppelt
so lang oder längerals im vorliegendenFalle. Bei einer kleinen Perforation ist das Fehlen von Blutspuren aber durchaus im Bereich des Möglichen liegend,wenn der Blutaustritt nicht erheblich war und vorwiegend in Richtung
Bauchhöhleerfolgte. Bei negativemAusgangder Nachuntersuchung hätte man vorsorglich das Augenmerk der Betreuer frir die nächstenStundenvermehrt auf dasTier len-
Literatur
Amold, J.5., Meagber,D. M., und Lobse,C. L. (1978 a): Rectal Tears in the
Horse. Journal of Equine Medicine and Surgery,2, 55-61.
Arnold,/. S., und Meagber,D.M. (1978 b): Management of Rectal Tears in
the Horse. Journal of Equine Medicine and Surgery,2,64-77.
Merht, H. (1977): Gutachten über die gelegentlich einer Follikelkontrolle
entstandeneMastdarmperforation bei einer Stute. Prakt. Tierarzt 77,
8 14-81 5 .
Merkt, H., Graser,A., Sacbmann,H., und Günzel,A.-R. (1979):Mastdarmperforation beim Pferd. Versuche zur temporären, medikamentösen
Peristaltikhemmung. Prakt. T ierarzt 3, 189-19 1,.
ken oder eine Nachuntersuchung nach wenigen Stunden
vorsehen müssen. Auch die Zuziehung eines erfahrenen
Kollegen hätte der vollen Erfüllung der Sorgfaltspflicht
entsprochen.
Schließlich müßte noch die Möglichkeit in Betracht Bezogen werden, daß zunächst nur die Schleimhaut und die
Muskelschicht desDarmes gerissenwaren, aber das Bauchfell noch hielt. StarkesPressenkönnte in einem solchen
Falle einen Kotballen in die traumatischeVertiefung der
Darmwand drücken und zur Ruptur des relativ dünnen
Bauchfellsführen. Das ist im vorliegenden Fall jedoch unwahrscheinlich. Die Zusammenhangstrennungim Darm
wäre dann sicher größer gewesen.Auch haben Stuten im
Mai meist Zugang zu Grünfutter und damit eine weiche
Kotbeschaffenheit,
die die Entstehungeiner solchenVerletzung nicht begünstigt.
Da die Chance des Uberlebens einer derart geschädigten
Stuteim Falle der rechtzeitigenOperation nach unsererErfahrung mit etwa 5Qo/ozu veranschlagenist, hätte auch im
Falle des frühzeitigen Erkennens der Verletzung mit einer
Verlustwahrscheinlichkeit von etwa 50 o/ogerechnet werden müssen.Der Gutachter hielte es daher für angemessen,
wenn die Schadenssumme
sich an einem entsprechenden
Betrag orientierte, zumal nach dem Stande der Akten weder bewiesennoch widerlegt werden kann, daß der Bkl. die
Verletzung schuldhaft oder leichtfertig verursachte.Sein
Verhalten nach der heftigen Reaktion desTieres begründet
jedoch erhebliche Zwetfel an der Erfüllung der Sorgfaltspflicht.
Oberlojer, H. G. (1984): Untersuchungen zur Frage des Auftretens von
Spontanrupturen des Mastdarmesbeim Pferd und zur Frage von deren
rechtlicher Beurteilung. \üien, Veterinärmed. Univ., Diss.
Scbönbauer,M., und Oberlojer, H.G. (1985): Experimentalstudie zur forensischen Beuneilung der Rektumperforation. VI. Tagung über Pferdekrankheiten, Equitana,S. und 9.März 1985,Essen.
Prof. Dn Dr. h. c. muh. H. Merbt
Klinih für Andrologie und Besamungder Haustiere
BiscbofsholerDamm 15
Tierärztliche Hocbscbule
D-3000 Hannoaer 1
25
1961- 1986
Dasfreundliche
Einrichtungshaus
für Tierärzte
mitdergroßenAuswahl!
WalterEickemeyerVet.-lnstrumente
- Praxisbedarf
(0 74 61)7 20 54
Telefon
Eltastr.8, D-7200Tuttlingen,