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Homöopathische Routinetherapie als Metaphylaxe rund um die
Geburt der Milchkuh und Färse
Die Geburt ist eine Extremphase bzw. Stresssituation im Leben eines jeden
weiblichen Rindes. Es ist hinreichend bekannt, dass die Umweltbedingungen wie
Haltung und Fütterung unbedingt optimiert werden müssen. Und dennoch gibt es
Kühe und häufig auch Färsen, die darüber hinaus Schwierigkeiten in der
Geburtsvorbereitungs-, Geburts- und Nachgeburtsphase zeigen. Die Folge sind
Geburtskomplikationen, Nachgeburtsverhalten, Gebärmutterentzündungen und
daraus resultierende Probleme wie Stoffwechselimbalancen, Mastitiden,
Reproduktionsstörungen, Lahmheiten, usw.. Um diese Folgeerscheinungen, die
natürlich betriebswirtschaftliche Konsequenzen beinhalten, zu reduzieren, gibt es
medizinische Möglichkeiten im Bereich der klinischen und klassischen Homöopathie,
die metaphylaktisch gezielt angewandt Hilfe versprechen. Es geht also darum, den
Muttertieren mit entsprechenden passenden, sich eignenden homöopathischen
Heilmitteln Geburts- und Nachgeburts- sowie Rückbildungsphase zu erleichtern,
damit Folgeerkrankungen erst gar nicht auftreten. Die Diagnosestellung und
homöopathische Therapie sollte verantwortungsvoll in Absprache bzw. nach
Anweisung eines Tierarztes erfolgen.
Wie Homöopathie funktioniert:
Kasten:
Homöopathie: Ein seit über 200 Jahren bei Mensch und Tier nach gleichen
Grundsätzen angewandtes, bewährtes Heilverfahren! Als Begründer der
Homöopathie gilt der Arzt, Chemiker und Pharmazeut Samuel Hahnemann (1755–
1843).
Das Wort „Homöopathie“ stammt aus dem griechischen und bedeutet nach der
wörtlichen Übersetzung: homoios = ähnlich und pathos = Leiden; also „Ähnliches
Leiden“!
Ähnlichkeitsregel = Simileregel
Ähnliches werde durch Ähnliches geheilt! = Similia similibus curentur!
Das richtige, simile homöopathische Heilmittel würde in der Reinsubstanz beim
gesunden Tier die Krankheitssymptome hervorrufen, die das kranke Tier zeigt; in
homöopathischer Potenz würde exakt das Mittel den kranken Organismus heilen. Es
handelt sich um einen ganzheitlichen Heilungsprozess!
Das richtige homöopathische Heilmittel zerstört nicht den Erreger, den Keim, sondern
hilft dem Organismus, dem Immunsystem, sich selbst zu heilen!
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Homöopathische Arzneimittelherkünfte
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Pflanzenextrakte (z.B. Caulophyllum = Frauenwurzel)
tierische und pflanzliche Toxine (z.B. Tarantula cubensis = Vogelspinne)
anorganische Stoffe und Mineralien (Phosphor, Sulphur,...)
Edelmetalle (tiefgreifend wirksam, z.B. Aurum = Gold)
Nosoden (homöopathisch aufbereitete Krankheitserreger, Bakterien,...)
Spezialpräparate (Sol = Sonne,...)
Potenz = Entfaltung von dynamischen Kräften
Die Ursubstanz wird durch die Verdünnung und Verschüttelung nach dem HAB
dynamisiert = höhere Energie = mehr Kraft! Eine stärkere Verdünnung des
Heilmittels erhöht die Wirksamkeit! Je höher die Potenz, also die Verdünnung, desto
stärker und intensiver die Wirkung.
Gebräuchliche Potenzen sind:
D-Potenzen = Dezimal-Potenzen (Zehner-Potenzen: 1 Teil Heilmittel + 9 Teile eines
Mediums – Wasser, Alkohol, Saccharose, isotonische Kochsalzlösung,...)
C-Potenzen = Centesimal-Potenzen (Hunderter-Potenzen: 1 Teil Heilmittel + 99
Teile eines Mediums)
Darreichungsformen
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Globuli (Streukügelchen aus Saccharose)
Dilutionen (alkoholische Lösung)
Injektionslösungen (Ampullen – wässrige Lösungen, Kochsalzlösungen,...)
Tabletten (Laktoseverarbeitung)
Tituration (Verreibung – Milchzucker,...)
Externe Anwendung (Tinkturen, Salben, Tropfen,...)
Verabreichung
-
oral
Resorption über Schleimhaut!
nasal
Resorption über Schleimhaut!
vaginal Resorption über Schleimhaut!
per Injektion (subkutan, intramuskulär, intravenös = nur wässrige Lösungen!)
Arzneimittelgaben
Kleinste Mengen je nach Tiergewicht und Größe!
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Bewährte Indikationen zur Geburtserleichterung und Nachgeburtsförderung
Junge, unerfahrene Erstkalbinnen geben sich häufig ängstlich, unruhig und leicht
erregbar. Als Anfangs- und Angstmittel vermag Aconitum (Blauer Eisenhut) diesen
Tieren zu helfen, die dann ruhiger und gelassener in die Geburt gehen. Aconitum
passt dann, wenn noch keine funktionelle Störung vorhanden ist!
Caulophyllum (Frauenwurzel) wirkt im ersten Trächtigkeitsdrittel fruchtschützend,
ist also in der Lage, einen Abort zu verhindern. Einige Tage vor der Geburt
verabreicht, wirkt Caulophyllum geburtsvorbereitend, fördert die Weitung des
Geburtsweges und die gleitfähige Schleimbildung. Die Wehentätigkeit wird
harmonisiert.
Reicht die natürliche Wehentätigkeit während der Geburt für die Austreibung des
Kalbes nicht aus, verbessert Pulsatilla (Wiesenküchenschelle) die Wehentätigkeit
und fördert die Durchblutung der Beckenorgane.
Bei jungen, zu Panik neigenden Färsen oder auch bei älteren, nervösen Kühen mit
Phosphormangel eignet sich Phosphorus.
Stellt sich während der Geburt heraus, dass das Kalb eine fehlerhafte Stellung , Lage
und/oder Haltung aufweist, empfiehlt sich vor der Korrektur eine Gabe Cimicifuga
(Wanzenkraut/Traubensilberkerze). Cimicifuga entspannt das Muskelgewebe, so
dass Fehlstellungen oder Verdrehungen des Kalbes vor dem Auszug leichter
ausgeglichen werden können.
Als Traumamittel und Blutstillungsmittel nach schweren Geburten und
Kaiserschnitten mit Blutverlust gilt Arnica (Bergwohlverleih); ebenso eignet sich
Secale cornutum (Mutterkorn) zur Blutstillung in der Geburt und bei zu starken
Kontraktionen der Gebärmutter.
Zu Beginn der Trächtigkeit zeigt auch Sabina (Sadebaum) eine fruchtschützende
Wirkung; direkt nach der Geburt angewendet allerdings, fördert Sabina die für die
Reinigung notwendige Nachwehentätigkeit.
Nach Schwergeburten mit Beckennervenquetschungen, die dazu führen können,
dass das Muttertier nicht mehr in der Lage ist aufzustehen oder
Lähmungserscheinungen auftreten, gibt man Hypericum (Johanniskraut),
Gelsemium (Wilder Jasmin) oder Conium (Gefleckter Schierling).
Eine Gabe Bellis perennis (Gänseblümchen) hilft auch bei Quetschungen im
Beckenbereich, regt außerdem den Lochialfluss an und fördert so die
Nachgeburtsaustreibung.
Gerade in der Nachgeburtsphase kommt es häufig zu septischen Prozessen, die das
Allgemeinbefinden der Kühe schwer beeinträchtigen, ja sogar zum Tod führen
können.
Wenn sich die Schleimhäute bereits blaurot verfärben und das Muttertier
hochgradige Schmerzen äußert, es sich also schon um eine Vergiftungserscheinung
handelt, kann nur noch eine Gabe Lachesis (Schlangengift) Linderung bringen.
Homöopathische Milchfieberprophylaxe
Liegt ein Tier bereits fest, muss Calcium über die Blutbahn gegeben werden.
Milchfiebergefährdete Kühe können vorbeugend gegen Festliegen beginnend etwa 14 Tage
vor der Geburt mit Phosphorus und/oder Calcium carbonicum behandelt werden. Calcium
carbonicum eignet sich besonders gut bei schweren, ruhigen Tieren. Als weitere Mittel zur
vorbeugenden Gebärparese gelten Heloderma horridum (Reptilienart) oder Ailanthus
glandulosa (Götterbaum).
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Der Einsatz in diesem Symptomenkomplex muss betriebsspezifisch sehr genau angepasst
und immer wieder überprüft werden.
Rückbildung gezielt fördern
Eitrig, stinkende Gebärmutterentzündungen können homöopathisch mit Pyrogenium
(Autolysiertes Fleisch) behandelt werden.
Hilfreich ist auch hier Pulsatilla, die jede Sekretion anregt und auf diese Weise die
Rückbildung fördert. Lachesis ist das Mittel der Wahl bei schweren, schmerzhaften,
schwächenden Gebärmutterentzündungen, also allen septischen Prozessen.
Älteren, schlaffen und schlappen Kühen mit schwachem Bindegewebe, die nach
schweren Geburten keine Kontraktionen und einen schlechten Mutterinstinkt zeigen,
kann mit Sepia (Tintenfisch) geholfen werden.
Empfehlungen zur Verabreichung
Alle genannten homöopathischen Einzelmittel wirken vornehmlich organotrop, d.h.
sie haben eine besondere Beziehung zu bestimmten Organen; hier Genitaltrakt,
Gebärmutter, Schleimhäute, usw..
Niedrige Potenzen (bis D/C12) sollten grundsätzlich 2Xtäglich verabreicht werden,
wohingegen es bei mittleren Potenzen (D/C30) ausreicht, diese 1 x täglich bis 2-3 x
wöchentlich zu geben.
Bei Einzelmitteln während der Geburtsphase reicht die einmalige Gabe.
Konstitutionsmittel-Verabreichung – sicher und effektiv
Das richtige, tierindividuell passende Konstitutionsmittel (Hochpotenz -> D bzw. C
200/1000), jedem Muttertier zeitig vor der Geburt verabreicht, gilt als „Königsweg“ zur
präventiven Geburtsvorbereitung und –nachsorge. Bei der Wahl des passenden
Konstitutionsmittels sind Charakter und Verhalten des Tieres von primärer
Bedeutung. Es geht um Auffälligkeiten im Verhalten des Tieres in allen
Lebensbereichen, auch gegenüber dem Menschen, um Körperbau, Aussehen,
Leistungsmerkmale, Dispositionen, also Neigungen zu bestimmten Krankheiten und
um Modalitäten. Zwingende Voraussetzung zur Findung des individuellen
Konstitutionsmittels ist die exakte Tierbeobachtung. Entspricht die Gesamtheit der
Beobachtungen mit den Leitsymptomen eines Arzneimittelbildes weitgehend überein,
hat man gute Chancen mit der Verabreichung dieser Hochpotenz, die sehr
tiefgreifend wirkt, das Tier für die anstehende Extremphase der Geburt und
Nachgeburtszeit positiv zu stärken.
Komplexmittel zur Prophylaxe und Stärkung
Zum Einstieg in die Homöopathie eignen sich vor allem die sogenannten
Komplexmittel.
Sie sind in der Regel speziell für Tiere, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen,
zugelassen.
Die Präparate enthalten homöopathische Arzneimittel, die aufgrund der
Praxiserfahrungen bei bestimmten Symptomenkomplexen sinnvoll eingesetzt werden
können.
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Anwendungsgebiete für diese Mittel sind besonders im Fruchtbarkeitsmanagement
und bei lokalen, akuten Erkrankungen gegeben.
Homöopathischer Routineeinsatz um den Geburtszeitraum herum
empfehlenswert
Vor der anstehenden Geburt sowie in der Geburts-, Nachgeburts- und
Rückbildungsphase macht es Sinn, vor allem gefährdete Tiere (Färsen, Kühe, die
aus Erfahrung zu Geburtsstörungen und Nachgeburtsverhalten neigen!) mit
entsprechenden, positiv auf Geburtsvorgang und Rückbildung wirkenden
homöopathischen Einzelmitteln oder gar dem similen Konstitutionsmittel zu
unterstützen. Dabei empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit dem Tierarzt. Wichtig
zunächst ist, dass die Tiere genau beobachtet werden und dass Erfolg und
Misserfolg dokumentiert werden, damit man getroffene Entscheidungen kritisch
kontrolliert. Diese Vorgehensweise setzt eine intensive Beschäftigung mit den Tieren,
sich selbst und der Umwelt voraus. Der Mehraufwand an „Arbeit und Zeit“ wird in der
Regel belohnt durch eine Verringerung der Komplikationen vor, in und nach der
Geburt.
Eine intensive homöopathische Versorgung des Rinderbestandes hilft Kosten
sparen, Erfolg steigern und Zufriedenheit fördern.
November 2003
Ruth Wilmsen, Tierärztin
Anne Verhoeven, LWZ Haus Riswick, Kleve, Landwirtschaftskammer NRW,
Tel: 02821-996-191
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