Ballett Intern 5/2006 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
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Ballett Intern 5/2006 - Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik
BALLETT INTERN Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V. – Heft 75/29. Jahrgang – Nr. 5/Dezember 2006 00 Deutscher Tanzpreis 2 7 Susa nne Linke Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2007 Katja Wünsche Marian Walter Terence Kohler Liebe Leser, falls die irritierenden Angaben in den Kästen der August-Ausgabe von BALLETT INTERN für Verwirrung gesorgt haben sollten, hier noch einmal in Kürze und Klarheit: Die Mitgliederversammlung des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik e.V. und die Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2007 und des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« 2007 finden am Samstag, dem 28. April 2007, in Essen statt. Mit Susanne Linke erhält eine Vertreterin der Moderne die Traditions-Auszeichnung, die drei Nachwuchs-Preisträger bewegen sich dagegen bevorzugt im Bereich des klassischen Tanzes. Zum dritten Mal findet die Förderung außergewöhnlicher, junger Talente in dieser Form statt, unterstützt durch die Dotierung von je 3.000 Euro durch die Tanzstiftung Birgit Keil. Außerdem ehren wir in der vorliegenden Ausgabe noch zwei Persönlichkeiten, eine aus dem 18. und eine weitere aus dem 19. Jahrhundert: Wolfgang Amadeus Mozart und Heinrich Heine, des einen 250. Geburtstag und des anderen 150. Todestag prägten das Jahr 2006, wir beleuchten des Musikers und des Dichters Verhältnis zum Tanz. Ein besinnliches Weihnachtsfest, einen geruhsamen Jahresausklang und einen guten Start ins neue Jahr 2007 wünscht Ihnen Ihre BALLETT-INTERN-Redaktion Ulrich Roehm und Dagmar Fischer BALLETT INTERN ist die Mitgliederzeitschrift des Deutschen Berufsverbandes für Tanzpädagogik e. V. (DBfT) und liegt der Zeitschrift »tanzjournal« fünf Mal als Supplement bei. Beide Zeitschriften gehen den Mitgliedern des Verbandes kostenlos zu. Nichtmitglieder können BALLETT INTERN abonnieren: Deutschland € 7,50, europäisches Ausland € 12,00 (jeweils inkl. Porto/Versand) je Ausgabe. Redaktion dieser Ausgabe: Ulrich Roehm (verantwortl.), Dagmar Fischer (dagmar.fischer@ballettintern.de) Autoren dieser Ausgabe: Dagmar Fischer (Hamburg), Klaus Kieser (München), Ulrich Roehm (Essen), Ralf Stabel (Dresden), Jürgen Schulz (Freital), Jenny J. Veldhuis (Amsterdam) Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder. Der Nachdruck, auch auszugsweise, ist ohne ausdrückliche Genehmigung der Redaktion nicht gestattet. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und für Terminangaben wird keine Gewähr übernommen. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Leserbriefe zu kürzen. Manuskripte gehen in das Eigentum der Redaktion über. Titelbild: »Frauenballett«, Choreographie: Susanne Linke, Foto: Jörg Landsberg, aus: Norbert Servos (Hg.), Schritte verfolgen, K. Kieser Verlag, München 2005 Herausgeber: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., (DBfT) Hollestraße 1, D–45127 Essen Tel.: +49(0)201 – 22 88 83 Fax: +49(0)201 – 22 64 44 Internet: www.dbft.de – www.ballett-intern.de Bankverbindung: Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e. V., Nationalbank Essen, Konto-Nr. 111627, BLZ 360 200 30 IBAN IBAN DE 95 3602 0030 0000 1116 27 BIC NBAGDE3E Druck: Ulenspiegel GmbH, Besengaßl 4, D–82346 Andechs Gestaltung: Ulrich Roehm, Frank Münschke dwb Realisation: Klartext Medienwerkstatt GmbH 45327 Essen, Bullmannaue 11 – www.klartext-medienwerkstatt.de +49(0)201 – 9222 535 (Frank Münschke) Anzeigen und Beilagen: Gültige Preisliste: 1/05 Nächste Ausgabe: Heft 1/2007 erscheint Anfang Februar 2007 Redaktionsschluss: 10. Januar 2007 Anzeigenschluss: 15. Januar 2007 Annahmeschluss Beilagen:20. Januar 2007 BALLETT Heft 5/2006 INTERN Deutscher Tanzpreis 2007 Die Preisträgerin: Susanne Linke Von Dagmar Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . »Extreme Beauty« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A Legacy Moving Into the Future – Limón Dance Company . . . . . . José Limón . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Laudator: Prof. Lutz Förster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4 5 5 5 6 6 8 Deutscher Tanzpreis »ZUKUNFT« 2007 Die Preisträgerin: Katja Wünsche Von Klaus Kieser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Preisträger: Marian Walter Von Dagmar Fischer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Preisträger: Terence Kohler Von Klaus Kieser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Laudatorin: Dr. Iris Jana Magdowski . . . . . . . . . . . . Die Tanzstiftung Birgit Keil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 10 10 Eine neue Ära Palucca Schule Dresden – Hochschule für Tanz Von Jenny J. Veldhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Impressionen von der 11. Internationalen Sommertanzwoche Bregenz 2006 Von Jürgen Schulz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Eine Schule mit eigenem Profil Ballettschule des Hamburg Ballett Von Jenny J. Veldhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Eine Schule mit Tradition Das Tanzkonservatorium in Prag Von Jenny J. Veldhuis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Mozart, tanzend Ein etwas anderer Beitrag zum Mozartjahr Von Dagmar Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 »Und immer sehnte ich nach Liebe« Heinrich Heine und der Tanz Von Ralf Stabel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Robert Wilson – »ABSOLUTE« Von Dagmar Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 Tanzolymp 2007 4. Internationales Kinder- und Jugendtheaterfestival in Berlin . . . . . 22 Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Bücher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 kurz und bündig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 ! WICHTIG Deutscher Tanzpreis 2007 Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2007 Mitgliederversammlung des DBfT Samstag, 28. April 2007 ! Ballett Intern 5/2006 2007 Die Preisträgerin (Foto: Silvia Lelli) Susanne Linke Sie ist die Jüngste in der »Generation Tanztheater«: Susanne Linke, Jahrgang 1944. Aber sie ist wahrscheinlich auch diejenige, die sich am meisten dagegen wehrt, in diese Schublade eingeordnet zu werden. Wenn jedoch von kompetenter Seite über das Kapitel Tanztheater innerhalb der deutschen Tanzgeschichte berichtet wird, taucht regelmäßig diese Fünfer-Gruppe auf: Pina Bausch, Reinhild Hoffmann, Gerhard Bohner, Johann Kresnik und – meist als letzte in der Reihe – Susanne Linke, und das sowohl in Jochen Schmidts als auch in Susanne Schlichers Publikationen zum »Tanztheater«. Susanne Linke ist Tänzerin, Choreographin, Direktorin und Pädagogin, auch auf Tagungen und Symposien zur Tanzge- schichte und -wissenschaft ist sie häufiger und gern gehörter Gast. In der Entwicklung vom Ausdruckstanz zum Tanztheater nimmt sie eine besondere Position ein, da sie Mary Wigman und Dore Hoyer noch erlebte, das Tanztheater in den 70er Jahren entscheidend mit prägte, aber darüber hinaus ihren ganz eigenen Weg nie aus den Augen verlor: Sie ist in ihrer Generation »die Einzelgängerin«, wie Jochen Schmidt schrieb. Der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. in Zusammenarbeit mit dem Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V. verleiht Susanne Linke den Deutschen Tanzpreis 2007. Erst spät, im Alter von zwanzig Jahren, beginnt sie ihre Tanzausbildung. Von 1964 bis 1967 lernt sie im Wigman-Studio in Berlin und erhascht damit nach eigener Aussage soeben noch den »letzten Zipfel« der großen Ausdruckstänzerin, denn Mary Wigman schließt ihre Berliner Schule 1967. In den drei darauf folgenden Jahren studiert sie an der Essener Folkwang Schule, direkt nach der Ausbildung wird sie Tänzerin im Folkwang Tanzstudio, das Pina Bausch damals leitete. Von 1975 (bis 1977 gemeinsam mit Reinhild Hoffmann) bis 1985 übernimmt Susanne Linke die künstlerische Leitung des Ensembles, das sich in dieser Zeit zu einer professionellen Compagnie mit eigenem Profil entwickelt. Anfang der 70er Jahre entstehen erste Choreographien, in den 80ern kommt der internationale Durchbruch mit Solowerken wie »Im Bade wannen« (1980) und »Schritte verfolgen« (1985). Aber auch mit Gruppen-Choreographien macht sie auf sich aufmerksam, ihr »Frauenballett« entsteht 1981 in Essen, »Ruhr-Ort«, ein reines Männerstück, reflektiert gesellschaftliche Veränderungen und wird 1991 in Leverkusen uraufgeführt. Susanne Linke: »Schon in der Wigman-Schule musste ich viel improvisieren, und immer stand dabei die Frage im Raum: Warum mach ich das? Wohin führen die Bewegungen? Das durfte keine Gefühlsduselei sein. Wie mit Worten kann man auch mit Bewegungen schwafeln. Dass das nicht geht, hat man mir dort eingebläut. Am Ende muss eine klare Aussage stehen und ein klares Gefühl. Die Qualität eines Stückes hat immer mit der Quantität dessen zu tun, was man weggeworfen hat. Man lässt nur stehen, was wirklich nötig ist. Das ist ein langer Prozess – in allen Künsten. Man schleift einen Diamanten. Was ich in meiner Laufbahn begriffen habe ist, dass zu viele Bewegungen die Choreographie schwächen.« ■ Ballett Intern 5/2006 . 2007 Dem Vorbild Dore Hoyer nähert sie sich auf verschiedene Weise, viel Beachtung fand die Rekonstruktion des Tanzzyklus »Afectos Humanos«, den Susanne Linke 1987 in der Berliner Akademie der Künste erstmals aufführt. Anlässlich eines Stipendien-Aufenthalts hatte Susanne Linke 1979 die Arbeit der Limón Dance Company in New York kennen gelernt, 1986 choreographiert sie für diese Truppe »Also Egmont bitte«, erst 2004 mit »Extreme Beauty« ein weiteres Stück. Als freie Choreographin arbeitet sie ferner an der Pariser Oper, für das Nederlands Dans Theater in Den Haag, in Tel Aviv, Mailand, Wien, Berlin – und immer wieder in Essen. 1994 übernimmt sie zusammen mit Kollege Urs Dietrich das Bremer Tanztheater. Das Paar erarbeitet einige Werke gemeinsam, zuletzt »Tanz-Dis-tanz« im Jahr 2003 für das Choreographische Zentrum in Essen. 2000 war Susanne Linke designierte künstlerische Leiterin des Choreographischen Zentrums Zeche Zollverein in Essen, seit 2001 arbeitet sie wieder als freischaffende Choreographin. ■ Dagmar Fischer Susanne Linke bei der Generalprobe am 19.07.2003 auf der Bühne des FESTIVAL INTERNAZIONALE SALERNO DANZA im Forte la Carnale in Salerno / Italien. (Foto: Peter Schmidt) Ballett Intern 5/2006 Wandlung Bereits Mitte der siebziger Jahre beschäftigten Susanne Linke die Themen »Trauer, Tod und Abschied« in drei kurz aufeinander folgenden Stücken. Tänzerische Trauerarbeit war die nahe liegende Antwort auf die Konfrontation mit essentiellen Themen. So entsteht 1976, angeregt vor allem durch die Lektüre des Tibetanischen Totenbuchs, »Der Tod und das Mädchen« zur Musik von Franz Schubert. Durch das Totenbuch hat Susanne Linke eine neue Sicht auf das Sterben bekommen; Abschied von der Welt kann auch bedeuten, zur Ruhe zu kommen. Herzstück des etwa 20-minütigen Stückes ist ein Solo, das Susanne Linke später, unter dem Titel »Wandlung« aus dem Stück ausgegliedert, selbst tanzt. Statt im stummen Schrei kulminiert der Totentanz diesmal in einer geschmeidigen Leichtigkeit. Leichtigkeit bedeutet in diesem Solo, anders als im klassischen Schwanensee, nicht die perfekte Nachahmung eines Flügelschlags und das Fortstreben von aller Erdenschwere. Im Gegenteil: Jede Bewegung neigt sich hier dem Boden zu, die geisterhafte Erscheinung sinkt ins Grab — und doch gewinnt sie ihr in jedem Moment, selbst noch im Aufbäumen vor dem Ende, eine fließende Schönheit der Bewegungen ab. Und wie nebenbei weist sie daraufhin, dass Abschied und Tod auch noch ganz anders imaginiert werden können: als Befriedung. ■ »Wandlung«, Susanne Linke Foto: Ridha Zouari »Extreme Beauty» (Choreographie: Susanne Linke) mit der Limón Dance Company (Foto: Beatriz Schiller) Ballett Intern 5/2006 A Legacy Moving Into the Future »Extreme Beauty« Choreographie: Susanne Linke Was ist Schönheit? »Wenn das Äußere mit dem Innern übereinstimmt«, hat Susanne Linke einmal gesagt. 2004 hat sie für die Lim6n Dance Company den Versuch unternommen, die sich verändernden Schönheitsideale unserer Gesellschaft zu thematisieren. In »Extreme Beauty« durchlaufen sechs Frauen verschiedene Stadien der Befreiung – und des Zwanges. Im ersten Teil, »The Burden«, erleben sie die Last des Gleichschritts. Zur Streicherelegie von György Kurtág kommen sie mühsam nach vorn, heben eine Schulter, stapfen auf wie im Flamenco, drehen sich um – und gehen alltäglich zurück zum Ausgangspunkt, um wieder von vorn zu beginnen. Die Mühsal der Wiederholung aus dem Frauenballett, hier klingt sie noch einmal an. Dann aber legen sie ihre alles verhüllenden Jacken ab und entdecken ihre Hüften. Ein erotisches Spiel beginnt, es mündet in einer Reihe phantasievoller Soli, die den flirrenden Eros thematisieren, der ständig den Ort wechselt und verschiedene Körperteile aufsucht. In der »Initiation« greift sie noch einmal das Brautthema auf: Zu den elektronischen Klängen von Salvatore Sciarrino zwingen sich die schwarz bestrumpften Frauen gegenseitig weiße Reifröcke auf und küren eine unter ihnen zur Braut, die anschließend wie eine steife Barbie-Puppe umhertippelt, die Arme mit offenen Händen nach oben gehalten. Eine Krone aus Stacheldraht ziert ihren Kopf, und bald beginnt ein zickiger Konkurrenzkampf unter den Leidenden der Gemeinschaft. Das Thema Frauenschönheit ist heute wieder aktueller denn je – der Zwang zur Designerkleidung durchzieht auch in Deutschland alle Schichten der Gesellschaft. Am Ende von »Extreme Beauty« tobt eine Frau in schwarzem Mini und Stöckelabsätzen über die Bühne, worauf die anderen sich die Reifröcke vom Leib reißen. Ein Moment der Befreiung? Oder nur der Zwang zur nächsten Mode, dem Girlie-Syndrom? Vielleicht beides. Eine Befreiung zieht den nächsten Zwang gleich magisch an. »Was Frauen für Schönheit alles tun, das ist für mich wie ein archaisches Ritual, dem Frauen sich da unterziehen«, sagt die Choreographin. Und: »Im Grunde bin ich noch nicht fertig damit.« ■ Umjubelt für ihre dramatische Ausdruckskraft, Virtuosität und kraftvollen und doch differenzierten Bewegungsstil, beweist die Limón Dance Company mittlerweile seit 56 Jahren die Zeitlosigkeit in José Limóns Arbeit und die visionäre Kraft, die die Company verkörpert. 1946 von José Limón und Doris Humphrey gegründet, arbeiten die Tänzer nun unter Carla Maxwell, die schon eng mit Limón zusammen gearbeitet hat, bevor sie 1978 künstlerische LeiDANCE COMPANY terin wurde. In Laufe der Jahre hat die Company sich ein außergewöhnliches und vielfältiges Repertoire erarbeitet, das auf den Werken Limóns, dem amerikanischen »modern dance« und Arbeiten zeitgenössischer Choreographen basiert. Die Company ist die lebende Legende der Bewegungstechnik und Theaterphilosophie von José Limón und seinen Lehrern Doris Humphrey and Charles Weidman, deren innovative Arbeiten als große Meisterwerke des amerikanischen Tanzes gelten. Ergänzend vergibt die Company Aufträge für neue Arbeiten und übernimmt Werke anderer großer Choreographen wie Garth Fagan, Kurt Jooss, Susanne Linke, Alwin Nikolais, Anna Sokolow und Jiři Kylián. Um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts war die Limón Dance Company die erste Truppe, die unter der Federführung des American Cultural Exchange Program 1954 tourte, die erste Tanztruppe, die im Lincoln Center (1963) und zweimal im Weißen Haus (1967 and 1995) auftrat. Gemeinsam mit dem NEA Millennium Grant ist es der Limón Dance Company ein Anliegen, das Erbe des amerikanischen »modern dance« lebendig zu halten und dabei zu helfen, dass Meisterwerke der Tanzgeschichte nicht verloren gehen. Die Company bildet den künstlerischen Teil der José Limón Dance Foundation. ■ José Limón Nina Watt in einer José LimónChoreographie, Foto: Archiv José Limón begeisterte die Welt mit seinem dynamischen, maskulinen Bewegungsstil und seiner dramatischen Choreographie. Limón wurde am 12.1.1908 in Culiacan, Mexiko, geboren und lebte ab 1915 in Kalifornien. 1928 kam er nach New York, wo er erstmalig mit dem Tanz in Berührung kam. Über diese Vorstellung sagte Limón: »Was ich gesehen habe, hat einfach und unumstößlich mein Leben verändert. Ich sah den Tanz als Erscheinung von unbeschreiblicher Kraft. Ein Mann kann mit Würde und überragender Majestät tanzen… tanzen wie Michelangelos Visionen und wie die Musik von Bach.« Limón schrieb sich an der Tanzschule von Doris Humphrey und Charles Weidman ein und trat zwischen 1930 und 1940 in Kreationen seiner Lehrer auf. 1946 gründete Limón mit Doris Humphrey als künstlerischer Leiterin seine eigene Company. In den folgenden 25 Jahren baute er sie zu einer der führenden Institutionen für modernen Tanz in Amerika auf. Er setzte seine choreographische Tätigkeit für seine Company bis zu seinem Tod 1972 fort. Ballett Intern 5/2006 Der Laudator Lutz Förster Preisträgerin (Tanz) Lutz Förster wurde 1953 in Solingen geboren, seine tänzerische Ausbildung absolvierte er an der Essener Folkwang Schule, u.a. bei Hans Züllig und Jean Cébron. Nach dem dortigen Abschluss wurde er Mitglied im »Folkwang Tanzstudio«, wo er mit Susanne Linke, Reinhild Hoffmann und Pina Bausch zusammen arbeitete. Seit 1975 tanzt Lutz Förster in zahlreichen Produktionen beim Tanztheater Wuppertal Pina Bausch in Wuppertal und auf Tourneen weltweit, zuletzt 2004 beim Festival »Drei Wochen mit Stuttgarter Ballett Foto: Ulrich Beuttenmüller Pina Bausch« in Düsseldorf, Essen und Wuppertal und 2005 in London, Venedig, Salzburg, Lissabon und Wuppertal und 2006 in Sao Paulo und Porto Alegre (Brasilien). Die Spielzeit 1981/82 verbrachte er mit einem Stipendium des Kultusministers NRW in New York, hauptsächlich bei der Limón Dance Company. Im Juli 1984 kehrte er als stellvertretender künstlerischer Direktor neben Carla Maxwell zu diesem Ensemble zurück und tanzte dort unter anderem in Choreographien von José Limón, Anna Sokolow, Susanne Linke und Meredith Monk. 1986 und 1989 arbeitete er mit Robert Wilson (siehe auch Seite 19 in dieser Ausgabe) in Produktionen für die Hamburgische Staatsoper und die Mailänder Scala und kreierte 1999 bei den Salzburger Festspielen die Rolle des »Monsieur Jean« in »Les Boréades« unter der musikalischen Leitung von Sir Simon Rattle. Er war darüber hinaus in mehreren Film- und Fernsehproduktionen zu sehen. Er ist seit 1991 Professor für Zeitgenössischen Tanz und seit 1992 Beauftragter für den Studiengang Tanz an der Folkwang Hochschule Essen, wo er bis 1998 auch das Folkwang Tanzstudio leitete. Er war künstlerischer Leiter der Festivals »Folkwang in Moskau« (1993) und »Folkwang Fest der Künste« zum 100. Geburtstag von Kurt Jooss (2001). Er arbeitete als Gastlehrer für Tanztheater Bochum/Reinhild Hoffmann, Tanztheater Bremen/Susanne Linke und Urs Dietrich, Tanztheater Basel/Joachim Schlömer, Tanztheater Münster/Daniel Goldin, City Contemporary Dance Company/Hong Kong, Modern Dance Theatre/Ankara, Tanztheater Kassel, in San José/Costa Rica, Sankt Petersburg, und an den Universitäten in Mexico City, Austin/Texas, Istanbul, Bogotá und Porto Alegre (Brasilien) sowie den Sommerakademien in Berlin, München und Wien. ■ Katja Wünsche Selbst bei einem lediglich kursorischen Blick auf Katja Wünsches Laufbahn kommt man nicht umhin, ihr eine Traumkarriere zu bescheinigen. Die gebürtige Dresdnerin erhielt ihre Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule Berlin, die sie 1999 abschloss. Noch während ihres Studiums tanzte sie im Corps de ballet der Deutschen Staatsoper und trat erfolgreich bei Wettbewerben an, etwa beim »Prix de Lausanne« (3. Preis 1997, 2. Preis 1998) oder beim »Grand Prix d’Eurovision für junge Tänzer« (1. Preis für einen Pas de deux). Katja Wünsche in »Dornröschen« (Choreographie: Marcia Haydée) Ballett Intern 5/2006 2007 Anschließend engagierte sie Reid Anderson ins Stuttgarter Ballett. Nach drei Jahren im Corps de ballet folgte ein rascher Aufstieg innerhalb der Compagnie: 2002 wurde sie Halbsolistin, 2003 Solistin und 2006 Erste Solistin. Im Repertoire des Stuttgarter Balletts hat sie zahlreiche Rollen übernommen. Herausragend sind dabei Julia, Olga und Bianca in John Crankos Balletten »Romeo und Julia«, »Onegin« bzw. »Der Widerspenstigen Zähmung«, die Titelpartie in Christian Spucks »Lulu«, die Aurora in Marcia Haydées »Dornröschen«, Stella und Prudence in John Neumeiers Werken »Endstation Sehnsucht« und »Die Kameliendame«, die Columbina in Glen Tetleys »Pierrot lunaire« und die Myrtha in »Giselle«. Auch in handlungslosen Balletten hat sich Katja Wünsche profiliert, beispielsweise in George Balanchines »Vier Temperamente« und »Serenade«, Jerome Robbins’ »Dances at a Gathering« und »The Concert«, Michail Fokins »Les Sylphides«, Mauro Bigonzettis »Kazimir’s Colours«, Glen Tetleys »Le Sacre du Printemps«, William Forsythes »Love Songs« und »The Vertiginous Thrill of Exactitude« und Uwe Scholz’ »Siebte Sinfonie«. Immer wieder haben Choreographen Katja Wünsche für Uraufführungen besetzt, etwa Christian Spuck mit der Rolle der Clara in seinem Ballett »Der Sandmann« und der Rolle der Gabrielle d’Estrées in »…, la peau blanche …« sowie Partien in »Carlotta’s Portrait«, »Nocturne« und »das siebte blau«. Auch Marco Goecke, Douglas Lee, Marguerite Donlon, Nicolo Fonte, Itzik Galili, Kevin O’Day und Marc Spradling haben Katja Wünsche in die Kreation neuer Stücke einbezogen. ■ Klaus Kieser Katja Wünsche und Jirí Jelinek in »Romeo und Julia« (Choreographie: John Cranko) Foto: Ulrich Beutenmüller Gala zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2007 Susanne Linke Laudatio: Prof. Lutz Förster und des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« 2007 an Katja Wünsche (Stuttgarter Ballett) Marian Walter (Staatsballett Berlin) Terence Kohler (Ballett des Badischen Staatstheaters Karlsruhe) Laudatio: Dr. Iris Jana Magdowski Sa. 28. April 2007, 18.00 Uhr im Aalto Theater Essen Es tanzen unter anderem: Limón Dance Company, New York »Extreme Beauty« (Choreographie: Susanne Linke) Stuttgarter Ballett mit Katja Wünsche »Romeo und Julia« (Choreographie: John Cranko) »Skew Whiff« (Choreographie: Paul Lightfoot/Sol Leon) Staatsballett Berlin mit Marian Walter »Lacrimosa« (Choreographie: Guala Pandi) Pas de deux aus »Esmeralda« (Choreographie: Jules Perrot) Ballett des Badischen Staatstheaters Karlsruhe »Intermezzo« (Choreographie: Terence Kohler) Katja Wünsche in »Hikarizatto« (Choreographie: Itzik Galili) Fotos: Stuttgarter Ballett Schirmherr: Dr. Wolfgang Reiniger (Oberbürgermeister der Stadt Essen) Ballett Intern 5/2006 2007 Preisträger (Tanz) Marian Walter Staatsballett Berlin Wer bei dem Vornamen Marian eine Engländerin erwartet, liegt falsch. Marian Walter ist ein deutscher Mann, am 24.9.1981 in Suhl/ Thüringen geboren. Ab 1992 besuchte er die Staatliche Ballettschule Berlin, die er im Jahr 2000 als Staatlich geprüfter Bühnentänzer abschloss. Unmittelbar nach der Ausbildung wurde er vom Bayerischen Staatsballett München engagiert, 2002 wechselte er zum Ballett Marian Walter in »Diana und Acteon« Marian Walter in der Choreographie »Lacrimosa« von Guala Pandi Foto: Staatsballett Berlin Foto: Staatsballett Berlin der Staatsoper Unter den Linden nach Berlin. 2003 war er bereits Halbsolist, ein weiteres Jahr später Solist. Seit März 2005 ist Marian Walter mit seiner ukrainischen Kollegin Iana Salenko, ebenfalls Solistin im Ballett der Staatsoper, verheiratet. Für sein Alter hat er ein umfangreiches Repertoire vorzuweisen: In Vladimir Malakhovs »Cinderella« ist er vom Feen-Begleiter zum Star-Tänzer und Prinzen aufgestiegen, in dessen »Dornröschen« tanzt er den Pas de deux Prinzessin Florine, in Malakhovs »Die Bajadère« den Goldenen Gott und das FakirSolo. Siegfried als Kind verkörperte er in Maurice Béjarts »Ring um den Ring«, in Patrice Barts »Schwanensee« wirkte er ebenso mit wie in dessen »Der Nussknacker«. In Ray Barras »Schneekönigin« tanzte er den Goldenen Prinzen. In zwei Werken von Angelin Preljocajs war er zu sehen, in »Le Parc« und in »Le Sacre du printemps«, außerdem tanzte er in Choreographien von Jiří Kylián (»Sinfonie in D«), Boris Eifman (»Tschaikowsky«) und George Balanchine (»Tschaikowsky-Pas-de-deux«). Marian Walter wurde im »ballett-tanz«-Jahrbuch 2006 gleich von drei Berliner Journalisten (Michaela Schlagenwerth, Manuel Brug und Volkmar Draeger) als »Beachtlicher Nachwuchstänzer« gewählt, Klaus Geitel bescheinigte ihm in einer Kritik vom Mai 2006 gar den »waschechten Prinzen aus dem Ballettmärchen«. Zu seinen Auszeichnungen gehören der 1. Preis beim Tanzcontest in Wien und der jeweils 3. Platz beim Internationalen Ballettwettbewerb in Helsinki und im japanischen Nagoya. ■ Dagmar Fischer Ballett Intern 5/2006 2007 Preisträger (Choreographie) Terence Kohler Ballett des Badischen Staatstheaters Karlsruhe Er gehört zu einer seltenen Spezies auf deutschen Bühnen. Terence Kohler, der gerade mal 22 Jahre jung ist, choreographiert nämlich ganz auf der Basis des klassisch-akademischen Tanzes, und er tut dies auf eine Art und Weise, die inzwischen für einiges Aufsehen sorgt. Seine künstlerische Heimat hat Kohler in Karlsruhe. 2003 wurde er Mitglied im Ballettstudio des Badischen Staatstheater, ehe ihn ein Jahr später Birgit Keil, die Direktorin der Ballettcompagnie, als Tänzer und Choreograph engagierte. Terence Kohler stammt aus der australischen Metropole Sydney. Dort studierte er am McDonald College Tanz, und schon bald entdeckte man seine choreographische Begabung. So entstand im Jahr 2000 das Stück »bodies«, und im folgenden Jahr lud ihn Dame Margaret Scotts, die Gründerin der Australian Ballet School, ein, für einen choreographischen Workshop in Melbourne zu kreieren: »Figures in a Landscape«. 2001 schuf er zudem »Transcending Continuoso« für die in Sydney ansässige Premier State Youth Ballet Company. Anschließend ermöglichte ihm ein Stipendium der Tanzstiftung Birgit Keil, seine Ausbildung an der Akademie des Tanzes in Mannheim fortzusetzen. Für die Tanzcompagnie der Mannheimer Hochschule für Musik und Darstellende Kunst erarbeitete er eine erste Fassung von »just before falling« und »intermezzo für 20«. 2003 erstellte Kohler für das Projekt »Kunst auf der Baustelle« eine neue Fassung von »just before falling« mit dem Titel »elevation«. Während seiner Zeit im Ballettstudio des Badischen Staatstheaters tanzte Kohler in diversen Balletten und Opernproduktionen und überarbeitete »just before falling«. 2004 wagte er sich dann an ein größeres Werk: »Writing the Light« für die Akademie des Tanzes. In seinem ersten Jahr als Mitglied im Ballett des Badischen Staatstheaters choreographierte Kohler dann »in the near distance« (2005), und »Intermezzo für 20« wurde ins Repertoire der Ballettcompagnie übernommen. Ebenfalls 2005 entstand »Transcended – in a movement and a half« anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der Tanzstiftung Birgit Keil. Im Mai 2006 führte dann das Ballett des Badischen Staatstheaters Kohlers erste Auseinandersetzung mit einem Stoff der Weltliteratur auf, »Anna Karenina« nach dem Roman von Lew Tolstoi. In der diesjährigen Umfrage der Zeitschrift »ballett-tanz« wurde Terence Kohler von Wiebke Hüster (Frankfurter Allgemeine Zeitung) als »bemerkenswerter Nachwuchschoreograph« nominiert. Im kommenden Jahr steht eine weitere abendfüllende Produktion von Terence Kohler auf dem Programm des Badischen Staatstheaters, und zwar »Die Tempeltänzerin« nach Marius Petipas »La Bayadère«. ■ Klaus Kieser »intermezzo für 20« (Choreographie: Terence Kohler) Fotoe. Jürgen Klenk Ballett Intern 5/2006 Die Laudatorin Der Deutsche Tanzpreis »ZUKUNFT« wird durch die »Tanzstiftung Birgit Keil« unterstützt und großzügig mit einem Preisgeld für die Preisträger dotiert. Dr. Iris Jana Magdowski Vizepräsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft Sie wurde in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet geboren. Als Jugendliche galt ihre große Leidenschaft dem Ballett – bis zur aktiven Teilnahme am täglichen Training des Gelsenkirchener Ballettensembles. Hier lernte sie jedoch auch bald ihre tänzerischen Grenzen kennen – geblieben aber ist die Faszination für die große Disziplin und Konzentration, die die Grundlagen für die Ausübung des Tänzerberufs bilden. Es folgte das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften sowie der Philosophie. Nach der Promotion 1979 zog es sie in eine Anwaltspraxis nach Südafrika. Im Alter von 32 Jahren wurde durch die Berufung zur Kulturdezernentin nach Bielefeld die Kultur wieder zum Lebensmittelpunkt. Es folgten die Jahre als Kulturdezernentin in Duisburg (1992–1997) unter dem großen Freund der Künste und des Tanzes Oberbürgermeister Josef Krings, wo ihr auch 1997 für besondere Verdienste der »Goldene Stadtring« verliehen wurde. 1997 führte sie der Weg für acht Jahre als Kulturbürgermeisterin nach Stuttgart, wo sie – weiterhin also große Förderin des Tanzes – u.a. Mitglied im Kuratorium der damals gegründeten Tanzstiftung Birgit Keil wurde. Weitere Tätigkeiten waren: Stellvertretende Vorsitzende des Tarifausschusses des Deutschen Bühnenvereins – Fachbotschafterin für die Bewerbung des Ruhrgebiets zur Kulturhauptstadt 2010 – Vorstandsmitglied der »Schiller-Stiftung 1859« – Lehraufträge, u.a. für Kulturmanagement, an den Universitäten Bukarest, Münster, Speyer – Gastprofessorin auf Lebenszeit an der Technischen Universität Wuhan/China. Gründerinnen und Stifterinnen Prof. Birgit Keil Marchesa Mina di Sospiro Schirmherrin I. K. H. Diane Herzogin von Württemberg Vorsitzender des Kuratoriums Prof. Dr. h.c. Lothar Späth Kuratorium Prof. Dr. Reinhold Braschel – Prof. Hans Werner Henze Prof. Dr. Günther Langenbucher – Dr. Iris Jana Magdowski Prof. Rosalie-Antje Scholl – Susanne Weber-Mosdorf Prof. Kurt Weidemann – Prof. Dr. h.c. Reinhold Würth Vorstand Prof. Birgit Keil – Prof. Vladimir Klos Künstlerischer Beirat Norbert Beilharz – Han Ebbelaar Jiří Kylián – Hans van Manen Alexandra Radius – Heinz Spoerli Alex Ursuliak Die Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2007 und des Deutschen Tanzpreises »ZUKUNFT« 2007 ist eingebunden in die Veranstaltung der Deutschen UNESCO-Kommission »Kulturelle Vielfalt – Europas Reichtum. Das UNESCO-Übereinkommen mit Leben füllen« Fachkonferenz im Rahmen der Deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2007 26. April bis 28. April 2007 in Essen, Kulturhauptstadt Europa 2010 (Anmeldung bis zum 22. Januar 2007 unter www.unesco.de) sowie des 2. Symposiums zur Aktuellen Situation des Tanzes in Deutschland »Der künstlerische Tanz in der kulturellen Bildung und Wahrnehmung heute« Gemeinsame Veranstalter sind der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V., Essen und die Ständige Konferenz Tanz, Berlin. Sonntag, 29. April 2007, 10:30 Uhr im Rats-Saal des Rathauses der Stadt Essen Weitere Informationen für alle Veranstaltungen finden Sie in BALLETT INTERN Februar und April 2007 10 Ballett Intern 5/2006 Palucca Schule Dresden – Hochschule für Tanz Von Jenny J. Veldhuis Für die älteste Tanzfachausbildung Deutschlands und einzigartige Hochschule für Tanz innerhalb der Europäischen Union hat mit dem Schuljahr 2006/07 eine neue Ära begonnen. Als Enno Markwart, ehemaliger Schüler Paluccas, 1997 die Leitung übernahm, war sein erstes Ziel, die Anerkennung der Schule als Hochschule für Tanz zu erreichen. Das ist ihm gelungen, aber natürlich gab es mehr zu tun. Er wollte die Studiengänge Choreographie und Tanzpädagogik, damals noch im MendelssohnBartholdy Konservatorium in Leipzig untergebracht, nach Dresden umsiedeln. Dazu fehlte jedoch im Dresdner Haus am Basteiplatz der Platz. Auch war es sein Wunsch, die allgemeinbildende Grundschule und das Internat, zusammen mit der ganzen Tanzausbildung, unter ein Dach zu bringen. So wurde ein Neubau geplant, den man im Frühjahr dieses Jahres beziehen konnte. Dieser Neubau steht nun hinter dem ursprünglichen Gebäude, und er verfügt über neun große und kleinere Ballettsäle sowie einer Anzahl von Zimmern, die in Zukunft für das Internat geplant sind, zur Zeit aber noch, während der Renovierung des alten Gebäudes, als Büros genutzt werden. In diesem alten Haus werden später noch die allgemeinbildende Grundschule, ein weiterer großer Ballettsaal und eine Mensa Platz finden. Die beiden Villen auf dem Grundstück beherbergen weiterhin Bibliothek, Videothek, Archiv und Unterrichtszimmer für die theoretischen Fächer. Die Studiengänge für Choreographie und Tanzpädagogik sind inzwischen eingezogen, und ein vierter Studiengang, Tanz und Ausdruckstherapie, wird das Angebot ab September 2007 vervollständigen. Enno Markwarts Rektorposten übernahm mit Beginn des Schuljahres 2006/07 der Kanadier Jason Beechey. Er wurde an der National Ballet School in Toronto ausgebildet, studierte ein Jahr an der Waganova Schule in St. Petersburg und danach an der School of American Ballet in New York. Er tanzte beim London City Ballet und bei Fréderic Flamand in Charleroi, war außerdem Trainingsmeister bei verschiedenen Compagnien. Seit 2004 ist Beechey Künstlerischer Berater der Ecole Nationale Supérieur de Danse in Marseille. Ferner ist er Begründer und Koordinator des von der Europäischen Union unterstützten D.A.N.C.E. Programms (Dance Apprentice Network aCross Europe). Seit 2006 ist er Künstlerischer Leiter des Tanzplans Dresden, gemeinsam mit Udo Zimmermann, Intendant des Europäischen Zentrums der Künste in Hellerau, und Aaron Watkin, Ballettdirektor des Dresden SemperOper Ballett. Ihm hat man nun die schwierige Aufgabe anvertraut, die Palucca Schule als älteste und traditionsreichste Schule Deutschlands in die Zukunft zu führen. Sie ist die einzige Schule Deutschlands, die mit zwei Orientierungsklassen im Alter von zehn bzw. elf Jahren anfängt, anschließend folgen vier Jahre Mittelschule. Schon zu DDR-Zeiten war sie die einzige Schule, die ihren Schülern mit dem Abschluss der Mittleren Reife als Ausnahme den Zutritt zum Hauptstudium genehmigte. Die insgesamt zehnjährige Ausbildung wird mit dem Diplom »Bühnentänzer» abgeschlossen, ein dreijähriger Bachelor of Arts-Abschluss ist in Vorbereitung. Für den Studiengang Tanzpädagogik gibt es momentan noch einen zwei- bzw. vierjährigen Diplomstudiengang, aber auch Ballett Intern 5/2006 hierfür ist ein dreijähriger Bachelor und zweijähriger Masterstudiengang in Vorbereitung. Der Studiengang Choreographie dauert heute noch zwei Jahre und wird mit einem Diplom abgeschlossen. Aber auch hier arbeitet man an der Umwandlung in einen zweijährigen Masterstudiengang. Selbstverständlich kann man diesen Studiengang nur antreten nach einer ansehnlichen Tänzerkarriere. Zusätzlich gibt es noch eine zweijährige Meisterklasse mit Diplom-Abschluss, nur zugänglich für Tänzer mit professioneller Erfahrung von mindestens zwei Jahren. Das von Enno Markwart gegründete »Palucca Tanz Studio» bleibt, wie auch das Tanztheaterprojekt, der Absolventenklasse vorbehalten. Zusammen mit dem Dresden Semperoper Ballett ist ein Eleven-Programm gegründet worden, dort haben ausgewählte Talente die Möglichkeit, als Praktikanten mit der Compagnie zu arbeiten. Vom laufenden Schuljahr sind sechs Schüler in das Projekt aufgenommen worden. Dies ist alles in allem ein vielseitiges Tanzstudien-Angebot, das viele Studenten, auch aus dem Ausland, anzieht und weiterhin anziehen wird; allerdings geht es nicht ohne enormen Einsatz sowohl von den Studenten als auch von den Dozenten. Gab es im Schuljahr 2000/01 noch insgesamt 186 Schüler, wovon 55 Hochschulstudenten waren, so ist das Verhältnis heute umgekehrt: Von den 240 Schülern dieses Schuljahres sind 44 im Alter von zehn bis 16 Jahren, die Übrigen sind alle Hochschulstudenten. Um eine bessere Balance in den Altersgruppen zu erreichen, werden in Zukunft Eignungstests auch in den anderen Bundesländern stattfinden. Das Studium ist schulgeldfrei. Für das Internat wird selbstverständlich ein Beitrag verlangt. Ansonsten haben die Schüler Beiträge für das Studentenwerk Dresden, die Studentenschaft und für das Semesterticket in Höhe von 136,50 Euro zu entrichten. Wenn man Jason Beechey fragt, welche Vorstellungen er von der Zukunft seiner Schule hat, so antwortet er: »Die von Gret Palucca geschaffene Tradition der Innovation als Markenzeichen der Hochschule fortzusetzen. Ich hoffe, dass die Palucca Schule in Zukunft noch enger mit der professionellen Tanzszene von heute verbunden sein wird und international als Ausbildungsstätte mit außergewöhnlichem Profil bekannter wird.« ■ 11 Foto: Bettina Stöß Eine neue Ära Impressionen von der 11. Internationalen Sommertanzwoche Bregenz 2006 Wie auch schon in den vergangenen Jahren war das Spektrum der 11. Sommertanzwoche Bregenz 2006 umfangreich: Kurse in Klassischem Tanz, Charaktertanz und Jazztanz wurden ebenso angeboten wie Musical-Dance und als 12 Ballett Intern 5/2006 2. Norddeutsche Tanztage Worpswede 2007 Vom 17. bis zum 20. Mai 2007 lädt der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. zu den 2. Norddeutschen Tanztagen 2007 in die Künstlerkolonie nach Worpswede ein. 12. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2007 Vom 29. Juli bis zum 4. August 2007 findet die 12. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2007 statt. Weitere Informationen und Anmeldeformulare erhalten Sie ab sofort unter www.tanzereignisse.de besonderer Leckerbissen mit Kaleiula Kaneao auch Hawaiianischer Tanz. alle Fotos: Jürgen Schultz Ballett Intern 5/2006 Das Dozenten-Musiker-Organisations-Team 2006 13 Ballettschule des Hamburg Ballett Foto: Jenny J. Veldhuis Von Jenny J. Veldhuis Die Ballettschule in Hamburg hat eine Sonderstellung. Sie ist die einzige ihrer Art in Deutschland, ja sogar in Europa, die von einem Choreographen geleitet wird, von John Neumeier. Es gibt zwar noch einen weiteren Choreographen, der ausbildet, Maurice Béjart und seine »Ecole-Atelier-Rudra« sind jedoch schon wegen der Altersgruppe der Schüler zwischen 16 und 20 Jahren nicht mit Hamburg vergleichbar. Als der damalige Intendant der Hamburgischen Staatsoper, August Everding, 1973 John Neumeier nach Hamburg holte, hatte der Choreograph schon die Vision, zu einer Compagnie mit eigenem Gesicht auch den Nachwuchs heranzubilden. Es lag ihm damals schon viel daran, dass seine zukünftigen Tänzer vollkommen vorbereitet sein sollten auf das, was er von ihnen verlangen würde. Allerdings dauerte es noch bis 1977, dann konnte die Ballettschule der Hamburgischen Staatsoper ihre Türen öffnen. Als Schulleiter konnte man Peter Appel gewinnen, den Anfang machten zwei Vorschulklassen für Acht- bis Zwölfjährige und sogenannte Hauptschulklassen für 14- bis 17-Jährige. Ab 1978 fand der Unterricht im großen Ballettsaal der Staatsoper statt, zwischen den Morgen- und Abendproben der Compagnie des Hamburg Ballett. Ein Jahr später schon hatte die Zahl der Schüler derart zugenommen, dass man andere Räumlichkeiten suchen musste, man fand sie im Obergeschoss des sogenannten »Bierpalast«. 1980 löste Persephone Samaropoulo Peter Appel ab, und 1983 übernahm Truman Finney als Pädagogischer Leiter. Er blieb bis 1988, danach wurde die Leitung kommissarisch vom damaligen Dozententeam übernommen, bis Marianne Kruuse 1993 die Position der Pädagogischen Leiterin und Stellvertretenden Direktorin übernahm. Die Schule war und ist Teil der Hamburgischen Staatsoper, wie auch die Dozenten und Pianisten Angestellte der Oper sind. Es war schon immer John Neumeiers Traum, Schule und Compagnie unter ein Dach zu bringen, denn so wäre »Heute und Morgen« gesichert. Und wegen der wachsenden Zahl der Schüler aus dem Aus- 14 Foto: Holger Badekow Eine Schule mit eigenem Profil land wurde ein Internat dringend notwendig. 1984 wurde ein Antrag gestellt für den Umbau einer ehemaligen Mädchenschule in der Caspar-Voght-Straße, die Genehmigung kam allerdings erst 1987. Seit dem Umbau verfügt man über neun Ballettsäle in verschiedener Größe, die allesamt der Compagnie sowie der Schule zur Verfügung stehen. Jeder Saal trägt den Namen eines bedeutenden Tänzers oder Choreographen. Das Internat bietet Platz für 34 Schüler, es befindet sich mitten im Gebäude, eine Kantine im Souterrain versorgt sämtliche Schüler und Mitarbeiter des Hauses. Die Hauptschulklassen wurden zwischenzeitlich umbenannt in Ausbildungsklassen für Zehn- bis Sechszehnjährige, darauf aufbauend wurden zwei sogenannte »Theaterklassen« eingeführt, die ab dem 17. Lebensjahr besucht werden können. Diese Theaterklassen erhielten Ende 1989 die offizielle staatliche Anerkennung als Berufsausbildung gemäß § 16 des Hamburgischen Privatschulgesetzes. Diese Klassen sind schulgeldfrei. Leider war damals die Entwicklung innerhalb der Europäischen Union nicht voraussehbar in der Sache »Egalisierung des Hochschulunterrichts« laut Vertrag von Bologna (1999), wonach eine Berufsausbildung keine automatische Hochschulzulassung zu einem späteren Zeitpunkt gewährleistet. Heute umfasst die Schule drei Vorschulklassen für Sieben- bis Zehnjährige mit zwei bis drei Unterrichtstunden pro Woche. In diesen Klassen werden die Grundlagen der Ballett-Elemente erarbeitet. Hier wird viel Wert gelegt auf die körperliche Entwicklung, Musikalität, Haltung, einfache Bewegungskoordinationen und Improvisationsfähigkeit. Wenn alles nach Plan verläuft, folgt der Eintritt in die erste Klasse der Ausbildung, die acht Jahren dauert. Die erste Klasse wird an vier Tagen in der Woche in Klassischem Tanz unterrichtet. In der zweiten und dritten Klasse wird der Klassisch-Unterricht auf fünf Mal wöchentlich erhöht, hinzu kommt zwei Mal im Monat Folklore-Unterricht am Samstag. Die vierte und fünfte Klasse arbeitet an sechs Tagen, sie beginnt mit Modernem Tanz, dazu Spitzentanz und Folklore. In der fünften Klasse wird mit klassischem Repertoire angefangen, drei Mal monatlich werden die Basis-Elemente des Pas de Deux vermittelt. In der sechsten Klasse kommt einmal Spitzen-Unterricht dazu. Die Jungen absolvieren Krafttraining ihrem Alter gemäß, ab der ersten Klasse. Die Schule bietet kein integriertes Programm mit der allgemeinen Schulbildung, insofern findet die Tanzfachausbildung erst statt nach Schulschluss, am späten Nachmittag und frühen Abend. Es gibt zwar eine nahegelegene Schule, die auf Wunsch die Kinder aufnimmt, das ändert jedoch nichts am Stundenplan der Tanzausbildung. Der Ganztags-Stundenplan der allBallett Intern 5/2006 aus: »25 Jahre Ballettschule des Hamburg Ballett«, Foto: Holger Badekow Foto: Holger Badekow gemeinbildenden Schule passt dazu, denn die eigentliche Tanzfachausbildung beginnt ohnehin erst nach 17.00 Uhr. Der Schultag ist also lang. Dazu kommt die Hinund Rückreise der Kinder von außerhalb, die ihre eigene Schule nicht aufgeben können oder wollen. Zeit für Hausaufgaben bleibt da wenig, gar nicht zu sprechen von den Folgen für die Familie des Kindes, die sich täglich und am Wochenende an den Tagesablauf des tanzenden Kindes anpassen muss. Es gibt zwar ein Tagesinternat, wo die Kinder warten und ihre Hausaufgaben machen können, aber am täglichen Stundenplan ändert das nichts. Man könnte erwägen, das Kind im Internat unter zu bringen, dort gibt es aber leider nur 34 Plätze. Und Internat, Tagesinternat, Vorschule und Ausbildungsklassen müssen bezahlt werden. Jährlich muss eine Prüfung absolviert werden, diese entscheidet darüber, ob der Schüler die Tanzausbildung fortsetzen darf oder aufhören muss – dies hat dann zur Folge, dass das Kind, das sich gerade an seine Lage gewöhnt hat, wieder zurück muss in die frühere Umgebung und ehemaligen Klassenkameraden erklären muss, wieso es seine Tanzfachausbildung nicht fortsetzen darf. In den zwei letzten Klassen, den Theaterklassen, findet man fast ausschließlich Schüler, die ihre mehrjährige Tanzfachausbildung sonstwo absolviert haben, also aus ganz unterschiedlichen Ländern kommen. Bei der Aufnahmeprüfung für die Theaterklassen geht man davon aus, dass die Schüler ihre allgemeine Schulbildung bereits abgeschlossen haben. Wenn das nicht so sein sollte, können sie entweder eine Vereinbarung mit der Schule im eigenen Land treffen, oder sie sind angewiesen auf Unterricht per Korrespondenz. Auch die Schüler der Theaterklassen müssen eine Prüfung ablegen, eine Garantie für einen Abschluss gibt es aber auch hier nicht. Der Schultag dieser Theaterklassen dauert von 9.30 Uhr bis 19.00 Uhr, am Samstag ab 10.00 Uhr, gefolgt von Proben nach Ansage. Hier gibt es getrennten Unterricht für Mädchen und Jungen, wegen der geringen Anzahl wurden die zwei Jungen-Klassen zusammen gelegt. Das Curriculum umfasst täglichen Unterricht in Klassischem Tanz, während der Woche ansonsten zwei Mal klassisches Repertoire, ein Mal klassische Variationen, ein Mal Pas de Deux, zwei Mal Modernen Tanz, ein Mal Modernes Repertoire, ein Mal Musiktheorie und Folklore nur im ersten Jahr. Zusätzlich gibt es Tanzgeschichte und Anatomie in Kursform, und für den NichtDeutsch-Sprechenden Deutschunterricht. Wenn das Repertoire Ballett Intern 5/2006 der Compagnie es verlangt, werden die Schüler mit einbezogen. Sie erhalten dafür ein kleines Taschengeld. Ein Mal pro Jahr gibt es eine große Schulvorstellung in der Hamburgischen Staatsoper mit dem Titel »Erste Schritte«. 2006 wurde diese Vorstellung eingebunden in das Ergebnis des Projekts »Focus on YOUth«, eine Initiative der BürgerStiftung Hamburg, finanziert von der HaspaHamburg Stiftung. Die Schule wird sehr großzügig unterstützt vom Verein »Freunde des Ballettzentrums Hamburg e.V.«. Sie stellen jedes Jahr 50 Stipendien zur Verfügung, finanzieren Gastdozenten sowie die Teilnahme an internationalen Wettbewerben wie dem Prix de Lausanne. Die »Ballettfreunde Hamburg e.V.« unterstützen Aufführungsbesuche, Vorträge, Filmvorführungen und Ballettreisen. Schließlich kann die Schule auch auf einen langjährigen Austausch und die Zusammenarbeit mit der National Ballet School in Toronto zurückblicken, dies ermöglichte schon interessante gegenseitige Mitwirkung an Schulvorstellungen beiderseits, und kann auch in Zukunft zu fruchtbaren Ergebnissen führen. ■ Informationen unter www.hamburgballett.de 15 Eine Schule mit Tradition Das Tanzkonservatorium in Prag Von Jenny J. Veldhuis Foto: Jenny J. Veldhuis Wer auf der Křižovická Straße in Prag plötzlich Mädchen mit einem Tutu unter dem Arm sieht, versteht sofort: Hier wird irgendwo getanzt. Das Prager Konservatorium wurde 1945 gegründet, Anfang der 50er Jahren erfolgte die Eingliederung als Tanzfakultät in die Musikhochschule. Erst 1991 wurde sie in eine selbständige staatliche Schule mit dem Namen »Tanzkonservatorium Prag« umgewandelt. Als städtische Einrichtung wird sie vom Staat finanziert, der Unterricht ist deshalb kostenlos. Nur diejenigen, die im Internat wohnen, müssen für ihre Unterbringung dort bezahlen. Immerhin teilte man sich bis 1991 zwei Gebäude mit der Musikhochschule. Erst einige Jahre später wurde eins der Gebäude dem Tanz zugeteilt, das andere blieb der Musik erhalten, bis der Tanz mehr Platz brauchte und man im heutigen Musikgebäu- de, zwei Straßen weiter, nochmals zwei Säle und einen Theorieraum dazu bekam. Seither rennen Schüler, Dozenten, Pianisten und wer sonst noch für den Tanz zuständig ist, zwischen den beiden Gebäudekomplexen hin und her. Man liebt den Tanz, und wenn es keine andere Möglichkeit gibt, nimmt man die Lage einfach so, wie sie ist. Durch die Erfolge ihrer Schüler wurde die Schule recht schnell auch im Ausland bekannt. Einer dieser Schüler ist Jiři Kylián, der vor einigen Jahren, als die Schule in großer Not war, mit seiner Stiftung helfen konnte. Auch heute ist er bereit, seine Choreographien hier einzustudieren. Seit 1996 ist Jaroslav Slavický Direktor. Er ist, wie die meisten Dozenten auch, aus der Schule hervor gegangen. Er begann schon zu unterrichten, als er noch ein vollbeschäftigter Tänzer war. Das Tanzkonservatorium ist nicht nur wegen der Tänzer-Ausbildung einmalig, es ist auch die einzige Institution, die Schüler zu Tanzpädagogen ausbildet, und seit 1992 erhalten alle Absolventen beim Abschluß die Qualifikation »Tanzdozent«, selbst wenn sie zu diesem Zeitpunkt noch ausschließlich eine Tänzerkarriere anstreben. Die Ausbildung umfasst neben dem Tanz auch die allgemeine Schulbildung mit dem Abitur als Abschluss. Sie beginnt im Alter von elf und dauert acht Jahre. Die Schultage sind recht lang, für die erste und zweite Klasse fängt der Unterricht um 8.00 Uhr an und endet um 16.30 Uhr. An fünf Tagen in der Woche gibt es täglich Unterricht in Klassischem Tanz, dazu kommt Tanz-Gymnastik, Folklore und Klavierunterricht. In der zweiten Klasse kommt sogenanntes Repertoire hinzu, damit ist hier Walzer, Polka usw. gemeint. Das Programm der dritten und vierten Klasse wird zweimal pro Woche um klassisches Kinder-Repertoire erweitert, ge16 trennt für Jungen und Mädchen. Ab fünfter Klasse besteht die Möglichkeit zur Wahl eines Hauptfachs: Klassischer Tanz, Moderner Tanz oder Folklore. Von diesem Zeitpunkt an ist auch Samstag Unterrichtstag, mit einem Training im gewählten Hauptfach sowie Proben oder Neueinstudierungen. In der fünften und sechsten Klasse wird, unabhängig vom gewählten Hauptfach, Limón-Technik unterrichtet, dazu sechs Mal pro Woche Repertoire, zwei Mal Pas de Deux und Charaktertanz sowie als Theoriefächer Tanzgeschichte, Methodik und Didaktik. Für die siebte und achte Klasse erhöht sich Pas de Deux-Unterricht auf vier Mal pro Woche, die moderne Disziplin ändert sich in Graham-Technik, und bei den Theoriefächern kommen Kinesiologie, Pädagogik und Psychologie hinzu. Der Schultag dauert für diese Klassen von 8.00 bis 18.30, manchmal bis 19.00 Uhr. Im allgemeinbildenden Unterricht lernt man üblicherweise drei Sprachen: Tschechisch, Englisch und Französisch. In April/Mai des letzten Schuljahres muss dieser allgemeine Teil mit einem dem deutschen Abitur vergleichbaren Examen abgeschlossen werden. Falls das erfolgreich war, beginnt im Juni die Diplom-Prüfung der Tanzausbildung, diese umfasst die theoretischen Fächer, gefolgt von einer praktischen Prüfung in Form einer Lehrprobe, in der auch Fragen gestellt werden bezüglich der Korrekturen, die der Kandidat jeweils gegeben hat. Darauf folgt eine Abschluss-Arbeit über ein bestimmtes Thema, das hierauf auch noch mündlich erläutert werden muss. Wenn dies alles bestanden wurde, folgt die praktische Prüfung im Tanz in Anwesenheit einer Kommission, die sich aus dem Lehrer-Kollegium, Tänzern, Ballettdirektoren und Beamten zusammensetzt. Meist wird diese Prüfung während des Absolventen-Vorstellung abgehalten. Die Absolventen erhalten nach bestandener Prüfung das Prädikat »Staatlich Diplomierter Tanzspezialist als ausführender Tänzer und Tanzdozent«. Das ist zwar kein Bachelor of Arts, aber im Grunde gehen diese Ausbildung und die Prüfung sogar einige Schritte weiter. Zwischendurch, meist im Januar, sind noch Vortanztermine zu absolvieren, um möglichst einen Vertrag zu bekommen. Die Tschechische Republik verfügt über einen Tanzrat, der jährlich in Brno ein öffentliches Vortanzen organisiert in Gegenwart von Direktoren und Ballettmeistern der zehn nationalen Tanzensembles. Schon während der Ausbildung gibt es reichlich Gelegenheit, Bühnenerfahrung zu sammeln. Zu diesem Zweck wurde eine Juniorencompagnie gegründet, das »Böhmische Ballett«. Es tritt regelmäßig in Prag und anderen Städten der Republik auf, auch in Deutschland. Ich hatte das Vergnügen, eine dieser Vorstellungen in Karlsbad zu erleben. Nie sah ich eine schönere und anrührendere Vorstellung von Kyliáns »Evening Songs«, getanzt von 17und 18-Jährigen. Im selben Programm wurden drei Teile aus »Suite en Blanc«, nicht unbedingt das einfachste Repertoire, aber in diesem Fall mit voller Überzeugung getanzt. Ein andere Möglichkeit, Bühnenerfahrung zu bekommen, ergab sich in der vergangenen Spielzeit: Das Prager National Ballett hatte ein dermaßen volles Repertoire, es fehlte einfach die Zeit für »Dornröschen«. Da sprang die Schule ein und tanzte eine gering verkürzte Version mit 27 ausverkauften Vorstellungen. Alle Rollen wurden von Schülern getanzt, nur in einigen Vorstellungen übernahmen Dozenten die Rollen von König und Königin. Slavický nahm dies als wunderschöne Gelegenheit, bei der die ganze Schule in einer Produktion zusammen arbeiten konnte. Auffallend ist, dass diese Schule ausnahmslos von Tschechen besucht wird, offensichtlich gibt es in diesem Land reichlich Tanztalente. Eine Schule, die es schafft, so viele junge Menschen derart zu begeistern und auf einem so hohen Niveau auszubilden, hat ihre Existenz mehr als gerechtfertigt. ■ Ballett Intern 5/2006 Mozart, tanzend Ein etwas anderer Beitrag zum Mozartjahr Von Dagmar Fischer Die Musik war ihm selbstverständlich das Liebste, aber direkt danach kam der Tanz. Wolfgang Amadeus Mozart wird im Jahr seines 250. Geburtstages allerorten als Musiker und »Compositeur« gefeiert. Dabei ist er ebenso leidenschaftlich durch sein kurzes Leben getanzt. Im November 1790 soll sich folgende Szene zugetragen haben, die sich auf Erinnerungen von Joséph Deiner stützt, seinerzeit Hausmeister in einer Wiener Schankwirtschaft: »Mozart und seine Frau tanzten damals tüchtig im Zimmer herum. Als Deiner fragte, ob Mozart seine Frau tanzen lehre, lachte Mozart und sagte: ›Wir machen uns nur warm, weil uns friert und wir uns kein Holz kaufen können‹«.1 Trotz erdrückender Geldsorgen leidenschaftlich leben – die Begebenheit stammt aus dem Jahr eins nach der Französischen Revolution, das war gleichzeitig ein Jahr vor Mozarts Tod. Mozart lebte in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Als vierjähriger schrieb er sein erstes Menuett, im Alter von sieben Jahre komponierte er die erste Symphonie, und mit zwölf Jahren entstand seine erste Oper. Wie in den meisten bürgerlichen Familien üblich, wird auch Klein-Wolfgang, vermutlich zusammen mit seiner älteren Schwester, dem Nannerl, Unterricht bei einem Tanzmeister genossen haben. Da er in späteren Jahren keinem Tanzvergnügen abgeneigt war, wird diese frühe Unterweisung so unangenehm wahrscheinlich nicht gewesen sein. Besonders dem Maskenball war er zugetan, dort tauchte er mit besonderer Vorliebe in Harlekin-Verkleidung auf, schrieb Verse zu Musik, um sie bei solchen Gelegenheiten zum Besten zu geben: »So führte er beispielsweise am 3. März 1783, dem Faschingsmontag, mit seinen Freunden im Redoutensaal während der halbstündigen Pause des öffentlichen Maskenballes eine ›Masquerade‹, eine von ihm ersonnene Pantomime mit Musik (KV 446) auf.«2 Natürlich kannte und tanzte Mozart die Tänze seiner Zeit, komponierte Gigues und Menuette und baute kurze Ballette in seine Bühnenwerke ein. Das, was im Ballsaal getanzt und auf der Bühne gezeigt wurde, wies zu jener Zeit noch eine große Verwandtschaft auf. Im Grunde handelte es sich immer um Gruppentänze mit wechselnder Paarbildung. Damals war es üblich, Tänze in Opern einzubauen, allerdings konnte man nicht sicher sein, ob sie auch tatsächlich vom Komponisten der Oper stammten – oft wurden anonyme Helfer für das Komponieren der wenig geliebten Tänze heran gezogen. Bei den folgenden Beispielen kann man sich jedoch ziemlich sicher sein, dass der Meister selbst die Musik ersann: Den Fandango aus »Figaros Hochzeit« tanzt das spanische Landvolk; in »Idomeneo« unterscheidet man zwei Ballette und zwei Pantomimen; und im »Don Giovanni« spielen drei Bühnenkapellen für drei Stände: Ein höfisches Menuett, einen bürgerlichen Kontretanz und den damals plebejischen »Deutschen”. Also Tänze, die auch bei Hofe, in städtischen Tanzhäusern oder auf dem Dorfplatz zu Hause waren. Es fanden jedoch nicht nur Gesellschaftstänze den Weg zur Bühne, sondern es kamen auch Bühnetänze unters Volk: Mozart stellte anlässlich eines Aufenthalts in Prag beim Besuch eines BalBallett Intern 5/2006 les erstaunt fest: »ich sah aber mit ganzem Vergnügen zu, wie alle diese leute auf die Musick meines figaro, in lauter Contretänze und teutsche verwandelt, so innig vergnügt herumsprangen.«3 Im Jahr 1787 wurde Mozart zum »k.u.k. Kammermusicus« des Kaisers ernannt, in dieser Eigenschaft musste er in Wien allerhand Tänze für die Bälle liefern, das empfand der Künstler natürlich als Unterforderung, aber immerhin brachte es ein regelmäßiges Einkommen. Mozart konnte schnell komponieren, um vier Kontretänze zu erfinden, soll er einmal nur eine halbe Stunde gebraucht haben. Ihm wird auch die Erfindung eines Spieles zugeschrieben, mit dem jeder durch Würfeln Walzer und Kontretänze »komponieren« konnte, es gab 176 kleine Taktkärtchen, die beliebig kombiniert werden konnten, und egal welche Kombination und Reihenfolge man legte – auf einem Instrument gespielt, klang es harmonisch und gut. Ähnliches gab es übrigens auch für Tanz elemente, falls die Fantasie eines Tanzmeisters nicht reichte, mit den Einzelteilen spielerisch umzugehen. Das einzige, von Mozart komponierte Ballett »Les Petits Riens« nimmt im Schaffen eine Sonderstellung ein. Uraufgeführt am 11. Juni 1778 in Paris, waren »Die kleinen Nichtigkeiten« ein sehr typisches Kind der Zeit. Formal bestand es aus drei in der Tat nichtssagenden Episoden: Zunächst werden Spiele und Scherze Amors gezeigt, der daraufhin in einen Käfig gesperrt wird; danach folgt eine Schäfer-Idylle mit dem unvermeidlichen Blinde-Kuh-Spiel; im dritten Abschnitt täuscht Amor zwei Schäferinnen mit einer dritten, als Mann verkleideten Schäferin, die durch Entblößen der Brust der Verliebtheit der beiden anderen ein Ende setzt. Die Musik stammte nur zum Teil von Mozart, der mit diesem Auftrag weiß Gott nicht glücklich war, seinen Vater Leopold ließ er wissen, er schreibe »elende, alte französische Arien« (KV 10). Die Partitur ist zwar erhalten, nicht jedoch die Reihenfolge der ca. 20 kleinen Musikstücke, die aus traditionellen Tanzsätzen bestand, darunter Gavotte, Menuette, Passepied und Courante. Die Choreographie jedoch ist gänzlich verloren. Sie stammte von Jean Georges Noverre, der als Reformator in die Tanzgeschichte einging. In der Uraufführung tanzten Marie-Madeleine Guimard (die wegen ihrer Figur auch »Skelett der Grazien« genannt wurde), Marie Allard, Jean Dauberval (der später »La Fille Mal Gardée kreieren sollte) sowie Auguste Vestris (unehelicher Sohn von Marie Allard und Gaetano Vestris, der seinerzeit als »Gott des Tanzes« gerühmt wurde). Im 20. Jahrhundert setzte ein großes Interesse an »Les Petits Riens« ein, diesem typischen Werk des 18. Jahrhunderts, Bearbeitungen und Nachschöpfungen waren die Folge.4 Wollte man die Werke aufzählen, die von Mozart nicht für Ballett geschrieben wurden, doch Choreographen in aller Welt zu einer tänzerischen Ebene inspirierten, wäre die Liste sehr lang. In Wolfgang Amadeus Mozart steckt sowohl der besessene Musiker als auch der lebenslustige Mann, der gern und oft das Tanzbein schwang, und das merkt man seiner Musik an. ■ 1 Fritz Hennenberg, Wolfgang Amadeus Mozart, Reinbek bei Hamburg, 1992, S. 94 2 Walter Salmen (Hrsg), Mozart in der Tanzkultur seiner Zeit, Innsbruck 1990, S. 41 3 Fritz Hennenberg, s.o., S. 107 4 Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Band 4, München 1991, S. 484 17 »Und immer sehnte ich nach Liebe« Heinrich Heine und der Tanz Von Ralf Stabel Das Jahr 2006 ist anlässlich des 150. Todestages auch dem Dichter Heinrich Heine gewidmet. Bevor es sich nun dem Ende zuneigt, soll hier auf seine Bedeutung für die Tanzgeschichte hingewiesen werden. Als die von Heine wiedergegebene slawische Sage von den Wilis 1835 erscheint, konnte er keinesfalls wissen, was er damit in der Tanzgeschichte auslösen würde. Seit 1831 lebte er in Paris und beobachtete die Entwicklung auch von Musiktheater und Ballett mit kritischen journalistischen Augen. Die Aufführung des Balletts »Giselle« 1841 in Paris war (nach »La Sylphide«) die wohl bedeutendste Vorlage für ein Jahrhundertmodell, zu dem die Sage durch die Bearbeitung von Théophile Gautier und Jules Henri Vernoy de Saint-Georges wurde. Es ist das vermutlich »romantischste« Ballett eben jener Epoche. Die klare Einteilung der Handlung in eine reale Welt mit unlösbarem Konflikt, der in einer irrealen Welt zwar nicht gelöst, zumindest durch diese aber zeitweise umgangen werden kann, wirkte über das gesamte Jahrhundert nach. »Giselle« ist bis heute eines der meist gespielten Ballette auf den großen Bühnen der Welt. Das im Ballett »Giselle« dargebotene Thema muss Heine selbst zutiefst an sein eigenes Dasein, d. h. an seine permanente Suche nach Anerkennung und Zuneigung über soziale und religiöse Schranken hinweg, gemahnt haben: Prinz oder Herzog Albrecht bzw. Albert begehrt trotz standesgemäßer Verlobung mit Bathilde die Wirtstochter Giselle. Es bricht Giselle das Herz als er sich – vor die Wahl gestellt – gegen sie und für Bathilde entscheidet. Künftig kann er sich mit ihr nur noch zur Geisterstunde im Wald treffen, da Giselle als tanzende Untote ins Reich der Wilis aufgenommen wurde. Die Wilis sind eben jene vor der Vermählung verstorbenen jungen Bräute, die nicht auf einem Friedhof beigesetzt wurden, da sie keinen Frieden finden können: Durch die Tanzlust zu Schaden gekommen, haben sie den Fluch auf sich geladen, sich tanzend an den Männern zu rächen, die ihnen Leid zugefügt haben. Gautier schrieb Heine nach der Premiere – auf die Entstehung des Librettos verweisend – von dem Erfolg des Balletts. Wörtlich erinnert er daran: »Der zweite Akt ist die möglichst exakte Wiedergabe der Seite, die ich mir gestattet habe, aus Ihrem Buch zu reißen.« Lediglich um diesen zweiten Akt tänzerisch gestalten zu lassen, erdachten sich die Herren den ersten Akt, »um uns zu der hübschen Toten zu verhelfen, die wir brauchten«. Während Giselles Schicksal Vorlage für weitere ebenso verlaufende tänzerische Liebesgeschichten wie in »La Bayadère« oder »Schwanensee« lieferte, arbeitete Heine nun – vermutlich durch den Erfolg des Balletts beflügelt und als Theater- und Ballettfachmann bekannt – Ballettideen zu Libretti um und aus. 18 Tragisch wie in »Giselle« endet die Geschichte von Liebe und Leidenschaft in Heines Tanzpoem von 1846/47 »Der Doktor Faust« (dt. Fassung 1851 erschienen). Dem Doktor Faust erscheint der Teufel im Gegensatz zum bekannten Goethe’ schen Faust-Vorbild als Tänzerin, genauer gesagt eigentlich als Tanzpädagogin Mephistophela. Sie zeigt dem Doktor Faust, dass nur wer im Tanzen geschult ist, auch wirklich in den Genuss von Zuneigung begehrter Frauen gelangen kann. Der Doktor Faust erobert eine oder verfällt einer Herzogin, die sich ihm als »Domina« offenbart und auf dem Hexentanzplatz hingibt. Er entledigt sich ihrer – überdrüssig – indem er sie ersticht, als sie ihm auf ein fernes Archipel gefolgt war, auf dem sich Doktor Faust gerade an der reinen, unschuldigen Jugend ergötzen wollte. Auch hier stehen wieder Welten exemplarisch als Gegensatzpaare, zwischen denen es zu wählen galt: immerwährendes Ideal oder permanente Versuchung? Am Ende seiner Reise gelangt Doktor Faust auf den Marktplatz einer kleinen europäischen Stadt, auf dem er des Bürgermeisters Tochter ausmacht, augenblicklich um sie wirbt und sie ehelichen darf. Am Ziel seiner Reise und Träume angelangt – in der Kleinstadtidylle in geordneten Verhältnissen, d. h. in der unvermeidbaren Realität also – erscheint Mephistophela als Schlange und zieht ihn in die Unterwelt. Da hatte der Doktor Faust nun mutig versucht, Vieles zu erleben und zu erlangen, hatte sich vielleicht sogar verliebt und ist am Ende doch nur einer Teufelin zum Opfer gefallen? Oder ist die Reise in die Hölle am Ende doch die Er/Lösung von dem täglichen Einerlei? Das scheint im damaligen Verständnis kein schöner Verlauf und schon gar kein schönes Ende einer Liebesgeschichte gewesen zu sein. Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass dieses Werk in der Heine’ schen Fassung nicht oder nur in Anlehnung an sie gespielt wurde und wird. In den bei Heine üblichen Erläuterungen zu seinen Werken stellt er durchaus klar, dass er seinen Faust im Wissen um und in kritischer Auseinandersetzung mit dem Goethe’ schen verfasst hat. Dessen Hauptgestalt erschien ihm »lendenlahm«. Das Gegenteil davon muss die Uraufführung des Balletts »Abraxas«, das direkt auf das Heine’ sche Faust-Libretto Bezug nimmt, 1948 in München gewesen sein. Zur Musik von Werner Egk schuf Marcel Luipart die Choreographie. Die Premiere wurde ein Erfolg, für den Skandal sorgte das Aufführungsverbot nach der fünften Vorstellung. Die Freizügigkeit der Darstellung ging den damals in München Verantwortlichen dann doch zu weit. Heine hätte sicher sowohl am Erfolg als auch am Skandal seinen Gefallen gefunden. Gänzlich in Vergessenheit geraten scheint »Die Göttin Diana« aus dem Jahr 1846 (erschienen 1854). Hier lässt Heine eben jene antike Göttin der Jagd und ihre Nymphen auf einen jungen deutschen Ritter treffen. Auch Apollo, die Musen sowie Bacchus mit seinen Satyrn und Bacchantinnen stoßen bereits im ersten Tableau hinzu. Sie »zeigen jene übermütigen, unglaublichen, ja unmöglichen Posituren, welche wir auf alten Vasen und sonstigen Basereliefs sehen«, beschreibt Heine und verdeutlicht, dass die Protagonisten »einen Zweitanz der trunkensten Lebenslust« zeigen würden. Ballett Intern 5/2006 Robert Wilson – »ABSOLUTE« Von Dagmar Fischer Die einen werfen ihm Effekthascherei vor, die anderen das Fehlen von Gefühlen, und dritte wiederum finden seine Ästhetik schon längst wieder veraltet. Was auch immer man über Robert Wilson denkt, die Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts hat er maßgeblich mitgestaltet. Und beim näheren Betrachten findet Im zweiten Tableau wird klar, warum dieser verheiratete Ritter solche Vergnügungen sucht: An seinem Hof sind »die Männer kriegerisch, roh und blöde, die Frauen affektiert, sittsam und zimperlich«. In diesen Hofstaat treten die Erstgenannten als fahrende Künstler ein, und in der Gegenüberstellung dieser beiden Welten erlebt der Zuschauer einen »Pas de deux, wo griechisch, heidnische Götterlust mit der germanisch spiritualistischen Haustugend einen Zweikampf tanzt«. Bevor es zum unvermeidlichen Treffen der Hauptfiguren im Wald an einem See vor der Kulisse eines Portals kommt, umtanzen den Ritter alle Elementargeister: Undinen in langen weißen Schleiern, Sylphen in hellen Farben, mit Schwertern bewaffnete Gnome und fechtende Salamander. Als die erscheinende und alle vertreibende Göttin Diana ihren Geliebten Ritter nun endlich in den »Venusberg, der Sitz aller Ueppigkeit und Wollust« sei, führen möchte, erscheint der »treue Eckart« und ersticht den jungen Ritter vor eben jenem Eintritt in den Venusberg. Diana bringt ihren Ritter trotzdem in den Venusberg, wo er von Apollo und Bacchus wiederbelebt werden kann. In das anschließende Freudenfest reihen sich eine Vielzahl bereits Anwesender ein, zu denen Kleopatra »und unbegreiflicherweise auch« Judith, Alexander von Macedonien und selbstverständlich auch »Wolfgang Goethe« gehören. Ballett Intern 5/2006 sich jede Menge Tanz in seiner Biographie und in seinen Werken. Zum 65. Geburtstag bekam der Amerikaner ein filmisches Porträt mit einem dazu gehörenden Buch geschenkt: »Absolute Wilson«. Unbeschwert, im wahrsten Sinn des Wortes befreit, hüpft ein junger, schlanker Mann im knappen Trikot durch einen halbdunklen Raum: Robert Wilson tanzt, er improvisiert allein – eine beeindruckende kurze Szene im Film, festgehalten in den 60er Jahren. Sie illustriert, was der Theatermacher später auch sprachlich auf den Punkt bringt: Das Wahrnehmen und Akzeptieren des eigenen Körpers, das Wissen um seine Fähigkeiten wie seine Grenzen, ist die beste Grundlage, um glaubwürdig auf der Bühne stehen und bestehen zu können. Was für jeden Tänzer eine Selbstverständlichkeit ist, wurde für Wilson nicht nur eine wichtige individuelle Befreiung, sondern auch eine wegweisende Erfahrung für seine Arbeit. Nie im Leben hat Robert Wilson auch nur eine einzige Unterrichtsstunde in Ballett oder einer modernen Tanzrichtung genommen. Dennoch spielt der Körperseinsatz in seinen Werken eine vorrangige Rolle. »Eigentlich sehe ich alle meine Arbeiten als Choreographien«, sinniert der Theatermacher. Wenn es überhaupt einen roten Faden in Robert Wilsons Leben gibt, dann sind es vermutlich die Widersprüche. Der offensichtlichste ist vielleicht jener, der mit Erscheinen von Buch und Film relativiert wurde: Obwohl Robert Wilson auf so vielen Bühnen dieser Welt zu Hause ist und seine Werke international Erfolge feiern, blieb der Mensch hinter dem Künstler weitgehend unbekannt. Bob, wie er von allen genannt wird, spricht wenig und ungern über sich selbst. Insofern sind die beiden jüngsten Publikationen über ihn Pionierarbeit der Hamburger Filmemacherin und Autorin Katharina Otto-Bernstein. Fünf Jahre lang begleitete sie Robert Wilson, flog ihm quasi zu den jeweiligen Inszenierungen hinterher, sichtete umfangreiches Archivmaterial und drückte auch schon mal seinem persönlichen Assistenten die Kamera in die Hand, denn der war meistens näher dran. Neben Wilson selbst kommen auch Wegbegleiter zu Wort: Der Musiker Philip Glass, In diesem Ballettentwurf obsiegen am Ende individuelle Liebe und Leidenschaft – die vermutlich treibenden Kräfte in der Welt des Heinrich Heine. Bereits als junger Mann hatte er sich zu dieser Individualität als einem besonders hohen Gut bekannt: »Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.« Und so liegt unter dem von Heinrich Heine in Paris also auch ein nicht unerhebliches Stück Ballettgeschichte. ■ P. S. Dass Heines Texten bisher ca. 10.000 Vertonungen widerfuhren, ist bekannt. Herauszufinden, welche von diesen wiederum Choreographen zu neuen Werken angeregt haben, sei hier als Aufgabe für die Musik- und Tanz wissenschaft nachdrücklich erwähnt. Heinrich Heine: Der Doktor Faust, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1991 Heinrich Heine, Sämtliche Werke, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig, [1899) Jochanan C. Trilse-Finkelstein: Heinrich Heine. Gelebter Widerspruch – Eine Biographie, Aufbau Verlag, Berlin 2001 Staatsoper Unter den Linden (Herausgeber): Giselle, Adolphe Adam, Insel Verlag, Frankfurt/Main und Leipzig, 2001 19 die Publizistin Susan Sontag, die Sängerin Jessye Norman und der ehemalige Intendant der Pariser Oper, Charles Fabius. Das Erstaunliche aber ist, dass der eher scheue Wilson der WahlAmerikanerin Otto-Bernstein offensichtlich vertraute, ihr weitgehend freie Hand beim Filmen ließ. Sogar mehr noch: In einem langen Interview vor laufender Kamera erzählt Wilson sehr persönliche, intime und bislang unbekannte Dinge aus seiner Kindheit, die seine Lebensgeschichte entscheidend prägten. Bob wurde 1941 in Waco, Texas geboren. In dem konservativen Ort durchlitt er eine schwierige Kindheit: Zu seiner Mutter hatte er fast keinerlei Beziehung; wegen seines Stotterns wurde er in der Schule gehänselt; sein einziger Freund war ein farbiger Junge, der Sohn einer Hausangestellten, doch diese Freundschaft musste geheim bleiben, denn im rassistischen Texas verbreitete der Ku-Klux-Klan damals Angst und Schrecken. Als der Heranwachsende seinem Vater, einem Rechtsanwalt, eröffnete, dass er schwul sei, reagierte dieser mit einem gut gemeinten Therapietipp: »So was kann man doch heilen!« Als Kind und Jugendlicher lernte Robert Wilson langsam, er brauchte länger als Gleichaltrige, um die vielfältigen Eindrücke seiner Umwelt aufzunehmen. Byrd Hoffmann, Ballettlehrerin seiner jüngeren Schwester und ebenso Therapeutin wie Pädagogin, ermutigte ihn eines Tages, seine sogenannte Langsamkeit zu akzeptieren, seinem eigenen Tempo zu vertrauen, und »seeehr laaangsaaam« zu sprechen – bald schon besserte sich das Stottern. Wenn irgend etwas typisch für seine theatrale Körpersprache ist, dann jene Zeitlupen-Bewegungen, die er seinen Darstellern immer wieder abverlangt. In dieser frühen Phase seiner Kindheit wurde der Grundstein dazu gelegt. Nach Beendigung der Schule dominierte Ratlosigkeit und der Wunsch, die Anerkennung des Vaters zu erringen; dies veranlasste Bob, ein Jurastudium aufzunehmen. Wie falsch diese Entscheidung war, stellte sich bald heraus. Es folgte die Flucht nach New York 1963, in der Künstlerszene dort fand er endlich Gleichgesinnte, Inspiration und eine persönliche Perspektive. Er begann Architektur zu studieren – seine Bühnenbilder profitieren bis heute davon. Und wie die meisten Studenten, musste er Geld nebenher verdienen. Er arbeitete mit geistig behinderten Kindern, und mit ihnen lernte er, wie sehr eine Lernbehinderung durch körperliche Aktivitäten und Bewegungstraining aufgehoben werden kann. Wer rückwärts gehen kann, kann auch rückwärts zählen – ein Satz, den man zunächst mit Royston Maldoom und seinen Tanzprojekten in Zusammenhang bringt, der jedoch für Robert Wilsons Arbeit mit dieser Gruppe und auch auf später initiierte ebenso zutrifft. Eigener Aussage zufolge hatte er den Vorteil, dass er sich in Menschen mit Handicap hineindenken und -fühlen konnte, sein Sprachproblem und die in der Kindheit erlebte Isolation machten es möglich. New York bot natürlich dem Landei aus Texas auch erste Theatererlebnisse als Zuschauer. Das Programm der Metropolitan Opera mochte er ebenso wenig wie Broadway Produktionen, doch Choreographien von Martha Graham, George Balanchine und Merce Cunningham faszinierten ihn. Von Cunningham und John Cage habe er gelernt, dass man nicht immer eine Geschichte erzählen muss, dass eine »Konstruktion in Zeit und Raum« vielleicht viel spannender ist als jede Handlung. Doch diese Abstraktion kommt seiner Meinung nach auf den Bühnen dieser Welt viel zu kurz, bedauert Wilson als weltweit gereister Zuschauer, »es gibt keine einzige abstrakte Oper!« Wenn er im Theater sitzt, interessiert ihn das Abstrakte neben dem Architektonischen am meisten. Leider wolle das Publikum aber nach wie vor Geschichten erzählt bekommen, und selbst wenn ein Choreograph wie Cunningham eine Story bekanntlich nicht liefere, läuft es auf Inhalte hinaus: »Er stellt zwei Männer auf die Bühne, und jeder denkt, es wird eine homosexuelle Story,« wundert sich der Theatermagier. Der sich genau in diesem Zusammenhang auch Gedanken darüber macht, welche der heute gängigen Tanzkunst in zehn oder zwanzig Jahren überhaupt noch jemand sehen will. Cunninghams Werke würden nicht überleben, so seine Prognose, doch George Balanchines Choreographien werden überdauern, wie das klassische Ballett. In Balanchines Tanz findet er sowohl Abstraktion als auch Architektur, und beides auf vollendet hohem Niveau. Die Trennung zwischen Modernen und Klassikern scheint ihn allerdings überhaupt nicht zu interessieren. Für Alwin Nikolais Gemietetes Tanzstudio in München ab April 2007 mit ca. 180 Hip-Hop-Schülern (insb. Teenies) zu verkaufen. 300 qm mit zwei Räumen, 185 qm + 70 qm, je 2 Spiegelwände, keine Säulen, Parkettschwingboden, balletttauglich, 2 Umkleiden + Dusche vorhanden Interessenten wenden sich bitte unter Chiffre 07–2006 an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V., Hollestr. 1g – 45127 Essen 20 Ballett Intern 5/2006 entwirft er ein Bühnenbild, mit Meredith Monk tanzt er gemeinsam, die Performances von Yvonne Rainer schätzt er und bei Martha Graham hospitiert er. 1965 entwirft er eine Choreographie für die Weltausstellung in New York. Ein Pflichtbesuch »zu Hause«, im engen, provinziellen Heimatort, hat 1966 schwerwiegende Auswirkungen: Einen Selbstmordversuch. Der Rettung folgt die Genesung und die fluchtartige Rückkehr ins freie New York. Im Stadtteil Soho gründet Wilson 1968 die »Byrd Hoffman School of Byrds«, einen Treffpunkt für Menschen jeden Alters und jeder Herkunft, ein Zufluchtsort und eine Schule mit experimentellen Workshops, die viel Bewegungserfahrung bieten. Als er dort eine Art Guru zu werden droht, sucht er sich neue Herausforderungen. Im gleichen Jahr adoptiert Wilson Raymond Andrews, einen taubstummen afroamerikanischen Jungen, den er auf der Straße vor prügelnden weißen Polizisten rettet. Von ihm lernt er, wie sich jemand die Welt erobert, dem die verbale Sprache nicht zur Verfügung steht: über Bilder. Und Bildertheater wird das Wort werden, das am häufigsten für Wilsons Theateruniversum in Umlauf kommt. »Warum«, so fragt Wilson sich selbst und die Gesellschaft, »soll sich jemand wie Raymond den Normen der sogenannten Normalen anpassen, warum könnten nicht wir von ihm lernen?« Mit Raymond entsteht 1971 »Deafman Glance«, eine sogenannte stumme Oper und ein riesiger Erfolg, vor allem in Europa. Spektakulär auch sein sieben Tage dauerndes Open-Air Stück »KA MOUNTain and GUARDenia«, das in der Tat ohne Unterbrechung Tag und Nacht und trotz einiger Zusammenbrüche der Darsteller 1972 beim iranischen Shiraz Festival gezeigt wird. Sein epochales »Einstein on the Beach« zu Musik von Philip Glass hat 1976 Uraufführung, noch heute ist Wilson erstaunt und amüsiert zugleich, wenn er sich an die Reaktion von Publikum und Presse erinnert: Da keine Geschichte erzählt wurde, konnten die meisten Zuschauer mit dem formalen Stück nichts anfangen, das trotzdem als Meilenstein in die Theatergeschichte eingeht. Unter all seinen Werken nimmt »The Black Rider«, uraufgeführt im Thalia Theater Hamburg 1990, einen besonderen Platz ein. Es markiert einen Wendepunkt, weil es den ganz großen, und vom Künstler durchaus ersehnten kommerziellen Erfolg brachte, ohne dass er Kompromisse hätte eingehen müssen. Drei Jahre lang lief es vor ausverkauftem Haus, und damit wurde der Name Robert Wilson einem bis dahin nicht erreichten Massenpublikum zum Begriff. »The Black Rider« basiert auf einer der Oper »Freischütz« ähnelnden Geschichte, doch im Grunde ist der Inhalt am wenigsten für Erfolg und Wirkung des Werks verantwortlich. Das Seit 30 Jahren in Nordrhein-Westfalen Zwei Ballettschulen mit je 100 qm Ballettsaal, einem soliden Kundenstamm und großem Kostümfundus sind aus privaten Gründen zu verkaufen. Interessenten wenden sich bitte unter Chiffre 06–2006 an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. Hollestr. 1g – 45127 Essen Ballett Intern 5/2006 kongeniale Zusammentreffen der Musik von Tom Waits, die magischen, poetischen Bilder mit ihrer Sogwirkung, und schließlich hervorragende Schauspieler, die unter Bobs Regie allesamt zu Tänzern mutierten, ließen es eine Art Kultstatus erlangen. Die gute Zusammenarbeit zwischen Robert Wilson und dem Hamburger Thalia Theater sollte sich mit »Alice« (nach dem von Wilson geliebten Kinderbuch), »POEtry« (mit Bezug auf Edgar Alan Poe) sowie »Time Rocker« fortsetzen, doch konnte keines der späteren Stücke an den Erfolg des »Schwarzen Reiters« anknüpfen. Es ist gleichgültig, ob man über Buch oder Film Zugang zum Leben des Robert Wilson bekommt, denn hier wie dort eröffnen sich immer wieder auf verblüffende Weise Zusammenhänge zwischen Gelebtem und Gestaltung. Die enorme Bedeutung des Lichts und dessen ungewöhnlicher Einsatz ist ein weiteres Kennzeichen Wilson’scher Theaterarbeit, mit folgender persönlicher Aussage wird es transparent: »Als Kind hatte ich große Angst vor der Dunkelheit, und die habe ich noch heute. Licht ist Leben. Von Anfang an faszinierte mich Licht. Ohne Licht gibt es keinen Raum. In jeder Probe fange ich mit dem Licht an. Ich denke, Licht ist das Element im Theater, das uns hilft zu hören und zu sehen. Als ich neulich in einer schlecht beleuchteten Oper saß, konnte ich der Musik kaum zuhören. (...) In meinem Theater behandle ich Licht wie einen Schauspieler.« (Aus: Katharina Otto-Bernstein, Absolute Wilson, S. 49) Den kleinen Bob aus Texas und den Theatermacher von Weltruf trennen Jahrzehnte, einige Schicksalsschläge und jede Menge Bühnenerfolge. War seine Kindheit geprägt von der Entdeckung der Langsamkeit, so arbeitet er heute viel und schnell, immer an mehreren Projekten gleichzeitig und wie ein besessener Perfektionist. Robert Wilson ist Regisseur, Autor, Bühnenbildner und nicht zuletzt Choreograph. Nur wenige seiner Zunft haben derart viele Berührungspunkte zum Tanz und kultivieren die Körpersprache in ihren Bühnenwerken wie er. Robert Wilson überschreitet nicht nur Grenzen zwischen den Genres, sondern hebt sie im Grunde systematisch auf. Künstler sei er, so sagt er beiläufig, »um Fragen stellen zu können«. Im Watermill Center auf Long Island, New York, findet er seit 1992 ideale Arbeitsbedingungen für seine Theatervisionen: »Ich hasse Naturalismus auf der Bühne, er ist eine Lüge.« ■ Der Film »Absolute Wilson« startete am 12. Oktober in deutschen Kinos, das gleichnamige Buch ist im Prestel Verlag erschienen, hat 272 großformatige Seiten mit 621 Abbildungen und kostet 59 Euro (ISBN 3-7913-3450-6) Ballettschule im Raum Nürnberg sucht zum Februar 2007 qualifizierte, aufgeschlossene Ballett- / Tanzpädagogin Ihnen macht die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen Spaß Sie sind kreativ und arbeiten selbständig Sie verstehen die Schüler zu motivieren und zu fördern Über Ihre Kontaktaufnahme freuen wir uns Zuschriften bitte unter Chiffre 05_2006 an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. Hollestraße 1g – 45127 Essen 21 Tanzolymp 2007 4. Internationales Kinder- und Jugendtanztheaterfestival in Berlin Den tänzerischen Nachwuchs fördert das 4. Internationale Tanzfestival TANZOLYMP 2007, das vom 15. bis zum 18. Februar mit 1.000 Teilnehmern stattfinden wird. Unter der Schirmherrschaft des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, wird der Wettbewerb in den verschiedenen Kategorien Klassisches Ballett, Neoklassischer Tanz, Modern Dance, Folklore, Jazzdance und Pop Dance im Russischen Haus der Wissenschaft und Kultur – in den Formen Soli, Pas de deux und Gruppe – ausgetragen. Wie beliebt das Festival ist, lässt sich an den wachsenden Teilnehmerzahlen ablesen: Im Jahr 2004 waren es 380, 2005 bereits 600 Tänzer. Dieses Jahr werden etwa 1.000 Teilnehmer erwartet. Die ausgewählten Teilnehmer staatlicher und privater Schulen sind zwischen 8 und 21 Jahren alt und kommen aus 25 Ländern: Vertreten sind Deutschland, Finnland, Spanien, Schweiz, Österreich, Griechenland, Polen, Serbien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Russland, Ukraine, China, Japan, Korea, Brasilien, Kanada und die USA. Höhepunkt des Festivals ist die Abschlussgala am 18. Februar, bei dem die Teilnehmer gemeinsam mit international anerkannten Stars der Ballettszene auftreten werden. Die Jury unter der Präsidentschaft von Vladimir Vasiliev, bestehend aus Tanzprofis sowie Vertretern der Fachmedien, beurteilt die Fähigkeiten des Nachwuchses hinsichtlich Technik, Ausdruck und künstlerischer Intention. In diesem Jahr besteht die Jury aus: Vladimir Malakhov (Intendant Staatsballett Berlin), Prof. Dietmar Seyffert (Hochschule Ernst Busch Berlin), Nadja Auermann (Top Model und Schauspielerin), Tadatsugu Sasaki (Direktor Tokyo Ballet), Gailene Stock (Royal Ballet London) und Prinz Nikita D. Lobanov-Rostovky (Ballettkritiker aus London) Weitere Informationen unter: www.tanzolymp.com. Abschlussgala des 3. Internationalen Kinder- und Jugendtanztheaterfestivals TANZOLYMP 2006 in Berlin 22 Ballett Intern 5/2006 besucht und wurden mit viel Begeisterung aufgenommen. Dem Publikum kann man keine Diskriminierung vorwerfen. Es will schlicht und einfach guten Tanz sehen. Es will vom Tanz und der Erfahrung mitgerissen werden, die Haut- und Haarfarbe interesMit großem Interesse habe ich den Bericht zum Tanzkongress siert da nicht. Damit plagen sich nur die »wichtigen« Leute herum. gelesen. Unter anderem wurde in dem Bericht gesagt, dass der Leute, die eine Position besetzen, eine Stimme haben und beLebensstil des Tänzers zu einem Modell der Zukunft geworden stimmen wollen, wie gedacht werden soll. Außerdem erscheint ist, und zwar sollte der Tänzer Verständnis aufbauen in einer es mir fragwürdig zu sagen, dass das Publikum den indischen multikulturellen Gruppe, »denn welche Tanzgruppe hat heute klassischen Tanz »nur von kleinen dunklen Menschen« getanzt nicht Mitglieder aus allen Ecken der Welt?« Das ist wahrhaftig sehen wolle, da selbst gebürtige indische Tänzer oft sehr groß der Fall, und es erstaunt mich, wie viele Vorurteile immer noch in und keineswegs immer dunkel sind. Es gibt viele überaus hellder Tanzwelt und unter den Veranstaltern gegenüber Tänzern häutige Inder, vor allem Angehörige der Brahmanen-Kaste, aus herrschen, die sich Künsten widmen, welche nicht dem Kulturder die meisten heutigen Tänzerinnen des südindischen Tempelumfeld entstammen, in das sie hineingeboren wurden. Der Tanz tanzes, dem Tanzstil des Bharatya Natyam, entstammen und die ist eine Kulturtechnik, aber das Wissen darum keineswegs anGroßen unter den Tänzerinnen sind in Indien überaus gegeboren. Dabei ist dem Tanz jedoch der Aspekt der universalen schätzt. Sprache nicht ganz abzusprechen. Noch ein Wort zum Tanz als universaler Sprache. Als SchüleSeit fast 20 Jahren bin ich im indischen klassischen Tanz tätig, rin und Protagonistin des Bharatya Natyam ist mir aufgefallen, habe mehrere Jahre in Indien verbracht, um mich dort ausbilden dass beim Erlernen des Abhinaya (mimischer Tanz) zwei Aspekte zu lassen und eine tänzerische Karriere aufzubauen. Während zu beachten sind: Zum einen bedient sich das Abhinaya einer dieser Zeit habe ich Erfahrung sammeln können, hochstilisierten, kodifizierten Gestensprache, in Indien wie auch in Europa, und habe die die von Indern und Nicht-Indern gleichermabittere Pille der Vorurteile und der Ablehnung oft Leserbrief von Ganga Grace ßen erlernt werden muss. Nur eine spezielle als Reaktion auf den schlucken müssen. Die indischen Künstler und Ausbildung befähigt die Tänzerin, die GesTanzmeister freuen sich natürlich, wenn sie setensprache richtig einzusetzen. Die Kenntnis Bericht zum hen, dass »ihre« Kunst von so vielen Europäern der Gestensprache und deren Anwendung Tanzkongress Deutschland geschätzt wird und gelernt werden will. Dabei ist auch wichtig für das Publikum, da das im April 2006 wird oft von Anfang an klar gestellt, direkt oder Verständnis der einzelnen Stücke davon in indirekt, dass man als Ausländer bzw. »Nicht- »Diskriminierung am Katzen- großem Maße anhängt. Die Anwendung Inder« den indischen Tanz niemals richtig beder Gestensprache würde ich als die äußere tisch« von Sylvia Staude herrschen wird. Trotzdem fühlen sie sich geHülle bezeichnen, die sich auf der Oberfläschmeichelt, dass die Ausländer (egal woher che bemerkbar macht. Der universale Aspekt sie kommen, alle sind »foreigners«) sich Mühe geben, es zu erdes Abhinaya liegt jedoch im Inhalt. Geht man tiefer, unter die lernen und die Lehrer unterrichten es mit Freude. Probleme tauOberfläche, eröffnet sich eine Welt der Emotionen und Stimmunchen in dem Moment auf, in dem man als »Ausländer« ausgen, die allen Menschen gemein sind. So kann man zum Beigelernt hat und im Anschluss an die Ausbildung auch in Indien spiel am Gesichtsausdruck erkennen, welche Gefühle die Tänzeeine professionelle Karriere antreten möchte. Dann erlebt man rin gerade interpretiert. Handelt es sich um Trauer, Zorn, Angst eine böse Überraschungen, denn wer will schon indischen Tanz oder Bewunderung: Das Gesicht und die Augen sprechen Bänvon einer Nicht-Inderin getanzt sehen? Egal, wie groß die techde. Das Erlebnis der Tänzerin kann sodann vom Zuschauer nische Vollendung, künstlerische Sensibilität, das Einfühlungsvernachempfunden werden, und indem es in stilisierter Form darmögen und die Begabung auch sein mögen, die Gelegenheiten, geboten wird, wird es zu einem ästhetischen Erlebnis. dies unter Beweis zu stellen, sind überaus spärlich. Falls man Um den Zuschauern, die jene Gestensprache weniger oder nach langem Kampf, ständigem Bitten und unbeugsamer Hartnäkaum kennen, zu ermöglichen, ein Theaterstück besser zu verckigkeit doch noch eine Auftrittsmöglichkeit bekommt, dann wird stehen, erläutert die Tänzerin auch in Indien das Stück, bevor es er von Kritikern (von wenigen Ausnahmen abgesehen) abgeaufgeführt wird. Neben dem Abhinaya oder Nritya, gibt es den wertet, denn: man ist halt keine Inderin. Oder aber sie wundern abstrakten Tanz, das »Nritta«. Im Nritta werden die Gesten rein sich über alle Maßen, wie es möglich ist, dass eine Nicht-Inderin dekorativ eingesetzt, und das Publikum ist in der Lage, ohne den indischen klassischen Tanz so ausgezeichnet beherrscht. jegliches vorherige Wissen die schiere Schönheit der harmoÄhnliches geschieht auch im europäischen Raum, wo Veranstalnischen Bewegungen zu genießen. Die Ästhetik eines tanzenden ter und künstlerische Leiter nur zweitrangig den künstlerischen Körpers kann erkannt und erlebt werden, auch wenn man nie Wert begutachten, sondern zuerst wissen wollen, woher man zuvor indischen Tanz erlebt oder sich damit befasst hat. Darin denn komme. liegt, meiner Meinung nach, zusätzlich die Universalität des Solch eine Einstellung wird von den Tänzern und Lehrern inTanzes. ■ discher Abstammung oft zusätzlich genährt. So las ich im Bericht zum Tanzkongress, dass eine Inderin zwar Europäerinnen im inWICHTIG dischen Tanz unterrichtet, dass jedoch das Publikum ihn hierzulande nur von kleinen dunklen Menschen und nicht von blonDeutscher Tanzpreis 2007 den getanzt sehen wolle. Ist diese Behauptung repräsentativ? Deutscher Tanzpreis »Zukunft« 2007 Eher nicht. Es ist die Meinung einer einzelnen Person, die uns Mitgliederversammlung des DBfT glauben lassen möchte, dass das Publikum den indischen klassischen Tanz nicht von Europäerinnen getanzt sehen will. Meine Samstag, 28. April 2007 bisherigen Auftritte im europäischen Raum waren jederzeit gut ! Ballett Intern 5/2006 ! 23 Wer bildet in Deutschland für den Tanz aus? Der folgende Auszug ist die originale Wiedergabe eines Abschnitts aus dem November Newsletter von »Tanzplan Deutschland«: »4.2. Tanzplan Ausbildungsprojekte Arbeitstreffen der AG Tanzausbildung Vertreter/innen der deutschen Tanzhochschulen setzen ihre Arbeit fort und treffen sich zum 2. Mal von 24.–26. November, diesmal in der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt/Main. Gesprächsthemen sind u.a. Weiterbildung, Umstrukturierung, zukünftige Ausbildungsprojekte, Tanzgeschichte/Tanztheorie. Zu diesem Treffen sind neben den Tanzhochschulen in Essen, Frankfurt/Main, Dresden, Köln, Berlin, Mannheim, München auch die Berufsfachschulen in Berlin (Staatliche Ballettschule Berlin und Schule für Artistik), Hamburg (Ballettschule Hamburg/Ballett John Neumeier) und Stuttgart (John Cranko Schule) eingeladen.« Den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. erreichte daraufhin die Anfrage eines Mitglieds, die wir im Folgenden ebenfalls im Original abdrucken: »Leserbrief an den Deutschen Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. Sie sehen an diesem Newsletter mit seiner Einladung zu einer Tagung zum Thema Tanzausbildung, dass wiederum die staatlich anerkannten Hamburger Berufsfachschulen für Tanz und Tänzerische Gymnastik im Lehrberuf (Lola Rogge Schule und Erika Klütz Schule) nicht berücksichtigt worden sind. Unternehmen Sie etwas in diesem Zusammenhang? Ich würde mich freuen! Mit freundlichen Grüßen Christiane Meyer-Rogge-Turner Leiterin der Lola Rogge Schule, Hamburg« Die Redaktion von BALLETT INTERN druckt diesen Leserbrief ohne Kommentar ab. Beachten Sie dazu aber auch die Diskussion in der Ausgabe 3/2006 (Juni) von BALLETT INTERN. Helle Schwingungen Mary Wigman zum 120. Geburtstag Sie war Hexe, zeremonielle und spukhafte Gestalt, lichte und dunkle Königin, tanzte »Sieben Tänze des Lebens« und »Raumgesänge«, verkörperte schwingende und herbstliche Landschaften, zelebrierte tänzerische Feiern, Dramen und Totenklagen, war Windsbraut, Mutter und Seherin. Mary Wigman war in den 24 20er und 30er Jahren die führende Persönlichkeit des deutschen Ausdruckstanzes. Aus Anlass des 120. Geburtstages sei auf die Publikation »Mary Wigman. Eine Künstlerin in der Zeitenwende« verwiesen. Dieses Buch bezieht sich vor allem auf die Zeit von 1942 bis 1949, Mary Wigmans Leipziger Jahre. Ihr Verhalten in dieser Zeit kann als durchaus exemplarisch für die Phase des Zusammenbruchs des nationalsozialistischen deutschen Staates und des Neubeginns unter sowjetischer Besatzung mit verordnetem Sozialismus gelten. Sie wird durch Tagebuchaufzeichnungen Mary Wigmans (Auswahl: Ralf Stabel) und weitere Originaldokumente, die insbesondere aus Mary Wigmans Feder selbst stammen, Aufsätze, Interviews sowie zahlreiche Fotos lebendig. Im Mittelpunkt des Textes »Nur en passant« von Angela Rannow stehen Mary Wigmans Bemühungen um eine Hochschule des Tanzes in Leipzig. Peter Jarchow beleuchtet »Musik im modernen Ausdruckstanz«; während sich Regina Brauer Mary Wigmans Inszenierung von Christoph Willibald Glucks »Orpheus und Eurydike« annähert. Interviews mit Hans Michael Richter, Gundel Eplinius, Emmy Köhler-Richter/Gudrun Kutschera und Irina Pauls runden die Publikation ab. Angela Rannow Mary Wigman. Eine Künstlerin in der Zeitenwende. Herausgegeben von Angela Rannow und Ralf Stabel. Mit Beiträgen von Mary Wigman, Peter Jarchow, Angela Rannow, Ralf Stabel u. a.; Hardcover, zahlr. sw-Fotos und Dokumente, 176 Seiten, Dresden 2006 Erhältlich über den Buchhandel: ISBN 3-9803626-4-7 oder über angela.rannow@palucca.smwk.sachsen.de zum Preis von Euro 19,95 zzgl. Porto Zum 120. Geburtstag Mary Wigmans hat das Kurt-Schwaen-Archiv Berlin ein Sonderheft herausgegeben: Kurt Schwaen: Erinnerungen an die Tänzerin Mary Wigman – Tagebuchaufzeichnungen, Erlebnisse, Briefwechsel. Es ist über das KurtSchwaen-Archiv, Wacholderheide 31, D-12623 Berlin, Tel.: 0305626331 zu beziehen. In der gegenwärtigen Bildungsdiskussion rückt der Tanz als darstellende Kunst immer mehr ins öffentliche Bewußtsein. Der erste Schritt zu einer bundesweiten Bestandsaufnahme zum Thema »Tanz in Schulen« und einer Vernetzung bestehender Projekte in verschiedenen Regionen Deutschlands wurde im Herbst 2005 getan. Vertreter aus elf Bundesländern gründeten die »Bundesinitiative Tanz in Schulen«. Mit dieser Ballett Intern 5/2006 Dokumentation liegen die ersten Arbeitsergebnisse der Initiative vor. Der Band erläutert bildungspolitische Bedingungen und gesellschaftliche Aspekte. Er stellt darüber hinaus Qualitätskriterien für Tanz in Schulen vor, um diese Angebote noch stärker im Bildungssystem zu verankern. Linda Müller und Katharina Schneeweis: Tanz in Schulen – Stand und Perspektiven, 142 S., brosch., 16 Euro Jahrhunderttänzer – welch eine Auszeichnung. Es ist Vladimir Malakhov, der mit diesem Prädikat und einem großformatigen Bildband gleichen Titels geehrt wird. Die Fotos stammen ausschließlich von der in der Fachwelt bekannten Fotografin Gundel Kilian, unter den Autoren sind so wohl klingende Namen wie Klaus Geitel, Hartmut Regitz und Marcia Haydée. Impressionen aus 16 Werken bündelt die Publikation, dabei wird der russische Ausnahmetänzer in der faszinierenden Vielfalt seiner Rollen festgehalten: Als nachdenklicher Prinz, kraftvoller Faun, zweifelnder Albrecht und bei zahlreichen Proben im Ballettsaal. Das Charisma und die Wandlungsfähigkeit von Vladimir Malakhov konnten tatsächlich auf und zwischen den Buchseiten eingefangen werden. Dagmar Fischer Gundel Kilian, Vladimir Malakhov »Jahrhunderttänzer«, Daco Verlag, ISBN 3-87135-051-6, Euro 29,90 »25 Jahre Winterkurs für Improvisation« und das 1. Symposium »Improvisation in Kunst und Pädagogik« in Dresden sind das Thema einer Publikation der Palucca Schule Dresden. Herausgegeben von Angela Rannow beschäftigt sich die zweisprachige (englisch/deutsch) und umfangreich bebilderte Broschüre mit der Geschichte der Improvisation in Dresden im Besonderen und zur Improvisation in Kunst, Musik, Malerei, Tanz und Pädagogik im Allgemeinen sowie mit der Commedia dell ’Arte und Kontaktimprovisation. 132 S., brosch., Euro 14,95 Bestellungen bitte an: angela.rannow@ palucca.smwk.sachsen.de Ballett Intern 5/2006 Nach Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen ist Berlin nun das dritte Bundesland ohne Kulturverantwortlichen, was bisher Kultursenator Thomas Flierl bearbeitete, wird künftig von Bürgermeister Klaus Wowereit übernommen. Die Kultur »zur Chefsache« zu machen, soll sie vordergründig aufwerten, doch die Sorge der im Kulturbetrieb Arbeitenden scheint berechtigt, dass sich niemand mehr mit ganzer Aufmerksamkeit ihren Anliegen widmen wird. Trotz einiger Niederlagen hat Flierl einiges für den Erhalt der Berliner Kulturlandschaft getan und den Etat vor großen Sparattacken bewahren können. »Der Beschluss der Berichterstatter des Haushaltsausschusses, dem Deutschen Kulturrat vorzuschreiben, aus den Zuwendungen keine Ausgaben für den Versand von Faxen zu leisten, dürfte einmalig sein in der Bundeshaushaltsgeschichte. Dieser Haushaltsvermerk, an den der Deutsche Kulturrat seit dem 1. Januar 2007 gebunden wäre, ist dermaßen absurd, dass man dessen Existenz kaum glauben kann. Man könnte ihn als einen schlechten Haushälterscherz abtun, wenn er nicht ein unhaltbarer Eingriff in die Autonomie des Deutschen Kulturrates wäre. Es ist schlichtweg ein Akt der Zensur. Zensur wird immer dann ausgeübt, wenn die Machthabenden eine berechtigte Kritik unterdrücken wollen. Insofern ist dieser kuriose Haushaltsvermerk auch ein Beleg für die Wirksamkeit der Arbeit des Deutschen Kulturrates und seiner beständigen, kritischen, aber sachlichen Kommentierung der Kulturpolitik. Aber der Bundeshaushalt ist kein Ort, an dem private Fehden zwischen einzelnen Haushaltspolitikern und Zuwendungsempfängern des Bundes ausgetragen werden können. Dieser verbindliche Haushaltsvermerk muss in den bevorstehenden abschließenden Haushaltsberatungen wieder zurückgenommen werden. Ansonsten erleben wir vielleicht im nächsten Bundeshaushalt, dass der Akademie der Künste das Telefonieren oder der Gedenkstätte Hohenschönhausen der Kauf von Briefmarken verboten wird.« Hans-Joachim Otto (FDP), Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages »Anita Berber – die Königin der Bohème«, unter diesem Titel erinnert das Deutsche Tanzarchiv Köln mit einer Ausstellung vom 28. Oktober 2006 bis 4. März 2007 an die Tänzerin. Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs legte die Berber einen kometenhaften Aufstieg hin, ihre Bühnenauftritte waren ebenso skandalös wie ihr Privatleben. Zusammen mit dem Tänzer, Lyriker und Maler Sebastian Droste zeigte sie ab 1920 Tanzabende, die Titel wie »Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase« trugen, ihre provokativ zur Schau gestellte Nacktheit tat ein Übriges. Anita Berber starb, nur 29-jährig, im November 1928 in Berlin. Deutsches Tanzarchiv Köln/SK Stiftung Kultur, Tanzmuseum, Im Mediapark 7, 50670 Köln. Im Dezember 2006 feiern die Ballettfreunde Hamburg e.V. ihr dreißigjähriges Bestehen. Zu den zahlreichen Aktivitäten des Vereins gehört auch die regelmäßige Förderung begabter, aber mittelloser Schüler, die auf diese Weise in der Ballettschule des Hamburg Ballett – John Neumeier ihre Ausbildung absolvieren können. 25 Unsere Tanz-Ereignisse 2007: Bregenz und Worpswede 12. Internationale Sommertanzwoche Bregenz 2007 29. Juli bis 4. August 2007 2. Norddeutsche Tanztage Worpswede 2007 25. bis 28. Mai 2007 4. Sommer-Intensiv-Woche Auf alle weiteren Fragen gibt Ihnen Ursula Neuhaus gerne Auskunft: Tanzpädagogik Bregenz 2007 Seminarblock zur beruflichen Weiterbildung 29. Juli bis 3. August 2007 Zum zweiten Mal lädt der Deutsche Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. zu den »Norddeutschen Tanztagen« in das weltbekannte Kunstund Künstler-Dorf Worpswede bei Bremen ein. In einer Atmosphäre, die die Malerin Paula Modersohn-Becker mit den Worten beschrieb: »Worpswede, Worpswede, Worpswede … Es ist ein Wunderland!«, wollen wir mit unseren hochqualifizierten Dozentinnen und Dozenten Günther Rebel, Chesse Rijst, Ulla Wenzel u.a. vom 17. Mai (Himmelfahrt) bis zum Sonntag, den 20. Mai 2006 eine neue Aktivität des Tanzes für unsere tanzbegeisterte Jugend kreieren: Ballett / Spitzentanz / Jazztanz / Musicaltanz / Tanztheater / Freier Tanz / Modern Dance / Charaktertanz. Begleitet werden sie von den versierten Musikern Peter Jones, Thomas Lorey. Die Tanztage sind geplant für junge Tänzerinnen und Tänzer ab neun Jahren bis zum »fortgeschrittenen Standard«. Zum 12. Mal finden 2007 die Internationale Sommertanzwoche und zum 4. Mal die Sommer-Intensiv-Woche Tanzpädagogik in Bregenz statt. Unter der Leitung unserer hochqualifizierten Dozentinnen und Dozenten Elaine Holland, Kaleiula Kaneao, Liane McRae, Günther Rebel, Chesse Rijst, Ulla Wenzel u.a. finden Kurse in den Disziplinen Ballett / Spitzentanz / Jazztanz / Musicaltanz / Tanztheater / Modern Dance / Charaktertanz sowie Folklore – Hawaiianischer Tanz statt. Auch in diesem Jahr gibt es für die Kursteilnehmer die Möglichkeit des Besuchs einer Aufführung der Bregenzer Festspiele auf der Seebühne zu einem ermäßigten Preis. Auf dem Programm steht dort in diesem Jahr die Oper »Tosca« von Giacomo Pucini. Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. Tel. und Fax: 06184 / 62 972 Di. 9:00–10:00 und 20:15–21:00 Uhr Fr. 9:00–10:00 Uhr Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik e.V. 2. Norddeutsche Tanztage Worpswede 2007 17. bis 20. Mai 2007 Detailliertes Informationsmaterial durch: Organisation Bregenz/Worpswede Deutscher Berufsverband für Tanzpädagogik U. Neuhaus, Hüttengesäßerstr. 20 D-65505 Langenselbold Fax: +49 (0) 6184 / 62 972 Informationen und Anmeldeformulare auch unter: www.tanz-ereignisse.de 26 Ballett Intern 5/2006 Impressionen Bregenz 2006 Ballett Intern 5/2006 27 Aaolto Theater Essen Ballett-Gala am 28. April 2007 Es tanzen u. a. nc a nD ó Lim any, New York p m o eC tt e l l a B n e h c dis a B s de Sta at l s b a ll e t t B e r rs e t a he t s t a Sta in arter Ballett g t t u St e h u r s Karl